German Biotech Report 2013
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German Biotech Report 2013
Assurance | Tax | Transactions | Advisory Die globale Ernst & Young-Organisation im Überblick Die globale Ernst & Young-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Transaktionsberatung sowie in den Advisory Services. Ihr Ziel ist es, das Potenzial ihrer Mitarbeiter und Mandanten zu erkennen und zu entfalten. Die 167.000 Mitarbeiter sind durch gemeinsame Werte und einen hohen Qualitätsanspruch verbunden. Die globale Ernst & Young-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach britischem Recht und erbringt keine Leistungen für Mandanten. Weitere Informationen finden Sie unter www.de.ey.com In Deutschland ist Ernst & Young mit rund 7.400 Mitarbeitern an 22 Standorten präsent. „Ernst & Young“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited. © 2013 Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft All Rights Reserved. Ernst & Young ist bestrebt, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten. Diese Publikation wurde daher auf Papier gedruckt, das zu 60 % aus Recycling-Fasern besteht. Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verantwortung des Lesers. Jegliche Haftung seitens der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und/oder anderer Mitgliedsunternehmen der globalen Ernst & YoungOrganisation wird ausgeschlossen. Bei jedem spezifischen Anliegen sollte ein geeigneter Berater zurate gezogen werden. mag 0413 ED none Erfahren Sie mehr auf www.de.ey.com/lifesciences Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Ernst & Young Umdenken ... ... weiter denken, breiter denken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Impressum Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung des Buches oder Teilen daraus, sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung von Ernst & Young GmbH in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm, Datenträger oder einem anderen Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Sys teme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Die Wiedergabe von Gebrauchs- und Handelsnamen sowie Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Die Zahlenangaben und Informationen basieren auf Daten, die im Rahmen einer Primärdatenerhebung sowie Sekundärdatenrecherche von relevanten Unternehmen ermittelt wurden. Die in diesem Report wiedergegebenen qualitativen und quantitativen Einschätzungen wurden mit hoher Sorgfalt ermittelt, jedoch übernimmt der Heraus geber keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben. Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Theodor-Heuss-Anlage 2, 68165 Mannheim April 2013 Layout und Produktion: magenta – Kommunikation, Design und Neue Medien GmbH & Co. KG, Mannheim Inhalt Vorwort/Preface2 Perspektive4 Rollenverständnis „Biotechnologie“ erweitern 5 Umdenken – Alleinstellungsmerkmale im Therapiesektor 7 Weiter denken – Neuer Wachstumsmarkt Diagnostik und PI Technologies 15 Breiter denken – Biologisierung der Industrien und Bioökonomie 22 Durchdenken – Firmen auf solider Basis gründen 29 Zusammen denken – Präkompetitive Kollaborationen werden relevanter 35 Kennzahlen der deutschen Biotech-Industrie 38 Zahlen und Fakten im Überblick 39 Kennzahlen privater und börsennotierter Unternehmen 40 Transaktionen44 Zahlen und Fakten im Überblick 45 Umdenken für attraktivere Transaktionen 47 Allianzen deutscher Biotech-Unternehmen 48 Allianzen europäischer Biotech-Unternehmen 55 Verhandlungsposition der Tech@Companies in Allianzen 58 Neue Allianzpartner auf dem Käufermarkt 59 M&A-Transaktionen deutscher Biotech-Unternehmen 60 M&A-Transaktionen europäischer Biotech-Unternehmen 63 Firepower von Big Pharma nimmt ab 64 Finanzierung66 Zahlen und Fakten im Überblick 67 Finanzierung privater Biotech-Unternehmen 69 Finanzierung börsennotierter Biotech-Unternehmen 90 Marktkapitalisierung96 Produkte 98 Zahlen und Fakten im Überblick 99 Wirkstoffpipeline in Deutschland 100 Biomarker als lukrative Marktprodukte 106 Neugründungen mit innovativen Ideen 108 Wirkstoffpipeline in Europa 112 Orphan-Drug-Zulassungen bei EMA und FDA 113 Biotech-Standort Deutschland 114 Umdenken, weiter denken … auch eine Forderung an die Politik 115 Regionale Netzwerke und ihre internationale Anbindung 118 Danksagung125 Anhang126 Methodik und Definitionen 126 Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 128 Verzeichnis der Expertenbeiträge 130 Glossar132 Vorwort Preface Die aktuellen Wirtschaftsprognosen in Deutschland sind positiv und sorgen für bessere Stimmung und Zuversicht. Die Grundlage hierfür schafft der Wirtschaftsstandort Deutschland mit starker Technologiebasis und darauf aufbauender Produktion von Gütern, die am Weltmarkt hoch geschätzt sind. Dennoch gibt es auch Sorgen der Menschen, z. B. aufgrund steigender Energiepreise, zunehmender Umweltbelastungen und deren Auswirkungen auf die Gesundheit. In dieser Situation mahnt mancher zum „Umdenken“: Current economic forecasts in Germany are positive and provide more confidence again. This is mainly driven by a strong technology base ensuring the manufacturing of high value products with an excellent reputation in global markets. Nevertheless, there are concerns as well, e. g. about the increasing cost of energy or the growing ecological damage with its consequences for public health. This situation generates a need to “Rethink”: • Gelingt der Umstieg auf alternative Energiequellen? • Wie kann die Umwelt besser und nachhaltig geschützt werden, um sie für nachfolgende Generationen zu erhalten? • Wie kann das Gesundheitssystem die technischen Möglichkeiten nutzen und trotzdem bezahlbar bleiben? Dr. Siegfried Bialojan „Umdenken“ – so auch der Titel des diesjährigen BiotechnologieReports. In den letzten Jahren wurde als Konsequenz aus der Finanzierungskrise über „Neue Spielregeln“ für die Unternehmen der Biotech-Branche nachgedacht und darüber, wie man „Weichen stellen“ kann, um neue Geschäftsmodelle zu etablieren. Diese Reihe gipfelte im letztjährigen Titel „Maßgeschneidert“, der illustrierte, dass es keine Standardmodelle mehr gibt und jedes individuelle Unternehmen mit seinen spezifischen Stärken seinen eigenen Weg beschreiten muss. Warum also schon wieder „Umdenken“? Der vorliegende 14. Ernst & Young Biotechnologie-Report versucht, den in den letzten drei Jahren immer enger auf das individuelle Unternehmen fokussierten Blick – auf seine USPs, seinen individuellen Businessplan, seine optimierte Finanzierungsstrategie – wieder zu weiten, um über neue Opportunitäten in einem sich ändernden, breiteren Umfeld vieler Industrien nachzudenken. In den vergangenen zehn Jahren wurde der Biotechnologie sukzessive ihre eigentliche Daseinsberechtigung und Stärke – die Entwicklung und Etablierung von „Bio-Technologien“ – entzogen; sie wurde zu sehr auf den Bereich der Therapeutikaentwicklung reduziert, ausgerechnet einen Sektor mit extrem hohen Risiken, Kosten, langen Zeitspannen und Konkurrenz bis zum Erfolg am Markt. Die Folgen waren unausweichlich: Misserfolge, gescheiterte Finanzierungssysteme, schlechte Reputation und wenig Zutrauen in die Leistungsfähigkeit der Biotech-Branche insgesamt. „Umdenken“ bedeutet, sich wieder der eigentlichen Stärken zu besinnen. Darauf aufbauend müssen die Felder identifiziert werden, in denen die „Bio-Technologien“ auf hohen Bedarf treffen und in attraktiven Geschäftsmodellen ihren Anteil an der Wertschöpfung bekommen können. 2 • How can the transition to renewable energy sources be managed? • How can the environment be better protected for future generations? • How can technological innovations be leveraged best in order to sustain health care systems at affordable costs? “Rethinking” is also the title of this year’s Ernst & Young German biotech report. In previous years we have thought about “New Rules” for biotech companies in order to overcome the global financial crisis and about being “On the right tracks” to establish new business models. Along these lines, last year’s title “Tailor-made” indicated that standardized models are no longer relevant but every single enterprise has to find its own way based on its individual strengths. Why then “Rethinking” again? This 14th edition of the German Ernst & Young Biotech report attempts to widen again the perspective which had been narrowed down in previous years to more and more reflect individualized aspects – such as USPs, individual business plans or optimized financial strategies. It is about new opportunities in a changing environment with specific emphasis on applications in multiple industries. During the last decade, biotechnology had been more and more deprived of its raison d’être and actual strength – generating and establishing new “bio-technologies” – and was essentially reduced to drug development; an extremely risky sector associated with high costs, long development cycles and fierce competition on the way to market. The consequences were inevitable: failures, failed financing strategies, bad reputation and vanishing trust in the capabilities of the whole biotech sector. “Rethinking” therefore refers to reconsidering actual strengths as well as to analyzing and identifying fields with high demand for “bio-technologies”. Fields in which, at the same time, biotech can secure a valuable share of associated value chains and benefit from attractive business models. Rethinking within the therapeutic sector may mean to leverage new technology platforms for the generation of novel compound classes or to cover parts of pharmaceutical value chains. Rethinking may also mean “thinking beyond” and looking into new technology fields in Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Umdenken innerhalb des Therapiesektors kann bedeuten, Technologieplattformen für innovative Produkte oder zur Abdeckung von Teilen der Wertschöpfungskette zu definieren. Umdenken beinhaltet auch „weiter denken“ in neue, interessante Technologiefelder, die sich im Diagnostikbereich zum Thema Personalisierte Medizin auftun. Und Umdenken heißt auch „breiter denken“, wenn es darum geht, die Initiativen der Bioökonomie mit Leben zu erfüllen und „Bio-Technologien“ in Industrien einzubringen, die bisher außerhalb der Reichweite lagen. Unser globaler Biotechnologie-Report Beyond borders 2013, der in enger Zusammenarbeit mit dem Life Science Center in Mannheim erstellt wird, vertieft in diesem Jahr ebenfalls ein Thema, bei dem es um die Wertstellung der Biotech-Leistung geht. Für den reiferen und marktnäheren Biotech-Sektor in den USA geht es mehr darum, den Wert der Entwicklungen genau zu belegen, um in Partnerschaften oder bei Zulassungs- und Erstattungsbehörden zu bestehen. „How to demonstrate value“ ist deswegen dort das Kernthema. Dies schließt vor allem die immer stärker in den Vordergrund drängende Frage nach dem tatsächlichen Patientennutzen und dem „Health Outcome“ ein. Die Unternehmen werden daraufhin analysiert, inwieweit sie sich in einem „Implementation Gap“ befinden oder hier bereits auf Höhe der Anforderungen sind. Innovationen in der Medizintechnik fanden ihren Ursprung von jeher schon viel näher am Patienten. Sie orientieren sich zukünftig noch stärker am „Patient Outcome“, mit Point–of-Care-Anwendungen, personalisierten Diagnostik-Tests und vielen neuen Health-IT-Systemen. Unter dem Begriff „PI Technologies“, einer Abkürzung für „Patient empowering and Information leveraging“ werden diese Trends in unserer globalen Medizintechnikstudie Pulse of the industry herausgearbeitet. Das Zusammenwirken aller Disziplinen der Life-Science-Industrie zu verstehen wird zu einer unabdingbaren Kernkompetenz für die Unterstützung beim Aufbau des patientenorientierten Gesundheitssystems der Zukunft. Die gedankliche Auseinandersetzung mit diesen Zusammenhängen, unzählige Gespräche mit allen Beteiligten sowie ein fundiertes Wissen der Fakten schaffen eine solide Basis für eine Beratungsexpertise, die wir unseren Kunden im gesamten Life-Science-Bereich zur Verfügung stellen. Mit diesem Vorausblick hoffe ich, dass Ihnen die vorliegende Studie hilfreiche Anregungen liefert und würde mich freuen, darüber hinaus den Dialog mit Ihnen fortsetzen zu dürfen. „Beyond borders“ Biotechnology industry report 2013 „Pulse of the industry“ Medical technology report 2012 the diagnostics sector around the topic of personalized medicine. Finally, rethinking also refers to “thinking more broadly” in terms of taking the new bioeconomy paradigm into account, in which “bio-technologies” will be leveraged much more widely in a variety of other industries that so far have been out of reach for biotech. Our global biotechnology report Beyond borders 2013 – which is put together in close cooperation with the Ernst & Young Life Science Center Mannheim – also deals with the issue of extracting value from biotech capabilities. For the more mature and market-oriented US biotech sector it is primarily relevant to demonstrate the value of biotech developments to partners, regulators or reimbursement decision makers. “How to demonstrate value” is therefore the key theme of the report. This also includes the question of how far companies have come to address the dominating issues around demonstrating “patient benefit” and “health outcome” and whether there still is an ”implementation gap”. Innovations in the medical device sector have traditionally originated closer to the patient and in cooperation with physicians. Now these innovations are starting to focus even more on the “patient outcome”, with point-of-care applications, personalized diagnostics and many new IT solutions. The term “PI technologies” (Patient empowering and Information leveraging) has been coined to describe this movement. In our global medtech study Pulse of the industry these trends are addressed in detail. Understanding the interaction of all disciplines in the life science industry will become a major key competency to support the building of a patient-oriented health system. Thinking and developing thought leadership along these lines, numerous discussions with all stakeholders, as well as sound knowledge of the facts all together establish a solid basis for the consulting expertise we offer to our clients. I hope the study on hand will provide you with helpful food for thoughts and will be able to stimulate fruitful discussions. I would also be delighted to continue our dialogue on the topics raised in this report. Dr. Siegfried Bialojan GSA Biotech Leader, Leiter Life Science Center Ernst & Young Mannheim, Germany siegfried.bialojan@de.ey.com For more detailed information, we have posted an English Executive Summary with all major charts and analyses on our web site www.de.ey.com/biotechreport-summary Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 3 Perspektive 4 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Rollenverständnis „Biotechnologie“ erweitern Blickfeld erweitern In der mittlerweile über zehnjährigen Tradition der deutschen Biotechnologie-Reports von Ernst & Young haben wir die Entwicklungsgeschichte einer jungen, aufstrebenden Branche erfasst, analysiert und begleitet. Ein wichtiger Aspekt dabei war und ist die Identifizierung von richtungsweisenden Trends und deren Untermauerung durch verlässliche Statistiken. Dabei hatte sich nach den Anfängen der Biotechnologie in ihrer eigentlichen Rolle als Entwickler und Bereitsteller von „Querschnittstechnologien“ mehr und mehr eine Fokussierung auf die Medikamentenentwicklung als Hauptbetätigungsfeld der Branche herauskristallisiert. Allerdings bekam die Biotech-Branche die in diesem Bereich typischen Nachteile in vollem Ausmaß zu spüren – hohes Ausfallrisiko, immenser Finanzierungsbedarf und lange Entwicklungszeiten bis zum Markterfolg. Deshalb zeichnen gegenwärtig sowohl die Finanzierungssorgen als auch ausbleibende Erfolge bzw. konkrete Ausfälle eher ein negatives Bild in der Außendarstellung der Branche. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, um den Zweifeln an der ohne Frage immensen Bedeutung der Biotechnologie für zukünftige Innovationen zum Nutzen der Menschheit nicht dauerhaft die Oberhand zu überlassen. Die Ernst & Young Reports der letzten drei Jahre hatten bereits einen „Umdenkprozess“ angemahnt und gedanklich initiiert. Dabei haben wir vor allem Ansätze beschrieben, aus dem Dilemma der Unterfinanzierung herauszufinden. Ob „Neue Spielregeln“, „Weichen stellen“ oder „Maßgeschneidert“ – so die jeweiligen Titel der Reports: Es handelte sich dabei meist um Versuche, Alternativen aufzuzeigen, wie im oder um den bestehenden Kernbereich der Medikamentenentwicklung Biotech-Unternehmen weiter bestehen könnten. Die resultierenden Maßgaben umfassten im Wesentlichen immer wieder alternative Finanzierungsquellen, den effizienteren Umgang mit knappem Kapital sowie modifizierte Geschäftsmodelle. Alle Ansätze waren somit primär finanzierungsgetrieben und Ausdruck einer puren Überlebensstrategie. Ebenfalls adressierten wir bereits in den letzten Reports, dass diese Strategie der reinen Überlebenssicherung für die Biotechnologie aus volkswirtschaftlicher Sicht eine Katastrophe ist. Wenn angesichts der enormen Wachstumspotenziale nicht entsprechende Wachstumsstrategien in den Vordergrund rücken, drohen die vorbildlichen, immensen Forschungsförderungsprogramme aus Steuermitteln zu verpuffen oder zumindest nicht in entsprechendem Maße an den deutschen Fiskus zurückzufließen. Umdenken … … breiter denken Darüber hinaus ist es schließlich auch an der Zeit und ebenso wichtig, die ganze Breite der Anwendungsfelder von Biotechnologie jenseits der Medizin stärker in die Betrachtung einzubeziehen: „breiter denken“. Dieser Ansatz bezieht seine Berechtigung aus den in letzter Zeit viel diskutierten Aktivitäten zur „Biologisierung der Industrien“ und den damit verbundenen Initiativen zur „Bioökonomie“. Darüber hinaus ist der aktuelle Bezug noch viel authentischer dadurch belegt, dass individuelle Unternehmen konkrete Beispiele für das Potenzial in einer Vielzahl von neuen Bereichen und Industriesegmenten deutlich unter Beweis stellen. Der Titel „Umdenken“ fordert nun noch eindringlicher dazu auf, das gesamte Thema „Biotechnologie“ und vor allem die Rolle einer Biotechnologiebranche mit anderen Augen zu betrachten. Es geht nach wie vor darum, im bestehenden Kernbereich um die Medizin attraktivere Szenarien für nachhaltiges Wachstum zu entwickeln. Dazu gehört ein Rückbesinnen auf die eigentlichen Stärken und die Überlegung, wie diese im aktuellen Life-Science-Umfeld am besten in erfolgreiche Unternehmungen eingebracht werden können. Die Pharma-Industrie liefert vor allem durch das Eingeständnis der nicht mehr ausreichenden Innovationskraft, die Tendenz zur Öffnung der F&E-Organisationen für externe Zusammenarbeiten sowie das klare Bekenntnis zu mehr Outsourcing die beste Steilvorlage für die innovativen Unternehmen der Biotech-Branche. … weiter denken, Dazu gehört auch ein „weiter denken“ – das Erkennen von neuen Einsatzfeldern, die sich aus den Entwicklungen hin zu mehr Patientenorientierung ergeben. Das vielbenutzte Schlagwort „Personalisierte Medizin“ hat vor allem das Gebiet der Molekulardiagnostik neu belebt und beinhaltet enormes Wertschöpfungspotenzial. Hierfür zeichnen die Forschung und Entwicklungen in den Biotech-Unternehmen maßgeblich verantwortlich. Der Markt übt hier eine deutliche „Pull“-Bewegung aus, von dem die Biotech-Branche profitieren kann. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 5 Biotech classica – Quo vadis? Alternativen nachzudenken, wenn die Kapitalbindung zehn Jahre überschreitet. Für die Finanzierung von Produktentwicklungen aus Cashflow schließlich gibt es bereits eine Geschäftsbezeichnung: Pharma. Gründung, Aufbau, Portfoliogenerierung und Produktentwicklungen einer klassischen BiotechFirma laufen aus einem zehnjährigen Investitionshorizont schnell heraus – wer möchte hier schon Gründungsfinancier sein? Dr. Timm-H. Jessen, CEO Bionamics GmbH, Hamburg Biotech-Spezies auf der Roten Liste? DeveloGen, Medigene, Paion – so oder anders hießen die Platzhirsche der 90er und frühen 2000er Jahre. Produktfokussierte Biotech-Firmen mit einem interessanten Portfolio präklinischer und klinischer Wirkstoffprojekte, inhaltlich gebündelt in einer Indikationsklammer und finanziert durch Venture Capital. Betrachten wir heute die Geschäftsstrategien der Biotech-Firmen, so scheint diese Spezies ernsthaft bedroht zu sein: Biotech classica – quo vadis? Es war kein Komet Es wäre zu einfach zu behaupten, der ausgebliebene große Produkterfolg sei es gewesen, der diese Spezies auf die Liste der bedrohten Arten gebracht hätte; und Erfolge hat es in Teilen ja auch gegeben. Was sich jedoch bis heute als schwierig erwiesen hat, ist die Verknüpfung der erforderlichen Produkt- und Firmenentwicklungszeiten einerseits mit den Finanzierungshorizonten der Investoren andererseits. Ein typischer VC-Fonds hat bereits eine Laufzeit von durchschnittlich zehn Jahren, der Druck hin zu kürzeren Laufzeiten steigt jedoch. Und selbst ein Business Angel beginnt über 6 Neue Spezies entwickeln sich Das Kapital hat sich mittlerweile nach Alternativen umgesehen, will es denn im LifeScience-Bereich bleiben. Dadurch haben sich andere Spezies in der Biotech-Welt nach vorne entwickelt: Dienstleister, Diagnostikfirmen, Plattformentwickler und projektfokussierte Konstrukte dominieren das Terrain. Alle Spezies bemühen sich um ein Alignment der Produkt- und Geschäftsentwicklungszeiten mit dem Investitionshorizont der Geldgeber. Knüpfen wir an die oben genannten neuen Spezies an, so gelingt dies beispielsweise durch das Erreichen der Profitabilität, durch die Wahl des zu entwickelnden Produkts, durch eine Entkopplung von Technologie- und Produktentwicklung oder durch eine zeitlich beschränkte Veredlung eines Assets in einem Business Sweet Spot für Medikamentenkandidaten. Projektfokussierung als neue Maxime Investoren halten mit ihrem Anspruch nicht hinter dem Berg: So loben beispielsweise TVM, Index Ventures oder Symphony Capital, aber auch eine Reihe von Business Angels sogenannte PFCs als Investitionsoptionen aus, „project-focused companies“. Auch auf der operativen Seite herrscht Kreativität: Produkt-fokussierte Netzwerke oder Cluster wie CI3, NEU² oder BioNTech verknüpfen und nutzen existierende Strukturen und Exzellenzen auf lokaler und globaler Ebene. Das spart Infrastruktur- und Aufbauinvestitionen, erfordert ProjektmanagementQualitäten, resultiert insgesamt jedoch in einer höheren, projektfokussierten Kapitaleffizienz für den Investor. Insbesondere der Clusteransatz erfordert ein Umdenken aller Beteiligten: Diskussionen auf Augenhöhe ergeben sich aus Kompetenzgründen; Herkunft und Größe der beteiligten Organisationen rücken dagegen mehr in den Hintergrund. IP-sharing-Modelle müssen neu erdacht werden und die Incentivierung aller Beteiligten muss durch den jeweils geeig- Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 neten Mix aus Publikationsfreiheit, Umsatz und Rechten gelingen. Projektmanager müssen Unternehmerqualitäten zeigen und umgekehrt. Diese Konstrukte sind auf gutem Wege, ihr Produktivitätsnachweis steht jedoch noch aus. Neue Beziehungen Kapital-Biotech Treibt also das Kapital die Struktur der Biotech-Landschaft vor sich her? Das würde die Rollen zu ungleich verteilen. Beide Lager haben eine schmerzhafte Lernkurve hinter sich und versuchen sich nun an Alternativen, die für beide Parteien gewinnbringend sind. Längere Produktentwicklungszyklen als im Bereich der Arzneimittelentwicklung sind in der gesamten Industrie kaum zu finden, und wenn – wie beispielsweise in der Luftfahrt – genießen diese Industrien in der Regel staatliche Unterstützung durch Garantien den finanzierenden Banken gegenüber. Das zunehmende Engagement der öffentlichen Hand in der Biotech-Industrie ist möglicherweise in diesem Kontext zu verstehen, und dessen sinnvoller Ausbau sollte gemeinsam erörtert werden. Eine nachhaltige Entkopplung von Finanzierungshorizont und Entwicklungszyklen gelingt im vorliegenden Fall zudem nur durch neue Finanzmodelle (Evergreen-Fonds, Crossfund Investments etc.) oder durch die Industrie selbst. Das riefe Pharma wiederum auf den Plan, die sich Anfang 2000 bereits selbst einmal an Biotechnologiefirmen-ähnlichen Konstrukten versucht hatte, den indikationsfokussierten CEDDs (Center of Excellence in Drug Discovery & Development). Diese litten jedoch oft unter deren gesellschaftsrechtlicher Hegemonie, unter der strategischen Abhängigkeit und den wissenschaftlichen Altlasten. Vielleicht sind es Mischformen aus den neuen Biotech-Spezies und den ehemaligen CEDDS einerseits sowie den Corporate & Longterm Investors andererseits, die Biotech classica wieder zu einem Revival verhelfen können. www.bionamics.de Umdenken – Alleinstellungsmerkmale im Therapiesektor Gute Positionierung in medizinnahen Anwendungen Biotechnologieunternehmen müssen vor allem in medizinnahen Anwendungen klarer definierte Alleinstellungsmerkmale etablieren, die ihnen attraktive Positionen neben den dominierenden Pharma-Firmen ermöglichen. Das vielfach praktizierte Kopieren des Pharma-Modells für die Entwicklung und eigenständige Vermarktung von Therapeutika kann für KMU im Biotech-Sektor unter den gegebenen Umständen nicht nachhaltig erfolgreich sein. Sowohl der Finanzierungsbedarf als auch das Risikoprofil über die langen Zeitschienen passen nicht auf die vorgegebenen Modelle der Beteiligungsinvestoren. Jedoch haben einige Biotech-Vertreter ihre Unternehmen in diesem Bereich so interessant positioniert, dass diese unabhängig agieren können und auch im medizinnahen Anwendungsgebiet erfolgreich bestehen. terhin erfolgreich für den Käufer waren. So ist zum Beispiel die Antikörperplattform von Cambridge Antibody Technology (CAT) – lange eine direkte Konkurrenz zu MorphoSys – nach der Übernahme durch AstraZeneca im Jahr 2006 mittlerweile nicht mehr sichtbar. Um erfolgreich zu sein, muss ein Unternehmen nicht unbedingt eine eigene Produktplattform aufweisen. Wichtig ist der Nachweis eines nachhaltigen Geschäftsmodells mit einer soliden Technologie-Toolbox, welche für spezifische Fragestellungen eingesetzt werden kann: Sei es dem Innovationsdruck im Life-Science-Umfeld mit neuen Medikamentenklassen entgegenzuwirken, Kosten in der Medikamentenentwicklung einzusparen, die klinische Entwicklung schneller voranzutreiben oder aber auch komplexe Informationen schnell und einfach bereitzustellen. Je nach Ausprägung und Modell lassen sich Technologie-Toolboxen in verschiedene Einsatzbereiche einteilen. Alleinstellungsmerkmal und Best Practice „Technologie-Plattform“ Die Rolle von Biotech über eindeutige Alleinstellungsmerkmale besser zu definieren findet eine ganze Reihe von Ansatzpunkten. Stärkere Fokussierung auf die Technologiebasis ist einer der wichtigsten. Dies entspricht auch einer Rückbesinnung auf den eigentlichen Ursprung und die Stärke der Bio-„Technologie“ per se. Verbunden mit einer starken Technologie sind auch immer das menschliche Know-how, die gesammelten Erfahrungen und das Konzept rund um eine Technologiebasis sowie deren kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung. Stimmt das Konzept, kann rund um die Technologiebasis ein nachhaltiges und auch längerfristig eigenständig agierendes Geschäft aufgebaut und weiterentwickelt werden. Plattformen, die zur Generierung von neuen Wirkstoffklassen herangezogen werden, sind ein Beispiel hierfür. Sie stehen im Mittelpunkt von Allianzen, die für die Anbieter interessante Konditionen bieten(siehe hierzu die Erläuterungen im Kapitel „Transaktionen“). Demgegenüber zeigte sich in der Vergangenheit, dass solche Technologieplattformen nach erfolgreicher Übernahme und Integration in einen Großkonzern selten wei- Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 7 Perspektive 1. Toolbox „Tech@Translation“ als Treiber der Innovationseffizienz Im Zusammenhang mit dem enormen Innovationsdruck des Life-Science-Umfelds muss die Translation von innovativen Ideen aus der Akademie auf die kommerzielle Schiene besser funktionieren. Innovationseffizienz ist das Stichwort. Kernpunkt ist die frühestmögliche Kombination von exzellenten Forschungsideen mit den besten Technologien zum Zwecke einer schnellstmöglichen Abklärung der Tragfähigkeit akademischer Theorien. Hierbei spielen viele Aspekte eine Rolle, die Biotech im Vergleich zu großen und schwerfälligen Pharma-R&D-Organisationen Vorteile zubilligen und somit als Alleinstellungsmerkmale dienen: •F orschungs-„Mindset“ und eine Bereitschaft für „Open Innovation“ •E xpertise bezüglich enger und proaktiver Interaktion mit akademischen Instituten •A gilität und Kreativität, speziell auch im Umgang mit komplexen biologischen Systemen •K now-how für die frühe kommerzielle Entwicklung von Produkten •L ink zu den in der Wertschöpfungskette eher später einsteigenden Pharma-Firmen Genau diese Komponenten waren die Erfolgsfaktoren für zwei herausragende Kollaborationen, die Evotec mit den Eliteuniversitäten Harvard und Yale auf den Weg gebracht hat. Über die Zielsetzung der Zusammenarbeit mit Harvard wurde bereits im letzten Biotechnologie-Report berichtet. Werner Lanthaler, CEO von Evotec, hatte in seinem Artikel den Aspekt der „Innovationseffizienz“ dargelegt. Zum damaligen Zeit- punkt war die Initiative gerade gestartet und somit der Erfolg nur theoretisch vorgezeichnet. Umso beeindruckender der tatsächliche Beleg für die erfolgreiche Umsetzung dieses Ansatzes: 2012 konnte Evotec Ergebnisse der Zusammenarbeit mit Harvard bereits nach 18 Monaten in eine lukrative Allianz mit Johnson & Johnson (J&J) einbringen. J&J kaufte sich in das Kollaborationsprogramm zwischen Evotec und der Harvard-Gruppe um Prof. Doug Melton ein, welches ein Portfolio von regenerativen Diabetes-Therapien beinhaltet. Mit einem Volumen von 300 Millionen US-Dollar an erfolgsabhängigen Meilensteinzahlungen ist der Deal gemessen an dem noch sehr frühen Stadium bemerkenswert. Anfang des Jahres folgte gleich eine weitere, ähnlich gelagerte Allianz mit der Yale University. Inhaltlich werden dort innovative Ansätze in den Gebieten ZNS, Onkologie sowie metabolische und immunologische Erkrankungen gemeinsam bearbeitet. Auch hierbei steht die enge Verknüpfung von Evotecs DrugDiscovery-Plattform mit der erstklassischen Forschung der Yale University im Zentrum der Zusammenarbeit. Zwar gibt es durchaus Bestrebungen einiger Pharma-Unternehmen, ebenfalls früh und direkt mit akademischen Institutionen zu interagieren, allerdings sind hier größere Hürden zu überwinden bis das „Open Innovation Paradigm“ auch bei den Großen verinnerlicht wird. Hier können BiotechUnternehmen mit entsprechendem Technologieangebot deutlich punkten. Die effizientere Translation von Forschungsergebnissen in die kommerzielle Nutzung war auch Triebfeder für die Gründung des Lead Discovery Center (LDC). Im Gegensatz zu der zuvor beschrieben Initiative, die aus einer bereits etablierten kommerziellen Plattform auf die Akademie zuging, entstand das LDC als kommerzielles Unternehmen aus einer Ausgliederung der Max-PlanckGesellschaft. Erklärtes Ziel ist es, durch die enge Kollaboration von Wissenschaftlern mit dem Drug-Discovery-Apparat des LDC schnellstmöglich Ideen auf ihre Produktund Anwendungstauglichkeit zu prüfen. Die Validität des Ansatzes und die Attraktivität dieses Modells werden weiter bestätigt durch sein Finanzierungsmodell: Neben der MaxPlanck-Gesellschaft selbst konnte das LDC signifikante Fördermittel als einer der Gewinner des BMBF BioPharma-Wettbewerbs einnehmen. Außerdem konnten die Dortmunder Fördermittel im Rahmen des EUProgramms FP7 einwerben und Mittel aus der Marie Curie Stiftung sowie der Michael J. Fox Foundation heben. Zielsetzung ist dennoch, das als kommerzielles Unternehmen gegründete LDC nach Ablauf von zehn Jahren vollständig aus eigenen Erträgen zu finanzieren. Auch hier zeigen sich erste Erfolge. Im Jahr 2011 schloss das LDC einen Lizenzvertrag mit Bayer zur weiteren Entwicklung eines neuen Onkologie-Wirkstoffes. Weitere Vereinbarungen laufen mit Merck KGaA in Darmstadt. Im Zuge der stärkeren Internationalisierung und globalen Wahrnehmung der „Translation“ als wesentlichen Innovationstreiber hat sich das LDC mittlerweile in einen Verbund von weiteren international führenden TechnologietransferEinrichtungen integriert (Artikel von Bert Klebl auf S. 10). Tech@Translation als Treiber der Innovationseffizienz Target-Identifikation und Bewertung Akademie Screening Hit- und LeadIdentifikation LeadOptimierung Präklinik Tech@Translation Klinische Phasen Zulassung und Vermarktung Pharma Quelle: Ernst & Young, 2013 8 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Zwei zurück und eins nach vorn! – A New Deal for Innovation Dr. Werner Lanthaler, CEO Evotec AG, Hamburg Baustopp auf der Baustelle? Sie kennen vielleicht das Phänomen: Ein junges Paar ist motiviert von der Idee, ein Haus zu bauen; der tolle Architekt ist schnell bestellt, der Plan ist rasch diskutiert, eingereicht, genehmigt und schon geht’s los. Doch bereits nach kurzer Zeit ereilt das junge Paar erst die Ernüchterung und anschließend das böse Erwachen. Zunächst werden zwar nur Extras wie der Swimmingpool oder die Sauna von der Bauzeichnung gestrichen; doch trotz Reorganisation und Sparstift wird schnell klar, dass das Projekt mehr kostet, als man geplant hat und der Hausbau darüber hinaus um einiges länger dauert, als die angespannten eigenen Finanzen und die Bank es zulassen. Baustopp auf der Baustelle – wer will das schon! Nun gilt es, sich von den alten Mustern zu befreien; ein Ansatz, der sich auch auf viele Unternehmen in der Gesundheitsindustrie übertragen lässt. Das Problem: Aufgrund von „Erfolglosigkeit“ zurück zum Start Neben dem Beklagen von Finanzierungslücke und mangelndem Innovationsgeist in Europa scheint es, dass wir ein fundamentales analytisches und ökonomisches Problem über die letzten Jahrzehnte hinweg ignoriert haben. Neue Produkte erfordern größere Innovationsleistungen, als man geglaubt hat, kosten signifikant mehr und dauern wesentlich länger, als finanzierungswillige Unternehmen ihren Investoren immer wieder ein- reden wollten. Die Tufts University beschreibt im Jahr 2011 in einer Studie, dass die Biotechnologie die Kosten im Durchschnitt um 250 Prozent unterschätzt hat. Auch die Entwicklungsdauer von neuen Produkten war durchschnittlich vier Jahre länger als ursprünglich angenommen. Und das sind die Analyseergebnisse der erfolgreichen Projekte! Trotz Milliardeninvestitionen in vielen Innovationsbereichen ist kaum Produktfortschritt festzustellen. Zudem gab es in den letzten fünf Jahren signifikante Rückschläge. Am deutlichsten wurde das wohl erst kürzlich von der FDA selbst illustriert, als sie alle Innovationsspieler direkt und sehr deutlich dazu aufforderte, in der Alzheimerforschung in Zukunft viel stärker zusammenzuarbeiten. Der Grund für diesen Schritt ist für uns alle alarmierend, denn die parallel laufenden spätphasigen Ansätze, die der Behörde vorliegen, deuten darauf hin, dass sie die Krankheit weder lindern noch deren Ursache aufklären und behandeln können. Die Order kommt also sogar von der regulativen Instanz: Alle gemeinsam „stop loss“ und zurück zum Start! Dieses Muster gilt leider nicht nur für Alzheimer, sondern auch für Diabetes, Krebs, HIV etc. Generell sind Krankheiten in den letzten Jahren zwar deutlich besser diagnostizierbar, aber leider kaum besser behandelbar geworden. Gesellschaftspolitisch langfristig effiziente Mittelverwendung bedeutet demnach eine nachhaltige Ursachenanalyse und -bekämpfung und nicht nur Symptomerkennung und -linderung. Die Komplikation: Zu viele wollen die Illusion zu lange am Leben lassen Die Diskussion darüber, was die akademische Welt, Biotech- und Pharma-Unternehmen versprochen haben und was tatsächlich gehalten wurde, wird immer wieder vermieden. Doch wenn über Jahre nicht die gewünschten Erfolge erzielt werden, leidet irgendwann die Glaubwürdigkeit. Insbesondere in Branchen, in denen Anschlussfinanzierungen sehr stark auf ebenjener Glaubwürdigkeit basieren, ist ein vermindertes Vertrauen gleichzusetzen mit einem geplatzten Scheck. Der Schweinezyklus der notwendigen Finanzierungen treibt die Spirale von mehr und mehr Versprechen jedoch immer weiter an, auch ohne dass tatsächlich kommerziell fassbare Endprodukte und Resultate erkennbar werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die ganze Branche die Asymmetrie von „Versprechen und Halten“ absichtlich ver- Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 größert hätte. Im Gegenteil, die Wissenschaftsleistung und Managementanstrengungen sind deutlich besser als je zuvor, doch leider ist die Lücke zwischen Finanzierungsmöglichkeit und Finanzierungsnotwendigkeit immer größer geworden. Es ist keine Schande, dies einzugestehen, denn es spiegelt die Komplexität der Biologie und vieler Krankheitsbilder wider. Die Spirale von immer größeren Versprechen zu stoppen, ist aber der Beginn einer konstruktiven Kooperation zwischen allen Innovationsspielern. Die Lösung: Gemeinsam statt einsam und voll motiviert zurück zum Start Zu erkennen, dass man bei vielen Indikationen leider keine erfolgsversprechenden Phase-IIund Phase-III-Ansätze mehr hat und keine weitere Wirkstoffpipeline vorhanden ist, sollte uns heute nicht frustrieren. Ganz im Gegenteil, es sollte uns motivieren, noch einmal ganz von vorne anzufangen. Zu erkennen, dass sich die klassischen Finanzierungsquellen in den nächsten Jahren weiter dramatisch ändern werden, sollte uns die Illusionen der Produktversprechen nicht weiter aufbauen lassen. Ganz im Gegenteil, je rascher wir anfangen, diese Versprechen abzubauen, umso besser. Industrie und Akademia haben sehr viel gelernt, und dieses Wissen gemeinsam zu nutzen sollte auch viel bessere neue Ansätze schaffen. Genau hier wird das neue vielversprechende Potenzial für VC, BA, Förderungsgeber und Lizenzdeals liegen. Wo sind die oft beschworenen kooperativen Ansätze, die Konsortien von Forschungsinstitutionen gemeinsam mit Biotech- und Pharma-Unternehmen? Theoretisch geistern diese Konstrukte ja schon lange durch die einschlägigen Magazine und Sonntagsreden von PharmaManagern und erste Ansätze gibt es auch schon, aber es sind noch viel zu wenige. Evotec hat hier gemeinsam mit Harvard, Yale und Janssen ihre ersten signifikanten Allianzen schon geschmiedet und auch veröffentlicht. Für alle Beteiligten gilt: Es ist äußerst motivierend, dass man endlich tatsächlich an der Ursache und nicht nur an den Symptomen forscht. Noch nie war es so klar wie heute, dass nur, wenn wir gemeinsam zum Start zurück gehen werden, wir vielleicht heute in zehn Jahren Alzheimer, Aids, Krebs, Diabetes und viele andere Krankheiten tatsächlich besiegt und dabei alle ein Bombengeschäft gemacht haben werden. www.evotec.com 9 Lead Discovery Center: Skipping Biotech – Verzichtet Pharma in Zukunft auf Biotech? offen und wird nur durch die Technologiebreite (niedermolekulare und peptidbasierte Wirkstoffe) am LDC oder die Finanzkraft einer interessierten Partei begrenzt. Durch Fördermaßnahmen des Landes NRW, des BMBF und der EU ist das LDC auch für Akademiker außerhalb der MPG zugänglich. Derzeit kommt bereits etwa die Hälfte der Projektfinanzierungen am LDC aus NichtMPG-Quellen. Das unterstreicht die Werthaltigkeit und den Bedarf für dieses neue Modell. Dr. Bert Klebl, CEO / CSO Lead Discovery Center GmbH, Dortmund Brücke zwischen Akademie und Pharma Das Lead Discovery Center wurde 2008 von der Max-Planck-Innovation GmbH (MI) gegründet, um biomedizinische Innovationen aus dem MPG-Umfeld effizienter in die pharmazeutische Anwendung zu überführen. Es werden innovative Projekte durchgeführt, deren Grundlage meist die Forschungsergebnisse von MPG-Wissenschaftlern sind. Die einzelnen Projektvorschläge werden im Lauf ihrer Inkubation am LDC als neue Therapieansätze mit hohem medizinischen Bedarf (de)validiert und in enger Kooperation mit MPG-Wissenschaftlern und u. U. weiteren Partnern durchgeführt. Nach erfolgreicher Inkubation am LDC werden die Projekte vermarktet bzw. verpartnert. Bei Vermarktung / Lizenzierung profitieren alle beteiligten Partner am Vermarktungserfolg („geteilter Vermarktungserfolg“). Erfolgreiche Kollaborationen Im Jahr 2010 konnte eine neue Leitstruktur in der Onkologie (Wirksamkeitsnachweis im Tiermodell) nominiert werden, welche 2011 exklusiv an die Bayer Healthcare AG für über 135 Millionen Euro inklusive Meilensteinzahlungen lizenziert wurde. Auch 2010 wurde ein Kooperationsvertrag mit der Firma Merck Serono zur anteiligen Finanzierung eines Projektes zusammen mit Mitteln aus dem BioPharma-Programm des BMBF geschlossen, der bei Erfolg in einen Lizenzvertrag mündet. Zudem wurden in den letzten beiden Jahren Partnerschaften mit BiotechFirmen, z. B. der HMNC GmbH aus München, geschlossen. Weitere Kooperationen und Lizenzierungen an Pharma- und BiotechPartner, wie jüngst mit AstraZeneca, unterstreichen die Flexibilität des Geschäftsmodells, zeigen aber auch die gute Akzeptanz im Markt. Finanzierung Die MPG hat mit dem LDC einen mehrjährigen Rahmenvertrag geschlossen, der die Finanzierung von Forschungsprojekten aus den verschiedenen Max-Planck-Instituten ermöglicht und vor kurzem bis Mitte 2018 verlängert wurde. Zudem finanziert sich das LDC vermehrt aus Einnahmen von Lizenzoder Kooperationsverträgen, welche in die pharmakologische Forschung reinvestiert werden. Die Möglichkeit, mit dem LDC zu arbeiten ist, für alle (Akademie, Biotechund Pharma-Industrie, Investoren etc.) Skipping Biotech? Nein! Das LDC hat sich zwar in einer Nische breitgemacht, die eigentlich für BiotechUnternehmen angedacht war: nämlich das Risiko aus hochinnovativen Projektideen der pharmazeutischen Wirkstoffforschung zu nehmen. Leider fehlt seit mehreren Jahren die Finanzierungsgrundlage in Kontinentaleuropa, um eine vitale rote Biotech-Industrie zu erhalten. Zudem ziehen sich auch viele Pharma-Firmen aus dem frühen Wirkstoffforschungsbereich zurück. Als Kunden haben sie jedoch weiterhin Bedarf an neuen, validierten Therapiekonzepten. Die Finanzierungslast wird also vermehrt auf die öffentliche Hand verlagert. Genau dieser Trend wird durch die Realisierung des LDC-Konzeptes bestätigt. Trotzdem kann eine Organisation wie das LDC nur einen Teil der präklinischen Kosten tragen. LDC-ähnliche Inkubatoren können das Risiko von neuen Forschungshypothesen reduzieren, jedoch nicht flächen- 10 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 deckend die gesamte pharmazeutische Forschung bedienen. Daher kann es nicht das Ansinnen solcher Inkubatoren sein, die Biotech-Branche zu verdrängen. Ganz im Gegenteil sind diese eine ideale Brutstätte für neue Unternehmen oder können bestehende Biotechs effizient mit Projekten befeuern. Unternehmen und Zentren wie das LDC dürfen deshalb als Stärkung einer nachhaltigen Biotech-Szene verstanden werden. Universitäten und Institute bleiben die Quellen der Innovationen. Direkte, strategische Partnerschaften zwischen akademischen Einrichtungen und der Pharma-Industrie werden in Zukunft im präkompetitiven Bereich möglich sein, aber darüber hinaus aufgrund zu unterschiedlicher Zielsetzungen problematisch bleiben. Ausblick Translationale Zentren und Inkubatoren für die Wirkstoffforschung werden ihren Platz in der pharmazeutischen Wertschöpfungskette behalten und festigen. Sie dienen als erster Filter, um das große Risiko aus neuen therapeutischen Hypothesen zu nehmen. Aufgrund ihrer zentralen Organisation können sie aus dem Gesamtpool der wissenschaftlichen Hypothesen die vielversprechenden herausfiltern und für Biotech- und Pharma-Firmen interessant machen. Eine zentrale Organisationsstruktur ist aufgrund der Filterfunktion wichtig. Es macht keinen Sinn, wenn jede Universität ihr „eigenes“ LDC gründet und unterhält. Allgemein ist auch ein Umdenken von Seiten der Investoren notwendig. Der präklinische Wirkstoffmarkt lebt, es können lukrative Geschäfte realisiert werden. Allein die Dauer und Erwartung an Investitionen muss neu überdacht werden. Wird der Investitionszeitraum zu kurz gewählt, bleibt die Mehrzahl von interessanten Projekten auf der Strecke. Erste Modelle, die eine nachhaltigere forschende Biotech-Szene unterstützen sind in Reichweite, z. B. „Corporate Ventures“, Investitionen direkt aus Pharma, alternative Investitionsmodelle durch Business Angels oder Projektinvestitionen bzw. neuartige Fondsstrukturen. Die präklinische Pharma-Forschung wird weiterhin ein lukrativer Markt bleiben. Einzig die Qualität der Produkte muss stimmen. Investitionen machen nur Sinn, wenn sie ausreichen, um diese Qualitätsanforderungen zu erfüllen. www.lead-discovery.de Perspektive 2. Toolbox „Tech@Process“ als Teil der Pharma-Wertschöpfungskette Mit der weiter zunehmenden Tendenz zum Outsourcing von Teilen des Wertschöpfungsprozesses „Pharma“ gestalten sich Technologieplattformen, die ganze Abschnitte der Pharma-Wertschöpfungskette abdecken, immer attraktiver. Initial werden diese zwar meist in Form von Dienstleistungen eingekauft, wobei in diesem Modell den Anbietern selbst kein Anteil an der Wertschöpfung zusteht. Im Zuge einer stärkeren Integration von signifikanten Abschnitten der Wertschöpfungskette unter einem Service-Anbieter kann dieser jedoch zusehends bessere Deals aushandeln – bis hin zu erfolgsabhängigen Zahlungen im weiteren Verlauf der Entwicklung. Wiederum präsentiert sich Evotec für diese Nutzung seiner Technologie-Toolbox als Paradebeispiel in Deutschland. Ausgehend von der ursprünglichen Kernkompetenz im High-throughput Screening haben die Hamburger inzwischen durch sukzessive Akquisitionen (u. a. OAI Oxford Asymmetry International , Renovis, Summit / Zebrafish, RSIPL, DeveloGen, Kinaxo, Cell Culture Service) die Integration weiterer Kompetenzen (breite Testpalette, Tiermodelle, chemische Technologien zur Leitstrukturoptimierung etc.) vorangetrieben. Die inzwischen etablierte „Drug Discovery Engine“ nutzen sehr viele großen PharmaFirmen (u. a. Bayer, Boehringer Ingelheim, Cubist, Genentech, Novartis, Ono, Roche, Shionogi, UCB, Vifor). Entsprechende Deals haben Evotec inzwischen einen steten Zufluss von ErfolgsMeilensteinzahlungen eröffnet und außerdem die finanzielle Basis geschaffen, auch eigene Entwicklungsprogramme zu bestreiten. Ähnlich erfolgreich wie prominent und ebenfalls mit entsprechender Deal-Erfolgsbilanz kann das belgische Biotech-Unternehmen Galapagos aufwarten. Mit seinen Plattformen BioFocus®, Argenta DiscoveryTM und Fidelta® – ebenso über mehrere Zukäufe (u. a. BioFocus, Inpharmatica, Sareum, Argenta Discovery, ProSkelia) unter einem Dach vereinigt – bietet das Unternehmen u. a. Biologie (Target Discovery und Screening), Medizinalchemie, Substanzbanken sowie ADME / PK-Services an. Entsprechend wurden ebenfalls lukrative Allianzen mit Pharma-Unternehmen geschlossen (u. a. Roche, GSK, Servier). 2012 kam ein weiterer Deal mit Abbott hinzu, der allein über ein Gesamtvolumen an Erfolgszahlungen von über einer Milliarde US-Dollar ging und damit unter den Top-3-Allianzen in Europa und weltweit platziert ist. Weitere deutsche Beispiele sind 4SC Discovery und im engeren Sinne auch Phenex Pharmaceuticals. Die Ende 2011 gegründete 4SC Discovery mit Kernkompetenzen ursprünglich im Bereich Computational Chemistry hat mittlerweile eine breitere Drug-Discovery-Maschinerie etabliert. Phenex Pharmaceuticals bietet dagegen ein sehr spezielles Prozessangebot mit einer Discovery-Plattform zur Identifizierung von Substanzen mit Wirkung auf Kernrezeptoren. Auch diese beiden Vertreter konnten aktuell im letzten Jahr mit lukrativen Deals aufwarten, die den Erfolg mittels des Alleinstellungsmerkmals „Tech@Process“ bestätigen (Phenex / Janssen Pharmaceuticals, 4SC Discovery / BioNTech). Neben Plattformen, die im weiteren oder engeren Rahmen im Bereich Drug Discovery ansetzen, sind auch an anderen Stellen der Pharma-Wertschöpfungskette sinnvolle und tatsächlich genutzte Eingriffsmöglichkeiten für Biotech vorhanden: beispielsweise im Bereich „Drug Delivery“, wo ebenfalls Technologien und Innovationen eine wichtige Rolle spielen. Unternehmen wie Rodos BioTarget und Soluventis sind dabei typische Vertreter, die ihre Technologien für PharmaPartnerschaften anbieten. Tech@Process als Teil der Pharma-Wertschöpfungskette Target-Identifikation und Bewertung Screening Hit- und LeadIdentifikation LeadOptimierung Präklinik Klinische Phasen Zulassung und Vermarktung Pharma Target-Identifikation und Bewertung Screening Hit- und LeadIdentifikation LeadOptimierung Präklinik Tech@Process Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 11 Perspektive Multiple Product Opportunities Tech@MPO (Antikörper, RNAi, Peptide etc.) Tech@MPO zur kontinuierlichen Generierung von Produkten Target-Identifikation und Bewertung Screening Hit- und LeadIdentifikation LeadOptimierung Klinische Phasen Präklinik Zulassung und Vermarktung Produkt 1 Produkt 2 Produkt 3 Produkt ... Quelle: Ernst & Young, 2013 3. Toolbox „Tech@MPO“ zur kontinuierlichen Generierung von Produkten Die am weitesten entwickelten sowie möglicherweise attraktivsten und lukrativsten Technologieplattformen sind solche zur kontinuierlichen Generierung von innovativen Produkten (MPO – „Multiple Product Opportunities“). Dieses Feld ist ebenso prädestiniert, Alleinstellungsmerkmale für Biotech abzuleiten. Gerade in Deutschland ist dieses Modell exzellent besetzt und kann deswegen der gesamten Branche positiven Aufschwung ermöglichen. Nach wie vor dominieren hier Antikörperplattformen in unterschiedlichen Ausprägungen. Daneben geht es um DNA / RNA-basierte Wirkstoffe, Zelltherapien, Vakzine etc. Beispiele für solche Plattformen wurden bereits im letzten Report aufgezählt und auch mit den jeweiligen Unternehmen belegt (MorphoSys, Pieris etc.). Auffallend für dieses Segment ist ihre zunehmende Dominanz auf der Liste der Allianzen. Auf deutscher Seite stechen dabei Unternehmen wie MorphoSys (mehrere Transaktionen, Hauptdeal mit Novartis), Pieris (Deals mit Sanofi, Allergan, Daiichi Sankyo), CureVac (Deal mit Sanofi Pasteur) oder NOXXON Pharma (Deals mit Pfizer, Eli Lilly) heraus. Im europäischen Umfeld zeigt sich die zunehmende Bedeutung der MPO-Plattformen noch deutlicher in der Auflistung der TopBiotech-Allianzen 2012 (siehe Kapitel „Transaktionen“). Von den Top-6-Allianzen basieren allein vier auf Tech@MPO-Plattformen, die hochvolumige Transaktionen unter Dach und Fach bringen konnten; unter anderem Molecular Partners (Schweiz, 1.463-Millionen-Euro-Deal mit Allergan), Genmab (Dänemark, 1.135-Millionen-USDollar-Deal mit J&J), Symphogen (Dänemark, 495-Millionen-Euro-Deal mit Merck KGaA) und Ablynx (Belgien, 457-MillionenUS-Dollar-Deal mit Merck & Co.). Tech@MPO-Plattformen müssen sich nicht nur auf innovative Scaffolds beziehen. Eine weitere Möglichkeit der nachhaltigen Generierung von Wirkstoffen liefern sie mittels Modifizierung und Optimierung von Wirkstoffmolekülen. Hierzu zählen beispielsweise Plattformen zur Glykosylierung, wie sie von Glycotope durch gezielte gentechnische Manipulation der entsprechenden Stoffwechselwege („Glycoengineering“) dargestellt werden oder von Cevec über die Nutzung entsprechender (humaner) Zelllinien zur Expression von Humanzuckerstrukturen. Ebenso findet sich hier der Ansatz der XL-protein, die mittels „PASylierung®“ die Plasmahalbwertszeit von pharmazeutischen Proteinen verändert. Die erfolgreiche Vermarktung dieser Plattformen zeigt sich auch hier an Deals mit Partnern, für die diese Technologien wertvoll in der Verbesserung oder im Life-CycleManagement bestehender Pipeline-Assets sind. Ferner bedient dieses Modell das an Bedeutung zunehmende Feld der Biosimilars und Biobetters und ermöglicht mittelfristig auch eigene Produktentwicklungen. 12 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Perspektive Alleinstellungsmerkmal und Best Practice „Tech@Disease“ Alleinstellungsmerkmal und Best Practice „Therapeutikaentwicklung“ Nicht exakt der Definition einer Technologieplattform entsprechend, dennoch aber mit einigen Charakteristika übereinstimmend, stellen sich Know-how-Plattformen um konkrete Therapiegebiete dar. Das Alleinstellungsmerkmal für die damit beschäftigten Biotech-Unternehmen ist im weitesten Sinne die „Neue Biologie“, die im spezifischen Wissensschatz in einem definierten Gebiet bzw. um relevante Wirkstoffklassen begründet ist. Auch dieser Ansatz befähigt Unternehmen zur nachhaltigen Generierung von Wirkstoffen. Zudem werden die Entwicklungsrisiken auf ein breiteres Portfolio verteilt und ebenfalls attraktive Allianzen abgeschlossen. Das Modell der Therapeutikaentwickler hat sich in den letzten Jahren für Biotech-Unternehmen als zusehends schwierig erwiesen. Zu lange Zeitschienen mit enormem Finanzierungsbedarf passen nicht zu den Investitionsstrategien der Beteiligungsfonds. Darüber hinaus existieren zu hohe Risiken, die dadurch noch gesteigert werden, dass Biotech-Start-ups in der Regel nur sehr schmale Portfolios an Produkten verfolgen können und damit die Risikostreuung weiter limitiert ist. Insofern werden nur wenige Firmen dieses Modell in reiner Form fahren können. Das herausragende Beispiel des letzten Jahres stellt AiCuris mit einer Plattform zur Identifizierung von Antiinfektiva und dem Know-how zur Entwicklung dieser Wirkstoffe dar. Die in Fachkreisen bestaunte Allianz mit Merck & Co. sticht vor allem durch die ungewöhnlich hohe Upfront-Zahlung (110 Mio. €) hervor. Allerdings ist für dieses Modell im Unterschied zu den zuvor beschriebenen Technologieplattformen ein wesentliches Erfolgskriterium die Finanzierung bis zum Erreichen eines für die Verpartnerung interessanten Assetoder Portfoliostatus. Insofern ist hier der Zugang zu Kapital mit entsprechender Risikoakzeptanz vorauszusetzen. Im Falle von AiCuris wird dies sowohl durch die Historie als Ausgründung von Bayer als auch durch die finanzielle Unterstützung durch das Family Office der Brüder Strüngmann entscheidend getragen. Solche, die es dennoch versuchen, sollten gewisse Anforderungen erfüllen: • Fokussierung auf klare Nischenindikationen (z. B. Rare Diseases) mit den Vorteilen kleinerer klinischer Studien, kürzerer Time-to-Market und niedrigerer Kosten • Definition eines Fünf-Jahres-Businessplans bis zum Exit durch Auswahl geeigneter Indikationen („ultra-targeted“), optimierter kürzerer Prozesse, enger Stratifizierung, möglicherweise mit der Option, die Phase III in eigener Regie durchzuführen • Zugang zu besonderen Investoren (z. B. Family Offices Hopp / Strüngmann) Auch diese Kategorie von Firmen sticht aus der Auflistung der lukrativsten Allianzen europäischer Biotech-Unternehmen deutlich hervor: Neben AiCuris befinden sich dort ThromboGenics (Belgien, Augenerkrankungen, 375-Millionen-Euro-Deal mit Alcon / Novartis), AC Immune (Schweiz, Alzheimer, 400-Millionen-Schweizer-Franken-Deal mit Genentech) und Savira (Österreich, Influenza, 240-Millionen-Euro-Deal mit Roche). Gerade die letzte Option kennzeichnet einige der deutschen Biotech-Firmen, die im reinen Therapeutika-Modell agieren. Apogenix in Heidelberg konnte durch die Unterstützung der dievini Hopp BioTech holding eine gut durchdachte klinische Phase-II-Studie in der schwierigen Indikation „Malignes Melanom“ erfolgreich durchführen. Weder strategische Partner noch VC-Investoren waren bereit, den Hochrisiko-Einproduktansatz in einer früheren Phase zu finanzieren. CureVac in Tübingen betritt mit einem neuen Ansatz (RNA-Vakzine) Neuland. Die anstehende Phase-II-Studie birgt somit ebenfalls hohes Risiko und konnte nur durch eine „Alles oder nichts“-Entscheidung weiter vorangebracht werden. Noch riskanter sind Ansätze, wie sie von BioNTech in Mainz verfolgt werden. Das Unternehmen setzt auf neuartige Verfahren der individualisierten Immuntherapie durch Tumorvakzine. Im Erfolgsfall sind hier Durchbruchsinnovationen zu erwarten, die vor allem der individuellen medizinischen Behandlung von Krebspatienten zugutekommen würden. Allerdings ist kaum vorstellbar, dass diese Ansätze ohne die Hauptinvestoren Thomas und Andreas Strüngmann eine Chance der Finanzierung gehabt hätten. Diese Beispiele belegen einerseits, wie wichtig solche Investoren insbesondere für Hochrisikoprojekte und die damit verbundenen Innovationschancen sind. Andererseits ist rein statistisch – gerade auch für derartige Hochrisikoprojekte – zu erwarten, dass Fehlschläge auftreten – wie während des letzten Jahres mit SYGNIS Pharma, Agennix, WILEX und Curacyte aus dem Hopp-Portfolio – die dann wiederum zu Negativschlagzeilen führen. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 13 Perspektive Unternehmenszuordnung zu Therapieassoziierten Plattformen Übersicht der deutschen Tech@Companies im Therapiesektor n = 188 Im Therapiesektor der deutschen BiotechBranche ergibt sich eine Aufteilung, deren größtes Einzelsegment zwar immer noch überwiegend die auf individuelle Wirkstoffe fokussierten Firmen sind (43 %), zusammengenommen bilden die Technologieplattformen aber bereits die Mehrheit (57 %). 1 % 10 % 16 % 43 % 30 % Therapeutikaentwicklung Tech@Process Tech@MPO Tech@Disease Tech@Translation Quelle: Ernst & Young, 2013 Mit einem Anteil von 30 Prozent liegen Tech@Process-Firmen an zweiter Stelle, die sich den Outsourcing-Trend von Teilen der Wertschöpfungskette durch mehr oder minder breite Positionierung zunutze machen. Darin spiegelt sich inbesondere die Service-Orientierung der deutschen Biotech-Szene wider. Tech@MPO-Plattformen zur nachhaltigen Produktion bestimmter Wirkstoffklassen (z. B. Antikörper) nehmen immerhin 16 Prozent ein. Die breit aufgestellten Tech@Disease-Plattformen sind mit insgesamt zehn Unternehmen unterrepräsentiert. Ausschließlich auf die Prototypen Evotec und LDC beschränkt stellt sich das Tech@Translation-Segment noch sehr klein dar. Die erfolgreiche Umsetzung des Ansatzes in beachtliche Deals – wie weiter oben oder im Kapitel „Transaktionen“, beschrieben – lässt aber auch für diese Ausrichtung einige Möglichkeiten erhoffen. Es wird zukünftig interessant zu beobachten sein, ob und wie sich bei anhaltenden Finanzierungsengpässen dieses Bild verschieben wird – hin zu Modellen mit weniger Risiko und breiteren Geschäftsmöglichkeiten basierend auf vielfältigen Technologie-Toolboxen. 14 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Erfolgsmessung Allen zuvor beschriebenen inhaltlichen Aufstellungsvarianten für Biotech-Unternehmen ist als Messparameter für die Erfolgsbeurteilung das Abschließen lukrativer Deals gemein. Unabhängig vom jeweiligen Geschäftsmodell (Service, Lizenzpartnerschaft, Co-Development etc.) wird das Qualitätssiegel dadurch verliehen, dass der Kunde (in aller Regel Pharma) bereit ist, dafür zu bezahlen. Insofern ist die Referenzliste der vorhandenen Kunden in jedem Fall der beste Beweis für die Funktionalität der Plattform bzw. der Wirksamkeit der Produkte. Aus den meisten gezeigten Beispielen ist ebenso ablesbar, dass diese Ansätze es ermöglichen, auf Dauer die eigene ProduktWertschöpfungskette aufzubauen – und zwar mit abgefederten Risiken über den Weg der Grundfinanzierung aus bestehenden Allianzen. Weiter denken – Neuer Wachstumsmarkt Diagnostik und PI Technologies Disruptive Innovation „PI Technologies“ Während der globale Diagnostikmarkt insgesamt derzeit eher über Umsatzrückgänge und pessimistische Wachstumsprognosen klagt, ist ein Segment hier eindeutig ausgenommen: In-vitro- und Molekulardiagnostik. Aktuell werden in diesem Teilmarkt weltweit 52,4 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Mit sehr steilen Wachstumsprognosen für die kommenden Jahre – einem vorhergesagten CAGR von sieben Prozent zwischen 2012 und 2017 – schaut dieser Teilbereich sehr optimistisch in die Zukunft. Diese Entwicklung ist wiederum sehr eng mit den Umwälzungen des gesamten LifeScience-Sektors verknüpft, vor allem mit der stärkeren Fokussierung der Life-ScienceIndustrie auf den Patienten. „Personalized Medicine“, „Patient Stratification“ und „Companion Diagnostics“ – die Kernelemente dieser Entwicklung – beinhalten bereits Diagnostik als inhärenten Teil ihrer Vorgehensweise. Auch hier stehen wiederum Technologien im Zentrum. Die enormen Fortschritte in der technischen Bewältigung und Nutzbarmachung von Big Data haben mittlerweile einen Stand erreicht, der es ermöglicht, individuelle Patientengenome zu analysieren und damit dem einzelnen Patienten eine auf ihn abgestimmte, individuelle Behandlung zuzuführen. Ermöglicht wird dies durch Entwicklungen im Bereich von Next-Generation-Sequencing-Ansätzen, die Speicherung von Expressionsdaten und Mutationsanalysen auf DNA Microarrays sowie das Nutzen verschiedener Omix-Datenbanken (Proteom, Metabolom etc.). Nicht ganz so neu, aber dennoch mit Wachstumspotenzial und ebenfalls stärkerer Patientenfokussierung (Point of Care, Disease Monitoring, Home Monitoring) ist auch die schon fast „klassische“ Molekulardiagnostik wieder attraktiv positioniert. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 All diese immer stärker auf den individuellen Patientennutzen ausgerichteten technischen Entwicklungen generieren große Mengen an Daten, über deren Verwendung immer mehr von Patienten selbst entschieden wird („Patient Empowering“). Allerdings können aus der Flut der Daten nur deshalb sinnvolle Aussagen entstehen, weil ebenso hochinnovative IT-Lösungen entwickelt wurden, die nicht nur Daten speichern sondern in der Lage sind, Big Data in sinnvolle Informationen und Patienten-relevantes Wissen umzusetzen („Information Leveraging“). Aus der Symbiose dieser beiden Treiber – „Patient Empowering / Big Data“ und „Information Leveraging“ – ist gerade im Bereich der Diagnostik ein neues Paradigma entstanden, das unter dem Begriff „PI Technologies“ die Kernbegriffe vereint. Für Biotech-Unternehmen – neben IT- und Medizintechnikfirmen – entstehen hier neue Geschäftsfelder, die die biotechnischen Fähigkeiten als Grundvoraussetzung benötigen. Insofern lassen sich auch in diesen Bereichen Alleinstellungsmerkmale definieren, an denen Biotech-Unternehmen Best Practice präsentieren können. 15 Perspektive Alleinstellungsmerkmal und Best Practice „Tech@BigData“ Die Verarbeitung großer Datenmengen im Bereich von Terabytes, Petabytes und Exabytes ist ein wachsender Trend und eine ökonomische Chance für viele Industrien. Im Biotech-Universum stehen hier neben Informationen, die bei klinischen und präklinischen Studien erhoben werden, in erster Linie genetische Sequenzdaten, welche durch Sequenzierverfahren der zweiten und dritten Generation (Next Generation Sequencing, NGS) immer effizienter generiert werden können. Allein in Deutschland existiert eine ganze Reihe von BiotechFirmen, die aufgrund ihrer technologischen Kernkompetenz das Thema „Big Data“Handling im Fokus haben. Generierung und Interpretation von NGS-Daten Den nachfolgenden Firmen ist gemeinsam, dass sie mit Hochdurchsatz-Sequenzierungstechnologien Daten erzeugen, die beispielsweise in der Forschung für die Aufklärung von Krankheitsphänomenen ebenso genutzt werden wie als Marker in der Diagnostik: • Alacris Theranostics, Berlin • CeGaT, Tübingen • GATC Biotech, Konstanz • Genovoxx, Lübeck • GENterprise, Mainz • IMGM Laboratories, Martinsried • SEQLAB, Göttingen • Sequiserve, Vaterstetten Die Genannten verfolgen primär ein ServiceGeschäftsmodell und unterliegen dabei dem Druck, mit der rasanten technischen Entwicklung Schritt zu halten. Der Druck wird noch verstärkt durch die kontinuierlich fallenden Preise für Sequenzierleistungen, die im direkten Verhältnis zur immer weiter steigenden Sequenziergeschwindigkeit stehen. Hieraus generiert sich aber gleichzeitig auch ihre erfolgreiche Positionierung als Dienstleister. Keiner der Kunden aus der akademischen Forschung, die oft den Löwenanteil der Kunden ausmachen, oder der Life-Science-Industrie wäre heute in der Lage, mit dieser Dynamik Schritt zu halten. 