schwarzbuch leiharbeit

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schwarzbuch leiharbeit
Schwarzbuch
Leiharbeit
Schwarzbuch
Leiharbeit
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Impressum
Detlef Wetzel / Jörg Weigand
Schwarzbuch Leiharbeit
Herausgeber / V. i. S. d. P.:
IG Metall Vorstand
Detlef Wetzel, Zweiter Vorsitzender der IG Metall
Wilhelm-Leuschner-Straße 79
60329 Frankfurt am Main
Redaktion:
Jörg Weigand
Michael Faisst
Verlag:
Eigenverlag
1. Auflage, 2012
Bildnachweis:
Fotograf: Stephen Petrat
Seite 111: Wikimedia Commons (Attribution: TUBS)
Kontakt:
leiharbeit@igmetall.de
www.gleichearbeit-gleichesgeld.de
Frankfurt am Main, im März 2012
Alle Statements und Zitate in diesem Buch sind authentisch. Sie wurden im Rahmen
einer Umfrage der IG Metall im November 2011 und über den Onlinefragebogen des
Leiharbeitsmelders gesammelt. Namen und Kontaktdaten aller Urheber sind der IG Metall
bekannt. Um diese Menschen vor Repressionen bei der Arbeit zu schützen, wurden die
Zitate anonymisiert. Aus dem gleichen Grund sind auf den Fotos keine tatsächlich in
Leiharbeit Beschäftigten abgebildet.
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Inhalt
Vorwort
6
EINBLICK
Leiharbeit heute
10
(K)eine Lebensgrundlage
(K)eine Lebensgrundlage: Erfahrungsberichte
„Mit Marktwirtschaft hat das wenig zu tun“: Interview
40 Jahre AÜG: eine Geschichte der Deregulierung
20
32
38
(K)eine Übergangslösung
(K)eine Übergangslösung: Erfahrungsberichte
44
„Eigentlich gibt es unter den Beschäftigten vier Klassen“: Interview
54
„Der Weg in den Betrieb führt dann nur noch über Leiharbeit“: Interview
60
Moderne Mythen: Leiharbeit als Weg auf den Arbeitsmarkt?
64
Nahaufnahme: Martin, Leiharbeiter
68
(Un)gerechtigkeit
(Un)gerechtigkeit: Erfahrungsberichte
76
„Das Label ‚Leiharbeiter‘ haftet an den Menschen“: Interview
86
„Ohne Zweitjob hast du keine Chance“: Stammtischprotokoll
92
Ausblick
Was bisher passiert ist: Erfolge der IG Metall
„Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“
Aktiv für Gerechtigkeit: Ziele der IG Metall
Glossar zur Leiharbeit
102
5
106
112
118
6
vorwort
Die Beschäftigungszahlen in der Leiharbeit haben ein neues Rekordniveau
erreicht. Rund eine Million Menschen arbeiten in diesen prekären Arbeitsverhältnissen. Obwohl sie das gleiche leisten,
verdienen sie deutlich weniger als ihre
Kollegen in Festanstellung. Sie haben we-
ben ihre Situation, ihre Sorgen, Nöte und
niger Rechte und wissen oft heute nicht,
Ängste über die reine Teilnahme an der
wo sie in der nächsten Woche arbeiten.
Befragung hinaus zusätzlich beschrieben. Ihre Schilderungen zeigen anschau-
Damit ist Leiharbeit das sichtbarste Bei-
lich, was Leiharbeit für die Betroffenen
spiel für die Verrohung der Sitten auf dem
bedeutet, wie sich ungerechte Bezahlung
Arbeitsmarkt. Sichere und gut bezahlte
und fehlende Perspektiven in allen Le-
Arbeitsplätze gibt es für immer weni-
bensbereichen auswirken.
ger Menschen. Billigjobs und befristete
Arbeitsverhältnisse sind auf dem Vor-
Schon bei der ersten Sichtung der Ant-
marsch, weil Unternehmen und im Fall
worten war uns klar, dass wir diese öffent-
der Leiharbeit die Verleihbetriebe daran
lich machen müssen. In allen Debatten um
prächtig verdienen.
die Leiharbeit muss die Situation der Menschen in Leiharbeit im Vordergrund stehen.
Welche Folgen das für die Menschen hat,
bleibt leider viel zu oft im Dunkeln. Die
Die in diesem Schwarzbuch geschilderten
IG Metall ändert das.
Beispiele zeigen die Auswirkungen von
Leiharbeit auf die Menschen. So kann es
Allein in den letzten vier Jahren haben
nicht weitergehen. Arbeit darf nicht zur
sich mehr als 40.000 Kolleginnen und Kol-
Ramschware verkommen. Menschen sind
legen aus der Leiharbeit in der IG Metall
mehr als eine Kostenstelle.
organisiert. Wir sind mit vielen von ihnen
in unterschiedlichen Zusammenhängen
Die hier vorgestellten Lebenssituationen
im Gespräch.
klagen an. Sie sind für uns Ansporn, unsere Anstrengungen unvermindert fort-
Bei unserer letzten Leiharbeiterbefragung
zuführen.
im November 2011 haben sich mehr als
4.000 Leiharbeitnehmer beteiligt. Über
1.000 der Kolleginnen und Kollegen haDetlef Wetzel
Zweiter Vorsitzender der IG Metall
7
„Das Problem ist nicht, dass es Leiharbeit gibt, sondern dass sie nicht zum
Abpuffern von Produktionsspitzen genutzt wird. Die Unternehmen planen mit
Billigarbeitern, um den Gewinn zu maximieren. Wir brauchen wieder die zeitliche
Begrenzung! Das würde vieles vereinfachen. Ich bin seit zehn Jahren Leiharbeiter.“
Einblick
10
Rekordbeschäftigung in der Leiharbeit: Nach der Wirtschaftskrise arbeiten erstmals
mehr als 900.000 Leiharbeitskräfte in Deutschland
1.000.000
900.000
gung verwehrt. Denn die neue Dynamik des
Arbeitsmarktes geht zu Lasten derjenigen,
die sich oft als Arbeiter zweiter Klasse fühlen. Die Ungleichheit bleibt bestehen, der
Aufschwung kommt nicht bei ihnen an.
800.000
700.000
600.000
500.000
Leiharbeit heute
Immer mehr Leiharbeit:
400.000
Entwicklung der letzten Jahre
In den letzten Jahren ist die Zahl der Menschen in Leiharbeit in Deutschland stark
300.000
200.000
Die letzte Wirtschaftskrise hat alle Vor-
gestiegen. Und auch für die Zukunft wird
behalte gegen die Leiharbeit bestätigt.
der Branche dynamisches Wachstum vo-
Denn es wurde einmal mehr deutlich, wie
rausgesagt. Eingesetzt hat der rasante
Unternehmen Leiharbeit und befristete
Boom mit der gesetzlichen Deregulierung
Beschäftigungsverhältnisse nutzen, um
der Leiharbeit 2004. Seither hat sich die
ihre Gewinne zu maximieren. Die Kehrsei-
Zahl der in Leiharbeit Beschäftigten na-
te dessen: Flexibilität und Kostenreduktion
hezu verdreifacht. Im Januar 2004 gab es
auf Unternehmensseite bedeuten für die
in Deutschland rund 326.000 Leiharbei-
entlassen. Und das, obwohl auch für die
Betroffenen vor allem Ungleichheit, Unsi-
terinnen und Leiharbeiter. Nach jährlich
Leiharbeit Kurzarbeit möglich gewesen
Beschäftigung
cherheit und Niedriglöhne. Die in Leiharbeit
zweistelligen Wachstumsraten wurde im
wäre. Dieses Instrument wurde von den
Trotz Rekordbeschäftigung und guter Auf-
Beschäftigten bekamen die Auswirkungen
Juli 2008 mit rund 823.000 Leiharbeitneh-
Verleihunternehmen jedoch nahezu gar
tragslage setzen Unternehmen auf die
der Finanz- und Wirtschaftskrise als erste
mern ein vorläufiger Höchststand erreicht.