16 Die meisten der genannten Anbieter von Hochdurchsatz-Sequenzierungen nutzen jedoch Technologien in Lizenz, die primär von wenigen Technologiefirmen entwickelt wurden. Insofern liegen die Erfolgsfaktoren vor allem in: • einem stabilen Lizenzvertrag oder eigener, starker IP • einer perfekten Organisation • der kürzesten Zeit zum Abarbeiten von Kundenaufträgen • der bestmöglichen Qualität • dem günstigsten Preis Messparameter ist damit der Umfang der Kundenliste und die Zufriedenheit der Kunden. Darüber hinaus gibt es weitere Alleinstellungsmerkmale: • das „Portfolio“ an etablierten einlizenzierten Plattformen • die Breite der angebotenen Services • die geschäftliche Weiterentwicklungen aus dem Service- in ein Produkt-Modell IMGM Laboratories stellt in seinem Angebot die breite technische Plattform besonders heraus. Die Partner im Technologiebereich lesen sich wie das „Who is Who?“ der DNAAnalytik-Branche: Agilent Technologies, Affymetrix, Roche, Life Technologies, Fluidigm. GATC Biotech hat inzwischen ein breites Portfolio an Anwendungen allein im NextGeneration-Sequencing-Bereich aufgebaut, welches von der Sequenzierung ganzer Patientengenome über die Untersuchung von Transkriptomen, Metabolomen und Regulomen reicht. IMGM Laboratories verbreitert sein Service-Angebot durch namhafte Partner. So sind sie als „Preferred Supplier“ in Partnerschaften mit Agilent Technologies, Affymetrix und SIRION Biotech (siRNA-Analysen) eingebunden. Interessant auch das Unternehmen GENterprise, das neben dem Sequenzier-„Vollservice“-Angebot eine preisgünstigere „light“Version in einem Tochterunternehmen (StarSEQ®) anbietet, wo Kunden mit vorliegender Kompetenz in der Datenanalyse lediglich die Rohdaten in Auftrag geben können. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Darüber hinaus sind einige der o. a. Unternehmen nun auch dazu übergegangen, Produkte in Form von Tests für den Diagnostikmarkt herzustellen, die auf Sequenzierdaten beruhen. GATC Biotech hat diesen Schritt durch die Ausgründung von LifeCodexx vollzogen. Der Inhalt dieses Unternehmens besteht in der Vermarktung von Tests (PrenaTest®) zur pränatalen Bestimmung von fetalen Chromosomenaberrationen (Trisomien 13, 18, 21). Ähnlich aufgestellt ist CeGaT. Neben neuesten NGS-Technologien für die Abarbeitung von Kundenaufträgen aus Akademie, Pharma- und Diagnostikindustrie hat das Unternehmen für eine ganze Liste von Krankheiten sogenannte „Diagnostik-Panels“ erstellt, die auf DNA-Ebene typische Mutationen detektieren und somit hilfreich in der eindeutigen Zuordnung von Krankheiten sind. Auf Seiten der tatsächlichen Technologieentwickler hebt sich als unbestrittener Star Illumina mit Hauptsitz in San Diego am Himmel der Sequenziertechnologie hervor. Nicht von ungefähr hatte Roche 2012 hartnäckig und dennoch letztlich erfolglos versucht, Illumina für 6,7 Milliarden US-Dollar zu übernehmen und damit das Technologieportfolio des weltweit führenden Diagnostikunternehmens perfekt zu ergänzen. Ein Zeichen dafür, wie attraktiv Technologieanbieter auf dem Gebiet der Sequenzierung gerade für die Diagnostikindustrie geworden sind. Perspektive Bioinformatische Anwendungen zur Bewältigung von Big Data Bioinformatische Anwendungen sind bei der Interpretation von „Big Data“ geradezu unverzichtbar. Die genetische Information der entzifferten DNA-Sequenzen wird erst durch die entsprechende Interpretation werthaltig. In der deutschen Biotech-Industrie stellen Bioinformatik-Firmen eine durchaus sichtbare Größe von ca. 20 Unternehmen dar. Diese lassen sich weiterhin in drei Gruppen unterteilen: Das Tandem CeGaT und Genomatix veranschaulicht diese Symbiose deutlich. Sequenzierer und Bioinformatiker entschlüsseln gemeinsam Sequenzdaten und setzen sie in entsprechenden Tests um (s. o.). In diesem Zusammenhang wurden beide Unternehmen im letzten Jahr mit prominenten Preisen bedacht und gewannen gemeinsam die „Clarity Challenge“, einen Wettbewerb des Boston Children’s Hospital zur Identifizierung von Krankheiten auf Basis von Sequenzdaten. 1. Bioinformatik zur Interpretation großer NGS-Datenmengen Die erste Kategorie der NGS-assoziierten Firmen legt ihren Fokus enger auf den Bereich großer Sequenzdatenmengen. Sie entwickeln bioinformatische Methoden für die Analyse genetischer Variationen und Mutationen, für funktionelle Annotationen sowie zur Detektion genetischer Krankheiten. Beispiele dieses Segments sind: • AptaIT, München • BIOBASE, Wolfenbüttel • Biomax Informatics, Martinsried • geneXplain, Wolfenbüttel • Genomatix, München • MicroDiscovery, Berlin 2. Bioinformatik zur Integration von Daten aus unterschiedlichen Quellen („Life Science Knowledge Management“) Das Thema „Big Data“ geht heute bereits weit über Sequenzierdaten hinaus und schließt sehr viel umfassender die Integration von Informationsdatensätzen aus unterschiedlichsten Quellen (Proteomics-Daten, klinische Parameter, Patientendaten etc.) ein. Hier haben sich Technologien im Bereich der Bioinformatik entwickelt, die hochkomplexe Daten in sinnvolle Information und nutzbares Wissen umsetzen, so z. B.: • Biomax Informatics, Planegg • BMI Biomedical Informatics, Heidelberg • geneXplain, Wolfenbüttel • Metalife, Winden Einige der genannten Firmen kommen ursprünglich aus dem Bereich der Gene Arrays, in dem genetische Information aus dem Abgleich von Sequenzen mit vorgegebenen Sequenzmustern auf Arrays zu interpretieren waren. Die neue Generation der Primärdatenquelle ist eindeutig aber Next Generation Sequencing. Somit musste sich auch die Welt der Bioinformatik weiterdrehen, deren Hauptkunden neben akademischen Institutionen auch Sequenzierfirmen sind. 3. Bioinformatik für in silico-Forschung Zur dritten Gruppe zählen einige Unternehmen, die im Umfeld von virtuellen Modellierungen innerhalb des Forschungs- und Entwicklungsprozesses tätig sind, wie beispielsweise: • BioSolveIT, Sankt Augustin • Insilico Biotechnology, Stuttgart • molConcept, Berlin • quantiom bioinformatics, Weingarten • XAPIEN, Heidelberg Bei diesen stehen vor allem Methoden zum „Molecular Drug Design“ im Fokus der Geschäftstätigkeit. Sie entsprechen damit eher der klassischen Herangehensweise von Bioinformatik, basierend auf Strukturdaten von Target-Wirkstoffinteraktionen. Aufgrund dieser Positionierung sind die Firmen stärker mit kommerziellen Partnern verbunden, die Therapeutika entwickeln und weniger mit Unternehmen im Bereich Diagnostik. Diese Aufzählung zeigt bereits die Überlappung zur vorherigen Kategorie und gleichzeitig ein Stück des zukünftigen Weges zur Bewältigung von großen Datenmengen und deren Übersetzung in brauchbares Wissen. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 17 Perspektive Alleinstellungsmerkmal und Best Practice „Tech@CompanionDiagnostics“ Die mit Abstand attraktivste Perspektive im Diagnostiksektor haben im gegenwärtigen Life-Science-Umfeld die Unternehmen, die sich um die Kernthemen Personalisierte Medizin und „Patient Outcome“ positioniert haben. Unter dem Stichwort Tech@CompanionDiagnostics sind Ansätze zusammengefasst, die vor allem in der Stratifizierung (d. h. der Vorauslese und Zuordnung) von Patienten für bestimmte Behandlungen eingesetzt werden. Die Anwendung von Companion Diagnostics beginnt bereits in der Medikamentenentwicklung in Form von SurrogatBiomarkern (d. h. Mess- und Ergebnisparametern in klinischen Studien) und setzt sich fort in der dedizierten Indikationsstellung für Medikamente am Markt bis hin zum Monitoring von Therapien. Neben der logischen Rationale für eine prosperierende Zukunft des Tech@CompanionDiagnostics-Bereichs belegen bereits auch eindeutige Zahlen diesen Trend. Der US-Markt der personalisierten Medizin – also Therapien mit evidenzbasierter Zuordnung zu individuellen Patienten(gruppen) – steht mit aktuell ca. 28 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz noch am Anfang (mit einer beachtlichen Wachstumsdynamik und Prognosen auf über 40 Milliarden US-Dollar Umsatz im Jahr 2015; Kalorama Information). Diese Dynamik ist allerdings erst in den letzten Jahren entstanden. Pharma-Firmen haben langsam begriffen, dass nach dem „Auslaufmodell Blockbuster“ auch trotz eines durch Patientenstratifizierung segmentierten Marktes bei richtiger Strategie gutes Geld zu verdienen ist. Es hat in der Tat über 15 Jahre gedauert, bis nach dem ersten Meilenstein Herceptin® mittlerweile nur ca. 20 Wirkstoffe in Verbindung mit einem stratifizierenden Test auf den Markt kamen (Details siehe Kapitel „Produkte“). entsprechendem Target-Profil zu behandeln. Zunehmend werden auch die Stimmen der Pharma-Ökonomie sowie die der Kostenträger vernommen. Der Blick in die aktuelle Medikamentenentwicklung zeigt aber eindeutig, welchen Stellenwert die Stratifizierung inzwischen einnimmt. Während in weiter fortgeschrittenen klinischen Phasen erst 30 Prozent der Medikamente parallel mit einem Stratifizierungsmarker entwickelt werden, trifft dies bereits für rund 50 Prozent in der Phase I zu und in noch stärkerem Ausmaß (60 %) für präklinische Programme. Der Markt für Companion-Diagnostics-Tests selbst ist derzeit mit 1,3 Milliarden US-Dollar noch klein. Ähnlich der Wachstumsprognose für die parallel entwickelten Medikamente wächst auch dieses Segment mit großer Dynamik (ca. 26 %) und verspricht Umsätze im Bereich von 3,5 Milliarden US-Dollar bis 2015 (Visiongain-Studie). Diese Zahlen könnten sicherlich deutlich übertroffen werden, wenn die Preisgestaltung für Companion Diagnostics entsprechend ihrem Wert für den Patientennutzen beurteilt würde und nicht – wie nach wie vor üblich – im Niedrigpreissegment der Routine-Diagnostika. Hier allerdings sind wichtige Fragen zu klären, etwa wie die für Arzneimittel eingeführte Kosten-Nutzen-Beurteilung und daran geknüpfte Erstattung auf Diagnostika übertragen werden kann. Treiber für die Entwicklung von Companion Diagnostics ist sicherlich nicht die späte Erkenntnis bei den Pharma-Firmen, sondern vor allem der Druck der Zulassungsbehörden. Den Behörden geht es v. a. um die Patientensicherheit und sie fordern bei Vorliegen von evaluierten Stratifizierungsmarkern natürlich ein, nur Patienten mit Die Attraktivität des Companion-Diagnostics-Segmentes aus Sicht der Diagnostikbranche bezieht sich vor allem auf die wachsende Bedeutung dieser Sparte als Partner von Pharma-Firmen. Darin steckt ebenso die Hoffnung, auch hinsichtlich der Preisgestaltung zukünftig näher an die „Valuebased“-Betrachtung der Pharma-Produkte zu kommen. Rx-CDx-Modell: Entwicklung eines Companion Diagnostics Therapeutikaentwicklung Rx Drug Discovery Präklinik Phase I Phase II Phase III Zulassung Medikament Klinische Validierung CDx BiomarkerIdentifikation BiomarkerValidierung + Standardisierung Biomarker-Validierung Entwicklung eines Assays Prototyp Analytisch-technische Validierung Phase I Sensitivität + Spezifität Phase II PPV + NPV* Zulassung Klinisch validierter Test Optimierung der technischen Plattform * PPV = positiver Vorhersagewert, NPV = negativer Vorhersagewert 18 Phase III Klinischer Nutzennachweis Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Quelle: Ernst & Young, 2013 Perspektive Die Tests selbst beziehen dabei die folgenden Parameter als Stratifizierungskriterien mit ein: •W irksamkeit – Vorhandensein des Targets, Mutationen im Target oder in assoziierten Pathway-Komponenten •S icherheit – Verträglichkeitshinweise basierend auf Wechselwirkung mit anderen Stoffwechselwegen • Metabolisierung – Abbaudynamik aufgrund genetisch determinierter individueller Enzymausstattung Die beschriebenen Einsatzgebiete der Tests und vor allem die zunehmend wichtigere Aufgabe der klinischen Validierung von Biomarkern verlagern die Schwerpunkte der Diagnostikentwicklung: •E inerseits treten Companion Diagnostics – wie der Name schon andeutet – nicht nur im Markt als „Begleiter“ der Medikamente auf, sondern auch ihre Entwicklung erfolgt in enger Koordination weitgehend parallel zur Medikamentenentwicklung. Die fast unabhängige Vorgehensweise – wie noch zu Herceptin-Zeiten – dürfte damit der Vergangenheit angehören. • In diesem Zusammenhang werden zukünftig häufiger One-to-one-Partnerschaften zwischen Diagnostik- und Pharma-Unternehmen für die parallele Entwicklung von Medikament (Rx) und Diagnostikum (Dx) die Regel sein; es ist deshalb vermutlich auch nicht mehr mit einem so harten Konkurrenzkampf zwischen CDx-Anbietern für den gleichen Test zu rechnen. •W eiterhin ist die Dx-Wertschöpfungskette zweigeteilt, mit einem Standbein in der „Biologie“ zur Identifizierung und Validierung von krankheitsrelevanten Biomarkern sowie dem traditionellen Schwerpunkt der Diagnostikindustrie auf der technischen Testentwicklung mit Fokus auf Selektivität, Spezifität und Sensitivität der Messung. In diesem Markt sind bereits auch etliche Biotech-Unternehmen in Deutschland zu finden, vor allem solche, die ihre Ergebnisse aus systembiologischen Ansätzen oder durch Sequenzierungstechnologien in Richtung Biomarker umsetzen. Beispiele hierfür sind: •A lacris Theranostics, Berlin •C BC Comprehensive Biomarker Center, Heidelberg • CorTAG, Dortmund • Epigenomics, Berlin • Epivios, Düsseldorf • GeneWake, Neuried • humatrix, Frankfurt/Main • Immungenetics, Rostock • Indivumed, Hamburg • Inostics, Hamburg • oncgnostics, Jena • PAREQ, Düsseldorf • Signature Diagnostics, Potsdam • Sividon Diagnostics, Köln • TARGOS Molecular Pathology, Kassel Kernkompetenzen für die Biomarker- und Companion-Diagnostics-Unternehmen sind ihre biotechnologische Aufstellung, wobei vor allem die Sequenzier-, Array- und andere Hochdurchsatztechnologien entscheidend sind. Darüber hinaus spielt der Zugang zu Biobanken eine immer größere Rolle und nicht zuletzt die Kompetenz, identifizierte Biomarker klinisch zu validieren. Letzteres kann den Aufwand für die Biomarker-Entwicklung deutlich ausweiten. Wenn es darum geht, die Aussagekraft der Tests bei individuellen Patienten nachzuweisen, kommt dieser Aufwand unter Umständen der klinischen Medikamentenentwicklung nahe, was erneut die Frage der Preise und der Erstattung aufbringt. Biotech-Unternehmen können in diesem „Setting“ klare Positionen besetzen und haben Perspektiven für lukrative Geschäftsmodelle. Indem sie die biologienahen Kompetenzen der CDx-Entwicklung besetzen, interagieren sie – wie bereits gewohnt – eng mit Therapeutikaentwicklern. Darüber hinaus gewinnen sie andere Partner im Bereich Diagnostik für die technische Entwicklung von Tests und deren Vermarktung. Ein gutes Beispiel liefert Qiagen, das seine Schwerpunkte stark auf den Bereich „Companion Diagnostics“ verlagert. In diesem Prozess wurden einerseits eine ganze Reihe von Allianzen mit Biotech-Firmen geschlossen, um Zugang zu validierten Biomarkern zu erhalten (z. B. Insight Genetics, Drug Response Dx, Personal Genome Diagnostics, Pathway Diagnostics, Lepu Medical). Darüber hinaus wurden zu diesem Zweck auch zwei Unternehmen (DxS und Ipsogen) übernommen. Auf der anderen Seite hat Qiagen mittlerweile für die gemeinsame Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Vermarktung der Diagnostik-Tests mit den entsprechenden Medikamenten zahlreiche Allianzen mit Pharma-Firmen etabliert (z. B. Boehringer Ingelheim, AstraZeneca, BMS, Eli Lilly / ImClone, Pfizer). Ein deutsches Best-Practice-Beispiel bezüglich der Umsetzung seines Biotech-Know-how im Feld „Companion Diagnostics“ liefert das Berliner Unternehmen Alacris Theranostics. Das Unternehmen hat sich auf die Entwicklung neuer Verfahren in der personalisierten Medizin für Krebspatienten spezialisiert: insbesondere in den Bereichen der Entwicklung von neuen Ansätzen der Diagnose, Behandlung und Stratifizierung. Alacris verfolgt dabei einen systembiologischen Ansatz. Der Einsatz von Transkriptom- und GenomInformationen, kinetischen Signaltransduktionsdaten sowie von Informationen aus Mutations- und Medikamentendatenbanken erzeugt ein „Virtuelles Patientenmodell“. Dieses kann die Wirkung der medikamentösen und optimierten kombinatorischen Behandlung vorhersagen und so die Stratifizierung von Krebspatienten und Verfahren in der personalisierten Medizin unterstützen. Ein zweiter großer Vorteil des ModCellTMSystems ist die Bildung von virtuellen klinischen Studien. Solche Studien erlauben die In-silico-Analyse bekannter Medikamente oder von Medikamenten, die noch in echten klinischen Studien getestet werden müssen. Dadurch können In-silico-Patientengruppen oder genetische Profile und Krankheiten identifiziert werden und so durch bestimmte Medikamente gezielt behandelt werden. Mit diesem Ansatz hat es das Unternehmen inzwischen geschafft, sich international zu positionieren. Eine Vereinbarung mit GlaxoSmithKline (GSK) erlaubt dem PharmaUnternehmen die Nutzung von Alacris‘ proprietärem ModCellTM-System zur Medikamentenstratifizierung auf Basis von Daten aus den Frühphasen der Krebsforschung. GSK wird seine präklinischen biologischen Daten aus einem Wirkstoffforschungsprojekt im Bereich der Onkologie zur Verfügung stellen und Alacris wird sein proprietäres biologisches Modellsystem einsetzen, um den Effekt eines Inhibitors in seinem „Virtuelle klinische Studien“-System zu charakterisieren. Außerdem wird der Technologieansatz durch das strategische Investment von Qiagen geadelt, die sich Zugang zu neuen Biomarkern erhoffen, um ihre Mole- 19 Perspektive kulardiagnostik-Sparte weiter auszubauen. Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass dieses Modell einer Biotech-Unternehmung sowohl in direkten Partnerschaften mit Pharma als auch mit großen Diagnostikfirmen interagieren kann. Die Mitgliedschaft in mehreren wissenschaftlich-kommerziellen Koalitionen untermauert die Position zusätzlich, z. B. die Personalized Medicine Coalition (PMC), 2004 gegründet, mit dem Ziel, die Entwicklung der personalisierten Medizin voranzutreiben. Ferner auch die ESPT (European Society for Pharmacogenomics and Theranostics), die sowohl an allen Aspekten der Pharmakogenomik interessiert ist, als auch an allen Ansätzen zur Verbesserung der Bereitstellung von Medikamenten für den richtigen Patienten mit der richtigen Dosierung zum richtigen Zeitpunkt. Alacris ist auch Partner des OncoTrack-Projekts der Innovative Medicine Initiative (IMI), einer öffentlich-privaten Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA). Innerhalb des Projekts sollen neue Wege in der Diagnose und Behandlung von Darmkrebs beschritten werden, indem durch neue Methoden systematisch Biomarker der nächsten Generation entwickelt werden. Weitere Beispiele in ähnlicher Richtung – wenngleich in ihrer Entwicklung erst am Anfang – stellen Signature Diagnostics und das CBC Comprehensive Biomarker Center dar. Beide sind stark in DNA-Technologien aufgestellt und wenden diese speziell für die Identifizierung von Biomarkern an. Insgesamt operieren die genannten Unternehmen vorwiegend noch in einem Service-Modell. Die Chancen, sich als Partner für Pharmaoder größere Diagnostikunternehmen zu etablieren, sind aber definitiv gegeben. Gleichzeitig zeigen sich auch VC-Investoren zusehends interessiert an diesem Modell, wie getätigte Investments bestätigen. In Deutschland erhielten die beiden Start-upUnternehmen Epivios und oncgnostics jeweils Gründungsfinanzierungen aus dem High-Tech Gründerfonds und von lokalen weiteren Investoren. Beide sind im Segment der Biomarker-Identifikation und -Entwicklung tätig. Schließlich bietet dieses Szenario auch die Möglichkeit, auf Basis biotechnologischer Wurzeln vollintegrierte Companion-Diagnostics-Unternehmen aufzubauen. Ein Beispiel hierfür ist Agendia in den Niederlanden. Nicht nur die 65-Millionen-US-Dollar-Finanzierungsrunde der auf onkologische Biomarker fokussierten Biotech-Firma, sondern auch der in dieser Runde dominierende strategische Investor Debiopharm dokumentieren die Attraktivität für Investoren und gleichermaßen für Strategen. 20 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Perspektive Alleinstellungsmerkmal und Best Practice „Disease Detection & Monitoring“ Eher die klassische Schiene der Molekulardiagnostik verfolgt ein dritter Ast von Diagnostikfirmen mit Tests zum Nachweis von krankheitsrelevanten Faktoren, wie zum Beispiel Infektionserregern, Stoffwechselprodukten oder Blutwerten. Das von Seiten Biotech hier einzubringende Know-how bezieht sich sowohl auf die Biologie der Targets als auch auf die Technologie zu deren Nachweis. Als absolut wichtigste Technologiebasis steht hier die PCR im Zentrum der meisten Anwendungen. Weniger ausgeprägt ist die Nutzung von Gene Arrays. Beispiele für Unternehmen, die mit PCR-Technologien operieren, sind: •A mplexDiagnostics (Infektionen) •A nDiaTec (Infektionen, Thrombosen, Stoffwechsel) •A ttomol (Infektionen) •B iotype Diagnostics (Dermatologie, Hämatologie, Onkologie) •C arpegen (Paradontose) Die Anwendungen zielen meist auf verschiedene Krankheitsfelder, allen voran bei Infektionserkrankungen zum spezifischen Nachweis von Erregern und deren zielgerichteter Behandlung. Ein weiteres an Bedeutung zunehmendes Feld hat sich im Bereich der genetischen Testung in Bezug auf Vaterschaften oder genetische Dispositionen und Krankheitsanlagen etabliert (bj-diagnostik, DelphiTest, GENOLYTIC, Galantos Pharma, humatrix, ID-Labor etc.). Die Unternehmen in der Kategorie der Krankheitsdetektion entscheiden den Wettbewerb am Markt mit weitgehend übereinstimmenden kompetitiven Faktoren: •Z eit des Tests bis zum Vorliegen des Ergebnisses •Z uverlässigkeit des Ergebnisses •T estformate und Probendurchsatz (z. B. Multiparameteranalysen) • Leichte Standardisierbarkeit der Testverfahren • Therapeutischer Mehrwert (z. B. gezielte Therapie, schnellerer Therapiebeginn, Dosierungshilfe) Im Zuge der Abwendung der Venture-CapitalInvestoren von langwierigen und risikoreichen Therapeutikaentwicklungen kam gerade diese Sparte der Diagnostikunternehmen „en vogue“, was sich an einigen Finanzierungsrunden der letzten Jahre zeigt: • Curetis erhält 15,6 Millionen Euro von einem Konsortium mit CD Venture, Forbion Capital Partners, Roche Venture Fund (Oktober 2011) • Biocartis in der Schweiz erhält insgesamt 105,5 Millionen Euro von einem Konsortium vornehmlich aus Strategen (November 2011 und Folgefinanzierung im Dezember 2012) • Lophius Biosciences erhält 1,4 Millionen Euro von Bayern Kapital, S-Refit und HTGF (Juli 2011) • Sividion Diagnostics erhält VC-Kapital von Creathor Venture, KfW und Rheinland VC (August 2011) • AyoxxA Biosystems erhält insgesamt 3 Millionen Euro VC-Kapital von privaten Investoren zusammen mit Wellington Partners, HTGF, KfW und NRW.Bank (September 2012, Januar 2013) Dennoch überwiegen in den Geschäftsmodellen noch Dienstleistungsangebote vor der Herstellung und dem Vertrieb von Test-Produkten. Insgesamt gesehen kann für alle Teilsegmente der Diagnostikindustrie der zunehmende Einfluss von Biotechnologie konstatiert werden und die dort positionierten Unternehmen können interessante Geschäftsmöglichkeiten finden. Wenngleich sie sich, zumindest ad hoc, noch meist in Abhängigkeit als „Zulieferer“ in Partnerschaften mit oder Kundenbeziehungen zu großen Unternehmen (Pharma und Diagnostik) befinden, so stellen sich aufgrund der kürzeren Entwicklungszeiten, der niedrigeren Risiken und Zulassungshürden die Chancen auf eigenständige Positionierung optimistischer dar. Verteilung von Biotech-Firmen auf Diagnostik-Kategorien Eine Zuordnung der im Diagnostikbereich tätigen Biotech-Unternehmen in Deutschland zu den hier beschriebenen Untersegmenten der Diagnostik zeigt, dass bereits eine beachtliche Zahl an Biotech-Firmen im Bereich „Companion Diagnostics“ Fuß gefasst hat (22 %) und ebenfalls das Segment der Unternehmen, die sich dem Thema „Big Data“ widmen (33 %). Dennoch ist die Mehrzahl (45 %) nach wie vor mit individuellen Testsystemen befasst, dem eher klassischen Sektor der Diagnostikbranche. Übersicht der deutschen Tech@Companies im Diagnostiksektor n = 91 22 % 45 % 33 % Disease Detection & Monitoring Tech@BigData Tech@CompanionDiagnostics Quelle: Ernst & Young, 2013 Die derzeit aktive Diskussion über die Bewertung von Companion-Diagnostics-Produkten im Vergleich zu Medikamenten wird die Attraktivität dieses Sektors weiterhin steigern. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 21 Breiter denken – Biologisierung der Industrien und Bioökonomie Die Breite des Biotech-Spektrums Wenn von Biotechnologie und vor allem der Biotech-Branche die Rede ist – zugegebenermaßen auch in den Ernst & Young Reports – bezieht sich dies meist auf die medizinnahen Bereiche. Jedoch wirken die Potenziale der Biotechnologie deutlich breiter. Unter dem Stichwort „Biologisierung von Industrien“ hat sich auch in der öffentlichen Wahrnehmung ein weit breiteres Spektrum an Chancen eröffnet. Den „Bio-Technologien“ wird technisch dabei einiges zugetraut. Experten aus Industrie und Wissenschaft schätzen, dass bereits 2030 ein Drittel der weltweiten industriellen Produktion aus biotechnologischen Prozessen stammen wird. Bioprozesse sind nachhaltig und ressourcenschonend. Die entsprechenden Katalysatoren werden kostengünstig auf der Grundlage nachwachsender Rohstoffe generiert und arbeiten unter milden Reaktionsbedingungen. In der Erkenntnis, dass diese technischen Möglichkeiten auch kommerziell großes Potenzial haben können, ergab sich der Begriff „Bioökonomie“. legungen zumindest etwas zurück. Selbst große Chemie-Unternehmen, die das Thema „industrielle Biotechnologie“ bislang allenfalls in individuellen Fällen – und fast nur dann, wenn deutliche Kostenvorteile gegenüber Chemie-Prozessen vorlagen – einsetzten, sind zum Umdenken bereit. Sie erkennen dabei auch die technischen Fortschritte an, die nicht mehr nur etablierte chemische Prozesse ersetzen (z. B. Aminosäuren-, Vitaminsynthese), sondern völlig neue Produktklassen mit entsprechend neuen Eigenschaften erschließen. Nun gilt es, die wirkliche Bedeutung dieses Technologiezweiges anhand einer breiteren Palette von Anwendungsfeldern zu verdeutlichen und in diesen auch attraktive Geschäftspotenziale aufzuzeigen. Beispiele aus der Biotech-Industrie und aktuelle konkrete Entwicklungen, die Biologisierung auch kommerziell im Rahmen einer echten Industrialisierung umzusetzen, unterstreichen die Bedeutung der Bioökonomie-Initiative. Die Zusammenstellung der Zielmärkte vermittelt einen guten Eindruck über die Möglichkeiten und Chancen, die sich für die Unternehmen der industriellen Biotechnologie ergeben: • Chemie-Industrie (Feinchemie, spezielle chemische Reaktionen) • Pharma-Industrie (Grundstoffe, Zwischenprodukte, APIs) • Medizintechnik-Industrie (Tissue Engineering, biofunktionalisierte Implantate) • Lebensmittel-Industrie (Lebensmittelzusätze, Lebensmittelverarbeitung) • Futtermittel-Industrie (Enzyme, Futtermittelverarbeitung) • Life-Science-Industrie (Forschungsenzyme) • Verbrauchsgüter-Industrie (Waschmittelenzyme, Fleckenentfernerenzyme) • Kraftstoff-Industrie (Bio-Raffinerie) • Textil-Industrie (Lederbehandlung) • Papier-Industrie (Zellstofflyse) • Kosmetik-Industrie (biogene Inhaltsstoffe) Biologisierung der Industrien Als Treiber für die Biologisierungsbewegung gelten vor allem: • Technische Fortschritte in der Biotechnologie selbst • Vereinfachung hochkomplexer chemischer Verfahren durch einfachere biologische Systeme • Kosteneinsparung im Vergleich zu chemischen Prozessen • Energieeinsparung im Vergleich zu chemischen Prozessen • Gestiegene Bedenken gegen eine weiterhin zu sorglose Ausbeutung der limitierten fossilen Brennstoffe als Basis für Verbrauchsgüter aller Art • Gestiegenes Bewusstsein für den Umweltschutz (z. B. CO2-Emission) Gegenüber den letztgenannten Argumenten (Rohstoff-Ressourcen, Umweltschutz) treten die vormals stärker kostengetriebenen Über- KraftstoffIndustrie VerbrauchsgüterIndustrie MedizintechnikIndustrie PapierIndustrie PharmaIndustrie Biotechnologie LebensmittelIndustrie ChemieIndustrie FuttermittelIndustrie KosmetikIndustrie TextilIndustrie Quelle: Ernst & Young, 2013 22 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Perspektive Biotech „re-loaded“ Im Zusammenhang mit dieser breiteren Betrachtung von Möglichkeiten sollte auch die Definition der Biotech-Branche generell neu überdacht werden. Als ein Segment mit 400 oder 500 Unternehmen wird sie nie ihr wahres Potenzial zeigen können, wenn dazu nur die wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Kerngruppe von Unternehmen als Maß herangezogen wird. Noch problematischer gestaltet sich dies, wenn heute erfolgreiche Entwicklungen der Biotechnologie durch Aufkauf bei großen Unternehmen landen und selten selbst an den Markt gebracht werden. Nachhaltige, selbständige Unternehmen mit Entwicklungsmöglichkeiten bis hin zu einem weltweit führenden Unternehmen sind kaum realistisch, wenn statt Börsengang und Wachstum in Eigenregie „Trade Sale“ und damit Eliminierung des Unternehmens als weit wahrscheinlicher gelten. Die Bedeutung der Biotechnologie sollte nicht nur am Wert der Biotechnologie-Unternehmen an sich bemessen werden. Die Größe und Zukunftsperspektiven der durch die Biotechnologie in Zukunft stärker geprägten Märkte muss künftig in die Bewertung mit einbezogen werden. Für die Pharma-Industrie – immerhin ein knapp 900 Milliarden US-Dollar schwerer Markt – wurde dies bereits ausführlich dokumentiert. Ohne Biotechnologie ist Innovation hier kaum mehr vorstellbar. Allein die Rolle der Biotech-Unternehmen ist nach wie vor schwierig. Nur wenige sehr erfolgreiche Unternehmen haben es tatsächlich geschafft, eigene Produkte an den Markt zu bringen und somit die entsprechende Wertschöpfung für sich in Anspruch zu nehmen; das Gros partizipiert allenfalls teilweise über Lizenzeinnahmen aus Allianzen oder kann über Dienstleistungen indirekt am großen Wertschöpfungstopf der Pharma-Industrie teilhaben. Die Frage danach, wie dies in den weiteren Zukunftsmärkten – Ernährung, Energie, Chemie, Kosmetik etc. – aussehen wird, lässt sich leider aufgrund der kleineren Zahl von Unternehmen, die die Felder außerhalb des Gesundheitsmarktes bedienen, statistisch kaum erörtern. Die Beschreibung von Best Practice, wie sie bereits im letztjährigen Report unter dem Titel „Maßgeschneidert“ angestoßen worden war, soll dennoch die Wichtigkeit dieser Bestrebungen belegen. Individuelle Erfolge zählen und dienen als Rollenmodell für eine differenziertere Branchenentwicklung. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Industrialisierung der Biotechnologie Das Blickfeld zu erweitern beinhaltet auch einen weiteren Aspekt: Die zunehmende Reife der „Bio-Technologien“ bedingt den Eintritt in die nächste Phase der Entwicklung. Die bisher vor allem aus einem F&EBlickwinkel als Experimentierfeld wahrgenommene Branche bewegt sich sichtbar in Richtung einer Industrialisierung. Anhand von Technologieplattformen, wie denen von MorphSys oder Evotec im medizinischen Bereich, wurde dies im letzten Jahr bereits adressiert. Aktuelle Entwicklungen, z. B. die Neuausrichtung der BRAIN, zeigen dies nun auch im Bereich der industriellen Biotechnologie auf. In diesem Zusammenhang zeigt sich definitiv ein Weg zum nachhaltigen Erfolg. Evotec und MorphoSys haben sich mittlerweile erfolgreich zu profitablen Unternehmen gemausert, die gewichtige Partnerschaften mit den großen Playern im Pharma-Bereich aufweisen und über diesen Weg auch zu eigenen Marktprodukten gelangen. Auch für Unternehmen wie BRAIN zeichnen sich Perspektiven ab, ihr biotechnisches Potenzial in eigene Markterfolge umzusetzen. 23 Perspektive Technologieplattformen für die Biologisierung der Industrien Naturstoffplattformen In der logischen Reihenfolge einer Auflistung von Plattformen um die Biokonversion stehen die Naturstoffisolierer am Anfang. Unternehmen wie AnalytiCon Discovery bauen ihr Geschäft auf Basis der Isolierung, Aufreinigung und chemischen Charakterisierung von Naturstoffen auf. Weiterentwickelt dienen diese dann als Grund- und Wirkstoffe in der Lebensmittel-, Chemie- und Pharma-Industrie. Biokonversionsplattformen Die Kerntechnologieplattform der industriellen Biotechnologie stellt sich in untenstehender Abbildung am besten dar. Im Zentrum steht die Biokonversion als zentrale Plattform für die Stoffumwandlung. Die Spezifität der Prozesse und somit auch die Alleinstellung der Unternehmen beruht auf unterschiedlichen Substraten als Ausgangsstoffe, spezifischen Katalysatoren und schließlich dem unterschiedlichen Produktportfolio. Kernpunkt jedoch bildet vornehmlich das konkrete Know-how im Bereich der Katalysatoren. Sie steuern und determinieren die Biokonversion hinsichtlich Substratverwendung, der spezifischen enzymatischen Reaktionen und bzgl. des Produkt-Outputs. Die Biokatalysatoren sind Mikroorganismen oder bestimmte Enzyme aus diesen, die einerseits in der natürlichen Vielfalt, andererseits heute bereits in einer fast beliebigen Zahl durch genetische Manipulation gezielt auf bestimmte enzymatische Leistungen getrimmt bzw. selektioniert sind. Insofern spielt heute die Expertise im Bereich der mikrobiellen Genomforschung und dort vor allem die Entschlüsselung und physische Nutzung von Metagenomen (genetische Basis der Stoffwechselwege) eine entscheidende Rolle. • c-LEcta, Leipzig • Cyano Biotech, Berlin • Cysal, Münster • DIREVO Industrial Biotechnology, Köln • Enzymicals, Greifswald • evocatal, Düsseldorf • W42 Industrial Biotechnology, Marl Die zentrale Bedeutung der Biokatalysatoren ist auch in der Aufstellung der deutschen Biotech-Unternehmen im Sektor „industrielle Biotechnologie“ reflektiert. Die meisten sind in der Tat spezialisiert auf die Identifizierung oder das gezielte Genetic Engineering, um mit neuen Enzymfunktionen ein breites Spektrum von Anwenderindustrien zu beliefern. Allein die Vielfalt der unterschiedlichen Enzymspezifikationen zusammen mit den Einsatzfeldern macht den Begriff „Biologisierung von Industrien“ mehr als plausibel. Zwischen den genannten Unternehmen gibt es allerdings unterschiedliche Gewichtungen in der Zielsetzung. Eine Gruppe stellt beispielsweise das Thema der Biomasse-Konversion und der Nutzung nachwachsender Rohstoffe in den Mittelpunkt (d. h. die Substratseite, z. B. aevotis, DIREVO Industrial Biotechnology). Insbesondere getrieben durch die sich verbreiternden technischen Möglichkeiten, den Bedarf und die billigen Ausgangsstoffe wird dieser Bereich sicherlich an Bedeutung zunehmen. Allerdings wird es in diesem Umfeld auch darauf ankommen, in der Diskussion der nachwachsenden Rohstoffe nicht weiter in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion zu stehen. Vielmehr sollte die Verwendung von pflanzlichen Abfallprodukten in den Vordergrund rücken. Biotech-Unternehmen in Deutschland mit Fokus auf Biokatalysatoren sind u. a.: • aevotis, Potsdam • ASA Spezialenzyme, Wolfenbüttel • BRAIN, Zwingenberg Nach wie vor ist der größere Teil der Firmen stärker an den Endprodukten und damit an den Kundenmärkten orientiert. Sie richten ihre Entwicklungsaktivitäten konkret an den Wünschen der Kunden aus. Ein weiteres Biokonversion als zentrale Plattform für die Stoffumwandlung • Verfahrensparameter • Verfahrensentwicklung • Optimierung + Technologietransfer in die Produktion Biokatalysatoren Substrate Produkt Biokonversion •A uswahl des Rohstoffes + Analyse der geeigneten Substrate •A ufreinigung des Substrats •V erfügbarkeit des Substrats für industrielle Produktion • Identifikation • Isolation + Charakterisierung • Expressionssystem • Stammentwicklung • Übertragung Labor auf Großanlage •A nalytik •C harakterisierung •M ustermengen •A ufreinigung •A nwendung •V ermarktungskonzept Quelle: Ernst & Young, aevotis GmbH, 2013 24 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Perspektive Differenzierungskriterium ergibt sich hierbei aus dem Vertiefungsgrad der Biokatalysatoren-Forschung. Während klassische Vertreter mit Naturisolaten arbeiten und dann vor allem über das Screening auf neue Eigenschaften setzen (z. B. ASA Spezialenzyme), nutzen modernere Ansätze vor allem die Genominformationen zum gezielten gentechnischen Design maßgeschneiderter neuer Enzymfunktionen (z. B. BRAIN, c-LEcta, evocatal). Schließlich determiniert die Breite der adressierten Zielmärkte (s. o.) die Wettbewerbsposition von Unternehmen. Spezialisierte und hierfür eigens entwickelte Mikroorganismen können in einer Allianz mit RWE CO2-haltige Rauchgase aus Braunkohlenkraftwerken direkt als „Futter“ verwerten und selbst bei einer Temperatur von 60 Grad Celsius wachsen. Ziel der Forschungsallianz ist es, Kohlendioxid mit Mikroorganismen in Biomasse oder direkt zu Wertstoffen umzuwandeln (neue Biomaterialien, Biokunst- stoffe und chemische Zwischenprodukte). Am anderen Ende des Spektrums stehen Innovationen im Kosmetikbereich in Zusammenarbeit mit MONTEIL Cosmetics. Das Verstehen der molekularen Prozesse der Hautalterung führte zur Entwicklung von Cremes mit peptidischen Wirkstoffen, die über die Hemmung der Capsaicin-Rezeptoren Hautreizungen verringern. Ein Paradebeispiel für Unternehmen im Bereich der industriellen Biotechnologie ist BRAIN aus Zwingenberg mit Schwerpunkt auf innovativen biotechnologischen Lösungen für Prozess- oder Produktanforderungen in allen denkbaren Industrieanwendungen. Dazu macht die von Wissenschaftlern und Technikern dominierte Firma in einem einzigartigen Ansatz zur Entdeckung und Produktion neuer biologischer Wirkstoffe und neuer Biokatalysatoren kreative Lösungen aus der unerschlossenen Biodiversität verfügbar. Der Erfolg fußt auf einem proprietären Bioarchiv, bestehend aus Millionen von Naturstoffen, Mikroorganismen, mikrobiellen Genen und Metagenom-Bibliotheken. Die Kernkompetenz von BRAIN liegt in der Etablierung neuer Biokonversionsprozesse – immer motiviert durch existierende Bedarfssituationen bzw. Marktpotenziale. Meist erfolgt dann die technische Ausarbeitung im industriellen Maßstab durch den Kunden selbst oder in Partnerschaften mit BRAIN. Mit über 70 Partnerschaften zur Technologieentwicklung in unterschiedlichsten Feldern erreichen die Zwingenberger ebenfalls einen Spitzenplatz. Die Partner kommen dabei aus vielen Industrien, allen voran der Chemie: BASF, Ciba, Clariant, Evonik Degussa, DSM, Genencor, Henkel, Celanese / Nutrinova, RWE, Sandoz, Südzucker, Symrise und weitere. In puncto Innovation und Anwendungsbreite war BRAIN von Anbeginn ein Aushängeschild. Dabei reichen die „ungewöhnlichen“ Ideen von biotechnologischen Ansätzen zur Rauchgasentgiftung bis hin zu Anti-Falten-Produkten. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 25 Perspektive Plattformen für Anwendungsinnovationen Neben dem Fokus auf Biokonversionsplattformen gibt es im Sektor der weißen Biotech auch Unternehmen, die sich in puncto Umwandlung auf ein bestimmtes Verfahren festgelegt haben und dann das resultierende Produkt in maximaler Breite durch nachgeschaltete Verarbeitungsprozesse vermarkten. Das beste Beispiel hierfür liefert das Unternehmen AMSilk in Planegg bei München. Hier hat die Natur für die Produktidee an sich Pate gestanden: Spinnenseide und ihre hervorragenden physikalischen Eigenschaften (Festigkeit, Dehnbarkeit, Variabilität, Abbaubarkeit). Die Kernkompetenz von AMSilk besteht darin, einen rekombinanten Herstellungsprozess für Spinnenseideprotein im industriellen Maßstab entwickelt zu haben. Die weiterführende Wertschöpfung beruht in der Vielzahl der Einsatzmöglichkeiten. Unter dem Überbegriff „High performance materials inspired by nature’s blueprint“ stehen Hochleistungsmaterialien mit optimierten Spezifikationen zur Verfügung. Die Anwendungsbereiche reichen von der Textil-Industrie („BioSteel“) über die Kosmetik-Industrie zur Medizintechnik (Zellkultur, Tissue Engineering, Wundheilung). Geschäftsmodelle für die industrielle Biotechnologie Das Gros der weißen Biotech-Unternehmen gründet sich auf einer starken technologischen Basis. Neue Entwicklungen in der Genomforschung zur Etablierung von Metagenombanken, die Ableitung innovativer Biokonversionsenzyme sowie die auf labortechnischem Level ausgearbeiteten Prozesse stehen im Mittelpunkt. Da diese F&Ebasierten Unternehmen oft weder das Knowhow auf der Marktseite besitzen, noch die großtechnische Herstellung im industriellen Maßstab beherrschen, sind sie auf die Zusammenarbeit mit etablierten GroßindustrieUnternehmen angewiesen. Dazu kommt auch, dass dieser Sektor nicht oder nur selten Beteiligungskapital anzieht und infolgedessen traditionell eher als Dienstleister operiert. 26 Die zunehmende Reife des industriellen Biotech-Sektors und auch die bessere Wahrnehmung des wirtschaftlichen Potenzials (Stichwort „Bioökonomie“) führen immerhin dazu, dass inzwischen durchaus auch lukrative Allianzen mit großen Playern geschlossen werden. Die zuvor aufgeführten Unternehmen werden hier wiederum deutlich sichtbar (BRAIN, c-LEcta, DIREVO, evocatal etc.). Dabei spielen sie jedoch eindeutig die Junior-Rolle als Zulieferer von Produkten, Prozessen und Technologien. Selbst das erfolgreiche Start-up AMSilk erreicht nur über Partner seine Endmärkte. Allein die Zahl der möglichen unterschiedlichen Märkte bedingt diese Aufgabenteilung, zumindest für ein noch so junges Unternehmen. BRAIN hat nun erstmals ein neues Modell ins Spiel gebracht. Unterstützt von finanzkräftigen Investoren – dem Family Office Putsch (ehem. RECARO Autositze) sowie den MIG Fonds – wurde eine Strategie kommuniziert, die das Technologieunternehmen nun direkt an die relevanten Wertschöpfungsketten bis zum Markt anbindet. Mit einem Investitionsvolumen von 60 Millionen Euro sollen erklärtermaßen Marktunternehmen zugekauft werden, die die technischen Lösungen aus der BRAIN-Technologiewerkstatt bis zum Markt entwickeln und dort mit ihrer spezifischen Expertise und BranchenInsights auch erfolgreich verkaufen. So soll es gelingen, den bisherigen Technologieschwerpunkt nicht aufzugeben, sondern mit höherem Wert zu kommerzialisieren. Den Anfang der jetzt offen kommunizierten Strategie hatte bereits das in den letzten Jahren erfolgte Engagement zum Aufbau einer durchgängigen Wertschöpfungskette im Sektor Kosmetik markiert: • 2009: Kauf der LH Schmidt ChemischKosmetische Fabrik als Produktionsfirma • 2012: Kauf der Kosmetikmarke MONTEIL als Marktpräsenz Nach diesem Modell sollen weitere Wertschöpfungsketten unter BRAIN-Regie und in direkter Anbindung an die Biokonversionsplattform entstehen. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Biotech-Rolle als „Impact-Factor“ in unterschiedlichen Industrien Aus der vorherigen Diskussion über Bioökonomie und die Biologisierung von industriellen Prozessen könnte auch eine weitaus bedeutsamere Rolle für die Biotechnologie entwickelt werden. Vor allem würde in einem durch die Bioökonomie geprägten Rollenverständnis die Branche vermutlich wesentlich positiver erscheinen. Dieser Ansatz müsste die zuvor genannten Industrien gemäß ihrer gesamten Wirtschaftskraft (Umsatz) sowie ihrer zukünftigen Entwicklung darstellen und dies in einen Bezug setzen mit bereits evidenten Einflüssen und zukünftigem „Impact“ durch Biologisierung bzw. Biotechnologie. Noch offensichtlicher und wirksamer in der öffentlichen Wahrnehmung wären aber vor allem Biotechnologiebeiträge, die in den modernen Life Style passen, wie beispielsweise: • Umweltfreundliche Prozesse (Stoffeinsatz) •R essourcenschonende Prozesse (Biomasse statt Öl) •E nergiesparende Prozesse (Biofermentation statt Chemieverfahren) •N atürlichere Kosmetik (natürliche Inhaltsstoffe mit klinisch nachgewiesenem Effekt) •F unctional Food / Futterstoffe / Kleidung Eine Industrialisierungsstrategie für die weiße Biotechnologie sich DSM und Evonik in positiven (und biologischen) Ausblicken; „LifeScience & MaterialScience“ hier, „Health & Nutrition“ dort, werden die Wachstumscluster bezeichnet. Geld wird verdient, die Wachstumsraten sind zweistellig. Dr. Holger Zinke, Gründer / CEO BRAIN AG, Zwingenberg Bottleneck Marktumfeld und Geschäftsmodelle roter und weißer Biotech-Unternehmen mögen sich in vielem unterscheiden, haben aber eines gemeinsam: Das Finanzierungsumfeld ist für beide Gattungen nach wie vor schwierig. Dies liegt klar nicht etwa an fehlenden Produktkonzepten, mangelnder Technologiereife oder konjunkturellen Zyklen. Es ist schlichtweg das Fehlen von Exit-Perspektiven für Investoren, welches zu einer paradoxen Situation führt. Auf der einen Seite steht eine seit zwanzig Jahren andauernde „biologische“ Revolution mit enormer branchentransformierender Kraft, auf der anderen eine grenzwertige Finanzierungssituation für Entrepreneure und ihre Unternehmen. Biologisierung In beiden Segmenten, rot und weiß, ist die „Biologisierung“ der Zielbranchen fortgeschritten. Keine Pharma-Entwicklung ist mehr ohne Biotech denkbar. Umsatz- und Gewinntreiber sind biotechnologische Entwicklungen wie monoklonale Antikörper oder Cytokine. Seit Jahren sind die Zulassungsstatistiken „Biotech“-dominiert. Mit Biosimilars steht nun auch der Generika-Sektor vor der biotechnologischen Revolution. Es wurde und wird viel Geld mit biotechnologischer Innovation verdient. Im weißen Sektor bekennen sich nun zunehmend auch Chemieunternehmen zu ihrem biologischen Segment: Im November letzten Jahres übertrafen Industrialisierung Technologieunternehmen unterscheiden sich von den oben genannten Branchenbeispielen darin, dass sie keinen direkten Marktzugang haben, mithin am „Market Pull“ nur indirekt, namentlich über industrielle Entwicklungspartnerschaften, partizipieren können. Häufig, und gerade in den Fällen des sich einstellenden Erfolges, werden die Unternehmen auch ganz akquiriert. BRAIN hat als auf die weiße Biotechnologie fokussiertes Technologieunternehmen mit seinen Investoren, der MIG AG und dem Family Office Putsch, eine Industrialisierungsstrategie vereinbart, um gemeinsam einen neuen Weg zu gehen: B2B- und B2CMarktzugänge werden geschaffen, um den Wert von Entwicklungen unmittelbar zu realisieren. Diese Marktzugänge werden nicht primär selbst aufgebaut, sondern über die Akquisition von Unternehmen oder Unternehmensteilen erworben und mit vorhandenen Entwicklungen gespeist. Motivation für diese Vereinbarung war zum einen natürlich der Wunsch, nicht nur über Royalty-Modelle an Produktinnovationen wertmäßig zu partizipieren. Zum anderen, wichtiger noch, um Zeit zu sparen. Durch „Infusion“ von Entwicklungskandidaten in das Produktportfolio von Unternehmen, die bereits im Markt präsent sind, kann entscheidend die Time-toMarket verkürzt werden. Dies hat große Auswirkung auf den Wert der Einzelprojekte und des Gesamtunternehmens. Es ist nicht das Ziel, die akquirierten Unternehmen zu assimilieren. Diese agieren als selbständige Entitäten in den jeweiligen Märkten wie Satelliten, mit unterschiedlichen Konzepten, Standorten und Unternehmenskulturen. JV-Konstruktionen sind ebenfalls im Fokus dieser Strategie. Der Wert kann für BRAIN und die Investoren anschließend durch Verkauf einzelner Satelliten realisiert werden. Realisierung Diese Strategie ist bislang in der BiotechBranche ohne direktes Vorbild. Doch hat sie das Konzeptstadium bereits verlassen: als erstes Maßnahmenpaket wurde, deutlich vor der im November letzten Jahres bekanntgegebenen Finanzierungsrunde, ein B2C-Zu- Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 gang zum Kosmetikmarkt aufgebaut. Hierzu wurden zum einen eine chemisch-kosmetische Fabrik, die vor allem als Lohnhersteller, also B2B tätig war und ist, zum anderen eine international sichtbare Marke über ein Joint Venture (MONTEIL International GmbH) mit der BRAIN verzahnt. Durch die nunmehr geschlossene Abbildung der gesamten Wertschöpfungskette konnten innerhalb kürzester Zeit zwei neue Biotech-Linien konzipiert, entwickelt, produziert und in den Handel gebracht werden. Beide Akquisitionen entwickeln sich nach der Technologietransfusion operativ erfreulich. Die Erfahrungen aus diesen mit „Bordmitteln“ durchgeführten Transaktionen bestärkten Management, Aufsichtsrat und Aktionäre, auch größere Akquisitionen ins Auge zu fassen und dies durch eine Finanzierungsrunde auch kapitalmäßig zu unterlegen. Insights Für die erste komplett geschlossene Wertschöpfungskette wurde ein komplexer, weniger durch Technologie als durch die Markenpositionierung geprägter Marktzugang angegangen. Es wurde direkt der Konsument (besser: die Konsumentin) erreicht und es ergeben sich für ein Technologieunternehmen eher ungewöhnliche „consumer insights“, die sich aber fruchtbar und motivierend auf die Entwicklungskompetenz der Bioactives-Technologieeinheit und auch auf das Gesamtunternehmen ausgewirkt haben. MONTEIL war insbesondere im US-Markt bis in die siebziger Jahre als große Marke mit der „Brand Heritage“ der aus Paris in die USA ausgewanderten Modeschöpferin Germaine Monteil bekannt und für 80 bis 100 Millionen US-Dollar Umsatz gut. Dies wäre nach heutiger Kaufkraft fast neunstellig. Bis dahin ist indes noch ein Weg zu gehen. Proof Für BRAIN war es wichtig zu zeigen, dass die Industrialisierungsstrategie von der biologischen Innovation in volumen- und wertschöpfungsmäßig stark skalierbare Märkte selbst im B2C-Bereich im Grundsatz gangbar ist. In der klassischen B2B-Spezialchemie, wo die Mehrzahl der BRAIN-Entwicklungen aus den drei Technology Units BioActives, Production Strain Development und Enzyme Technologies ihre Anwendungen finden, könnten künftige M&A-Maßnahmen einerseits weniger komplex, andererseits aber volumiger sein. www.brain-biotech.de 27 Von Brustimplantaten zur Textilfaser: AMSilks Produktportfolio sorgt für breites Wachstum Axel Leimer, CEO AMSilk GmbH, Planegg/Martinsried Am Anfang war die Faser Spinnenseide hat Forscher schon seit langer Zeit fasziniert. Der Faden des Spinnennetzes ist eine der leistungsstärksten Fasern die es gibt, mit einer dreifach höheren Belastbarkeit als Kevlar. Wer an Spinnenseide forscht, forscht an der Faser. Zumindest war dies das Credo der Seidenforscher, als wir unsere Firma gründeten. Einen kommerziellen, skalierbaren Spinnprozess zu finden war jedoch noch mit Risiko verbunden. Selbst große Konzerne wie Dupont hatten hier schon aufgegeben. Thomas Scheibel, seinerzeit Forscher an der Technischen Universität München, hatte jedoch schon damals größere Visionen. So startete er zusammen mit einem Chirurgen aus Würzburg eine erste Tierstudie, um den Effekt einer Spinnenseidenbeschichtung für Brustimplantate zu testen. Die Studie war ein Erfolg. Von der Bastelstube zum Produktentwickler Bei der Gründung der AMSilk, deren geistiger Vater Scheibel ist, legten wir auch weiterhin Wert darauf, breiter zu denken. Die Natur hatte die Blaupause vorgegeben, die es galt nachzuahmen und gleichzeitig auch zweckzuentfremden. So machten wir uns daran, nicht nur einen skalierbaren Prozess für die Faser zu finden, sondern auch die Eigenschaften der Seidenproteine für andere Zwecke in der Medizintechnik, Dermatologie und Pharmagalenik zu nutzen. Die Herstellung 28 des Grundmaterials durch Biotechnologie war nur ein Mittel zum Zweck, wenn auch ein Alleinstellungsmerkmal. Ziel war es immer, ein Material- und Produktunternehmen zu werden. Als wir Ende 2009, ein Jahr nach Gründung, die ersten Kilogrammmengen herstellten, wussten wir, dass wir nun auch parallel mit der Entwicklung erster Anwendungen beginnen müssen. Spinnenseidenfasern sind nicht mit Chemiefasern zu vergleichen, ihre Eigenschaften sind anders und neu. Biosteel vereint hohe Reißfestigkeit mit hoher Dehnbarkeit – wie in der Natur. Neue Eigenschaften ermöglichen nicht nur verbesserte, sondern auch neue Produkte! Damit ist Biosteel nicht in einem reinen Verdrängungswettbewerb und trotzdem ein Game Changer. Die Weiterentwicklung der Seide Thomas Scheibels Tierstudie wurde im größeren Stil wiederholt und brachte ein Proof of Concept im Jahr 2012. Spinnenseide ist extrem gut verträglich, nicht immunogen und verändert Oberflächen von Kunststoffen – macht sie natürlicher. Kapselfibrose, Kapseldicke und Entzündung um das Implantat konnten drastisch reduziert werden und Bindegewebe erscheint wesentlich normaler. Das bringt neue Hoffnung für Patientinnen, die auf Silikonimplantate setzen, und ist für AMSilk ein großer Markt. Spinnenseide als Material erlaubt eine breite Strategie. Nicht eine einzige Eigenschaft, sondern die besondere und einzigartige Kombination von Eigenschaften eröffnete die Chance, breiter zu planen als für eine klassische Plattformtechnologie. Als bisher einziger SpinnenseidenMaterialhersteller können wir vertikal mit dem Produkt mitwachsen. Vom Produktentwickler zum produzierenden Unternehmen Wir haben von Anfang an darauf gesetzt, Lizenznehmern schlüsselfertige, voll skalierte Herstellungsprozesse für Produkte liefern zu können. Unser Geschäftsmodell sieht vor, dass Partner für die Produkte und den Materialzugang einen Systempreis zahlen, der von der jeweiligen Anwendung abhängt. So werden Qualität und Preis für verschiedene Anwendungen sehr unterschiedlich ausfallen. Dass wir bei bestimmten Produkten auch in der Entwicklung mit ins Risiko gehen, versteht sich von selbst. Dafür muss AMSilk eine ständig Evolution durchlaufen: von der Bastelstube zum Produktentwickler, zum produzierenden Unternehmen – innerhalb von vier Jahren. Unsere Mitarbeiter sind flexibel, entwickeln sich mit den Projekten und das Team wird je nach Expertise ergänzt. Das Management schafft dabei den Raum, in dem Mitarbeiter Werte schaffen können. Diversifizierte Endkunden Große Wertsprünge werden in der Innovations- und Expansionsphase gemacht. Wer sich auf ein einziges Produkt festlegt, kann diese Phasen nur einmal durchschreiten. Für AMSilk ergibt sich diese Möglichkeit sowohl in der Medizintechnik als auch für Hochleistungstextilien mehrfach. Hierbei achten wir aber darauf, Basistechnologien und Produktionsprozesse, die einmal etabliert sind, in mehreren Produkten zu hebeln. Für den Erfolg zählt funktionierende Technik, aber auch die richtige Strategie. Ein Vorteil für AMSilk ist, dass mehrere Gesellschafter diese Phasen als Unternehmer schon mindestens einmal selbst durchlebt haben. Erfahrene Unternehmer als Gesellschafter – und insbesondere auch als Investoren – zu haben, zahlt sich hier aus. Biosteel Im März konnten wir Biosteel, die weltweit erste industriell herstellbare Spinnenseidenfaser, vorstellen. Die mechanischen Eigenschaften kommen dem Spinnennetz gleich. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Gut finanziert in die weitere Diversifizierung des Produktportfolios Im Februar konnten wir eine dritte Finanzierung in Höhe von fünf Millionen Euro aufnehmen. Mit den zusätzlichen Mitteln wird die Produktion in den Tonnenmaßstab gebracht und die finale Optimierung der Faser in einer Pilotanlage umgesetzt werden. Erste Medizinprodukte werden mit Partnern zur Zulassung gebracht. AMSilk setzte von Anfang an auf ein diversifiziertes Produktportfolio, um Risiko zu streuen. Möglich wurde dies durch die breite Anwendbarkeit des Materials, aber insbesondere auch durch die Ressourcen, die zur Verfügung standen. Signifikante Fördermittel vom Freistaat Bayern und dem BMBF, exzellente Kooperationspartner und Dienstleister, motivierte Mitarbeiter, kompromissloser Fokus und sicherlich auch ein wenig Glück trugen dazu bei, diese breite Strategie umsetzen zu können. Viele Faktoren waren vom Standort abhängig. Auch hier hatten wir Glück. www.amsilk.com Durchdenken – Firmen auf solider Basis gründen Firmenneugründungen mit durchdachten Konzepten Die wesentlichen Erfolgsfaktoren für BiotechFirmen müssen heute bereits in der Gründungsphase auf individueller Basis gründlich geprüft werden. Die allzu optimistische Gründungswelle in Zeiten der Biotech-Blase ist längst passé. Reichten früher schon vielversprechende Forschungsergebnisse, um Investoren von einer Unternehmensgründung zu überzeugen, heißt heute die Devise: Durchdenken, und zwar von A bis Z. Heutzutage müssen nicht nur die wissenschaftlichen Daten stimmen. Der zukünftige Markt muss von Anbeginn abgegrenzt und Wachstumsprognosen in die Planung eingeschlossen werden. Ab wann wird sich das Produkt / Projekt von selbst tragen? Welches Geschäftsmodell wird angestrebt? Herrscht Patentfestigkeit? Wie wird bis zum Breakeven finanziert? Auch pharma-ökonomische Aspekte dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Kann das Therapeutikum einer Nutzenbewertung standhalten? Belastbare Businesspläne müssen sich auf einem harten Parkett gegen unzählige andere gute Forschungsergebnisse durchsetzen und vor den Augen strenger Juroren standhalten. Was genau ist die Unique Selling Position, das Alleinstellungsmerkmal? Generell gilt es, folgendes gut durchzudenken: •S olide Überprüfung der Geschäftsidee hinsichtlich technischer Machbarkeit, Kosten / Finanzierung, Patentschutz, Marktbedarf / Marktgröße, Umsatzpotenzial / Marktentwicklung, Wettbewerb etc. • Selektive Auswahl der am besten geeigneten Personen für Management und operative Schlüsselaufgaben (sowohl die „Entrepreneure“ als auch Fachleute müssen gut gewählt sein und zusammen passen) • Professionelle Ausarbeitung des Geschäftsplans unter besonderer Berücksichtigung der o. a. Kriterien und deren quantitativer Umsetzung in Umsatz- und Kostenprojektionen • Frühzeitige Miteinbeziehung von ExitSzenarien Die Gründer müssen Investoren nicht nur mit der Idee der Unternehmung überzeugen, sondern auch von sich selbst. Idealerweise tun sich die jungen Naturwissenschaftler schon von vornherein mit jungen Wirtschaftswissenschaftlern zusammen. Mehrere Universitäten fördern diese Art der Zusammenarbeit bereits. In verschiedenen Startup-Initiativen, wie dem LSI (Life Science Inkubator) oder dem HTGF (High-Tech Gründerfonds), wird das zukünftige Gründerteam analysiert und bestmöglich mit den fehlenden Kompetenzen ergänzt. Hier kommen unter Umständen auch Interim-Manager in Frage (vgl. Artikel von Alrik Koppenhöfer auf S. 30). LSI Der Life Science Inkubator (LSI) am Forschungszentrum caesar in Bonn stellt ein neuartiges Modell zur Förderung von Forschungsvorhaben dar. Der LSI greift dabei besonders früh in der Entwicklung eines Unternehmens, nämlich bereits vor der Gründung. Forschungsprojekte aus Therapie, Diagnostik, Prävention und Rehabilitation werden gezielt entwickelt und gefördert. Ziel ist dabei die Finanzierungs- und / oder Marktreife. Über einen eigenen Fonds werden darüber hinaus auch Geldmittel zur Verfügung gestellt (weitere Informationen im Artikel von Jörg Fregien auf S. 31). Auch Forschungsinstitute selbst machen sich Gedanken darüber, wie man Wissenschaft am Besten in Wirtschaft überführt. Ascenion mit Spinnovator Der Technologietransferpartner der Helmholtzund Leibniz-Gemeinschaften – Ascenion – analysiert Technologiepotenziale und begleitet diese quasi als Coach und Sparringspartner in die Selbstständigkeit. Zudem wurde mit dem Spinnovator ein neues Förderinstrument in Zusammenarbeit mit dem BMBF und weiteren Investoren geschaffen, welches Start-ups auch finanziell unter die Arme greift. Das Förderinstrument für gründungswillige Wissenschaftler wird von Ascenion in enger Zusammenarbeit mit dem Risikokapitalgeber Vesalius Biocapital gemanagt und vom BMBF unterstützt. Projekte, die für den Spinnovator ausgewählt werden, erhalten professionelle Unterstüt- Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 zung der Partner und bis zu 7,4 Millionen Euro an Finanzmitteln, die in Abhängigkeit vom Projektfortschritt von Vesalius Biocapital und dem BMBF bereitgestellt werden (vgl. Artikel Christian A. Stein auf S. 33). Ein neuer Aspekt, der nun mit in die Biotech-Gründungsszene spielt, sind die „alten Hasen“ der Branche. Mit dem Schatz an eigenen Erfahrungen versuchen sie nun jungen Wissenschaftlern mit Rat, Tat und Finanzmitteln zur Seite zu stehen. Auch, weil ihnen die Branche am Herzen liegt und sie nach wie vor etwas bewegen wollen, engagieren sich Größen wie Karsten Henco und Rainer Christine nun auf der anderen Seite. Sie versuchen die Spreu vom Weizen zu trennen und können mit ihrem Erfahrungshintergrund einschätzen, welches Team mit welcher Idee in welchem Markt bestehen kann; wer Potenzial hat, auch in schwierigen Zeiten das Projekt „eigenes Unternehmen“ zu stemmen. Nach erfolgreichen Firmengründungen und -verkäufen – Henco mit Qiagen, Christine mit amaxa – unterstützten sie die BiotechBranche zunächst als Business Angel. Heute sind sie beide mit einem eigenen Fonds aktiv. HS Life Sciences Henco und Kollegen pushen seit 2008 LifeScience-Sprösslinge nicht nur finanziell über den QureInvest II Fonds (insgesamt 70 Mio. €), sondern auch in Bezug auf Firmenentwicklung und Management. Bis jetzt ist das Portfolio schon auf über sieben deutsche und schweizerische Neugründungen im Bereich Biotech und Medizintechnik angewachsen. 29 Interim-Management: Mit Erfahrung starten Beratung bei Neugründungen Wie und wo externe Unterstützung des Managements von Vorteil ist, interessiert zunehmend auch Investoren. Deutschlands wichtigster Seed-Finanzierer, der High-Tech Gründerfonds (HTGF), bietet bereits vor seiner Beteiligung finanzielle Anreize, um Coaches mit operativer Industrieerfahrung in Neugründungen zu verankern. Darüber hinaus bezuschussen auch regionale Fördergesellschaften und Institutionen die enge Einbindung von erfahrenen Beratern bei Neugründungen. Mit „Helmholtz Enterprise“ wurde ein Programm geschaffen, das potenzielle Gründer befähigt, ihr Vorhaben mit Hilfe externer Unterstützung erfolgreich am Markt zu positionieren. Dr. Alrik Koppenhöfer, LSCN Ltd., Heidelberg Interim-Management als Alternative In einer Zeit knapper finanzieller Mittel für Biotech-Start-ups und schwieriger Anschlussfinanzierungen sind Unternehmensgründer und Management besonders gefordert: Es gilt, effektive und kosteneffiziente Lösungen für zentrale Aufgabenbereiche des Unternehmens zu finden. Interim-Manager und Coaches bieten hier Vorsprung durch Wissen, Erfahrung und Netzwerke. Als Macher werden sie verstärkt nachgefragt, um Unternehmen nicht nur strategisch, sondern auch operativ kompetent zu unterstützen. Die Pharma-Industrie arbeitet seit Jahren mit hochqualifizierten Interim-Managern. In der deutschen Biotechnologie ist eine zögerlich wachsende Nachfrage zu beobachten. Die Einbindung von Interim-Managern bietet dabei gerade Unternehmensgründern und KMU handfeste Vorteile: • Produktorientierte Beurteilung von Innovationen • U nvoreingenommener Vergleich vom Stand der Technik und von Mitbewerbern • O bjektive Beurteilung der Marktchancen und Markteintrittsbarrieren • D irekter Netzwerkzugang zu Kunden und Entscheidungsträgern Beratung in der frühen Unternehmensphase Kompetente Unterstützung kann auch kurzfristig durch externe Experten realisiert werden, die z. B. in der Gründungsphase selbst als Interim-Geschäftsführer eingebunden werden. So wird das Know-how der zumeist technisch-wissenschaftlich orientierten Gründer in Bezug auf Corporate und Business Development ergänzt, insbesondere unter marktstrategischen und finanziellen Aspekten. In dieser Rolle nutzen Experten ihre Erfahrung, um gangbare Strategien zu erarbeiten, Unternehmen mitzuführen, Gründer zu managen und gegebenenfalls durch weitere Expertisen zu verstärken. Dazu zählt auch, die nötigen Ressourcen zu beziffern und einzuwerben. Typische Aufgaben sind: • Businessplan-Erstellung • Erarbeitung von Entwicklungs- und Vermarktungsstrategien • Operative Geschäfts- und Finanzplanung • Business Development und Produktmanagement • Ansprache von potenziellen Erstkunden, strategischen Partnern und Investoren Weitere praktische Hilfen sind die Einbindung von erfahrenen, externen Dienstleistern wie Patentanwälten, Anwälten im Gesellschafts- und Handelsrecht, Steuerberatern, Webdesignern, etc. Interaktion zwischen Interim-Manager und Start-up Die externe Managementunterstützung sollte sich auf die Erstellung eines belastbaren Investment Cases und die Entwicklung eines marktfähigen Produktes fokus- 30 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 sieren und einen Überblick über alle anstehenden Aufgaben und ihre Prioritäten liefern. Dabei müssen die Erwartungen und Verantwortlichkeiten der Erfinder, Gründer und der übrigen Interessenvertreter in Übereinstimmung gebracht werden. Entscheidende Voraussetzung, um ein Unternehmen erfolgreich zu platzieren, sind Vertrauen, Verständnis und Einvernehmen zwischen dem Interim-Manager, den Gründern und allen anderen Interessenvertretern. Ist die geplante Unternehmung nicht in der Lage, die gewünschten Investitionen oder Kunden zu akquirieren, sollte der Interim-Manager dem Gründungsteam darlegen, wie die Geschäftsidee verbessert werden kann. Dabei helfen die Erfahrung und der Abstand des Interim-Managers, ggf. auch ein nötiges „Nein“ oder sogar den Abbruch der Aktivitäten zu vertreten. Finanzielle Anreize Für Gründer und Investoren bieten InterimManagement-Lösungen zudem auch entscheidende finanzielle Vorteile: • Transparent bemessene und vergütete Leistungen • Keine weiteren Arbeitgeberkosten (Urlaub, Krankheit, Sozialkassen usw.) • Teilhabe am Erfolg des Unternehmens ist verhandelbar • Flexible Gestaltung durch zeitliche oder projektbedingte Befristung • Vermeidung von kritischen Liquiditätsengpässen, da Rekrutierung von InterimManagern nach Bedarf LSCN Als Beratungsgesellschaft für Geschäftsentwicklung und Interim-Management hat LSCN Ltd. durch seine Partner viele Referenzen in Start-ups und bei etablierten Biotech-Firmen. Es gibt Erfahrungen als akkreditierter „HTGF Coach“, als „bwcon Coach“ und als Interim-Manager im Rahmen von „Helmholtz Enterprise“. Außerdem bietet der LSCN Partner Talentmark Ltd. eine internationale Vermittlung von InterimManagern. Dieses Angebot wird besonders in Großbritannien und den USA, aber auch verstärkt in Deutschland und im übrigen Europa nachgefragt. www.lscn.eu Life Science Inkubator – Ein Nährboden für Start-ups Ebenso wichtig ist die Teambildung, denn in einem gewinnorientierten Unternehmen gestalten sich Zusammenarbeit und Zielsetzungen anders als in der Wissenschaft. Forschungsleiter, die zuvor regelmäßig und mit Begeisterung im Labor standen, müssen als Geschäftsführer diese Tätigkeiten oft an Mitarbeiter delegieren – was gar nicht so leicht fällt. Dr. Jörg Fregien, Geschäftsführer Life Science Inkubator, Bonn Viele Ideen, begrenztes Kapital Unternehmensgründungen in den Life Sciences sind zu einem schweißtreibenden Unterfangen geworden. Selbst bei bester Vorbereitung ist es schwer, das nötige Kapital zu finden, um eine wissenschaftliche Entdeckung oder eine Technologie in ein marktfähiges Produkt weiter zu entwickeln. Dabei standen noch vor zehn Jahren den gründungswilligen Wissenschaftlern alle Türen offen, solange sie nur auf vielversprechende Forschungsergebnisse verweisen konnten. Heute dagegen herrscht ein harter Wettbewerb. Gute Gründungsideen gibt es viele, allerdings sind die Investoren wie auch industrielle Partner zurückhaltender. Sie wollen ihr Anlagerisiko klein halten und stellen darum deutlich höhere Ansprüche an potenzielle Start-ups. Geht es nach ihnen, dann ist die Idee möglichst schon zu einem marktreifen Produkt gediehen und das Unternehmenskonzept dazu bereits bestens ausgearbeitet. Erfolg aus einem ganzheitlichen Gründungskonzept Nun sind Wissenschaftler oft nicht mit dem unternehmerischen Rüstzeug ausgestattet, welches für eine Gründung nötig ist. Um erfolgreich zu sein, können sie sich nicht allein auf die Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen verlassen. Vielmehr braucht es einen unternehmerischen und ganzheitlichen Ansatz – das Produkt muss am Markt auch konkurrenzfähig, die Patente tragfähig sein. Exzellente Forschung marktreif machen Dieser ganzheitliche Ansatz ist die Arbeitsgrundlage des Bonner Life Science Inkubators (LSI). Wissenschaftler aus den verschiedenen Bereichen der Medizinforschung finden hier die Zeit und die Ausstattung, ihr Forschungsprojekt zu einem Produkt weiterzuentwickeln. Im Aufnahmeverfahren werden alle Projekte ausführlich nach den Kriterien Qualität des Forschungskonzepts, Marktfähigkeit, Belastbarkeit der Patente und Teamentwicklung begutachtet. Wichtig ist natürlich auch der herausragende wissenschaftliche Ansatz. Daraus muss sich jedoch ein kommerzielles Geschäftsmodell entwickeln lassen, denn sonst macht eine Ausgründung keinen Sinn. Was darüber hinaus an Knowhow benötigt wird, lässt sich lernen. Entsprechend erhalten die Wissenschaftler am LSI ein intensives, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Coaching. Die Arbeit am Bonner Inkubator wird durch das Bundesforschungsministerium und das nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium mit bis zu zwei Millionen Euro pro Jahr gefördert. Zum Inkubator gehört außerdem ein Fonds, der nach erfolgreicher Inkubation dem Start-up eine Anschlussfinanzierung gewährt. Dieser Fonds wird finanziert durch die NRW.Bank, die Sparkasse Köln-Bonn, private Investoren sowie die Max-Planck-Gesellschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft und das Forschungszentrum caesar. Ausweitung und Regionalisierung der Inkubatoridee Insgesamt wurden im LSI bis jetzt neun Projekte aufgenommen, vier davon sind 2012 in der Transferphase angekommen. Aktuell wurden bereits zwei Unternehmen gegründet, ein weiteres befindet sich kurz davor. Die Epivios GmbH wurde im Juli 2012 etabliert und ist ein Kooperationsprojekt der LSI Pre-Seed-Fonds GmbH, des High-Tech Gründerfonds (HTGF) und privater Investoren. Epivios entwickelt ein Verfahren für die Früherkennung von Krebserkrankungen über Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 den Ansatz epigenetischer Veränderung von Zellen – ein frühes Ereignis der Krebs-entstehung. Die BOMEDUS GmbH ist ebenfalls eine Kooperationsgründung mit dem HTGF. Unternehmensgegenstand ist die Entwicklung von neuen Behandlungsmethoden zur Akuttherapie von Schmerzen unter Nutzung modernster Technologien und gezielter Beeinflussung der „neuronalen Plastizität“. Die VLP-Gruppe, seit 2009 am LSI, ist in der Transferphase angekommen. VLP hat während der Inkubation eine „Medikamentenfähre“ entwickelt, die Wirkstoffe von der Blutbahn gezielt ins Gehirn transportieren kann. Dadurch kann die Blut-Hirn-Schranke überwunden werden, was die Möglichkeit eröffnet, Hirntumore oder MS direkt mit Medikamenten zu behandeln. Und: das Modell des LSI macht Schule. In Dresden ist ein regionaler Life Science Inkubator entstanden, und in Göttingen wird ein Inkubator mit dem Technologieschwerpunkt Photonik aufgebaut. Forschungsrisiko durch gute Businesskonzepte ausgleichen Mit seinem Schwerpunkt auf der Entwicklung tragfähiger Konzepte platziert sich der LSI zusammen mit der Gründungsoffensive GO-Bio in Bezug auf die Unternehmensphase vor dem Förderinstrument „High-Tech Gründerfonds“. GO-Bio und LSI arbeiten dabei synergistisch und zielorientiert. In Zukunft wird der LSI diesen Transfer noch besser durch ein Inkubatornetzwerk mit unterschiedlichen Technologien und Standorten begleiten, damit die in Deutschland herausragende Grundlagenforschung nicht mehr im Ausland weiterentwickelt und zu kommerziellem Erfolg gebracht werden muss. Mut zum Transfer, aber mit durchdachten Konzepten Alle Förder- und Finanzierungsinstrumente sind für die Biotech-Branche unverzichtbar, gewährleisten sie doch den Transfer von der Wissenschaft zu marktfähigen Produkten und Technologien. Um in den Hochtechnologien in der Spitzengruppe zu verbleiben, erfordert allerdings noch mehr Mut bei der Umsetzung von innovativen Ideen. Dass Forschung stets auch ergebnisoffen und nicht immer von Erfolg gekrönt ist, lässt sich durchaus aushalten, wenn man, wie der LSI, darüber hinaus auf solide unternehmerische Konzepte setzt. www.life-science-inkubator.dee 31 Perspektive science to market Venture Capital Gegründet von Christine und ehemaligen amaxa-Kollegen möchte der Fonds mit einer Zielgröße von 100 Millionen Euro Unternehmen aus dem Life-Science-Bereich in ganz Europa Risikokapital zur Verfügung stellen. Auch hier wird dem Gründerteam Managementerfahrung zur Seite gestellt und sich aktiv und strategisch mit der Unternehmensentwicklung beschäftigt. Weitere Projekte sind in Planung. So feilt Peter Heinrich, Vorstand der BIO Deutschland, an einem Coaching-Unternehmen, Sinfonie Life Science Management; man darf auf die Resultate gespannt sein. Prof. Carsten Claussen, ehemals CEO von Evotec Technologies, heute CEO des European ScreeningPorts, initiierte die Gründung der VolksparkLabs in Hamburg. Zusammen mit Privatinvestoren stellt er Biotech-Start-ups die Infrastruktur und das Netzwerk von erfolgreichen Life-Science-Unternehmen zur Verfügung und betreut die Neulinge in dem ehemaligen Gebäude von Evotec über die ganze Bandbreite der Unternehmensentwicklung hinweg mit (siehe Artikel auf S. 34). Qualität statt Quantität An der Statistik der Unternehmensneugründungen sieht man deutlich, dass heutzutage weniger gegründet wird als zu Zeiten, in denen die VC-Töpfe voll waren und alles möglich schien. Von den 66 Firmen, die 2000 frisch in der Branche aufschlugen, existieren heute noch 33 – elf Prozent haben im Zuge von M&As den Besitzer gewechselt und 33 Prozent haben ihre Geschäftstätigkeit bereits wieder eingestellt. Nach 2001 sinkt die Zahl der Start-ups deutlich und die Zeit wird zeigen, ob die momentanen Ansätze zum durchdachten Gründen nachhaltig sind und in Zukunft zu erfolgreicheren Firmen führen. Nichtsdestotrotz, nur wer sich gegen Widerstände durchsetzt, wird erfolgreich bestehen. Auch wenn sich keine der aktuell agierenden Start-up-Förderer für die eigene Idee begeistern lässt, sollten sich junge Gründer nicht einschüchtern und von eventuellen Risiken abschrecken lassen. Deutschland benötigt Innovation mehr denn je und die Visionäre der Branche haben dies bereits verstanden und arbeiten an Initiativen zur Unterstützung. Doch es braucht auch Gründer, die mit Feuer und Flamme bereit sind, ihre Idee umzusetzen – auch wenn etliche Hindernisse auf dem Weg zum Erfolg liegen bzw. ein Scheitern nicht ausgeschlossen werden kann. Um es mit den Worten eines der wohl berühmtesten Firmengründer, Steve Jobs, zu sagen: Stay hungry, stay foolish. 32 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Neue Meilensteine für den Technologietransfer: Ascenion Christian A. Stein, CEO Ascenion GmbH, München Neue Aufgaben für den Technologietransfer Der Wissenschafts- und Technologietransfer im akademischen Raum hat sich in den vergangenen zehn Jahren erheblich gewandelt. Bis 2000 genügte es im Allgemeinen, Erfindungen zu scouten, schutzrechtlich abzusichern und mit der Industrie zu verpartnern – sei es durch Kooperation, Lizenzierung oder Optionierung. Zunächst vereinzelt, später immer häufiger, wurden auch Spin-offs begleitet und zusehends setzte man sich im Technologietransfer mit dem Thema Beteiligung auseinander. Inzwischen werden Hochschulen und Forschungseinrichtungen ermutigt, selbst Unternehmensbeteiligungen an Spinoffs zu nehmen und zu managen, obwohl das für das Beteiligungsmanagement erforderliche Know-how und die damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken erheblich sind. Ob mit Investitionen in wagniskapitalfinanzierte Spin-offs und mit der Durchführung von Beteiligungsmanagement Ressourcen im akademischen Bereich richtig eingesetzt sind, darf hinterfragt werden. Eine sinnvolle Alternative ist die Auslagerung dieser Aktivitäten in Stiftungen und ihre vermögensverwaltenden Einheiten, welche in Deutschland noch immer zu wenig genutzt wird. Seed-Fonds für frühe Projekte? Eine kritische Tatsache bleibt, dass mindestens zwei Drittel aller patentierten Erfindungen zu weit von der Anwendung entfernt sind, um einen Partner in der Industrie zu finden oder in Spin-offs ausgegründet zu werden. Die Hoffnung, dass Risikokapitalgeber diese Lücke durch spezielle Seed-Fonds füllen würden, hat sich in mehr als einem Jahrzehnt nicht erfüllt. Spätestens die Kauffman-Studie 2012 „We have met the enemy… and he is us“ hat uns diesbezüglich letzter Illusionen beraubt. Mit den bisherigen Strukturen und Mechanismen im Fonds-Geschäft sind frühe Entwicklungen akademischer Projekte, ganz besonders im Therapie- und Diagnostikbereich, kaum rentabel darstellbar. Das liegt an dem extrem ungünstigen Risikoprofil der Projekte, mit denen wir arbeiten. Im Therapiesegment liegen die Erfolgschancen im sehr niedrigen einstelligen Bereich. Das Zauberwort für die Partnerfindung heißt daher: De-risking. Wir müssen akzeptieren, dass Lizenznehmer und Investoren ein tragbares Risikoprofil benötigen, um in die Projektentwicklung einzusteigen. Ascenion und viele andere Akteure im Technologietransfer haben deshalb Instrumente entwickelt, mit denen man das Risiko teilen oder reduzieren kann, um das Potenzial früher Projekte besser zu entfalten. De-risking-Initiativen Ascenion verfügt heute über eine eigene Spin-off- und Equity-Abteilung, aus der wir Gründer und ihre Projekte Schritt für Schritt unterstützen, praktisch und strategisch. Gemeinsam erstellen wir Entwicklungspläne, kalkulieren Kosten, finden Drittmittel, Soft Money und andere Finanzierungsmöglichkeiten und vermitteln geeignete Partner. Dabei kooperieren wir mit dem Life Science Inkubator (LSI), dem Lead Discovery Center (LDC GmbH), der Vakzine Projekt Management (VPM GmbH) und vielen anderen, um die Klippen in der präklinischen Entwicklung besser und günstiger zu umschiffen. Spinnovator: Life Science into Business Mit dem „Spinnovator“ haben wir außerdem ein intelligentes Instrument geschaffen, das erstmals in Deutschland öffentliche Fördermittel mit privatem Risikokapital und spezifischer Expertise kombiniert, um frühe Projekte aus den Bereichen Therapie, Diagnostik, Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Ernährung und Medizintechnik über Startups zu entwickeln und zu finanzieren. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und Vesalius Biocapital Partners haben die Initiative mit auf den Weg gebracht. Zahlreiche Investoren sind inzwischen als Partner dazu gestoßen (BioGeneration Ventures, Creathor Venture, Forbion Capital Partners, Peppermint VenturePartners und TVM Capital). Unsere 22 Partnerinstitute der Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft und medizinischen Hochschulen können damit frühe Projekte effizienter und mit höherer Wertschöpfung voranbringen, und Risikokapitalgeber können bei reduziertem Risiko einsteigen. Solche Initiativen ergänzen bewährte Instrumente wie das exzellente Förderprogramm GO-Bio und den High-Tech Gründerfonds (HTGF), der heute ohne Zweifel der wichtigste Risikokapitalgeber im frühphasigen Hochtechnologiebereich ist. Ganz Europa beneidet uns um solche Instrumente. Bleibende Herausforderung Doch all dies reicht nicht aus, wenn wir die zwei Drittel ungenutzter „Schätze“ heben wollen, die in akademischen Schutzrechtsportfolios schlummern. Nicht jedes Projekt wird halten, was es verspricht. Aber auch das muss Aufgabe neuer Validierungsinstrumente sein: herauszufinden, was funktioniert und was nicht. Dabei ist es wichtig, rigide Abbruchkriterien und Meilensteine zu implementieren, um Ressourcen nicht unnötig zu vergeuden. Einige sehr erfolgreiche Ansätze hierzu gibt es seit geraumer Zeit im Forschungsförderungs- und im WagniskapitalSegment. Gemeinsam mit unseren Partnern im Technologietransfer, in der Forschung, Industrie, Politik und Investmentbranche arbeiten wir intensiv daran, unser Wissen und unsere Erfahrung zusammenzuführen, um den Technologietransfer zu unser aller Nutzen weiter zu verbessern. Noch sind wir weit davon entfernt, auch nur die Hälfte aller „Schätze“ ans Licht zu bringen. Dies ist unser nächster Meilenstein. www.ascenion.de 33 VolksparkLabs – Eine Privatinitiative zur Förderung von Life Science Stiftungshauptstadt Deutschlands in guter Hamburger Tradition. Firmen wie Evotec AG, Indivumed GmbH oder Cell Culture Service GmbH konnten mit privaten Hamburger Investoren ihre Gründungen durchziehen. Prof. Dr. Carsten Claussen, Initiator der VolksparkLabs, CEO European ScreeningPort GmbH, Hamburg Raum für Gründer und Forscher abseits der üblichen Modelle Im Hamburger Westen werden im Herbst 2013 die VolksparkLabs eröffnet. Sind diese ein weiteres Technologie- und Gründerzentrum für Norddeutschland? Eher nicht. Es handelt sich vielmehr um eine Privatinitiative, die Raum und laufenden Betrieb für Gründer und Forscher anbietet, damit diese inhaltlich in ihrer Firmenentwicklung begleitet werden. Die direkte Interaktion der Mieter ist das angestrebte Erfolgskriterium. Hamburg hat Potenzial, ist aber noch lange kein Leuchtturm Hamburg ist nicht unbedingt als Hochburg der Wissenschaft bekannt. Die großen Exzellenzwellen der vergangenen Jahre sind an der Stadt vorbeigerollt. Auch die angewandte Forschung und die Interaktion zwischen den Universitäten und der Industrie sind in Hamburg nicht vergleichbar ausgeprägt wie an anderen Standorten. Wie sagte doch ein alt eingesessener Hamburger Unternehmenslenker, als ihm eine Beteiligung an einem Biotech-Start-up vorgeschlagen wurde: „uns gibt es in fünfter Generation und wir haben bisher noch nie ein Forschungsprojekt gebraucht“. Nichtsdestotrotz, die Life Science Community ist lebendig und es gibt einige herausragende industrielle und wissenschaftliche Player an der Elbe. Auch befindet sich die private Initiative in der 34 Vorbilder: Zuliefererparks der Automobilbranche und Medienbunker in St. Pauli Als Blaupause für die VolksparkLabs haben sich die Initiatoren nicht an den BiotechGründerzentren der Republik orientiert, sondern an den Zuliefererparks der Automobilbranche, und dieses Konzept auf die Anforderungen der Life Sciences skaliert. Mit dem Medienbunker hat der Hauptinvestor bereits eine komplizierte Immobilie – einen denkmalgeschützten Hochbunker mit 16.000 m2 im Stadtteil St. Pauli – so entwickelt, dass dort ein mehr als lebendiger Betrieb stattfindet, der in den letzten Jahren eine Vollvermietung mit ca. 30 verschiedenen Mietern vorweisen kann – auch ein Modell. 12.000 m2 Innovationscampus in den ehemaligen Hallen Evotecs Vor diesem Hintergrund wurde das Konzept für die VolksparkLabs entwickelt. Die Chance, eine etablierte und funktionsfähige Laborinfrastruktur zu nutzen, ergab sich durch Evotecs mutige unternehmerische Entscheidung, den mehr als beeindruckenden Manfred Eigen Campus zu entwickeln – das ehemalige Eli-Lilly-Forschungszentrum. Dieser Schritt ist auch ein Indikator für den Wandel der Wertschöpfungsketten in der Medikamentenentwicklung zwischen Pharma und Biotech. Am ehemaligen Standort von Evotec stand somit eine etwas in die Jahre gekommene Immobilie zur Verfügung. Mit einem millionenschweren, privat finanzierten Innovationsprogramm wird ein moderner Campus mit 12.000 m2 geschaffen, der im Herbst 2013 vollständig bezugsfertig sein wird. Der Campus wird sich weniger durch spektakuläre Architektur auszeichnen, sondern eher durch intelligentes Bauen im Bestand. Gegenüber Gründerzentren mit eindrucksvollen Foyers, Konferenzebenen und Kindertagesstätte ist die Nachbarschaft das wichtige Merkmal. In guter Nachbarschaft mit PerkinElmer und dem ESP Das Konzept wurde maßgeblich von den beiden Firmen PerkinElmer Inc. und European ScreeningPort GmbH erarbeitet und beide haben sich langfristig für diesen Standort Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 entschieden, womit schon drei Viertel der Kapazität ausgelastet sein wird. PerkinElmer Inc. wird sein europäisches R&D-Zentrum sowie seinen Geschäftsbereich Automatisierung in den VolksparkLabs ansiedeln. Der European ScreeningPort hat seine neuen Labore in den VolksparkLabs bereits bezogen. Aus den Geschäftstätigkeiten dieser Ankermieter ergeben sich die naheliegenden Felder der Gründungsfirmen: Instrumente, Tools, Assays und Informatik für den Forschungsmarkt. Attraktivität der VolksparkLabs: Infrastruktur und Networking Bereits heute werden ca. zehn Unternehmen und Gründungsteams betreut, wobei die Spannweite der Betreuung von Businessplan-Coaching und Organisation von Roadshows zur Investorensuche über die Unterstützung im Labor mit Applikationen und Proof-of-Concept-Studien bis hin zum Vertrieb und sogar Aufträgen reicht. Was macht die VolksparkLabs für die Gründer attraktiv? Natürlich die vernünftige Infrastruktur, so dass sich die Gründer auf die Umsetzung ihres Geschäftsplans konzentrieren können und nicht durch den Aufbau der Infrastruktur abgelenkt werden. Die Ratschläge, der Austausch mit den Mitarbeitern der anderen Mieter und die aktive Einbindung in die Besucherströme im Haus werden als befruchtend und als aktives, nachhaltiges Networking angesehen. Nicht zuletzt soll die Nähe zur industriellen Wirklichkeit die Gründer sehr früh auf die Anwendung und die Darstellung des Kundennutzens fokussieren. Ein ganz praktisches Beispiel ist die Vorfinanzierung von Förderbescheiden, die von der DKB Bank in den VolksparkLabs angeboten wird. Fahrt aufnehmen Die Ansiedlung einer Fraunhofer-Einrichtung für Screening und Drug Discovery, die im Sommer 2013 ihren Betrieb aufnehmen soll, ist ein weiterer Schritt, die VolksparkLabs zu einem Anwendungszentrum zu entwickeln. Es besteht daher Hoffnung, dass das geflügelte Wort von fürsorglichen Hamburger Vätern Vergangenheit ist: „wer zu dumm zum Kaffeehandel ist, wird Wissenschaftler“. www.screeningport.com Zusammen denken – Präkompetitive Kollaborationen werden relevanter Neue Ansätze für komplexe Herausforderungen Im letztjährigen globalen Biotech-Report „Beyond borders 2012“ war erstmals das Thema der „präkompetitiven Kollaborationen“ angesprochen worden. Die zunehmende Komplexität der medizinischen Fragestellungen in Bezug auf Krankheitsursachen und Behandlungsansätze einerseits, andererseits aber auch die immensen Kosten der medizinischen Forschung haben ein Konzept – HOLnets = Holistic Open Learning Networks – zur Diskussion gestellt, nach dem alle beteiligten Parteien – Akademie, Biotech, Pharma, und Ärzte – ihre Kräfte bündeln, um gemeinsam die Komplexität eines Themas zu bewältigen. So werden inbesondere Unternehmen, die üblicherweise Wettbewerber sind, zu Team-Playern – ein Szenario, das sowohl gravierende Vorteile aber auch Einschränkungen mit sich bringt. Einzelbeispiele belegen dieses Konzept, auch wenn die Grenze zwischen „prä-“kompetitiv und „non-“kompetitiv schwierig zu ziehen ist. Beispielsweise sind Initiativen von PharmaUnternehmen hinsichtlich einer gemeinsamen Qualifizierung von klinischen Zentren sehr hilfreich und effizient; ebenso die gemeinsame Entwicklung von Technologien für die Therapeutikaentwicklung. Für Durchbrüche aus präkompetitiver Zusammenarbeit, die insbesondere auch die Innovationskraft von Biotech-Unternehmen mit einbeziehen, scheint die Zeit in der Tat noch nicht reif. Insofern schweift der Blick inzwischen mehr in Richtung von Kollaborationen zwischen Akademie und kommerziellen Partnern, die vielfach durch Förderinitiativen unterstützt werden, wie z. B. durch die Programme der Innovative Medicines Initiative (IMI), einer öffentlich-privaten Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA). Beispiele für IMI-Projekte, an denen sich neben Pharma-Wettbewerbern und akademischen Institutionen auch deutsche Biotech-Unternehmen beteiligen, sind die folgenden: • OncoTrack: Ziel ist die effizientere Entwicklung von Biomarkern der nächsten Generation (Alacris Theranostics, Berlin). • PreDiCT: Die Entwicklung von neuen Modellen für die präklinische TargetBewertung soll eine bessere Vorhersage der Wirksamkeit gegen solide Tumore ermöglichen (Oncotest, Freiburg). • RAPP-ID: Das Projekt hat das Ziel, schnellere Point-of-Care-Tests für die Diagnose von Infektionen zu entwickeln (LIONEX, Braunschweig). In unserer globalen Umfrage wurden die Teilnehmer zu ihrer Meinung zu diesem Thema befragt. Immerhin zeigte sich dabei, dass das Thema der präkompetitiven Allianzen insgesamt durchaus positiv belegt ist. In Europa – diese Angaben sind für Deutschland deckungsgleich – haben 65 Prozent der Befragten angegeben, dass sie diese Aktivitäten sehr positiv sehen und auch aktiv daran beteiligt sind. Demgegenüber sind die Befragten in den USA weniger mit diesem Thema befasst. Nur etwa 48 Prozent sind hier engagiert; die Mehrheit hält es eher für unwahrscheinlich, dass hier Durchbrüche zu erwarten sind. Interessant in jedem Fall sind die konkreten Aussagen, welche Vorteile in diesen Allianzen gesehen werden und warum möglicherweise die Umsetzung ehrgeiziger präkompetitiver Zusammenarbeit noch mit Bedenken einhergeht. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Für Europa inklusive Deutschland werden an vorderster Front (42 %) als Vorteil der größere Einfluss auf Zulassungs- und Erstattungsbehören gesehen, wenn durch gemeinsam erarbeitete Ergebnisse ein breiterer Konsens entsteht, Behörden zum Teil sogar mit einbezogen sind und diese somit bessere Entscheidungsgrundlagen haben. Weitere 40 Prozent der Befragten sind davon überzeugt, dass zusammen mit anderen Partnern komplexe wissenschaftliche und technologische Fragestellungen (30 %) effizienter aufgeklärt werden können; der offene Austausch von gemeinsam eruierten Daten (13 %) ist dabei ebenfalls ein wichtiger Vorteil. An dieser Stelle ist wohl eine typische Biotech-Haltung zum Ausdruck gebracht; im Biotech-Sektor ist die Einstellung zu Themen wie „Open Innovation“ sicherlich positiver als dies bei traditionellen Pharma-Unternehmen der Fall ist. Schließlich gehen immerhin 14 Prozent davon aus, dass durch die Integration in solche Netzwerke auch der Zugang zu Kapital verbessert wird. Dies ist durch zweierlei Aspekte begründet: Zum einen fließt den Konsortien der geförderten Initiativen direkt Kapital (ohne verwässernden Effekt) zu, zum anderen können die Netzwerke als solche als ein Qualitätssiegel erachtet werden, was für potenzielle Investoren positiv wirkt. Dieses Bestreben bringt sich auch darin zum Ausdruck, dass einige Unternehmen angaben, durch die Teilnahme an präkompetitiven Netzwerken ihre Visibilität verbessern zu wollen. Gegenüber diesen Vorteilen werden aber auch ebenso deutlich Einschränkungen und Nachteile offengelegt. Hier dominiert erwartungsgemäß die ungeklärte Frage nach der Zuordnung von Schutzrechten aus gemeinsamen Aktivitäten, insbesondere wenn es nach einer präkompetitiven Phase auf einer kommerziellen Schiene weitergeht. Rund 55 Prozent haben diesbezüglich große Vorbehalte. Ein Drittel der Befragten glaubt auch, dass diese Allianzen nur eingeschränkte Rollen für kleinere Unternehmen bereithalten, 35 Perspektive während vornehmlich die Pharma-Unternehmen dominieren und profitieren, weil sie natürlich auch stärker zur Finanzierung beitragen. Ein geringer Teil (11 %) glaubt gar, dass durch die Zusammenführung von Pharma und Akademie auf Biotech sogar gänzlich verzichtet werden könnte. Ein weiterer Nachteil, der darüber hinaus in diesem Kontext genannt wurde, ist der hohe zeitliche sowie administrative Aufwand, der mit einer solchen Zusammenarbeit verbunden ist. Diese Ansichten werden bei Befragten in den USA hinsichtlich der Vorteile genau gleich eingeschätzt; bzgl. der Vorbehalte fallen die IP-Belange eher weniger ins Gewicht (nur 44 % vs. 55 % in Europa) wohingegen in den USA noch stärker (42 % vs. 33 %) davon ausgegangen wird, dass diese Initiativen den Großen der Branche vorbehalten sind. Engagement in präkompetitiven Kollaborationen in Europa größer als in USA Anteil der Antworten, Mehrfachnennungen möglich Engagement in präkompetitiven Kollaborationen (n = 259) Genannte Vorteile (n = 655) Genannte Nachteile (n = 371) 1 % 2 % Europa 8 % 14 % 11 % 29 % 24 % 42 % 13 % 54 % 33 % 15 % 30 % 24 % Engagement in präkompetitiven Kollaborationen (n = 139) Genannte Vorteile (n = 335) Genannte Nachteile (n = 209) 1 % USA 11 % 4 % 14 % 16 % 13 % 14 % 43 % 43 % 16 % 40 % 21 % 40 % 24 % Bereits implementiert Sehr wahrscheinlich Wahrscheinlich Unwahrscheinlich Sehr unwahrscheinlich Größere Einflussnahme auf Behörden und Regularien Effizientere Adressierung wissenschaftlicher Fragestellungen Zugang zu gemeinsamen Daten Zugang zu Kapital Sonstige IP-Belange Eingeschränkte Rolle für kleinere Unternehmen Skipping Biotech Sonstige Quelle: Ernst & Young, 2013 36 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Perspektive Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 37 Kennzahlen der deutschen Biotech-Industrie 38 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Zahlen und Fakten im Überblick Kennzahlen der deutschen Biotech-Industrie 2011 2012 11/12 406 403 – 1 % 9.932 10.017 1 % 1.085 1.128 4 % 780 727 –7 % Allgemeine Kennzahlen Anzahl Unternehmen Anzahl Beschäftige Finanzdaten (in Mio. €) Umsatz F&E-Ausgaben • G eringer Rückgang der Unternehmensanzahl um 1 % • M itarbeiterzahlen übersteigen 10.000er-Marke, Umsätze mit leichtem Aufwärtstrend, F&E-Ausgaben rückläufig • D ie Detailanalyse liefert Erklärungen für diese gegenläufigen Entwicklungen Quelle: Ernst & Young, 2013 Fluktuation bei deutschen Biotech-Unternehmen • H inter der relativ stabilen Unternehmensstatistik steht eine Dynamik aus 16 Ausschlüssen und 13 Neuaufnahmen Anzahl Firmen 30 2 25 20 15 6 • D ie 4 Akquisitionen werden im Kapitel „Transaktionen“ näher beleuchtet 10 6 5 3 2 4 3 10 5 12 0 32 2008 Insolvenzen / Auflösungen Neugründungen 10 33 14 2009 32 2010 M&As 14 20 2011 10 13 2012 Nicht aktiv und Sonstige Quelle: Ernst & Young, 2013 Kennzahlen der europäischen Biotech-Industrie (börsennotierte Unternehmen) 2011 2012 11/12 169 165 –2 % 47.668 50.864 7 % 13.608 15.907 17 % 3.536 3.730 5 % Allgemeine Kennzahlen Anzahl Unternehmen Anzahl Beschäftige Finanzdaten (in Mio. €) Umsatz F&E-Ausgaben Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 • N etto-Abnahme um 4 börsennotierte Unternehmen: –10 (Delistings und Akquisitionen), + 6 (Börsengänge und Firmensitzverlagerung von Jazz Pharmaceuticals) • G rößte Treiber: hinter positiver Mitarbeiterentwicklung Eurofins Scientific (Frankreich, + 1.732), hinter Anstieg von Umsatz und F&E-Ausgaben Shire (UK, + 418 bzw. + 211 Mio. €) 39 Kennzahlen privater und börsennotierter Unternehmen Kennzahlen der deutschen Biotech-Industrie im Detail private Unternehmen börsennotierte Unternehmen Gesamtindustrie 2011 2012 11/12 2011 2012 11/12 2011 2012 11/12 392 390 –1 % 14 13 –7 % 406 403 -1 % 8.248 8.428 2 % 1.684 1.589 –6 % 9.932 10.017 1 % Umsatz 870 922 6 % 215 206 –4 % 1.085 1.128 4 % F&E-Ausgaben 600 586 –2 % 180 141 –22 % 780 727 -7 % –308 –287 –7 % –111 –203 83% –419 –490 17 % Allgemeine Kennzahlen Anzahl Unternehmen Anzahl Beschäftige Finanzdaten (in Mio. €) Verlust Quelle: Ernst & Young, 2013 Anzahl der Unternehmen Hinsichtlich der Gesamtzahl der in der Analyse eingeschlossenen Unternehmen zeigt sich die Biotech-Branche in Deutschland nach wie vor extrem stabil. Die 403 Unternehmen teilen sich auf in 390 private sowie 13 börsennotierte Unternehmen. Durch die Insolvenz der Firma november hat sich 2012 die seit Jahren konstante Zahl der börsennotierten Unternehmen erstmals verändert. Hinter der stabilen Gesamtzahl herrscht eine gewisse Dynamik in Bezug auf Neugründungen, Auflösungen und Übernahmen. Seit 2010 hat sich diese Dynamik etwas abgeschwächt. Die Anzahl an Neugründungen hat in diesem Zeitraum von 31 auf aktuell nur noch 13 vermeintlich um 58 Prozent abgenommen. Neugegründete Firmen sind allerdings vor allem in der Anfangszeit aufgrund häufig fehlender Internetpräsenz und zuweilen zurückhaltender Unternehmenskommunikation schwierig zu erfassen. So brauchen sie nicht selten eine Anlaufzeit von zwei Jahren, um für die Erhebung in Erscheinung zu treten. Firmenauflösungen im Detail Die insgesamt 11 Firmen, die aufgrund von Insolvenzen oder Inaktivität aus der Statistik genommen wurden, waren: • Biognostik, Hennigsdorf • Curacyte, München • Curadis, Erlangen • FreiBiotics, Freiburg • InterMed Discovery, Dortmund • MelTec, Magdeburg • MICROBIONIX, Neuried • november, Köln • PomBioTech, Saarbrücken • Prosalix, Grünwald • Trin Therapeutics, Düsseldorf Firmenübernahmen im Detail Über die vier Firmenübernahmen des Berichtsjahres wird im Kapitel „Transaktionen“ ausführlich berichtet: • Cellzome, Heidelberg (Verkauf an GSK) • Corimmun, München (Verkauf an Janssen / J&J) • Scil Technology, Martinsried (Verkauf an Nanohale) • SymbioTec, Saarbrücken (Verkauf an Lipoxen) 40 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Kennzahlen der deutschen Biotech-Industrie Neugründungen im Detail Neben den 13 neugegründeten Unternehmen für das Jahr 2012 stellt die nebenstehende Tabelle auch einige nachträglich identifizierte Gründungen aus dem Jahr 2011 dar. Im Berichtsjahr nehmen die Therapeutikaentwickler wie in den Vorjahren mit insgesamt fünf Neugründungen die erste Position ein. Alle anderen Bereiche sind dahinter etwa gleich stark vertreten. Vier der fünf Therapeutikaentwickler konzentrieren sich erstaunlicherweise vorwiegend auf definierte Produktideen in konkreten Indikationen: •a dvanceCOR (Herz-Kreislauferkrankungen) • Qithera (Onkologie) • Acousia Therapeutics (HNO-Krankheiten) • Eternygen (Stoffwechselkrankheiten) Nur ein Unternehmen – GeneQuine Biotherapeutics – hat mit seinen Gentherapie-Ansätzen eine Tech@MPO-Plattform in Händen, die breiter einsetzbar ist. Bei den Gründungen um das Thema Forschungs-Tools (AyoxxA Biosystems, Cube Biotech, Computomics) herrschen Tech@BigData-Anwendungen vor, wie sie im Einleitungskapitel „Perspektive“ bereits beschrieben wurden. Neugründungen deutscher Biotech-Unternehmen, 2011/2012 Unternehmen Stadt Segment Gründungsjahr Acousia Therapeutics Tübingen Drug Development 2012 AdiuTide Pharmaceuticals Frankfurt am Main Drug Development 2011 advanceCOR Martinsried Drug Development 2012 AlBio-Lab Bad Abbach Contract Research 2012 AptaIT München Bioinformatics 2011 AyoxxA Biosystems Köln Bio-related Tools 2012 Computomics Tübingen Bioinformatics 2012 Cube Biotech Monheim Proteomics 2012 Cysal Münster Fine Chemicals 2012 Delta-Vir Leipzig Drug Development 2011 Eternygen Berlin Drug Development 2012 GeneQuine Biotherapeutics Hamburg Drug Development 2012 glyXera Magdeburg Contract Research 2012 ImmunoQure Martinsried Drug Development 2011 JeNaCell Jena Tissue Engineering 2012 Katairo Kusterdingen Drug Development 2011 OakLabs Hennigsdorf In Vitro Diagnostics 2011 oncgnostics Jena In Vitro Diagnostics 2011 PSites Pharma Frankfurt am Main Drug Development 2011 Qithera Düsseldorf Drug Development 2012 RHECADIS Mannheim In Vitro Diagnostics 2012 Transimmune Düsseldorf Drug Development 2011 Mitarbeiterzahlen insgesamt konstant – Zuwachs bei Privaten gleicht Abbau bei Börsennotierten aus In der Gesamtbranche stagnieren die Mitarbeiterzahlen ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres. Dahinter stehen allerdings gegenläufige Bewegungen: eine leichte Steigerung der Zahlen für private Firmen (+2 %) auf aktuell 8.428 Mitarbeiter, hingegen ein Minus von sechs Prozent von 1.684 auf nur noch 1.589 Mitarbeiter für die börsennotierten Unternehmen. sen wie beispielsweise bei Agennix (–26 %, von 70 auf 52 Mitarbeiter) und PAION (–46 %, von 26 auf 14 Mitarbeiter); WILEX, die ebenfalls einen Stellenabbau angekündigt haben (125 auf ca. 95 Mitarbeiter) sind in der Statistik der aktuellen Jahresabschlüsse noch nicht erfasst. Letzteres ist einerseits bedingt durch den Wegfall eines Unternehmens (november). Viel deutlicher zu Buche schlägt aber der Personalabbau infolge von ausbleibenden oder negativen klinischen Studienergebnis- Ebenfalls hat Epigenomics in Berlin aufgrund der nicht den Erwartungen entsprechenden Geschäftslage bei der Vermarktung ihres Darmkrebstests die Belegschaft um 36 Prozent von 61 auf 39 Mitarbeiter Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 reduziert. Schließlich verkleinerte auch MorphoSys den Mitarbeiterstamm durch den Verkauf seiner Forschungsantikörpersparte AbD Serotec um fünf Prozent von 446 auf nur noch 422 Mitarbeiter. Umso erfreulicher ist der Personalaufbau bei den privaten Firmen trotz leichter Abnahme der Firmenzahl. Wenn auch der Zuwachs von 180 Mitarbeitern in einer Branche mit rund 400 Unternehmen vernachlässigbar erscheint, so ist das Signal der Stabilität dennoch wichtig. 41 Kennzahlen der deutschen Biotech-Industrie Dynamik bei den Kennzahlen privater Unternehmen in Deutschland Änderungsrate 2011/2012 10 % 8 % 6 % 4 % 2 % 0 % -2 % -4 % -6 % -8 % -10 % Umsatz F&E-Ausgaben Service, Technologies & Tools Verlust Anzahl Beschäftigte Therapeutika Quelle: Ernst & Young, 2013 Der Personalzuwachs bei privaten BiotechFirmen wird vornehmlich durch das größte Segment – die Anbieter von Dienstleistungen sowie Forschungs-Tools – getragen, das mit vier Prozent von 4.612 auf 4.811 Mitarbeiter gewachsen ist. Auch Diagnostikfirmen legten beim Personal zu: von 1.078 auf 1.163 Mitarbeiter (+8 %). Demgegenüber weisen die Therapeutikaentwickler auch im privaten Bereich einen Personalrückgang von insgesamt fünf Prozent von 2.147 auf 2.034 Mitarbeitern auf, welcher allerdings zum Großteil aus den Akquisitionen von teilweise überdurchschnittlich großen Unternehmen resultiert (z. B. Cellzome). Umsätze mit leichtem Aufwärtstrend Einheitlich positiv sind sowohl private als auch börsennotierte Biotech-Firmen hinsichtlich ihrer Umsatzentwicklung aufgestellt. Die sechs Prozent Umsatzsteigerung der privaten Firmen von 870 auf 922 Millionen Euro wird von beiden Segmenten – Service- / Tool-Firmen (+5 %) wie auch Therapeutikafirmen (+9 %) – getragen. Die deutliche Steigerung bei den Therapeutikaentwicklern mag auf den ersten Blick verwundern. Allerdings sind in dieser als aktuell wichtigste Einkommensquelle die Zahlungen aus Allianzen enthalten. Somit konnte allein AiCuris durch die Transaktion mit Merck & Co. 110 Millionen Euro als Umsatzplus hinzufügen. Auf Seite der börsennotierten Unternehmen legte vor allem PAION zu (+725 % von 3,3 auf 26,8 Mio. €) – durch den Verkauf seiner Desmoteplase-Rechte an Lundbeck für 20,1 Millionen Euro. Weiterhin erzielten auch WILEX mit 52 Prozent (von 11,7 auf 17,8 Mio. € aus Diagnostik-Umsätzen) sowie Evotec mit neun Prozent (von 80 auf 87 Mio. €) positive Steigerungen. 42 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 F&E-Ausgaben rückläufig Nach motivierenden Steigerungen der F&EAusgaben über die letzten Jahre schlagen 2012 Einbußen von immerhin sieben Prozent zu Buche. Besonders betraf dies die börsennotierten Unternehmen mit 22 Prozent Rückgang. Allerdings relativiert sich diese Aussage dadurch, dass hierbei ein transaktionsbedingter Wegfall von F&E-Aktivitäten im Vordergrund stand. PAION beispielsweise stellte seine F&E-Aktivitäten um das verkaufte Produkt Desmoteplase ein und reduzierte damit die entsprechenden Aufwendungen um 70 Prozent von 11 auf 3,3 Millionen Euro. In die gleiche Richtung geht die Reduzierung bei MorphoSys, wo 20 Millionen Euro (34 %) F&E-Kosten durch den Verkauf der Forschungsantikörpereinheit entfielen. Die annähernd stabilen F&E-Aufwendungen mit Abweichungen von lediglich zwei Prozent von 600 auf 586 Millionen Euro bei den privaten Firmen sind schon deutlich weniger alarmierend bzgl. möglicher Einschränkungen bei den für Biotech lebenswichtigen Innovationsausgaben. Da bei den F&E-Kosten aber vor allem die Therapeutikaentwickler den Löwenanteil von 55 Prozent tragen und bei dieser Gruppe sieben Prozent weniger F&E-Ausgaben verbucht wurden, ist genaueres Hinschauen durchaus angebracht. Auch dieser Rückgang liegt vorwiegend in den letztjährigen Firmenübernahmen begründet. Der Vollständigkeit halber sei vermerkt, dass Service- und Tool-Provider ihre F&E-Aufwendungen 2012 um drei Prozent steigern konnten, was ihre gute Geschäftssituation widerspiegelt. Kennzahlen der deutschen Biotech-Industrie Verlustsituation zweigeteilt Die Verluste der Gesamtbranche haben nach sichtbarem Abbau über die letzten Jahre 2012 wieder zugenommen, und zwar um 17 Prozent von 419 auf 490 Millionen Euro. Auch bzgl. der Verlustentwicklung gibt es in Deutschlands Biotech-Industrie ein zweigeteiltes Bild. Die Treiber für den Anstieg sind in diesem Fall die börsennotierten Unternehmen, die zusammen ihre Verluste um 83 Prozent haben anwachsen lassen – von 111 auf 203 Millionen Euro. Als Haupttreiber hierfür erwies sich Agennix, die nach dem Scheitern der TalactoferrinPhase-III-Studie entsprechend Werte abschreiben musste, was den Verlustbetrag von vormals 42 auf 147 Millionen Euro anwachsen ließ (+250 %). Gewinn und Verlust privater Unternehmen in Deutschland nach Geschäftsfeld, 2012 Anteil von Unternehmen (n = 208) 100 % 90 % Nach wie vor gibt es hinsichtlich der Gewinn- / Verlustsituation ein steiles Gefälle in 48 58 89 59 52 42 11 Service, Technologies & Tools Diagnostika Grüne & industrielle Biotech Therapeutika 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0 % Umso positiver ist die Ergebnisseite bei den privaten Biotech-Firmen. Sie konnten ihre aggregierten Verluste immerhin um sieben Prozent von 308 auf 287 Millionen Euro zurückfahren. Diese Leistung ist fast ausschließlich den Therapeutikaentwicklern zuzuschreiben; allerdings weniger ihren aktiven Anstrengungen zum Sparen oder dem effizienteren Umgang mit Kapital, sondern wiederum der Tatsache, dass einige verlustschreibende Unternehmen aus der Statistik herausfielen. 41 Gewinn Verlust Quelle: Ernst & Young, 2013 den einzelnen Subsegmenten der BiotechBranche. Dass dabei die Service-, Technologie- und Tool-Provider mit 41 Prozent den geringsten Anteil der Verlust schreibenden Unternehmen stellen, ergibt sich aus deren Geschäftsmodell. Erstaunlich immerhin, dass auch Diagnostikfirmen hier relativ gut Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 abschneiden (48 % verlustschreibende Firmen), wohingegen von den Therapeutikaunternehmen – weil überwiegend noch mitten in der Entwicklung und fern vom Markt – nur ein verschwindend kleiner Teil von 11 Prozent bereits die Gewinnschwelle überschritten hat. 43 Transaktionen 44 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Zahlen und Fakten im Überblick Allianzen deutscher Biotech-Unternehmen • D eal-Aktivität liegt mit 86 Allianzen leicht unter dem Mittel der letzten vier Jahre (90) Anzahl Transaktionen 120 • G eringfügiger Anstieg des relativen Anteils an Lizenzabkommen von 39 % im Mittel der letzten vier Jahre auf 51 % im Jahr 2012 (44 Deals) 99 98 100 89 86 75 80 60 • Im gleichen Zeitraum abnehmender relativer Anteil an Kooperationen (von 38 % auf 33 %) und Serviceabkommen (von 19 % auf 13 %), wobei sich letztere erfahrungsgemäß durch eine hohe Dunkelziffer auszeichnen 40 20 0 2008 2009 Produkt-/Asset-Kauf Service 2010 2011 2012 Lizenzierung Kooperation Quelle: Ernst & Young, 2013 Allianzen europäischer und US-amerikanischer Biotech-Unternehmen Anzahl Transaktionen USA Anzahl Transaktionen Europa 600 576 Europa: 800 555 517 500 789 795 765 718 • A lle Kategorien betroffen (bezogen auf 2009): Kooperationen: – 23 %; Service: – 44 %; Lizenzierungen: – 5 %; Asset-Deals: – 65 % 700 447 400 600 500 300 • A llianzen in Europa weiterhin zahlenmäßig rückläufig (-22 % seit 2009; –14 % gegenüber 2011) 400 300 200 • Stabilste Situation für Lizenzdeals 200 100 100 0 2009 2010 Produkt-/Asset-Kauf 2011 2012 Service USA: 0 2009 Lizenzierung 2010 2011 2012 Kooperation Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 • A llianzen in USA quantitativ mit leichter Tendenz nach oben • V erschiebungen innerhalb der Kategorien sehr deutlich (bezogen auf 2009): Lizenzierungen (+23 %), Service (+23 %) deutlich gestärkt, Asset-Deals (– 51 %) deutlich geschwächt 45 Transaktionen Zahlungsströme aus Allianzen an deutsche Biotech-Unternehmen • V olumen aus publizierten Allianzen mit insgesamt 1,6 Mrd. € auf weiterhin hohem Niveau (ohne MegaDeals 1,0 Mrd. €) Summe (Mio. €), Anzahl der Deals (Zahlen in Klammern) 2012 (11) 2011 (10) 2010 (8) 2009 (9) 2008 • M ega-Deals: 2012 Evotec / Bayer, 2011 Evotec / Roche, 2010 und 2008 Cellzome / GSK (6) 2007 (5) 2006 (6) 2005 • D eutlicher Anstieg bei den UpfrontZahlungen gegenüber 2011 von 29 Mio. € auf 122 Mio. € (enthält 110 Mio. € aus dem Rekord-Deal AiCuris / Merck & Co.) (6) 0 200 400 600 800 1.000 1.200 1.400 1.600 1.800 Upfront-Zahlungen Meilensteinzahlungen Sonstige und nicht näher spezifiziert Upfront-Zahlungen (Mega-Deals) Meilensteinzahlungen (Mega-Deals) Quelle: Ernst & Young, 2013 Zahlungsströme aus Allianzen an europäische Biotech-Unternehmen • A nstieg der publizierten AllianzVolumina: insgesamt 8,4 Mrd. € (+48 %), ohne Mega-Deals 6,2 Mrd. € (+10 %) Summe (Mrd. €), Anzahl der Deals (Zahlen in Klammern) 2012 (53) 2011 • U pfront-Zahlungen steigen von 368 auf 756 Mio. €, Meilensteinzahlungen von 4,3 auf 5,0 Mrd. € (57) 2010 (74) 2009 (69) 2008 (64) 2007 (67) 2006 (72) 2005 (35) 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Upfront-Zahlungen Meilensteinzahlungen Sonstige und nicht näher spezifiziert Upfront-Zahlungen (Mega-Deals) Meilensteinzahlungen (Mega-Deals) Quelle: Ernst & Young, 2013 46 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 • M ega-Deals: 2012 Molecular Partners / Allergan und Galapagos / Abbott, 2010 F-star / Boehringer Ingelheim, 2009 Elan / J&J, 2008 Actelion / GSK und Cellzome / GSK, 2007 Ablynx / Boehringer Ingelheim und Galapagos / Janssen, 2006 Genmab / GSK Umdenken für attraktivere Transaktionen Technologieplattformen ebnen den Weg Technologieplattformen und Exit Das im Einleitungskapitel postulierte „Umdenken“ – konkret das Rückbesinnen auf die eigentlichen Stärken der Biotechnologie in der Etablierung und Bereitstellung von Technologien – steht auch in direktem Bezug zu erfolgreichen Transaktionen. Dies wurde bereits bei der Beschreibung der unterschiedlichen Typen von Technologieplattformen im Kapitel „Perspektive“ als ein wesentlicher, gemeinsamer Erfolgsfaktor hervorgehoben. Nicht zuletzt ist auch ein Zusammenhang zwischen Technologieplattformen und möglichen Exit-Strategien denkbar. Die Analyse der Transaktionen zeigt, dass diese Unternehmen präferenziell eher in Allianzen mit Partnern – vielfach sogar mit mehreren parallel – interagieren. Übernahmen durch große Pharma-Konzerne gab es zwar in der Vergangenheit (z. B. die Akquisition von Cambridge Antibody Technology durch AstraZeneca während der ersten Antikörperwelle oder von Alnylam durch Roche während der RNAi-Welle), sind aber heute eher die Ausnahme (wie z. B. die Übernahme von Cellzome durch GSK nach langjähriger Kooperation). In einer Positionierung als strategischer Zulieferer von Innovationen – sei es in Form von neuen Plattformen oder daraus generierten Produktkandidaten – muss Biotechnologie den Erfolg tatsächlich vor allem daran festmachen, wie die Technologie allgemein den Zugang zu Partnern erleichtert und die an diese gelieferten Assets bewertet werden. Ein weiterer entscheidender Vorteil dieser Vorgehensweise und der Zuliefererrolle ist die Flexibilität hinsichtlich der Geschäftsmodelle von Dienstleister bis Partner in einem Risk-Sharing-Verhältnis. Oft folgen diese Geschäftsmodelle in einer zeitlichen Sequenz. In der momentanen Diskussion über die Dominanz der großen Pharma- und anderer Industriepartner sowie der Konstituierung eines klaren Käufermarktes bietet die Aufstellung von Biotech-Unternehmen rund um eine Technologieplattform auch die bessere Verhandlungsposition. Die zeigt sich sowohl darin, dass die Top-Deals des Berichtsjahres 2012 zahlenmäßig überwiegend von ebenjenen Firmen abgeschlossen wurden, als auch an deren Möglichkeiten, diese Transaktionen stärker zu ihren Gunsten zu gestalten (Details im Abschnitt Analyse). Die Gründe dafür liegen auf der Hand: In Zeiten sehr schnelllebiger Technologieentwicklungen besteht die Gefahr, dass die teuer eingekaufte Technologie in kurzer Zeit durch neue Entwicklungen überholt ist und damit der vermeintliche kompetitive Vorteil nicht mehr existiert. Deshalb ist der – wenn auch meist nicht-exklusive – Zugang zu innovativen Technologien in Gestalt von Allianzabkommen für Pharma auf lange Sicht effektiver und bietet größere Flexibilität. M&ATransaktionen sind hingegen viel häufiger mit konkreten Produkten assoziiert. Aus dieser Überlegung heraus ermöglicht das Technologieplattform-Modell für Biotech-Unternehmen eher das Exit-Szenario „IPO“ und dies aus folgenden Gründen: • Nachhaltiges Modell für kurzfristige stabile Umsatzgenerierung und profitables Wachstum (durch Partnerschaften) • Längerfristiges Potenzial zur Etablierung eines Produktportfolios aus eigener F&E • Breitere Risikostreuung und geringere Abhängigkeit von Einzelprojekten Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Die Realität des Transaktionsgeschehens stellt Theorien in Frage Die o. a. theoretische Betrachtung steht allerdings nicht immer im Einklang mit der Realität des Deal Making. In vielen Diskussionen mit Biotech-Unternehmen wird allgemein darüber geklagt, dass laufende Verhandlungen mit großen Industriepartnern nach wie vor äußerst zäh vorankommen; und dies trotz des Innovationsdrucks und Bedarfs an neuen Produkten. Gründe hierfür sind: • Zu viele Entscheidungsinstanzen • Zu lange Entscheidungsprozesse • Zu wenig Risikobereitschaft • Zu starre Vorgaben / zu wenig Flexibilität bzgl. der Deal Terms Gerade hinsichtlich des letzten Aspekts wäre es wichtig, eine wirkliche Partnerschaft in den Mittelpunkt zu stellen. Schließlich kann es nicht darauf ankommen, einen erfolgreichen Deal ausschließlich aus Sicht des Industriepartners zu definieren, wenn dabei der Biotech-Partner aufgrund immer geringerer Upfront-Zahlungen und des weiterhin präferierten „Back-loading“-Trends nicht überleben kann. Dabei gäbe es genügend Gestaltungsmöglichkeiten, über Optionen und entsprechende Meilensteine früher einzusteigen, Risiken in Grenzen zu halten und dennoch eine Balance für beide Seiten zu schaffen. Auch in dieser Beziehung sollten BiotechUnternehmen mit einer soliden Technologieplattform im Vorteil sein. Parallele Verhandlungen mit mehreren Partnern sind eher die Norm und verringern die Abhängigkeit von einem einzigen Transaktionsabschluss. Allerdings vereitelt die aktuelle Lage am Kapitalmarkt die theoretisch besseren Chancen der Technologieplattform-Vertreter für einen erfolgreichen Börsen-Exit. 47 Allianzen deutscher Biotech-Unternehmen Allianzen in Deutschland stagnieren Mit insgesamt 86 Allianzen im Berichtsjahr 2012 liegt der Biotech-Sektor nur leicht unter dem Mittel der letzten vier Jahre (90). 2006 hatten Allianzen insgesamt stark zugenommen und waren als wichtige strategische Initiativen in den Geschäftsmodellen der Biotech-Unternehmen attraktiver geworden. Auch die Aufteilung in bestimmte Typen von Allianzen – Kooperationen, Lizenzierungen, Servicevereinbarungen oder Asset-Deals – hat sich in diesem Zeitraum auf den ersten Blick nur geringfügig verändert. Erfreulich ist dennoch ein im Mittel der letzten vier Jahre leichter Anstieg des relativen Anteils der Lizenzverträge von 39 auf immerhin 52 Prozent und eine Absolutzahl von 44 für 2012. Erfreulich deshalb, weil diese Form der Allianz für die strategischen Zulieferer der Branche am lukrativsten und deshalb am wichtigsten ist. So konnten im Jahr 2012 – neben dem Rekord-Deal von AiCuris und den „üblichen Verdächtigen“ MediGene, Evotec, MorphoSys und Epigenomics – vor allen Dingen Technologien erfolgreiche Lizenzvergaben erzielen, z. B. Axiogenesis‘ iPS-Technologie (Cor.4U®, Cor.At®), CEVECs CAP-Technologie (CAP-TTM) sowie Scienions sciFLEXARRAYER-Technologie. 48 Lizenzabkommen stärken die Einkommensseite Die Zahl der Allianzen, für die finanzielle Details publiziert wurden, erweist sich weiterhin als enttäuschend gering (nur ca. 13 %). Die Höhe der Einnahmen aus Allianzen – hier sind vor allem Lizenzvereinbarungen eingeschlossen – hat das erfreulich hohe Niveau des Vorjahres halten können. Dabei fällt sofort ein deutlicher Anstieg bei den publizierten Upfront-Zahlungen auf. Sie stiegen um das Vierfache des Vorjahreswertes auf 121,5 Millionen Euro. Es wäre noch beeindruckender, wenn man dahinter einen soliden Trend sehen könnte. Allerdings liegt die Erklärung hierfür in einem einzigen Deal begründet: Das Abkommen zwischen AiCuris und Merck & Co. (MSD) hatte mit allein 110 Millionen Euro eine Rekord-UpfrontZahlung erzielt, die fast die gesamte UpfrontSumme der deutschen Allianzen ausmacht (90 %). Die ansonsten nach wie vor eher unbefriedigende Entwicklung der UpfrontZahlungen setzt sich also fort. Sehr deutlich fällt auf den ersten Blick auch der Anstieg bei vertraglich vereinbarten Meilensteinzahlungen um 28 Prozent auf 700 Millionen Euro auf. Allerdings ist auch hier bei der Interpretation Vorsicht geboten. Im Jahr zuvor war offensichtlich die Informationspolitik hinsichtlich differenzierter Zahlen (Upfront vs. Meilensteine) weniger transparent als im Berichtsjahr 2012. Deshalb verbarg sich ein größerer Anteil der „financial details“ im Graubereich der nicht weiter spezifizierten Zahlungen („Sonstige und nicht näher spezifiziert“). Somit kommt die realistische Einschätzung hinsichtlich vereinbarter Meilensteinzahlungen unter Berücksichtigung der nicht weiter spezifizierten Zahlungen zu dem Ergebnis, dass diese wahrscheinlich sogar eher (um 23 %) gesunken sind, und zwar von 1,16 Milliarden (2011) auf 892 Millionen Euro (2012). Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Immerhin erreicht die Summe der direkten Upfront- und Meilensteinzahlungen (ohne den Mega-Deal zwischen Evotec und Bayer mit über 500 Millionen Euro) erneut nach 2011 die Milliardengrenze (1,02 Mrd. €). Damit scheint sich der auf Ebene der Allianzen bereits 2010 begonnene Aufwärtstrend zu festigen. Dahinter stehen bzgl. der Zahlungsvolumina zu 99 Prozent Allianzen zwischen Biotech und Pharma (sechs der elf analysierten Deals). Deutsche Biotech-Allianzen im Detail Die Detailbetrachtung der Top-6-BiotechAllianzen in Deutschland 2012 ergibt ein ähnliches Bild wie im vergangenen Jahr: • Alle sechs Top-Deals stehen in Verbindung mit Tech@Companies in den im Einleitungskapitel „Perspektive“ beschriebenen Ausprägungen. • Dennoch sind alle Deals auf konkrete Produkte fokussiert, die aus den o. a. Technologien abgeleitet sind. • Mit einer Ausnahme (AiCuris, Phase III) wurden alle Deals zu einem relativ frühen Zeitpunkt im Entwicklungsprozess der im Fokus stehenden Produkte abgeschlossen. Der Link zu den Technologieplattformen bekräftigt die zuvor getroffenen Aussagen hinsichtlich der attraktiven Geschäftsmöglichkeiten ausgehend von den Plattformtypen, wobei die attraktivste – Tech@MPO – in diesem Jahr ausnahmsweise gar nicht in der Aufstellung erscheint: •E votecs Vereinbarung mit Janssen ist die (bereits kurze Zeit nach der Kollaboration mit der Harvard Universität erfolgte) Translation von Forschungsergebnissen in einen kommerziellen Deal (Tech@Translation). • In der Multi-Target-Allianz mit Bayer übernimmt Evotec Teile des F&E-Wertschöpfungsprozesses als externer Partner, das Paradebeispiel für Tech@Process. •H inter dem Phenex-Deal mit Janssen steckt ebenfalls Tech@Process basierend auf spezifischen Screening-Verfahren (nukleare Rezeptor-Modulatoren). •A iCuris bestätigt mit der Lizenz an Merck & Co. die Erfolgsstory von Tech@Disease. Transaktionen Allianzen deutscher Biotech-Unternehmen, 2012 (Auswahl) Firma Evotec AiCuris Evotec Evotec Phenex Pharmaceuticals Evotec Partner Bayer Merck & Co. Janssen Pharmaceuticals (Tochtergesellschaft von J&J) Janssen Pharmaceuticals (Tochtergesellschaft von J&J) Janssen Biotech (Tochtergesellschaft von J&J) Zhejiang CONBA Pharmaceutical Land Deutschland USA USA USA USA China Datum 1. Oktober 15. Oktober 10. Juli 17. Dezember 17. Dezember 2. Mai Deal-Fokus Produkt Produkt Produkt Produkt Produkt Produkt Therapeutischer Forschung Status Phase II Präklinik Präklinik Forschung Phase I Krankheitsgebiet Endometriose Infektion (HCMV) Diabetes Depression Chronische Autoimmun- und Entzündungserkrankungen Entzündung Potenzieller Wert (Mio. €) 592,0 442,5 mind. 239,5 136,1 mind. 105,0 mind. 60,0 Upfront-Zahlungen (Mio. €) 12,0 110,0 6,2 1,6 n/a n/a Meilensteine (Mio. €) 580,0 332,5 mind. 233,3 134,5 n/a n/a Royaltys zweistellig ja ja zweistellig ja zweistellig Gegenstand Multi-TargetAllianz: Erforschung und Entwicklung von drei klinischen Wirkstoffkandidaten gegen Endometriose (Laufzeit fünf Jahre) Weltweite Lizenzvereinbarung über die Entwicklung und Vermarktung von AiCuris' HCMV-Wirkstoffkandidaten, z.B. AIC246 Ausweitung der bestehenden Kollaboration (CureBeta) zwischen Evotec und der Harvard Universität auf Janssen Pharmaceuticals über die Entwicklung von die Regeneration von ß-Zellen fördernden Wirkstoffkandidaten Weltweite Lizenzvereinbarung über die Entwicklung und Vermarktung von Evotecs Portfolio von NR2B-selektiven NMDA-RezeptorAntagonisten Erforschung und Entwicklung von Wirkstoffen, welche an dem Kernrezeptor RORγT ansetzen Lizenzvereinbarung zur Entwicklung und Vermarktung in China von Evotecs Wirkstoff EVT 401, einem selektiven, niedermolekularen P2X7-Antagonisten für entzündliche Krankheiten Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 49 Rekordverdächtig: AiCuris erhält über 440 Millionen Euro von MSD für HCMV-Portfolio Virus. Der Preis wurde aber nicht nur für die hohe wissenschaftliche Innovation gezahlt: Die Leitsubstanz Letermovir hatte in der Phase II beide primären Wirksamkeits-Endpunkte der Studie mit hoher Signifikanz erreicht und war zusätzlich in 13 Phase-I-Studien sorgfältig charakterisiert worden. Ihre weitere klinische Entwicklung konnte daher sehr gut eingeschätzt werden und kam dem Trend entgegen, dass zunehmend Projekte gesucht werden, die nur noch wenig Entwicklungsrisiko bergen. Hinzu kam, dass AiCuris auch von den Behörden ein sehr positives Feedback hatte. Diesseits und jenseits des Atlantiks war der Orphan-Drug-Status vergeben worden. In den USA hatte die Substanz zudem die Fast-Track-Designation erhalten. Prof. Dr. Helga Rübsamen-Schaeff, CEO AiCuris GmbH & Co. KG, Wuppertal Deal mit MSD Am 12. Oktober letzten Jahres hat AiCuris mit Merck & Co. (MSD) einen Lizenzvertrag über ihr Entwicklungsportfolio gegen das humane Cytomegalievirus (HCMV) geschlossen. Im Rahmen dieses Vertrages übernimmt MSD die weltweiten Rechte an dem HCMVCompound Letermovir (Phase III in Vorbereitung), einem Back-up-Kandidaten und weiteren Phase-I-Compounds mit einem alternativen Wirkmechanismus. Dieser Vertrag fand aufgrund des Deal-Konstruktes, aber auch der finanziellen Konditionen große Beachtung. So enthält er eine ungewöhnlich hohe Upfront-Zahlung von 110 Millionen Euro, zusätzliche Meilensteinzahlungen in Höhe von 332,5 Millionen Euro sowie Royaltys auf die Umsätze. AiCuris hat ferner das Recht der CoPromotion in einigen europäischen Ländern. Vielversprechende Indikation Aber auch die Indikation selbst dürfte als sehr attraktiv angesehen worden sein. HCMV wurde lange Zeit von den meisten großen PharmaFirmen nicht bearbeitet, sodass es kaum nennenswerte Konkurrenzprodukte in der Entwicklung gibt. Der Markt wuchs jedoch seit Jahren zweistellig, denn HCMV-Medikamente werden zunehmend in der Transplantationsmedizin eingesetzt. Dies liegt daran, dass HCMV (ein mit dem Herpes-simplex-Virus verwandtes Virus) in der Bevölkerung weit verbreitet ist und viele Transplantatempfänger und -spender damit chronisch infiziert sind. Während das Virus bei den meisten Menschen mit gesundem Immunsystem keinerlei Symptome verursacht, kann es bei einem geschwächten Immunsystem (z. B. nach Knochenmarks- oder Organtransplantation) zu äußert massiven, z. T. lebensbedrohlichen Infektionen durch HCMV kommen, die dringend behandelt werden müssen. Exzellente Qualität der Compounds Die Höhe dieses Lizenzvertrages spiegelt das ungewöhnliche Angebot seitens der AiCuris wider, die sich der Entwicklung ausschließlich resistenzbrechender Moleküle gegen überwiegend schwere, lebensbedrohliche virale und bakterielle Infektionskrankheiten verschrieben hat. Somit sind die meisten Entwicklungssubstanzen von AiCuris chemisch gesehen „first in class“-Moleküle mit neuen Wirkmechanismen. Auch im Fall des HCMVPortfolios stammen alle Moleküle aus unterschiedlichen chemischen Klassen und adressieren insgesamt zwei neue Zielmoleküle des Ausgezeichnete Prognose Für AiCuris war es neben den sehr guten klinischen Ergebnissen wichtig, die potenziellen Partner anhand verfügbarer Daten davon zu überzeugen, dass das Wachstum des Transplantationsmarktes per se noch weitergehen wird. Darüber hinaus wurde in einer Marktstudie prognostiziert, dass eine Substanz, die nicht nur hocheffektiv, sondern auch sehr gut verträglich ist, andere Behandlungsoptionen bietet als die verfügbaren Medikamente. Beispielsweise würde man von der Behandlung der akuten Infektion (die mit den verfügbaren Medikamenten nicht immer beherrschbar ist) zu einer Prophylaxe gegen das Virus übergehen. 