nicht genutzt. Stattdessen wurden Ent-
sogenannten atypischen Beschäftigungs-
zu spüren. Sie waren die ersten, die ge-
Doch dann machten sich die Folgen der
lassungen im großen Stil vorgenommen.
verhältnisse, statt feste und unbefristete
hen mussten. Im Aufschwung schnellten
Finanz- und Wirtschaftskrise in der Leihar-
Mit der Wirtschaft konsolidierte sich an-
Arbeitsplätze auszubauen. Zu den atypi-
die Beschäftigtenzahlen in der Leiharbeit
beitsbranche bemerkbar. Innerhalb eines
schließend auch die Leiharbeitsbranche:
schen Beschäftigungsverhältnissen gehö-
zwar auch als erste wieder nach oben, doch
Jahres wurden nahezu 200.000 Menschen
Bereits im Juli 2010 wurden wieder rund
ren neben der Leiharbeit auch die befristete
100.000
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Quelle: Bundesagentur für Arbeit, IW-Zeitarbeitsindex
Langfristiger Trend zu prekärer
824.000 Beschäf tig te
Seit den 1990er Jahren nehmen, vor allem im Aufschwung
und in Phasen der konjunkturellen Konsolidierung, alle
Formen der atypischen Beschäftigung in Deutschland zu.
erfasst, im Juli 2011 gab
es mit 910.000 Beschäftigten ein neues Rekordhoch. Seither ist diese
Derzeit sind mehr Menschen in Deutschland in der Leiharbeit beschäftigt als direkt im Automobilbau, der als
Schlüsselindustrie des Landes gilt. Keine andere Branche hat von Juni 2009 bis Juni 2010 so viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte dazugewonnen.
kaum einer hat die Chance auf einen siche-
Zahl nach den Fortschrei-
ren, qualifizierten und tariflich entlohnten
bungen des Instituts der
Arbeitsplatz – so bleibt der versprochene
deutschen Wir tschaf t saisonbeding t
Aufstieg Leiharbeiterinnen und Leiharbei-
leicht zurückgegangen, lag aber auch
tern selbst in Zeiten der Rekordbeschäfti-
Ende 2011 noch bei mehr als 900.000.
12
Arbeitsplatzaufbau entpuppt sich dadurch
Einsatzzeiten abschließen. Dies wirkt sich
als Boom prekärer Beschäftigung: Rund
auch auf die sozialen Sicherungssysteme
drei Viertel der neuen Stellen für abhän-
aus, wenn das Ende eines Auftrags beim
gig Beschäftigte sind atypisch, mehr als
Entleiher den Beschäftigten direkt in die
die Hälfte entfällt allein auf die Leiharbeit.
Arbeitslosigkeit führt. Für viele Leiharbeite-
Die Zahl der Beschäftigten in Leiharbeit
rinnen und Leiharbeiter bedeutet das dann
wuchs damit deutlich überproportional.
Grundsicherung, also Hartz IV.
Keine andere Branche konnte 2010 in eiund geringfügige Beschäftigung sowie Teil-
nem solchen Umfang zulegen. Bundesweit
Zugenommen hat auch die Zahl der Verleih-
Die Unsicherheit der Leiharbeit spiegelt
zeitstellen mit unter 20 Wochenstunden.
lag die Quote der Leiharbeiterinnen und
betriebe, die von der Leiharbeit und den
sich auch in der hohen Fluktuation wider:
Häufig ist die atypische Beschäftigung pre-
Leiharbeiter Mitte 2011 bei knapp drei
Leiharbeitskräften profitieren. Im Juni 2011
So wurden im ersten Halbjahr 2011 insge-
kär, die Betroffenen können von ihrer Arbeit
Prozent aller sozialversicherungspflichtig
hatten in Deutschland knapp 17.400 Be-
samt 580.000 Leiharbeitsverhältnisse neu
nicht leben. Zudem sind Teilzeit und Mini-
Beschäftigten, vor zehn Jahren noch be-
triebe eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen
abgeschlossen und 569.000 beendet. Viele
job – zu drei Vierteln sind Frauen von die-
trug sie lediglich gut ein Prozent. Aufgrund
Arbeitnehmerüberlassung. Das waren acht
Leiharbeiter waren zuvor arbeitslos, und
sen Beschäftigungsformen betroffen – oft
der Ankündigungen der Verleihbetriebe ist
Prozent mehr als ein Jahr zuvor und fast 40
viele rutschen anschließend auch wieder
nicht selbst gewählt, sondern unfreiwillig,
davon auszugehen, dass diese atypische
Prozent mehr als Ende 2006. Die drei größ-
in die Arbeitslosigkeit ab. Wie Berechnun-
Beschäftigung weiter zunehmen
ten Unternehmen am deutschen Markt wa-
gen des Deutschen Gewerkschaftsbundes
wird. Im europäischen Vergleich
ren auch 2010 die internationalen Konzerne
zeigen, war das Risiko Arbeitslosigkeit für
ist die Verbreitung der Leiharbeit
Randstad, Adecco und die ManpowerGroup
Leiharbeitskräfte im Jahr 2010 vier- bis
in Deutschland heute bereits
mit hierzulande knapp 120.000 Leiharbeits-
fünf­mal höher als in der Gesamtwirtschaft.
leicht überdurchschnittlich. Und
kräften und einem Umsatz von 3,5 Milliar-
In eine reguläre Festanstellung führt die
das Wachstum bei der Leiharbeit
den Euro. Allein Randstad Deutschland
Leiharbeit hingegen deutlich seltener. Nur
könnte weiter anhalten: Nach
beschäftigte 2010 mehr als 60.000 Leih-
sieben Prozent der vormals Arbeitslosen
einer Auswertung der Bundes-
arbeiterinnen und Leiharbeiter und damit
schaffen diesen Sprung.
„Billig einkaufen, teuer verkaufen“: Nach Abzug der
Sozialabgaben und Verwaltungskosten verbleiben
pro Arbeitsstunde und Leiharbeitskraft rund
50 Cent bei den Verleihfirmen. Beim Verleih von
Fachkräften liegt die Gewinnspanne oft sogar bei
mehreren Euro pro Person und Stunde.
weil der Arbeitgeber den Wechsel auf eine
agentur für Arbeit stammte bei den 2010
Vollzeitstelle oder zu mehr Wochenstunden
und 2011 dort gemeldeten Stellen rund
nicht ermöglicht. Fast die Hälfte der regu-
jede Dritte aus der Leiharbeitsbranche.
dreimal so viele wie 2003.
Leiharbeitskräfte verdienen weniger als
Leiharbeit bedeutet unsichere Arbeit
Festangestellte, oft so wenig, dass sie trotz
lär teilzeitbeschäftigten Frauen und zwei
Die Hälfte der Beschäftigungsverhältnis-
Vollzeitjob von ihrem Lohn nicht leben kön-
Drittel der Mini­jobberinnen würden gern
se in der Leiharbeit sind von kurzer Dau-
nen. Sozialversicherungspflichtig Vollzeit-
deutlich mehr arbeiten, so eine Umfrage
er. 2011 endete fast jeder zweite Vertrag
beschäftigte erhielten 2010 im Mittel einen
des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufs-
bereits vor Ablauf der ersten drei Monate,
forschung (IAB), der Forschungseinrichtung
jeder zehnte dauerte sogar nur maximal
der Bundesagentur für Arbeit.
eine Woche. 51 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse liefen länger als drei
Laut Mikrozensus des Statistischen Bun-
Monate. Leiharbeitsunternehmen reichen
desamtes geht der gesamtwirtschaftliche
ihr Geschäftsrisiko oft direkt an die Ar-
Beschäftigungszuwachs 2010 in erster Li-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer wei-
nie aufs Konto dieser atypischen Jobs. Der
ter, indem sie befristete Verträge für kurze
13
14
monatlichen Bruttolohn von 2.702 Euro. In
der Leiharbeit lag dieses Mittel bei 1.419
Euro, also bei gut der Hälfte. Die EinkomLeiharbeitsboom nach der Wirtschaftskrise: 2010 verzeichnete die Arbeitnehmerüberlassung mit
mensunterschiede sind unabhängig von
einem Plus von 176.000 Beschäftigten den stärksten Zuwachs aller Branchen
Qualifikation und Bildungsgrad vorhanden.