50 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Erschließung neuer Märkte Nicht zuletzt wurden aber auch Visionen für die Erschließung neuer Märkte entwickelt. So können nun Patientenpopulationen gegen HCMV behandelt werden, für die es aufgrund der starken Nebenwirkungen existierender Medikamente bislang keine zugelassene Behandlung gibt, z. B. HCMV-infizierte Neugeborene oder Schwangere. Als ein weiteres Potenzial wurden Patienten mit vorübergehender oder partieller Immunschwäche angesehen, wie HIV-Infizierte, Patienten auf Intensivstationen oder auch ältere Menschen, deren Immunsystem durch HCMV sehr belastet wird. Aufgrund der möglichen, zusätzlichen Marktsegmente war es AiCuris wichtig, dass der Partner nicht nur die Substanz Letermovir weiterentwickelt, sondern auch eine der Nachfolgeverbindungen mit einem anderen Wirkmechanismus. Dies sollte erlauben, unterschiedliche Substanzen in unterschiedlichen Indikationen zu positionieren oder aber auch die (ggfs. fixe) Kombination von zwei Substanzen anzubieten. Nach dem Deal ist vor dem Deal Neben Letermovir und seinen NachfolgeSubstanzen enthält die Pipeline von AiCuris einen zweiten hochinnovativen Wirkstoff, der ebenfalls eine erfolgreiche Phase II mit hochsignifikantem Erreichen aller Studienendpunkte und guter Verträglichkeit aufweisen kann: Pritelivir. Diese Substanz – ebenfalls ein „first in class“-Molekül mit neuem Wirkmechanismus – ist gegen genitalen und labialen Herpes gerichtet und hemmt die Helicase / Primase der Viren. Von diesem neuen Wirkmechanismus, verbunden mit einer langen Halbwertszeit, wird eine höhere Suppression des Virus erwartet, die auch bezüglich der Verhinderung der sexuellen Übertragung äußerst wichtig ist. Die lange Halbwertszeit sollte darüber hinaus aber auch eine sehr angenehme Dosierung erlauben: Eine Tablette zur Behandlung einer Herpes-Episode und eine einmal wöchentliche Einnahme für die dauerhafte Unterdrückung wiederkehrender Ausbrüche. Auch in dieser Indikation adressiert AiCuris einen Markt, in dem seit Jahrzehnten keine Innovation stattgefunden hat und in dem es außer generischen Medikamenten keine nennenswerte Konkurrenz gibt. Die Firma plant bis Anfang 2014 für Pritelivir einen Partner zu finden. www.aicuris.com Finanzierung durch frühzeitige Kollaborationen: Phenex sichert sich bis zu 123 Millionen Euro von Janssen Dr. Claus Kremoser, Thomas Hoffmann, CEO / CFO Phenex Pharmaceuticals AG, Ludwigshafen Mit Präklinik in Kollaborationen? Bisher galt als eines der großen Hindernisse für eine frühe Verpartnerung eines Drug Discovery Programms schlichtweg, dass man dafür auf präklinischer Stufe nicht genügend Geld von einem Pharma-Partner bekommt. Typischerweise setzt man den „value inflection point“, also die Stufe, auf der man deutlich mehr Geld bekommt als man investiert hat, nach einer erfolgten Phase II POC-Studie an. Um allerdings vom ersten Screen bis dorthin zu kommen, kann man niedrige zweistellige Millionenbeträge als Investition ansetzen – eine Summe, die man derzeit in Deutschland außer von wenigen Family Offices nicht als Risikokapital bekommen kann. Yes, we can: RORgamma Wir hatten vielleicht den richtigen Riecher als wir vor fünf Jahren auf ein neues Drug Target setzten, das mehrere Vorteile in sich vereint: RORgamma ist ein Kernrezeptor, der entscheidend für die Differenzierung von IL-17-produzierenden Th17-Zellen verantwortlich ist. Th17-Zellen sowie andere IL-17-produzierende Lymphozyten werden ursächlich mit verschiedenen chronisch-entzündlichen Autoimmunerkrankungen in Zusammenhang gebracht, v. a. mit Schuppenflechte, Rheumatoider Arthritis und Multipler Sklerose. RORgamma bietet grundsätzlich die Möglichkeit, seine Funktion über small molecule-Inhibitoren zu blockieren. Dieser innovative small molecule-Ansatz ermöglicht es, den riesigen Markt an Therapien für chronisch-entzündliche Erkrankungen neu zu erschließen – einen Markt, der normalerweise mit sehr teuren Biologicals bedient wird. Es kamen für uns noch zwei günstige Faktoren hinzu: Wir hatten 2009 / 2010 die ersten brauchbaren Startpunkte identifiziert und bereits 2010 wurde eine erste präklinische Kooperation zwischen Exelixis und BMS auf RORgamma publiziert. In kurzer Zeit kamen noch zwei „teure“ RORgammaDeals zwischen Lycera / Merck & Co. bzw. Karo Bio / Pfizer hinzu. Weiteren Rückenwind erhielten wir dadurch, dass letztes Jahr der IL-17-Pathway durch die Veröffentlichung von positiven Ergebnissen aus drei großen Phase IIb-Studien in Patienten mit Schuppenflechte unter Verwendung von gegen IL-17 bzw. den IL-17-Rezeptor gerichteten Antikörpern klinisch eindeutig validiert wurde. Kurzum: Dadurch, dass wir auf dem „Biotech-Markt“ die letzten Anbieter eines soliden und mit mehreren Lead-Serien bestückten RORgamma-Programms waren, konnten wir sehr gute Konditionen für uns heraushandeln, obwohl das Projekt noch auf präklinischer Stufe ist. Zuschlag für Janssen Aus einer Liste von ca. einem Dutzend interessierter Pharma-Firmen haben wir uns mit Janssen einen Partner ausgesucht, der ein ganz deutliches Commitment zu diesem Projekt demonstriert hat und sicherlich in diesem therapeutischen Gebiet einer der stärksten Player ist. Wir hatten aber nicht nur einfach Glück, sondern waren auch gut vorbereitet. Als risikobereite, gut informierte Kleinfirma haben wir uns innerhalb weniger Wochen für RORgamma als Target entschieden – die Großfirmen haben dafür drei bis fünf Jahre benötigt. Zudem leistete unser internes RORgamma-Team Herausragendes und brachte in kürzester Zeit mehrere medizinalchemisch attraktive Leitstrukturserien samt Validierung und Patentierung hervor. Aufgrund der spürbar zunehmenden Konkurrenz der Großunternehmen und der wachsenden Bedenken, in kurzer Zeit unseren kompetitiven Vorteil zu verlieren, entschlossen wir uns, das Projekt meistbietend und mit dem besten Fit zu verpartnern. Janssen war im Gegensatz zu allen anderen bereit, ein echtes Pooling ihres internen Programms mit unserem Programm anzubieten. Ver- Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 einfacht heißt das, dass wir in den Genuss der klinischen Meilensteine kommen, egal, ob der Kandidat von uns oder von Janssen stammt. Insgesamt können, alle klinischen Meilensteine eingeschlossen, bis zu 123 Millionen Euro fällig werden, inklusive einer erheblichen Upfront-Zahlung. Hinzu kommen noch Royaltys auf Produktverkäufe aus dieser Kooperation. Neuer Hoffnungsträger: FXR Dieses Geld investieren wir nun auch in die Weiterentwicklung unseres anderen Projektes, des klinischen FXR-Agonisten Px-102. Mit Px-102 haben wir die komplette Phase I absolviert. Für die anstehende Phase II hätten wir zusätzliches Eigenkapital aufnehmen müssen und unsere Investoren sind dankbar dafür, dass wir das nun aufgrund der RORgamma-Upfront-Zahlung nicht mehr müssen. Bei FXR verfolgen wir einen ähnlichen Ansatz wie bei RORgamma: Aufgreifen eines Targets, welches schon durch viele Publikationen und mittlerweile durch ein klinisches Compound der US-Biotech-Firma Intercept als validiert gelten kann, allerdings von den risikoaversen „Big Pharmas“ bisher noch nicht aufgegriffen wurde. Im Unterschied zu RORgamma adressieren wir hier aber einen neuen Markt, den der Leberfibrose mit der primären Indikation NASH (Nicht-alkoholische Steatohepatitis). Der potenzielle Markt ist aufgrund der heute schon hohen Prävalenz (ca. 5 % der Bevölkerung der Industrieländer) sehr groß. Allein fehlte bisher ein „Eisbrecher“, der mit einem neuen therapeutischen Ansatz einen akzeptablen klinischen Entwicklungspfad aufzeigt. Das hat sich seit 2012 geändert. Welches Potenzial in dem „NASH“-Markt schlummert, kann man an der Börsenbewertung unserer Konkurrenz Intercept ablesen: 500 Millionen US-Dollar basierend auf einem einzigen klinischen Projekt! Hier in Deutschland ist der Börsengang aus momentaner Sicht leider keine sinnvolle Alternative. Aber wir sind überzeugt, dass der Medical Need, der von NASH und den assoziierten Leberkomplikationen ausgeht, sehr bald auch Großpharmafirmen veranlassen wird, auf diesem Gebiet tätig zu werden. Und so heißt es dann hoffentlich in ein bis zwei Jahren für Phenex: Play it again, Sam! www.phenex-pharma.com 51 Transaktionen Zwei wesentliche Auffälligkeiten der diesjährigen Aufstellung von Top-Allianzen sind besonders hervorzuheben: die Deals von Evotec im „Vierer-Pack“ (einmal mit Bayer, zweimal mit Janssen / J&J und einmal mit Zhejiang CONBA Pharmaceutical) und die herausragende Transaktion von AiCuris mit Merck & Co. Alle vier Evotec-Vereinbarungen haben unterschiedliche Zielsetzungen: •T ranslationsallianz mit Janssen •M ulti-Target-Allianz mit Bayer •P roduktentwicklungsallianz mit Janssen •G eographische Entwicklungs- und Vermarktungsallianz mit Zhejiang CONBA Pharmaceuticals Dadurch wird die Wertschöpfungskette der Therapeutikaentwicklung komplett abgedeckt. Dass dieses Phänomen auch gerade in einem einzigen Jahr zum Tragen kommt, veranschaulicht das Potenzial von BiotechUnternehmen dieser Aufstellung umso augenscheinlicher. Die Plattform der Hamburger schafft es also, Innovationen sehr effizient und in kurzer Zeit in kommerzielle Entwicklungen umzusetzen, dabei in Deals mit Partnern entlang der Entwicklung signifikante Einnahmen zu erzielen und am Ende auch eigene Produkte auf den Markt zu bringen. Das zweite Beispiel – AiCuris – weist nicht weniger bemerkenswerte Eigenschaften auf. Zunächst sei die herausragende Upfront-Zahlung von 110 Millionen Euro genannt: die in Europa zweithöchste UpfrontSumme nach dem Deal von Galapagos mit 116 Millionen Euro. Das bemerkenswerteste an dieser Transaktion ist jedoch, dass die Upfront-Zahlung 25 Prozent des publizierten Allianzvolumens darstellt, ein Wert, mit dem AiCuris einsam an der Spitze der großvolumigen globalen Allianzen 2012 über 100 Millionen Euro steht. Dieser Erfolg ist gerade aus heutiger Sicht deshalb so bedeutsam, weil er den zuvor beschriebenen Trend zu „Back-loaded Deals“ in einem fast reinen Pharma-Käufermarkt auf den Kopf stellt. 52 Auch das Deal-Volumen insgesamt kann sich sehen lassen. Dieser Erfolg stellt zwei wichtige Aspekte sehr deutlich in den Vordergrund: Es ist eine sehr essenzielle und nicht immer einfache Aufgabe des BiotechManagements, den Wert der Assets überzeugend in den Verhandlungen darzustellen. Im Fall AiCuris war es nicht von vorneherein klar, warum die Behandlung von HCMV-Infektionen aus Marktsicht so bedeutend sein sollte. Wenngleich eine sehr große Zahl von Menschen latenter Träger des Virus ist, so ist die manifestierte Krankheit selbst nicht sehr verbreitet. Allerdings ist bei einem Ausbruch die Symptomatik lebensbedrohend. Unter diesen Prämissen war es kriegsentscheidend, die präventive Wirkung der Behandlung und die damit verbundene Kosteneinsparung im Krankheitsfall ebenso in die Waagschale zu legen wie den Nutzen für den individuellen Patienten („Patient Outcome“). Des Weiteren ist für einen solchen Abschluss aber auch Standfestigkeit erforderlich. Dies schließt letztlich die Konsequenz ein, im Notfall bei nicht erreichten Zielen bzgl. der Deal Terms den Verhandlungstisch zu verlassen. Dies ist auch bei AiCuris geschehen: Vor einem Verkauf „unter Wert“ wurde vorgezogen, zusätzliche Daten zu generieren und damit in Kauf genommen, den Transaktionsabschluss zu verschieben, im schlimmsten Fall zu gefährden. Darüber hinaus war auch ein Szenario mit einer komplettierten Phase III in Betracht gezogen worden. Hier stoßen Biotech-Unternehmen normalerweise an ihre Grenzen, wenn nicht – wie im Fall AiCuris mit dem Family Office Strüngmann – ein starker Investor den Rücken stärkt. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Allianzen in der Diagnostik noch nicht dem Trend entsprechend Die nach Deal-Volumina geordnete Liste von Allianzen zeigt erwartungsgemäß große Transaktionen zwischen Biotech- und PharmaFirmen an vorderster Front. Dabei wird leicht übersehen, dass auch im Bereich der Diagnostik sowie der industriellen Biotechnologie Allianzen eine wichtige Rolle spielen und tatsächlich auch stattfinden. Allerdings ist die Transparenz bzgl. der Details zu diesen Allianzen noch weniger ausgeprägt als bei den Biotech-Pharma-Deals, weswegen sie häufig dem Radar entgehen. Von den deutschen Diagnostikunternehmen hat sich aktuell vor allem Curetis aus Holzgerlingen hervorgetan. Curetis verbindet Molekularbiologie, Medizintechnik, Diagnostik und Ingenieurwesen, um automatisierte Lösungen im Bereich der Molekulardiagnostik anzubieten. Derzeit konzentriert sich das Unternehmen auf die schnelle Identifizierung von Bakterien, die schwere, akute Infektionen auslösen, und Antibiotikaresistenzen. Mit diesem Ansatz hat das Unternehmen im letzten Jahr (2011) mit seinem Geschäftskonzept einige der renommierten Investoren überzeugen können (z. B. Forbion Capital Partners, Wellington Partners, Roche Venture Fund). Im aktuellen Berichtsjahr macht Curetis auch auf der Transaktionsseite von sich hören: Allein sechs Deals mit neuen Partnern schlagen für 2012 zu Buche. •F &E-Vereinbarung mit Cempra im Rahmen der Erarbeitung weiterer Anwendungsbereiche •H erstellungsvereinbarungen mit Horst Scholz und Heraeus Medical zur Lieferung von Bauteilen bzw. als Partner in der Herstellung der Messgeräte •V ertriebsvereinbarungen mit Mediphos (Niederlande), Advanced Technology Company (Golfregion) und BioLine (Russland) Transaktionen Mit diesen Aktivitäten hat Curetis sukzessive die komplette Wertschöpfungskette abgedeckt und somit den Marktauftritt gut vorbereitet. Biotech-Unternehmen im Diagnostikbereich – zumindest wie in diesem Beispiel demonstriert – sind also stärker auf den Aufbau einer integrierten Wertschöpfungskette mit Stoßrichtung Markt ausgerichtet als auf Allianzen mit großen Partnern. Weitere Diagnostiktransaktionen im Berichtsjahr wurden zwischen WILEX und der Immundiagnostik AG zur Vermarktung von ELISA-basierten Krebstests, zwischen JPT Peptide Technologies in Berlin (Spin-off der Jerini, jetzt unter dem Dach von BIONTECH) und Tecan in der Schweiz zur gemeinsamen Vermarktung der JPT-Protein-Arrays (PepStarTM) sowie zwischen Epigenomics und Companion Dx (molekular-diagnostisches Referenzlaboratorium mit Sitz in den USA) zur Verwendung des Septin9Biomarkers abgeschlossen. Im Bereich der Molekulardiagnostik ist die Erwartungshaltung stark auf zunehmende Kollaborationen zwischen Testentwicklern und Pharma-Unternehmen im Zusammenhang mit Companion Diagnostics gerichtet. Allerdings zeigt sich diese Ausrichtung derzeit zumindest in der Auflistung deutscher Biotech-Allianzen noch nicht in einer signifikanten Zunahme der entsprechenden Pharma-Diagnostik-Deals. Der steigende regulatorische Druck auf Pharma-Unternehmen, frühzeitig stratifizierende Biomarker in ihre Entwicklungsprogramme zu integrieren, wird aber in Zukunft häufiger entsprechende Allianzen zutage bringen. Industrielle Biotechnologie als „Zulieferer“ der Großchemie Die Recherche liefert – wenn auch ebenfalls meist ohne Zahlenangaben – dennoch einige Allianzen zwischen Unternehmen der weißen Biotechnologie und des erweiterten Chemiesektors. Dieses Modell scheint fast dem Biotech-Pharma-Modell nachempfunden: Biotech als Ideenschmiede, Großchemie als Entwickler und Vermarkter. Biotech befindet sich deshalb auch vielfach in der Rolle des Technologieexperten und Experimentierers in präkommerziellen Phasen. Einige Beispiele zeigen dies auch in der aktuellen Deal-Liste anhand von Allianzen zwischen Biotech und Chemie: •L ANXESS und evocatal kooperieren mit dem Ziel, nachwachsende einheimische Rohstoffe für die biotechnische Herstellung von Kautschukvorprodukten nutzbar zu machen (Ersatz fossiler Rohstoffe, neue Synthesewege, neue Biokatalysatoren). • BRAIN und Evonik Industries kooperieren auf dem Gebiet der Entwicklung von neuen Mikroorganismen mit dem Ziel, solche zu identifizieren und zu entwickeln, die durch Adsorption an bestimmte Oberflächen diesen spezifische neue, physikalische Eigenschaften zuweisen können. Es existiert überdies eine ebenso aktive Transaktionsszene zwischen Biotech-Unternehmen mit dem Ziel, neue Anwendungen durch die Nutzung ihrer kombinierten Technologien und Kompetenzen zu entwickeln. Ein Beispiel hierfür sind c-LEcta und Aquapharm (Schottland), die zusammen an der Identifizierung und Kommerzialisierung neuer mariner Biokatalysatoren arbeiten. Dabei bringt c-LEcta seine Kompetenz im Bereich des Enzym-Engineering ein, während Aquapharm seine Stammsammlung mariner Organismen und assoziiertes Know-how zur Verfügung stellt. Einzelheiten über konkrete Deal Terms, Volumina, Upfront-Zahlungen und Risikoverteilung werden allerdings ebenso wenig offengelegt wie Details zu Meilensteinzahlungen und der Partizipation am Markterfolg. Somit stehen die Unternehmen der industriellen Biotechnologie meist noch stärker in der eher klassischen Technologie-Zuliefererrolle. Entwicklungen zu voll integrierten Unternehmen mit eigenem Marktzugang wurden bereits im Einleitungskapitel „Perspektive“ erwähnt (z. B. BRAIN) und werden im Folgenden unter den M&A-Transaktionen wieder aufgegriffen. Daneben nutzen „White Biotech“-Unternehmen in Allianzen auch große Industriepartner als Vertriebskanäle für den Endmarkt. Sartorius Stedim Biotech, ein international führender Zulieferer der Pharma-Industrie, hat z. B. mit c-LEcta ein Abkommen über den weltweiten Vertrieb der Serratia-marcescensNuklease für biopharmazeutische Anwendungen getroffen. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 53 evocatal GmbH - The Art of Chiral Purity Teil der Technologie- und Produktentwicklungen wird daher seit Gründung durch den eigenen Cashflow finanziert. Dr. Thorsten Eggert, CEO evocatal GmbH, Düsseldorf evocatal – Biotechnologie aus Düsseldorf Die evocatal GmbH ist ein Unternehmen der industriellen Biotechnologie mit Schwerpunkt auf Entwicklung und Produktion maßgeschneiderter Biokatalysatoren und Feinchemikalien für den Einsatz in der chemischen und pharmazeutischen Industrie. Das Angebot umfasst Auftragsforschung und die Bereitstellung eigener Biokatalysatoren mit dem Ziel, Produktionsprozesse der Kunden nachhaltig und effektiver zu gestalten. Das Unternehmen wurde im Jahr 2006 gegründet als Spin-off des Instituts für Molekulare Enzymtechnologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Forschungszentrum Jülich. Seither beteiligt sich evocatal aktiv an wissenschaftlichen Netzwerken, leitet internationale Forschungskooperationen und arbeitet so stets auf dem neuesten Stand. Enzymtechnologie als Kernkompetenz evocatal ist spezialisiert auf die Enzymtechnologie, dort aber technologisch breit aufgestellt. Von der Auffindung neuer Enzyme im Metagenom über die maßgeschneiderte Optimierung durch molekularbiologische Techniken bis hin zur Produktion im Großmaßstab ist das Know-how firmenintern vorhanden. Im Anschluss an diese „Bio“Entwicklung setzt bei evocatal die „Prozess“Entwicklung an, mit dem Ziel, den enzymatischen Prozess im industriellen Maßstab beim Kunden zu etablieren oder mit dem eigenen Custom Manufacturer Spezial- und Feinchemikalien bis in den Tonnenmaßstab selbst zu produzieren und zu vertreiben. Die richtigen Kooperationen als Schlüssel zum Erfolg Den Aufbau des breiten Technologieportfolios und v. a. die Möglichkeit zur Produktion von Enzymen sowie Spezial- und Feinchemikalien im industriellen (Tonnen-)Maßstab konnte evocatal mit seinen aktuell 23 Mitarbeitern nur durch Kooperationen realisieren. Die richtigen Kooperationspartner sind an dieser Stelle von entscheidender Bedeutung. Mit der schweizerischen Rohner AG wurde 2012 eine strategische Partnerschaft zum Scale-up der Enzymprozesse begonnen. „Biotech made in Germany meets Swiss precision in Scale-up“ heißt das gelebte Motto der Zusammenarbeit. Ohne selbst über Reaktoren im Kubikmeterbereich zu verfügen ist im Zusammenwirken mit dem Partner die fließende Skalierung der Prozesse bis in den industriell relevanten Maßstab möglich. Gut finanziert, auch über eigenen Cashflow Die Geschäftsentwicklung wurde durch ein Netzwerk von Seed-Investoren wie dem High-Tech Gründerfonds und dem Sirius Seedfonds Düsseldorf in Verbindung mit Business Angels finanziert. Aufgrund des Businessmodels der evocatal wurde seit Gründung Umsatz durch Kooperationsprojekte und in den letzten Jahren zunehmend durch Produktverkäufe generiert. Seit 2011 liegt der Umsatz im siebenstelligen Bereich mit hohen jährlichen Wachstumsraten. Ein Mit Innovationsallianzen auf neuen Biotech-Wegen Schon seit Jahren ist die Pharma- und mehr und mehr auch die chemische Industrie mit der Biotechnologie verbunden. Zahlreiche Produkte werden dort heute schon durch biotechnologische Prozesse veredelt oder komplett produziert. Um auch die Chancen der Biotechnologie in weniger „bio“-affinen Industrien zu forcieren, gehen wir als eines der ersten deutschen Biotech-Unternehmen den Weg einer „ungewöhnlichen“ Allianz. Im Rahmen der „Innovationsinitiative industrielle Biotechnologie“ ist evocatal mit seinem Konzept „Funktionalisierung von Polymeren“ 54 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 (FuPol) einer von drei erfolgreichen Projektkoordinatoren, welche durch das BMBF in den nächsten Jahren gefördert werden. Im Fokus der Allianz steht die Nutzung von Proteinen in zumeist kaum mit der Biotechnologie in Berührung gekommenen Industriebranchen, um hier die Biologisierung voranzutreiben. Neue biotechnologische Verfahrenswege sollen funktionalisierte, natürliche Polymere wie Lignin und Cellulose für den Einsatz als Betonzusatzmittel in der Bauchemie nutzbar machen. Zum anderen werden enzymatische Funktionalisierungen an synthetischen Polymeren den Herstellungsprozess bzw. die Veredelung von Textilien ermöglichen sowie eine Verbesserung der Faserpflege während des Waschgangs gewährleisten. Bei einer erfolgreichen Umsetzung dieser innovativen Entwicklungen können die genannten Prozesse nicht nur kostengünstiger, sondern durch die Einsparung von Energie und CO2 sowie den Einsatz nachwachsender Rohstoffe umweltfreundlicher gestaltet werden. Die Zukunft gehört der Bio-based Economy Um den Übergang von einer erdöl- zur biobasierten Ökonomie Realität werden zu lassen, ist auch – und wahrscheinlich sogar vor allem – in der Chemie-Industrie noch sehr viel zu bewegen. Erdölunabhängige Rohstoffquellen für die chemische Industrie zugänglich zu machen und dabei wettbewerbsfähig zu bleiben, ist eine der großen Herausforderungen der Zukunft. Ohne Biotechnologie in Gänze oder in Teilprozessen ist diese Aufgabe nicht zu bewältigen. Die evocatal wird sich daher in Zukunft neben den Spezialund Feinchemikalien für den Pharma-Markt vermehrt auch um Lösungswege in der Chemie kümmern. Und auch hier ist die Kooperation der Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg. Mit dem Spezialchemiekonzern Lanxess wurde beispielsweise ein solcher Partner gefunden, um die Herstellung von Kautschukvorprodukten auf Basis nachwachsender einheimischer Rohstoffe zu realisieren. www.evocatal.com Allianzen europäischer Biotech-Unternehmen Technologieplattformen auch Frontrunner in Europa Noch beeindruckender ist die Liste der TopAllianzen in Europa mit Blick auf die Transaktionspreise, die für den nicht-exklusiven Zugang zu hoch bewerteten Technologie- plattformen gezahlt werden. Alle sechs der gelisteten europäischen Top-Deals vertreten klassische Technologieplattformen vom Typ Tech@MPO oder Tech@Process. An der Spitze stehen erwartungsgemäß die „Multiple Product Opportunities“, welche neue Wirkstoffklassen hervorbringen, diese „am Fließband“ produzieren und in verschiedenen Therapiegebieten anwenden können. Demzufolge sind die Chancen für Deals mit Pharma breit gefächert und werden von den Biotech-Firmen effektiv genutzt. Allianzen europäischer Biotech-Unternehmen, 2012 (Auswahl) Firma Molecular Partners Galapagos Genmab Evotec Symphogen Ablynx Land Schweiz Belgien Dänemark Deutschland Dänemark Belgien Partner Allergan Abbott Laboratories Janssen Biotech (Tochtergesellschaft von J&J) Bayer Merck KGaA Merck & Co. Land USA USA USA Deutschland Deutschland USA Datum 21. August 29. Februar 30. August 1. Oktober 6. September 2. Oktober Deal-Fokus Produkt Produkt Produkt Produkt Produkt Technologie/ Produkt Therapeutischer Status Präklinik Phase II Phase II Forschung Phase II n/a Krankheitsgebiet Altersbedingte Makuladegeneration und verwandte Augenerkrankungen Autoimmunerkrankungen (Rheumatoide Arthritis) Onkologie Endometriose Onkologie n/a Potenzieller Wert (Mio. €) 1.137,5 1.050,0 882,7 592,0 495,0 456,5 Upfront-Zahlungen (Mio. €) 48,6 116,7 105,0 12,0 20,0 8,5 Meilensteine (Mio. €) 1.088,8 933,3 777,7 580,0 475,0 448,0 Royaltys zweistellig zweistellig zweistellig zweistellig ja ja Gegenstand Entwicklung und Vermarktung von Molecular Partners’ zweifachanti-VEGF-A/ PDGF-B DARPin® (MP0260), Erforschung und Entwicklung neuartiger, gegen Augenerkrankungen gerichteter DARPins Entwicklung und Vermarktung von Galapagos’ Next-GenerationJAK1-Inhibitor GLPG0634 Weltweite Lizenzvereinbarung über die Entwicklung und Vermarktung von Genmabs humanem monoklonalen CD38-Antikörper Daratumumab (HuMax®-CD38) Multi-TargetAllianz: Erforschung und Entwicklung von drei klinischen Wirkstoffkandidaten gegen Endometriose (Laufzeit fünf Jahre) Weltweite Lizenzvereinbarung über die Entwicklung und Vermarktung von Symphogens Wirkstoffkandidat Sym004, einer rekombinanten AntikörperMischung Lizenzvereinbarung zur Entwicklung und Vermarktung von auf Ablynx’ Nanobody-Technologie basierenden Wirkstoffkandidaten Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 55 Transaktionen Grafische Darstellung der Allianz Allergan / Molecular Partners Lizenzvereinbarung Entwicklung und Kommerzialisierung Duales anti-VEGF-A/PDGF-B DARPin® MP0260 und seine „Backups“ gegen feuchte altersbedingte Makuladegeneration DARPin®Plattform Option zur Mitfinanzierung der Entwicklung Aufstockung der Royaltys Vorauszahlung 62,5 Mio. US$ Allergan Molecular Partners Meilensteinzahlungen 1,4 Mrd. US$ Zweistellige Royaltys Forschungsallianz DARPins gegen ausgewählte Targets im opthalmologischen Bereich Entwicklung und Kommerzialisierung DARPin®Plattform Drei Optionen auf Lizenzvertrag Optionsausübungsgebühr Quelle: Ernst & Young, 2013 Zu den erfolgreichsten Tech@MPO – gemessen auch an den etablierten Allianzen – zählen: • Molecular Partners in Zürich mit der DARPin®-Plattform; DARPins sind neue Proteinstrukturen, die die Bindespezifität von Antikörpern mit den Eigenschaften niedermolekularer Wirkstoffe (Stabilität, Herstellungskosten, Wirkstärke) verbinden. Neben dem gelisteten Deal mit Allergan im Bereich Augenerkrankungen waren bereits früher Allianzen mit Centocor Research & Development, Roche und Schering (jetzt Bayer Healthcare Pharmaceuticals) sowie eine Herstellungskooperation mit Boehringer Ingelheim abgeschlossen worden. • Genmab aus Kopenhagen kann gemäß der „Partner-Pipeline“ als erfolgreichstes Plattformunternehmen angesehen werden, mit einer fast klassischen Antikörperplattform und inzwischen einer weiteren Platt- form für bispezifische Antikörper. Allein die Liste der Deal-Partner klingt nach dem „Who is Who“ der Pharma-Welt (Amgen, GSK, Janssen, Emergent Biosolutions / Produktentwicklung; Novartis, Janssen, Kyowa Hakko Kirin / bispezifische Antikörper; Roche, Lundbeck / R&D-Kooperationen zu neuen Targets). • Jünger – aber hinsichtlich der Antikörperplattform ebenso erfolgreich – ist Symphogen aus Kopenhagen, das alleine 2011 mit seiner 100-Millionen-Euro-Finanzierungsrunde herausragte. Alleinstellungsmerkmal hier sind Mischungen mit hochspezifischen Antikörpern. Neben dem aktuell für 2012 gelisteten Deal mit Merck KGaA bestanden bereits zuvor weitere Allianzen mit Genentech und Meiji Holdings in Japan. 56 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 • Ablynx aus Belgien ist mit einer weiteren Antikörperderivat-Plattform (Nanobodies®) im Transaktionsfeld erfolgreich. Die Hauptpartner sind Boehringer Ingelheim (Alzheimer), Merck Serono (Onkologie, Immunologie, Inflammation), Novartis und Merck & Co. (Ionenkanäle). In gleich gutem Maße schlagen sich die Tech@Process-Plattformen, wie sie am besten durch Evotec (s. o.) oder Galapagos repräsentiert werden. Galapagos aus Belgien verfolgt ein ähnliches Modell wie Evotec: ein Serviceportfolio, das weite Teile der frühen R&D-Prozesskette umfasst und den Partnern ein Drug-Discovery-Paket zur Verfügung stellt. Darin enthalten sind die proprietären Plattformen BioFocus®, Argenta DiscoveryTM und Fidelta®, Transaktionen die die Bereiche Biologie (Target Discovery und Screening), Substanzbibliotheken / Medizinalchemie sowie ADME / PK-Services abdecken. Die 2012 neu abgeschlossene Allianz mit Abbott / AbbVie ergänzt die bereits lange Liste der Partner: • Servier (2011, Onkologie) • Servier (2010, Arthrose) • Roche (2010, Fibrose) • Eli Lilly (2007, Osteoporose) • Janssen (2007, Rheumatoide Arthritis) • GSK (2006, Lupus Erythematodes) Die Galapagos-Allianzstrategie verbindet neue Targets und Wirkstoffe aus den eigenen Labors mit der klinischen Expertise seiner Pharma-Partner. Galapagos führt diese Programme bis zu definierten Übergangspunkten (Entwicklungskandidat, Phase I, Phase II), von wo aus der Partner die weitere Entwicklung in die Hand nimmt. Aktuell arbeiten die Belgier parallel an über 30 Programmen in den sieben o. a. Allianzen und haben seit 2006 bereits über 250 Millionen US-Dollar aus diesen Partnerschaften eingenommen. Folgerichtig können sie sich inzwischen auch ein eigenes Entwicklungsportfolio in den Indikationsgebieten Rheumatoide Arthritis und Krebsmetastasierung leisten. Die Größenordnung der beschriebenen TopAllianzen mit Meilensteinzahlungen von fast einer halben (Ablynx) bis deutlich über einer Milliarde Euro (Molecular Partners) in Verbindung mit den durchweg noch sehr frühen Entwicklungsphasen der Leitprodukte demonstriert eindrucksvoll die Wertstellung der Plattform an sich. In den im Ranking nachfolgenden Allianzen, die auf Tech@Disease aufbauen, setzt sich diese Beobachtung fort: • AiCuris / Merck & Co. – HCMV-Infektionen • ThromboGenics / Alcon – Augenerkrankungen • AC Immune / Genentech – Alzheimer Europäische Allianzen mit Spitzenplätzen in der globalen Statistik Mit den beschriebenen Allianzen stehen europäische Transaktionen auch in der globalen Statistik ganz oben. Die beiden Allianzen von Molecular Partners / Allergan und Galapagos / Abbott nehmen weltweit die Spitzenplätze ein, noch vor dem ersten amerikanischen Deal (Five Prime Therapeutics / GSK). Insgesamt weist die globale Deal-Statistik in der Liste der Top-15-Allianzen sieben europäische und acht US-Vertreter auf. Auch auf amerikanischer Seite überwiegen Technologieplattformen, allerdings mehr in Richtung von Tech@Process-Plattformen gehend (z. B. Endocyte / Drug Targeting; Selecta Biosciences / Immunplattform SVPTM; Upfront-Zahlungen von Pharma-Partnern, Europa und USA Summe (Mio. €) Anteil Upfront-Zahlungen am potenziellen Deal-Wert Ein Blick auf die Top-15-Deals der europäischen Allianzen zeigt, dass diese für 2012 eine Summe von insgesamt 7,1 Milliarden Euro aufweisen (2011 nur 4,4 Milliarden Euro). Dies bedeutet auch, dass die Top-15Deals bereits den Löwenanteil (82 %) des publizierten Deal-Volumens ausmachen. Upfront- und Meilensteinzahlungen für Plattform-Deals nehmen stark zu Interessante Einblicke liefert die Analyse der Upfront-Zahlungen, insbesondere die Betrachtung ihrer Anteile am Gesamtvolumen. Diese Kennzahl zeigt am besten die Verhandlungsposition des Biotech-Partners und gleichzeitig das real geflossene Kapital zu dessen weiterer Finanzierung an. Wiederum für die Top-15-Deals ergibt sich im Jahresvergleich 2011 zu 2012 ein Anstieg der akkumulierten Upfront-Zahlungen von 111 Millionen Euro auf 692 Millionen Euro (+691 %). Auch der Anteil am Gesamtvolumen der jeweiligen Deals ist deutlich gestiegen, von fünf auf acht Prozent ( + 63 % ). In beiden Jahren waren in dieser Aufstellung Plattform-Deals etwa gleichermaßen vertreten. Die Analyse der Upfront-Zahlungen über alle Allianzen mit publizierten Detailzahlen (USA und Europa zusammengenommen) zeigt einen deutlichen Anstieg im Anteil der Upfront-Komponente am Gesamtvolumen der Deals, von 12 Prozent auf über 18 Prozent im Jahr 2012. 20 % 4.000 18 % 3.500 16 % 3.000 14 % 2.500 12 % 2.000 10 % 8 % 1.500 6 % 1.000 4 % 500 0 FORMA Therapeutics / Cancer Targets) vor den reinen Produktplattformen (z. B. ISIS Pharmaceuticals / Antisense-Technologie). 2 % 2007 2008 2009 2010 2011 2012 0 % Upfront Cash Upfront Equity Durchschnittlicher Anteil Upfront-Zahlungen* *Durchschnittswert wurde auf Basis der Allianzen mit expliziten Upfront- und Meilensteinzahlungen berechnet Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Die Diskrepanz der Prozentangaben zu den Angaben bei den Top-15-Deals ist dadurch zu erklären, dass in der Masse der kleineren Deals der relative Anteil der Upfront-Komponente in der Regel höher ist, da die TopTransaktionen ihre hohen Volumina meist insbesondere durch weitreichende Meilensteinvereinbarungen erreichen. Insgesamt ergibt sich damit aber ein Bild, das eher optimistisch hinsichtlich der Anerkennung der Leistung von Biotech-Unternehmen stimmt, insbesondere im Zusammenhang mit dem Innovationspotenzial ihrer Technologieplattformen. 57 Verhandlungsposition der Tech@Companies in Allianzen Upfront-Zahlungen an europäische Tech@Companies im Vergleich Durchschnittlicher Anteil Upfront-Zahlungen* 21 % ThromboGenics, AC Immune) mit ca. 21 Prozent Upfront. Diese Zahlen bestätigen einerseits die im Einleitungskapitel „Perspektive“ durchgeführte Differenzierung in unterschiedliche Technologieplattformtypen. Andererseits zeigen die hier dargestellten Unterschiede bei den Upfront-Zahlungen auch explizite Charakteristika der Plattformen auf: 10 % 4 % Tech@Process Tech@MPO Tech@Disease *Durchschnittswert wurde auf Basis von Allianzen mit einem potenziellen Wert über 20 Mio. € und expliziten Upfront- und Meilensteinzahlungen im Zeitraum 2005 bis 2012 berechnet Plattformtypen mit unterschiedlichen Upfront-Verhandlungen Quelle: Ernst & Young, 2013 Die weitergehende Analyse von UpfrontZahlungen in Deals mit einem Wert über 20 Millionen Euro stellt einen klaren Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Plattformtypen (Tech@MPO, Tech@Process, Tech@Disease) und der Höhe der UpfrontZahlung im Verhältnis zum Gesamt-Deal her. Während die Tech@Process-Plattformen europäischer Biotech-Unternehmen (z. B. Evotec, Galapagos) im Zeitraum 2005 bis 2012 durchschnittlich vier Prozent am DealVolumen als Upfront realisieren, liegen die Tech@MPO-Plattformen (z. B. Genmab, Ablynx, Symphogen) bereits im zweistelligen Bereich und kommen im Mittel auf zehn Prozent. Noch besser stellen sich schließlich die Tech@Disease-Plattformen (z. B. AiCuris, 58 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 • Tech@Process-Plattformen sind näher an einem Servicemodell, mit geringerem Risiko und kürzerer Taktung der Meilensteine mit häufigeren Zahlungen. Sie sind daher nicht so stark von hohen Upfronts abhängig. • Tech@MPO-Plattformen gehen mit konkreten Wirkstoffen direkt in die Entwicklung und damit ein größeres Risiko ein, verbunden mit längeren Zeitschienen und Abständen der Erfolgszahlungen. Sie benötigen die höheren Upfront-Zahlungen schlichtweg zum Überleben und können diese auch als Gegenleistung für ihr größeres Risiko-Commitment einfordern. • Tech@Disease-Plattformen schließlich stehen noch weiter im Risiko – mit Einzelprodukten, die unterschiedlicher Natur sein können und somit nicht wie z. B. Antikörper bestimmte Grundrisiken bereits durch die einheitliche Struktur eingrenzen können. Neue Allianzpartner auf dem Käufermarkt Allianzpartner aus Mid-sized Pharma werden interessanter Käuferanalyse globaler Pharma-Allianzen Anzahl Transaktionen Europa 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0 % 2009 2010 2011 2012 Anzahl Transaktionen Deutschland 100 % 90 % 80 % Wenn Allianzen zwischen Biotech und Pharma als wichtiges Lebenselixier für Biotech-Unternehmen zunehmend an Bedeutung gewinnen, wird es nicht ausreichen, in diese Betrachtung nur Big Pharma (die 40 größten Pharmaunternehmen der Welt, nach Umsatz) einzubeziehen. Da die Zahl der großen Pharma-Unternehmen limitiert und auch deren Kapazität für Kooperationen mit Biotech begrenzt ist, ist es für Biotech-Firmen ratsam, den Kreis der möglichen Partner für pharmazeutische Zielsetzungen zu erweitern. Der Pharma-Mittelstand bietet gerade in Deutschland mit etwa 900 Unternehmen ein riesiges Potenzial zum Abschluss interessanter Allianzen. Denn bei diesen Unternehmen sind der Bedarf an externer Innovation und die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit mit Partnern noch stärker ausgeprägt als bei den Big Playern der Branche. In der Vergangenheit gab es bereits mehrere Anläufe, Biotech und Mid-sized Pharma enger zusammen zu bringen, allerdings mit eher bescheidenem Erfolg. 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0 % 2009 2010 2011 2012 2011 2012 Anzahl Transaktionen USA 100 % 90 % 80 % 70 % Neuere Analysen mit einer stärkeren Differenzierung der Biotech-Pharma-Allianzen hinsichtlich des Pharma-Partners selbst zeigen allerdings, dass sich ein – wenn auch noch schwach ausgeprägter – Trend zu mehr Partnerschaften mit mittelständischen Pharma-Unternehmen entwickelt. Diese Beobachtung trifft vor allem in Europa und Deutschland zu, wenngleich mit der Einschränkung, dass die Gesamtzahl der Transaktionen in Deutschland möglicherweise zu gering ist, um klare Trendaussagen treffen zu können. Deutsche Biotech-Unternehmen konnten dabei in diesem Jahr neben nationalen Verträgen (Lipid Therapeutics / Dr. Falk Pharma, Ovamed / Dr. Falk Pharma, Biofrontera / Desitin Pharmaceuticals) auch internationale Allianzen mit Pharma-Partnern geringerer Größe schmieden (z. B. Ono Pharmaceutical, Japan; BIAL, Portugal; Nordic Group, Frankreich; Zhejiang CONBA Pharmaceutical, Yichang Humanwell, China). Für Europa hat sich der Anteil der Mid-sized Pharma-Unternehmen als Biotech-Partner von ca. 40 Prozent in den Jahren 2009 bis 2011 auf inzwischen 55 Prozent erhöht, während Big-Pharma-Allianzen relativ gesehen entsprechend von ca. 60 Prozent auf 45 Prozent abnahmen. Demgegenüber ist diese Entwicklung in den USA nicht zu beobachten. Die Gründe dafür liegen in einer unterschiedlichen Industriestruktur. In Europa und gerade auch in Deutschland ist die Wirtschaft explizit und historisch bedingt stark durch den Mittelstand geprägt, was auch für den PharmaBereich zutrifft. Insofern sollten diese Beobachtungen als Motivation dienen, den Blick bei der Suche nach Pharma-Partnerschaften offener auch in Richtung mittelständischer Unternehmen zu richten. 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0 % 2009 2010 Mid-sized Pharma Big Pharma Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 59 M&A-Transaktionen deutscher Biotech-Unternehmen M&As deutscher Biotech-Unternehmen, 2012 Firma Land Käufer Land Art Datum Potenzieller Upfront-ZahWert (Mio. €) lungen (Mio. €) Corimmun Deutschland J&J USA Pharma 28. Juni 155,5 77,8 Cellzome Deutschland GSK UK Pharma 15. Mai 75,2 75,2 AbD Serotec (MorphoSys) UK (Deutschland) Bio-Rad Laboratories USA Biotech 16. Dezember 53,0 53,0 DermaTools Biotech (9 % Anteil) Deutschland CytoTools Deutschland Holding 23. März 2,0 2,0 CeGaT (20 % Anteil) Deutschland B. Braun Melsungen Deutschland Medtech 31. Januar n/a n/a Scil Technology Deutschland Nanohale Deutschland Medtech 9. Januar n/a n/a Sovicell Deutschland Hinnerk Boriss MBO 11. Oktober n/a n/a X-Pol Biotech Spanien SYGNIS Pharma Biotech 18. Juli n/a n/a Deutschland Quelle: Ernst & Young, 2013 M&A in Deutschland nach wie vor kein großes Thema Wie die obenstehende Tabelle zeigt, stand auch im Jahr 2012 das Thema Unternehmensverkauf nicht auf der Agenda der deutschen Biotech-Branche. Insgesamt nur acht Transaktionen unterschiedlichster Art und Motivation machen statistische Auswertungen und Trendableitungen unmöglich. Einzig interessant aus deutscher Sicht sind die beiden erstgenannten Verkäufe, bei denen ein in Deutschland entwickeltes Asset (Corimmun) bzw. eine Technologieplattform (Cellzome) Käufer fanden. Im Fall von Corimmun war Janssen (die Pharma-Sparte von J&J) in der Tat nur an dem Lead-Projekt COR-1 interessiert. Im Zuge der Übernahme und in Absprache mit den Investoren (allen voran die MIG Fonds mit 26 % Beteiligung) wurde deshalb eine Firmenausgründung beschlossen, die das verbleibende Portfolio von Corimmun selbstständig weiterentwickeln soll. Das neue Unternehmen firmiert unter dem Namen advanceCOR in München (vgl. Artikel von Prof. Götz Münch auf S. 62). 60 Mit einem so schnellen Verkauf war nicht unbedingt gerechnet worden, weil Corimmun sich mit seinem Wirkstoff COR-1, einem zyklischen Peptid, noch in der klinischen Phase II befand. Das heißt, aus der Proof-ofConcept-Studie liegen noch keine Ergebnisse zur Wirksamkeit des Wirkstoffs beim Menschen vor. In präklinischen Tests hat die Substanz gezeigt, dass sie die Herzfunktion verbessern kann. Das geschieht, indem COR-1 die anti-ß1-Rezeptor-Autoantikörper bindet und neutralisiert und so ihre schädigenden Effekte verhindert. Immerhin erzielte somit ein singuläres Asset ohne klinischen Proof of Concept einen stolzen Preis. Dieser beinhaltet allerdings eine erfolgsabhängige Meilensteinzahlung, sodass den Investoren zunächst nur die Hälfte des Verkaufspreises zurückgegeben wird. Die Übernahme von Cellzome in Heidelberg durch GSK ist einerseits überraschend, weil entgegen der aktuellen Trends eine Technologieplattform komplett übernommen wurde. In diesem Fall geht dem Kauf allerdings eine langjährige Kollaborationshistorie voraus, nach der sich GSK fragen musste, ob man die geplante weitere Nutzung der Technologien nicht per Übernahme auf Dauer billiger haben konnte. Cellzome wird in Heidelberg als R&D-Standort von GSK weitergeführt, wie Gitte Neubauer im nachfolgenden Artikel beschreibt. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Weitere Übernahmen betrafen: • Minderheitsbeteiligungen aus strategischen Erwägungen (z. B. CytoTools an DermaTools Biotech oder B. Braun Melsungen an CeGaT) • Geschäftsfokussierung (z. B. die Abgabe der Forschungs- und Diagnostik-Antikörper von MorphoSys an BioRad) • Restrukturierung nach fehlgeschlagener Entwicklung (Merger SYGNIS / X-Pol Biotech) • Management-Buy-Out (Sovicell) • Geschäftsstärkung durch Zusammenführen komplementärer Kompetenzen (Übernahme von Scil Technology durch Nanohale) Die wenigen Aktivitäten im Bereich M&A in Deutschland sind möglicherweise auch eine Konsequenz aus der über die letzten Jahre erfolgten Verschiebung der Geschäftsstrategien in Richtung Servicemodell oder Technologieplattformen; beide Strategien stehen nicht im Zentrum von Akquisitionsaktivitäten. Post Merger: Die Integration von Cellzome in GlaxoSmithKline Dr. Gitte Neubauer, Geschäftsführerin Cellzome GmbH, eine GSK-Tochter, Heidelberg Cellzome heute Cellzome ist ein Biotechnologieunternehmen, das im Jahr 2000 als Ausgründung des Europäischen Molekularbiologie Labors (EMBL) in Heidelberg startete und im Mai 2012 von GlaxoSmithKline (GSK) übernommen wurde. Cellzome ist führend auf dem Gebiet der Chemoproteomik, einer Technologie, mit der die molekularen Wirkmechanismen von Arzneistoffen sehr genau bestimmt werden können. Diese Technologie wird in der Wirkstoffforschung eingesetzt, um präzisere Wirkstoffe zu finden und das Risiko für Nebenwirkungen zu verringern. Seit der Gründung hat Cellzome seine Pionierarbeiten in der Proteomik immer wieder durch Publikationen in renommierten Wissenschaftsjournalen belegt und konnte dadurch führende Pharma-Firmen für große Kooperationen gewinnen. Heute beschäftigt Cellzome ca. 60 Mitarbeiter aus zehn Nationen, die in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen ausgebildet sind, wie z. B. in Biologie, Chemie, Physik oder Informatik. Von anfänglichen Kooperationen zur Einbindung in GSK Cellzome und GSK haben ihren gemeinsamen Weg bereits 2008 mit einer großen strategischen Kooperation zur Identifizierung anti-inflammatorischer Kinase-Wirkstoffe begonnen. 2010 folgte eine zweite Kooperation im Bereich Immuno-Inflammation, diesmal mit dem Fokus auf epigenetische Targets. Diese Partnerschaften erlaubten GSK eine mehrjährige Validierung von Cellzomes Technologie in der eigenen Forschung. Die vertragliche Beschränkung der Zusammenarbeit auf den Bereich Immuno-Inflammation führte schließlich zu weitergehenden Verhandlungen, die am Ende zur Übernahme führten und damit die uneingeschränkte Nutzung von Cellzomes Technologie für alle therapeutischen Bereiche bei GSK ermöglicht. Post Merger Integration Die erste und einschneidenste Veränderung der Cellzome-Integration war sicherlich die Trennung von der Medizinalchemie in Cambridge (England) mit dem Spin-out einiger präklinischer Programme. Für die Heidelberger Niederlassung mit der ProteomikPlattform begann mit der Übernahme die Integrationsphase, die eine wissenschaftlich-strategische Neuausrichtung genauso beinhaltete wie die operative / organisatorische Integration. Da Cellzome als Technologieplattform extrem gut mit den therapeutischen Einheiten der GSK-F&E verzahnt werden muss, hat sich Cellzome für eine relativ weitreichende operative Integration entschieden. Das hat zur Folge, dass eine Umstellung des Finanzsystems und der dazugehörigen Prozesse ebenso Teil der zeitintensiven Integration sind wie die Einbindung des EDV-Systems. Mit der Integration in ein Pharma-Unternehmen eröffnet sich eine neue Welt, die durch ihre Größe und Historie eigene Werte, Dynamiken und in Bereichen auch eine eigene Sprache entwickelt hat. Zusammenarbeit und Eigenständigkeit Trotz einer starken Einbindung von Cellzome in den GSK-Forschungsbetrieb und in die GSK-Verwaltungsprozesse wird eine gewisse Eigenständigkeit erhalten bleiben. Dies wird deutlich durch die Beibehaltung des mit hohem wissenschaftlichen Ansehen verbundenen Namens, was auch die zugrundeliegende Unternehmenskultur reflektiert. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Insgesamt wird die wissenschaftliche Agenda, samt interner und externer Kooperationen, von Cellzome selbst bestimmt. Natürlich muss wie überall ein entsprechendes Budget dazu verhandelt werden, und selbstverständlich wird der Erfolg von Cellzome am Wert für die GSK-Pipeline gemessen. Die neue Welt: Ein Leben nach dem Merger mit Vorteilen und Nachteilen Durch den Merger haben sich für Cellzome und seine Mitarbeiter viele positive Aspekte ergeben. Dazu gehören die finanzielle Stabilität der Firma und GSK-Benefits für die Mitarbeiter, was neben rein monetären Vorteilen z. B. auch den leichteren Zugang zu Fortbildungsmaßnahmen beinhaltet. Ein weiterer positiver Aspekt ist das erklärte Ziel von GSK, das operative Modell zu vereinfachen. Dies zeigt sich an einigen Prozessen, die tatsächlich einfacher und sparsamer sind als zuvor. Generell wird mit Ressourcen bei GSK sehr bewusst umgegangen – teilweise schlanker, als das bei Biotech-Unternehmen oder im akademischen Bereich der Fall bzw. möglich ist. Der Preis dafür ist ein partieller Verlust an Flexibilität, vor allem in Verwaltungsprozessen. Mit einer eigenen Administration lässt es sich flexibler arbeiten als mit einer zentralen Abteilung an einem anderen Standort, die wesentlich schwerer auf die Bedürfnisse einer einzelnen GSK-Tochter eingehen kann. Allerdings stehen die im Bereich Administration eingesparten Stellen wiederum der Forschung zur Verfügung, was insgesamt den größeren Nutzen bringt. Weiterentwicklung der Technologie Der Zugang zu komplementären Technologien, Werkzeugen und Reagenzien, die Cellzome als unabhängige Firma nicht zur Verfügung standen, ermöglicht eine wesentlich effizientere Fortentwicklung der Technologie. Auf der anderen Seite birgt die Zugehörigkeit zu einer so großen Organisation aber auch Risiken des Produktivitätsverlustes: ein gesteigerter interner Fokus und Kommunikationsaufwand bindet Mitarbeiter und macht es schwerer, den Blick auch nach außen zu halten. Erzielt man hier die richtige Balance, ist es allerdings eine fantastische Möglichkeit für eine Technologiefirma, entscheidend zur Entwicklung neuer Medikamente beizutragen. www.gsk.com 61 Von Corimmun zu advanceCOR: Die personalisierte Therapie gegen Herz-Kreislauferkrankungen geht weiter Auch die Investoren sind von advanceCOR überzeugt und stellen die Finanzierung sicher Die Series A-Finanzierung wurde durch die MIG AG als Leadinvestor zusammen mit der KfW und Bayernkapital finanziert. Zusätzlich daran beteiligt waren BioM, der HTGF und die Gründer selbst. Die Ende 2012 erfolgreich abgeschlossene Finanzierungsrunde in Höhe von 6,45 Millionen Euro ermöglicht nun die Durchführung der Phase-II-Studien für das Leadprodukt Revacept. Daneben hat advanceCOR signifikante Umsätze durch studienbegleitende Arbeiten der COR-1-Entwicklung für Johnson & Johnson. Prof. Dr. Götz Münch, CEO advanceCOR GmbH, Martinsried Übernahme von Corimmun durch Janssen Im Juni 2012 erwarb Janssen-Cilag für eine erhebliche Upfront-Summe und mögliche klinische Meilenstein-Zahlungen unser damaliges Lead-Produkt COR-1. COR-1 befand sich bereits in einer Phase-II-Studie zur gezielten Unterbrechung der Entzündung bei Herzinsuffizienz via Hemmung von autoantikörpervermittelter Herzmuskelschädigung. Johnson & Johnson wird das zyklische Peptid nun weiter entwickeln und kommerzialisieren. Das erfolgreiche Gründerteam der Corimmun gründete daraufhin mit den verbleibenden Assets Revacept, COR-2 und COR-3 die neue Biotech-Firma advanceCOR GmbH. Neue Ausgründung mit den restlichen Assets: Die advanceCOR Neben der Pipeline übernimmt advanceCOR auch die Mitarbeiter und Räumlichkeiten sowie die Gesellschafterstruktur von Corimmun. Das gesamte Team, die Gründer und die Investoren haben direkt im Anschluss an den Verkauf die Arbeiten in der advanceCOR weitergeführt. Dadurch kam es zu keinem nennenswerten Zeitverlust bei der Weiterentwicklung der klinischen und präklinischen Entwicklungsprojekte. Durch die gelungene Neugründung konnten sowohl die Interessen der Investoren, des Teams und des Managements auf sehr schöne Weise in Einklang gebracht werden. 62 Revacept Revacept ist ein Plättchenhemmstoff und damit Medikament zur Behandlung akuter arterieller Thrombosen und Thrombo-Embolien wie z. B. Herzinfarkt und Schlaganfall. In Phase-I-Studien zeigte sich bei Menschen spezifische Wirksamkeit bei sehr guter Verträglichkeit. Revacept bindet spezifisch an Verletzungen in Blutgefäßen und verhindert somit eine lokale Thrombose bei Patienten mit akutem Herzinfarkt und Schlaganfall. Revacept hat dabei keinen Einfluss auf die generelle Blutstillung und erhöht daher nicht die Blutungsneigung. Eine „proof of concept“ Phase-II-Studie in Patienten mit symptomatischer Karotisstenose wurde Ende 2012 begonnen. Es soll gezeigt werden, dass arterielle Thrombosen und Infarkte im Gehirn durch Revacept verringert werden, ohne dass die Blutungskomplikationen im Vergleich zur Standardtherapie zunehmen. Durch diesen „lesion-directed“-Ansatz stünde zur Behandlung jener lebensbedrohlichen Krankheitsbilder erstmals ein hochwirksames Medikament zur spezifischen Hemmung von Blutplättchen zur Verfügung, das nicht mit dem hohen Blutungsrisiko einhergeht, welches bisher alle herkömmlichen Medikamente aufweisen. Zusammen mit Revacept wird ein Companion Diagnostic entwickelt, das eine personalisierte Therapie dieser Patienten erlaubt, die ein erhebliches Risiko für einen erneuten Schlaganfall haben. Durch diesen personalisierten Ansatz und die große therapeutische Breite des Medikamentes versprechen wir uns eine echte Therapieoption für Patienten mit TIA oder Schlaganfall, was allein in den USA mehr als eine Million Menschen jährlich trifft. Schlaganfall ist die häufigste Ursache für dauerhafte Behinderung und die dritthäufigste Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Todesursache in der westlichen Welt. Derzeit werden aber lediglich weniger als fünf Prozent aller Patienten mittels Thrombolyse behandelt. Es gibt nur eine einzig zugelassene Therapie. Somit stellt Schlaganfall eine Indikation mit ganz erheblichem „unmet medical need“ dar. Der weltweite Markt für Therapeutika in der Indikation Atherosklerose beträgt derzeit ca. 17 Milliarden Euro pro Jahr. Plavix ®/ Clopidogrel (ein Plättchenhemmstoff) war mit einem weltweiten Umsatz von 10,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2011 das zweiterfolgreichste Medikament überhaupt und hat 2012 seinen Patentschutz verloren. Nach Berechnungen aufbauend auf aktuellen Marktzahlen können für Revacept 0,8 bis 1,2 Milliarden Euro jährlich erzielt werden. Aus der Präklinik kommt Nachschub: COR-2 und COR-3 Weitere Ansätze der advanceCOR zur Behandlung von Herz-Kreislauferkrankungen befinden sich bereits in der Präklinik. Zum einen wird der Proteinwirkstoff COR-2 entwickelt, der die Aufnahme von schädlichen Lipidkomplexen (oxidiertes LDL) in Gefäßläsionen („Plaques“) verhindert. Dadurch werden lokale Entzündungen verringert und die Gefahr einer Plaqueruptur signifikant vermindert. Auf der anderen Seite versucht advanceCOR prophylaktisch Komplikationen in der Blutbahn zu verringern. COR-3 bindet bispezifisch zirkulierende Progenitorzellen an atherosklerotischen Plaques und erhöht somit die Konzentration dieser Stammzellen in Gefäßläsionen („Homing“), was wiede-rum die Abheilung von instabilen Plaques begünstigt. Beide Produkte sollen nach dem „proof of concept in man“, der Phase II, an große Biotech- oder Pharma-Firmen auslizenziert werden. www.advancecor.com M&A-Transaktionen europäischer Biotech-Unternehmen M&As europäischer Biotech-Unternehmen, 2012 Firma Land Käufer Land Art Datum Potenzieller Upfront-ZahWert (Mio. €) lungen (Mio. €) Mercury Pharma Group UK Cinven UK Private Equity 17. August 573,2 573,2 EUSA Pharma UK Jazz Pharmaceuticals Irland Biotech 26. April 567,8 528,9 Proximagen Group UK Upsher-Smith Laboratories USA Pharma 13. Juni 439,8 274,9 deCODE genetics Island Amgen USA Biotech 10. Dezember 322,8 322,8 FerroKin BioSciences USA Shire UK Biotech 15. März 248,5 73,5 Anabasis Italien Dompé Italien Pharma 28. Februar 177,2 177,2 Corimmun Deutschland J&J USA Pharma 28. Juni 155,5 77,8 Pervasis Therapeutics USA Shire UK Biotech 12. April 155,5 n/a Beta Renewables (9,95 % Anteil) Italien Novozymes Dänemark Biotech 29. Oktober 90,0 90,0 Cellzome Deutschland GSK UK Pharma 15. Mai 75,2 75,2 Quelle: Ernst & Young, 2013 Internationale M&A-Statistik mit wenig Bewegung Im Gegensatz zu einer durchaus lebhaften Dynamik im Bereich der Allianzen (s. o.) ist die Zahl der M&A-Transaktionen in Europa eher konstant geblieben (2009: 80 Deals, 2010: 96 Deals, 2011: 85 Deals, 2012: 93 Deals). In den USA ist die Anzahl der M&A-Deals über die letzten Jahre leicht rückläufig (2009: 147 Deals, 2010 und 2011: 125 Deals, 2012: 116 Deals). Europäische M&As werden von Specialty Pharma dominiert Die Auflistung der prominentesten M&ATransaktionen in Europa macht die völlig unterschiedlichen Rationalen von Allianzen und Akquisitionen überdeutlich. Während die Allianzen – wie zuvor beschrieben – klar der Zielsetzung folgen, den Zugang zu technologischen Innovationen und Plattformen zu sichern, sind die Akquisitionen ebenso eindeutig auf den Zukauf von Produkten, Marktzugang und Marktanteil gerichtet. Dies wird weiterhin auch dadurch untermauert, dass bei den großen Transaktionen vor allem Specialty-Pharma-Unternehmen involviert sind, deren Hauptzielsetzung der Ausbau ihrer Marktanteile mit entsprechend breiten Portfolios ist. Dieser Rationale folgen allein fünf der Top-10-M&A-Deals: •M ercury Pharma wird durch das PrivateEquity-Haus Cinven mit dem Ziel übernommen, durch Zusammenführen mit einem weiteren Specialty-Pharma-Unternehmen (Amdipharm) größere Durchschlagskraft am Markt zu erhalten. •M it der Übernahme der britischen EUSA Pharma durch Jazz Pharmaceuticals aus Irland tun sich zwei weitere SpecialtyPharma-Häuser zusammen. •S hire, einer der führenden europäischen Specialty-Pharma-Vertreter, kauft gleich zwei Unternehmen mit Produktportfolios, die in die Marktstrategie passen: FerroKin BioSciences erweitert den Bereich der Hämatologie, Pervasis Therapeutics baut die neue Ausrichtung bei Shire im Feld der Zelltherapie aus. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Auch bei den meisten übrigen Akquisitionen spielen Produkte die entscheidende Rolle. Das US-Pharma-Unternehmen Upsher-Smith Laboratories übernimmt das britische Biotech-Unternehmen Proximagen Group mit dessen Expertise und Produkt-Pipeline in den Therapiegebieten ZNS, Krebs und Entzündung. Noch klarer wird der Produktfokus herausgestellt bei der Akquisition von Corimmun aus München durch Janssen / J&J. Die Übernahme ist einzig getriggert durch das Lead-Produkt COR-1 von Corimmun (s. o.), während die restliche Pipeline zu früh in der Entwicklung steht und deshalb in eine Neugründung ausgegliedert wird. Lediglich zwei der verbleibenden M&A-Deals folgen nicht diesem Muster: Der bereits weiter oben beschriebene Kauf von Cellzome durch GSK sowie die Übernahme der isländi-schen deCODE genetics durch Amgen haben eher technische Beweggründe – letztere die Expertise in der Entschlüsselung von krankheitsassoziierten Genen und Targets. 63 Firepower von Big Pharma nimmt ab Mid-sized Pharma geht auch bei M&A-Deals voran Käuferanalyse globaler Pharma-M&As beispielsweise Grupo Ferrer (Spanien), Dompé (Italien), AGUETTANT (Frankreich) und Grifols (Spanien) als Käufer aktiv. Trotz klarer Unterschiede bei Zielsetzung und beteiligten Partnern zwischen Allianzen und M&A-Deals bestimmt ein Trend beide Pharma-Schauplätze: Auch bei Übernahmen hat zumindest in Europa die Bedeutung von Mid-sized Pharma als Käufer stetig über die letzten Jahre zugenommen. Hatte Big Pharma bei den Übernahmen in Europa 2009 mit 62 Prozent noch deutlich die Nase vorn, so dreht sich dieses Verhältnis im Verlauf und Mid-sized Pharma gewinnt 2012 mit 70 Prozent der Übernahmen die Oberhand. So waren im Berichtsjahr aus Europa Anzahl Transaktionen Europa 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % Eine entsprechende Entwicklung ist in den USA ausgeblieben. Dort hat sich das Übergewicht von Big Pharma als Käufer eher noch leicht verstärkt und erreicht 70 Prozent Anteil an den Übernahmen durch Pharma-Firmen. Gründe hierfür sind vermutlich ebenfalls in der unterschiedlichen Zusammensetzung der Pharma-Industrie auf beiden Seiten des Atlantiks zu suchen, da vor allem in Europa die mittelständische Industrie stärker ausgeprägt ist. 10 % 0 % 2009 2010 2011 2012 Das „Growth Gap“ von Big Pharma wird größer Anzahl Transaktionen USA Gesamtumsatz (Mrd. US�) 100 % 1200 90 % 80 % Umsatz, den Big Pharma benötigt, um mit globalem Arzneimittelmarkt Schritt zu halten 1000 70 % 60 % 800 Growth Gap: 100 Mrd. US� im Jahr 2015 50 % 600 40 % 30 % 400 20 % 10 % Analysten-Prognose für Big-Pharma-Umsatz 200 0 % 2009 2010 2011 2012 Mid-sized Pharma Big Pharma 0 2006 2007 2008 2009 Globaler Arzneimittelmarkt Quelle: Ernst & Young, 2013 64 2010 2011 2012 E 2013 E 2014 E 2015 E Growth Gap Big-Pharma-Umsatz Quelle: Ernst & Young, IMS Health, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Transaktionen Ein weiterer Aspekt wurde kürzlich in einer Ernst & Young-Studie mit dem Titel „Closing the gap?“ herausgestellt: Big Pharma befindet sich demnach zunehmend nicht nur in dem vielzitierten „Innovation Gap“, über die letzten Jahre wurde zunehmend auch ein deutliches „Growth Gap“ immer evidenter, da Big Pharma nicht mehr mit dem Marktwachstum der Gesamtindustrie mithalten kann. Die logische Konsequenz, um beide Lücken zu überwinden, wäre eine Zunahme der M&A-Aktivitäten, die aber nicht erkennbar ist. Als Grund kristallisiert sich heraus, dass Big Pharma für die konsequente Verfolgung einer Akquisitionsstrategie zunehmend die „Firepower“ ausgeht. Dieser Kaufkraft-Index ist hier definiert als die Kombination aus verfügbarem Cash und dem möglichen Rahmen für die Schuldenaufnahme unter Berücksichtigung der Marktkapitalisierung. Firepower: Abnahme bei Big Pharma, Zunahme bei Specialty Pharma und Big Biotech Big Pharma Firepower (Mrd. US�) Specialty Pharma und Big Biotech Firepower (Mrd. US�) 180 900 +61 % 800 600 +13 % +8 % 140 +21 % 120 –2 % 500 100 80 400 +9 % –31 % 200 100 0 +15 % +6 % 300 2006 Big Pharma +20 % 0 % Aus Sicht der Biotech-Unternehmen, insbesondere der kleineren, erweitert diese Entwicklung das Spektrum möglicher Partner in positivem Sinne. Es wird im Detail zu beobachten sein, wie in den nächsten Jahren bei Deals einerseits das Feld der möglichen Käufer sich ausweitet und andererseits eine breitere Käuferschicht auch die Preise bzw. die Verhandlungsposition von Biotech positiv beeinflusst. 60 40 –5 % –24 % –26 % –30 % –24 % –23 % 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Specialty Pharma inklusive Generika Die Kurven zeigen die Änderung der Firepower relativ zu 2006. Damit nicht genug: Parallel legen die prominenten Vertreter aus Big Biotech und Specialty Pharma in puncto Firepower sogar zu. Somit untermauert auch dieser Zusammenhang die beobachtete schwächere Position von Big Pharma bei Akquisitionen, welche neuen Playern die Tore öffnet zum immer noch Käuferdominierten Biotech-Markt. 160 +31 % 700 20 0 Big Biotech Quelle: Ernst & Young, 2013 Geringere Firepower führt zur Verdrängung von Big Pharma aus M&As Wert der M&A-Transaktionen (Mrd. US�) 120 100 80 60 40 20 0 2007 2008 2009 Big Pharma Big Biotech Specialty Pharma ohne Generika * Januar bis November Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 2010 2011 2012* Generika Quelle: Ernst & Young, IMS Research, 2013 65 Finanzierung 66 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Zahlen und Fakten im Überblick Kapitalaufnahme deutscher Biotech-Unternehmen • 2 ,4-fache Steigerung des Risikokapitals von 87 Mio. € auf 207 Mio. € (enthält 80 Mio. € aus der CureVacund 60 Mio. € aus der BRAIN-Finanzierung) Summe (Mio. €) 552 500 400 107 95 454 444 138 160 300 • V erdopplung der Sekundärfinanzierungen börsennotierter Unternehmen von 44 Mio. € auf 80 Mio. € 287 257 80 49 200 153 100 0 131 54 44 350 316 208 99 284 87 207 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 • P rivate wie börsennotierte Unternehmen liegen trotz des verdoppelten Kapitalzuflusses um ca. 35 % hinter den Durchschnittswerten aus 2006/07 • S eit 2006 im sechsten Jahr in Folge keine Börsengänge Sekundärfinanzierungen bei börsennotierten Unternehmen Börsengang Risikokapital Quelle: Ernst & Young, 2013 Kapitalaufnahme europäischer Biotech-Unternehmen • K apitalzufluss in Summe für 2012 (3,2 Mrd. €) liegt um erfreuliche 36 % über dem Mittel der vier Vorjahre – jedoch nach wie vor um signifikante 38 % unter dem Durchschnittswert aus 2006/07 Summe (Mio. €) 6.000 5.041 5.000 5.682 232 222 4.000 2.498 3.355 3.241 3.000 2.735 474 2.000 682 745 1.000 0 1.783 74 593 75 1.359 2.860 299 1.336 103 165 2.124 288 1.331 811 910 68 31 1.639 1.350 1.041 799 1.060 957 969 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Fremdkapital Börsengang • K eine nennenswerten Bewegungen bei der Eigenkapitalfinanzierung (Risikokapital und Sekundärfinanzierungen bei Börsengelisteten) • S tarkes Wachstum nur bei Fremdkapitalfinanzierungen (+362 %) • D rei IPOs spielen in Europa lediglich 31 Mio. € ein, dazu kommen ein Reverse IPO sowie ein Listing Sekundärfinanzierungen bei börsennotierten Unternehmen Risikokapital Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 67 Finanzierung Kapitalaufnahme US-amerikanischer Biotech-Unternehmen • R ückgang im VC-Segment: Mit 4,1 Mrd. US� lag das Risikokapital um 3 % unter Vorjahreswert und 7 % unter dem Durchschnitt der letzten vier Jahre Summe (Mio. US$) 29.693 30.000 25.000 20.000 20.560 289 23.250 21.721 21.215 17.527 5.930 15.000 13.291 15.173 8.640 10.000 5.000 0 1.191 1.133 16.415 4.642 3.417 8.744 9.504 9.779 5.933 8.198 8.855 4.228 6 697 1.097 814 765 3.965 5.960 4.415 4.669 4.406 4.266 4.126 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Fremdkapital Sekundärfinanzierungen bei börsennotierten Unternehmen Börsengang Risikokapital Quelle: Ernst & Young, 2013 68 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 • L eichte Zunahme der Follow-onFinanzierungen der börsengelisteten Unternehmen auf 8,9 Mrd. US� (+8 % vs. 2011) • F remdfinanzierungen klar rückläufig – Einnahmen von 9,5 Mrd. US� liegen um 42 % unter dem Vorjahreshoch • 1 1 IPOs haben frisches Kapital in Höhe von 765 Mio. US� eingefahren – plus zwei Listings und vier Reverse IPOs Finanzierung privater Biotech-Unternehmen Zur Erläuterung der nachfolgenden Statistiken sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass diese aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen und deshalb nur Investments abdecken, die von den Investoren oder Unternehmen publiziert wurden. Fluktuation statt Aufwärtstrend Die auf den ersten Blick erfreuliche, erneute Aufwärtsbewegung in der allgemeinen Finanzierungsstatistik der deutschen Biotechnologiebranche wird allein durch die Einbeziehung der Investorenklassen in die Analyse zumindest für die privaten Unternehmen wieder ins Gegenteil verkehrt. Die separate Betrachtung der Risikokapitalbeteiligung der Family Offices zeigt eindeutig, dass die Zunahme an Risikokapital im Vergleich zum Vorjahr allein auf ihr Konto geht. Wie in den Jahren 2008 und 2010 haben auch 2012 die Finanzierungsaktivitäten weniger Privatinvestoren die Statistik nach oben verschoben. Der Anteil der Family Offices an der gesamten Eigenkapitalfinanzierung betrug 88 Prozent, ein bisher nie erreichter Wert. Der Blick auf die verbleibenden Finanzierungsrunden durch klassisches VC und andere Eigenkapitalgeber ernüchtert noch mehr. In den letzten fünf Jahren nahm ihr Beitrag kontinuierlich ab und schlug 2012 nur noch mit einer Gesamtsumme von 25 Millionen Euro zu Buche. Über die letzten Jahre stieg der Anteil an alternativen Investoren kontinuierlich. Somit kann eine gewisse Dunkelziffer aufgrund der nicht durchgehend transparent gemachten Kapitalzuflüsse vermutet werden. Dennoch scheint klar, dass hinsichtlich einer Trendaussage eher die fortgesetzte Abwärtsbewegung der klassischen Finanzierungsinstrumente sowie die anhaltende Fluktuation des Geldes von Privatinvestoren relevant sind. Das nun schon im fast regelmäßigen Muster eines Zweijahresrhythmus ausgeprägte Verhalten der Family Offices verdeutlicht erneut die geringe Zahl der Investoren, die insgesamt über die Jahre keinen „Steady State“-Verlauf aufweisen können. Risikokapital und Beteiligung von Family Offices in Deutschland Summe (Mio. €) 400 350 164 50 300 218 250 200 113 182 150 100 20 51 50 186 265 95 79 66 2006 2007 2008 2009 2010 0 Risikokapital mit Familiy-Office-Beteiligung 35 25 2011 2012 Sonstiges Risikokapital Quelle: Ernst & Young, 2013 Neue Namen an der Family-Office-Front Der zitierte Ausschlag der Statistik nach oben basiert vor allem auf den beiden TopFinanzierungsrunden: zum einen dem Investment der dievini Hopp BioTech holding in CureVac (80 Mio. €), zum anderen der Beteiligung der Familie Putsch zusammen mit den MIG Fonds an BRAIN (60 Mio. €). Diese beiden Finanzierungen über insgesamt 140 Millionen Euro stellen bereits den Löwenanteil von fast 77 Prozent des gesamten Family Office Peaks. Das Investment des Family Office Hopp in CureVac folgt der Logik des bisherigen Engagements für die RNA-Vakzinierungstechnologie des Tübinger Unternehmens. Im Zuge der dort aktuell anstehenden Phase-IIb-Studien stand der Investor vor einer dualen Entscheidungssituation („Alles oder nichts“) und musste seinem Vertrauen in die erfolgreiche bisherige Entwicklung auch Taten folgen lassen. Durch die signifikante Kapitalspritze in Form der nunmehr vierten Finanzierungsrunde erhält CureVac Bewegungsspielraum für die Planung und Durchführung der klinischen Versuche in Phase II. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Aufgrund des unbestritten hohen Risikos der erstmals klinisch erprobten RNActive®Impfstofftechnologie ist zu bezweifeln, ob klassische VC-Konsortien sich auf dieses Investment eingelassen hätten. Insofern ist es eine wichtige Leistung der Family-OfficeInvestoren, dass sie gerade in der heutigen Zeit derartige Risiken akzeptieren und somit eine wichtige Stütze für wirklich signifikante Innovationen sind. Dieses Engagement kann deshalb nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dass sie dabei immer auch näher am Scheitern stehen, ist unvermeidbar; leider auch mit all den negativen Auswirkungen für das Ansehen der gesamten Branche. Erfreulicherweise ist festzustellen, dass die Family-Office-Szene mittlerweile durch neue Namen ergänzt wird. Offenbar steigt die Bereitschaft, privates Vermögen eher als Direktinvestment anzulegen, als es in Fonds zu investieren (vgl. Artikel Peter Brock, Family Office Services auf S. 95). Insbesondere nach den Äußerungen der bisher herausstechenden Family Offices Strüngmann und Hopp, wonach diese sich nach Jahren massiver Kapitalspritzen in den deutschen BiotechSektor nun stärker auf die Portfolio-Entwicklung konzentrieren wollten, ist dies eine willkommene Entwicklung. 69 Finanzierung Risikokapitalfinanzierungen deutscher Biotech-Unternehmen, 2012 Unternehmen Volumen (Mio. €) Bekanntgabe Runde Investoren CureVac 80,0 September 4 dievini Hopp BioTech holding BRAIN 60,0 November 2 MIG Fonds, MP Beteiligungs-GmbH, ungenannte Investoren AiCuris 25,0 Januar 3 Dom Capital, FCP Biotech Holding, Santo Holding, privater Investor Affimed Therapeutics 15,5 Oktober 5 Aeris Capital, BioMedPartners, LSP Life Sciences Partners, Novo Nordisk, OrbiMed Advisors Phenex Pharmaceuticals 5,0 Oktober 4 CD-Venture, CREATHOR VENTURE, EVP Capital, KfW, LBBW, Swiss Life, private Investoren Proteros biostructures 5,0 August 2 BayBG, institutionelle Investoren Algiax Pharmaceuticals 4,3 Mai 1 HTGF, KfW, private Investoren CEVEC Pharmaceuticals 2,8 Oktober 4 Peppermint VenturePartners, CREATHOR VENTURE, Midas Group, NRW.BANK AyoxxA Biosystems 2,6 * September 1 Wellington Partners, HTGF, NRW.BANK, Rainer Christine, Gregor Siebenkotten Rodos BioTarget 2,0 November 1 HTGF, Invest-Impuls, KfW, private Investoren conoGenetix biosciences 1,5 April 1 MEY Capital Matrix, BioM t-cell Europe 1,5 Mai Seed Constantin Bastian Leander Venture Capital, HTGF, ILB Cysal 1,0 November Seed eCAPITAL entrepreneurial Partners, HTGF JeNaCell 0,7 Oktober Seed HTGF, STIFT AMP Therapeutics n/a Januar 1 Boehringer Ingelheim Venture Fund, Novartis Venture Fund AptaIT n/a März 1 BioNTech, Prefound AudioCure Pharma n/a Mai Seed Jürgen Schumacher, HTGF Axiogenesis n/a Juni n/a V+ Management cube-biotech n/a Dezember 1 CREATHOR VENTURE Management, ungenannte Business Angels Enzymicals n/a Juni n/a BRAIN, Braun Beteiligungs GmbH Epivios n/a Juli Seed HTGF, Life Science Inkubator, TTHU, privater Investor Eternygen n/a September Seed IBB Beteiligungsgesellschaft mbH, private Investoren GeneQuine Biotherapeutics n/a November Seed HTGF, Innovationsstarter Hamburg GNA Biosolutions n/a Dezember 1 MEY Capital Matrix MYR n/a März 2 Maxwell Biotech Venture Fund OakLabs n/a Februar Seed HTGF oncgnostics n/a März Seed HTGF, STIFT Revotar Biopharmaceuticals n/a Februar 6 bmp Beteiligungsmanagement, bestehende und ungenannte Investoren Transimmune n/a Juni 1 QureInvest * 2. Tranche im Januar 2013 bringt die Finanzierung auf 3,0 Mio. € 70 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Quelle: Ernst & Young, 2013 Finanzierung Das Family Office Martin Putsch war zwar noch nicht breiter als Biotech-Investor in Erscheinung getreten, wenngleich eine Beteiligung an BRAIN bereits seit einigen Jahren besteht. Der Name Putsch ist eng verbunden mit der Marke RECARO, die mit Auto-, Flugzeug- und Kindersitzen erfolgreich wurde. Nach dem Verkauf der Autositzsparte (wesentliche Teile der Unternehmen Keiper und RECARO) an den amerikanischen Konzern Johnson Controls ist die Familie auch als Beteiligungsunternehmen aktiv. Interessant ist weiterhin, dass das aktuelle Investment in BRAIN mit der klaren Zielsetzung einhergeht, das bisher als Entwickler und vornehmlich in Partnerschaften operierende Unternehmen stärker direkt in die Industrialisierung seiner Technologielösungen einzubinden. Das zur Verfügung gestellte Kapital soll demzufolge für die Akquisitionen von Unternehmen aus dem weiteren Chemieumfeld eingesetzt werden, die durch ihre Marktpräsenz sowie ihre Entwicklungskompetenz komplette Wertschöpfungsketten für BRAIN etablieren können. Insofern ist auch hier das Betreten von Neuland verbunden mit ungewissem Erfolg und damit Risiken für die Kapitalanlage. Zusammen mit Putsch ist als weiterer Investor die MIG mit 20 Millionen Euro an der Finanzierungsrunde beteiligt. Ein weiterer neuer Name in der im letzten Report schon aufgeführten Reihe der FamilyOffice-Investoren ist MEY Capital Matrix aus München. Hinter diesem Investor steht der Automobilzulieferer Webasto (Dachsysteme, Standheizungen), dessen Inhaber nach neuen Anlagemöglichkeiten außerhalb ihres Stammgeschäfts suchten. Geplant sind insgesamt 15 Investments in Life-ScienceUnternehmen. Dabei setzt man vor allem auf Basis-Technologieplattformen, die im Bereich der Medikamentenentwicklung sowie der Diagnostik und Medizintechnik in überschaubaren Zeiträumen (vier bis fünf Jahre) zu Fortschritten führen sollten und deswegen im Zentrum des Interesses bei den etablierten Unternehmen dieser Sektoren stehen. Bisher wurden insgesamt fünf Beteiligungen kommuniziert, davon im aktuellen Berichtsjahr 2012 zwei Biotech-Unternehmen aus Martinsried, die die Investor-Philosophie klar widerspiegeln. conoGenetix biosciences hat eine proprietäre Technologieplattform zur Identifizierung von Peptiden entwickelt, welche in Ionenkanälen aktiv sind. Es wird dabei darauf abgezielt, Kanäle, die ursächlich an Autoimmunmerkrankungen (Rheumatoide Arthritis, Psoriasis etc.) beteiligt sind, zu blockieren. GNA Biosolutions, gegründet von Wissenschaftlern der LudwigMaximilians-Universität München, entwickelt eine proprietäre Technologieplattform für die ultraschnelle, laserbasierte DNA-Analyse mittels Nanopartikeln zur Marktreife. Damit wird zum Beispiel ein schnelles Analyseverfahren für den Erregernachweis, die Biosicherheit oder die Pharmakogenomik zur Verfügung gestellt (vgl. Artikel S. 111). Eine Besonderheit dieses Investors liegt in einem neuen Investitionsvehikel, das auch für Kleinanleger interessant sein soll: Es handelt sich um die Ausgabe einer Unternehmensanleihe mit Inhaber-Teilschuldverschreibungen, die Anleger mit einer unteren Stückelungsgröße von 1.000 Euro zeichnen können. Insgesamt ist die Etablierung eines 25-Millionen-Euro-Fonds mit einer maximalen Laufzeit von (nur) fünf Jahren geplant. Crowdfunding auch für Biotech? Das Scheitern des VC-Modells und die Abwendung institutioneller Investoren vom Life-Science-Sektor hat in den letzten Jahren die Suche nach alternativen Investoren vorangetrieben. Private Investoren, von den Family Offices über Business Angels bis zu individuellen Anlegern aus dem Mittelstand und Crowdfunding-Modellen rücken deshalb zusehends weiter in den Mittelpunkt des Geschehens. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Insbesondere wurden in den letzten Jahren Fonds-Konstrukte entworfen, um einer breiteren Bevölkerungsschicht renditeabwerfende Anlagemöglichkeiten im Life-ScienceSektor schmackhaft zu machen. Beispiele hierfür sind: • Die MIG Fonds mit inzwischen 13 FondsGenerationen mit Volumina um jeweils ca. 60 Millionen Euro (z. B. Fonds 13) und einer Stückelungsmöglichkeit zwischen 3.000 und 5.000 Euro pro Anlageeinheit bzw. auch kleinteiligerer Aufteilung über monatliche Ratenzahlungen auf eine Mindestanlage von 20.000 Euro (z. B. Fonds 12) • Der AMD Therapy Fund mit einem geplanten Fonds-Volumen von 60 Millionen Euro und Anlagemöglichkeiten für Kleinanleger ab 3.000 Euro (Laufzeit zehn Jahre) • Die MEY-Capital-Matrix-Anleihe im Volumen von 25 Millionen Euro mit Anlagemöglichkeit für Kleinanleger ab 1.000 Euro (Laufzeit fünf Jahre) Die MIG Fonds wurden mit diesem Modell zu einem der aktivsten Investoren in der Life-Science-Branche. Auch im Berichtsjahr 2012 war die MIG signifikant als Investor aktiv: Neben der Beteiligung an BRAIN wurden weitere Portfoliounternehmen mit kleineren Tranchen (0,5 bis 3 Mio. €) aus den verschiedenen Fonds weiterfinanziert. Die beiden anderen Genannten befinden sich noch im Vertrieb ihrer Anlageprodukte, d.h. im Fundraising. Gerade in Deutschland, dessen Industrie vor allem durch den Mittelstand geprägt ist, würde man ein sehr großes Potenzial von Privatanlegern erwarten. Diese sollten selbst unter Inkaufnahme von großen Risiken in der Lage sein, durch Allokation eines geringen Anteils ihres Vermögens in die oben genannten Fonds enorme Kapitalsummen darzustellen. Hingegen entspricht es aber offenbar eher der deutschen Mentalität, zu spenden, als sich auf Renditeversprechen einzulassen, die hohen Ausfallrisiken unterliegen. Verlorene Zuschüsse – eingeplant, aus sozialer Motivation – sind leichter zu verschmerzen als ein Totalverlust aus vermeintlicher Unfähigkeit bzgl. der richtigen Kapitalallokation. 71 Finanzierung Der AMD Therapy Fund, in dessen Investmentfokus Therapieentwicklungen auf dem Gebiet der altersbedingten Makuladegeneration stehen, baut sein Fundraising eben darauf auf, insbesondere betroffenen und interessierten Menschen die Möglichkeit zu bieten, sich finanziell für neue Therapien zu engagieren. Die Verzahnung von ideellen oder altruistischen Werten mit einem Finanzierungsvorhaben bietet gewissermaßen einen alternativen Return on Investment. Neben monetarisierbaren Gegenleistungen wie bspw. Rechten oder materiellen Gütern ist dies die Hauptmotivation für die Kapitalgeber im Crowdfunding. Durch das Internet erfreut sich das auch Schwarmfinanzierung genannte Konzept wachsender Beliebtheit. Insbesondere im Zuge der Social Media Revolution steigt die Anzahl der Onlineplattformen, die als Schnittstelle zwischen den Mikroinvestoren und Unternehmungen fungieren, beständig an. Der US-amerikanische Vorreiter der Szene – kickstarter.com – demonstriert, dass in der Masse durchaus Millionenbeträge zusammengetragen werden können. Und auch der hierzulande wohl erfolgreichste Anbieter seedmatch.de sammelte schon immerhin sechsstellige Investitionsbeträge für etliche Aktionen ein. Auch wenn die am höchsten dotierten Projekte meist künstlerisch-kreativer Natur sind, lässt dieser Trend doch Hoffnung aufkeimen, dass auch kapitalintensive Projekte wie biotechnologische Entwicklungen von diesem Investitionsvehikel profitieren können. Als Paradebeispiel für eine erfolgreiche Crowd-Finanzierung eines Biotech-Unternehmens vermeldete ANTABIO aus Frankreich erst im vergangenen Oktober, dass im Rahmen einer erfolgreichen Seed-Runde etwa 200 Kleinanleger ausgezahlt wurden. Das Start-up war zunächst über das französische Crowdfunding-Portal WiSEED finanziert worden, womit Validierungsschritte der Technologie bezahlt werden konnten. Darauf aufbauend konnte ein Investment eines Business Angel und später die SeedRunde mit einem industriellen Partner eingeworben werden. Im November 2012 startete hierzulande die erste deutschsprachige Plattform speziell für wissenschaftliche Projekte namens sciencestarter.de. Zwar ist die Aktivität mit derzeit lediglich zwei Projekten noch recht gering, allerdings befindet sich das Crowdfunding noch am Anfang seiner Entwicklung. Nicht zuletzt steht der Einfluss der „Digital Natives“ aus der Generation Y noch aus, die erst in den kommenden Jahren die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erreichen werden, um so Zugang zum digitalen Investitionsgeschäft zu erhalten. Vor diesem Hintergrund bleibt es sehr interessant abzuwarten, inwiefern sich neue schwarmfinanzierte Investitionsvehikel etablieren können, die – gepaart mit einem geschärften Bewusstsein für den Nutzen der Biotechnologie – mithelfen können, Entwicklungen voranzutreiben. Privatinvestoren vor dem „Aus“ durch AIFM? Bisher finden sich zwar nur wenige wissenschaftliche Projekte auf dem CrowdfundingMarktplatz, das internationale Umfeld macht aber bereits vor, dass gerade medizinische Themen die Gunst der Webgemeinde erreichen können. So konnte die Initiative MyProjects der Krebsorganisation Cancer Research UK unter dem Slogan „Choose the cancer you want to beat“ seit 2008 ca. eine Million Euro Spendengelder für verschiedenste onkologische Forschungsprojekte einsammeln. Auf der anderen Seite des Atlantiks sollen in naher Zukunft auf den Plattformen poliwogg.com und curelauncher.com Gelder für kostspielige klinische Studien gesammelt werden. In einer ohnehin schwierigen Situation hatten sich die für Kleinanleger aufgelegten Fonds ebenso wie die Crowdfunding-Industrie mit einer existenzbedrohenden politischen Initiative auf EU-Ebene auseinanderzusetzen: die AIFM-Richtlinie (Alternative Investment Fund Managers). Als Reaktion auf die Finanzmarktkrise hatte die EU-Kommission einen Richtlinienentwurf zur Regulierung alternativer Investmentfonds im europäischen Parlament verabschiedet. Relevant ist hier vor allem der angedachte bessere Schutz von Kleinanlegern vor Risiken der Kapitalanlage in Fonds und anderen riskanten Finanzprodukten. Sowohl Untergrenzen für Direktinvestments in Unternehmen als auch der 72 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 generelle Ausschluss nicht-professioneller Anleger sowie die Aufnahme aller geschlossenen Fonds (z. B. auch der MIG Fonds) auf die Liste der zu regulierenden AIFs (Alternative Investment Funds) hätten viele der o. a. Fonds-Konstrukte in die Bredouille gebracht und private Kleinanleger wieder aus diesem Sektor verbannt. Der aktuelle Stand der Umsetzung in nationales Recht (bis zum Juli 2013) scheint hier Lockerungen vorzusehen, damit die direkten Beteiligungen wieder zugelassen werden und auch Kleinanleger als „Semiprofessionelle“ damit nicht der ursprünglich vorgesehenen Restriktion unterliegen. Konkret hatten sowohl der AMD Therapy Fund über ein Genossenschaftsmodell als auch MEY Capital Matrix über das Modell einer Anleihe mit definierten Basis-Zinsgewinnen diese Regelungen bereits umgangen. Business Angels weiter angesagt Die im Volumen insgesamt kleiner werdenden Finanzierungsrunden sind für Business Angels ein gutes Terrain, um ihre Expertise verbunden mit eher geringerem Kapitaleinsatz einzubringen. Insofern ist die zunehmende Zahl an Runden mit Beteiligung von Business Angels folgerichtig. Weiterhin zeigt sich an Einzelbeispielen auch die Tendenz zur Zusammenarbeit zwischen mehreren BAs sowie die Einbeziehung ihrer lokalen Netzwerke, insbesondere regionaler Banken. Hier geht Nordrhein-Westfalen mit gleich mehreren guten Beispielen voran. Mit Algiax Pharmaceuticals wurde 2011 ein BiotechUnternehmen gegründet, das sich der Erforschung und Entwicklung neuer ZNS-Wirkstoffe im Bereich neuropathischer Schmerzen verschrieben hat. Die Basis der Finanzierung bilden gleich vier bekannte Biotech-Pioniere in NRW mit ihren jeweiligen Investitionsvehikeln: • Riesner Verwaltungs GmbH (Prof. Detlev Riesner) •R MMM Holding GmbH (Martin Nixdorf) • ROI Verwaltungsgesellschaft mbH (Roland Oetker) • Schumacher Familienholding GmbH (Jürgen Schumacher) Finanzierung Nicht nur das gemeinsame Engagement der Privatinvestoren ist beispielgebend. Darüber hinaus stellt Algiax Pharmaceuticals eines der ersten Investments des EIF Angel Fonds dar, mit dem sich die EU an innovativen Beteiligungen über Mittlerinvestoren aus dem BA-Bereich beteiligt. Über die ausgewiesene Expertise dieser Branchen-„Gurus“ hinaus konnte durch weitere Beteiligungen des High-Tech Gründerfonds (HTGF) sowie der KfW-Förderbank immerhin die signifikante Startfinanzierung von 4,3 Millionen Euro akquiriert werden. Private Business Angels spielen auch bei einem weiteren Start-up in NRW eine Rolle. AyoxxA Biosystems – eine Proteomics-Firma mit einer Technologieplattform zur Analyse von Proteinen auf Biochips – wurde 2012 in Köln als Zweigniederlassung einer Gründung in Singapur gestartet. Hinter der 2,6-Millionen-Euro-Finanzierungsrunde in dieses Unternehmen steht zwar mit Wellington Partners auch ein klassischer VC-Fonds sowie ebenfalls HTGF und KfW; sehr stark involviert sind hier aber vor allem Rainer Christine und Gregor Siebenkotten als Business Angels (beide ehemalige amaxaVorstände). Der Link zur lokalen Bank (NRW.Bank) rundet das Bild ab. In beiden Fällen (Algiax und AyoxxA) nehmen die erwähnten Business Angels auch als BoardVorsitz (Rainer Christine bei AyoxxA) bzw. als CEO (Jürgen Schumacher bei Algiax) wichtige Management-Funktionen wahr. Die Reihe der BA-Engagements lässt sich fortsetzen: •A lgiax Pharmaceuticals, Erkrath (s. o.) •A yoxxA Biosystems, Köln (s. o.) •A udioCure Pharma, Berlin (Jürgen Schumacher, HTGF) •C ube Biotech, Monheim (lokale BAs, HTGF) •E pivios, Düsseldorf (HTGF, LSI, privater Investor) •E ternygen, Berlin (HTGF, private Investoren, IBB) Neben der aktiven Unterstützung der meisten europäischen VC-Fonds hat der EIF (European Investment Fund) im letzten Jahr ein neues Finanzierungsvehikel mit Ausrichtung auf die aktiver werdenden Business Angels aufgelegt. Dieses sieht vor, Investments individueller Business Angels pro rata und pari passu aufzustocken. Dabei werden nur individuelle Co-Finanzierungsvereinbarungen mit individuellen BAs abgeschlossen und es gibt gewisse Selektionskriterien: • 250.000 bis 5.000.000 Euro Investitionsvolumen • Track Record des BA hinsichtlich Anzahl früherer Investments und Exits Die Grundidee des EAF wird von allen Seiten sicherlich positiv empfunden, wenngleich die Erfüllung der Kriterien nicht einfach ist und den Kreis der Nutznießer und der privaten Investoren deutlich limitiert. HTGF – ein immer stärkerer Aktivposten für Biotech-Finanzierungen Wie bereits erwähnt, ist der High-Tech Gründerfonds an allen Business-Angel-Runden beteiligt. An 11 der insgesamt 29 für Deutschland beschriebenen Finanzierungsrunden im privaten Biotech-Sektor (38 %) war der HTGF beteiligt und damit der weitaus aktivste Investor. Dies liegt sicherlich in erster Linie an der hohen Zahl von 18 Seed- und Erstrundenfinanzierungen, die zwei Drittel aller Runden ausmachen und auftragsgemäß das Haupt-Investmenttarget für die Bonner darstellen. Typischerweise liegt in fast allen Investments des HTGF eine einheitliche Konstellation vor, die durch die Anbindung an lokale Förderinstitutionen und Business Angels sowie regionale Geldinstitute charakterisiert ist. Diese Konstellationen zeigen vor allem auch, dass die insgesamt wenigen Finanzierungen fast ausschließlich im Gründungsund frühen Unternehmensentwicklungsbereich stattfinden, während für spätere Stadien – außer in wirklichen Einzelfällen wie bspw. Family Offices – keine Investoren bereitstehen. Klassische VCs in Ausnahmeposition Wie bereits im letzten Jahr sind die klassischen Venture-Capital-Fonds nur noch sehr vereinzelt als aktive Marktteilnehmer auszumachen; bezeichnenderweise auch fast nur in Anschlussfinanzierungen (vierte und fünfte Runde). Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Darunter ragt als einzige signifikante Runde die fünfte Finanzierung von Affimed über 15,5 Millionen Euro heraus. Das neue Affimed-Management sieht sich allerdings nach einem Quasi-Neustart des ursprünglich 2000 gegründeten Unternehmens 2007 deutlich „früher“ positioniert. Besonderheit dieser Runde ist das Konsortium, das vorwiegend auf ausländischen VCs (OrbiMed / USA, Life Sciences Partners / NL, BioMedPartners / CH) beruht und zusätzlich mit Novo Nordisk einen ebenfalls im Ausland ansässigen strategischen Partner aufweist. Dies bestätigt die Attraktivität der von Affimed verfolgten Strategie, die einerseits auf einer Plattform (TandAb®, tetravalente Antikörper) beruht, andererseits aber vornehmlich das Lead-Produkt verfolgt, welches gerade erst in Phase I getestet wird (AFM13, anti-CD30xCD16A; Hodgkin-Lymphom). Die Vorteile dieser Strategie werden im Artikel von CEO Adi Hoess im Kapitel „Produkte“ näher beschrieben (S. 105). Als einzige rein deutsche, aktive VC-Investoren sind nur Wellington Partners, CREATHOR VENTURE und Peppermint VenturePartners verblieben. Die Finanzierungsrunden, für die sie im Jahr 2012 Kapital beigesteuert haben, sind fast allesamt im Technologiebereich angesiedelt: • CEVEC Pharmaceuticals (Zelltechnik) • AyoxxA Biosystems (Proteomics Chips) • Cube-biotech (Membrantechnologie) CREATHOR VENTURE ist außerdem an der aktuellen 2012er Runde von Phenex Pharmaceuticals beteiligt und damit an einem Technologie- / Therapieentwicklungsunternehmen. Venture Capital kam darüber hinaus in begrenztem Umfang aus wenigen Fonds mit regionaler Anbindung in bestimmten Bundesländern. So trugen die Investitionsbank Berlin, bmp Beteiligungsmanagement (Brandenburg), BioM (München), eCAPITAL entrepreneurial Partners (Münster) und die BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft (München) jeweils ihren Teil zu den meist sehr lokalen kleinen Runden bei. 73 Finanzierung Ausländische VC-Investoren nach wie vor nur sporadisch in Deutschland aktiv Deutschland kann sicherlich viele Innovationen im Bereich der biotechnischen Entwicklung aufweisen; dennoch ist der Standort nach wie vor nicht ausgesprochen attraktiv für ausländische Investoren. Lediglich in der Affimed-Runde haben sich einige zusammengefunden (s. o.). Darüber hinaus Fehlanzeige bis auf eine eher nicht erwartete Ausnahme: Mit Maxwell Biotech Venture Fund hat erstmals ein russischer VC-Fonds in Deutschland ein Investment getätigt. Maxwell Biotech Venture Fund ist der erste russische Fonds, der voll auf den Life-Science-Sektor setzt. Er wurde mithilfe eines russischen Regierungsfonds aufgelegt, der eigentlich den Auftrag hat, innovative Entwicklungen in Russland voranzubringen. Allerdings ist Maxwell mittlerweile mit Büros in Moskau und Boston international aufgestellt. Corporate Venture Capital und strategische Investoren auch in Deutschland aktiv Schließlich sind auch die bereits in den letzten Jahren viel diskutierten Aktivitäten von Corporate Venture Capital und strategischen Investoren in Deutschland wieder sichtbar. Interessant ist, dass gleich zwei Strategen mit ihren CVC-Fonds sich auf ein und dasselbe Target gestürzt haben: Sowohl für den Novartis Venture Fund als auch für den Boehringer Ingelheim Venture Fund war AMP Therapeutics ein lohnendes Asset. Die junge pharmazeutische Firma aus Leipzig hat sich auf die Erforschung und Entwicklung innovativer Breitspektrum-Antibiotika zur Behandlung von Infektionen durch multiresistente gramnegative Bakterien fokussiert. Offensichtlich ist dieses Feld inzwischen 74 für Pharma-Firmen wieder höchst attraktiv geworden. Dies untermauert auch der im letzten Jahr abgeschlossene Deal zwischen AiCuris und Merck & Co. (genauer erläutert im Kapitel „Transaktionen“). AMP Therapeutics kann auf eine hoch innovative Technologieplattform mit natürlichen Peptiden bauen, die Bestandteile des Immunsystems von Insekten sind (z. B. die Apidaecine der Honigbiene und die Oncocine der Milchkrautwanze). Auf dieser Basis wurden Leitstrukturen entwickelt und hergestellt, die in vitro und in vivo bezüglich ihrer pharmakologischen Schlüsseleigenschaften sowie anschließend in klinischen Studien am Menschen getestet werden (vgl. Artikel von Marc W. Hentz auf S. 76). Dieses Investment ist sehr typisch für die Ziele/ Kennzeichen der Pharma-CorporateVenture-Funds: • Eine sehr frühe Technologieplattform mit dem Potenzial zur nachhaltigen Generierung innovativer Wirkstoffe • Die Möglichkeit, an einer Innovation früh und ohne großen Aufwand (Risiko, Kosten, Commitment) teilzunehmen und gegebenenfalls priorisierte Zugriffsrechte zu erhalten • Therapiegebiete mit großem Zukunftspotenzial • Ein zu früher Zeitpunkt für das Engagement von Pharma Business Development Neben den genannten CVC-Fonds waren strategische Investoren in wenigen Finanzierungsrunden involviert. Novo Nordisk schloss sich der Affimed-Runde an; BioNTech, das Mainzer Biotech-„Konsortium“ mit Schwerpunkt auf individueller Immuntherapie aus dem Strüngmann-Portfolio, erwarb eine Beteiligung an dem Bioinformatik-Start-up AptaIT. AptaIT ist ein idealer Fit für die Bestrebungen bei BioNTech, durch Next Generation Sequencing (NGS) einzelne Krebspatienten nach Sequenzierung ihrer Tumor-DNA einer gezielten „individualisierten“ Therapie zuzuführen. Für die Auswertung von NGS-Daten sind hochspezifische Programme erforderlich, wie sie AptaIT bieten kann. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Außerhalb des Medizinsektors waren schließlich BRAIN und die Braun Beteiligungs-GmbH mit einer Beteiligung an Enzymicals aus Greifswald aktiv. Dieses Investment sowie die bereits 2010 getätigte erste Beteiligung ist ein erster Schritt auf dem Weg der Industrialisierungsstrategie von BRAIN. Durch die Kombination der Enzymicals-Kompetenz in industriellen Chemieprozessen und der BRAIN-Technologie zum Genetic Engineering innovativer Enzymfunktionen wurde eine fast komplette Wertschöpfungskette für die Herstellung von Feinchemikalien etabliert. Dazu gehört inzwischen auch die Produktionsfirma HERBRAND PharmaChemicals. Business Angels und Venture-Capital-Investoren – Nur gemeinsam stark gen zwischen den Polen sind vielfältig. Vor dem Hintergrund dieser Vielfalt stellen die folgenden Aussagen fraglos eine starke Verallgemeinerung dar und konzentrieren sich auf Business Angels, die aus dem Life-ScienceBereich stammen. Rainer Christine, Science to Market Venture Capital GmbH, Köln Die Retter der deutschen Biotechnologie? Business Angels – geflügelte Wesen zur Errettung der deutschen Life-Science-Unternehmen? Leider nicht. Aber in vielen Fällen Akteure mit Bodenhaftung und Erfahrung, die einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau erfolgreicher Start-ups leisten können. Es gibt keinen typischen Business Angel Der Begriff Business Angels suggeriert, dass es sich um eine halbwegs homogene Gruppe von Investoren handelt. Die Realität ist allerdings deutlich facettenreicher: vom Investor, der „nur Geld“ zur Verfügung stellt, das er nicht im Life-Science-Bereich verdient hat, und außerhalb von Gesellschafterversammlungen nicht mit dem Unternehmen interagiert – bis hin zum Investor, der Geld, Knowhow und Netzwerk zu bieten hat, auf reichhaltige operative Erfahrung bei Life-ScienceStart-ups zurückgreifen kann, mehrmals pro Woche mit dem Unternehmen Kontakt hat und vielleicht sogar den Beiratsvorsitz übernimmt, reicht das Spektrum. Eine andere wichtige Dimension: geschieht das Investment am Rande des eigenen Arbeitsschwerpunkts, bestenfalls als Nebentätigkeit, oder stellt die Tätigkeit als Business Angel einen wichtigen Teil des eigenen Alltags und Selbstverständnisses dar? Die Schattierun- Unterschiede VC – BA Gibt es also wichtige Unterschiede zwischen institutionellen Venture-Capital-Investoren und Business Angels? Auch hier erfordert die Abgrenzung das Aushalten von etwas Stereotypie. Die Ausnahmen von der Regel sind hier zahlreich. VCs haben tiefere Taschen, selektieren ihre Investments aus breiterem Dealflow (z. B. einem Deal von hundert), machen die professionellere Due Diligence und die professionelleren Verträge. Sie sind stärker auf einen Exit fokussiert, haben hierbei engere zeitliche Vorgaben, auch aufgrund der eigenen Fonds-Struktur. VCs, besonders wenn sie ihr ganzes Berufsleben in dieser Rolle verbracht haben, besitzen manchmal einen eingeschränkteren Blick auf das Unternehmen und dessen Erfolgsfaktoren. So lange keinem ehrlichen Feedback mehr ausgesetzt, steht es mit der Selbstwahrnehmung hier und da nicht zum Allerbesten. Und gelegentlich weisen VCs die Tendenz auf, ihre Rendite auf Kosten der Gründer und anderer Gesellschafter optimieren zu wollen. Privatinvestoren hingegen haben weniger tiefe Taschen und selektieren aus geringerem Dealflow (z. B. einem Deal von zehn). Das senkt potenziell die Qualität der durchgeführten Investments, allerdings kann die Herkunft aus dem persönlichen Netzwerk auch eine wichtige Vorselektion darstellen. Business Angels haben einen geringeren Fokus auf professionelle Due Diligence und Verträge. Sie sind in vielen Fällen weniger stark Exit-orientiert und haben oft den längeren Atem bei ihren Investments. Business Angels haben aufgrund ihrer unternehmerischen Erfahrung (sofern vorhanden) die Firma in ihrer Komplexität besser im Blick und ein Herz für Gründer, die sie vielleicht selbst einmal waren. Sie wissen aus Erfahrung, dass Ausgleich der Interessen ein wichtiger Beitrag zum Erfolg ist. Zu beglückwünschen sind vor allem die Unternehmen, deren Investoren in der Lage sind, das Beste aus beiden Welten zu kombinieren: tiefe Taschen und unternehmerische Erfahrung, professionelle Due Diligence und einen wohlwollenden Blick auf die Gründer, Ausrichtung auf einen Exit als wichtige Leitlinie, aber ohne Zeitdruck zur Unzeit. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Problem Finanzierung Die Finanzierung von Life-Science-Unternehmen in Deutschland steckt in einer tiefen Krise. Es steht auch den guten Unternehmen zu wenig Kapital zur Verfügung, um sich mit optimaler Geschwindigkeit zu bewegen; bzw. in vielen Fällen sich überhaupt noch zu bewegen. Die Gründe hierfür sind vielschichtig: mangelnde Erfolge in der Vergangenheit, schlechtes konjunkturelles Timing für die entstehende VC-Szene in Deutschland (etwa das schlechte Abschneiden der Fonds, die um das Jahr 2000 aufgelegt wurden), erschwerte Rahmenbedingungen für die potenziellen Investoren in VC-Fonds sowie keine etablierte Kultur zur Finanzierung von Start-ups bei den verbleibenden Investoren. Kein VERSUS, sondern ein UND: Gemeinsam ans Ziel Die größere Rolle, die Business Angels in den letzten Jahren bei der Finanzierung junger Life-Science-Unternehmen spielen, ist durchweg zu begrüßen. Auch der European Angels Fund des EIF liefert hier einen wertvollen Beitrag. Das Gesamtvolumen von 70 Millionen Euro, welches in allen Technologiebereichen über die nächsten fünf bis zehn Jahre investiert werden soll, macht allerdings deutlich, dass auch diese Initiative alleine die Finanzierungskrise nicht lösen wird. In diesen Krisenzeiten, aber auch grundsätzlich gilt wohl, dass alle Akteure in der Life-Science-Welt am besten gemeinsam ans Ziel kommen, und zwar an das Ziel, nachhaltig erfolgreiche Unternehmen aufzubauen, die Produkte entwickeln, welche die Kunden bezahlen wollen. Die Fragestellung nach Business Angels VERSUS Venture Capital erscheint daher wenig hilfreich, vielmehr geht es um die Frage Business Angels UND Venture Capital. Wie sieht eine konstruktive, vertrauensvolle, unternehmensorientierte Zusammenarbeit aus, um die kargen verbliebenen Ressourcen in bester Weise für die Portfoliounternehmen und damit auch für deren Gesellschafter zu nutzen? Und wie kann das auf Grund gelaufene Schiff „Venture Capital“ wieder flottgemacht werden? www.science-to-market.com 75 Honigbienen und Milchkrautwanzen überzeugen Boehringer und Novartis: Corporate Venture für AMP Therapeutics Kernteam im Hauptquartier in der BIO CITY Leipzig übernimmt ausgewählte Aufgaben aus Qualitätskontrolle, entwicklungsbegleitender Forschung und Synthese. Die Firma profitiert von ihrer Lage Tür an Tür mit der Arbeitsgruppe von Prof. Ralf Hoffmann, was die fortgesetzte Nutzung universitärer Infrastruktur und Großgeräte erlaubt und bereits zwei erfolgreiche gemeinsame Fördermittelanträge ermöglicht hat. Dr. Marc W. Hentz, Managing Director AMP Therapeutics GmbH, Leipzig Gefahr der multiresistenten Bakterien Durch Krankenhausinfektionen sterben allein in Deutschland jedes Jahr über 15.000 Menschen – Tendenz steigend. Nach Expertenmeinung fehlen bis 2020 mindestens zehn neu entwickelte Antibiotika, um der wachsenden Gefahr durch (multi-)resistente Bakterien adäquat begegnen zu können. Andernfalls droht ein Rückfall in die präantibiotische Ära mit drastischen Konsequenzen. Wenig Resonanz der VCs Als wir 2010 den Businessplan für die Entwicklung solch neuartiger Antibiotika konzipierten, war uns bewusst, dass das Fundraising für ein derartig frühes, präklinisches Projekt eine Herausforderung sein würde. Antibiotikaentwicklung war und ist nach wie vor ein Gebiet, aus dem sich die meisten Pharma-Firmen zurückgezogen hatten. Obwohl wir in der Community europäischer Life-Science-Investoren über ein gutes Netzwerk verfügten, war die Resonanz zunächst enttäuschend. Die meisten VCs sind auf Portfoliopflege und das Entwickeln „risikoreduzierter“ Ansätze fokussiert – für innovative und riskante Konzepte im Bereich Drug Development gibt es nur eine sehr eingeschränkte Nachfrage. AMP Therapeutics: Lean & Smart Vor diesem Hintergrund startete 2009 die AMP Therapeutics GmbH (AMPT) als Ausgründung der Universität Leipzig. In der Arbeitsgruppe von Prof. Ralf Hoffmann vom Institut für Bioanalytische Chemie war es gelungen, die seit längerem bekannten antimikrobiellen Peptide aus Insekten durch gezielte Strukturveränderungen zu stabilisieren und deren Wirksamkeit zu verbessern. AMPT übernahm die beiden Substanzklassen der Apidaecine (aus der Honigbiene) und der Oncocine (aus der Milchkrautwanze). Was eine Entwicklung unter Pharma-Gesichtspunkten besonders interessant machte, war die neue Wirkweise der optimierten Substanzen, die die Bildung resistenter Bakterien erschweren. AMPT war von Beginn an als schlanker Projektentwickler geplant, der mit den besten CROs weltweit kooperiert. Zwei Co-Geschäftsführer managen die Bereiche R&D einerseits sowie Finances & Business Development andererseits. Das Corporate Venture: NVF und BIVF Daher knüpften wir außerdem Kontakte zu den firmeneigenen VC-Fonds der PharmaKonzerne, den Corporate Venture Capital Funds (CVC). Früh stießen wir dort auf ein deutlich größeres Interesse. In den anfangs parallel und später zusammen geführten Diskussionen mit dem Novartis Venture Fund (NVF) und dem 2010 neu aufgelegten Boehringer Ingelheim Venture Fund (BIVF) stimmten wir schnell überein, wie ein solches Projekt aufzusetzen sei. Insbesondere die sehr wissenschaftsbasierte Due Diligence und Diskussion trieb den schnellen Fortschritt in dieser Phase. Wir einigten uns auf eine gleich hohe Beteiligung beider Fonds, die in einer Finanzierungsrunde Ende 2011 / Anfang 2012 umgesetzt wurde. Das Investment stellte die erste Beteiligung von BIVF in Deutschland dar, der mittlerweile weitere gefolgt sind. Für den Novartis Venture Fund (über 550 Mio. US� unter Management)war es das erste und bisher einzige Investment in Deutschland. Obwohl NVF seinen Hauptsitz in Basel hat, wird die Betreuung des Investments aus dem Büro in Boston gesteuert. Mit Henry Skinner aus dem NVF Büro in 76 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Cambridge (Massachusetts), der den NVF im Advisory Board repräsentiert, ist nun ein ehemaliger CEO einer Antibiotikafirma Teil des Teams. Durch Martin Heidecker – einen erfahrenen Venture Capitalist, der den BIVF vertritt – eröffnen sich für AMP Therapeutics wichtige Kontakte in die Forschungsabteilungen und zu den Spezialisten von Boehringer Ingelheim. Für beide Fonds ist die Beteiligung an AMPT bereits das zweite gemeinsame Investment (nach Okairos, Schweiz). Keine Nachteile für AMPT Den Vorteilen der Finanzierung durch Corporate Venture Capital stehen für AMPT keinerlei sichtbare Nachteile gegenüber. Da keiner der beiden bestehenden CVC-Gesellschafter Lizenz- oder Optionsrechte hält, steht späteren Partnerschaften mit anderen Pharma-Unternehmen nichts entgegen. Die Beteiligung weiterer klassischer VC-Investoren wird für die nächste Finanzierungsrunde im laufenden Jahr angestrebt. Innerhalb dieser Finanzierungsperiode soll die erste LeadSubstanz dann in die klinische Phase I eintreten. CVC als generelles Finanzierungsinstrument? Ist das ein garantiertes Erfolgsrezept oder eine Alternative für alle Start-ups im Bereich Drug Development? Die Antwort muss Nein lauten, denn immer spielen Timing und auch Glück eine Rolle. Während unverändert eine hohe Übereinstimmung bei den üblichen harten Kriterien und der Bewertung bestehen muss, gibt es einige weiche Faktoren, die nur bedingt zu steuern sind: Reputation und Netzwerk des initialen Advisory Boards können den erfolgreichen Kontakt zu den Investoren über passende individuelle Kontakte erleichtern. Auch die persönliche Ansprache der Investoren durch das Management bei Konferenzen o. a. Anlässen kann hilfreich sein, um die Sichtbarkeit und Priorität des eigenen Projekts zu steigern. Festzuhalten bleibt die hohe Ansprechbarkeit und Risikobereitschaft von CVC-Investoren, was den Sektor Drug Discovery angeht. Diese stellen im aktuellen schwierigen Marktumfeld insbesondere für deutsche Biotech-Start-ups aus diesem Bereich eine der wichtigsten Ressourcen für die Translation früher Entwicklungskandidaten dar. www.amp-therapeutics.com Finanzierung Service for Equity – US CROs starten auch in Deutschland durch In Zeiten extrem schwieriger Finanzierung ist für Biotech-Unternehmen Kreativität bei der Erschließung neuer Geldquellen gefragt. Andererseits sind auch Dienstleister wie zum Beispiel Auftragsforschungs- und Entwicklungsorganisationen von finanziellen Engpässen ihrer Kunden betroffen, wenn diese die Leistungen nicht mehr bezahlen können. Diesem Dilemma waren bereits früher CROs (z. B. FocusCDD) begegnet – dadurch, dass sie versuchten sich in einem Service-for-Equity-Modell die Dienstleistungen in Form von Firmenanteilen bezahlen zu lassen. Leider hat sich keines dieser Modelle bisher als nachhaltig erwiesen. Wie der nachfolgende Artikel von CATO BioVentures aufzeigt, funktioniert deren Konzept zumindest in den USA und soll nun in Europa (inklusive Deutschland) übernommen werden. Ein wesentlicher Bestandteil des Modells ist die Trennung der reinen CRO-Services (CATO Research) von den Kapitalgebern, die als CATO BioVentures firmieren. Grundsätzlich existieren zwei unterschiedliche Modelle der Zusammenarbeit: • Das Partnership-Programm • Das Majority-Ownership-Programm Während in der ersten Variante individuelle Produktentwicklungen als Asset im Mittelpunkt der Vereinbarung stehen und die entsprechenden Entwicklungskosten gegen Anteile getauscht werden, bezieht das zweite Programm ein ganzes Portfolio mit ein. In beiden Fällen ergeben sich für die beteiligten Unternehmen Vorteile. Das Konzept hat positive Auswirkungen auf den Cashflow, verringert das Umlaufvermögen in der Bilanz und eröffnet dem Sponsor die Möglichkeit, mit insgesamt geringerem Kapitaleinsatz den Drug-Development-Prozess zu finanzieren. Auch der Due-Diligence-Prozess ist einfacher gestrickt und verbindet das notwendige Master Service Agreement mit der Finanzierung bzw. dem Anteilskapital. Die Majority-Ownership-Variante kommt dabei in die Nähe von Modellen, die auch für Pharma-Unternehmen in jüngerer Vergangenheit interessant waren. Externe Finanzierungen von Projekten oder Teilportfolios sind realistische Szenarien, wenn es darum geht, die Werte vorhandener Assets bei limitiertem F&E-Budget optimal auszuschöpfen. In den USA hat CATO BioVentures nach diesen Modellen bereits Verbindungen zu 22 Portfoliounternehmen, vier davon im Majority-Ownership-Programm. Es bleibt abzuwarten, ob und wie dieses Modell auch in Europa und Deutschland Einzug findet. Standortwechsel wegen Finanzierung? Regionalisierung des Kapitals? Hierfür gab es bereits früher Beispiele: Etwa als Phenex Pharmaceuticals in ihren Anfängen kein VC-Kapital in Heidelberg bekommen konnte und deshalb den Umzug nach Ludwigshafen wagte, wo in Rheinland-Pfalz die EVP Capital Management (ehemals equinet Venture Partners) die Finanzierung übernahm. Auf der Liste der aktuellen Finanzierungen stürzt die Rundengröße nach den beiden großen Finanzierungen von CureVac und BRAIN jäh ab und landet mit nur zwei Ausnahmen (AiCuris und Affimed) schnell bei einstelligen Millionensummen. In diesen immer kleiner werdenden Runden nimmt die Präsenz wie auch die Bedeutung lokaler Kapitalgeber – lokaler Business Angels, lokaler Banken, VC-Äste von Landesregierungen etc. – sichtbar zu. In der Tabelle der Beteiligungsfinanzierungen in Deutschland ist dieser „Regionalisierungstrend“ deutlich sichtbar. Bei zwei Dritteln der 29 aufgeführten Finanzierungen sind regionale Investoren zumindest an Bord. Aus Sicht der kapitalsuchenden Firmen eigentlich ein Segen: Lokale Netzwerke und die persönliche Interaktion mit Banken und Business Angels haben Vorteile. Auch die Kapitalgeber in direkter Nachbarschaft zu ihren Portfoliounternehmen können daraus Nutzen ziehen. Andererseits müssen Unternehmen mit Blick auf die Standortwahl diese Faktoren stärker berücksichtigen. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Mit der allgemein schlechten Finanzierungslage in Deutschland und der zuvor beschriebenen Regionalisierung der Finanzierungsszene gewinnt die Standortfrage auch aus diesem Aspekt heraus an Bedeutung. Während bisher in puncto Standort vor allem die Nähe zu Kollaborationspartnern, dem wissenschaftlichen Umfeld oder allenfalls Zulieferern eine Rolle spielte, kommt möglicherweise der Investor als weiteres Element hinzu. Wenn die passenden Investoren und/oder Partner nicht vor Ort gefunden werden, ist auch ein Standortwechsel eine denkbare Option. Ein aktuelles Beispiel betrifft CyTuVax. Das ehemals in Dortmund gegründete Unternehmen, das 2012 als ein Gewinner des Science4Life Venture Cup ausgezeichnet wurde, hat eine innovative Immuntherapieplattform zur Krebsvakzinierung entwickelt. Der zentrale Baustein ist ein auf Zytokinen in Depotform basierendes hoch effektives Adjuvans. Zytokine sind körpereigene Biomoleküle, mit deren Hilfe Zellen des Immunsystems miteinander kommunizieren. Durch ihre Anwendung in Depotform in Vakzinen kann das Immunsystem gezielt beeinflusst werden. Damit wird es möglich, selbst gegen Tumoren und problematische Infektionskrankheiten zu vakzinieren. Trotz des hochinnovativen Ansatzes konnte in Deutschland keine Finanzierung realisiert werden, woraufhin CyTuVax ins Nachbarland Niederlande auswanderte. Am neuen Standort in Maastricht gelang offenbar, was in Deutschland verwehrt geblieben war: eine Beteiligung durch Nedermaas Ventures, ein ebenfalls regional auf die Region Limburg konzentrierter Ast der Industriebank LIOF. 77 Finanzierung über strategische Investments: BRAIN AG und BBG GmbH haben Potenzial der Enzymicals erkannt Enzyms werden die Prozesse, inklusive der Aufarbeitung der Produkte, entwickelt. Ziel ist eine Auslizenzierung an die Kunden. Dr. Ulf Menyes, CEO Enzymicals AG, Greifswald Enzymicals AG – Spezialisten im Bereich Biokatalyse 2009 als Start-up aus dem AK Bornscheuer an der Universität Greifswald gegründet, ist die Enzymicals AG auf die biokatalytische Prozessentwicklung und Herstellung von Fein- und Spezialchemikalien bis in den Kilogrammmaßstab und einzigartigen Biokatalysatoren (Enzyme) spezialisiert. Produkt- und Dienstleistungsspektrum Alleinstellungsmerkmale besitzen die Greifswalder im Bereich der rekombinanten Schweineleberesterasen, (R)-selektiven Amintransaminasen und Baeyer-VilligerMonooxygenasen. Das Enzymportfolio enthält innovative Biokatalysatoren in verschiedenen Qualitäten, um den Aufgabenstellungen der Kunden im höchsten Maße gerecht zu werden. Auch andere Enzymklassen werden im Rahmen von Kundenprojekten bearbeitet und auf ihre effiziente ökonomische Nutzbarkeit gegebenenfalls durch Protein Engineering hin angepasst. Dabei steht dem Unternehmen neueste Technik zur Verfügung. Ein Schwerpunkt für das interdisziplinäre Team aus Biochemikern, Chemikern und Biologen bildet darüber hinaus der Dienstleistungs- und Prozessentwicklungsbereich. Hier werden z. B. Screenings für die biokatalytische Umsetzung von Chemikalien angeboten. Bei Eignung eines 78 Industriepartner investieren strategisch Die Enzymicals AG hat von Ihrer Gründung an auf strategische Kooperationen – verbunden mit strategischen Investments zur ersten Finanzierung des Unternehmensaufbaus – gesetzt. So sind seit 2010 die BRAIN AG und seit 2012 zusätzlich die BBG (Braun Beteiligungs) GmbH Greifswald jeweils mit Minderheitsbeteiligungen investiert. Zur BBG GmbH gehört auch die HERBRAND PharmaChemicals, ein klassischer API-Hersteller. Weitere Unternehmen mit BBG-Beteiligung, welche für Enzymicals von Relevanz sind, sind die CHEPLAPHARM Arzneimittel GmbH und die WALTER RITTER GmbH & Co. KG. Optimale Positionierung innerhalb der Enzym-Wertschöpfungskette Die Kernkompetenzen der direkt miteinander kooperierenden Firmen ergänzen sich optimal: BRAIN identifiziert, optimiert und produziert neue Enzyme. Enzymicals übernimmt die Anwendungs- und Prozessentwicklung der biokatalytischen Prozesse für chemische und pharmazeutische Produkte sowie die prozessorientierte Enzymoptimierung. Am Ende steht dann die biokatalytische Produktion von pharmazeutischen Wirkstoffen (APIs) unter cGMP-Bedingungen der HERBRAND PharmaChemicals GmbH. Der Verbund der Unternehmen bildet damit eine einzigartige Wertschöpfungskette: vom neuen Enzym bis hin zum biokatalytisch hergestellten chemisch-pharmazeutischen Produkt (inklusive der Möglichkeit, im Netzwerk auch die kompletten Arzneimittel mit ökologisch und ökonomisch effizienten Prozessen herstellen zu können). Ein solcher Unternehmensaufbau durch strategische Investoren ist gegenüber anderen Finanzierungswegen ein Vorteil. Dieser erfordert eine ständige Kontrolle der strategischen Ansätze von allen Beteiligten durch eine ständige Aktivität am Markt mit Kundenorientierung. Um daraus keinen Nachteil erwachsen zu lassen, ist disziplinierte und kontinuierliche Abstimmung zwischen den Partnern erforderlich. Weitere Finanzierung durch Cashflow Die weitere Finanzierung des Unternehmens wird Schritt für Schritt durch den erfolgreichen Ausbau der Kundengeschäfte er- Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 reicht. Zusätzlich wurden für die Entwicklung neuer Produkte und Prozesse im Bereich Feinchemikalien sehr erfolgreich öffentliche Fördermittelprojekte eingeworben. Auch dabei setzt die Enzymicals auf bestehende Kooperationen im Bereich von Universitäten und Firmen. Synergien nutzen aus bestehenden Kooperationen Die positiven Effekte, die sich aus der Zusammenarbeit mit der HERBRAND PharmaChemicals GmbH in der marktorientierten biokatalytischen Prozessentwicklung und mit der BRAIN AG in der Identifizierung neuer Enzyme ergeben, sind für alle Beteiligten hervorragend nutzbar. Es präsentiert sich dadurch am Markt ein starker Verbund von innovativen Unternehmen mit zum Teil jahrzehntelangen Erfahrungen und Kontakten. Die Möglichkeiten bei der HERBRAND PharmaChemicals GmbH versetzen den Verbund in die Lage, großvolumige Produktionsprozesse am Standort Deutschland unter cGMP-Bedingungen auszuführen und somit die Anforderungen der Kunden bezüglich Qualität und zeitnaher Belieferung optimal zu bedienen. Dieses Potenzial wurde auch am internationalen Markt auf der Informex 2013 in den USA gemeinsam angeboten. Über das bestehende Netzwerk hinaus ist es der Enzymicals gelungen, in kurzer Zeit eine Reihe von Kooperationen zu definierten Themengebieten, z. B. mit Sigma-Aldrich, Evonik, Lonza und einer Reihe von nicht offengelegten Kunden aus dem Bereich der pharmazeutischen und chemischen Industrie, abzuschließen. Gut gerüstet für die Zukunft Enzymicals erwartet in dem stetig wachsenden Markt der industriellen Biotechnologie sehr gute Wachstumsaussichten für Produkte und Dienstleistungen. Die sich immer stärker ausprägende „Bioökonomie“ und die sich rasant entwickelnden innovativen Technologien im Bereich der Biokatalyse und der Biokatalysatoren selbst geben der Enzymicals mit ihrer engen Verzahnung zwischen universitären Forschungseinrichtungen und industriellen Kooperationen beste Aussichten, den Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. www.enzymicals.com Dietmar Hopp setzt auf mRNA-Technologie: Weitere 80 Millionen Euro bringen CureVac voran in Hinblick auf die kommerzielle Entwicklung im Jahr 2000 eine Vorreiterrolle. Dr. Ingmar Hoerr, CEO CureVac GmbH, Tübingen Das Erfolgs-Konzept CureVac Seit unserer Gründung im Jahr 2000 hat uns das außerordentliche medizinische Potenzial von messenger RNA (mRNA) überzeugt, unseren Weg in der Unternehmensentwicklung kontinuierlich voranzugehen. Dank des Einstiegs von Dietmar Hopp 2006 in einer ersten Finanzierungsrunde mit 27,6 Millionen Euro konnten wir seither unsere mRNA-Plattform RNActive® systematisch und dynamisch ausbauen und professionalisieren. Für Dietmar Hopps erneutes Investment 2012 in Höhe von 80 Millionen Euro waren natürlich einige grundlegende Voraussetzungen sowie gezielte Planungen für die Zukunft notwendig. mRNA – Eine anspruchsvolle Diva RNA wird in der Evolutionsforschung als das Biomolekül betrachtet, auf dessen Grundlage alles weitere Leben entstand. Im Jahr 2006 erhielt das Molekül besondere Aufmerksamkeit durch die Vergabe des Nobelpreises für das Phänomen RNA-Interferenz, vermittelt durch siRNA-Oligonukleotide, mit dem die Genexpression in Körperzellen gezielt ausgeschaltet werden kann. Allerdings gestaltet sich die therapeutische Entwicklung offensichtlich wesentlich komplizierter als anfänglich angenommen. mRNA-basierte Technologien, die eine gezielte Expression von Genen zur Grundlage haben, sind demgegenüber erst in einer vergleichsweise frühen Entwicklungsphase. CureVac übernahm hier RNActive® – CureVacs einzigartige Plattform-Technologie Mit RNActive® entwickeln wir mRNA-basierte Vakzine zur Behandlung von onkologischen Erkrankungen sowie zur Prophylaxe von Infektionskrankheiten. So haben wir zum weltweit ersten Mal mRNA als therapeutischen Impfstoff Krebspatienten mit Prostatakarzinom und mit Lungenkrebs appliziert und konnten dabei unsere präklinischen Ergebnisse klinisch validieren. Die Sicherheit der Plattform auch bei mehrmaligen Injektionen wurde dabei bestätigt. Durch die starke Aktivierung von spezifischen zellulären Immunantworten gegen alle neun verabreichten Antigene konnten wir Effektivität und Versatilität der Plattform belegen. Planung weiterer Studien Auf Grundlage der Ergebnisse dieser beiden Studien haben wir derzeit drei weitere onkologische Studien geplant. Eine multizentrische, europäische Phase-IIb-Studie im Bereich Prostatakarzinom wurde bereits Anfang 2013 gestartet. Darüber hinaus haben wir auch für den Bereich Lungenkrebs eine besondere Studie vorbereitet, die uns Erkenntnisse über die Kombinierbarkeit von RNActive® mit bestehenden Therapien liefern wird. Die dritte Studie befasst sich mit dem „mode of action“ von RNActive®: Hierbei wollen wir vielversprechende präklinische Daten über die molekularen Funktionsweisen unserer Vakzine klinisch validieren. Nachdem wir im Jahr 2009 wesentliche Fortschritte im Bereich der Stabilität von RNActive® sowie in der Induktion einer ausgewogenen Immunantwort zeigen konnten, haben wir unsere Forschung und Entwicklung im Bereich der prophylaktischen Vakzine verstärkt ausgebaut. Transaktionen und Publikationen Unsere Ergebnisse haben 2011 zu einer weitreichenden, mit 33 Millionen US-Dollar finanzierten Partnerschaft mit Sanofi Pasteur, In-Cell-Art und DARPA (einer Behörde des amerikanischen Verteidigungsministeriums) geführt. Die Ergebnisse unserer Arbeiten der vergangenen Jahre in Zusammenarbeit mit dem Team um Prof. Lothar Stitz vom Friedrich-Loeffler-Institut im Bereich Influenza konnten wir vor wenigen Monaten in der Zeitschrift Nature Biotechnology publizieren – u. a. die zentrale Erkenntnis, dass durch die Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Induktion einer starken Immunantwort (die Aktivierung einer zellulären Immunantwort sowie von spezifischen Antikörpern) in unseren Modellexperimenten auch neue, konservierte Antigene zum Schutz gegen eine Grippe-Infektion beitragen können. Weiterentwicklung der Prozesse Neben dem wissenschaftlichen Fortschritt und den damit verbundenen Patentanmeldungen sind die Innovationen im Ausbau der biopharmazeutischen Produktion von RNActive® wesentliche Erfolgsfaktoren, auf die wir unser besonderes Augenmerk legen. Es ist uns gelungen, das ursprünglich instabile Molekül, welches anfänglich bei minus 80 Grad Celsius gelagert wurde, soweit zu stabilisieren, dass wir mittlerweile auf keinerlei Kühlkette mehr angewiesen sind. Dies ist eine Grundvoraussetzung dafür, eine weltweite Versorgung mit Impfstoffen unter erheblichen Kosteneinsparungen zu garantieren. Wir haben den Herstellungsprozess in einer ersten Ausbaustufe soweit automatisiert, dass wir derzeit jährlich 3,5 Millionen RNActive®-Impfdosen bei uns in Tübingen produzieren können. Ausblick Mittlerweile sind uns andere Firmen gefolgt, u. a. haben mit Novartis, der Mainzer Firma BioNTech, der Münchner Firma ethris und zuletzt ModeRNA aus Cambridge / Massachusetts weitere Protagonisten das Feld betreten. All diese Firmen arbeiten daran, durch mRNA als Basistechnologie eine neue Stufe der Biotechnologie, die Biotechnologie 2.0, anzustoßen. Hier geht es weniger um die rekombinante maßgeschneiderte Entwicklung von Medikamenten ex vivo sondern um die gezielte Informationsübermittlung an den Körper, selbst sein eigenes Medikament herzustellen. Körpereigene Zellen können das von jeher am besten. mRNA fungiert dabei, ähnlich wie in einem schriftlich fixierten Rezept, als Überbringer von exakten genetischen Informationen, welche die Körperzellen brauchen, um die relevanten Proteine zu produzieren und an ihrem Wirkungsort einzusetzen. Für Vakzin-Antigene hat dies CureVac bereits klinisch validiert. Weitere Beispiele sind therapeutische Proteine wie Enzyme oder Hormone. Damit hat mRNA seinen Platz als bedeutendes neues Biomolekül in der Wirkstoffentwicklung gefunden. www.curevac.com 79 CRO Services: Ein alternatives Finanzierungsmodell? auf die Übernahme und den erfolgreichen Abschluss der CRO Services sowie eine langfristig angelegte Geschäftsbeziehung mit dem Klienten. Voraussetzung für die Teilnahme am Partnership-Programm ist eine erfolgreiche Due-Diligence-Prüfung, die primär auf die Technologie und das Managementteam des Klienten anhand eigener Qualitätskriterien abzielt und erst in zweiter Linie auf das Finanzmanagement des Unternehmens. Werner J. Langner, CATO Europe GmbH, Köln CATO investiert über CATO BIOVENTURES (CBV) Seit fast 25 Jahren verfügt CBV über eine innovative Investmentstrategie für LifeScience-Unternehmen und ist nun erstmals auch in Europa vertreten. Sie basiert auf der umfangreichen Erfahrung von CATO, einem weltweit agierenden Full-Service-Auftragsforschungsinstitut (CRO) mit den Kernkompetenzen „Drug Development / Science“ („DD / S“) und „Regulatory Affairs“ („RA“). Ziel ist es, Sponsoren im Bereich Biotech, Pharma und Medtech auch dann bei der Produktentwicklung finanziell unterstützen zu können, wenn traditionelle Finanzierungsquellen zu versiegen drohen. Partnership-Programm (Risk-Sharing-Programm) Sowohl aufstrebende als auch etablierte Unternehmen profitieren beim PartnershipProgramm – auch Risk-Sharing-Programm genannt – von den Möglichkeiten einer Optimierung bzw. Minimierung ihres Finanzbedarfs. Hierbei wird in potenzielle Klienten zunächst auf Basis von Dienstleistungen, die von CATO übernommen werden, und dem Erwerb von Unternehmensanteilen des jeweiligen Vertragsunternehmens investiert. Die Höhe des Investments richtet sich dabei grundsätzlich nach dem gesamten Auftragsvolumen zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung. CBV zielt dabei nicht auf Rendite des eingesetzten Kapitals, sondern 80 Unterschiede zu VC-Finanzierung und Business-Angel-Modellen In vielen Ländern Europas sind VC-Gesellschaften, Business Angels, Finanzinstitute sowie vereinzelt staatliche Förderprogramme die tragenden Säulen bei der Finanzierung von Drug-Development-Prozessen. Ihre fast ausschließliche Verfolgung von Renditezielen unter Einbeziehung der Kapitalkosten, eine fehlende Kompetenz, die Durchführung von CRO Services zu übernehmen sowie die strengen Prüfkriterien bei der Due Diligence und Basel III erschweren zunehmend den Zugang zu den traditionellen Finanzierungsquellen. Allen ist gemeinsam: Keiner dieser Investortypen kann ein „Rundum-SorglosPaket“ anbieten. Ein ganzheitlicher Ansatz CATO BIOVENTURES hingegen bietet ganzheitliche Problemlösungen: Durch die Übernahme der CRO-Serviceleistungen erreicht CATO die mit dem Sponsor vereinbarten Milestones. Charakteristische Besonderheit des Unternehmens: Der große Erfahrungsschatz im Bereich RA, der auch aus den häufigen Interaktionen mit der FDA resultiert. Darauf aufbauend entwickelte sich zudem ein großes Innovationspotenzial, einhergehend mit einer sehr hohen Kompetenz bei der Wahl der jeweiligen Zulassungsstrategien. Maßgeschneiderte Lösungen CATO offeriert bei der Vertragsgestaltung ein Höchstmaß an Flexibilität während des gesamten Projektverlaufs. Potenzielle Klienten profitieren davon, dass sowohl vor der Pre-IND-Phase als auch zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt im Projektverlauf eine Teilnahme am CBV-Programm möglich ist. Dem Klienten eine maßgeschneiderte Lösung seiner individuellen Probleme – und somit oft benötigten Freiraum – anzubieten ist hierbei primäres Ziel. Dies gilt auch hin- Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 sichtlich der Kombination mit anderen Finanzierungsmodellen. Zudem wird auf Kapitalkosten oder Zinsen verzichtet, um die Projektdurchführung nicht mit zusätzlichen finanziellen Bürden zu belasten. Das Konzept hat somit positive Auswirkungen auf den Cashflow und – je nach Mittelverwendung – auch auf die Liquidität des Unternehmens. Dies sind klare Vorteile bei der Ausgestaltung des Finanzmanagements. Majority-Ownership-Programm Im Majority-Ownership-Programm übernimmt CBV die Alleinvertretung eines Portfolios privat geführter Unternehmen oder ist zumindest größter Einzelinvestor. Das Programm stellt zudem eine mögliche Exit-Strategie dar, indem die betreuten Unternehmen beispielsweise in Übernahmen oder Akquisitionen aufgehen. Da eine Teilnahme am Majority-Ownership-Programm bislang nur auf dem nordamerikanischen Markt möglich war, konnten beispielhaft folgende dort ansässige Firmen Erfolgsgeschichten schreiben: RTP Pharma aufgrund einer von CATO entwickelten Technologie für schwerstlösliche Wirkstoffe (Akquisition durch SkyePharma 2002), Durham Pharmaceuticals mit einem neuartigen dermatologischen Nootropikum (Merger mit Sontra Medical Corporation und anschließendem Aufgang in Echo Therapeutics 2007), Artemis Neuroscience im Bereich Stammzellforschung (Merger mit VistaGen Therapeutics 2003). Darüber hinaus gründete CATO mehrere virtuelle Unternehmen mit Präparaten, die bei der FDA zugelassen sind. Professionalität, individueller Zuschnitt, die Reduzierung der Kosten auf das Minimum der Projektdurchführung, eine effektive Vorgehensweise und eine kürzere Time-to-Market sind kennzeichnende Merkmale des CBV-Programms, welches sich angesichts der andauernden Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa hoher Akzeptanz erfreuen wird. www.catobioventures.com Bayern Kapital: Venture Capital für Bayern der KfW und dem High-Tech Gründerfonds zusammen. Damit konnte Bayern Kapital neben dem eigenen eingesetzten Beteiligungskapital über 400 Millionen Euro Leadund Coinvestment-Finanzierung mobilisieren. Andreas Huber, Bayern Kapital GmbH, Landshut Bayern Kapital Junge Unternehmen aus dem Life-ScienceSektor mit oft schon hohem Kapitalbedarf in frühen Phasen stehen vor großen Finanzierungsproblemen aufgrund des Mangels an institutionellem VC-Kapital. Alternative Finanzierungsquellen gewinnen an Bedeutung. Ergänzend zur Finanzierung durch private VCs agieren staatliche Investitionsvehikel wie die Bayern Kapital GmbH und ihre Fonds. Bayern Kapital wurde auf Initiative der bayerischen Staatsregierung 1995 als 100-prozentige Tochter der LfA Förderbank Bayern gegründet. Als VC-Gesellschaft des Freistaats stellt sie jungen innovativen Technologieunternehmen in Bayern, i. d. R. gemeinsam mit weiteren Investoren, Beteiligungskapital zur Verfügung. Einschließlich früherer Fonds wurden bislang rund 180 Millionen Euro Beteiligungskapital in 220 innovative Unternehmen aus verschiedenen Technologiefeldern investiert; über 4.000 qualifizierte Arbeitsplätze wurden so geschaffen. Im Jahr 2012 wurden insgesamt 27 Beteiligungen realisiert, darunter zehn Neuengagements. Zusammenarbeit mit anderen Investoren Bayern Kapital arbeitet mit allen anderen am Markt tätigen Investoren (Beteiligungsgesellschaften und Business Angels) sowie mit den Bundesinitiativen ERP-Startfonds Portfolio Das Portfolio der Bayern Kapital umfasst aktuell 75 Unternehmen, davon 25 aus dem Life-Science-Bereich mit Schwerpunkt Medizintechnik, aber auch acht Unternehmen, die innovative Therapeutika entwickeln (z. B. Pieris, Suppremol). Zu den ehemaligen Beteiligungen der Bayern Kapital im LifeScience-Bereich zählen bekannte Namen wie MorphoSys, die 2012 von Amgen gekaufte Micromet, Geneart, ein führender Hersteller synthetischer Gene und – ein Beispiel für den zunehmenden Bedarf aus dem Bereich personalisierter Medizin – der Drug Developer Corimmun, den 2012 eine Tochter des Pharma-Konzerns Johnson & Johnson übernahm. Finanzierungsangebote im Seed-Bereich Die Bayern Kapital verfügt über verschiedene Fonds. Die allgemeinen Anforderungen an Team, USP, Markt, IP etc. sind weitestgehend deckungsgleich mit den marktüblichen Kriterien privater Investoren. Die Seed-Finanzierung entspricht dabei dem HTGF-Modell, wobei das gesamte Finanzierungsvolumen 0,6 Millionen Euro beträgt (offene Beteiligungen zu nominal 6 Prozent durch Bayern Kapital bzw. 12 Prozent durch den HTGF zusammen mit einem Wandelnachrangdarlehen). Die Darlehen werden im Zuge der Anschlussfinanzierungsrunde(n) mit privaten Investoren zu der dann geltenden Bewertung gewandelt. Private Side-Investoren sind eingeladen, bis zu 0,2 Millionen Euro zu investieren. Bayern Kapital ist einer der größten Seed-Finanzierungspartner des HTGF. Die Zusammenarbeit mit dem HTGF ist langjährig erfolgreich erprobt, z. B. beim gemeinsamen Engagement Corimmun. Weitere Finanzierungsangebote Die darüber hinaus vorhandenen Co-Finanzierungsfonds der Bayern Kapital können bis zu 2,5 Millionen Euro in Life-ScienceUnternehmen investieren. Voraussetzung ist die Beteiligung eines privaten Lead-Investors (VC-Gesellschaft, Family Offices bzw. Business Angels). Hierbei muss sich der Lead-Investor im Pari-Passu-Modell zu gleichen Bedingungen und in gleicher Höhe wie Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Bayern Kapital beteiligen. Für Business Angels gibt es ein von der EU speziell notifiziertes sogenanntes 30-70-Modell, welches ab 0,15 Millionen Euro Business-Angel-Investment erlaubt, dass der Business Angel nur 30 Prozent der Investitionssumme aufbringen muss. Dieses Modell erfährt zunehmenden Zuspruch. Ausblick Die Life Sciences und speziell deren Finanzierung unterliegen großen Veränderungen, wie wir auch an unserem Portfolio sehen: • Investoren wie Business Angels, Family Offices, VC-Gesellschaften aus dem Ausland sowie Corporate Venture Capital zeigen vermehrt Interesse an heimischen Projekten. Kritisch bleibt allerdings die Finanzierung von kapitalintensiven Arzneimittelentwicklern in den frühen Phasen. Eine Syndizierung von finanzstarken Partnern, um Projekte bis zum Exit vorantreiben zu können, ist von immenser Bedeutung. •D ie schnelle Generierung von Cashflow mittels hybrider Geschäftsmodelle trifft auf den zunehmenden Outsourcing-Trend im Pharma-Bereich. •D urch das Patent Cliff in der PharmaIndustrie werden Innovationen wieder zunehmend bei Biotechnologiefirmen gesucht – zu sehen etwa bei Corimmun bzw. an lukrativen Allianzen mit Big Pharma (z. B. Pieris / Daiichi Sankyo 2011). • Der steigende Kostendruck im Gesundheitswesen wirkt sich auf die Vermarktungs- / Erstattungs- und damit auch die Exit-Chancen aus. • Neue Investitionsfelder an der Schnittstelle von Pharma /Healthcare und IT treten vermehrt auf. Bayern Kapital schloss im vergangenen Jahr eine erste Beteiligung im eHealth-Bereich ab. Das Angebot an staatlichen Beteiligungsfinanzierungen wie durch Bayern Kapital wird neben Fördermitteln wie GO-Bio aber nach wie vor ein wichtiger Baustein zur Finanzierung bleiben, auf den in Bayern auch langfristig gebaut werden kann. Eine neue Fondsgeneration der Bayern Kapital ist bereits in Vorbereitung. www.bayernkapital.de 81 Finanzierung den letztjährigen großen Runden von AFFiRiS (25 Mio. €) und F-star (15 Mio. €) ausgleichen. Eigenkapitalfinanzierung in europäischen Ländern Die Übersichtsgrafik für die Equity-Finanzierung in Europa insgesamt deutet bereits darauf hin, dass nach wie vor eine deutliche Erholung an der Venture-Capital-Front nicht in Sicht ist. Diese Erkenntnis wird durch die Betrachtung einzelner Länder in Europa bestätigt. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es keine eindeutigen Trends in Richtung einer sichtbaren Erholung. Wie bereits für Deutschland konstatiert, zeigen einige Länder Extremausschläge, die sich aber bei vertiefter Analyse als Einzelereignisse herausstellen. Aufgrund der bereits angesprochenen FamilyOffice-Runden bei CureVac und BRAIN, die auch an der Spitze der europäischen Beteiligungsfinanzierungen liegen, reißt Deutschland wie bereits im Jahr 2010 nach oben aus. Demgegenüber gibt es bei Dänemark und Österreich klare Gründe für deren erdrutschartige Rückfälle. Während in Dänemark die sensationelle 100-Millionen-EuroFinanzierung für Symphogen im Jahr 2011 erwartungsgemäß keine Wiederholung fand, konnte auch Österreich nicht die bei- Allenfalls würde man Ländern wie der Schweiz und den Niederlanden einen leichten und stetigen Aufwärtstrend über die letzten drei Jahre zubilligen. In der Schweiz konnten sowohl im letzten Jahr durch Biocartis (71 Mio. €) als auch im aktuellen Jahr durch ADC Therapeutics (39 Mio. €) und erneut Biocartis (35 Mio. €) signifikante Summen aufgenommen werden. Für die Niederlande schlugen im Vorjahr 29 Millionen Euro für AM-Pharma zu Buche sowie 15 Millionen Euro für ProFibrix. Im Berichtsjahr 2012 stieg dieser Betrag auf insgesamt 74 Millionen Euro aus zwei Runden (Agendia mit knapp 51 Mio. € und Prosensa mit 23 Mio. €) an. Hot Topics bei den Finanzierungsrunden: Diagnostik–Therapeutika-Plattformen für Krebs und Infektionserkrankungen Eine genauere Betrachtung der Top-10Finanzierungsrunden liefert klare Erkenntnisse darüber, worauf aktuell das Interesse von Investoren ausgerichtet ist: den Thera- peutikasektor. Sieben der zehn Top-Finanzierungen gehen in diese Richtung. Allerdings fällt auf, dass gerade von den Top-5Investments mit Summen über 30 Millionen Euro immerhin zwei im Diagnostikbereich und ein weiteres Engagement (BRAIN) im Segment der industriellen Biotechnologie getätigt wurden. Gemäß den im Einleitungskapitel „Perspektive“ geäußerten Trends und Kategorisierungen für den Diagnostikbereich entsprechen die beiden Vertreter den bevorzugten Ausrichtungen in diesem Sektor: einerseits Agendia mit Fokus auf dem Thema „Big Data“ in der Entwicklung von Krebsdiagnostika auf Basis von Sequenzdaten individueller Patienten, auf der anderen Seite Biocartis mit dem Ehrgeiz, ein voll integrierter Anbieter von Molekulardiagnostik-Tests inklusive der gesamten Device-Seite zu werden und damit Werkzeug einer patientennahen Diagnostik. Dementsprechend finden sich im Konsortium der Investoren auch Strategen (Debiopharm, Philips) bzw. deren Corporate-Venture-Vehikel (Johnson & Johnson Development Corporation), die ihre konkreten Interessen an den marktnahen Entwicklungen durch ihre Beteiligung sichern. Risikokapital in ausgewählten europäischen Ländern Summe (Mio. €) 300 250 200 150 100 50 0 2010 Deutschland 2011 UK Schweiz Niederlande Frankreich Spanien Dänemark Belgien Schweden Österreich 2012 Quelle: Ernst & Young, 2013 82 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Finanzierung Risikokapitalfinanzierungen europäischer Biotech-Unternehmen, 2012 (Auswahl) Unternehmen Land Volumen (Mio. €) Bekanntgabe Runde Investoren CureVac Deutschland 80,0 September 4 dievini Hopp BioTech holding BRAIN Deutschland 60,0 November 2 MIG Fonds, MP Beteiligungs-GmbH, ungenannte Investoren Agendia Niederlande 50,6 Mai 5 Debiopharm, Breedinvest, Gilde Healthcare Partners, Global Life Science Ventures, ING Group, Korys, Van Herk Group, ungenannte Investoren ADC Therapeutics Schweiz 38,9 März Seed Celtic Therapeutics, Cancer Research Technology, private Investoren Biocartis Schweiz 34,5 Dezember 4 PMV, Benaruca, Debiopharm, Dr. Paul Janssen, Johnson & Johnson Development Corporation, Korys, New Rhein Healthcare, Philips, RMM, Valiance, Luc Verelst Chiasma Israel 29,9 Juli 3 7 Med Health Ventures, Abingworth, ARCH Venture Partners, F3 Ventures, Fredric Price, MPM Capital PsiOxus Therapeutics UK 27,1 Juni 2 Imperial Innovations, Invesco Perpetual, Lundbeckfond Ventures, SR One AiCuris Deutschland 25,0 Januar 3 Dom Capital, FCP Biotech Holding, Santo Holding, privater Investor F2G UK 23,3 September n/a Advent Life Sciences, Astellas Venture Fund, Merifin Capital, K Nominees, Novartis Bioventures, Sunstone Capital Prosensa Niederlande 23,0 Januar 6 New Enterprise Associates, Abingworth, Gimv, idinvest Partners, LSP Life Sciences Partners, MedSciences Capital Cell Medica UK 21,0 Juli 3 Cancer Prevention and Research Institute of Texas (CPRIT), Imperial Innovations, Invesco Perpetual Quelle: Ernst & Young, 2013 Der genauere Blick auf die Finanzierungsrunden der Therapeutikaentwickler lohnt: Wie bereits für die Finanzierungsrunden im vergangenen Jahr festgestellt, leiten auch 2012 alle dort aufgeführten Firmen ihre Medikamentenentwicklungsaktivitäten von proprietären Technologieplattformen ab, die in die im Einleitungskapitel „Perspektive“ definierten Kategorien passen: • T ech@MPO: CureVac (RNA-Vakzine), ADC Therapeutics (Antibody Drug Conjugates), PsiOxus Therapeutics (Makromolekulare Therapeutika), Prosensa (Antisense-Therapeutika), GenKyoTex (NOX-Inhibitoren), Cell Medica (T-Cell-Therapie) • T ech@Process: Chiasma (Drug Delivery) • T ech@Disease: AiCuris und F2G (beide Antiinfektiva) Offenbar überzeugt der Aspekt einer nachhaltigen Produktgenerierung auf Basis eigener Plattformen mittlerweile wieder die Investoren, die in früheren Jahren explizit die technologielastigen Biotech-Unternehmen auf eine reine und hochriskante Produktentwicklungsstrategie eingeschworen hatten. Ein wichtiges Argument dabei dürfte die deutlich größere Attraktivität der Technologieplattformfirmen für lukrative Deals mit Pharma sein. Zumindest in Zeiten, wo Exits über Transaktionen die nicht mehr stattfindenden IPOs ersetzen, ist dies eine nachvollziehbare Kehrtwendung. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Schwerpunktthemen innerhalb der Therapeutikaentwicklung sind weiterhin die Indikationen Krebs und Infektionserkrankungen, die von 70 Prozent der finanzierten Firmen verfolgt werden. Die restlichen Unternehmen sind in Orphan-Drug-Indikationen aktiv (z. B. Chiasma / Akromegalie; Prosensa / genetische Defekte wie Chorea Huntington, Duchenne-Muskeldystrophie). Venture-Capital-Fonds in Europa nach wie vor stark engagiert Während traditionelles Venture Capital in Deutschland sowohl hinsichtlich der Rundenbeteiligung als auch des Kapitalvolumens weiter rückläufig ist, kann dieser Eindruck in der gesamteuropäischen Betrachtung nicht bestätigt werden. In acht der Top-10-Runden für Therapeutikaentwickler sind klassische 83 Finanzierung Finanzierungsquellen privater Unternehmen, 2012 (Befragung international) Anteil der Antworten, Mehrfachnennungen möglich Allianzen / Lizenzierungen Fremdkapital Fördermittel Freunde und Familie Private Investoren Business Angels VC Erlöse aus Servicegeschäften Erlöse aus Produktverkäufen 0 % Deutschland (n = 120) 10 % Europa (Rest, n = 159) 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % USA (n = 146) Quelle: Ernst & Young, 2013 VCs in Konsortien involviert. Auch die Erweiterung auf die Top 50 ändert wenig an diesem Bild (40 von 50) und legt nahe, dass Venture Capital in Europa – anders als in Deutschland – insgesamt nach wie vor die Kapitalquelle erster Wahl ist. Corporate Venture mit Zielrichtung Produktinnovation Wie bereits im vergangenen Jahr herausgestellt, sind die VC-Konsortien auch internationaler besetzt als dies in Deutschland der Fall ist, mit stärker grenzüberschreitenden Aktivitäten der Venture-Capital-Gesellschaften. Die in den letzten Jahren beobachtete Zunahme der Aktivitäten von Corporate Venture Funds und direkten Investments strategischer Partner setzt sich auch 2012 fort. Insgesamt 15 (30 %) der Top-50Finanzierungsrunden weisen Pharma oder andere Strategen im Investor-Konsortium auf. Dabei sind die jeweiligen CVC-Investments meist auf Technologieneuheiten und innovative Wirkstoffkonzepte ausgerichtet. Der Auftrag lautet, deren weitere Entwicklung zu beobachten, die Fortführung finanziell zu unterstützen und gegebenenfalls Nutzungsrechte rechtzeitig zu sichern. 84 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Typische Beispiele sind etwa Promethera Biosciences mit Stammzellen, an denen Boehringer Ingelheim, Mitsui und Shire gleichermaßen Interesse bekundet haben. Ebenso F2G, deren neuartige Antiinfektiva für den Novartis Venture Fund und Astellas Venture Management interessant waren. Schließlich auch PsiOxus Therapeutics, die neue Wirkstoffklassen im Format von Makromolekülen oder viralen Strukturen erschließen und damit Lundbeckfond Ventures sowie SR One (GSK) als Investoren gewonnen haben. Finanzierung Die hier getroffenen Aussagen zu den Details der Finanzierungsrunden sowie zu den Aktivitäten der verschiedenen Investorengruppen decken sich zum Großteil mit denen des Vorjahres und scheinen auf den ersten Blick redundant. Allerdings ist zu beachten, dass es sich dabei um eine vollkommen andere Zusammensetzung der individuellen Ereignisse im Vergleich zum Vorjahr handelt. Wenn also in dieser vergleichenden Analyse identische Schlussfolgerungen resultieren, so bestärkt dies die entsprechenden Trendaussagen umso klarer. Privatinvestoren und Family Offices auch in Europa sichtbar Das bisher vor allem in Deutschland beschriebene Phänomen der Family Offices mit großen Taschen für den Biotech-Sektor (Hopp / Strüngmann) ist inzwischen auch in einigen europäischen Finanzierungsrunden erkennbar. Vor allem die beiden Diagnostikfinanzierungen (Agendia und Biocartis) weisen eine Reihe von Family Offices / Privatinvestoren als Mitfinanzierer aus: •K orys ist der Investmentarm der Colruyt Familie in Belgien, die im Lebensmittelhandel seit über 50 Jahren tätig ist; das FO investiert bevorzugt in den Bereichen Verbrauchsgüter, Life Sciences und Cleantech (Agendia, Biocartis) •F amily Office Paul Janssen geht auf den Gründer der gleichnamigen Pharma-Firma zurück, die mittlerweile die Pharma-Aktivitäten von J&J trägt (Biocartis) •V an Herk Groep; eine holländische Familie aus Rotterdam mit Aktivitäten im RealEstate- und Bau-Sektor (Biocartis) •L uc Verelst, CEO von Reliable Cancer Therapies, Belgien (Biocartis) •R udi Mariën, CEO Innogenetics, Belgien (Biocartis) •B enaruca, FO von Rudi Pauwels (Biocartis-Gründer) Firmenumfrage: Finanzierungsquellen im internationalen Vergleich Zur Ergänzung der Analysen im Finanzierungsumfeld, die bisher vornehmlich auf die Top-Investments beschränkt waren, wurden in einer internationalen Umfrage alle privaten Unternehmen einbezogen und nach ihren jeweiligen Kapitalquellen gefragt. Im Ergebnis gab es auch hier keine wesentlichen Änderungen zum Vorjahr, weder in der Präferenz von Kapitalquellen noch in der Relation der geographischen Zuordnung. Sowohl die Dominanz von Erlösen aus dem Verkauf von Produkten (vornehmlich Tools & Equipment) und Dienstleistungen in Deutschland wird bestätigt als auch im Gegenzug die im Vergleich zu Deutschland (nur noch 16 %) stärker VC-basierte Finanzierung im restlichen Europa und den USA (28 % bzw. 22 %). Interessant ist, dass die Klasse der Business Angels im restlichen Europa und in den USA (13 bzw. 15 % der Antworten) eine wichtigere Rolle zu spielen scheint als in Deutschland, während die privaten Investoren gleichermaßen prominent vertreten waren (in Europa und in den USA quantitativ leicht rückläufig im Vergleich zum Vorjahr, in Deutschland konstant). Auch Fördermittel sind weiterhin in allen drei geographischen Räumen gleichermaßen begehrt und ein wichtiger Beitrag für die Finanzierung der Branche. Leider geht die Mittelvergabe oft am Bedarf vorbei, da insbesondere kleinere Unternehmen den administrativen Aufwand für die Beantragung nicht zu stemmen vermögen (mehr dazu im Artikel von Sven Pirsig, Ernst & Young, S. 88). Lichtblicke beim Fundraising? Nach sehr bescheidenen Erfolgen beim Fundraising für europäische Venture-Capital-Fonds im Jahr 2011 stellt sich die Bilanz für 2012 extrem positiv dar. Vor allem die großen europäischen Investoren konnten signifikante Summen für neu aufgelegte Fonds aufnehmen. Allen voran Sofinnova Partners in Paris, die für ihren Capital VII Fonds ein Closing über 240 Millionen Euro meldeten und darüber hinaus auch einen neuen „Green Seed Fund“ mit 22,5 Millionen Euro etablieren konnten. Neue europäische Fonds mit Fokus auf Life Science (Auswahl) Fondsname VC-Gesellschaft Land Volumen BioDiscovery IV FCPR Edmond de Rothschild Investment Partners Frankreich 125 Mio. € Creathor Venture Fund III CREATHOR VENTURE Deutschland 80 Mio. € Earlybird IV Earlybird Venture Capital Deutschland 100 Mio. US$ HBM BioCapital II HBM Healthcare Investments Schweiz 90 Mio. € Index Life VI LP Index Ventures Schweiz 200 Mio. US$ Inveready Biotec II Inveready Technology Investment Group Spanien 7 Mio. € Lifeline Ventures Fund I LIFELINE Ventures Finnland 20 Mio. € Sofinnova Capital VII Sofinnova Partners Frankreich 240 Mio. € Sofinnova Green Seed Fund Sofinnova Partners Frankreich 22,5 Mio. € Sunstone Life Science Ventures III Sunstone Capital Dänemark 89 Mio. € TVM Life Science Ventures VII TVM Capital Deutschland 150 Mio. US$ Wellington Partners IV Life Science Fund Wellington Partners Deutschland 70 Mio. € Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 85 Finanzierung Wichtigste Geldgeber in diese neuen Fonds waren vor allem große institutionelle Investoren in Europa, Pensionsfonds, Fondsin-Fonds-Investoren und Versicherungen wie z. B.: •S kandia Life Insurance Company (UK) •C NP Assurances (F) •C DC Enterprises(F; in Regierungshand) Damit wird ein wesentlicher Unterschied im Fundraising zwischen deutschen und französischen Fonds sehr evident. Während in Frankreich die großen Versicherungskonzerne als signifikante Geldgeber diese Summen zusammenbringen, bleibt den deutschen Fonds der Zugang zu dieser Klasse versperrt und das Fundraising insgesamt ist deutlich erschwert. Der Erfolg von Sofinnova Partners muss aber vor allem auch direkt mit dem äußerst beeindruckenden 3,6 Milliarden Euro „Trade Sale Track Record“ über die letzten drei Jahre in Verbindung gebracht werden, nämlich durch den Verkauf von: •C oreValve an Medtronic (850 Mio. US�) •N ovexel an AstraZeneca (505 Mio. US�) •M ovetis an Shire (428 Mio. US�) •F ovea Pharmaceuticals an Sanofi (370 Mio. US�) •P regLem an Gideon Richter (445 Mio. CHF) Die Investmentstrategie für den neuen Fonds orientiert sich an den erfolgreichen Vorgängern: Durchbruchstechnologien und innovative Life-Science-Produkte aus Spin-offs, Start-ups und Turn-around-Geschäften. Zwei Drittel des Investitionsvolumens sollen in Europa angelegt werden. Ebenso beeindruckend ist der neue Fonds von Index Ventures mit einem Volumen von 150 Millionen Euro (200 Mio. US�); vor allem deshalb, weil damit eine völlig neue Investmentstrategie einhergeht: Das Kapital wurde exklusiv für Investments in Asset-focused Companies, mit anderen Worten für Projektfinanzierungen in EinProjekt-Firmen, eingesammelt. Mit genau dieser Strategie konnte auch TVM Capital in München ein erfolgreiches Closing seines TVM Life Science Ventures VII über 150 Millionen US-Dollar kommunizieren. 86 Die Gemeinsamkeiten dieser beiden Fonds zum Thema „Asset Funding“ gehen insofern weiter, als beide große Pharma-Firmen wie GSK und J & J (im Falle von Index Ventures) bzw. Eli Lilly (bei TVM) als signifikante Investoren aufgenommen haben. Dies hat einige Konsequenzen. Die beiden VC-Gesellschaften verlagern ihr Kerngeschäft damit eindeutig (zumindest mit den genannten Fonds) weiter in Richtung Pharma. Sowohl für den Input von interessanten Projekten als auch als Partner für die anvisierten Exits nach Erreichen des klinischen Proof of Concept stehen die Pharma-Partner in erster Linie zur Verfügung. Sie stellen deshalb nicht nur Geld bereit, sondern prozessieren dadurch Projekte über eine externe Finanzierungs- und Projektmanagementschiene weiter, die intern nicht oder nur depriorisiert hätten verfolgt werden können. Dies sind sicherlich sehr relevante Beiträge zur nachhaltigen Innovation im Life-ScienceBereich und als solche dringend gefordert. Da es sich bei diesen Finanzierungen nicht um Biotech-Firmen im eigentlichen Sinne handelt, sondern eher um Projektmanagement-Aufgaben unter strikter Führung des VC-Investors, bleibt die Relevanz für Biotech fraglich. Es wird zu beobachten sein, ob in diesem Modell tatsächlich auch Projekte aus Biotech-Unternehmen landen können, die aus deren Portfolio stammen und mangels Finanzierung gegen Bezahlung an die VC-Gesellschaften abgegeben werden – mit der Option zum späteren Rückkauf (à la Symphony Capital). Weitere neue Life-Science-Fonds mit dreistelligen Millionenkapitaleinlagen wurden von Edmond de Rothschild Investment Partners in Paris (125 Mio. €) sowie von Earlybird Venture Capital in Berlin aufgelegt (100 Mio. US�). Es ist nach der am Anfang dieses Kapitels geführten Diskussion über weiter rückläufige VC-Finanzierungen in Deutschland umso erfreulicher zu beobachten, dass gerade in der Liste der erfolgreichen Fundraisings 2012 deutsche VC-Gesellschaften mit am besten abschneiden. Den beiden französischen Fonds von Edmond de Rothschild Investment Partners und Sofinnova Partners, Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 die zusammen rund 388 Millionen Euro neu auflegen konnten, stehen die vier deutschen Fonds (Earlybird venture Capital, CREATHOR VENTURE, TVM Capital, Wellington Partners) mit einer Gesamtsumme von 340 Millionen Euro neuem Kapital kaum nach. Und dies trotz der schlechteren Ausgangssituation im Zusammenhang mit dem fehlenden Engagement großer Versicherungskonzerne. Da dieses Geld den nach wie vor aktiven Investoren in Deutschland zugutekommt, könnte man hoffen, dass damit zumindest deren weitere Investitionsaktivitäten in Biotech abgesichert sind. Allerdings muss diese Erwartung gleich wieder relativiert werden. Sowohl CREATHOR VENTURE als auch Wellington Partners setzen vornehmlich auf reifere Pharma-Entwicklungen sowie auf Aktivitäten in der Diagnostik und damit nicht auf die Bereiche mit dem größtem Finanzierungsbedarf (frühe Therapeutikaentwicklung). Earlybird Venture Capital hatte sich bereits seit einiger Zeit aus Biotech „ausgeklinkt“ und stärker auf Medizintechnik gesetzt. Und schließlich TVM Capital: Der neue TVM VII Fonds wurde in Kanada geschlossen, mit wesentlicher Beteiligung kanadischer Geldgeber (neben Eli Lilly) und einem klaren Commitment zu Investitionen in Kanada. Dennoch ist aus TVM-Kreisen zu hören, dass Investments in deutsche Asset-focused Companies nach diesem Modell nicht ausgeschlossen seien. Ein interessanter neuer Player könnte Sunstone Capital aus Kopenhagen werden. Der zuvor nur auf Skandinavien fokussierte Investor hat als erklärtes Ziel eine weitere Expansion nach Europa ausgegeben. Der neue Topf von fast 90 Millionen Euro könnte dafür eine Basis sein. Immerhin war Sunstone Capital bereits im Jahr 2012 an einigen Finanzierungsrunden außerhalb Dänemarks beteiligt (z. B. F2G in UK, Galecto Biotech in Schweden). Wellington Partners IV Life Science Fund: Ja zu Biotech, aber mit hoher Selektivität Dr. Rainer Strohmenger, Wellington Partners, München Der neue Fonds WP-IV Life Science Im September 2012 konnten wir das erste Closing des neuen Wellington Partners Life Science Fonds („WP-IV Life Science“; Zielgröße: 120 Mio. €) bekanntgeben. Bereits das initiale Volumen lag bei über 70 Millionen Euro, d. h. nahe an der Größe des Vorgängerfonds WP-III Life Science (78 Mio. €). Dies war angesichts des schwierigen Finanzmarktumfelds ein großer Erfolg und löste ein äußerst positives Echo in der gesamten LifeScience-Branche aus. Bedeutet dies schon eine Trendwende für die angespannte Finanzierungssituation in der deutschen Biotechnologie? Sicherlich nicht. Der geographische Fokus von WP-IV Life Science beinhaltet zwar eine Betonung der DACH-Region, liegt aber auf Gesamteuropa. Der Investmentschwerpunkt umfasst alle Arten innovativer medizinischer Produkte, d. h. Medizintechnik, Diagnostika und Therapeutika. Die Strategie besteht darin, über diese Segmente hinweg die jeweils aus medizinischer Sicht sinnvollsten Produktentwicklungen zu finanzieren, die zugleich das attraktivste Reimbursement erwarten lassen. Große institutionelle Investoren halten sich zurück Die Investorenbasis von WP-IV Life Science besteht sowohl aus staatlichen Investoren wie dem European Investment Fund (EIF), der bayerischen LfA und der österreichischen AWS, als auch aus Family Offices, Privat- investoren und kleineren institutionellen Investoren. Die meisten großen institutionellen Anleger sind zwar grundsätzlich an LifeScience-VC interessiert, aber es gibt meist keine Kompetenz und keine strategische Allokation für diesen Bereich. In ebenjener Zurückhaltung liegt der eigentliche Grund für die Kapitalknappheit, was aber wiederum Investments in Life Science für andere Anleger besonders attraktiv macht. Natürlich ist das Fundraising bei Privatinvestoren aufgrund geringerer Volumina und der Intransparenz dieser Anlegerklasse deutlich aufwändiger als im institutionellen Bereich. Auf der anderen Seite ist es gerade unser breites Investorennetzwerk, über das ein signifikanter Teil des qualitativ hochwertigen „proprietären“ Dealflows generiert wird. Viele Family Offices bevorzugen Direktinvestments gegenüber Investments in VC-Fonds. Unsere Beobachtung ist allerdings, dass die meisten dieser Investoren nicht in der Lage sind, Beteiligungsunternehmen über die reine Finanzierung hinaus wesentliche Unterstützung zu bieten. Aus diesem Grund führt die Direktinvestmentstrategie in der Regel zu einer niedrigeren Erfolgsrate, die letztendlich das Gesamtinvestment gefährdet. Wir bieten daher unseren interessierten Privatinvestoren an, parallel zu unserem Fonds in weiter fortgeschrittene Projekte mit entsprechend hohem Kapitalbedarf mitzuinvestieren. Medizintechnik vs. Biotechnologie Für die Medizintechnik gilt der Standort Europa als besonders attraktiv, da vor allem die DACH-Region über hervorragende Ingenieure verfügt und die Zulassungshürden im Vergleich zu den USA viel niedriger sind. Oft lässt sich ein innovatives Produkt bereits mit einer Investitionssumme von deutlich weniger als 10 Millionen Euro zur Zulassung bringen – ein Betrag, der von VC-Fonds ohne Schwierigkeiten bereitgestellt werden kann. Angesichts des knappen Angebots an Venture Capital und der niedrigen Einstiegsbewertungen bieten sich daher für Anleger enorme Chancen. Im Vergleich dazu wird der Biotechnologiesektor von Investoren als deutlich schwieriger eingestuft – obwohl er im Wellington Track Record aufgrund von vielen sehr erfolgreichen Investments (Actelion, Grandis, immatics, Oxagen, Evolva) überproportional positiv heraussticht. Viele andere Investoren leiden jedoch noch immer unter den Nachwehen großer Investments in Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 zu riskante klinische Entwicklungsprojekte, die häufig scheiterten. Hinzu kommt, dass Biotech-IPOs in den letzten Jahren in Europa kaum stattfanden und sich dadurch die Haltedauern verlängern. Nur in Ausnahmefällen, wie z. B. der Firma immatics mit ihrer einzig-artigen Krebsvakzineplattform, gelingt es, vorbörslich mehr als 100 Millionen Euro einzusammeln und Produkte durch alle klinischen Entwicklungsphasen in kurzer Zeit bis zur Zulassung zu entwickeln. Wellingtons Kompetenz in Sachen Biotechnologie Auf der anderen Seite verfügt Wellington Partners gerade in der Biotechnologie über außergewöhnliche Kompetenz: Mit Erich Schlick, dem früheren Forschungschef der BASF Pharma Knoll AG, und seinen damaligen Mitarbeitern Melvin Spigelman und Ulrich Granzer gehören diejenigen Personen, die in den 90er Jahren für die Entwicklung von Humira verantwortlich waren, heute zum Wellington Life Science Team. Humira®, der erste voll humane therapeutische Antikörper, hat sich heute mit mehr als neun Milliarden US-Dollar zum umsatzstärksten Medikament der Welt entwickelt – bei prozentual zweistelligem Wachstum. Regina Hodits, die Anfang 2010 von Atlas Venture zu Wellington kam, brachte Erfahrung aus so erfolgreichen Exit-Transaktionen wie dem Genmab-IPO oder dem Verkauf der U3 Pharma an Daiichi Sankyo mit. Auch in Zukunft Investitionen in Biotech Wellington Partners wird sich daher weiterhin selektiv im Biotechnologiebereich engagieren. Wir betrachten diesen Bereich als hochinteressant – nicht nur wegen der attraktiven Bewertungen, sondern auch aufgrund der Möglichkeiten zur Verbesserung des Rendite-Risikoprofils der Investments, z. B. durch Diversifikation mittels früher Kollaborationen oder durch konsequente Patientenselektion in klinischen Entwicklungsprogrammen. Dies hilft nicht nur, Studiengrößen und Finanzierungsbedarf zu reduzieren, sondern erhöht auch die Wahrscheinlichkeit eines Studienerfolgs und führt zur Entwicklung der besseren Medikamente. www.wellington-partners.com 87 Fördermittel kommen nicht da an, wo sie am dringendsten gebraucht werden Nur geringe Inanspruchnahme bei KMU Die Befragung bei deutschen KMU zeigt, dass die Inanspruchnahme von öffentlichen Fördermitteln weiterhin auf einem insgesamt eher geringen Niveau liegt. Nur 17 Prozent der Unternehmen nahmen in den vergangenen drei Jahren Fördermittel in Anspruch. Bei Kleinstunternehmen ist die Quote mit 13 Prozent deutlich niedriger. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es nur geringfügige, d. h. leicht rückläufige Änderungen bei der Inanspruchnahme von Fördermitteln. Sven Pirsig, Ernst & Young GmbH, Berlin Fördermittel auf dem Prüfstand Durch richtig gesetzte Anreize können wirtschaftspolitische Zielsetzungen schneller und wirkungsorientiert umgesetzt werden. Dafür gilt es, die Akzeptanz, die Zielgenauigkeit und vor allem die Effizienz des Einsatzes von Fördermitteln zu erhöhen. Bislang nutzt in Deutschland nur jeder fünfte Mittelständler Fördermittel, und wenn, ergeben sich hieraus hohe Mitnahmeeffekte. Dies verdeutlichen die Ergebnisse einer aktuellen Studie zum Thema „Nutzung öffentlicher Fördermittel“. Aufbauend auf einer repräsentativen Befragung wurde das Ernst & Young KMU-Förderbarometer entwickelt, welches detaillierte Entwicklungen zu Inanspruchnahme und Bedarf an öffentlicher Förderung publiziert. Bereits mit der zweiten Auflage im Jahr 2012 wird eine belastbare Informationsgrundlage für die Verbesserung der öffentlichen Förderlandschaft durch Politik und Verwaltung geschaffen. Dazu wurden 1.000 KMU in Deutschland mit bis zu 500 Mitarbeitern befragt. Mitnahmeeffekte korrelieren mit Unternehmensgröße Die Ursachen für die geringe Inanspruchnahme sind vielschichtig. Als eine Hauptursache nennen die KMU fehlenden Bedarf. Hierbei sind neben den Unterschieden zwischen den alten und neuen Bundesländern auch die Spezifika der Branche zu berücksichtigen. Biotech-Firmen mit ihrem hohen Kapitalbedarf werden öfter und regelmäßig öffentliche Beteiligungen oder F&E-Zuschüsse anstreben als KMU anderer Branchen. Eins haben die vielen kleinen und mittleren Unternehmen aber gemeinsam: Jedes sechste (15 %) beklagt, dass es nicht über genügend Zeit für die aufwendige Beantragung der Fördermittel verfügt bzw. der administrative Aufwand sehr hoch ist oder ausreichende Unterstützung im Antragsprozess fehlt. Hier sind die KMU gefordert, öffentliche Dienstleister wie IHKs oder Landesförderinstitutionen als Supporter noch stärker in Anspruch zu nehmen. Die Erstellung eines Businessplanes für ein Investitionsvorhaben lässt sich jedoch kaum delegieren. Eine differenzierte Betrachtung zeigt, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Mitnahmeeffekten und Unternehmensgröße besteht. Mit zunehmender Größe der Unternehmen hätten diese die geförderte Maßnahme auch ohne Fördermittel durchgeführt. Folglich ist die Relevanz von Mitnahmeeffekten bei mittleren Unternehmen mit 50 bis 500 Beschäftigten größer als bei den kleineren KMU. Nachholbedarf bei der Subventionierung Die Untersuchungsergebnisse lassen den Schluss zu, dass in Zeiten knapper werdender Ressourcen sowohl hinsichtlich einer bedarfsorientierten Gestaltung als auch der Effizienz der Förderprogramme noch Optimierungspotenziale bestehen. Die vorhandenen Mittel sind zukünftig noch zielgerichteter einzusetzen. Die Bewertung der Wirk- 88 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 samkeit der Förderung, z. B. durch regelmäßiges Monitoring und Evaluierungen, sollte Standard werden. Die Förderinstrumente müssen zukünftig so gestaltet werden, dass Mitnahmeeffekte auf ein Minimum reduziert werden und besonders kleine Unternehmen auf diese zugreifen können. Weiterhin muss die Beantragung von Fördermitteln für Unternehmen sowohl transparenter als auch unbürokratischer gestaltet werden, um die Akzeptanz zu erhöhen. Es ist wichtig, die vorhandenen Mittel zielgerichtet und effizient einzusetzen, um eine maximale Wirkung für den Wirtschaftsstandort Deutschland zu erzielen. Förderdschungel Deutschland Für den Wirtschaftsstandort Deutschland haben Innovationen, Forschung und Entwicklung sowie Humanressourcen eine hohe Bedeutung für Wachstum und Beschäftigung. Deutschland zeichnet sich durch ein vielschichtiges System von Förderprogrammen aus EU-, Bundes- und Ländermitteln mit unterschiedlichsten Zielen und Anforderungen aus. Nicht immer ist diesbezüglich für Unternehmen eine ausreichende Transparenz gegeben. Ziel des Ernst & Young-Ansatzes „Lernendes Programm“ ist daher eine Verbesserung der Wirksamkeit und des effizienten Mitteleinsatzes unter Berücksichtigung aller Beteiligten, Schnittstellen und Prozesse zu gewährleisten. Unser Beratungsangebot deckt dabei den gesamten Lebenszyklus eines Programms ab und erstreckt sich sowohl auf summative als auch formative Evaluierungen, welche das Branchenteam Government Public Sector anbietet. Weiterhin können Unternehmen auf direkte und vielfältige Unterstützung bei der Innovationsförderung zurückgreifen. Dies kann die Beantragung von Fördermittel für komplexe F&E-Vorhaben oder auch die Strukturierung des Vorhabens betreffen. Die Identifizierung der potenziellen Förderung – wie z. B. aus dem EU-Programm Horizon 2020 oder aus dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand des BMWi – hängt dabei von den spezifischen Bedingungen des jeweiligen Investitionsvorhabens ab. Horizon 2020: Eine Chance für die deutsche Biotechnologie Ingrid Zwoch, Nationale Kontaktstelle Lebenswissenschaften (Projektträger für das BMBF), Bonn Das neue Rahmenprogramm Für die Beteiligung an europäischen Programmen sind neben der Erschließung neuer Märkte und Netzwerke die Streuung des Forschungs- und Entwicklungsrisikos und der Zugang zu Schlüsseltechnologien, Infrastruktur und Know-how die vorrangingen Ziele biotechnologischer Einrichtungen. Anfang 2014 wird offiziell das neue Rahmenprogramm der EU für Forschung und Innovation – Horizon 2020 – mit einer Laufzeit von sieben Jahren starten. Horizon 2020 Bereits jetzt ist zu erkennen, dass mit diesem neuen Programm ein Paradigmenwechsel innerhalb der europäischen Forschungsförderung eingeleitet wird: Horizon 2020 setzt verstärkt auf Innovationen – Forschung soll wesentlich dazu beitragen, Innovationen umzusetzen und die wirtschaftliche Entwicklung Europas zu befördern. Die Struktur von Horizon 2020 spiegelt diese Innovationsnähe des Programms wider: In den drei Hauptblöcken (I) Wissenschaftsexzellenz, (II) Führende Rolle der Industrie und (III) Gesellschaftliche Herausforderungen hat die Förderung von Unternehmen vorwiegend im Teil II einen Schwerpunkt. So haben Schlüsseltechnologien, zu denen auch die Biotechnologie explizit zählt, eine eigene Förderlinie erhalten. Der erleichterte Zugang zur Risikofinanzierung für KMU und die gezielte Unterstützung einzelner KMU – ein Novum in einem europäischen Rahmenprogramm – sind industriefreundliche Neuerungen. Förderbereiche Wichtige Förderbereiche für die gesamte Biotechnologieszene werden die Gesellschaftlichen Herausforderungen mit den Challenges „Gesundheit, demografischer Wandel und Wohlergehen“ und „Ernährungsund Lebensmittelsicherheit, nachhaltige Landwirtschaft, marine und maritime Forschung, und Biowirtschaft“ bieten. Die Planung sieht auch gemeinsame thematische Ausschreibungen mit den Schlüsseltechnologien vor. Damit soll die direkte Verbindung von neuen Technologien und deren Einsatz in der Forschung und Entwicklung sichergestellt werden. Neue Finanzierungsmöglichkeiten über Public-Private Partnerships Neben den o. g. Optionen eröffnen auch gemeinsame Technologie-Initiativen (Joint Technology Initiativen, JTI) Beteiligungsmöglichkeiten. JTI sind eine Variante der Public-Private Partnerships (PPPs): Finanzmittel aus Horizon 2020 werden mit privaten Investitionen kombiniert. JTI können eigene Ausschreibungen durchführen. Ein bekanntes Beispiel ist die Innovative Medicines Initiative (IMI), die bereits im siebten Forschungsrahmenprogramm (FP7) selbständig Projektideen aus dem Bereich der präkompetitiven Arzneimittelforschung fördert. Diese mit einem Gesamtbudget von zwei Milliarden Euro weltweit größte öffentlich-private Partnerschaft bietet auch deutschen innovativen Biotechnologieunternehmen vielfältige Chancen zur Zusammenarbeit mit Akademie, Zulassungsbehörden, Patientenorganisationen und der Großindustrie. JTI haben häufig vom Rahmenprogramm abweichende Regelungen zum Umgang mit geistigem Eigentum (IMI IP Policy), den Finanzierungsbedingungen bzw. administrativen Vorgaben. Aktuell laufen die Beratungen, die Rahmensetzungen der Nachfolgeinitiativen für Horizon 2020 stärker auf die Bedürfnisse aller an den Projekten beteiligten Einrichtungen auszurichten. Für Horizon 2020 ist ebenfalls in dem Bereich der „industriellen Biotechnologie“ eine neue Form der PPP („BRIDGE“) geplant. Im Rahmen von „BRIDGE“ sollen neue Wertschöpfungsketten von der Biomasseproduktion bis hin zum Markt – einschließlich Bioraffinerien – etabliert werden. Für Industrieunternehmen ist es von großer Bedeutung, Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 sich bereits frühzeitig in Gremien und Beratungsforen zu neuen Initiativen zu engagieren und sich an der Erarbeitung strategischer Forschungs- und Innovationsagenden zu beteiligen. Wieviel im Einzelnen? Die Förderung von Forschungs-, Entwicklungsund Demonstrationsaktivitäten in Horizon 2020 wird durch die Beteiligungsregeln festgelegt. Geplant wird, die Erstattung der tatsächlichen Kosten mit einer Förderquote je Maßnahme / Projekt spezifisch festzulegen. Sie ist unabhängig vom Einrichtungstyp (z. B. Universität, KMU, Großindustrie) und den jeweiligen Aktivitäten innerhalb des Projektes. Sie soll maximal bis 100 Prozent für Forschungs-, Entwicklungs-, Koordinierungs- und Managementaktivitäten aufkommen; für Demonstrationsaktivitäten wird sie bei maximal 70 Prozent liegen. Für die Erstattung der indirekten Kosten ist eine Pauschale von 20 Prozent vorgesehen. Wie die Instrumente im Einzelnen aussehen werden, mit denen die Projekte letztendlich umgesetzt werden, ist Gegenstand aktueller Diskussionen auf europäischer Ebene. Chancen nutzen. Jetzt! Interessierte Einrichtungen sollten sich vorbereiten: Erste Ausschreibungen von Horizon 2020 werden aller Voraussicht nach im Winter 2013/14 publiziert werden. Die Beteiligung deutscher Biotechnologieunternehmen, die zum größten Teil durch KMU repräsentiert sind, war im letzten Rahmenprogramm sehr erfolgreich. Die Chancen, europäische Fördermittel akquirieren zu können, werden nochmals steigen. Um erfolgreich zu sein, ist es extrem wichtig, sich frühzeitig auf der europäischen Bühne zu engagieren und zu informieren. Entscheidend ist eine fundierte Beratung im Vorfeld von Ausschreibungen. www.nks-lebenswissenschaften.de 89 Finanzierung börsennotierter Biotech-Unternehmen Börsengänge weiter Fehlanzeige Man kann dieses Kapitel getrost kurz abschließen: Auch im sechsten Jahr in Folge nach 2006 gab es keine Börsengänge deutscher Biotech-Unternehmen. Das seit Jahren andauernde Desinteresse des Kapitalmarkts am Biotech-Sektor hält unvermindert an. Der Gang an die Börse kann nicht einmal als Finanzierungsrunde mit einem akzeptablen Kapitalzufluss angestrebt werden, und somit sind auch die mit einem Börsengang verbundenen Kontrollund Transparenzpflichten noch weniger zu rechtfertigen. Dennoch gibt es vereinzelt Diskussionen, die aus der Perspektive der mindestens genauso schlechten Finanzierungssituation im privaten Biotech-Sektor neue Überlegungen zu einem Listing am Kapitalmarkt einbringen. Als Argument wird der Zugang zu individuellen Investoren für PIPEs genannt, der die fast aussichtslose Suche nach privaten Investoren und die Auseinandersetzung mit komplizierten Konsortienbildungen erübrigt. Weiterhin wird auch die größere Transparenz im Zusammenhang mit der Bewertung von Assets über die Marktkapitalisierung ins Feld geführt. Ob diese Argumente tragen, ist schwer abzuschätzen; konkrete Beispiele für Listings ohne Aktienausgabe fehlen und auch die Finanzierungserfolge für bereits gelistete Unternehmen am Kapitalmarkt machen sich eher bescheiden aus (s. o.). Bleibt zu wiederholen, dass ohne eine Wiederbelebung des Kapitalmarktes die gesamte Branche im Hinblick auf Finanzierungen und erfolgreiche Exits weiter unter Druck stehen wird. Trade Sales alleine können nicht die Lösung für alle Biotech-Unternehmen und auch nicht für alle Geschäftsmodelle sein. 90 Börsengänge europäischer Biotech-Unternehmen, 2012 Unternehmen Land Volumen Datum (Mio. €) Börse Art Adocia Frankreich 27,4 14. Februar NYSE Euronext Paris IPO Bionaturis Spanien 3,0 26. Januar MAB IPO Respiratorius Schweden 0,8 15. Mai AktieTorget IPO Prothena Corporation Irland Vaxil Israel BioTherapeutics 21. Dezember NASDAQ Listing 25. Juli Reverse IPO TASE Quelle: Ernst & Young, 2013 Auch im restlichen Europa Börsenflaute für Biotech Bis auf den IPO von Adocia aus Frankreich sind die restlichen vier „Börsengänge“ in Spanien (Bionaturis), Schweden (Respiratorius), Irland (Prothena) und Israel (Vaxil BioTherapeutics) allenfalls als Neunotierung an den jeweiligen Kapitalmärkten zu sehen. Als Finanzierungsereignisse waren sie weniger geeignet. Bei den beiden letztgenannten stand in der Tat auch das Listing direkt (Prothena) oder in Form des Reverse IPO (Vaxil) als primäres Ziel auf dem Plan. Adocia nahm bei seinem doppelten Börsengang in New York (NYSE) und Paris (Euronext) immerhin gut 27 Millionen Euro ein und befand sich damit in guter Gesellschaft mit privaten Finanzierungsrunden. Das Unternehmen entspricht mit seiner Aufstellung auch nicht dem üblichen Biotech-Modell eines Therapeutika- oder Diagnostikentwicklers sondern hat bereits eine Marktposition mit Umsätzen im einstelligen Millionenbereich. Außerdem ist das Geschäftsmodell eher in der Nähe von Specialty-PharmaFirmen anzusiedeln: • Drug-Delivery-Technologie („Bio-Chaperone“ zur Verpackung von Proteinen mit Heparin-ähnlichen Polysacchariden) • Verbesserung von therapeutisch relevanten Biologicals (z. B. Insulin, Wachstumsfaktoren) • Risikoreduktion durch „Veredelung“ von erfolgreichen Marktprodukten (z. B. Insulin) • Schwerpunkt auf der Entwicklung und Vermarktung Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Trotz dieses Profils und einer attraktiven Marktposition konnte die Aktie über den Jahresverlauf ihren Ausgangswert nicht halten. Die Jahresabschlussnotierung ergab als Market Cap lediglich 50 Millionen Euro, glatte 50 Prozent unter dem Ausgangswert beim Börsenstart (Market Cap 100 Mio. €). Somit bleibt die Diskussion hinsichtlich einer Verbesserung der Geschäftsposition für Biotech-Firmen durch ein Börsen-Listing weiter offen. Adocia jedenfalls motiviert – selbst mit guter Ausgangsposition – durch seine Börsen-Performance nicht gerade dazu, diese Strategie einzuschlagen. Sehr erstaunlich und ungewöhnlich ist auch das Listing der Prothena Corporation aus Irland. Das Unternehmen ist ein Spin-off – und hier liegt der Hintergrund des Listings – aus Elan und hat seine Kernkompetenz in der Entwicklung von monoklonalen Antikörpern für die Behandlung von Krankheiten, bei denen falsch gefaltete Proteine eine Rolle spielen (z. B. Amyloidose). Ungewöhnlich ist dies, da das Lead-Programm von Prothena gerade einmal die Phase I der klinischen Entwicklung angetreten und dafür OrphanDrug-Status erhalten hat. In diesem Stadium würde ein Biotech-Unternehmen herkömmlicher Prägung am Kapitalmarkt nicht akzeptiert werden. Da die Finanzierung durch Elan aber weiter gesichert ist und die Corporation auch Hauptaktionär bleibt, ist die Situation bei Prothena nachvollziehbar. Finanzierung US-Börsen mit Bio-Appetit? Die IPO-Aktivitäten in den USA hatten sich bereits vor zwei Jahren wieder erholt und waren im letzten Jahr (2011) mit zehn Börsengängen und einem Gesamtvolumen von 814 Millionen US-Dollar wieder fast auf dem Niveau vor der Finanzkrise angelangt. Auf dieser Höhe verharrt der Kapitalmarkt in den USA auch 2012. Insgesamt 11 IPOs haben frisches Kapital in Höhe von 765 Millionen US-Dollar eingefahren. Dazu kamen zwei Listings und vier Reverse IPOs die anzeigen, dass Unternehmen stärker an den Kapitalmarkt drängen. Die aufgeführten 11 IPOs haben zwar im Durchschnitt mit etwa 70 Millionen US-Dollar etwas weniger eingenommen als noch im Vorjahr (84 Mio. US�). Dafür waren aber in diesem Jahr erfreulicherweise alle Unternehmen über der 50-Millionen-Dollar-Grenze. Es gab nur einen IPO mit 100 Millionen US-Dollar, den Börsengang von Merrimack Pharmaceuticals, der das Feld knapp anführt. Merrimack repräsentiert sicherlich das Paradigma des aktuellen Börsenkandidaten: eine Technologieplattform für Antikörper und Nanotherapeutika mit einer breiten Pipeline an Krebswirkstoffen in fortgeschrittener klinischer Entwicklung; dazu kommt ein Deal mit Sanofi als externem Partner und „Evaluator“ der Plattform sowie deren Output. pioniere aus Cambridge/Massachusetts, sind die Aushängeschilder dieser Unternehmung, die die Börsenglocke erstmals beim IPO aus dem Labor einer BiotechFirma geläutet haben. Auch das Muster der IPOs hinsichtlich Geschäftsmodell und Reifegrad war recht homogen: Alle 11 Unternehmen sind Therapeutikaentwickler mit Leitprodukten in Phase III der klinischen Entwicklung sowie zwei Specialty-Pharma-Unternehmen mit Produkten bereits am Markt. Ausnahme bildet Verastem, das erst in der Präklinik steht; allerdings mit einem hochinnovativen Ansatz zur Entwicklung niedermolekularer Inhibitoren für Krebsstammzellen. CEO Christoph Westphal und Board-Mitglied Robert Weinberg, zwei Krebsforschungs- Interessant ist weiterhin die einzige Technologiefirma – Regulus Therapeutics aus San Diego. Das Unternehmen ist ein Zusammenschluss der früheren Antisense-RNA-Pioniere Alnylam Pharmaceuticals und Isis Pharmaceuticals, die auf Basis der Technologien und Patente ihrer Vorgänger innovative microRNA-Therapeutika entwickeln. Beleg für die offenbar hochattraktive Technologieplattform sind bestehende Frühphasen- bzw. Plattform-Deals mit Sanofi, AstraZeneca und GSK neben einem eigenen, noch frühen Entwicklungsprogramm. Börsengänge US-amerikanischer Biotech-Unternehmen, 2012 Unternehmen Volumen (Mio. US$) Datum Art Merrimack Pharmaceuticals 100,1 29. März IPO Tesaro 86,8 24. Juli IPO Intercept Pharmaceuticals 86,3 15. Oktober IPO KYTHERA Biopharmaceuticals 81,0 16. Oktober IPO Durata Therapeutics 77,6 24. Juli IPO Verastem 63,3 27. Januar IPO Cempra Pharmaceuticals 58,0 3. Februar IPO Hyperion Therapeutics 57,5 31. Juli IPO Supernus Pharmaceuticals 52,2 1. Mai IPO ChemoCentryx 51,8 8. Februar IPO Regulus Therapeutics 50,9 4. Oktober IPO Puma Biotechnology 16. April Listing RXi Pharmaceuticals 1. Mai Listing ADMA Biologics 29. März Reverse IPO Arrogene NanoTechnology 11. Januar Reverse IPO Islet Sciences 1. März Reverse IPO Retrophin 18. Dezember Reverse IPO Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 91 Finanzierung Finanzierung börsennotierter BiotechUnternehmen in Deutschland bleibt schwierig Mit einer Gesamtsumme von nur 80 Millionen Euro an Einnahmen aus Finanzierungen am Kapitalmarkt bleibt dieses Terrain für Biotech schwierig. Wenngleich in der Summe doppelt so hoch wie noch im vergangenen Jahr und den Jahren nach der Krise (mit der Ausnahme von 2010, als mit einer PIPEKapitalerhöhung bei Agennix durch das Hopp Family Office alleine 78 Millionen Euro aufgenommen werden konnten), so reicht sie noch immer nicht an die Vorkrisenwerte, die bei deutlich über 100 Millionen Euro gelegen hatten. Sekundärfinanzierungen börsengelisteter deutscher Biotech-Unternehmen, 2012 Unternehmen Volumen (Mio. €) Datum Art MOLOGEN 22,0 19. Juni PIPE WILEX 16,1 3. August PIPE 4SC 12,6 13. Juni PIPE Biofrontera 11,5 2. März PIPE WILEX 9,9 9. Januar PIPE co.don 3,9 20. August PIPE MOLOGEN 2,7 27. März PIPE Biofrontera 1,4 3. Februar PIPE Quelle: Ernst & Young, 2013 Alle aufgeführten Finanzierungsrunden sind PIPEs, welche die nach wie vor stagnierende Situation des Kapitalmarkts belegen, wo meist nur direkte Commitments der existierenden Anteilseigner die Weiterfinanzierung ihrer Portfoliofirmen stemmen. Das Bild gleicht auch insofern dem des Vorjahres, weil fast exakt die gleichen Namen auftreten. Dennoch stechen einige Firmen hervor, die durch positive Performance die benötigten Kapitalerhöhungen realisieren konnten. MOLOGEN rechtfertigt die Kapitalaufnahme von insgesamt 24,7 Millionen Euro (2011 10 Mio. €) mit guten klinischen Daten. In den ersten neun Monaten des Jahres 2012 hat MOLOGEN mehrere wichtige Ziele erreicht. Die klinischen Studien zu den beiden Produktkandidaten MGN1703 (Darmkrebs) und MGN1601 (Nierenkrebs) übertrafen alle Erwartungen. Weitere positive Meilensteine in der aktuellen Berichtsperiode stellten zum einen der erfolgreiche Abschluss der präklinischen Arbeiten zum LeishmanioseImpfstoff MGN1331 und zum anderen der Beginn der Kooperation mit der Charité Berlin und dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin zur klinischen Untersuchung einer auf der von MOLOGEN entwickelten MIDGE®-Technologie basierenden Immuntherapie gegen den schwarzen Hautkrebs dar. 92 Noch erfolgreicher hinsichtlich der Kapitalaufnahme war WILEX, das in ebenfalls zwei Tranchen 25 Millionen Euro einnahm. Im Wesentlichen wurde diese Kapitalerhöhung getragen durch den Hauptaktionär Dietmar Hopp. Umso tragischer, dass im Herbst des letzten Jahres der erwartete Erfolg der Phase-III-Studie ausblieb und das Kapital somit zunächst verloren schien. Ebenfalls Wiederholungstäter nach knapp 12 Millionen Euro 2011 war 4SC, die im Berichtsjahr 2012 erneut um die 13 Millionen Euro aufnehmen konnte. Auch hierbei handelt es sich um eine notwendige Finanzspritze per PIPE für die weiteren klinischen Entwicklungsschritte, gezeichnet von den existierenden Investoren (u. a. Thomas Strüngmann). Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Biofrontera, in den letzten Jahren immer aktiv mit mehreren kleineren Kapitalerhöhungen über PIPEs, konnte auch 2012 zweimal „zuschlagen“ und insgesamt 13 Millionen Euro durch Ausgabe neuer Aktien an bestehende Aktionäre erzielen. Newsflow durch weitere Vertriebsvereinbarungen (z. B. Allergan, Desitin) für ihre Therapie der aktinischen Keratose tragen zur positiven Stimmung bei. Schließlich war auch co.don mit einer kleineren Kapitalmaßnahme über ein 3,9-Millionen-Euro-PIPE erfolgreich, die von Trans Nova Investments und Osemifaro Investments, beide mit Sitz in Zypern, ausgingen. Die Kapitalerhöhung hat die Gesellschaft in die Lage versetzt, insbesondere die hohen Aufwendungen für die zentrale Zulassung der Tissue-Engineering-Produkte zur Behandlung von Knorpeldefekten zu erlangen. Dies ist Ende 2012 durch die positive Einschätzung der Zulassungsbehörden tatsächlich erfolgreich vorangebracht worden. Finanzierung Börsennotierte Biotech-Firmen in Europa stagnieren weiter Kapitalerhöhungen europäischer BiotechFirmen 2012 lagen mit 910 Millionen Euro zwar 12 Prozent über dem Vorjahreswert. Die Gesamteinnahmen über den Kapitalmarkt bleiben in Europa aber weiterhin deutlich unter dem Bedarf und den Werten aus den Vorkrisenjahren (z. B. 3,35 Mrd. € 2007). Immerhin lagen die Top 10 der Einzelmaßnahmen immer noch deutlich über dem Mittel der Kapitalerhöhungen in Deutschland, sodass MOLOGEN mit seiner 22 MillionenRunde gerade einmal an Platz neun zu liegen kommt. Mit einer Ausnahme – der auf die Entwicklung von Augenerkrankungen spezialisierten ThromboGenics in Belgien – gehören alle Firmen mit Kapitalerhöhungen über 40 Millionen Euro der Gruppe der SpecialtyPharma-Unternehmen an: • Amarin Corporation • Vernalis • Veloxis Pharmaceuticals • Algeta Diese sind größtenteils am Markt etabliert und können den Kapitalmarkt mit anderen Kennzahlen angehen als Entwicklungsfirmen aus dem traditionellen Biotech-Bereich. ThromboGenics kann ebenfalls auf eine sehr erfolgreiche Entwicklung von Produkten gegen Augenkrankheiten bauen, die im Zuge der Partnerschaft mit Alcon und deren Übernahme durch Novartis ins Rampenlicht von Pharma und damit von Analysten gerückt war. Abzüglich dieser offensichtlichen Kapitalmarkt-„Platzhirsche“ fallen die restlichen Kapitalmaßnahmen in den gleichen Rahmen, der bereits für Deutschland beschrieben wurde: wenige Unternehmen und kleine Runden, die allesamt (außer in Israel) als PIPEs strukturiert sind. Insofern kommt man auch für das europäische Börsenumfeld in Biotech nur zu dem Schluss, dass vom Kapitalmarkt immer noch keine neuen Signale zu vernehmen sind. Somit steht Deutschland diesbezüglich nicht alleine, sondern sollte sich gemeinsam mit den Nachbarländern bzw. den entsprechenden Biotech-Verbänden überlegen, wie hier Impulse gesetzt werden könnten. Fremdfinanzierung in Europa erstmalig auffällig Ausschlaggebend für die Höhe der Gesamtfinanzierung in Europa ist vor allem das erstmalig signifikante Volumen an Fremdfinanzierungen (1.331 Mio. €). Diese Kategorie war bisher lediglich in den USA als Zeichen einer reiferen Industrie sichtbar gewesen. Entsprechend sind es aber auch in Europa sehr wenige Firmen, die in diesem Ruf stehen und deshalb hier auch große Summen in Form von Fremdkapital aufnehmen konnten: • Elan • Jazz Pharmaceuticals • Alkermes • Swedish Orphan Biovitrum Sekundärfinanzierungen börsengelisteter europäischer Biotech-Unternehmen, 2012 (Auswahl) Unternehmen Land Volumen (Mio. €) Datum Art Amarin Corporation Irland 116,7 4. Januar Wandelanleihe Vernalis UK 84,4 10. Februar Follow-on ThromboGenics Belgien 77,8 28. März PIPE Veloxis Pharmaceuticals Dänemark 56,7 15. Oktober PIPE Algeta Norwegen 40,2 13. Februar PIPE Prolor Biotech Israel 29,1 10. Mai Follow-on Pluristem Therapeutics Israel 28,4 12. September Follow-on Rosetta Genomics Israel 24,6 3. August Follow-on MOLOGEN Deutschland 22,0 19. Juni PIPE Clavis Pharma Norwegen 21,8 18. Januar PIPE Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 93 Und der Kapitalmarkt bewegt sich doch: 4SC führt Kapitalerhöhung durch zugsrecht aus dem genehmigten Kapital mit einem Bruttoemissionserlös in Höhe von 12,6 Millionen Euro ab. Dadurch konnte 4SC die Aktionärsbasis weiter stärken und die Finanzierung anstehender operativer Meilensteine absichern. Enno Spillner, CEO / CFO 4SC AG, Martinsried Flaute am deutschen Kapitalmarkt? 2012 war ein erfolgreiches Jahr für die internationale Biotech-Branche und auch 2013 hat vielversprechend begonnen. Die positive Entwicklung spiegelte sich in Medikamentenzulassungen und klinischen Erfolgen ebenso wider wie in der guten Branchen-Performance an den Kapitalmärkten. In Deutschland war die Situation aufgrund einiger Rückschläge und nur weniger aktiver lokaler Investoren jedoch bedeutend schwieriger. Zusammen führte dies im Heimatmarkt zu einer geringen Anzahl von Finanzierungsrunden und kleineren Transaktionsvolumina. Trotz allem gelang es einigen „Small Caps“ mit attraktiven Werttreibern im Portfolio, auch unter den harschen Finanzierungsbedingungen Geld am Kapitalmarkt zu beschaffen – unter anderem der 4SC AG. Das Commitment der Altaktionäre lockt auch ausländische Investoren Die Kapitalerhöhung wurde maßgeblich von den Altaktionären getragen – ein wichtiges Signal für interessierte neue Investoren. Das im Vorfeld bekundete Engagement des Großaktionärs Santo, sich mit bis zu fünf Millionen Euro zu beteiligen, spielte bei der Platzierung der Kapitalerhöhung eine wichtige Rolle. Es ist zudem erwähnenswert, dass rund ein Viertel der Aktien bei neuen institutionellen Investoren, vor allem aus den Benelux-Staaten, Frankreich und Skandinavien, platziert werden konnten. Die weitgehende Zurückhaltung amerikanischer Investoren war spürbar, aber in Anbetracht der Euro-Krise verständlich. Entsprechend war eine gewisse Finanzierungslücke vorhanden, nachdem bei einer im Jahr 2011 durchgeführten Kapitalerhöhung von 4SC knapp ein Drittel der Mittel von US-Investoren eingeworben worden war. Struktur der Finanzierung Die Transaktion erfolgte in drei Stufen: Zunächst wurde eine Vorabplatzierung mit einem Bruttoerlös von rund 4,4 Millionen Euro bei institutionellen Investoren durchgeführt, um den Erfolg der Transaktion frühzeitig transparent zu machen. Im zweiten Schritt erfolgte das Bezugsangebot an die bestehenden Aktionäre. Im letzten Schritt wurden im Rahmen des Bezugsangebots nicht platzierte Aktien in einem Rump Placement bei institutionellen Investoren platziert. 4SC wirbt 12,6 Millionen Euro ein Im Sommer 2012 war die Eurokrise auf ihrem Höhepunkt und es bestand im Zusammenhang mit der Parlamentswahl in Griechenland eine große Verunsicherung, im Euroraum Mittel zu investieren. Insbesondere war völlig unklar, wie sich der Kapitalmarkt in der zweiten Jahreshälfte weiter entwickeln würde. In diesem schwierigen Umfeld gelang es 4SC, Gelder bei bestehenden Aktionären und neuen internationalen institutionellen Investoren einzuwerben. Anfang Juli 2012 schloss das Unternehmen erfolgreich eine Kapitalerhöhung mit Be- Gewollt kein öffentliches Angebot Ein öffentliches Angebot erfolgte nicht: Die Transaktion richtete sich bewusst nur an Altaktionäre und ausgewählte institutionelle Investoren. Gemäß der alten Prospektrichtlinie war im Sommer 2012 ein vorgelagerter Angebotsprospekt noch nicht notwendig, was Zeit sparte. Die Zulassung der neuen Aktien zum Handel an der Frankfurter Wertpapierbörse erfolgte im September 2012 auf Basis eines nachgelagerten Zulassungsprospekts. Um dennoch den neuen Aktionären umgehend handelbare Aktien an die Hand geben zu können, hat 4SCs größter Aktionär 94 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 dankenswerter Weise einen Teil seiner bestehenden Aktien via Aktienleihe zur Ausgabe an die neuen Investoren zur Verfügung gestellt und selbst zunächst nicht zugelassene Aktien gehalten. Die gewählte Form der Kapitalerhöhung war somit effizienter und schneller umsetzbar als eine konventionelle Kapitalerhöhung mit vorgelagerter Prospekterstellung. Finanzierung von börsengelisteten Biotech-Unternehmen Die Möglichkeiten zur Refinanzierung von Biotech-Unternehmen am europäischen Kapitalmarkt bleiben weiterhin herausfordernd – anders als derzeit in den USA. Es ist deshalb wichtig, neben Kapitalerhöhungen auch alternative Finanzierungsquellen wie Royalty Financing und SEDA nicht aus den Augen zu verlieren und weitere „kreative Wege“ zu erschließen. Eine Grundregel ist dabei, für alles offen und startbereit zu bleiben und situationsbedingt im Sinne des Unternehmens zu agieren – frei nach der Devise „Take the money when you can“. Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt durch Umsätze In diesem Zusammenhang hat 4SC eine eigene Strategie entwickelt, um ein Stück weit unabhängiger vom Kapitalmarkt zu werden – nämlich die Generierung von Mittelzuflüssen aus der konzerneigenen Frühphasenforschung durch die Anfang 2012 gestartete Tochtergesellschaft 4SC Discovery GmbH. Umsätze entstehen zum einen durch das Dienstleistungsgeschäft in der Wirkstoffentdeckung. Hier wurde beispielsweise mit der Mainzer BioNTech AG im Februar 2013 eine dreijährige Partnerschaft gemeldet. Darüber hinaus zielt 4SC Discovery auf Partnering Deals im Early-stage-Bereich ab. Medikamentenprogramme werden bereits in frühen Forschungsphasen mit Biotech- und Pharma-Firmen verpartnert, um frühzeitig Mittelzuflüsse zu generieren, die Entwicklung zu beschleunigen und von Beginn an auf eine breitere Grundlage zu stellen sowie in späteren Phasen vom Wertzuwachs zu profitieren. Hier sorgte das Unternehmen Ende Februar 2013 mit einem Deal mit der dänischen LEO Pharma A/S für Aufsehen. Neben einer Vorabzahlung von einer Million Euro könnte 4SC daraus weitere Meilensteineinnahmen von fast 100 Millionen Euro plus Umsatzbeteiligungen erzielen. www.4sc.de Family Offices setzen auf Firmenbeteiligungen Peter Brock, Family Office Services, Ernst & Young GmbH, Düsseldorf Family Offices – eine Chance für den deutschen Mittelstand Seit der weltweiten Finanzkrise ist bei Family Offices ein deutlicher Trend zu spüren, signifikante Teile des betreuten Vermögens in Realkapital und als Direktinvestition anzulegen. Traditionelle Depots börsennotierter Wertpapiere und Anleihen haben infolge des schwierigen Marktumfeldes (schwache Renditen bei erhöhter Volatilität, historisch niedriges Zinsniveau, steigende Inflationsgefahr und der unter Druck geratene Euro) an Attraktivität verloren – einen nachhaltigen Vermögenserhalt über mehrere Generationen hinweg können sie nur noch bedingt gewährleisten. Neben Immobilienanlagen und Private Equity Investments rücken damit auch unternehmerische Direktbeteiligungen verstärkt in den Fokus langfristig agierender Family Offices. In den vergangenen Jahren ist zu beobachten, dass unternehmerisch geprägte Family Offices vermehrt als Investoren auftreten. Dabei handelt es sich sowohl um bekannte Family Offices mit Milliardenvermögen als auch verstärkt um weniger prominente vermögende Familien und Privatpersonen. Immer öfter schließen sich auch mehrere Family Offices zusammen, um mit Hilfe sog. Club Deals auch größere Firmenbeteiligungen erwerben zu können und das Risiko zu streuen. Für Verkaufsprozesse mittelständischer Unternehmen – besonders auch in Nachfolgesituationen – stellen Family Offices eine zunehmend wichtige Quelle von Eigenkapital dar. FOs in Deutschland und Europa Family Offices sind eigenständig organisierte Vermögensverwaltungen und ermöglichen die ganzheitliche und unabhängige Betrachtung des Gesamtvermögens des Vermögensinhabers – einschließlich aller Asset-Klassen wie Immobilien und Firmenbeteiligungen – mit der Aufgabe, ebenjenes private Großvermögen über Generationen hinweg zu erhalten bzw. zu vermehren. Das Dienstleistungsspektrum ist breit gefächert: Neben Kernbereichen der Vermögensverwaltung, des Investmentcontrollings und des Reportings bieten FOs u. a. auch Steuerberatung, Nachfolgeregelungen und Concierge Services an. Der europäische Family-Office-Markt hat seit seiner Etablierung Anfang der 90er Jahre stark an Bedeutung gewonnen und bildet heute einen integralen Bestandteil der Finanzdienstleistungsbranche. In Deutschland werden nach Schätzungen von Experten mehr als 180 Milliarden Euro Gesamtvermögen durch Family Offices betreut. Ihre Zahl wird auf rund 400 Single Family Offices – die nur für eine Familie tätig sind – und auf etwa 50 Multi Family Offices – die mehrere Familien betreuen – veranschlagt. Neben Deutschland ist in Kontinentaleuropa vor allem die Schweiz ein Zentrum für Family Offices. Im Anschluss an die weltweite Finanzkrise ist es in vergangenen Jahren zu einem Gründerboom bei Family Offices gekommen: Viele Hochvermögende präferieren zunehmend eine bankunabhängige und auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnittene Vermögensverwaltung, die eine transparente Kostenstruktur ermöglicht. Family Governance zur langfristigen Vermögenssteuerung Neben dem primär angestrebten Vermögenserhalt dienen unternehmerische Direktbeteiligungen vermögender Familien oftmals weiteren Zielen. So können sie einen Identifikationsrahmen für den Familienverbund stiften, den vielfach über Generationen kultivierten Unternehmergeist lebendig halten und mittels „Socially Responsible Investment“ und „Impact Investment“ Sinn stiftend wirken und dem gesellschaftlichen Ansehen dienen. Eine wachsende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der sog. Family Governance zu. Diese umfasst Methoden und Prinzipien der Familienführung – angelehnt an die Prinzipien der Corporate Governance bei Unternehmen – und dient der besseren Organisation des Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Familienverbundes und dem systematischen Management des Familienvermögens. Solange das ursprüngliche Familienunternehmen im Fokus der Familie steht, sind durch die gesellschaftsrechtlichen Gegebenheiten (Gesellschaftsvertrag etc.) gewisse Rahmenbedingungen vorgegeben. Nach erfolgtem Verkauf fallen diese jedoch weg. Gute Family Governance institutionalisiert neue Gremien und Geschäftsabläufe der Familie durch ein Family Office und legt klare Werte fest, die das ethische Selbstverständnis der Familienmitglieder beschreiben und als Grundsätze für nachhaltige Investitionen dienen können. Den langfristigen Erfolg im Blick FOs haben bei unternehmerischen Direktbeteiligungen in aller Regel eine deutlich längerfristige Perspektive als Private-EquityGesellschaften, da sie nicht von den Anforderungen institutioneller Investoren abhängig sind und ihre Rendite typischerweise nicht über den Verkauf der Beteiligung nach einem definierten Zeitablauf realisieren (müssen). Stattdessen können sie langfristige Wachstumsinitiativen unterstützen und die Erträge bzw. Dividenden der Beteiligung langfristig vereinnahmen. Das macht sie als Unternehmenskäufer gerade für Nachfolgesituationen im deutschen Mittelstand besonders interessant. Hierbei ist in Kauf zu nehmen, dass sich Family Offices bei M&A-Transaktionen in der Regel deutlich weniger transparent verhalten als die PrivateEquity-Branche – oftmals aus gutem Grund, um die Vertraulichkeit für die Familienmitglieder zu wahren. Angesichts des weiterhin bestehenden hohen M&A-Potenzials im Mittelstand ist davon auszugehen, dass Family Offices die M&A-Aktivitäten in Zukunft deutlich stärker prägen werden als dies heute der Fall ist. Professionelle Unterstützung für den reibungslosen Ablauf Ernst & Young unterstützt den reibungslosen Ablauf einer Investition von Family Offices mit Due-Diligence-Prüfungen sowie steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen Strukturierungsfragen. Zudem wird sensibel auf die Besonderheiten und die speziellen Investitionskriterien des jeweiligen Family Offices eingegangen und bei jeder Transaktion ein klarer Blick auf die Risikoorientierung der Familie, die weitere Nachfolgeplanung und die vorherrschenden FamilyGovernance-Strukturen behalten. 95 Marktkapitalisierung Marktkapitalisierung der börsennotierten Unternehmen in Deutschland, 2012 Marktkapitalisierung in Mio. € MorphoSys Evotec Agennix MOLOGEN WILEX 4SC MediGene Biofrontera Curasan PAION Epigenomics co.don SYGNIS Pharma november 1600 700 1400 600 1200 500 1000 400 800 Summe (rechte Achse) 300 600 200 400 100 0 200 Jan 12 Feb 12 März 12 April 12 Mai 12 Juni 12 Juli 12 Aug 12 Sep 12 Okt 12 Nov 12 Dez 12 0 Quelle: Ernst & Young, Capital IQ, 2013 Gesamtmarktkapitalisierung im Jahresverlauf mit positiver Entwicklung Die Marktkapitalisierung in Summe über alle 14 deutschen Biotech-Unternehmen zeigt im Jahresverlauf 2012 insgesamt nach oben. Vom Ausgangswert mit 1,10 Milliarden Euro bis zum Jahresschlusswert von 1,49 Milliarden Euro ergibt sich ein Anstieg von 34 Prozent. Klassenbesten MorphoSys und Evotec. Insofern kann die dargestellte Abbildung eher als Spiegel dieser beiden Unternehmen dienen, während die restlichen Vertreter im „Rauschen“ untergehen. Wie in all den Vorjahren angemerkt, repräsentiert dieser Wert allerdings weniger die Branche als solche, sondern reflektiert vorwiegend nur die Entwicklungen der beiden Die meisten der 12 weiteren Unternehmen sind in der Medikamentenentwicklung aktiv (Ausnahmen sind nur Epigenomics und die inzwischen insolvente november). Da das Jahr 2012 einiges an klinischem Newsflow hervorgebracht hat, lohnt es, dessen Einfluss auf die jeweiligen Marktkapitalisierungen und damit quasi die Firmenbewertungen nachzuverfolgen. 