Veränderung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Branchen in Tausend
Mit Fach- oder Hochschulabschluss ver-
Juni 2010 im Vergleich zum Vorjahr
dienen Leiharbeitnehmer im Schnitt rund
34 Pro­zent weniger als ihre festangestellten
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Kollegen mit gleichem Bildungsabschluss.
–113
Unter Beschäftigten mit Berufsausbildung
–19
beträgt der Unterschied 44 Prozent, ohne
sich zudem bei der Kaufkraft und den ge-
–5
Berufsausbildung bekommt man als Leih-
ringeren Beiträgen zu den Sozialkassen
arbeiter sogar 46 Prozent weniger.
bemerkbar, Kranken- und Pflegeversiche-
–4
rung, Arbeitslosenversicherung und RenSo ist das Verarmungsrisiko besonders
tenversicherung sind davon betroffen. Und
hoch. Rund elf Prozent der Leiharbeitneh-
auch langfristig haben die niedrigen Löhne
mer mussten zuletzt „aufstocken“ und
schwerwiegende Folgen: Die Leiharbeiter
staatliche Transferleistungen beziehen.
von heute werden aufgrund ihrer geringen
Die Stellen werden damit indirekt sub-
Rentenansprüche in Zukunft vermehrt von
12
ventioniert – auf Kosten der Steuerzahler,
Altersarmut betroffen sein.
13
zugunsten der Unternehmer und zu Las-
2
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18
ten der Leiharbeiter mit ihren niedrigen
Der Boom der Leiharbeit ist in Deutschland
Einkommen. Die niedrigen Löhne machen
ungebremst. Sie schafft für die Betroffenen
weder eine verlässliche Lebensgrundlage
25
noch Perspektiven und Gerechtigkeit. Im
33
Gegenteil: Durch die massive Ungleich-
65
heit unterläuft die Leiharbeit Lohn- und
Sozialstandards, verdrängt qualifizierte,
15
118
gesicherte und tariflich entlohnte Arbeits-
176
plätze und spaltet die Beschäftigten so in
Arbeitnehmer erster und zweiter Klasse.
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik
16
Stellungnahmen
Was Beschäftigte in Leiharbeit der IG Metall aus ihrem Arbeitsalltag berichtet haben –
und was sie über die mangelnde Gleichbehandlung denken:*
„Ich bin Staplerfahrerin, und ich fahre draußen. Bis jetzt habe ich von meiner
Firma noch keine Wintersachen gekriegt, keine warme Jacke oder Winterarbeitsschuhe. Seit September habe ich an sieben Samstagen gearbeitet, obwohl ich
zwei Kinder im Grundschulalter und Familie habe. Aber als Leiharbeiter konnte
ich nicht ‚Nein‘ sagen, oder besser: Ich konnte mir ein ,Nein‘ nicht leisten.“
„Ich habe Angst, Angst,
Angst, nach einer Stundenlohnerhöhung zu fragen. Jeder weiß, dass es ungerecht
ist, für die gleiche Arbeit weniger Lohn zu bekommen. Ich
bin in Not, habe finanzielle
Probleme, ich schlafe nicht,
keiner kann mir helfen, der
Lohn reicht nicht mehr, weil
ich Leiharbeiter bin. Schuften bis zum Umfallen ...“
„Ich finde, dass man nicht nur einen Lohnzuschlag bekommen sollte, sondern erstmal einen
höheren Grundlohn, weil überhaupt keiner mehr
von den derzeitigen Löhnen leben kann, und das
ist eine Frechheit!“
„Leiharbeit ist Lohndumping. Aussage meiner
Leiharbeitsfirma: ‚Wir produzieren nicht, wir
handeln.‘ Sie handeln mit meiner Arbeitskraft
und verdienen pro Leiharbeiter pro Stunde zwischen zwei und drei Euro.“
„In der Firma, in der ich eingesetzt
bin, arbeite ich seit sechs Jahren.
In dieser Zeit ist weder der Lohn
gestiegen, noch haben sich die Arbeitsbedingungen verbessert. Im
Gegenteil: immer mehr Arbeit für
das gleiche Geld. Ca. 80 Prozent
der Beschäftigten in der Einsatzfirma sind Leiharbeiter.“
„Ich arbeite schon seit mehreren Jahren in Leihfirmen. Mein Arbeitskollege, der die gleiche Arbeit tätigt
wie ich, verdient fast 2.200 Euro,
ich verdiene nur sehr wenig, nämlich unter 900 Euro, und die Fahrtkosten etc. bezahle ich auch selbst.
Die Leiharbeiter sind meiner Meinung nach moderne Sklaven.“
* D ie Stellungnahmen wurden im Rahmen einer Erhebung der IG Metall zusammengetragen. Dafür wurde im November 2011 eine Auswahl der
Mitglieder in Leiharbeit angeschrieben und zu ihrer Beschäftigungssituation befragt. Die Antworten beschreiben skandalöse Zustände – hier
einige anonymisierte Beiträge, ausgewählt aus den mehr als 1.000 Erfahrungsberichten. Namen und Kontaktdaten sind der IG Metall bekannt.
Zum Schutz der Befragten bleiben die Zitate anonym.
„Fast jeder wird als Helfer verliehen, obwohl er hochwertige Arbeit verrichtet,
für die man mindestens drei Jahre lernen muss. Selbst als gelernter KfzMechaniker sollte ich zum Helferlohn in einer Werkstatt arbeiten.“
„E s wäre richtig, dass Leiharbeiter den gleichen Lohn
für die gleiche Arbeit bekommen und bei der Prämienverteilung mit berücksichtigt werden, denn ohne
uns Leiharbeiter würde es
gar nicht zur Prämienausschüt tung kommen. Ich
wollte nie Leiharbeiter sein,
doch heutzutage ist es ohne
Leiharbeitsfirma doch kaum
möglich, zu arbeiten.“
„Deutschland klagt über Fachkräftemangel. Hä?
Viele Leute sind überqualifiziert, aber was haben sie davon? Nichts – außer dass man ZweiteKlasse-Leiharbeiter wird. Ich bin 21 Jahre alt,
habe in nur drei Jahren zwei Ausbildungen als
Maschinen- und Anlagenführer und als Industriemechaniker abgeschlossen. Und wo bin ich
gelandet? Genau, in der Leiharbeit. So habe ich
mir den Weg in die Berufswelt nicht vorgestellt!
Ich erwarte mehr Aufmerksamkeit der Politik!
Ich fahre zwei Früh-, zwei Spät- und zwei Nachtschichten, um die entsprechende Entlohnung für
meine qualifizierte Arbeit zu erhalten.“
„In einem Arbeitsverhältnis mit Leiharbeit hat man ständig Angst um den Job. Einige schleppen sich krank zur Arbeit, um nicht rausgeworfen zu werden. Ein Kollege
brach sich bei einem Arbeitsunfall den Finger, hat sich aber nicht getraut, auch nur
einen Tag zuhause zu bleiben. Seine Krankmeldung hat er weggeworfen, aus Angst,
gekündigt zu werden. Und falls eine Krise kommt, sitzen die Leiharbeiter sowieso
von einem Tag auf den nächsten allesamt auf der Straße. Dieser neuzeitliche Sklavenhandel sollte verboten werden, denn mit Leiharbeit wird alles untergraben, wofür
Generationen von Arbeitnehmern gekämpft haben.“
„Ich arbeite seit einem Jahr über einen Verleiher in der Industrie­
reinigung. Bin ehrlich gesagt mit der Bezahlung sehr unzufrieden. Mein Stundenlohn beträgt 7,70 Euro brutto. Da muss sich
etwas ändern, sonst ist die Versorgung meiner Familie in Gefahr.
Manche Leiharbeiter anderer Leihfirmen bekommen mehr Lohn
für dieselbe Arbeit. Da frage ich mich, wieso nicht alle Leiharbeiter denselben Lohn verdienen, wenn alle gleich arbeiten?“
17
„Ich bekomme eine Leistungszulage, die der Betriebsrat beim
Einsatzbetrieb durchgesetzt hat. Damit komme ich als Leihgurke
noch ganz gut weg. Trotzdem sind es 500 bis 1.000 Euro, die der
feste Mitarbeiter mehr verdient.“
(K)eine
Lebensgrundlage
(K)eine
20
Zulagen, wie extra berechneten Fahrtkosten oder Verpflegungszuschuss, bleiben
Die Fakten
oft intransparent, und immer wieder fliegen Betrügereien einiger Verleiher bei den
Der durchschnittliche Stundenlohn in der Leiharbeit ist deutlich niedriger als
Abrechnungen auf.
in der Festanstellung. Festangestellte in der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen bekommen nach dem Metalltarif inklusive der durchschnittlichen
(K)eine
Lebensgrundlage
Hinter diesen Fakten stehen Menschen mit
Leistungszulage in Höhe von zehn Prozent monatlich 2.178,70 Euro brutto. Für
ihren Schicksalen. Die IG Metall hat sie zu
die gleiche Tätigkeit erhalten Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter nach dem für sie
Wort kommen lassen und gebeten, ihre Er-
gültigen BZA/iGZ-Tarif in Entgeltgruppe II einen Monatslohn von 1.293,75 Euro,
fahrungen zu schildern. Schon zahlreiche
sie verdienen also 40 Prozent weniger. Noch größer ist die Lücke in Sachsen – dort
Wer arbeitet, muss von seinem Lohn leben
Betroffene haben auf dem Kampagnen-
bekommen Leiharbeiter einen um 48 Prozent geringeren Monatslohn als Festange-
können. Doch in der Leiharbeit funktioniert
portal www.gleichearbeit-gleichesgeld.de
stellte nach dem Metalltarif. Viele Unternehmen schaffen sich dadurch ein zweites,
das oft nicht. Denn Menschen in Leiharbeit
davon berichtet, was Leiharbeit für sie be-
niedrigeres Entlohnungsniveau.
bekommen für die gleiche Arbeit weniger
deutet und wie unwürdig sie in manchen
Geld, oft zu wenig, um sich davon eine Le-
Verleihunternehmen und Einsatzbetrie-
bensgrundlage zu schaffen. Dazu kommt,
ben behandelt werden. Sie beschreiben,
dass viele nicht in die Entgeltgruppe einge-
wie schwer es ist, sich auf der Basis von
stuft werden, die ihrer Ausbildung und Er-
Leiharbeit eine Existenz aufzubauen und
welche finanziellen Ungerech-
„In der Metallbaubranche verfüge ich zwar über einen Facharbeiterbrief, der auch vorliegt, und in meiner jetzigen Tätigkeit habe ich neun Jahre gearbeitet.
Aber entlohnt werde ich wie eine Anlernkraft!“
tigkeiten sie im Arbeitsalltag
erleben. Die vollen Namen und
Adressen aller Betroffenen sind
der IG Metall bekannt. In der
Vergangenheit wurden Leihar-
fahrung oder ihrer Tätigkeit entspricht. Sie
beiterinnen und Leiharbeiter, die Diskri-
werden als Facharbeiter eingesetzt, aber
minierungen am Arbeitsplatz offengelegt
wie Hilfskräfte bezahlt. Und auch bei den
haben, jedoch bedroht und entlassen. Um
Zuschlägen geht es oft nicht fair zu. Ein Bei-
sie zu schützen, wurden die Namen aller
spiel: Obwohl die Nachtschicht zur festen
Befragten geändert und die Angaben an-
Zeit beginnt und alle Seite an Seite arbei-
onymisiert.
ten, bekommen die Stammbelegschaften
den Nachtzuschlag in fast allen Tarifgebieten ab 20 Uhr, die Leiharbeitnehmer
bekommen ihn hingegen erst ab 23 Uhr.
Die monatlichen Abrechnungen mit einem
niedrigem Grundlohn und verschiedenen
Zu vielen Leiharbeitern reicht das Geld nicht zum Leben. In kaum einer anderen
Branche muss ein so hoher Anteil an Arbeitnehmern ergänzend staatliche Leistungen beantragen. Zuletzt war dies bei elf Prozent der Leiharbeiter der Fall – inklusive
Beschäftigten ohne Einkommen aus Erwerbsarbeit, die etwa Krankengeld beziehen
oder bereits angemeldet sind, aber erst am Ende eines Monats ihren Lohn bekommen. Der Anteil der Aufstocker in der Leiharbeit liegt bei sieben Prozent, wenn man
nur diejenigen betrachtet, die parallel ein Gehalt bekommen. Aber auch dieser Wert
ist deutlich überdurchschnittlich: Über alle Branchen gerechnet mussten im Juni
2011 2,5 Prozent der Beschäftigten aufstocken. Die Staatskassen und damit den
Steuerzahler kostet allein das Aufstocken der Löhne in der Leiharbeit jährlich rund
500 Millionen Euro.
Verlieren Leiharbeiter ihren Job, fallen sie hart. 14 Prozent der Menschen, die
arbeitslos werden, waren vorher in der Leiharbeit beschäftigt – dabei beträgt der
Anteil der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter an der Gruppe der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten kaum drei Prozent. Wegen niedriger Löhne und der oft nur
kurzfristigen Beschäftigungszeit besteht bei vielen gar kein oder ein zu niedriger
Anspruch auf Arbeitslosengeld. So bleibt nur die Grundsicherung nach Hartz IV.
Jeder Dritte, der von einem Beschäftigungsverhältnis direkt in die Grundsicherung
abrutscht, war zuvor Leiharbeitnehmer.
22
ihren Sitz in Fulda in Hessen hat. Denn in
Bruttolöhne in der Leiharbeit: Beschäftigte in Ostdeutschland verdienen 15 Prozent
den alten Bundesländern sind die Löhne
weniger als ihre Kollegen im Westen
6,15 Euro pro Stunde
auch in der Leiharbeit noch immer höher.
Mittleres Bruttoarbeitsentgelt in der Leiharbeit
Michael, gelernter Schreiner aus Thüringen,
So arbeitet Michael nun für eine hessische
Stand: 31.12.2010
arbeitet als Leiharbeiter. „Mit 47 Jahren ge-
Firma, die Textilmaschinen herstellt. „Hier
hört man in Thüringen schon fast zum alten
bekomme ich 9,50 Euro pro Stunde und
Eisen“, sagt er. „Alle Bewerbungen, die ich
0,50 Euro pro Stunde Zuschlag. Ich bekomu
br
versendet habe, wurden negativ beantwor-
me auch Schichtzuschläge, wöchentliches
tet.“ Die Agentur für Arbeit forderte ihn auf,
Fahrtgeld und Essensgeld.“ Zwar verdient
Os
sich bei Leihfirmen in Weimar und Erfurt
Michael nun rund 50 Prozent mehr, als er in
es
W
vorzustellen. „Diese Firmen wollten mich
Weimar oder Erfurt bekommen hätte. Doch
dann genau da arbeiten lassen, wo ich vor-
gerecht ist sein Lohn trotzdem nicht: Denn
her auf meine Bewerbungen nur Absagen
er hat am Monatsende nicht das Gleiche in
bekommen habe. Die Stundenlöhne waren
der Tasche wie die festangestellten Kolle-
der Hohn: ab 6,15 Euro bis knapp 7 Euro.“
gen. „Wer gute Arbeitskräfte braucht und
Ein Bekannter empfahl ihm, sich bei einer
will, muss auch bereit sein, faire Löhne zu
Leiharbeitsfirma in Erfurt zu bewerben, die
zahlen“, findet Michael.