96 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Markante Änderungen in negative Richtung ergeben sich zwischen Jahresbeginn und Ende 2012 für: • Agennix (–85 %) von 110 Millionen Euro auf 17 Millionen Euro aufgrund der negativen Phase-III-Studienergebnisse für Talactoferrin aus dem August • WILEX (–56 %) von 70 Millionen Euro auf 31 Millionen Euro aufgrund negativer Phase-II-Studienergebnisse für Rencarex im Oktober; der Absturz fällt noch heftiger aus (–74 %), wenn man die offensichtlich optimistische Stimmung im Vorfeld der Ergebnisveröffentlichung einrechnet, als die Market Cap zeitweise bei 120 Millionen Euro gelegen hatte. Finanzierung Dem standen aber auch positive Entwicklungen gegenüber, wie zum Beispiel: •M OLOGEN (+105 %) von 88 Millionen Euro auf 180 Millionen Euro; die klinischen Studien zu den beiden Produktkandidaten MGN1703 (Darmkrebs) und MGN1601 (Nierenkrebs) übertrafen die Erwartungen • Biofrontera (+97 %) von 31 Millionen Euro auf 61 Millionen Euro aufgrund weiterer Vertriebsvereinbarungen für den am Markt eingeführten Wirkstoff Ameluz® •4 SC (+100 %) von 51 Millionen Euro auf 102 Millionen Euro mit einer deutlichen Erholung nach dem Einbruch im Vorjahr • c o.don (+57 %) von sieben Millionen Euro auf 11 Millionen Euro aufgrund positiver Daten für die Knorpelersatztherapie und Erfolge in der Zulassungsdiskussion •S YGNIS von einer Million Euro nach dem Scheitern der klinischen Phase auf acht Millionen Euro nach der Bekanntgabe der Fusion mit der spanischen X-Pol und der Änderung des Geschäftsmodells Die typischen modernen Technologieplattformen sind mit zusammengenommen fünf Vertretern noch mehr die Exoten: MorphoSys ist in Gesellschaft mit Genmab und Ablynx der führende Vertreter der Tech@MPO-Plattformen; Evotec zusammen mit seinem Rivalen Galapagos sind als einzige Tech@Process-Repräsentanten gelistet. Die 30 größten Biotech-Unternehmen Europas nach Marktkapitalisierung, 2012 Name Land Marktkapitalisierung (Mio. €) Umsatz (Mio. €) Shire UK 13.332 3.641 Novozymes Dänemark 6.829 1.509 Elan Corporation Irland 4.719 935 Actelion Schweiz 4.255 1.434 Qiagen Niederlande 3.337 976 Meda Schweden 2.417 1.493 Jazz Pharmaceuticals Irland 2.397 456 Ipsen Frankrech 1.942 1.277 Alkermes Irland 1.900 303 MorphoSys und Evotec in europäischer Rangliste gut platziert Eurofins Scientific Frankreich 1.826 1.044 ThromboGenics Belgien 1.544 150* Die führenden börsennotierten deutschen Biotech-Unternehmen MorphoSys und Evotec finden sich auf einer Rangliste der europäischen Biotech-Branche auf den Plätzen 16 und 27. BTG UK 1.372 243 Swedish Orphan Biovitrum Schweden 1.159 221 Amarin Corporation Irland 943 n/a Algeta Norwegen 920 84 MorphoSys Deutschland 693 52 Stallergenes Frankreich 594 240 AB Science Frankreich 592 1* Genmab Dänemark 538 65 Active Biotech Schweden 475 26 Galapagos Belgien 434 129* Devgen Belgien 397 25* Protalix BioTherapeutics Israel 377 27 Basilea Pharmaceutica Schweiz 363 48 Cosmo Pharmaceuticals Italien 360 81* Vectura Group UK 355 41 Evotec Deutschland 319 87 Transgene Frankreich 263 12* Ablynx Belgien 262 27 Medivir Schweden 258 Hierbei ist hervorzuheben, dass sich unter den in Europa führenden Unternehmen allein acht reife und marktfokussierte SpecialtyPharma-Unternehmen befinden (Shire, Meda, Jazz, Ipsen, BTG, Algeta, Cosmo, Vectura) sowie weiterhin vor allem etablierte Therapeutikaentwickler mit teilweise frühen Börsengängen. Technologieplattformen sind mit nur neun Vertretern eher unterrepräsentiert. Unter die Top-30-Firmen fallen vier Tech@DiseaseUnternehmen, die noch am ehesten zu den in der Vergangenheit üblichen Börsengängen der Therapeutikaentwickler passen (ThromboGenics, Stallergenes, Active Biotech und Medivir). *Umsatz wurde auf Basis veröffentlichter Quartalsund Halbjahresberichte hochgerechnet Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 64 Quelle: Ernst & Young, 2013 97 Produkte 98 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Zahlen und Fakten im Überblick Biotech-Wirkstoffpipeline in Deutschland • L eichter Rückgang in der Gesamtzahl der Entwicklungskandidaten (2010: 305, 2011: 304, 2012: 294) Anzahl Wirkstoffe in Studien 160 140 • G rößte Abnahme in Phase III (–36 %) und Phase I (–17 %) 120 100 • Präklinik mit positiver Bilanz (+4 %) 80 60 40 20 0 161 159 166 47 53 44 82 78 75 Präklinik Phase I Phase II 2010 2011 14 14 1 9 Phase III 0 0 Zulassungsphase 2012 Quelle: Ernst & Young, 2013 Biotech-Wirkstoffpipeline in Europa, 2012 • G esamtzahl der Therapeutika in Entwicklung 2.564 (2011: 2.549) Anzahl Wirkstoffe in Studien UK 412 Deutschland 294 Schweiz 294 255 Frankreich 183 Schweden 163 Dänemark 144 Spanien 118 Italien Belgien 91 Österreich 91 Niederlande 87 59 Norwegen 48 Irland 38 Finnland 0 Präklinik • D eutschland und Schweiz teilen sich den zweiten Platz; Deutschland mit einer deutlich jüngeren Pipeline 287 Israel • U K führt nach wie vor die Liste der Entwicklungsprodukte an 50 100 Phase I 150 200 Phase II 250 300 350 400 450 Phase III Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 99 Wirkstoffpipeline in Deutschland In Richtung Markt nichts in Sicht Die Pipeline der Biotech-Therapeutikaentwicklungen in Deutschland zeigt sich auf den ersten Blick seit Jahren unverändert. Sowohl die Zahl der Medikamentenkandidaten in den einzelnen Phasen der Entwicklung als auch das Gesamtmuster in der relativen Verteilung über die Phasen blieben weitgehend konstant. Der zweite Blick ins Detail enthüllt ein differenzierteres Bild. Für 2012 ist die Zahl der Produktkandidaten mit insgesamt 294 erstmals seit einigen Jahren wieder unter die 300er Marke gefallen; ein Rückgang um drei Prozent von den 304 Wirkstoffen im Vorjahr. Weiterhin stimmt bedenklich, dass in den späten Phasen der Klinik deutliche Einbußen auftreten (–36 % in Phase III). Zudem stehen aktuell auch keine Zulassungen an. Obwohl in Deutschland in den letzten zehn Jahren immer wieder von einer noch jungen Branche gesprochen wurde, die noch Zeit für durchschlagende Erfolge benötigt, ist die Erwartungshaltung allmählich doch auf deutlichere Fortschritte in der Kommerzialisierung von Medikamenten ausgerichtet. Pipeline-Dynamik zeigt Licht und Schatten auf Dies geschieht in Form von Asset Deals, Auslizenzierungen und Firmenakquisitionen. Insbesondere die Akquisiton von Assets und ganzen Unternehmen war in der jüngeren Vergangenheit stark auf reifere Produkte ausgerichtet (wie z. B. Corimmun). Weitaus informativer ist die Analyse der Dynamik der Entwicklungspipeline deutscher Biotechnologiefirmen. Auf längere Sicht müsste also der tatsächliche Erfolg von Biotech-Firmen zumindest auch unter Einbeziehung der weiteren Entwicklungserfolge der veräußerten Produkte gemessen werden. Der Blick auf die vorliegende Pipeline-Darstellung wird dieser Aufgabe nicht hinreichend gerecht. Leider ist es zum Teil aber schwierig, den weiteren Verlauf der veräußerten Projekte lückenlos nachzuvollziehen, wenn diese unter neuer Führung Namen wechseln und uneinheitlich von beiden Partnern dokumentiert werden. Dabei zeigt sich, dass hinter dem vermeintlichen „Steady State“ in der Präklinik in Wirklichkeit ein enormer Zuwachs an 39 neuen Projektaufnahmen steht, im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 34 Prozent. Dieser Wert steht in direkter Korrelation zur Innovationskraft der Biotech-Branche in Deutschland. Dem steht allerdings eine signifikante Zahl von 21 Projektabbrüchen (13 % der Gesamtzahl, im Vorjahr 15) gegenüber – meist aufgrund von nicht erreichten Zielvorgaben. Dynamik der Wirkstoffpipeline in Deutschland, 2012 Anzahl Wirkstoffe in Studien 40 30 Zweifel an der Entwicklungskompetenz der Branche? Das Ausdünnen der späten Pipeline kann schlicht in der Tatsache begründet sein, dass Biotech-Firmen heute nur noch selten mit ihren Produkten in die Phase III vordringen. Meist können sie sich diesen Entwicklungsschritt nicht einmal als Co-Development-Partner leisten. In der Tat entspricht es eher der Regel, erfolgreiche Projekte vor oder nach der Phase II mit belegbarem Proof of Concept an Partner zu geben und von diesem Zeitpunkt an dem Partner die weitere Entwicklung gegen entsprechende Erfolgszahlungen zu überlassen. 100 20 10 Bilanz: 7 0 Bilanz: -3 - 10 Bilanz: -5 Bilanz: -9 - 20 Präklinik Phaseneintritt Akquisition Phase I Projektstopp Phasenübergang Phase II Phase III Firmenschließung Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Produkte Diese relativ hohe Zahl der Projektstopps bedeutet nicht automatisch eine schlechte Qualität der aufgenommenen Projekte, sondern gibt Hinweise darauf, dass im Zuge der weiteren Effizienzerhöhung in F&E insbesondere frühe Projekte stärker dem „Early Killing“-Postulat unterliegen. Zwei weitere Veränderungen der PräklinikPipeline sind eher positiv einzuordnen, da die Assets weiter fortbestehen: Im Rahmen von Firmenakquisitionen (Scil Technology, Cellzome, SymbioTec) wurden insgesamt sechs Projekte eliminiert; zwei weitere schafften den Sprung in die klinische Entwicklung. Die Ausbeute von lediglich zwei bzw. – unter Anrechnung der akquirierten Projekte – acht Produktkandidaten (5 % aller präklinischen Projekte) mit fortgesetzter Perspektive zur Weiterentwicklung scheint relativ bescheiden. Deutlich positiver stellt sich das Verlaufsergebnis für die Phase I dar: Den sieben Neuaufnahmen stehen immerhin acht Projekte gegenüber, die in die Phase II weitergeleitet werden. Die neu aufgenommenen Phase-I-Studien umfassen: •G lutaDON® (New Medical Enzymes) • 2x ApoceptTM (Apogenix) • MCS-18 (DoNatur) • QC-Inhibitor (Probiodrug) • Solulin (PAION) • Revacept (advanceCOR) Leider fallen auch in dieser Phase sieben Projekte (13 %) durch Projektstopp und ein Projekt durch Liquidation der Trin Therapeutics aus dem Rennen, sodass die Gesamtbilanz für die Phase-I-Pipeline mit minus neun ins Negative rutscht. In die Phase II wurden im Berichtsjahr 2012 immerhin 14 neue Produktkandidaten eingeschlossen. Die dahinter stehenden Entwickler sind: • NOXXON Pharma mit allein vier Spiegelmeren • CellAct Pharma • Glycotope • MorphoSys mit fünf Antikörpern (alle verpartnert) • advanceCOR • WILEX • sterna biologicals Dies sind doppelt so viele wie 2011, was einen Zuwachs von 18 Prozent gemessen an der Phase-II-Pipeline bedeutet. Ein erfreuliches Ergebnis im Vergleich zum Vorjahr ist dies aber vor allem, weil die betreffenden Wirkstoffe damit die entscheidende Hürde zum Proof of Concept sowie im Erfolgsfall einen deutlichen Wertsteigerungssprung angehen. Gerade aus diesem Grund ist es bitter, dass 2012 auch insgesamt sechs Unternehmen (neun Projekte) an dieser Hürde gescheitert sind: • Agennix • Biofrontera • IMTM • MBiotec • MorphoSys • Revotar • WILEX Immerhin vier Projekte wurden durch die Akquisitionen von Corimmun, Scil Technology und SymbioTec „weitergeleitet“ – neben nur einem, welches innerhalb Biotech in die nächste Phase übergeht (Phase-II / III-Studie mit Remimazolam in Japan). Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Leider wurden die wenigen deutschen Biotech-Unternehmen mit eigenen Entwicklungen in Phase III im Jahr 2012 nicht vom Glück begleitet. Von den Hoffnungsträgern mit bereits vorgezeichneter Marktperspektive mussten einige den negativen Ausgang ihrer Phase-III-Studien vermelden: • WILEX scheitert mit Rencarex® in Nierenkarzinom-Studie • Agennix scheitert mit Talactoferrin-Studie in schwerer Sepsis • Antisense Pharma stoppt GlioblastomStudie mit Trabedersen aufgrund unzureichender Patientenrekrutierung Alle drei Firmen hatten große Hoffnungen in ihre jeweiligen Produktkandidaten gesetzt, basierend auf guten Daten aus früheren Studien. Für Agennix ist dieses Ergebnis besonders dramatisch, da ausschließlich auf das LeadProjekt fokussiert wurde. Für WILEX hingegen haben sich in der Detailanalyse der klinischen Daten offenbar Hinweise ergeben, die die Wirksamkeit zumindest für bestimmte Subpopulationen belegen, sodass eine Fortsetzung und Neuauflage der Studie möglich scheint. In Anbetracht dieses Rückschlags ist es verständlich, dass derzeit auch keine Produkte im Zulassungsverfahren stehen. Ebenso wenig konnte die Biotech-Branche in Deutschland mit einer Neuzulassung aufwarten. Diese Situation – Fehlschläge mit großer Außenwirkung und das Ausbleiben von Marktzulassungen – führt leider zu einer weiterhin sehr kritischen Diskussion über die Qualitäten der Biotech-Unternehmen in Deutschland. Vor dem Hintergrund der hier beschriebenen grundsätzlichen Änderungen in den Geschäftsmodellen wäre es umso wichtiger, die Bewertungsmaßstäbe ebenfalls anzupassen und stärker auf Kriterien wie erfolgreiche Allianzen und Einkünfte daraus (siehe z. B. AiCuris) einzugehen. 101 Produkte Wirkstoffkandidaten mit Eintritt in Phase I/II oder Phase II, 2012 (Auswahl) Firma Glycotope MorphoSys NOXXON Pharma NOXXON Pharma NOXXON Pharma sterna biologicals WILEX Wirkstoff FSH-GEXTM OMP-59R5 NOX-A12 NOX-E36 NOX-H94 SB010 WX-554 Wirkstoffart rekombinantes monoklonaler Antikörper Protein RNA-Molekül RNA-Molekül RNA-Molekül DNA-Molekül niedermolekularer Wirkstoff Indikation Unfruchtbarkeit der Frau Erstlinientherapie in fortgeschrittenem Pankreaskrebs Chronische lymphatische Leukämie und multiples Myelom Diabetische Nephropathie Anämie der chronischen Erkrankung Asthma Solide Tumoren Studie Phase II Phase Ib/II (Partner OncoMed Pharmaceuticals) 2 PhaseIIa-Studien Phase IIa Phase IIa Phase IIa Phase Ib/II Beschreibung Voll human glykosyliertes follikelstimulierendes Hormon HuCAL-Antikörper, der gegen den Notch2-Rezeptor gerichtet ist Spiegelmer®basierter Antagonist zu CXCL12/ SDF-1 (CXCMotiv-Chemokin 12 / Stromal Cell-Derived Factor-1) Spiegelmer®basierter Antagonist zu CCL2/MCP-1 (C-C Chemokin Ligand 2 / Monocyte Chemoattractant Protein-1) Spiegelmer®basierter Antagonist zum Peptidhormon Hepcidin Antagonist des Th2-spezifischen Zinkfinger-Transkriptionsfaktors GATA-3 Inhibitor der Mitogenaktivierten Protein-Kinase (MEK) Quelle: Ernst & Young, 2013 Produktinnovationen in Phase II im Detail Die Aufstellung von Biotech-Entwicklungsprodukten mit Neueintritt in Phase II belegt den Innovationsgrad der dahinter stehenden Unternehmen. Einerseits werden überwiegend neuartige Wirkstoffkonzepte erstmals klinisch am Patienten getestet, wie zum Beispiel RNASpiegelmere (NOXXON Pharma), katalytisch aktive DNA-Wirkstoffe (DNAzymes von sterna biologicals) oder posttranslational modifizierte therapeutische Proteine (Glycotope). 102 Andererseits fokussieren die geplanten Studien in Phase II auf spannende neue Targets aus der molekularbiologischen Grundlagenforschung: • Notch2-Rezeptor als Teil eines essenziellen Wachstumsregulations-Pathways • CXCL12 / SDF-1 (CXC-Motiv-Chemokin 12 / Stromal Cell-derived Factor-1) • CCL2 / MCP-1 (C-C Chemokin Ligand 2 / Monocyte Chemoattractant Protein-1) •Z inkfinger-Transkriptionsfaktor Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Schließlich zielen die Therapien auf medizinisch hoch relevante Krankheiten, die noch nicht oder nur unzureichend therapiert werden können. Dazu zählen Pankreaskrebs mit nach wie vor extrem schlechten Prognosen und hohem Medical Need ebenso wie solide Tumoren und Myelome. Produkte Klinische Wirkstoffpipeline in Deutschland nach Substanz, 2012 (n=124) Zuordnung der Produkte zu Wirkstofftypen macht Biotech-Fokus deutlich In der klinischen Pipeline der deutschen Biotech-Unternehmen ist die Präferenz für biotechnologische Wirkstoffe klar ersichtlich. Sie machen ca. 70 Prozent aller Substanzen in der Entwicklung aus. 21 % 30 % Die Biologicals spalten sich in eine ganze Reihe von unterschiedlichen Scaffolds auf. Antikörper nehmen zwar immer noch eine Vorrangstellung ein (21 %), aber andere Klassen wie rekombinante Proteine holen deutlich auf (20 %). Sichtbar werden auch zellbasierte Ansätze, die immerhin schon fast ein Zehntel der Gesamt-Pipeline ausmachen. Dennoch spielen niedermolekulare Wirkstoffe mit einem dreißigprozentigen Anteil nach wie vor eine nicht unwesentliche Rolle. 20 % 4 % 8 % 6 % 11 % Monoklonale Antikörper Rekombinante Proteine RNA / DNA Peptide Zellbasiert Natürliche Wirkstoffe Niedermolekulare Wirkstoffe Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 103 Produkte gespeist wird, konnten die Heidelberger im Herbst 2012 eine satte Finanzierung von 15,5 Millionen Euro sicherstellen (siehe Artikel S. 105). Wirkstoffpipeline in Deutschland nach Therapiegebiet, 2012 Klinische Studien (n=128) Präklinik (n=166) 9 % 21 % 5 % 29 % 4 % 5 % 48 % 9 % 2 % 1 % 10 % 9 % 5 % 6 % 9 % Onkologie Autoimmun Infektion Kardiovaskulär Metabolismus und Endokrinologie 17 % 2 % 9 % Entzündung Neurologie Atemwegserkrankungen Sonstige Quelle: Ernst & Young, 2013 Pipeline nach Therapiegebieten mit Schwerpunkt Krebstherapie Eine Analyse der Therapiegebiete und ihre Relevanz bei der Produktentwicklung deutscher Biotech-Unternehmen ergibt die bereits früher gezeigte Dominanz der onkologischen Projekte. Es fällt allerdings auf, dass diese Vormachtstellung in der rein klinischen Pipeline deutlich stärker ausgeprägt ist (48 %) als in der Präklinik (29 %). Ursachen dafür könnten in der Erweiterung der Anwendungs- 104 möglichkeiten gerade in den onkologischen Indikationen liegen, die im Rahmen des klinischen Programms ab Phase II durchaus üblich sind, während bei anderen Indikationen der klinische Entwicklungspfad stärker aus der Präklinik heraus determiniert ist. Affimed konzentriert sich beispielsweise mit dem Antikörperwirkstoff TandAb®AFM13 auf die Behandlung von CD30-positiven Lymphomen. Über die Pipeline, die aus der eigenen TandAb®-Technologieplattform Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Die tetravalenten, bispezifischen Antikörper stellen eine ähnlich neuartige Herangehensweise an Krebs dar, wie sie das TechnologieSpin-out CyTuVax des Dortmunder CRO Cires entwickelt. CyTuVax möchte über seine Vakzinierungsplattform mithilfe von Cytokinen in Depotform das Immunsystem im Kampf gegen Tumore unterstützen. Auch eine Ausweitung auf problematische Infektionskrankheiten wie Hepatitis B oder Tetanus ist geplant. Das junge Unternehmen überzeugte mit diesem Ansatz bereits die Science4Life Gründungsinitiative, konnte jedoch keine deutschen Investoren für sich gewinnen und operiert daher momentan in Nähe seines jetzigen Finanzierers Nedermaas Ventures in Maastricht (siehe Artikel von Frank W. Falkenberg auf S. 110). Tetravalente bispezifische Antikörper: The Next Generation und -optimierung nachhaltig am Markt etablieren, beschäftigt derzeit 13 Mitarbeiter und ist profitabel. In den letzten 12 Monaten konnte AbCheck neben der bestehenden Zusammenarbeit mit Eli Lilly weitere Kooperationen, unter anderem mit U3 Pharma / Daiichi Sankyo, bekanntgeben. Dr. Adi Hoess, CEO Affimed Therapeutics AG, Heidelberg Affimed: Erfolg mit der TandAb®-Technologieplattform Affimed ist ein Unternehmen, das einzigartige Antikörperwirkstoffe als Behandlungsmöglichkeiten gegen lebensbedrohliche Krankheiten mit hohem medizinischen Bedarf entwickelt. Das Unternehmen hat verschiedene Wirkstoffkandidaten gegen Krebserkrankungen basierend auf der unternehmenseigenen TandAb®-Technologieplattform in der Entwicklung. Neben den beiden Lead-Produkten AFM13 zur Behandlung von CD30-positiven Lymphomen und AFM11 zur Behandlung von CD19-positiven Lymphomen werden weitere Produktkandidaten zur Behandlung von soliden Tumoren und Autoimmunerkrankungen entwickelt. Die Ausgliederung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) konnte im September 2012 eine weitere Finanzierungsrunde (Serie D) in Höhe von 15,5 Millionen Euro sicherstellen. Die Finanzierung wurde vom bestehenden Konsortium international anerkannter Life-Sciences-Investoren, darunter Orbimed, Aeris Capital, Novo Nordisk, LSP und BioMedInvest, getragen. Ausgründung der Discovery-Abteilung Im Jahr 2009 hat die Affimed ihre AntibodyDiscovery-Abteilung in ein eigenständiges Unternehmen, die AbCheck s.r.o. (Pilsen, Tschechien) ausgegliedert. Mittlerweile konnte sich das Unternehmen als High End Service Provider für Antikörper-Discovery Tetravalente bispezifische Antikörper Mit Affimeds TandAb®-Plattform werden hochpotente und vollständig humane Antikörper-Formate generiert, die ein überlegenes Profil gegenüber monoklonalen Antikörpern erwarten lassen. TandAbs®, von Affimed-Wissenschaftlern erfunden und entwickelt, sind tetravalente, bispezifische Antikörper, die Tumorzellen durch die Rekrutierung und Aktivierung von Immuneffektorzellen bekämpfen und eliminieren. Dazu binden sie gleichzeitig an Zielmoleküle der Tumoroberfläche und an Immuneffektorzellen wie T-Zellen oder NK-Zellen. Die TandAb®-Moleküle haben die gleichen Bindungseigenschaften wie monoklonale Antikörperstrukturen (IgGs). Allerdings zeigen sie, verglichen mit monoklonalen Antikörpern, eine wesentliche bessere Wirksamkeit. Da sie ausschließlich aus variablen Domänen bestehen und keine Glykosylierung benötigen, erübrigen sich Fc-vermittelte Nebenreaktionen und es treten weniger Probleme hinsichtlich Immunogenität auf. Darüber hinaus konnte Affimed in den letzten Jahren einen robusten Produktionsprozess in Säugerzellen mit hohen Ausbeuten und erheblichen Produktstabilitäten etablieren. Lead-Produkte AFM13 und AFM11 Affimed konzentriert derzeit seine Entwicklung auf die Onkologie und Autoimmunerkrankungen. Basierend auf der TandAb®Technologie werden die zwei Lead-Produkte AFM13 (Hodgkin-Lymphom) und AFM11 (Non-Hodgkin-Lymphom) entwickelt. Den Patienten mit CD30-positiven Tumoren steht derzeit keine Immuntherapie zur Verfügung und AFM13 ist die einzige in der Klinik entwickelte Immuntherapie. AFM13 basiert auf einem in der Klinik bereits erfolgreich getesteten Prinzip und zeigte in klinischen Studien in Tumorpatienten ein sehr gutes Sicherheitsprofil und eine hohe Wirksamkeit bei den behandelten Patienten. Es ist geplant, das Produkt einerseits in weiteren CD30positiven Tumorpatienten im Rahmen einer Pilotstudie zu testen sowie die klinische Entwicklung im Rahmen einer Phase-IIa-Studie Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 in Hodgkin-Lymphom-Patienten fortzusetzen. AFM11 basiert ebenfalls auf einem in der Klinik erfolgreich getesteten Prinzip. Das Konkurrenzprodukt von AFM11 zeigt zwar eine extrem hohe Wirksamkeit, besitzt allerdings signifikante Nachteile gegenüber AFM11 in der Sicherheit und der Administration. Der Beginn der klinischen Studien für AFM11 ist für 2013 geplant. Die Zukunft ist vielversprechend Kooperationen mit der Pharma-Industrie sind ein wesentlicher Bestandteil des Geschäftskonzepts der Affimed. Nachdem die Technologie klinisch erstmals validiert wurde, ist das Unternehmen für Partnerschaften im Bereich der bispezifischen Antikörper sehr gut positioniert. Mehrere Kooperationen sind bereits in Diskussion, wovon voraussichtlich mindestens eine im Jahr 2013 abgeschlossen wird. Nachdem wir bereits in der AFM13Phase-I-Studie derart vielversprechende und positive Daten generieren konnten, hoffen wir, diese in den weiteren Studien bestätigen und ggf. noch verbessern zu können. Aussagefähige Daten hierzu werden Ende 2014 / Anfang 2015 erwartet. Unser Ziel ist es, eine hoch effektive Immuntherapie für Hodgkin‘s Patienten anbieten zu können. Aus kaufmännischer Sicht ist dieser Markt ebenfalls attraktiv und wird vom Kapitalmarkt entsprechend honoriert, wie dies am Beispiel von Adcetris (ein CD30-Drug-Conjugate-Antikörper ebenso für die Behandlung von Hodgkin Lymphom) zu sehen ist. Adcetris ist das einzig zugelassene Produkt von Seattle Genetics, deren derzeitige Marktkapitalisierung bei 3,5 Milliarden US-Dollar liegt. Die klinische Entwicklung von AFM11 ist für den Spätsommer 2013 angesetzt. Auch hier werden Ende 2014 / Anfang 2015 die entsprechenden Daten erwartet. Auch dieses Molekül hat prominente Vergleichsmoleküle mit Amgens MT103, welches sich derzeit zur Behandlung Akuter Lymphatischer Leukämie (ALL) in einer Phase-II-Studie befindet. Amgen hat dieses Produkt im Rahmen der 1,3-Milliarden-US-Dollar-Übernahme von Micromet erworben. Affimed agiert also mit beiden Lead-Produkten in hoch attraktiven Märkten und könnte mit den nächsten Entwicklungsschritten ähnliches Wertpotenzial für die bestehenden, aber auch für weitere Investoren heben. www.affimed.com 105 Biomarker als lukrative Marktprodukte Biomarker als lukrative Marktprodukte Die im Einleitungskapitel dargelegten Perspektiven für Biotech-Unternehmen im Bereich der Companion-Diagnostics-Entwicklung werden durch bereits vermarktete Produkte sowie durch weitere BiomarkerAnsätze in der Entwicklung gut belegt. Die Übersichtstabelle zu Wirkstoffen mit verfügbaren Companion Diagnostics zeigt dabei neben den Produkten selbst auch eine Reihe von Entwicklungstrends, die zum Teil eingangs bereits erwähnt wurden: • Hauptanwendungsbereich für die Stratifzierungsmarker sind mit 85 Prozent Krebserkrankungen, es folgen Infektionserkrankungen und genetische Erkrankungen (z. B. Mukoviszidose) • Der Trend zu One-to-one-Beziehungen zwischen Rx und Dx wird sichtbar im Vergleich der früheren Biomarker (z. B. Herceptin-Test) mit insgesamt sieben Anbietern am Markt und neueren Produkten mit nur einem Dx-Anbieter (z. B. Agendia) • Bei den (früheren) Produkten sind die Dx-Vertreter meist klassische Diagnostikfirmen (z. B. Roche, Abbott, Qiagen, Agilent/Dako) Aus Biotech-Perspektive sind zwei Modelle erkennbar: • Vollintegrierter Dx-Anbieter basierend auf Biotech-Hintergrund (z. B. Agendia) • Biotech in Partnerschaft mit Dx oder Rx (Celera / Quest; empire Genomics / Icon; entroGen / Qiagen) 106 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Produkte In Deutschland zugelassene Arzneimittel mit Pflichttests für die personalisierte Medizin Wirkstoff (Marke) Eigentümer, Urheber* Krankheitsgebiet Target Diagnostikum Hersteller Diagnostikum (Auswahl) Abacavir (Ziagen®) GlaxoSmithKline HIV / AIDS HLA-B*5701-Allel Roche Anastrozol (Arimidex®) AstraZeneca Brustkrebs Hormonrezeptor-positive Brustkrebszellen Agendia Arsentrioxid (TRISENOX®) Teva / Cephalon Akute PromyelozytenLeukämie Promyelozytenleukämie / Retinsäurerezeptor-alpha (PML / RAR-alpha)-Gen Qiagen, Quest Diagnostics Cetuximab (Erbitux®) Bristol-Myers Squibb, Eli Lilly / ImClone, Merck / Merck-Serono Darmkrebs Wildtyp KRAS-Gen Agilent Technologies / Dako, Qiagen / DxS, Roche Crizotinib (XALKORI®) Pfizer Lungenkrebs Fusionsgen Echinoderm microtubuleassociated protein-like 4 anaplastic lymphoma kinase (EML4-ALK) Abbott, AmoyDx, empire Genomics Dasatinib (SPRYCEL®) Bristol-Myers Squibb Akute lymphatische Leukämie Philadelphia-Chromosom Agilent Technologies / Dako, Qiagen, Roche / Ventana Erlotinib (Tarceva®) Astellas / OSI*, Pfizer*, Roche / Genentech Lungenkrebs Aktivierende Mutation der EGFR (epidermal growth factor receptor)-Tyrosinkinase entroGen, Qiagen / DxS, Roche Exemestan (Aromasin®) Pfizer / Pharmacia* Brustkrebs Östrogenrezeptor-positive Brustkrebszellen Agendia Fulvestrant (Faslodex®) AstraZeneca Brustkrebs Hormonrezeptor-positive Brustkrebszellen Agendia Gefitinib (Iressa®) AstraZeneca Lungenkrebs Aktivierende Mutation der EGFR (epidermal growth factor receptor)-Tyrosinkinase entroGen, Qiagen / DxS, Roche Imatinib (Glivec®) Novartis* Akute lymphatische Leukämie (ALL), chronische myeloische Leukämie(CML) Philadelphia-Chromosom Agilent Technologies / Dako, Qiagen, Roche / Ventana Ivacaftor (KALYDECO™) Vertex* Mukoviszidose G551D-Mutation Abbott, Quest Diagnostics / Celera Lapatinib (Tyverb®) GlaxoSmithKline* Brustkrebs HER2-Überexprimierung Abbott, Agilent Technologies / Dako, Biogenex Laboratories, Leica Biosystems, Life Technologies / Invitrogen, Roche / Ventana, WILEX Letrozol (Femara®) Novartis* Brustkrebs Hormonrezeptor-positive Brustkrebszellen Agendia Maraviroc (Celsentri®) Pfizer* HIV / AIDS Kombinationstherapie-resistente, an den CCR5-Rezeptor andockende CCR5-trope HI-Viren n/a Nilotinib (Tasigna®) Novartis* Chronische myeloische Leukämie (CML) Philadelphia-Chromosom Agilent Technologies / Dako, Qiagen, Roche /Ventana Panitumab (Vectibix®) Amgen Darmkrebs Wildtyp KRAS-Gen Agilent Technologies / Dako, Qiagen / DxS, Roche Toremifen (Fareston®) Kyowa Hakko Kirin / ProStrakan, Orion* Brustkrebs und Magenkrebs Hormonrezeptor-positive Brustkrebszellen Agendia Trastuzumab (Herceptin®) Chugai, Roche / Genentech* Brustkrebs und Magenkrebs HER2-Überexprimierung Abbott, Agilent Technologies / Dako, Biogenex Laboratories, Leica Biosystems, Life Technologies / Invitrogen, Roche/Ventana, WILEX Vemurafenib (Zelboraf®) Plexxicon*, Roche Melanom BRAF-V600 Mutation im Tumorgewebe Roche Quelle: Ernst & Young, vfa, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 107 Neugründungen mit innovativen Ideen Drug Development • A diuTide Pharmaceuticals Frankfurt am Main • G eneQuine Biotherapeutics Hamburg • K atairo Kusterdingen AdiuTide Pharmaceuticals entwickelt Oligonukleotid-basierte Therapeutika zur verbesserten Stimulation der angeborenen Immunantwort. Das Portfolio von hochpotenten Rezeptor-Agonisten (insbesondere TLR9 und RIG-I) geht auf Patente zurück, die von Pfizer aufgegeben wurden. Zwei Substanzen befinden sich derzeit in der präklinischen Entwicklung und sind bereit für eine Phase-I-Studie im Menschen. Potenzielle Anwendungsbereiche der modifizierten Oligonukleotide sind z. B. die Therapie von Krebs, Allergien und Infektionskrankheiten sowie die Verwendung als Vakzinadjuvans. Das Start-up gewann 2012 den ersten Preis der Businessplanphase des Science4Life Venture Cup. Die Behandlung von Osteoarthritis durch einen gentherapeutischen Ansatz ist das Ziel der im Oktober 2012 gegründeten GeneQuine Biotherapeutics. Da Entwicklungskosten und regulatorische Hürden für veterinärmedizinische Medikamente geringer sind als für humanmedizinische, werden die ersten beiden Produktkandidaten für die Therapie von Pferden und Hunden entwickelt. Das Lead-Produkt GQ-201 befindet sich derzeit in Proof-ofConcept-Studien im Pferd. Die Substanz ist ein Gentransfer-Vektor, der direkt in das betroffene Gelenk injiziert wird und die dortigen Zellen zur Bildung eines therapeutischen Proteins anregt, welches entzündungshemmend wirkt und die Knorpeldegeneration stoppt. Katairo – einer der Gewinner des Innovationspreises der BioRegionen in Deutschland 2012 – widmet sich der Entwicklung eines Wirkstoffes zur Behandlung der trockenen altersbedingten Makuladegeneration. Diese ist in Industrieländern der häufigste Grund für Erblindung und gilt bislang als nicht heilbar. Professor Schraermeyer hat einen Wirkstoff entdeckt, welcher das toxische Stoffwechselprodukt Lipofuszin in der betroffenen Zellschicht abbauen kann. • D eltaVir Leipzig DeltaVir widmet sich der Entwicklung einer autologen Tumortherapie. Grundlage für den Anti-Krebs-Impfstoff sind aus dem Eigenblut des Patienten isolierte Dendritische Zellen. Die Forschung an Dendritischen Zellen und ihrer Bedeutung zur Aktivierung und Steuerung des Immunsystems erhielt 2011 den Nobelpreis für Medizin. Die Therapie beruht auf der Kombination des Newcastle Disease Virus (NDV) mit dem autologen Dendritischen-Zell(DC)Anti-Krebs-Vakzin und versucht auf diesem Weg die Toleranz des Immunsystems für Krebszellen zu brechen. Die DeltaVir wurde 2011 gegründet, um diese bislang ausschließlich am IOZK (Immunologisches und Onkologisches Zentrum Köln) als Einzelfall-Therapie für Krebspatienten zugelassene Therapiemöglichkeit einem größeren Patientenkreis zugänglich zu machen. 108 • ImmunoQure Martinsried ImmunoQure hat eine Technologieplattform zur Identifizierung und Gewinnung von humanen Autoantikörpern gegen relevante Drug Targets entwickelt. Zur Identifizierung dieser gegen endogene Proteine gerichteten Autoantikörper kollaboriert ImmunoQure mit Patienten seltener Autoimmundefekte. Der Fokus liegt auf der parallelen Entwicklung mehrerer humaner Antikörper zur Therapie von chronischentzündlichen und Autoimmunerkrankungen sowie deren Verpartnerung für die klinische Entwicklung. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 • P Sites Pharma Frankfurt am Main PSites widmet sich einem neuen Ansatz der Inhibition von Protein-Kinasen. Die meiste Forschung wird derzeit auf die Hemmung der ATP-Bindestelle der Protein-Kinasen verwandt. PSites hat jedoch eine Plattformtechnologie entwickelt, welche die allosterische Bindestelle der ACG-Kinase hemmt. Die entwickelten allosterischen Kinasehemmer könnten aufgrund ihrer unterschiedlichen Bindestellen in Kombination mit ATP-Kompetitoren zur Krebstherapie verwendet werden. Produkte In Vitro Diagnostics Bioinformatics Technologies & Tools • o ncgnostics Jena • A ptaIT München • A yoxxA Biosystems Köln Die Methylierung bestimmter DNA-Abschnitte korreliert mit dem Vorhandensein von Krebs und dessen Vorstufen. Auf Basis dieser Tumor-spezifischen epigenetischen Biomarker entwickelt oncgnostics molekulare In-vitro-Diagnostika zur onkologischen Früherkennung. Das erste Produkt in der Entwicklung ist GynTect, ein Test zur schnellen und zuverlässigen Diagnose von Gebärmutterhalskrebs. Für die Indikationen Ovarialkarzinom und Kopf-Hals-Karzinom sind weitere Diagnostika geplant. AptaIT hat die COMPAS (COMmon PAtternS) Software entwickelt, welche es ermöglicht, aus den umfangreichen NextGeneration-Sequencing(NGS)-Datensätzen häufige Sequenzmotive herauszufiltern. Die Stärken der entwickelten Software liegen hierbei auf der auch statistisch abgesicherten Identifikation von Liganden, sowie von potenziellen Antikörpern und Biomarkern aus umfangreichen NGSDatensätzen. AyoxxA Biosystems wurde 2010 als Spinoff der National University of Singapore gegründet und verlegte 2012 seinen Firmensitz nach Köln. Das junge Unternehmen hat eine neuartige Technologieplattform entwickelt, welche die Multiplex-Analyse von Proteinen in sehr geringen Probenvolumina ermöglicht. Die Technologie basiert auf der Entwicklung von sogenannten „In-situ Encoded Bead-based Arrays“ (IEBA). Das Unternehmen gewann 2010 den ersten Preis des internationalen Best of Biotech Wettbewerbs. • O akLabs Hennigsdorf Die Optimierung komplexer Pflanzenmerkmale wie Ertrag und Geschmack gestaltet sich oft als schwierig, da eine Vielzahl von Genen an ihrer Ausbildung beteiligt ist. Für die zuverlässige Vorhersage von Merkmalen durch die Analyse von DNA-Markern kombiniert OakLabs die Microarray-basierte Genexpressionsanalyse mit mathematischen Algorithmen. • C omputomics Tübingen Computomics hat sich der Interpretation und Validierung von Next-GenerationSequencing-Daten im Bereich der landwirtschaftlich genutzten Pflanzen verschrieben. Computomics bietet mit seinem Team Analysen und Beratung im Bereich der Genom-Zusammensetzung, der Genexpression, Genom-Annotation, GenomVarianzanalyse sowie der Interpretation epigenetischer Daten. • C ysal Münster Cysal hat eine Technologie zur biotechnologischen Herstellung von chemisch schwierig synthetisierbaren Dipeptiden im Industriemaßstab entwickelt. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von Futter- und Nahrungsmittelzusätzen bis zu kosmetischen und pharmazeutischen Wirkstoffen. • R HECADIS Mannheim • g lyXera Magdeburg RHECADIS ist im Bereich der molekularen Diagnostik von Prostatakrebs tätig und entwickelt derzeit drei Biomarker-basierte Tests: RE-Bx bietet die Möglichkeit bei Prostatakrebs-negativen Biopsien oder Biopsien mit unklarem Ergebnis Prostatakrebs auszuschließen. PRO-Bx prognostiziert, wie die weitere Behandlung eines Prostatakrebses erfolgen muss. PRO-Tx identifiziert Patienten, die von einer frühen Endokrin-Behandlung profitieren. Das Unternehmen zählte 2012 zu den Gewinnern der Konzeptphase des Science4Life Venture Cup und belegte den dritten Platz des Prinz von Hohenzollern Innovationspreises 2012 sowie den zweiten Platz des Existenzgründungspreises 2013. glyXera, eine Ausgründung des Max- PlanckInstituts und einer der Gewinner des Innovationspreises der BioRegionen in Deutschland 2012, hat eine Hochdurchsatz-Analyseplattform für Zuckerstrukturen (Glykosylierung) entwickelt. glyXera bietet sowohl den Service der Analyse an als auch eine korrespondierende Software (glyXalign) zum Alignment der Daten. Diese Technologie kann unter anderem bei der Entwicklung von Medikamenten zur frühen Erkennung von potenziellen Unverträglichkeiten, aber auch zur Identifikation von Biomarkern in der Diagnostik angewandt werden. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 109 CyTuVax – A Novel Vaccination Strategy Against Cancer and Infectious Diseases Dr. Frank W. Falkenberg, CSO CyTuVax BV, Maastricht Vaccination against cancer? Vaccination efficiency can be highly enhanced by using strong adjuvants. These “stronger” vaccines are required for diseases that are caused by microorganisms that have developed powerful ways of escaping the human body’s immune response, e. g. antibioticresistant bacteria, tuberculosis and malaria. It has been the dream of immunologists and doctors to find a way to vaccinate against cancer and cure the patient of the otherwise deadly disease. However, this has turned out to be very difficult. Vaccination against cancer is a therapeutic procedure: it is done to cure an existing disease. This is different from the usual prophylactic vaccination, aimed at preventing or ameliorating morbidity from infection. In addition, cancer cells express antigens of the “self” repertoire which are tolerated by the immune system. Therefore, therapeutic vaccinations require powerful adjuvants that are capable of overcoming the suppression of the immune system under the influence of cancer cells. own cytokines. As a consequence, the cytokine network is activated and guides cells of the adaptive immune system to mount a specific response. Activation of the cytokine network by which cells of the adaptive immune system interact with each other is the decisive step in the induction of an immune response. In the case of vaccination against tumors, the induction of cellular cytotoxic immune responses (CD4, CD8, NK cells) is necessary. The use of depot-attached cytokines in an extremely high density as a vaccine adjuvant represents a completely new vaccination technology that can be applied in prophylactic as well as in therapeutic vaccines against bacterial and viral antigens, tumor antigens and antigens of problematic diseases such as anthrax, tuberculosis, malaria, hepatitis C and HIV. The fact that it has been possible to cure animals from deadly tumor diseases shows the power and capabilities of this novel vaccine concept. Promising preclinical studies in Germany The technology was developed by Frank W. Falkenberg during his professorship in the field of immunology at Bochum University and later in his CRO company CIRES GmbH in Dortmund. The concept has been tested in a variety of murine tumor models (RenCa renal carcinoma, B16 and K1735 melanoma, C26 and CT 26 colon carcinoma, MCA fibro sarcoma, A20 and 38C13 B Lymphoma, TS/A mammary carcinoma) and with a variety of cytokines (IL-2, IL-4, IL-12, GM-CSF, IFN). Mice carrying a lethal load of tumor cells can be cured by vaccination with a vaccine composed of irradiated tumor cells and the CyTuVax depot-attached cytokines as adjuvants. The immune response is strong and persistent. Tumor-bearing mice, vaccinated and cured, were still protected against a challenge with a lethal dose of live tumor cells even one year after vaccination. Depot-attached cytokines work as powerful adjuvants The CyTuVax vaccination concept is based on the application of inactivated autologous tumor cells as a source of antigens and depot-attached cytokines as powerful adjuvants. Cytokines are a form of molecular messages by which cells of the immune system exchange information with each other. The recipients of the messages release their Foundation of CyTuVax in the Netherlands For the sake of the technology’s implementation into clinical trials, forces were joined with Dr. Vleugels in Maastricht and CyTuVax BV was founded in the Netherlands. A first round of financing came from a local fund in the Netherlands (Nedermaas Ventures BV). CyTuVax BV will use this investment to work on the development of a vaccine for hepatitis B non-responders, concentrating mainly on patients with kidney dysfunction 110 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 that undergo extracorporal dialysis and whose immune system is not capable of mounting an efficient immune response to vaccination with conventional hepatitis B vaccines. First clinical trial with pancreatic carcinoma patients Pancreatic cancer is one of the deadliest types of cancer, and its post-surgical treatment is one of the major unmet needs in oncology. Surgical removal of the tumor represents one of the best options but, unfortunately, less than 20 percent of all patients are candidates for potentially curative surgery. However, even with an optimal curative surgery, metastases often occur. CyTuVax plans to perform a Phase I/II study with pancreatic carcinoma patients that have been treated by the so-called Whipple operation as a primary treatment. With a median survival between 19 and 26 months the patients of this group survive long enough to show the efficacy of the CyTuVax vaccines. This clinical application is intended as a treatment for patients with Stage II and Stage III pancreatic carcinoma, an unmet medical need with surgery and / or chemotherapy (Gemcitabine) being the standard of care. CyTuVax will collaborate on the clinical trials with Prof. Dr. Waldemar Uhl, head of the Pankreaskarzinomzentrum Bochum, the third-largest pancreatic cancer center in Europe, recommended by the DKG. Treatment costs are estimated at about 50 thousand Euros per patient and the number of patients is growing. Of the 115.000 patients in Europe and the US, 20 percent are in stage II and III with a maximum market potential of between 575 and 1,150 million Euros. The future is wide open In a first round of investment for a clinical study with pancreatic cancer patients, CyTuVax will need between three and four million Euros. The proprietary technology has unlimited potential and can be applied to most types of cancers, as well as to crucial bacterial and viral diseases. Other types of cancer (e. g. renal carcinoma, lung cancer) will be included in further studies later on. www.cytuvax.com Zusammenspiel von Physik und Biotechnologie: GNA Biosolutions von links: Dr. Lars Ullerich, Dr. Joachim Stehr, Dr. Frederico Bürsgens, Geschäftsführer GNA Biosolutions GmbH, Martinsried Biotech-Innovationen aus der Physik Der Biologie eilt der Ruf voraus, keine absoluten Aussagen treffen zu können. Wer je in der biologischen Forschung an widerspenstigen Zellkulturen oder dem erratischen Ausgang von Patientenstudien verzweifelte, kann die Ehrfurcht vor der Komplexität und Unbeständigkeit biologischer Systeme nachvollziehen. Abhilfe kann hier in vielen Fällen der Einsatz von effektiveren, physikalischen Verfahren zur Analyse und Manipulation bringen. Schon vor sechzig Jahren verhalf die Röntgenstrahlung zur Aufklärung der Molekülstruktur der DNA-Doppelhelix. Aktuellere Beispiele sind Atomic Force Microscopy zur Manipulation einzelner Moleküle wie DNA, oder das STED-Verfahren (Stimulated Emission Depletion), wodurch die bisherige Auflösungsgrenze von Fluoreszenzmikroskopen aufgehoben wurde. Seit einiger Zeit legen Physiker sogar selbst an der nicht mehr nur Biologen vorbehaltenen DNA Hand an und verwenden synthetische DNA-Stränge als Baublöcke, die sich durch gezieltes Sequenzdesign selbständig zu dreidimensionalen Strukturen zusammenlagern – sogenannten DNA-Origamis. Doch wo entstehen solche Ideen? Traditionell ist die Physik in Deutschland gut aufgestellt. Daher können viele Physiklehrstühle es ihren Wissenschaftlern ermöglichen, anspruchsvolle Spezialinstrumente für ihre Forschung einzusetzen. Auch die ausgeprägte analytische Natur dieser Disziplin und die Unverzagtheit gegenüber der vermeintlichen Unberechenbarkeit der Biologie erlauben einen anderen Blickwinkel; dann werden eben Modellierungen bemüht und gezielte Experimente durchgeführt. Physiker verstehen biologisches Material schlicht als „Soft Matter“, welche als Teil der „Condensed Matter“-Physik gilt und mit Energie zu Wechselwirkungen angeregt werden kann. Auch ist praxisrelevante Forschung unter Physikern kein Schimpfwort. Besonders fruchtbar sind Zusammenschlüsse, in denen neue physikalische Verfahren für die Biowissenschaften erschlossen werden. In München beispielsweise helfen Verbünde wie das CeNS (Center for Nanosciences) der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und das Exzellenzcluster NIM (Nanosystems Initiative Munich) beim Ideenaustausch über die Fachgrenzen hinweg. Beflügelt durch dieses Umfeld sind allein aus der Fakultät für Physik der LMU in den letzten Jahren bereits eine beachtliche Zahl von Ausgründungen im Bereich Life Sciences entstanden, wie etwa ibidi, Advalytix, Nanotemper, Nanion und auch GNA Biosolutions. 30 Sekunden benötigen. Der Wärmetransfer über den massiven Metallblock des Thermocyclers, durch die Wand des Reagenziengefäßes und in die Probe hinein – und zum Kühlen auch wieder hinaus – ist zeitaufwendig, weshalb die DNA-Vervielfältigung in der Regel rund eine Stunde oder noch länger dauert. Hingegen erlaubt die Technologie von GNA eine Verkürzung dieses Prozesses auf nur wenige Minuten. GNA Biosolutions: ultraschnelle DNA-Detektion Bei GNA spielen gleich drei wissenschaftliche Disziplinen zusammen – Photonik, Nanotechnologie und DNA-Analytik. Nanopartikel dienen als präzise steuerbare Heizelemente direkt in der Probe. Ein Laserstrahl regt die Nanopartikel in der Probe an, welche die aufgenommene Lichtenergie sofort in Form von thermischer Energie an ihre unmittelbare Umgebung wieder abgeben. Effektiv wird nur ca. ein Millionstel der Flüssigkeit erhitzt, der Rest bleibt kalt. Wird der Laserstrahl abgeschaltet, so erkalten die Nanopartikel auch innerhalb von Nanosekunden wieder auf die Temperatur der umgebenden Flüssigkeit. Hierdurch können die bisherigen Heiz- und Kühlprozesse für biochemische Reaktionen revolutioniert werden. So benötigt z. B. die klassische PCR eine etwa dreißigfache Wiederholung von Heiz- und Kühlschritten, die in einem herkömmlichen Thermocycler typischerweise jeweils 20 bis Minutenschnelle Pathogentests in Aussicht Auf der zeitsparenden DNA-Detektionstechnologie mittels lasergeheizter Nanopartikel aufbauend, entsteht derzeit ein Instrument, welches zum Nachweis von Krankheitserregern oder Lebensmittelpathogenen dienen wird. Das neuartige Verfahren ermöglicht eine ultraschnelle DNA-Detektion – und das in hohem Maße unabhängig von Probenvolumen und -format. Beispielhaft seien minutenschnelle Grippetests genannt, die direkt vor Ort verarbeitet und ausgewertet werden können. Das Prinzip des LaserHeizens von Nanopartikeln zur Bioanalyse ist noch ein weites Feld, und neue Ideen aus der Physik helfen bei dessen Erschließung. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Gründung Die Grundidee der Technologie entstand bereits in der Doktorarbeit des Mitgründers Joachim Stehr am Lehrstuhl für Photonik und Optoelektronik an der LMU München. Eine Förderung durch EXIST-Forschungstransfer und die Unterstützung des Gründerbüros und des Entrepreneurship Centers ermöglichten die ersten Schritte in Richtung Kommerzialisierung. Nach der GmbH-Gründung Mitte 2010 warben die drei Geschäftsführer Stehr, Bürsgens und Ullerich Anfang 2011 eine Seed-Runde bei einem Privatinvestor ein. Anschließend bezog das Unternehmen neue Räumlichkeiten im Innovationsund Gründerzentrum IZB in Martinsried. Ende 2012 erfolgte eine weitere Finanzierungsrunde und das Team, das sich in der F&E mittlerweile aus Physikern, Biologen und Technikern zusammensetzt, konnte den Proof of Concept seiner Technologie in funktionsfähigen Prototypen erbringen. www.gna-bio.de 111 Wirkstoffpipeline in Europa Ebenfalls Fokus auf Onkologie Wirkstoffpipeline in Europa nach Therapiegebiet, 2012 Klinische Studien (n=1320) Präklinik (n=1266) 17 % 19 % 27 % 34 % 5 % 5 % 5 % 5 % 5 % 13 % 7 % 8 % 9 % 14 % 13 % 14 % Onkologie Autoimmun & Entzündung Neurologie Infektion Kardiovaskulär Atemwegserkrankungen Metabolismus und Endokrinologie Sonstige Quelle: Ernst & Young, 2013 Produkt-Pipeline in Europa Im europäischen Ländervergleich führt Großbritannien nach wie vor klar die Liste der Entwicklungsprodukte an. Eine Tatsache, die zumindest zum Teil dem Geschäftsmodell vieler britischer Unternehmen geschuldet ist, dem Specialty-Pharma-Typ. Dort stehen Breite des Portfolios und Schwerpunkt auf eher marktnahen Entwicklungen im Vordergrund. 112 Deutschland und die Schweiz teilen sich den zweiten Platz; Deutschland mit einer deutlich jüngeren Pipeline. Insbesondere in Phase III können Schweizer Unternehmen mit einem stattlichen Portfolio von immerhin 22 Produkten aufwarten, darunter beispielsweise Tracleer® (Actelion), Zeftera® (Basilea) und Decapeptyl® (Debiopharm). Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Die entsprechende Analyse der Zuordnung von Pipeline und Therapiegebieten ergibt für Europa eine ähnliche Dominanz der Krebstherapien, wenngleich nicht ganz so deutlich sichtbar(nur 34 % gegenüber 48 % in Deutschland). Im europäischen Umland werden absolut gesehen nur in Großbritannien mehr Anti-Krebs-Therapeutika entwickelt als hierzulande. Dort stecken bereits drei onkologische Medikamente in der entscheidenden Phase III (Cerepro® / Ark Therapeutics, Sativex® / GW Pharmaceuticals, TroVax® / Oxford BioMedica). Entsprechend sind andere Therapiefelder wie z. B. Neurologie in Europa etwas häufiger vorhanden als in Deutschland, und andere Gebiete in Deutschland gänzlich unterrepräsentiert, die in Europa gut sichtbar sind, wie z. B. Atemwegserkrankungen. Absolute Vorreiter sind hier die Schweiz und Großbritannien, wo man sich stark auf Asthma und Pulmonale Hypertonie fokussiert. Orphan-Drug-Zulassungen bei EMA und FDA Orphan-Drug-Status immer attraktiver? Der Orphan Drug Act, wonach Entwicklungen von Medikamenten für Krankheiten mit weniger als weltweit 200.000 Patienten besonders behandelt werden, war ursprünglich eine ideale Nische für Biotech-Firmen, um der starken Konkurrenz durch Pharma zu entgehen. Zulassung von Orphan Drugs bei EMA und FDA EMA (Anzahl Orphan Drugs – Gesamtzahl Zulassungen in Klammern) 12 (38) 10 8 (69) (49) In den letzten Jahren hat sich dieses Feld auch für Pharma-Unternehmen zum attraktiven Markt entwickelt. Dies liegt in der Möglichkeit, schneller und billiger klinische Studien durchzuführen, schneller an den Markt zu kommen und dort hinsichtlich Pricing und Reimbursement größere Freiheitsgrade zu haben als im heißumkämpften Sektor der Medikamente für die großen Indikationen. Eine Analyse ausgehend von Zulassungszahlen der FDA in den USA sowie der EMA in Europa belegt diesen Trend eindeutig. Beide Behörden weisen einen Anstieg der Zulassungen von Orphan Drugs über die letzten Jahre auf. In Europa stieg die Zahl der Orphan-Drug-Zulassungen allein von 2010 bis 2012 von 4 auf 10, damit der Anteil an allen Zulassungen von 13 auf 26 Prozent. Ähnlich steil verläuft die Kurve in den USA, wo die FDA-Zulassungen im gleichen Zeitraum von 6 auf 13 Orphan Drugs anstiegen, was einem Anteil an allen Zulassungen von 29 auf 32 Prozent entspricht. Biologicals spielen dabei eine Rolle, wenngleich kein konsistenter Trend hinsichtlich stetig zunehmender Bedeutung erkennbar ist. 6 (52) (31) 4 2 0 2008 2009 2010 2011 2012 (41) FDA (Anzahl Orphan Drugs – Gesamtzahl Zulassungen in Klammern) 12 10 8 (26) (30) (24) (21) 6 4 2 0 2008 Small molecules 2009 2010 2011 2012 Biologicals Quelle: Ernst & Young, 2013 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 113 Biotech-Standort Deutschland 114 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Umdenken, weiter denken … auch eine Forderung an die Politik Innovative Spitzentechnologien brauchen politisches Commitment durch alle Instanzen Das im Einleitungskapitel „Perspektive“ aufgegriffene Thema des „Umdenkens“ innerhalb der Biotech-Branche bezieht sich vor allem darauf, mit den eigentlichen Stärken der Biotechnologie noch effektiver auf gegenwärtige Bedarfe einzugehen. Dabei ist sowohl das „Umdenken“ innerhalb des heute noch vorrangigen Schwerpunktes der Therapeutika eine wichtige Aufgabe als auch eine Verbreiterung der Perspektiven auf neue „Hot Spots“, z. B. in der Diagnostik oder noch breiter in der Einbeziehung der Bioökonomie-Initiativen und daran geknüpfter Visionen für Biotech. Das verbindende Element all dieser Perspektiven sind „Bio-Technologien“, die heute in vielen Fällen mit dem Attribut „Spitzentechnologie“ belegt werden. Spitzentechnologien und vor allem ihre bestmögliche Nutzung in kommerziellen Prozessen benötigen aber konkret das Commitment aller Player – inklusive der Politik. Aus dieser Richtung gibt es viel Zustimmung für die essenzielle Bedeutung von Innovation, Technologieführerschaft und „Brain Capital“ in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland. Dies sind sogar nicht nur Lippenbekenntnisse in publikumswirksamen Redebeiträgen, sondern schriftlich fixierte Vorgaben in Koalitionsverträgen und politischen Agenden. Allein die ebenso essenziellen Taten sind weniger herausragend. Diese Aussage ist vielleicht aber doch zu wenig differenziert: • Es ist unbestritten, dass seitens der Forschungspolitik viele neue Initiativen losgetreten wurden, die Spitzenforschung besser bündeln, fokussiert fördern und in letzter Zeit sogar unter dem Stichwort „Translation“ klarer auch in Richtung „Anwendung“ orientieren. • Viel weniger im Fokus stehen ebenjene Überlegungen in der Wirtschaftspolitik, in denen Industrien anderer Größenordnung relevanter erscheinen und man nicht wegen eines – wenn auch hoch innovativen – Start-up- bzw. KMU-Sektors Extraregeln aufstellen kann. • Wenn dann noch Forderungen wie steuerliche Vergünstigungen an das Finanzministerium herangetragen werden, geht die Diskrepanz der Größenordnungen gemessen an den Problemen der weltweiten Finanzkrise soweit ins Unendliche, dass nicht einmal Spitzentechnologien ausreichend auflösende Vergrößerungsgläser erfinden können. Wenn aber die immense Förderung der Spitzenforschung durch Steuergelder nicht oder nur unzureichend dazu führen kann, dass Teile des Investments in Form von Markterfolgen zurückgespielt werden und damit vor allem auch den Wohlstand des Steuerzahlers auf lange Sicht sichern, dann läuft die Förderpolitik letztendlich ins Leere und ist volkswirtschaftlicher Unsinn. Das Standortkapitel des Ernst & Young Biotech-Reports soll eine Plattform darstellen zur Artikulation aktueller Gegebenheiten im Zusammenspiel der Branche und ihrer Unternehmen • mit der Politik, • in Verbänden und regionalen Initiativen, • in Netzwerken. Im Folgenden sollen zunächst aktuelle Themen der politischen Diskussion aufgegriffen werden und von relevanten Vertretern der Branche – Peter Heinrich als Vorstandsvorsitzender der BIO Deutschland sowie Pablo Serrano als Geschäftsfeldleiter Forschung & Innovation / Biotechnologie beim Bundesverband der pharmazeutischen Industrie – erörtert werden. Beide Verbände nehmen wichtige Aufgaben der Interessenvertretung wahr, insbesondere in der Interaktion mit der Politik. Beide adressieren in unzähligen Aktionen die immer wieder gleichen Fragen mit ihren Gesprächspartnern auf politischer Ebene. Leider ist diese Aufgabe oft undankbar, sehr langwierig und zäh. Insbesondere leidet der Ansatz des steten Tropfens darunter, dass allenfalls zwar immer wieder kleine Löcher den großen Stein der Gesamtproblematik „höhlen“, aufgrund der beschriebenen mangelnden Kohärenz der Politik enden die kleinen Höhlen aber meist in einer Sackgasse ohne Ausgang bzw. Zugang zu den wirklichen Schaltzentralen der Macht. Die Forderung an die Politik wäre also eindeutig, das Thema Innovation nicht bequem im Forschungsministerium zu „parken“ und dessen Aktivitäten als politisches Alibi für eine zukunftsorientierte Innovationspolitik zu missbrauchen. Vielmehr wäre eine viel engere Kohärenz der Disziplinen innerhalb der Politik notwendig, um Innovation im richtigen Sinn auszulegen. Sie ist erst dann ein Erfolg, wenn die Früchte der herausragenden Spitzentechnologien in Form signifikanter Wertschöpfung, nachhaltigen Wirtschaftswachstums und langfristig gesicherter, hochwertiger Arbeitsplätze geerntet werden können. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 115 BIO Deutschland: Wichtige Maßnahmen zur Förderung innovativer Spitzentechnologie erstattet wird. Für eine effektive Arzneimittelentwicklung muss die Vergleichstherapie bereits in der klinischen Prüfung für die Zulassung festgelegt werden. Die empfohlene Vergleichstherapie ist aber für die Erstattung nicht bindend. Selbst wenn es ein Unternehmer also schafft, ein nachweislich wirksames Medikament zu entwickeln, ist nicht gleichzeitig gewährleistet, dass damit auch ein Erlös erwirtschaftet werden kann, mit dem Investitionen sich auszahlen werden. Dr. Peter Heinrich, BIO Deutschland e.V., Berlin Die Branche ist ernüchtert 2013 ist ein wichtiges Wahljahr für Deutschland. Es ist höchste Zeit für eine Bestandsaufnahme der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen aus Sicht der Biotechnologiebranche. Wie unsere jährlichen Trendumfragen gezeigt haben, setzte die Branche 2009 noch große Hoffnungen in innovationsfreundliche Vorhaben der neuen Regierung. Deutlich geringer fielen allerdings die Erwartungen dieses Jahr aus. Die politischen Verheißungen der jetzigen Koalition in puncto Forschung und Innovation blieben unerfüllt, da sich wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen nicht zu Gunsten der innovativen Spitzenforschung weiterentwickelt haben. AMNOG: Regulatorische Hürden werden größer Eine wesentliche Neuerung in der jetzigen Legislaturperiode war die Einführung des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes, kurz AMNOG. Zwar begrüßte BIO Deutschland das Anliegen grundsätzlich, die Preisermittlung eines Arzneimittels über eine Nutzenbewertung durchzuführen. Wir haben aber auch an mehreren Stellen wichtige Verbesserungen an dem Gesetz angemahnt. Die Entwicklung neuer, innovativer Medikamente stellt ein hohes finanzielles Risiko dar. Das AMNOG hat hier eine weitere Hürde aufgebaut, da nur ein Zusatznutzen dazu führt, dass die Therapie in Deutschland in einer der Innovation angemessenen Höhe 116 Umsatz schlägt Nutzen: Die nachträgliche Bewertung von Orphan Drugs Auch die nachträgliche Nutzenbewertung von Orphan Drugs bei einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro ist nicht nachvollziehbar und erhöht das finanzielle Risiko bei der Entwicklung von Therapeutika zusätzlich. Gerade auf dem Gebiet seltener Krankheiten sind biotechnologisch hergestellte Arzneimittel besonders wirkungsvoll und über 50 Prozent der führenden Orphan Drugs sind Biologika. Die erneute Nutzenbewertung aufgrund hoher Umsatzzahlen nach dem Erhalt des Orphan-Drug-Status bremst Innovation und schadet langfristig den Patienten. Das an sich schon hohe Risiko gepaart mit zusätzlichem Regulierungsdruck bei Zulassung und Preisermittlung macht es für innovative KMU (iKMU) zunehmend schwierig bis unmöglich, Risikokapital einzuwerben. Alternative Förderungen müssen somit ausgebaut und erschlossen werden. Kredite werden teurer: Basel III und Solvency II Basel III und Solvency II führen dazu, dass sowohl Kredite als auch Eigenkapital und Venture Capital (VC) teurer werden. Die im Rahmen von Basel III geplante Erhöhung der Eigenkapitalquoten für Banken und Sparkassen wird Kredite an den Mittelstand überproportional belasten. Die bei Solvency II aufgeführte Erhöhung der Eigenkapitalunterlegung von VC wird dessen Angebot reduzieren und verteuern. Hier sollte nachgebessert werden. träge gehen ab einer Änderung der Beteiligungsstruktur von 25 Prozent innerhalb einer Frist von fünf Jahren teilweise oder ganz verloren. Die Reichweite von Finanzierungsrunden beträgt aber derzeit nur etwa zwei bis maximal drei Jahre und somit ist die Übertragung von Anteilen meist früher als nach einem Zeitraum von fünf Jahren nötig. Eine Absenkung der Fünf- auf eine Drei- oder sogar Zwei-Jahres-Frist würde VC- und Family-Office-finanzierten Biotechs helfen, Innovationen nachhaltig zu finanzieren. Steuerliche Förderung von F&E Ein weiterer Bestandteil des letzten Koalitionsvertrages betraf die steuerliche Förderung von mittelständischer Forschung und Entwicklung (F&E). Die meisten EU-Länder haben diese eingeführt (z. B. tax credits), aber in Deutschland fehlt eine entsprechende steuerliche F&E-Förderung nach wie vor. Dennoch muss betont werden, dass die steuerliche Forschungsförderung zwar wichtig ist, aber nicht an die Stelle der unmittelbaren Projektförderung treten darf, sondern diese sinnvoll ergänzen sollte. Es muss außerdem sichergestellt sein, dass die besondere Steuerund Finanzierungssituation des innovativen Mittelstandes angemessen berücksichtigt wird. Spitzenforschung in Deutschland benötigt Verbesserung der Rahmenbedingungen Innovativen Unternehmen wird durch verschiedene Gesetzesvorgaben kontinuierliche Spitzenforschung erschwert. Vergleicht man KMU und Großindustrie, geht die Schere bei Innovationsintensität und Investitionsausgaben jährlich weiter auseinander. Nachbesserungen bei regulatorischen Auflagen, der zeitlichen Begrenzung des Verlustvortrags und den Rahmenbedingungen für die Mobilisierung von Kapital sind dringend erforderlich und sollten zügig realisiert werden, um erfolgreiche und wettbewerbsfähige Spitzenforschung auch weiterhin möglich zu machen. www.biodeutschland.org Frisches Kapital führt zu Verlusten Der aktuelle Koalitionsvertrag sah verschiedene Maßnahmen vor, um innovative Unternehmen zu fördern. Ein wichtiger Punkt war, die geltenden Bestimmungen für Verlustvorträge anzupassen. Durch Forschungs- und Entwicklungskosten angehäufte Verlustvor- Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Zum Umdenken gezwungen: Ein Jahr AMNOG und die Auswirkungen auf Biopharmaka-Hersteller im Mittelstand Tag für Tag für konkreten Nutzen beim Patienten. Darüber hinaus schaffen und sichern diese Firmen aufgrund ihres mittelständischen Charakters ortsgebundene hochqualifizierte Arbeitsplätze. Trotz dieser für die Biotech- und Biopharmazeutika-Industrie recht positiven Zahlen gibt es erste Anzeichen, dass die Unternehmen aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen ihre Businesspläne anpassen müssen. Dr. Pablo Serrano, Geschäftsfeldleiter Forschung & Innovation / Biotechnologie, Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, Berlin Innovationsmotor biopharmazeutischer Mittelstand Molekularbiologische Methoden der modernen Gen- und Biotechnologie sind der Motor für die Entwicklung innovativer Medikamente. Dieser Prozess findet vor allem in den Laboren des biopharmazeutischen Mittelstandes statt. Von den 900 pharmazeutischen Unternehmen in Deutschland (Statistisches Bundesamt) haben fast 95 Prozent weniger als 500 Mitarbeiter – und in rund 77 Prozent sind weniger als 100 Beschäftigte tätig. 2011 waren fast 120 Firmen an der Erforschung und Entwicklung sowie der Vermarktung eigener Biopharmazeutika beteiligt. In Deutschland sind bereits ca. 200 Medikamente auf biotechnologischer Basis, davon knapp 150 auf gentechnischer Grundlage, zugelassen. Das entspricht einem Anteil von 19 Prozent am Gesamtumsatz im Pharma-Markt. Die Zahl der biopharmazeutischen Präparate in der klinischen Pipeline betrug 2012 etwa 550. Insgesamt hat sich die Zahl der Medikamentenkandidaten in der Klinik seit 2006 mehr als verdoppelt. Damit ist die Biotechnologie keine Zukunftsvision mehr, sondern sorgt GKV-Änderungsgesetz AMNOG Die 2010 verabschiedeten Gesetze, das GKV-Änderungsgesetz sowie das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), sind Beispiele für die erwähnten, den Innovationsstandort beeinflussenden Rahmenbedingungen. Ersteres wurde vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise von der Bundesregierung als Spargesetz konzipiert, welches von der Pharma-Industrie ein Einfrieren ihrer Medikamentenpreise auf dem Stand vom August 2009 fordert. Zudem wurde der Abschlag von sechs Prozent, den die Hersteller gewähren müssen, auf 16 Prozent erhöht. Beide Maßnahmen wurden von der Bundesregierung entgegen der aktuellen wirtschaftlichen Lage bis Ende 2013 nicht korrigiert. Des Weiteren wurde mit dem AMNOG für innovative Arzneimittel eine frühe Nutzenbewertung eingeführt, die immer wieder zu Auseinandersetzungen über Bewertungsmethoden führt und im Ergebnis die Planbarkeit von innovativen F&E-Programmen in der Industrie weiter erschwert. Die unmittelbaren Folgen dieser Gesetze zeigen sich in einem Umdenken bei forschenden Unternehmen, wo innovative Entwicklungen vorerst auf Eis gelegt werden – fatal für den Innovationsstandort. Die mittelständische Pharma-Industrie arbeitet mit den Gewinnen ihrer sich bereits auf dem Markt befindlichen Produkte weiter und überbrückt damit die aktuelle Pipeline-Durststrecke. Die Mitgliederumfrage des BPI zum Stellenwert von Innovationen 2012 spiegelt diesen Trend wider. So erwarten fast 90 Prozent der Firmen, dass die Nutzenbewertung nach dem AMNOG teilweise die Refinanzierung der Investitionen in F&E verhindern wird. Die Lage ist für den Innovationsstandort Deutschland ernst, denn 78 Prozent der antwortenden Firmen gaben an, dass sie derzeit Erfolg versprechende Entwicklungsprojekte auf dem Gebiet der verschreibungspflichtigen Medikamente, darunter zahlreiche Biopharmazeutika, nicht weiter verfolgen. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Mehr Kooperation zwischen Biotech und Pharma könnte helfen Abhilfe hierzu können Kooperationen zwischen der Biotech-Branche und der mittelständischen Pharma-Industrie schaffen. Ein attraktives Feld für Partner beider Branchen bietet die personalisierte Medizin, denn die Weiterentwicklung eines bewährten Wirkstoffs für ein neues Indikationsgebiet mit Hilfe eines Biomarkers genießt (neuen) Patentschutz. Die neue Gesetzeslage erfordert allerdings ein exaktes Abstimmen der Forschung und Entwicklung auf spätere Kostenerstattung. Und die Mehrheit der in Deutschland biopharmazeutisch aktiven Unternehmen ist flexibel genug, Businesspläne an die Rahmenbedingungen anzupassen, wenn diese Planbarkeit erlauben. Doch das ist derzeit aufgrund der Nutzenbewertungskriterien für neue Arzneimittel nicht der Fall. Diese Kriterien werden häufig erst nach der Zulassung festgelegt und stimmen dann nicht mit dem Design der klinischen Studien überein, die normalerweise bis zu zehn Jahre zurückliegen. Konsequenzen des AMNOG für Deutschland Die Konsequenzen sind für Deutschland weitreichend: Standortgebundene F&E-Programme im Mittelstand kommen aufgrund der von der Regierung verordneten Sparmaßnahmen – Preismoratorium, Zwangsabschlag, Nutzenbewertungsverhandlungen, Aut-Idem-Regelungen etc. – ins Stocken und Arbeitsplätze werden gefährdet. Gravierender sind die Folgen für Patientinnen und Patienten, die auf manche verbesserte und neue Therapien weiter warten müssen. Denn bei Medikamenten, die keinen Zusatznutzen attestiert bekommen, werden sich die Hersteller gegen eine Vermarktung in Deutschland entscheiden. Der Preis, den sie damit hier erzielen können, reicht dann nicht, um die bereits über Jahre in F&E investierten Kosten zu refinanzieren – und somit neue Medikamentenkandidaten zu entwickeln. Ein Beispiel hierfür stellt bereits das DiabetesMedikament Trajenta® von Boehringer Ingelheim dar. Nach der Nutzenbewertung im Dezember 2012 wurde kein Zusatznutzen attestiert, woraufhin sich Boehringer entschlossen hat, Trajenta® nicht in Deutschland auf den Markt zu bringen. www.bpi.de 117 Regionale Netzwerke und ihre internationale Anbindung Spitzencluster bündeln wissenschaftliche Exzellenz und sichern die Anbindung an wirtschaftliche Wertschöpfungsketten Die bereits in den Vorjahren angestoßene Initiative zur Darstellung der verschiedenen Clusterinitiativen des BMBF (Spitzencluster, BioPharma, DZG u. a.) dient zum einen einer Charakterisierung individueller Netzwerke und deren Herangehensweise an die Lösung komplexer Fragestellungen. Die meisten dieser Netzwerke, wie sie bereits aufgelistet wurden, haben heute in ihren Zielsetzungen die Anbindung an kommerzielle Wertschöpfungsketten vorgesehen. Die Einbeziehung von Partnern aus der Life-Science-Industrie (Biotech, Medizintechnik, Pharma etc.) war bereits ein Kriterium für die Auszeichnung als Spitzencluster. Berücksichtigung fänden. Wissenschaftliche Exzellenz allein reicht nicht aus; der kommerzielle Erfolg – aus den anfangs geäußerten volkswirtschaftlichen Erwägungen vor allem in Deutschland – sollte ein ebenso wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Netzwerke sein. Zum anderen ist es ebenso wichtig, neben der reinen Charakterisierung und Darstellung der Konzepte auch deren Verfolgung und Erfolge zu hinterfragen. Insofern wäre es sinnvoll, wenn die Erfolgskriterien von vorneherein definiert würden und bei dieser Definition auch kommerzielle Meilensteine Zur Fortsetzung der begonnenen Serie über einzelne Netzwerke in Deutschland beschreibt im Folgenden Rainer Wessel das Konzept und den aktuellen Status des letztjährigen Gewinners im Spitzencluster-Wettbewerb des BMBF, des Ci3 Clusters mit Zentrum in Mainz. Von den oben genannten Grundvoraussetzungen sind die meisten gegeben: • Wissenschaftliche Exzellenz – akademische Spitzenforschung auf dem Gebiet der Immuntherapie • Etablierte Technologietransfer-Einrichtungen • Integration von Unternehmen zum Aufbau einer kommerziellen Wertschöpfungskette • Politisches Commitment selbst über Bundeslandgrenzen hinweg • Signifikantes finanzielles Engagement durch private Investoren 118 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Regionale BioRegionen vernetzen sich international Neben den themengetriebenen Spitzenclustern hatten sich traditionell aus einem früheren BMBF-Wettbewerb in Deutschland BioRegionen etabliert, deren Aktivitäten ebenfalls an dieser Stelle Beachtung finden sollen. Im letzten Jahr bereits mit der Beschreibung von Schwerpunktbildung, Leistungsspektrum etc. begonnen, soll in den folgenden Ausgaben des Reports stärker auf das Thema „Best Practice“ fokussiert werden. In diesem Zusammenhang wurde in diesem Jahr die internationale Vernetzung als ein relevantes Thema ausgewählt, innerhalb dessen durch die geschilderten Beispiele Best-Practice-Initiativen der individuellen Regionen herausgestellt werden. Dabei ist eine erstaunliche Erkenntnis, wie viele unterschiedliche Ideen aufgegriffen wurden, um international die jeweilige BioRegion sichtbar zu machen. Aber diese Initiativen dienen nicht nur der Sichtbarkeit einer Region; sie sind vielmehr die Basis für eine aktive Interaktion der akademischen und kommerziellen Partner im Sinne einer gemeinsamen Herangehensweise an komplexe wissenschaftliche Problemstellungen mit Auswirkungen für Gesundheit, technischen Fortschritt und wirtschaftlichen Erfolg. Ci3 Spitzencluster – Katalysator für immunologische Innovationen Dr. Rainer Wessel, Cluster Individualisierte ImmunIntervention (Ci3), Mainz Maßgeschneiderte Behandlungsansätze Das Gesundheitssystem steht vor einem bedeutenden Umbruch. Neue Erkenntnisse in den Lebenswissenschaften führen zu einem Paradigmenwechsel in der Medizin und bieten dabei die Chance, wichtige Bereiche des Gesundheitswesens stärker auf eine auf jeden Einzelnen hin angepasste Medizin auszurichten. Innerhalb der individualisierten Medizin hat die Immunintervention ein sehr großes Potenzial. Dieser bereits jetzt wachstumsstärkste Bereich der pharmazeutischen Industrie nutzt die Eigenschaften des Immunsystems bei der Behandlung von schweren Erkrankungen wie Krebs, Autoimmun- und gefährlichen Infektionskrankheiten aus. Hierzu werden genetische und immunologische Eigenheiten der Patienten und ihrer Krankheit für die Entwicklung maßgeschneiderter Behandlungsansätze herangezogen. Dadurch entstehen innovative Therapieformen, die die Entwicklungszeiten neuer Medikamente verringern, Risiken für die Patienten reduzieren und die Kosten einzelner Therapien senken können. Das alles erfordert eine neuartige Abstimmung wesentlicher Bereiche unseres Gesundheitssystems. Mit gebündelter Kompetenz international erfolgreich Ci3 leistet zur Integration der für die erfolgreiche Implementierung der individualisierten Immunintervention notwendigen Bereiche der Gesundheitswirtschaft einen wichtigen Beitrag. Das Cluster vernetzt über 120 Partner aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in der erweiterten RheinMain-Region und bildet so das integrative Element der gesamten Innovations- und Wertschöpfungskette. Die Vision von Ci3 ist es, die sehr erfolgreiche Pharma-Region Rhein-Main im Bereich der individualisierten Immunintervention an die Weltspitze zu führen. Das volkswirtschaftliche Kernziel von Ci3 ist die Sicherung eines langfristigen Umsatz- und Beschäftigungswachstums der am Cluster beteiligten Firmen und Forschungseinrichtungen durch den Aufbau einer international konkurrenzfähigen Pipeline effizienter und nebenwirkungsarmer Immuntherapeutika und begleitender Diagnostikprodukte für stratifizierte und individualisierte Märkte. Die neuen Präventions-, Diagnoseund Therapieoptionen werden auf Zukunftsund Tragfähigkeit validiert und der Patientenversorgung zur Verfügung gestellt. In Strukturprojekten arbeiten die Partner gemeinsam daran, die infrastrukturellen Rahmenbedingungen für diese modernen Therapieformen zu verbessern und institutionsübergreifende Strukturen zu schaffen, die allen Clusterakteuren zugutekommen. Spitzencluster: Bis zu 40 Millionen Euro Förderung Durch den Gewinn des Spitzencluster-Wettbewerbs erhalten immuntherapeutische Ansätze in der Pharma-Region Rhein-Main nun einen starken Schub. Im Januar 2012 war Ci3 erfolgreich aus der dritten Runde des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ausgelobten Wettbewerbs hervorgegangen. Damit verbunden sind BMBF-Fördergelder in Höhe von bis zu 40 Millionen Euro über fünf Jahre. Aufgestockt wird diese Summe durch private Mittel der Partner in mindestens gleicher Höhe. Leuchttürme gegen Krebs und Zöliakie Mit der Bewilligung von drei repräsentativen Projekten, den so genannten Leuchtturmprojekten, hat das Ci3 Spitzencluster zum 1. April 2012 gestartet. Die Leuchtturm- Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 projekte fokussieren auf die Erforschung stratifizierter und individualisierter Impfstoffe zur Therapie solider Tumoren sowie auf die Entwicklung neuer Therapeutika zur Behandlung der Zöliakie (Glutenunverträglichkeit). Insgesamt konnten im Laufe des Jahres 2012 bereits 64 Förderprojekte an den Start gehen, die Mehrzahl davon in 28 Verbünden zwischen Industrie und öffentlichen Forschungseinrichtungen. Dies ist ein guter Indikator für die hohe Vernetzung der Partner. Da bereits jetzt weltweit die Mehrzahl der neuen Medikamente aus Kooperationen zwischen öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen und der privaten Wirtschaft entsteht, ist dieser hohe Grad der Vernetzung eine gute Voraussetzung für eine langfristig erfolgreiche und nachhaltige Entwicklung, mit entsprechenden positiven Effekten auf die Wertschöpfung in der Region und die damit verbundene Sicherung von Arbeitsplätzen. Wachstumsstarker Standort Für die beschleunigte Entwicklung des immunologischen Sektors in der Region spricht die starke Entwicklung junger Biotech-Firmen in den letzten Jahren. Ein robuster Anstieg der Investitionen am Standort hat die Entstehung einer großen Zahl neuer hochqualifizierter Arbeitsplätze ermöglicht und infrastrukturelle Maßnahmen nach sich gezogen. So wird die für Anfang 2014 geplante Fertigstellung des ca. 8.000 m² großen neuen Biotechnologiezentrums „An der Goldgrube“ in Mainz mehr als 200 hochqualifizierte Arbeitsplätze in den Life Sciences beheimaten. Die große regionale Expertise und wachsende Bedeutung der Immuntherapien spiegelt sich auch in den stetig steigenden Besucherzahlen des jährlich in Mainz vom international hochkarätig besetzten Cancer Immunotherapy Consortium (CIMT) durchgeführten Treffens wider. Zusammen mit den anderen beiden Life-Science-Spitzenclustern der ersten und zweiten Wettbewerbsrunde, BioRN in der Rhein-Neckar-Region und m4 in Bayern, leistet Ci3 damit einen wichtigen Beitrag für die weitere Entwicklung der Biomedizin in Deutschland. www.ci-3.de 119 BioRegionen in Deutschland – Best Practice „Internationale Vernetzung“ Angesichts der sehr komplexen und teuren Prozesse bei der Entwicklung neuer Produkte und eines globalen Wettbewerbs ist die internationale Vernetzung für die Biotechnologie von essenzieller Bedeutung. Auch die einzelnen BioRegionen in Deutschland legen Wert auf länderübergreifende Kooperationen. Hauptstadtregion gut vernetzt: BioTOP Berlin-Brandenburg In der deutschen Hauptstadtregion hat man schon früh auf Vernetzung mit anderen führenden europäischen Clustern gesetzt. Mit BioTOP ist die Region Gründungsmitglied im Council of European BioRegions (CEBR) und dem Ostseeanrainer-Netzwerk ScanBalt. Neben diesen die Biotechnologie in ihrer ganzen Breite abdeckenden Strukturen ist man als bisher einzige deutsche Region in der European Diagnostic Clusters Alliance (EDCA) vertreten, die sehr konkrete Maßnahmen für Unternehmen und Forschungseinrichtungen erarbeitet und sich mit der Entwicklung von In-vitro-Diagnostika beschäftigt. Von der EDCA unterstützt, wurde mit dem vierten Berlin-Brandenburger Technologieforum im Juni 2012 erstmals ein europäisches Partnering speziell für Diagnostikunternehmen mit einer regionalen Konferenz etabliert. Im Bereich der Lebenswissenschaften profitiert die Hauptstadtregion von einer regen Teilnahme an den europäischen Forschungsförderprogrammen und hat an einer Vielzahl europäischer Konsortien partizipiert; so z. B. im Mai 2012 an dem Dialogforum der Hauptstadtregion mit der Europäischen Kommission unter dem Motto „Bessere Gesundheit in einer älter werdenden Gesellschaft“. Ziel hierbei war nicht zuletzt, sich gute Startplätze bei der Ausgestaltung zukünftiger Förderprogramme wie Horizon 2020 und deren konkreter Nutzung zu sichern. Zusätzlich profitiert die Hauptstadtregion auch von der unmittelbaren Nähe zu den Botschaften. Fest etabliert hat sich so etwa der bilaterale Workshop, der gemeinsam von BioTOP und der französischen Botschaft jährlich organisiert wird und sich im November 2012 dem Thema „Perspectives of Systems Biology“ widmete. www.biotop.de Paneuropäische Open Innovation: das Ruhrgebiet in der IMI Die Bereitschaft von „Big Pharma“ wächst, sich auch auf neue, kreative und transnationale Arbeits- und Kooperationsweisen wie Open Innovation einzulassen. Ein Beispiel dieser Neuausrichtung ist die von IMI (Innovative Medicines Initiative) mit 196 Millionen Euro initiierte „European Lead Factory“. In dieser haben sich sieben europäische Pharma-Unternehmen des EFPIA Verbundes (European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations) mit Europas führenden medizinalchemischen KMU und akademischen Institutionen zu einer bisher einmaligen PPP (Öffentlich-Privaten Partnerschaft) zusammengefunden. Im Rahmen dieser engen Zusammenarbeit wird es akademischen Forschern europaweit erstmalig möglich sein, beispiellosen Zugang zu den Substanzbibliotheken der pharmazeutischen Industrie zu erhalten. So wird die Translation ihrer Ergebnisse in künftige Arzneistoffe erleichtert. Auch haben die Pharma-Unternehmen die Möglichkeit, gegen die Substanzbibliotheken der Konkurrenten zu screenen. Das Vorhaben ist als europäische Logistik- und Lieferkette aufgestellt und wird von den jeweiligen Teil-Konsortialführern „Medizinalchemie“ (Taros Chemicals, Dortmund) und „High-Throughput-Screening“ (TI Pharma, Niederlande) orchestriert. Der kooperative Arbeitsablauf sieht vor, dass die spezialisierten KMU-Partner zusammen mit den akademischen Vertretern neue innovative Strukturgerüste (Scaffolds) in einer parallelen, europaweiten Zusammenarbeit entwickeln und die Substanzbibliotheken synthetisieren. Im Anschluss werden die Compounds über einen ausgefeilten Logistikprozess den beiden High-Throughput-Screening-Zentren in Oss (Niederlande) bzw. Newhouse (Schottland) zugeführt. Neben der Taros Chemicals sind mit dem Lead Discovery Center, dem Max-PlanckInstitut Dortmund und der Universität Duisburg-Essen weitere Akteure aus dem Ruhrgebiet eingebunden, welches somit seine Bedeutung als Exzellenzstandort für innovative Medizinalchemie weiter ausbaut. www.bioindustry.de 120 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Städtepartnerschaften: BioRegio Regensburg Rund um Regensburg hat sich ein starker Mittelstand im Bereich Medizintechnik, Pharma und Life Sciences entwickelt. Amgen und Life Technologies gehören zu den renommierten Mietern des kommunalen Technologiezentrums BioPark Regensburg. Mit 1,4 Milliarden Euro Umsatz und insgesamt 15.500 Beschäftigten hat sich die Gesundheitsbranche zu einem wichtigen Wirtschaftszweig in der Stadt entwickelt. Allein hieraus hat sich ein internationales Netzwerk ausgebildet, in dem die Stadt Regensburg im Mittelpunkt steht. Die kommunalen Gründer- und Technologiezentren können mit ihren Mietern vor Ort und den Firmen im Cluster von umfangreichen Delegationsreisen, Partnerstädten und Kooperationen der Stadt Regensburg profitieren. So bauten der BioPark Regensburg mit dem Biotech-Zentrum BioPôle in der Partnerschaft ClermontFerrand in Frankreich oder die Kliniken in Regensburg mit den Hospitälern der Partnerstadt Qingdao in China enge Kooperationen auf. Diesen Top-down-Ansatz nutzt die Politik als Türöffner und bietet zudem ein breites Angebot an potenziellen Kooperationsmöglichkeiten (kritische Masse). Hieran schließt sich die wichtige Unterstützungsphase der einzelnen, fachspezifischen Akteure vor Ort an – „man kennt sich“. Aufgrund dieser persönlichen Beziehungen gelingt auch die essenzielle, selektive Auswahl erfolgversprechender Projekte zum beidseitigen Vorteil. Die technologieorientierten Cluster der Gesundheitswirtschaft, IT- und Sensorik-Branchen haben hier in Regensburg von der vielfältigen Form des internationalen Netzwerkes im Zuge der Wirtschaftsförderung der Stadt profitiert – zuletzt durch gezielte Anwerbung von Fachkräften im Ausland, beispielsweise in Spanien. www.bioregio-regensburg.de Fruchtbare Partnerschaft zwischen Bayern und Japan: BioM in München Bereits ein Blick auf die zahlreichen Deals und langjährigen Kooperationen zwischen bayerischen Biotech-Unternehmen und japanischen Pharma-Konzernen verrät, dass Japan für die regionale Branche beinahe ebenso attraktiv ist wie die Pharma-Industrie in den USA. Da das Interesse beiderseitig ist, wurden die bestehenden guten Kontakte zwischen München und der japanischen Osaka-Region im Jahr 2011 formalisiert. BioM, das Clustermanagement des Münchner Biotech-Clusters m4, schloss ein „Transnational Biotech & Life Sciences Cooperation Partnership Agreement“ mit dem Osaka Bio Headquarters. Die gesamte KansaiRegion umfasst die Städte Osaka, Kobe und Kyoto und ist aufgrund der hohen Dichte an Pharma-Firmen, ihrer 155 Hochschuleinrichtungen (davon 66 Institute im Biotechnologiebereich) und der dortigen exzellenten wissenschaftlichen Einrichtungen (z. B. RIKEN) das Zentrum der japanischen Biotechnologie. Seit 2011 diente diese Partnerschaft vielfach konkret als „Türöffner“ in die nicht einfach zugänglichen Hierarchieebenen der japanischen Unternehmen. Mehrere organisierte Japanreisen, Partnering-Konferenzen und Messeauftritte mit bayerischen Unternehmen sowie Gegenbesuche seitens japanischer Pharma-Vertreter und Wissenschaftler haben zu zahlreichen und langfristigen Geschäftskontakten geführt. Derzeit laufen mehrere konkrete Kooperationsgespräche mit Pharma-Konzernen im R&DSektor und einige Produkt- und Technologie-unternehmen berichten von deutlichen Umsatzsteigerungen aufgrund der von BioM koordinierten Japanaktivitäten. Zukünftig soll diese Zusammenarbeit noch intensiver und unbürokratischer gestaltet werden. www.bio-m.org ScanBalt verbindet die Ostsee: BioCon Valley BioCon Valley, die BioRegion Mecklenburg-Vorpommerns, fokussiert sich auf die enge Verknüpfung von Partnern über Ländergrenzen hinweg und ist Mitgründer von ScanBalt, dem Netzwerk aller BioRegionen an der Ostsee. 2001 in Teschow bei Teterow gegründet ist ScanBalt anerkannt als Modellregion der Europäischen Union für das Gebiet Biotechnologie und Gesundheit. Die 11 Anrainerstaaten der Ostsee repräsentieren modellhaft die Herausforderungen in der EU – von den weltweit führenden BioRegionen wie dem Medicon Valley in Skandinavien, den norddeutschen BioRegionen von Kiel, Lübeck, Hamburg, Rostock, Greifswald und Berlin bis zu den noch forschungslastigen neuen EU-Mitgliedern der baltischen Staaten und Polen sowie Nordwest-Russland. Durch die mittlerweile zahlreichen EU-Projekte im ScanBalt-Verbund gelingt es, die Vernetzung der Branche in der Metaregion zu verstärken und die Entscheidungsträger in Brüssel für die Anliegen der Branche zu sensibilisieren. Es gilt, die kritische Masse in Forschung und Entwicklung in den Regionen zu stärken und neue Märkte für die jungen Firmen zu erschließen. Zu der ScanBalt BioRegion zählen mehr als 60 Universitäten und über 2.100 Life-Science- bzw. BiotechUnternehmen, davon ca. 700 KMU, die sich auf Forschung spezialisiert haben. Organisiert wird die Zusammenarbeit dezentralisiert über den Bottom-up-Ansatz mit regionalen Büros in allen Anrainerstaaten. Zudem finden jährliche Treffen statt. www.bcv.org BioRegio STERN und BioRegioN sind Teil des EU-Projektes IN2LifeSciences BioRegio STERN aus dem Raum Stuttgart und die BioRegioN aus Niedersachsen unter Führung des BiomeTI e.V. bündeln ihre Kräfte in einem EU-Projekt: IN2LifeSciences – Transnational Innovation Incentives for Life Science SMEs – unterstützt die transnationale Vernetzung zwischen Life-Science-KMU und Experten aus den Bereichen „Technologien“, „Märkte“ und „Finanzen“. Im Fokus steht die Förderung von Forschung, Entwicklung und Kommerzialisierung neuer Produkte. Die beiden BioRegionen haben sich mit weiteren sechs Life-Science-Clustern aus den Ländern Frankreich, Niederlande, Belgien und Dänemark zu einem internationalen Konsortium zusammengeschlossen. Hauptziel des IN2LifeSciences Projektes ist es, die Zusammenarbeit über Grenzen als gezieltes Instrument für KMU zu nutzen, um deren jeweiliges Geschäftskonzept von Anfang an besser aufzustellen. Besondere Engpässe bestehen oft im Technologiebereich, im Zugang zu Finanzmitteln, zu Märkten und generell im fehlenden Wissen über ausländische Vertriebsspezifika und Regularien. Die internationalen Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Kollaborationen zwischen den KMU und Organisationen werden innerhalb des Projektes mittels finanzieller Anreize auf unterschiedlichen Ebenen gefördert. Mit Veranstaltungen wie den „Technology Brokerage Events“ oder den „Elevator Pitch Events“ werden die Unternehmen dabei unterstützt, überregionale Technologiepartner für innovative Projekte bzw. Investoren zu finden. Zusätzlich werden Webinare zu ausgewählten Themen angeboten. Über B2B-Events und eine spezielle Datenbank können neue Geschäftspartner identifiziert werden. www.bioregio-stern.de www.bioregion.de Internationale Gründungsstory im BioRiver-Gebiet: AyoxxA Biosystems Für Pharma-Firmen sind sie selbstverständlich, für junge Biotech-Start-ups nicht: Internationale Kooperationen. AyoxxA Biosystems hat hingegen vom ersten Tag an einen internationalen Weg beschritten. Gegründet wurde das Unternehmen im Sommer 2010 von Prof. Dr. Dieter Trau und Dr. Andreas Schmidt als Spin-off der National University of Singapore, basierend auf dem sogenannten Multiplexing, bei dem mittels Chiptechnologie sehr viele unterschiedliche Proteine in kleinstem Probenvolumen gleichzeitig bestimmt werden können. In Singapur gilt AyoxxA Biosystems als hervorragendes Gründungsbeispiel. Hier profitiert das Start-up von der exzellenten Forschungslandschaft, dem ausgefeilten System zur Gründungsförderung sowie dem einfachen Kontakt zu großen Pharma-Unternehmen, die Singapur als Tor nach Asien nutzen. Bezüglich wissenschaftlicher Aspekte schaute AyoxxA von Singapur aus zuerst in Richtung USA. Bereits mit der Gründung wurde das Unternehmen in die „Singapore MIT Alliance of Research and Technology” (SMART) aufgenommen und gewann so neben finanzieller Förderung einen direkten Draht zum Massachusetts Institute of Technology in Boston. Aus verschiedenen Gründen hat sich AyoxxA 2012 für Deutschland als weltweiten Hauptstandort entschieden. Besonders für ein Hightech-Unternehmen ist es zentral, ein verlässliches Zulieferernetz aufzubauen sowie erstklassige Ingenieursfirmen für die Produktion und qualifiziertes Personal zu finden. Zusätzlich konnte hier bereits in einem frühen Stadium eine starke Allianz mit Investoren gebildet werden: mit 121 Wellington Partners als Lead-Investor, der NRW.BANK, dem HTGF, der KfW sowie Rainer Christine und Dr. Gregor Siebenkotten als Privatinvestoren. Letztlich hofft AyoxxA dem “Invented in Singapore & Made in Germany” mit der ersten Produktreihe der Proteinchips bald auch noch ein “Sold in the US” hinzuzufügen. www.bioriver.de BIO.NRW: Internationale Netzwerke und Kollaborationen in NRW BIO.NRW sorgt für die Internationalisierung des Biotech-Standorts NRW nicht nur mittels Präsenz durch Messestände und offizielle Sessions bei internationalen Leitmessen wie der BIO International Convention in den USA und der BIO-Europe, sondern organisiert auch maßgeschneiderte Veranstaltungen mit landeskundigen Experten. Die Regionen im Fokus von BIO.NRW sind Indien, Japan, China und Südkorea, in die z. B. Delegationsreisen durchgeführt werden. Zudem engagiert sich BIO.NRW im FP7-call „Bioeconomy regions – building strategies and partnerships for global growth from Europe”. In dem Konsortium sind Organisationen aus acht europäischen Ländern vertreten. Auch im Bereich der industriellen Biologie wird die Internationalisierung vorangetrieben. BIO.NRW unterstützt CLIB2021 durch personelle Ressourcen, finanzielle Mittel und enge Zusammenarbeit. Das Cluster Industrielle Biotechnologie mit Sitz in Düsseldorf agiert international mit über 90 Mitgliedern aus Akademie, Industrie, KMU und Netzwerkorganisationen, von denen etwa 25 Prozent im Ausland ansässig sind. 2007 gegründet eröffnete CLIB2021 in den Jahren 2009 bis 2012 nacheinander Repräsentanzen in Kanada, Russland, Brasilien und Malaysia. Die Auslandsbüros bilden dabei die Schnittstellen des Clusters in diese Regionen. Denn der Wandel hin zu einer biobasierten Ökonomie bedarf einer globalen Zusammenarbeit, erfordert aber lokale Lösungen. Für verschiedene Weltregionen bieten sich jeweils andere nachwachsende Rohstoffe als Ressource an, was angepasste Verarbeitungsprozesse erfordert und unterschiedliche Produktspektren ermöglicht. Durch sein internationales Netzwerk unterstützt CLIB2021 seine Mitglieder dabei, die jeweils geeignetsten Ansätze und Technologien zu ermitteln und länderübergreifende Kooperationen zu initiieren. So können durch biotechnologische Verfahren neue Prozesse etabliert und innovative Produkte erschlossen werden. www.bio.nrw.de BioRN aktiviert Health Axis Europe In der Health Axis Europe (HAE), einer strategischen Allianz zwischen den BiomedizinClustern Cambridge (England), Leuven (Belgien) und Heidelberg, startete das BiotechCluster Rhein-Neckar (BioRN) 2010 seine Aktivitäten zur Internationalisierung. Für die Einwerbung von EU-Fördermitteln wurde die HAE R&D-Community ins Leben gerufen. Sie bietet Wissenschaftlern aus europäischen Forschungseinrichtungen und aus der Industrie die Möglichkeit, sich über eine OnlinePlattform zu Konsortien für europäische Förderprogramme zusammen zu schließen und gemeinsam Anträge für F&E-Projekte zu stellen. Koordinatoren helfen bei der Suche nach geeigneten Projektpartnern und unterstützen die Wissenschaftler bei der Antragstellung. Mit Businessplan-Wettbewerben im Rahmen des HAE Accelerators werden innovative Start-up-Teams in den drei Regionen der Health Axis Europe identifiziert, trainiert und mit internationalen VC-Investoren in Kontakt gebracht; auch über Ausrichtung eines Investor Days (HAE Expo, September 2013). Das Engagement des Clustermanagements im internationalen Entrepreneurship-Netzwerk TiE (The Indus Entrepreneurs) ist eine weitere Aktivität im Sinne der Internationalisierung: Es ermöglicht den Clusterakteuren den Zugang zu den „Emerging Markets“, so z. B. zum indischen Markt. Seit 2011 ist BioRN auch als Gründungsmitglied in der International Commercialization Alliance (ICA) aktiv. Die Mitglieder, sogenannte „Innovation Intermediaries“ (Innovationsmittler) beschäftigen sich mit speziellen Services und Hilfestellungen, die die Kommerzialisierung von Innovationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fördern können. Der Erfahrungsaustausch über Landesgrenzen hinweg sowie die Anbahnung von Kooperationen stehen außerdem im Fokus der Aktivitäten. Ganz im Sinne der Internationalisierung beschäftigen sich die Mitglieder beim diesjährigen Forum (International Commercialization Forum, ICF) u. a. mit „Born Global“-Konzepten. www.biorn.org 122 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 BioLAGO: Motor für die Life Sciences am internationalen Bodensee Internationalität ist in der DNA des bodenseeweiten Netzwerks BioLAGO e.V. fest verankert. Verbindendes Element des Verbunds von Forschungseinrichtungen und Unternehmen in den Lebenswissenschaften und der Biotechnologie ist hierbei der vierländerübergreifende Bodensee. Seit seiner Gründung vor fünf Jahren vereint das Netzwerk Akteure über Grenzen hinweg und repräsentiert heute rund 80 Mitglieder aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Liechtenstein. Grenzüberschreitende Kooperationen stehen bei den Netzwerkmitgliedern auf der Tagesordnung; teilweise konnten diese erst durch die Existenz der BioLAGO-Plattform überhaupt angestoßen und realisiert werden. Insbesondere Netzwerksveranstaltungen dienen dabei als erster Zündfunken für spätere Kollaborationen – so beispielsweise im Falle eines durch die EU und Interreg-Mittel geförderten Projekts zum „Einfluss des Erbguts auf den Verlauf und das Therapieansprechen bei einer Brustkrebserkrankung“. Den Weg ebnete hier ein Stammtisch des Vereins, bei dem Peter Pohl, Geschäftsführer des Konstanzer Biotechnologieunternehmens GATC Biotech, den Leiter des VIVIT-Labors im österreichischen Dornbirn kennenlernte und die Idee zur Zusammenarbeit entstand. Die internationale Ausrichtung des Netzwerks spiegelt sich auf allen Ebenen und in allen Aktivitäten wider: so organisiert BioLAGO jährlich z. B. eine Finanzierungskonferenz, die abwechselnd in den jeweiligen Bodensee-Anrainerstaaten stattfindet. Ziel ist dabei der länderübergreifende Austausch von Unternehmen zu Unternehmen. BioLAGO ist ebenfalls Triebfeder für den internationalen Austausch über den Bodensee hinaus. Dies wird in dem Engagement für das Mitglied SystemsX.ch deutlich, der größten öffentlich geförderten Forschungsinitiative der Schweiz, einem Tor für Kooperationen mit KMU aus Baden-Württemberg. Der Systembiologie-Initiative gehören schweizweit Wissenschaftler an 12 Hochschulen und Universitäten (Zürich, Basel, Bern, Fribourg, Genf, Lausanne, Neuchâtel) sowie Forschungsinstitutionen an. www.biolago.org Auswahl der internationalen Kooperationen und Netzwerke deutscher BioRegionen IN2LifeSciences: Mitglieder des Arbeitskreises der BioRegionen ScanBalt Rostock Greifswald Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein GmbH Bremerhaven Hamburg Bremen European Lead Factory Berlin Hannover Münster EDCA ScanBalt CEBR Bielefeld Bochum Halle Leipzig Düsseldorf Aachen Dresden Köln CLIB2021 Wiesbaden Würzburg Health Axis Europe: Heidelberg Regensburg Stuttgart Ulm IN2LifeSciences: München Freiburg Konstanz Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 123 124 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Danksagung Die Publikation einer Branchenstudie ist das Resultat der Zusammenarbeit zahlreicher Personen. Neben dem Ernst & Young Team haben vor allem auch viele externe, unverzichtbare Ansprechpartner zum Gelingen des Reports beigetragen. Allen voran die vielen Kontakte zu BiotechUnternehmen, die wir im Rahmen einer globalen Firmenumfrage ansprechen und die uns essenzielle Informationen auf vertraulicher Basis zukommen lassen. Die wiederholt hohe Rücklaufrate der Antworten macht uns stolz und zeigt uns, dass die Branche unsere Erhebungen schätzt. Wir bedanken uns hierfür herzlich bei allen Teilnehmern der Umfrage. Ebenso informativ wie wertvoll sind die Expertenbeiträge in Form von themenbezogenen Artikeln. Als authentische Stimme aus der Branche sind sie für uns wichtiger Beleg für die Richtigkeit unserer Analyseergebnisse und Trends. Allen Autoren zollen wir unseren tiefsten Dank für ihre durchweg spontane Bereitschaft zur Formulierung ihrer Beiträge. Als wesentliche Zutaten ergeben darüber hinaus unzählige persönliche Gespräche mit Experten aus der Branche das „Salz in der Suppe“. Allen voran und stellvertretend bedanken wir uns bei den diesjährigen Expertenpanels, die in offener Diskussion viele Sachverhalte interpretieren halfen und unzählige neue Ideen und Vorschläge einbrachten: Der Erfolg des fertigen gedruckten Reports ist aber vor allem das Produkt eines motivierten und eng verzahnten Teams im Ernst & Young Life Science Center Mannheim. Die Erfassung und Analyse von Informationen und Daten aus der Life-Science-Industrie wurde durchgeführt von Nina Hahn, EvaMaria Hilgarth, Dr. Claudia Pantke, Lisa-Marie Schulte und Ulrike Trauth. Die teameigene „Knowledge Platform“ ermöglicht tiefgehende Analysen, Vergleiche über Jahre und Geographien sowie die Ableitung solider Trends nicht nur für die vorliegende Studie. Eva-Maria Hilgarth war darüber hinaus für die Koordination aller externen Beiträge zuständig, während Ulrike Trauth für die Gesamtabstimmung und Redaktion der vorliegenden Studie verantwortlich zeichnete. Das Kernteam wurde ergänzt durch Georgia Nalpantidis, die das Teilprojekt der „Biotech in Germany“-Karte in Händen hatte. Der besondere Dank an das gesamte Team liegt mir persönlich besonders am Herzen – für das Engagement, die perfekt koordinierte Teamleistung und trotz Dauerstress stets fühlbare Freude an der Arbeit. Nicht zuletzt gilt unser Dank auch Stefanie Probst und ihrem Team bei magenta Kommunikation, Design und Neue Medien für den unermüdlichen Einsatz, die unendliche Geduld mit vielen Änderungswünschen und Korrekturen und die professionelle Umsetzung unserer Ideen in ein optisch gelungenes Werk. Mit diesem Bericht verfolgen wir das Ziel, einen Überblick über aktuelle Perspektiven der Biotechnologiebranche in Deutschland zu geben und laufende Entwicklungen im internationalen Vergleich zu bewerten. Es handelt sich hierbei um einen unabhängigen Branchenbericht ohne externe Auftraggeber. Auf die Inhalte wurde keinerlei Einfluss durch einzelne Unternehmen oder Institutionen genommen. Dr. Siegfried Bialojan Gesamtleitung und Autor der Studie Nina Hahn Eva-Maria Hilgarth Dr. Claudia Pantke Lisa-Marie Schulte Ulrike Trauth Projektteam Ernst & Young Rainer Christine, Science to Market Dr. Thomas Höger, Apogenix Dr. Ingmar Hoerr, CureVac Dr. Timm-H. Jessen, Bionamics Dr. Wolfgang Klein, AMD Therapy Fund Dr. Claus Kremoser, Phenex Pharmaceuticals Dr. Karl Nägler, Gimv Dr. Axel Polack, TVM Capital Dr. Holger Reithinger, Forbion Capital Partners Dr. Rainer Strohmenger, Wellington Partners Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 125 Anhang Methodik und Definitionen Methodik Definition: Biotech-Unternehmen Ernst & Young erhebt seit über 20 Jahren Kennzahlen zur Beschreibung der Biotechnologieindustrie in den Hauptmärkten USA, Europa, Kanada und Australien. Dabei geht es vor allem darum, Entwicklungen und Trends quantitativ zu erfassen und in entsprechenden Statistiken über die Jahre zu verfolgen. Die wichtigsten Qualitätskriterien hierbei waren und sind: Ernst & Young analysiert in der vorliegenden Studie Unternehmen, deren Hauptgeschäftszweck die Kommerzialisierung der modernen Biotechnologie ist. Moderne Biotechnologie nutzt die Gentechnik und andere molekularbiologische Verfahren zur Produktion von innovativen Medikamenten, Diagnostika, Spezialchemikalien sowie transgenen Pflanzen und Tieren. Ferner werden hier sämtliche Technologien, Forschung und Dienstleistungen, die in vorgenannten Bereichen eingesetzt bzw. durchgeführt werden, eingeschlossen. • Eine konsistente Definition der Einschlusskriterien für Biotech-Firmen (siehe „Definition: Biotech-Unternehmen“) • Die global einheitliche und konsistente Anwendung der Kriterien auf nationaler Ebene Die zugrundeliegenden Daten wurden mittels einer internationalen Befragung von Biotech-Unternehmen erhoben und durch intensive Sekundärrecherchen (BioCentury, Capital IQ, MedTRACK, Thomson Reuters, Dow Jones VentureSource, individuelle Firmen-Webseiten) ergänzt. Die Rücklaufquote der Primärerhebung betrug etwa 40 % für Deutschland bzw. etwa 20 % für die übrigen Länder. Die Umrechnung ausländischer Währungen erfolgte auf Basis kalkulierter Jahresdurchschnittswerte der jeweiligen Wechselkurse (Quelle: www.oanda.com). Die themenbezogenen Expertenbeiträge wurden von externen Autoren verfasst und stellen somit deren Meinung dar. 126 Eingesetzte Verfahren sind beispielsweise: rekombinante DNA-Techniken; cDNA-Techniken und Biochips; Herstellung von und Arbeiten mit Antikörpern sowie Proteinen als Tools, Therapeutika und Diagnostika; Tissue Engineering; Auftragsproduktion, wenn rekombinante Verfahren involviert sind; biologische Assays und zelluläre Systeme; Zellkulturen für Therapie und Produktion; Gentherapie und Drug Delivery; molekulare Diagnostik sowie moderne pflanzenbiotechnologische Verfahren. Ebenfalls hinzugezählt werden Produkte und Verfahren, die nicht im engeren Sinne „bio“-technologisch sind, jedoch wichtige Bausteine in der Wertschöpfungskette der Biotech-Industrie darstellen (z. B. Bioinformatik sowie Technologien und Services im Bereich Medikamentenentwicklung). Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Diese Studie beinhaltet im Kernsegment keine Firmen, die sich mit klassischen Methoden der Biotechnologie beschäftigen, also z. B. Verfahren aus der Umweltbiologie (klassische biologische Verfahren der Schadstoffbeseitigung wie Abwasserreinigung oder Biofilter), der Pflanzenbiologie (klassische Pflanzenzucht und Vermehrung, Saatgutherstellung), der Nahrungsmittelherstellung (Bierbrauer) und der klassischen industriellen Biotechnologie (Fermentation / Transformationen zur Herstellung von Antibiotika oder Feinchemikalien, klassische Enzymtechnologie). Ebenso werden Firmen ausgeschlossen, die allein analytische Techniken einsetzen. Auch rein biochemisches Arbeiten (z. B. klassische Labor-, klinische und genetische Diagnostik) sowie mikroskopische Diagnostik werden nicht berücksichtigt. Firmen, die sich vorwiegend mit gängigen Technologien der Immunologie (ELISA und ähnliches) beschäftigen, die Diagnostikgeräte (basierend auf SPR oder Fluoreszenz u. ä.) anbieten, sowie Medizintechnikgeräte- und Verbrauchsmaterialhersteller sind ebenfalls nicht in die Untersuchung eingeschlossen. Ferner nicht berücksichtigt werden Firmen, die sich ausschließlich mit dem Vertrieb von biologischen Produkten (z. B. Biochemikalien) beschäftigen oder die Biotechnologie nicht als Hauptgeschäftszweck betreiben. Damit sind auch traditionelle Mittelstands- und Großunternehmen aus der Pharma- und Agroindustrie ausgeschlossen, auch wenn sie mit Methoden der modernen Biotechnologie arbeiten. Abgrenzung zu anderen Branchenstudien Für die statistische Analyse von Trends ist es erforderlich, die Untersuchungsmenge möglichst homogen zu definieren. Deshalb hat sich eine eher restriktive Handhabung der Einschlusskriterien etabliert. Diskrepanzen zu Erhebungen verschiedener nationaler Institutionen ergeben sich vorwiegend dadurch, dass diese verständlicherweise vornehmlich volkswirtschaftlich relevante Bewertungskriterien bei der Beschreibung der Branche anlegen, um eine regionale oder nationale Leistungsfähigkeit zu belegen. In diesem Zusammenhang tragen z. B. Niederlassungen ausländischer Muttergesellschaften in Deutschland sehr wohl zur volkswirtschaftlichen Leistung bei (Mitarbeiter, Umsatz, F&E-Aufwendungen, Steueraufkommen etc.); gleichwohl zwingt eine globale Analyse – wie sie von Ernst & Young regelmäßig durchgeführt wird – formal zur Zuordnung des Unternehmens zum juristischen Hauptsitz, um Doppelzählungen zu vermeiden. Auch ist es vielfach schwierig, von international tätigen Unternehmen detaillierte Zahlen – beispielsweise zu Umsatz, F&E-Ausgaben etc. – zu erhalten, die ihre regionalen Niederlassungen exakt abbilden. Das Vorgehen auf Basis einer restriktiveren Definition hat jedoch keine Auswirkungen auf die Beschreibung von Trends beziehungsweise auf die Detailanalysen von Finanzierungs- oder Transaktionsentwicklungen, welche im Fokus der Ernst & Young Berichte stehen. Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 127 Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen Tabellen Kapitel Kennzahlen der deutschen Biotech-Industrie Kennzahlen der deutschen Biotech-Industrie Kennzahlen der europäischen Biotech-Industrie (börsennotierte Unternehmen) Kennzahlen der deutschen Biotech-Industrie im Detail Neugründungen deutscher Biotech-Unternehmen, 2011/2012 Kapitel Transaktionen Allianzen deutscher Biotech-Unternehmen, 2012 (Auswahl) Allianzen europäischer Biotech-Unternehmen, 2012 (Auswahl) M&As deutscher Biotech-Unternehmen, 2012 M&As europäischer Biotech-Unternehmen, 2012 Kapitel Finanzierung Risikokapitalfinanzierungen deutscher Biotech-Unternehmen, 2012 Risikokapitalfinanzierungen europäischer Biotech-Unternehmen, 2012 (Auswahl) Neue europäische Fonds mit Fokus auf Life Science (Auswahl) Börsengänge europäischer Biotech-Unternehmen, 2012 Börsengänge US-amerikanischer Biotech-Unternehmen, 2012 Sekundärfinanzierungen börsengelisteter deutscher Biotech-Unternehmen, 2012 Sekundärfinanzierungen börsengelisteter europäischer Biotech-Unternehmen, 2012 (Auswahl) Die 30 größten Biotech-Unternehmen Europas nach Marktkapitalisierung, 2012 Kapitel Produkte Wirkstoffkandidaten mit Eintritt in Phase I/II oder Phase II, 2012 (Auswahl) In Deutschland zugelassene Arzneimittel mit Pflichttests für die personalisierte Medizin 128 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 39 39 40 41 49 55 60 63 70 83 85 90 91 92 93 97 102 107 Abbildungen Kapitel Perspektive Tech@Translation als Treiber der Innovationseffizienz Tech@Process als Teil der Pharma-Wertschöpfungskette Tech@MPO zur kontinuierlichen Generierung von Produkten Übersicht der deutschen Tech@Companies im Therapiesektor Rx-CDx-Modell: Entwicklung eines Companion Diagnostics Übersicht der deutschen Tech@Companies im Diagnostiksektor Biologisierung der Industrien Biokonversion als zentrale Plattform für die Stoffumwandlung Engagement in präkompetitiven Kollaborationen in Europa größer als in USA Kapitel Kennzahlen der deutschen Biotech-Industrie Fluktuation bei deutschen Biotech-Unternehmen Dynamik bei den Kennzahlen privater Unternehmen in Deutschland Gewinn und Verlust privater Unternehmen in Deutschland nach Geschäftsfeld, 2012 Kapitel Transaktionen Allianzen deutscher Biotech-Unternehmen Allianzen europäischer und US-amerikanischer Biotech-Unternehmen Zahlungsströme aus Allianzen an deutsche Biotech-Unternehmen Zahlungsströme aus Allianzen an europäische Biotech-Unternehmen Grafische Darstellung der Allianz Allergan / Molecular Partners Upfront-Zahlungen von Pharma-Partnern, Europa und USA Upfront-Zahlungen an europäische Tech@Companies im Vergleich Käuferanalyse globaler Pharma-Allianzen Käuferanalyse globaler Pharma-M&As Das „Growth Gap“ von Big Pharma wird größer Firepower: Abnahme bei Big Pharma, Zunahme bei Specialty Pharma und Big Biotech Geringere Firepower führt zur Verdrängung von Big Pharma aus M&As Kapitel Finanzierung Kapitalaufnahme deutscher Biotech-Unternehmen Kapitalaufnahme europäischer Biotech-Unternehmen Kapitalaufnahme US-amerikanischer Biotech-Unternehmen Risikokapital und Beteiligung von Family Offices in Deutschland Risikokapital in ausgewählten europäischen Ländern Finanzierungsquellen privater Unternehmen, 2012 (Befragung international) Marktkapitalisierung der börsennotierten Unternehmen in Deutschland, 2012 Kapitel Produkte Biotech-Wirkstoffpipeline in Deutschland Biotech-Wirkstoffpipeline in Europa, 2012 Dynamik der Wirkstoffpipeline in Deutschland, 2012 Klinische Wirkstoffpipeline in Deutschland nach Substanz, 2012 Wirkstoffpipeline in Deutschland nach Therapiegebiet, 2012 Wirkstoffpipeline in Europa nach Therapiegebiet, 2012 Zulassung von Orphan Drugs bei EMA und FDA Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 8 11 12 14 18 21 22 24 36 39 42 43 45 45 46 46 56 57 58 59 64 64 65 65 67 67 68 69 82 84 96 99 99 100 103 104 112 113 129 Verzeichnis der Expertenbeiträge Kapitel Perspektive Biotech classica – Quo vadis? Dr. Timm-H. Jessen, CEO Bionamics GmbH, Hamburg Zwei zurück und eins nach vorn! – A New Deal for Innovation Dr. Werner Lanthaler, CEO Evotec AG, Hamburg Lead Discovery Center: Skipping Biotech – Verzichtet Pharma in Zukunft auf Biotech? Dr. Bert Klebl, CEO / CSO Lead Discovery Center GmbH, Dortmund Eine Industrialisierungsstrategie für die weiße Biotechnologie Dr. Holger Zinke, Gründer / CEO BRAIN AG, Zwingenberg Von Brustimplantaten zur Textilfaser: AMSilks Produktportfolio sorgt für breites Wachstum Axel Leimer, CEO AMSilk GmbH, Planegg/Martinsried Interim-Management: Mit Erfahrung starten Dr. Alrik Koppenhöfer, LSCN Ltd., Heidelberg Life Science Inkubator – Ein Nährboden für Start-ups Dr. Jörg Fregien, Geschäftsführer Life Science Inkubator, Bonn Neue Meilensteine für den Technologietransfer: Ascenion Christian A. Stein, CEO Ascenion GmbH, München VolksparkLabs – Eine Privatinitiative zur Förderung von Life Science Prof. Dr. Carsten Claussen, Initiator der VolksparkLabs, CEO European ScreeningPort GmbH, Hamburg Kapitel Transaktionen Rekordverdächtig: AiCuris erhält über 440 Millionen Euro von MSD für HCMV-Portfolio Prof. Dr. Helga Rübsamen-Schaeff, CEO AiCuris GmbH & Co. KG, Wuppertal Finanzierung durch frühzeitige Kollaborationen: Phenex sichert sich bis zu 123 Millionen Euro von Janssen Dr. Claus Kremoser, Thomas Hoffmann, CEO / CFO Phenex Pharmaceuticals AG, Ludwigshafen evocatal GmbH - The Art of Chiral Purity Dr. Thorsten Eggert, CEO evocatal GmbH, Düsseldorf Post Merger: Die Integration von Cellzome in GlaxoSmithKline Dr. Gitte Neubauer, Geschäftsführerin Cellzome GmbH, eine GSK-Tochter, Heidelberg Von Corimmun zu advanceCOR: Die personalisierte Therapie gegen Herz-Kreislauferkrankungen geht weiter Prof. Dr. Götz Münch, CEO advanceCOR GmbH, Martinsried Kapitel Finanzierung Business Angels und Venture-Capital-Investoren – Nur gemeinsam stark Rainer Christine, Science to Market Venture Capital GmbH, Köln Honigbienen und Milchkrautwanzen überzeugen Boehringer und Novartis: Corporate Venture für AMP Therapeutics Dr. Marc W. Hentz, Managing Director AMP Therapeutics GmbH, Leipzig Finanzierung über strategische Investments: BRAIN AG und BBG GmbH haben Potenzial der Enzymicals erkannt Dr. Ulf Menyes, CEO Enzymicals AG, Greifswald Dietmar Hopp setzt auf mRNA-Technologie: Weitere 80 Millionen Euro bringen CureVac voran Dr. Ingmar Hoerr, CEO CureVac GmbH, Tübingen CRO Services: Ein alternatives Finanzierungsmodell? Werner J. Langner, CATO Europe GmbH, Köln Bayern Kapital: Venture Capital für Bayern Andreas Huber, Bayern Kapital GmbH, Landshut Wellington Partners IV Life Science Fund: Ja zu Biotech, aber mit hoher Selektivität Dr. Rainer Strohmenger, Wellington Partners, München Fördermittel kommen nicht da an, wo sie am dringendsten gebraucht werden Sven Pirsig, Ernst & Young GmbH, Berlin Horizon 2020: Eine Chance für die deutsche Biotechnologie Ingrid Zwoch, Nationale Kontaktstelle Lebenswissenschaften (Projektträger für das BMBF), Bonn Und der Kapitalmarkt bewegt sich doch: 4SC führt Kapitalerhöhung durch Enno Spillner, CEO / CFO 4SC AG, Martinsried Family Offices setzen auf Firmenbeteiligungen Peter Brock, Family Office Services, Ernst & Young GmbH, Düsseldorf 130 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 6 9 10 27 28 30 31 33 34 50 51 54 61 62 75 76 78 79 80 81 87 88 89 94 95 Kapitel Produkte Tetravalente bispezifische Antikörper: The Next Generation Dr. Adi Hoess, CEO Affimed Therapeutics AG, Heidelberg CyTuVax – A Novel Vaccination Strategy Against Cancer and Infectious Diseases Dr. Frank W. Falkenberg, CSO CyTuVax BV, Maastricht Zusammenspiel von Physik und Biotechnologie: GNA Biosolutions Dr. Lars Ullerich, Dr. Joachim Stehr, Dr. Frederico Bürsgens, Geschäftsführer GNA Biosolutions GmbH, Martinsried Kapitel Biotech-Standort Deutschland BIO Deutschland: Wichtige Maßnahmen zur Förderung innovativer Spitzentechnologie Dr. Peter Heinrich, BIO Deutschland e.V., Berlin Zum Umdenken gezwungen: Ein Jahr AMNOG und die Auswirkungen auf Biopharmaka-Hersteller im Mittelstand Dr. Pablo Serrano, Geschäftsfeldleiter Forschung & Innovation / Biotechnologie, Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, Berlin Ci3 Spitzencluster – Katalysator für immunologische Innovationen Dr. Rainer Wessel, Cluster Individualisierte ImmunIntervention (Ci3), Mainz BioRegionen in Deutschland – Best Practice „Internationale Vernetzung“ Beiträge verschiedener BioRegionen; Koordination: Dr. Klaus Eichenberg, Geschäftsführer der BioRegio STERN Management GmbH, Stuttgart, Sprecher des Arbeitskreises der BioRegionen in Deutschland, Berlin Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 105 110 111 116 117 119 120 131 Glossar ADME/PK Pharmakokinetik; Einwirkung des Organismus auf ein eingenommenes Arzneimittel in Abhängigkeit der Zeit AMNOG Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz Antibody Drug Conjugate Antikörper(fragment) gekoppelt an einen medizinischen, z. B. zytotoxischen Wirkstoff API Active Pharmaceutical Ingredient; Wirkstoff in einem Medikament Asset Vermögensgegenstand Companion Diagnostics CDx; Parallel zu zielgerichteten Medikamenten entwickelte Begleitdiagnostika, mit denen der Biomarkerstatus der Patienten bestimmt wird Computational Chemistry Kombination von Chemie und Informatik zur Vorhersage von Molekülstrukturen und –verhalten Contract Research Auftragsforschung, z. B. Planung und Durchführung klinischer Studien als Dienstleistung Corporate Unternehmen betreffend Aut-idem-Regelung Regelung, die dem Apotheker die Möglichkeit gibt, statt des vom Arzt verordneten Medikamentes ein wirkstoffgleiches, preisgünstigeres Präparat abzugeben BA Business Angel; Investor, der Start-up-Unternehmen mit Kapital, Erfahrung und Kontakten unterstützt Back-loaded Deal Deal, bei dem ein Großteil der Zahlungen gegen Ende der Vereinbarungszeit anfällt (z. B. in Form von Meilensteinzahlungen) Basel III / Solvency II Neue Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften für Banken (Basel III); neue Eigenkapitalrichtlinien für Versicherer (Solvency II) BD Business Development; Geschäftsentwicklung Best Practice Erfolgsmethode; bewährte Vorgehensweise in Unternehmen Biobetter Biopharmazeutisches Nachfolgepräparat, welches eine Verbesserung des Originals darstellt Corporate Investor Unternehmen, das als Investor auftritt Corporate Venture Capital CVC; Risikokapital, das von Firmen mittels eines eigens dafür gegründeten Fonds als Eigenkapital zur Verfügung gestellt wird Cross-fund Investments Investitionen in eine Portfoliofirma zu unterschiedlichen Zeiten aus verschiedenen Funds Crowd Financing / Crowd Funding Schwarmfinanzierung; Art der Finanzierung, wobei eine breite Masse an Anlegern angesprochen wird, aber jeder Kapitalgeber nur einen geringen finanziellen Anteil trägt Deal Vertraglich festgelegte Zusammenarbeit zweier oder mehrerer Unternehmen mit dem Entschluss, ein bestimmtes gemeinsames Ziel zu erreichen Dealflow Zahl der Investmentmöglichkeiten, die Investoren angeboten werden Deal Sourcing Aufspüren und Evaluierung möglicher Deals Biologicals / Biologics Mit biotechnologischen Methoden hergestellte Arzneistoffe (z. B. Antikörper) De-risking Anlagestrategie zur Reduzierung von Risiken Bio-Dollars Potenzieller Wert einer strategischen Partnerschaft inklusive möglicher Meilensteinzahlungen Drug Delivery Transport von pharmakologisch aktiven Substanzen an ihren Wirkungsort, z. B. durch spezielle Formulierungen, Verpackungen, Konjugate Biosimilar Biotechnologisch erzeugtes Folgepräparat eines Biopharmazeutikums Drug Discovery Erforschung neuer medizinischer Wirkstoffe Brand Heritage Werte, Rituale und Traditionen, die durch die Verankerung einer Marke in der Vergangenheit entstanden; häufig durch Unternehmensgründer oder Herkunftsort geprägt Break-even-Point Gewinnschwelle, an der Erlöse und Kosten gleich hoch sind und somit weder Verlust noch Gewinn erwirtschaftet wird Burn Rate Geldverbrennungsrate; Geschwindigkeit, mit der ein Unternehmen seine finanziellen Mittel verbraucht Business Model Geschäftsmodell CAGR Compound Annual Growth Rate; durchschnittliche relative Zunahme einer Größe pro Zeiteinheit Club Deal Zusammenschluss von Unternehmen zu einem Konsortium, um Vorteile in bestimmten Geschäften zu erzielen 132 Drug Discovery Engine Technologiepalette, die zur Entdeckung neuer medizinischer Wirkstoffe genutzt wird Early Licensing Lizenzvereinbarung über ein Produkt in einem frühen Entwicklungsstadium Early / Late Stage Frühe / späte Phase in der Entwicklung eines Unternehmens bzw. eines Produkts Earn-Out Ein im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrags zusätzlich zu dem Basispreis vereinbarter variabler Zahlungsbestandteil, der in festgelegten Abständen zu leisten ist und sich in seiner Höhe an einer betriebswirtschaftliche Bemessungsgrundlage orientiert, wie z. B. Umsatz oder Gewinn Entrepreneur Unternehmertyp, der mit hohem persönlichem Einsatz sowie großer Innovations- und Risikobereitschaft eine Firma führt Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Exit Gelegenheit für Investoren, ihre Anteile an einem Unternehmen zu veräußern Family Office FO; Gesellschaft, die das Großvermögen einer Familie verwaltet JV Joint Venture; Beteiligungsunternehmen KMU Kleine und mittlere Unternehmen Lead Führend; verwendet auch für Hauptprodukt, Hauptinvestor Leverage Hebelwirkung F&E Forschung und Entwicklung Financial Engineering Entwicklung von neuen Finanzinstrumenten und -strategien FIPCO Fully Integrated Pharmaceutical Company; Geschäftsmodell, das den gesamten Entwicklungsprozess eines pharmazeutischen Produkts von der Entdeckung bis zur Vermarktung umfasst First-in-Class Drug erstes Medikament einer bestimmten Behandlungs- oder Substanzklasse Freedom to Operate Möglichkeit, ein Produkt zu entwickeln, zu benutzen oder zu vermarkten, ohne dass Eigentumsrechte eines Dritten verletzt werden Genetic Engineering Gentechnische Modifizierung von Organismen Going Concern Unternehmen, dessen Fortbestehen für absehbare Zeit gesichert ist Listing Börsennotierung, Börsenzulassung M&A Mergers and Acquisitions; Fusionen und Übernahmen MAB Monoklonaler Antikörper Market Pull Anforderungen an Produkteigenschaften und Technologien, die von Kunden und Markt formuliert werden Matching Fund Komplementäre Finanzierung, in der die Bereitstellung öffentlicher Mittel an die Einwerbung privater Gelder gekoppelt ist Mega-Deal Allianz oder M&A mit einem herausragenden Deal-Volumen Mechanism of Action Wirkmechanismus, z. B. eines medizinischen Wirkstoffs Microarray Trägermaterial, auf dem z.B. DNA- oder Proteinfragmente aufgebracht werden; erlaubt die parallele Analyse mehrerer Tausend Einzelnachweise in geringen Probenmengen Glycoengineering Optimierung der physiko-chemischen Eigenschaften rekombinanter Glykoproteine hinsichtlich Stabilität und Bioaktivität Milestone Meilenstein; vereinbartes Zwischenziel Grant Fördermittel; Finanzielle Zuwendung von Regierungen oder Stiftungen, die nicht zurückgezahlt werden muss Mode of Action Wirkungsweise, z. B. eines medizinischen Wirkstoffs GMP Good Manufacturing Practice; Richtlinien zur standardisierten Qualitätssicherung von Produktionsstätten und -abläufen mRNA messenger RNA (Boten-RNA); zu einer Gensequenz (DNA) komplementäre einzelsträngige RNA, welche als Vorlage für die Proteinbiosynthese dient Health Outcome Gesundheitszustand nach einer Behandlung iKMU Innovative kleine und mittlere Unternehmen Imaging Bildgebungsverfahren bzw. -instrumente Multiples Multiplikatoren; Verhältnisgröße, die anhand betriebswirtschaftlicher Kennzahlen ermittelt und u.a. zur Unternehmensbewertung herangezogen wird Implementation Gap Umsetzungslücke Next Generation Sequencing Nächste Generation der DNASequenzierungstechnologie Incentivierung Motivationsanreiz, z. B. durch Steuervergünstigungen, Geld- oder Sachprämien NK cells Natürliche Killerzellen; eine Gruppe weißer Blutzellen Innovation Hub Umgebung, in der innovative Kräfte gebündelt auftreten IND Investigational New Drug; neuer Wirkstoff, der von der FDA für klinische Studie zugelassen wurde Omics omik; Suffix, das Teilgebiete der Biologie kenntlich macht, die sich mit der Analyse der Gesamtheit ähnlicher Einzelelemente befassen; z. B. beschäftigt sich die Proteomik mit der Gesamtheit der Proteine eines Organismus IP Intellectual Property; geistiges Eigentum Open Innovation Öffnung des Innovationsprozesses von Unternehmen zur Außenwelt hin IPO Initial Public Offering; Börsengang Open Mindset Offene geistige Haltung / Denkweise iPS cells induced pluripotent stem cells; induzierte pluripotente Stammzellen, die durch künstliche Reprogrammierung nichtpluripotenter somatischer Zellen erzeugt werden Orphan Drug Medikament zur Behandlung seltener Krankheiten Outpartnering Ausgliederung von (Teil-)Prozessen an Partnerunternehmen IRR Internal rate of return; Interner Zinsfuß Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 133 Outsourcing Ausgliederung von Betriebsfunktionen, Abgabe von Unternehmensaufgaben und -strukturen an Drittunternehmen Royaltys Ertrags- und / oder nutzungsabhängige Zahlungen im Rahmen einer Lizenzvereinbarung Partnering Eingehen von Geschäftsbeziehungen mit anderen Unternehmen Rump Placement Privatplatzierung von Aktien, die bei einer Bezugsrechtsemission nicht in der normalen Bezugsfrist platziert werden konnten Patient Outcome Patientennutzen; Resultat einer Therapie für den Patienten Scale-up Maßstabsvergrößerung von Herstellungsverfahren PCR Polymerase-Kettenreaktion; Methode zur DNA-Vervielfältigung Scaffold Makromolekülstruktur PE Private Equity; außerbörsliches Eigenkapital Secondarys Weiterverkauf von Unternehmensanteilen unter Investoren PIPE Private Investment in Public Equity; Ausgabe von Aktien an einen ausgewählten Investorenkreis Scouting Auskundschaften Seed Gründungsphase eines Unternehmens Pipeline Gesamtheit der in der Entwicklung befindlichen Produkte eines Medikamentenentwicklers Small Molecule Niedermolekulare Verbindung Point-of-Care-Diagnostik Diagnostik, die unmittelbar am Patienten in Praxis / Krankenstation/Apotheke durchgeführt wird Specialty Pharma Pharma-Firmen, die sich auf die Weiterentwicklung und Vermarktung von Medikamenten spezialisiert haben, häufig unter Verwendung innovativer Drug-Delivery-Technologien Policy Richtlinie Pre-money Valuation Bewertung eines Unternehmens vor dem Erhalt einer externen Finanzierung PE Private Equity; außerbörsliches Eigenkapital Proof of Concept Machbarkeitsnachweis Soft Money Einmalige Finanzierung für ein spezifisches Projekt Spin-off Ableger (Wirtschaft); eine Abteilungsausgliederung aus einer Unternehmung oder eine Firmenneugründung aus einer Institution heraus Start-up Unternehmen in der Frühphase seiner Entwicklung Steady State Gleichgewichtszustand Proof of Market Marktfähigkeitsnachweis Protein Engineering Herstellung, Konstruktion und Optimierung von Proteinen (z. B. Enzymen) Public Funding Förderung aus öffentlichen Mitteln PPP Public Private Partnership; Kooperation zwischen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft zur Erfüllung staatlicher Aufgaben R&D Research and Development; Forschung und Entwicklung Readiness Zustand der Bereitschaft, um bei günstigen Bedingungen handeln zu können, z. B. um Exits oder andere Transaktionen durchzuführen (Exit / Transaction Readiness) Retail Fonds Beteiligungsfonds, der seine Finanzmittel von Privatinvestoren einwirbt ROI Return on Investment; Kapitalrendite; erzielter Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Kapital Reverse IPO Indirekter Börsengang, bei dem ein privates Unternehmen durch den Zusammenschluss mit einer bereits börsennotierten Gesellschaft handelbar wird Target (Angriffs-)Ziel, auch verwendet für molekulare Zielstruktur und Unternehmen als Gegenstand einer Transaktion Targeted Therapy Zielgerichtete Therapie, bei der ein Wirkstoff spezifisch mit krankheitsrelevanten Molekülen interagiert Time-to-Market Zeit von der Idee eines Produktes bis zum Markteintritt Tool Technisches Hilfsmittel und Ausrüstungsmaterial zum Einsatz in Forschung und Entwicklung Track Record Beleg über Erfolge und Erfahrungen Trade Sales Verkauf einer jungen Firma durch deren Management und andere Investoren an ein Industrie- / Großunternehmen USP Unique Selling Proposition; Alleinstellungsmerkmal Upfront-Zahlung Zahlung, die zum Zeitpunkt einer Vertragsunterzeichnung getätigt wird (Vorauszahlung) Value Inflection Point Etappenziel in der Wertsteigerung eines Unternehmens VC Venture Capital; Risikokapital Webinar Seminar, das im Word Wide Web gehalten wird Reimbursement Kostenerstattung Rights Offering Zeitlich begrenztes Angebot an Aktieninhaber, zusätzliche Aktien zu einem bestimmten (Vorzugs-)Preis zu erwerben 134 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Notizen Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 135 Notizen 136 Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Impressum Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung des Buches oder Teilen daraus, sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung von Ernst & Young GmbH in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm, Datenträger oder einem anderen Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Sys teme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Die Wiedergabe von Gebrauchs- und Handelsnamen sowie Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Die Zahlenangaben und Informationen basieren auf Daten, die im Rahmen einer Primärdatenerhebung sowie Sekundärdatenrecherche von relevanten Unternehmen ermittelt wurden. Die in diesem Report wiedergegebenen qualitativen und quantitativen Einschätzungen wurden mit hoher Sorgfalt ermittelt, jedoch übernimmt der Heraus geber keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben. Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Theodor-Heuss-Anlage 2, 68165 Mannheim April 2013 Layout und Produktion: magenta – Kommunikation, Design und Neue Medien GmbH & Co. KG, Mannheim Assurance | Tax | Transactions | Advisory Die globale Ernst & Young-Organisation im Überblick Die globale Ernst & Young-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Transaktionsberatung sowie in den Advisory Services. Ihr Ziel ist es, das Potenzial ihrer Mitarbeiter und Mandanten zu erkennen und zu entfalten. Die 167.000 Mitarbeiter sind durch gemeinsame Werte und einen hohen Qualitätsanspruch verbunden. Die globale Ernst & Young-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach britischem Recht und erbringt keine Leistungen für Mandanten. Weitere Informationen finden Sie unter www.de.ey.com In Deutschland ist Ernst & Young mit rund 7.400 Mitarbeitern an 22 Standorten präsent. „Ernst & Young“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited. © 2013 Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft All Rights Reserved. Ernst & Young ist bestrebt, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten. Diese Publikation wurde daher auf Papier gedruckt, das zu 60 % aus Recycling-Fasern besteht. Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verantwortung des Lesers. Jegliche Haftung seitens der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und/oder anderer Mitgliedsunternehmen der globalen Ernst & YoungOrganisation wird ausgeschlossen. Bei jedem spezifischen Anliegen sollte ein geeigneter Berater zurate gezogen werden. mag 0413 ED none Erfahren Sie mehr auf www.de.ey.com/lifesciences Umdenken Deutscher Biotechnologie-Report 2013 Ernst & Young Umdenken ... ... weiter denken, breiter denken Deutscher Biotechnologie-Report 2013