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1.255 Euro
1.483 Euro
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Entgeltstatistik
Nach Abzügen: Hartz-IV-Satz
Ausgebildeter Hilfsarbeiter
Ulrike geht es ähnlich. Die gelernte Büro-
Auch Mario hat eine erfolglose Stellensu-
kauffrau kam nach der Familienphase nur
che hinter sich. Nach seiner Ausbildung
Gleiche Arbeit, weniger Geld: Die Bruttolöhne in der Leiharbeit sind deutlich niedriger
über Leiharbeit als Produktionshelferin un-
fand der gelernte Metallbauer, Fachrich-
als in der Beschäftigung insgesamt
ter. Das ist doppelt ungerecht. Durch den
tung Konstruktionstechnik, zunächst
Mittleres Bruttoarbeitsentgelt insgesamt und in der Leiharbeit
Einsatz, der nicht ihrer Ausbildung und ih-
keine feste Anstellung: „Entsprechende
Stand: 31.12.2010
ren Kenntnissen entspricht, wird ihre Quali-
Metallbaufirmen verlangten zumeist qua-
fikation entwertet, zudem wird sie deutlich
lifizierende Schweißerpässe und einen
2.702 Euro
schlechter bezahlt. Von ihrem Stundenlohn
LKW-Führerschein. Das sind aber Qua-
1.419 Euro
von 7,60 Euro kann Ulrike kaum leben. Sie
lifikationen, die man in der Ausbildung
4.613 Euro
hat das Gefühl, „verheizt“ zu werden. „Ich
überhaupt nicht bekommt.“ Dabei sind
3.064 Euro
bin geschieden und habe am Ende des Mo-
Marios Erwartungen an einen Arbeitge-
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nats trotz einer Vollzeitstelle nur 900 Euro.
ber bescheiden – er hofft noch immer auf
2.750 Euro
Die Jobs bedürfen einer Einarbeitungszeit
„eine gerechte Bezahlung und vorschrifts-
1.528 Euro
von etwa zwei Wochen. Danach werde ich
mäßige Arbeitsbedingungen“.
2.331 Euro
eingesetzt wie eine Festangestellte, verdie-
1.253 Euro
ne aber nur die Hälfte. Sonderzahlungen
sind auch nicht drin. Zurzeit beträgt meine
1.956 Euro
Miete 500 Euro, dazu kommen Strom- und
1.454 Euro
Telefonkosten sowie das Geld für die FahrQuelle: Bundesagentur für Arbeit, Entgeltstatistik
karte. Was mir dann noch bleibt, entspricht
dem Hartz-IV-Satz.“
23
24
Drei Euro weniger pro Stunde
2011 mussten mehr als 91.000 Leiharbeitskräfte zusätzlich Hartz IV beziehen
Auch der 50-jährige Jürgen wurde von
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Leiharbeit mit ergänzendem Hartz-IV-Bezug
seiner Verleihfirma nur als Hilfsarbeiter
eingestellt. Seiner Erfahrung nach hat das
oft Methode: „Wenn man eine Einladung
zu einem Vorstellungsgespräch bekommt
und zu der Leiharbeitsfirma hinfährt, ist
die Stelle zufällig schon vergeben und man
West
West
bekommt eine Alternative vorgeschlagen.
39.852
Das sind dann diese Stellen, bei denen die
West
66.160
64.286
persönlichen Kriterien häufig nicht mehr
passen.“ So wurde Jürgen von seiner LeihDoch die Realität sieht für ihn bisher an-
arbeitsfirma nicht als Facharbeiter, sondern
ders aus. Nach langer Suche landete der
als Helfer eingestuft. Die Folgen sieht er
26-Jährige nun resigniert in der Leiharbeit.
jeden Monat auf seiner Lohnabrechnung:
Trotz seiner abgeschlossenen Ausbildung
„Statt eines Stundenlohns von 10,50 Euro
wurde er als Hilfsarbeiter für 6,50 Euro
bekommt man dann nur 7,60 Euro bezahlt.“
Stundenlohn eingestellt, verliehen wird
Nachtschichtarbeit wird vorausgesetzt, die
er aber entsprechend seiner Qualifikation
Zuschläge werden ihm aber nicht gezahlt.
– als Facharbeiter. Sein Fazit: „So spart die
Ähnlich sieht es beim Fahrtgeld aus, das
Leiharbeitsfirma beim Arbeitnehmer und
Leiharbeitern zusteht: „Das wird nicht frei-
Keine Würde mehr
Dehnbare Eingruppierungen
verdient mehr beim Kunden.“
willig ausgehändigt.“
Trotz Qualifikation und Erfahrung als Nied-
Peter, ausgebildeter Textilreiniger, zuvor
riglöhner zu arbeiten – solche Erlebnisse
über 17 Jahre immer in derselben Firma
sind in der Leiharbeit kein Einzelschicksal.
beschäftigt, geht es ähnlich. Auch er fühlt
BZ
M
ni
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Erwerbstätige ALG-II-Bezieher
niedriger als die der Festangestellten
Ungerechtigkeit beim Lohn. „Die Qualifi-
dig, als skandalös: „Jobs in Deutschland
Tarifliches Monatseinkommen, bezogen auf Entgeltgruppe II
kationen und Berufserfahrungen interes-
zu schaffen, ist sehr lobenswert. Das darf
sieren nicht wirklich, sondern werden von
aber nicht auf dem Rücken der Leiharbei-
den Firmen in ihrem Sinne ausgelegt, also
ter passieren“, findet er. „Arbeit sollte uns
meist geringer eingestuft.“ René will das
nicht in die Armut treiben! Ich habe mein
nicht länger hinnehmen. „Als Leiharbeiter
Gesicht verloren und sehe mich in der Ge-
hat man keine Würde mehr. Trotz sehr gu-
sellschaft hinter den Hartz-IV-Beziehern.“
ter Arbeitsleistung, stetigem Einsatz, der
Dass sein Lohn so niedrig ist, empfindet er
Übernahme von Verantwortung sowie dem
als Kalkül: „Die Eingruppierungen in Lohn-
Fahren hochwertiger Hebefahrzeuge wur-
gruppen bei den Leih­arbeitsfirmen sind
de eine Lohnerhöhung abgelehnt.“ Er geht
dehnbar wie Kaugummi. Ich kenne fast
jetzt auf Konfrontationskurs, damit sich
niemanden, der über die Lohn­g ruppe II
seine Situation endlich verbessert.
hinauskommt.“
2.181,96 Euro
2
E
+ Ju
Leiharbeit
2
M + E: Metall- und Elektroindustrie NRW (West) und Sachsen (Ost).
inklusive durchschnittlicher Leistungszulage von zehn Prozent.
1
Quelle: IG Metall
Ost
26.986
in der Leiharbeit beschreibt er als unwür-
Ost
Z ni
11
20
sich ungerecht behandelt, die Verhältnisse
1.131,46 Euro
IG
A/
Ju
26.149
Klasse“ behandelt. Ein Grund dafür: die
2.178,70 Euro
1
n
Ost
10
20
René fühlt sich sogar als „Mensch dritter
1.293,75 Euro
Z /IG
A
2
BZ
E + M
Ju
17.648
Auch in der Metallindustrie: Bruttolöhne der Leiharbeiter sind deutlich
West
1
Ost
9
00
i2
26
und bekomme dennoch nur 35 Stunden
Aus der Innenperspektive
Dreifach getrickst
bezahlt.“ Dieser Umgang mit Überstunden
Dieser Umgang mit Arbeitszeitkonten hat
Die Leiharbeitsfirma versuchte dann mit ei-
hat Methode. Viele Leiharbeiterinnen und
System. Das bestätigt Jana, die nach ihrem
nem dritten Trick, um die Weiterbezahlung
Leiharbeiter leisten regelmäßig Mehrar-
Studium kurzzeitig als Personaldisponentin
herumzukommen, wie Jana beschreibt:
Die meisten Leiharbeitnehmer werden in
beit, die nie bezahlt wird. Stattdessen
arbeitete und den Umgang der Leiharbeits-
„Kurz vor dem Abrechnungstermin hat
Lohngruppe I eingestuft, die Hilfs- und
gehen die Stunden auf ein Arbeitszeit-
firmen mit ihren Angestellten dadurch aus
meine Vorgesetzte einen fiktiven Brief ge-
Helfertätigkeiten entspricht. Dabei ha-
konto und werden mit Nichteinsatzzeiten
nächster Nähe kennenlernte – mit all sei-
schrieben. Der Mann sei nicht zur Arbeit
ben mehr als die Hälfte eine Berufsaus-
verrechnet. Das ist zwar verboten, aber
nen Ungerechtigkeiten. So sollte sie einen
gekommen und hätte sich nicht gemeldet,
bildung oder einen Fach- oder Hochschul-
gängige Praxis. Selbst bei Krankheit wird
Arbeitsvertrag in der Probezeit kündigen.
daher gebe es auch kein Geld. Der Brief
abschluss.
das Konto geplündert: „Dann greift gerne
Das war aber nicht das Problem. „Ich soll-
wurde als Kopie in die Akte geheftet.“ Dem
mal die Lohnfortzahlung im Krankheits-
te den Arbeitnehmer auch zu der schriftli-
Betroffenen selbst wurde der Brief jedoch
Nicht zulässig, aber Praxis
fall nicht, sondern die Ausfallzeit wird aus
chen Aussage drängen, dass er unbezahl-
nie vorgelegt. Jana kann noch weitere,
Lohngruppe I, das bedeutet nach dem
dem Arbeitszeitkonto beglichen, mal mit
ten Urlaub für die Zeit der Kündigungsfrist
ähnliche Erfahrungen schildern. So hat
BZA/DGB-Tarifvertrag seit dem 1.11.2011
einer zusätzlichen Ausgleichszahlung von
nimmt.“ Hintergrund: Die Leiharbeitsfirma
sie auch erlebt, dass in den Betriebsferien
ein Einstiegsgehalt von 7,89 Euro (West)
30 bis 40 Euro pro Tag, gerne auch mal
hatte für den Zeitraum der Kündigungsfrist
der großen Unternehmen diejenigen, die
bzw. 7,01 Euro (Ost). Ziemlich wenig dafür,
ohne“, schildert ein 58-jähriger Metall-
keinen Entleihbetrieb gefunden und damit
nicht genügend Urlaubs- oder Plusstunden
sich eine Lebensgrundlage zu schaffen,
facharbeiter seine Erfahrungen. „Ich muss
keine Einsatzmöglichkeit für den Mann.
angesammelt hatten, unbezahlten Urlaub
insbesondere, wenn bei der Stundenab-
Überstunden machen, um im Krankheits-
„Das Problem damit ist von oben vorgege-
nehmen mussten. „Ich finde es unglaub-
rechnung so getrickst wird, wie Peter es
fall weiterhin mein Geld zu bekommen.“
ben: Die einzelnen Filialen stehen im Wett-
lich, wie hier das unternehmerische Risiko
erlebt: „Teilweise arbeite ich in Entleih-
bewerb zueinander.
betrieben über 50 Stunden in der Woche
Sogenannte Wartezeiten, das heißt Tage, an
denen ein Leiharbeiter
„Beim Kauf von werksinternen Lebensmitteln wird von uns
Leiharbeitern mehr verlangt als von Stammbeschäftigten. Ist die Regelung Ihrer Ansicht nach gerechtfertigt?“
Viele Leiharbeiter stocken auf
nicht eingesetzt wer-
Auf ergänzende Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind von allen Beschäftigten in den Branchen …
den kann, an denen er unproduktiv ist und
auf die Leiharbeitnehmer abgewälzt wird.
trotzdem nach Tarifvertrag bezahlt wird,
Sie verdienen ja sowieso schon recht we-
verschlechtern aber die jeweilige Position
nig, während die Firmen höchst profitabel
der einzelnen Filiale. Und von den Regional-
arbeiten.“ Jana wünscht sich daher, dass
und Bezirksleitungen wird großer Druck auf
dieser Punkt, das Thema aufgezwungener,
die Niederlassungsleitungen ausgeübt.“
unbezahlter Urlaub, in der öffentlichen Dis-
Druck bekam auch Jana zu spüren, als sie
kussion eine größere Rolle spielt. „Damit
sich weigerte, den Arbeitnehmer zur Un-
auch die einfachen Arbeiter ihre Rechte
terschrift zu zwingen. „Ich sollte ihm des-
kennenlernen und sich gegen diese unlau-
halb raten, sich krankzumelden. Dabei ist
tere Praxis wehren können.“
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8,5 %
4,7 %
das nichts weiter als eine Abwälzung der
3,3 %
Kosten auf die Solidargemeinschaft der
2,5 % in der Gesamtwirtschaft
Krankenversicherten! Der Arbeitnehmer
konnte aber die 10 Euro Praxisgebühr nicht
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Erwerbstätige ALG-II-Bezieher
aufbringen.“
27
28
unterstützte ausbeuterei
Lohnungerechtigkeiten spürt auch Birgit.
Die 45-Jährige ist alleinerziehend, dreifache Mutter, hat einen Hochschulabschluss
in Betriebswirtschaft und ist nun als Produktionshelferin beschäftigt. „Nach einjähriger Arbeitslosigkeit hatte ich die
Wahl, entweder Hartz IV zu beziehen oder
einen Leiharbeiterjob anzunehmen. Ich
verrichte die gleiche Arbeit wie meine Kollegen im Schichtdienst, erhalte aber weder
den gleichen Lohn noch eine Schichtzu-
Karsten wehrt sich
lage.“ Für Birgit bedeutet das, dass sie von
Karsten ist kaufmännischer Angestellter.
ihrem Job nicht leben kann und der Lohn
Nachdem er mit 52 Jahren seinen Job ver-
für den Lebensunterhalt nicht ausreicht.
loren hat, arbeitet er nun als Monteur bei
Sie wünscht sich daher mehr Respekt für
einem Traktorenhersteller und hat das
ihre Arbeit: „Es darf nicht sein, dass ich
Gefühl, dass es bei der Abrechnung nicht
trotz Vollzeitjob noch ergänzende Sozial-
immer fair zugeht. Ihm wird der Akkordzu-
leistungen in Anspruch nehmen muss.“ Die
schlag nicht voll ausgezahlt. „Dieser Ak-
indirekte staatliche Subventionierung
kordzuschlag ergibt sich aus der von mir
lässt sie nur noch mit dem Kopf schütteln:
eingegangenen Verpflichtung, 135 Prozent
„Warum unterstützt der Staat eine solche
zu leisten. Da Akkordlohn im Tarifvertrag
Ausbeuterei, indem er noch ergänzende
nicht geregelt ist, müsste hier doch Equal
Sozialleistungen für Arbeitnehmer zahlt,
Pay wirksam werden“, sagt er. Momentan
damit die nicht unter das Existenzmini-
zahlt der Entleihbetrieb zwar Karstens vol-
mum fallen?“
len Zuschlag an die Leiharbeitsfirma. „Al-
„Ich möchte eine Festanstellung oder den gleichen Lohn wie
die Festangestellten. Ich mache ja auch die gleiche Arbeit.“
lerdings erhalte ich von denen nur einen
Teil des Zuschlags als freiwillige Leistung
zurück. Mein eigentlicher Akkordzuschlag
beträgt 2,95 Euro. Ausgezahlt bekomme
ich aber nur 1,26 Euro.“ Angesichts dieses Abzugs von fast 60 Prozent stellt er
verärgert fest: „Das Geld kann doch nicht
so einfach einbehalten werden!“ Deshalb
hat sich Karsten an seine Leiharbeitsfirma
gewandt und das Ganze reklamiert. Bisher
noch ohne Erfolg.
29
30
Stellungnahmen
Was Beschäftigte in Leiharbeit der IG Metall zum Thema Lebensgrundlage berichtet haben –
„7,72 Euro sind das, was man zurzeit bei einer Leiharbeitsfirma bekommt.
Auch wenn man in seinem Beruf eingesetzt wird. Das sind gerade mal
1.235,20 Euro brutto bei 160 Stunden. Das ist erbärmlich. Das sind
dann ca. 1.000 Euro netto. Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig.“
und was sie über die ungerechte Bezahlung denken:*
„Im Betrieb mache und kann ich alles, was mir aufgetragen wird. Ich habe auch schon
Vorarbeiterposten übernommen, teilweise werde ich sogar namentlich angefordert. Und
trotzdem bekomme ich nicht mehr bzw. das, was die anderen in dieser Position bekommen!
Für 100 Prozent Leistung möchte ich auch 100 Prozent Entlohnung! Ist das zu viel verlangt?“
„Ich bekomme 7,79 Euro und nur den
Nachtzuschlag. Aber erst seit der
christliche Tarif abgeschafft wurde, zahlen die nach BZA. Außerdem
habe ich eine Mindestarbeitszeit von
35 Stunden in der Woche, arbeite aber
immer 7,75 Stunden am Tag. Im Urlaub oder bei einem Feiertag steckt
sich die Firma also eine Stunde in die
Tasche. Das finde ich unfair!“
„D a werden Schlupflöcher gesucht,
zum Beispiel: Man ist nur Facharbeiter, aber kein qualifizierter Facharbeiter, und bekommt deshalb nur eine
niedrige Lohngruppe. Man redet alles
mit Prämien schön, die aber nicht sicher sind. Statt monatlich 140 Stunden muss man auf einmal 156,6 Stunden arbeiten, damit man ohne Prämie
so viel wie vorher verdient.“
„Ich habe zwei Berufe gelernt. Am meisten ärgert es mich, dass ich für die gleiche Arbeit
deutlich weniger Lohn bekomme als meine Kollegen. Außerdem werden Zuschläge nicht
gleich gehandhabt. Die bekommen zum Beispiel ab 20 Uhr Nachtschichtzuschlag, ich
erst ab 23 Uhr. Wir müssen deutlich flexibler sein und immer damit rechnen, dass wir
wieder arbeitslos werden oder woanders hinmüssen. Allein schon deswegen müssten
Zeitarbeiter mehr Geld am Ende des Monats bekommen als bisher.“
„Volles Entgelt gibt es nur bei voller Arbeitsleistung. Bei Krankheit, Urlaub, Feiertag und Überstundenabbau durch Freischicht fällt die Zulage
weg. Soll heißen, dass mich eine vierwöchige Krankheit in ein finanzielles Desaster schickt! In Zahlen: Ich würde ein Minus von ca. 600 Euro
netto verbuchen!“
* D ie Stellungnahmen wurden im Rahmen einer Erhebung der IG Metall zusammengetragen. Dafür wurde im November 2011 eine Auswahl der
Mitglieder in Leiharbeit angeschrieben und zu ihrer Beschäftigungssituation befragt. Die Antworten beschreiben skandalöse Zustände – hier
einige anonymisierte Beiträge, ausgewählt aus den mehr als 1.000 Erfahrungsberichten. Namen und Kontaktdaten sind der IG Metall bekannt.
Zum Schutz der Befragten bleiben die Zitate anonym.
„Ich hoffe sehr, dass es uns Leiharbeitern bald besser geht, dass
man vom Lohn einigermaßen leben
kann, dass die Bettelei beim Amt
aufhört. Gerade Alleinerziehende
haben es schwer. Dass man was für
die Rente hat und dass die Frauenarmut nicht noch schlimmer wird.“
„M ein jetziger Einsatzbetrieb ist nicht
schlecht. Aber was hilft mir die etwas
bessere Bezahlung, wenn ich im Krankheitsfall oder im Urlaub nur die geringe
Bezahlung meiner Leiharbeitsfirma bekomme? Das sind bei zwei Wochen Ausfall
rund 300 Euro. Das ist dann nicht aufzufangen. Daran sollte man was ändern.“
„D as Geld müsste eben stimmen! Denn so, wie es jetzt ist, kann man keine Familie ernähren, noch nicht einmal mit gutem Gewissen gründen. Ich habe in einem
Betrieb gearbeitet, der durch unseren Einsatz und trotz Verringerung des Personals die Produktion steigern konnte. Dann kam der Vulkanausbruch, die Flugzeuge flogen nicht mehr, und nach und nach wurden alle entlassen. Als wieder alles lief, wurden neue Leute eingestellt, sie mussten angelernt werden. Nur dass
ich diesmal einer war, der anlernen musste, ohne auch nur einen Pfennig mehr
zu bekommen. Die firmeneigenen Leute bekamen 10,50 Euro die Stunde, sie ließen uns die Arbeit machen und die Wochenenden übernehmen, bei gerade mal
7,58 Euro. Wissen die eigentlich, was da übrig bleibt bei Steuerklasse 5?“
„Ich arbeite seit Februar 2011
über eine Leiharbeitsfirma bei
einem Autobauer, und es ist die
reinste Abzocke. Ich bekomme
gerade mal 1.500 bis 1.600
Euro als Leiharbeiter, trotz monatlicher Überstunden. Echt
traurig, denn so verliert man
die Motivation.“
„Ich erhalte Tariflohn plus eine außertarifliche Zulage. Bei Eintritt in die Firma waren
das 9,52 Euro Tariflohn plus 1,48 Eu­ro ATZ,
gleich 11 Euro. Seit dem 1.5.11 erhalte ich
9,84 Euro Tariflohn plus 1,16 Euro ATZ, gleich
11 Euro. Wo ist bitteschön meine Lohnerhöhung geblieben?“
„Mit Marktwirtschaft
hat das wenig zu tun“
Foto: Privat
32
Professor Gerhard Bosch
Interview mit Professor Gerhard Bosch
Wie hat sich das in den letzten Jahren
Der Arbeitgeberverband BAP erklärte
verändert?
kürzlich, die Rekordbeschäftigung in
Wir sprechen von einem „partiellen Funkti-
der Leiharbeit zeige die großartige Leis-
onswandel der aufstockenden Leistungen“.
tung der Branche für den Arbeitsmarkt
Zwar konnten auch in der Vergangenheit
und die Volkswirtschaft insgesamt.
Beschäftigte mit nicht ausreichendem
Das sehe ich ganz anders. Die Leiharbeits-
Lohn die aufstockende Sozialhilfe bean-
firmen schmücken sich mit der Tatsache,
tragen. Aber erst mit der Diskussion um
dass zwei Drittel der Leiharbeitnehmer
die Hartz-Gesetze wurde das Modell der
vorher arbeitslos waren. Und sie sagen:
Im vergangenen Jahr ist die Zahl der abhän-
Ungleichheit so stark gewachsen wie in
Kombilöhne offensiv vertreten. Daraufhin
„Wir sind die Integrationsmaschine.“ Das
gig Beschäftigten auf ein neues Rekord-
Deutschland. Die Zahl der Niedriglöhner
haben Unternehmen gezielt Niedriglohn-
Argument zieht aber nicht. Es zeigt eher
niveau gestiegen. Doch die Arbeitswelt hat
ist bis 2010 – neuere Zahlen liegen noch
tätigkeiten über Minijobs oder Leiharbeit
umgekehrt den schlechten Ruf der Leihar-
sich verändert. Ein erheblicher Teil des Be-
nicht vor – auf 7,8 Millionen angewach-
angeboten und ihre Beschäftigten mehr
beit: Man muss arbeitslos sein oder sogar
schäftigungswachstums geht auf Leiharbeit
sen. Auch ein Rekord, auf den wir aber
oder weniger direkt darauf hingewiesen,
von der Arbeitsagentur dazu gezwungen
und den Niedriglohnsektor zurück und ist
nicht stolz sein können.
dass sie sich die Differenz zu den Arbeits-
werden, um überhaupt Leiharbeit anzuneh-
damit teuer erkauft, sagt Professor Gerhard
losengeld-II-Sätzen bei der Arbeitsagentur
men. Die Branche ist wegen ihrer schlech-
Bosch, Arbeitssoziologe und Direktor des
Was bedeutet die gute Beschäftigungs-
holen können. Die staatliche Subvention
ten Bezahlung unattraktiv und keine, in die
Instituts Arbeit und Qualifikation an der Uni-
situation für die Leiharbeitsbranche?
wurde damit in die Unternehmensstrategi-
jemand freiwillig wechselt. Außerdem hält
versität Duisburg-Essen. Leiharbeit schei-
Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sind Ar-
en eingeplant – ein massiver Missbrauch.
sie ihr Versprechen, die Vermittlung auf
tert nicht nur als individuelles Modell für
beitskräfte auf Abruf, die nur dann gebucht
In der Leiharbeit müssen heute vor allem
einen festen Arbeitsplatz, nicht.
eine verlässliche Lebensgrundlage, sondern
werden, wenn Bedarf besteht. Wechselbä-
geringer Qualifizierte, die besonders nied-
auch volkswirtschaftlich: Der Staat muss
der zwischen Beschäftigung und Arbeits-
rige Löhne haben, aufstocken.
die Leiharbeit wegen der schlechten Bezah-
losigkeit sind typisch. Da Leiharbeitskräfte
lung gleich mehrfach subventionieren.
auch noch schlecht bezahlt werden und
Wie lässt sich dieser Missbrauch von
Er ist auch gar nicht gewollt. Denn es gibt
Heißt das, der sogenannte Klebeeffekt
ist selten?
durch unstete Beschäftigung oft nicht die
Subventionen verhindern?
für Unternehmen überhaupt keinen Anreiz
Das vergangene Jahr war wieder ein Re-
nötigen Versicherungszeiten in der Arbeits-
Die Einführung des Mindestlohns in der
zur Übernahme, solange sie Leiharbeits-
kordjahr auf dem Arbeitsmarkt. Sehen
losenversicherung aufweisen können,
Leiharbeit ist ein erster Fortschritt, reicht
kräfte schlechter bezahlen können als die
Sie das auch so?
münden sie bei Arbeitslosigkeit oft direkt
aber nicht aus, um die Subventionser-
Stammbelegschaft. Das war früher, als die
Die Zahl der Beschäftigten ist 2011 um
in der Grundsicherung, also Hartz IV. Etwa
schleichung durch Niedriglöhne zu stop-
gleiche Bezahlung üblich war, anders. Nach
rund 500.000 auf den neuen Höchststand
ein Drittel aller Arbeitslosen, die sofort auf
pen. Denn der Mindestlohn in der Leihar-
drei Monaten haben sich die Unternehmen
von 41,61 Millionen gestiegen. Dieser
Hartz IV angewiesen sind, waren Leiharbei-
beit definiert eine Lohnuntergrenze, die
überlegt, ob sie die Leiharbeitskräfte über-
wirtschaftliche Erfolg beruht nicht zuletzt
ter. Sie können kein Vermögen aufbauen,
weit unter den tariflichen Löhnen liegt.
nehmen, weil das für sie günstiger war.
auf der guten Leistung und hohen Qua-
da dies ja auf die Grundsicherung ange-
Lohndumping ist weiterhin möglich. Es
Denn zu den Löhnen der Leiharbeiterinnen
lifikation der Beschäftigten. Die Schat-
rechnet wird. Die Aufstockung niedriger
wäre deshalb ein großer Fehler, wenn Ge-
und Leiharbeiter müssen sie immer noch
tenseite liegt darin, dass die meisten
Leiharbeitsgehälter kostet die Bundesagen-
werkschaften sich mit diesem Mindestlohn
die Verwaltungskosten und die Gewinn-
von ihnen nicht den gerechten Anteil an
tur für Arbeit mehr als 500 Millionen Euro
zufriedengäben. Die einzige Möglichkeit,
spanne der Leiharbeitsfirmen bezahlen.
diesem Erfolg bekommen. Der Anteil der
jährlich. Mit unseren Beitragsgeldern wer-
die Unterbietung von Tarifen zu bekämp-
Löhne und Gehälter am Bruttosozialpro-
den die schlechtesten Unternehmen auch
fen, ist die gleiche Bezahlung für Leihar-
dukt nimmt seit Jahren ab. Und in keinem
noch subventioniert. Mit Marktwirtschaft
beiter. Nur so können sie aus dem Niedrig-
anderen europäischen Land ist die soziale
hat das wenig zu tun.
lohnsektor herausgeholt werden.
33
34
Hat die Leiharbeit, volkswirtschaftlich
Wie verändern Leiharbeit und Niedrig-
Gutachten, mit denen die Bundesregierung
betrachtet, überhaupt irgendeinen
löhne die künftigen Renten?
bestehende Mindestlöhne in Deutschland
Nutzen?
Modellberechnungen zufolge werden vor
evaluieren ließ, haben das nun empirisch
Leiharbeit als Flexibilitätsreserve ist sinn-
allem Frauen und Männer in Ostdeutsch-
bestätigt. Damit treten die positiven Effekte
voll, als solche kann sie auch wirtschaftlich
land in hohem Maße von niedrigen Renten
höherer Lohnuntergrenzen auf die Sozial-
produktiv sein. Aber als Ersatz für Dauerbe-
unterhalb der Grundsicherung betroffen
versicherungskassen und Staatsfinanzen
schäftigung schadet sie den Sozialkassen,
sein. Denn die Löhne sind noch niedriger
voll in Kraft: Die Einnahmesituation wird
weil durch die schlechtere Bezahlung weni-
als in Westdeutschland, viele Lebensläufe
verbessert, ohne dass es der Beschäfti-
ger Beiträge gezahlt werden, und den Steu-
weisen Phasen der Arbeitslosigkeit auf.
gung schadet. Ein allgemeiner Mindest-
erzahlern, weil sie schlechte Unternehmer
So ist davon auszugehen, dass viele Men-
lohn ist daher ein permanent wirkendes
subventionieren müssen. Das ist für die
schen keine existenzsichernden Renten
Konjunkturprogramm. Neben einem dauer-
Bei gleicher Bezahlung ist Leiharbeit nicht
Volkswirtschaft völlig unproduktiv. Daher
erreichen und öffentliche Unterstützung
haften Schub von Einnahmen für den Staat
billig, sie hat dann nur als Flexibilitätsre-
ist die Branche auch wie kaum eine andere
brauchen. Bei den Geburtsjahrgängen 1952
erhöht es die Nachfrage, hat positive Be-
serve einen Sinn. Doch heute ist sie aus Un-
auf Lobbyismus angewiesen. Im Interes-
bis 1971 könnte das für rund 31 Prozent der
schäftigungseffekte und ermöglicht mehr
ternehmenssicht auch als Dauerbeschäfti-
se der volkswirtschaftlichen Entwicklung
ostdeutschen Männer und 48 Prozent der
Investitionen.
gung lohnenswert. Da wurden völlig falsche
müssen wir das schlechte Geschäftsmo-
ostdeutschen Frauen der Fall sein. In der
Anreize gesetzt.
dell, dass Leiharbeit Dauerbeschäftigung
vorherigen Kohorte, bei den Jahrgängen
Einerseits breiten sich Niedriglöhne und
ersetzt, politisch unterbinden.
1937 bis 1951, sind den Projektionen zufol-
unsichere Arbeitsplätze aus, anderer-
Wie muss die Leiharbeit also reguliert
ge nur knapp vier Prozent der ostdeutschen
seits wird immer wieder ein Fachkräfte-
werden?
Lassen sich die Folgekosten der Leih­
Männer und ein Viertel der ostdeutschen
mangel heraufbeschworen. Wie passt
Ich halte die gleiche Bezahlung für die wich-
arbeit benennen?
Frauen von Altersarmut betroffen. Diese
das zusammen?
tigste und zentrale Maßnahme. Dadurch
Die Branche hängt in mehrfacher Hinsicht
Entwicklung ist dramatisch.
Im Grunde genommen gar nicht. Klagen
wird es für Unternehmen unattraktiv, Leute
am Subventionstropf. Erstens wird das
jahrelang auf Leiharbeitspositionen zu be-
Arbeitgeberrisiko durch die kurzfristigen
Lässt sich beziffern, was die Niedrig­
müssten sie eigentlich versuchen, Ar-
schäftigen. Daneben wäre auch eine einjäh-
Vertragsverhältnisse auf die Allgemeinheit
löhne die Volkswirtschaft kosten?
beitskräfte an sich zu binden. Hohe Leih-
rige Befristung der Leiharbeit eine absolut
abgewälzt. Die Kosten der Arbeitslosigkeit
Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung
arbeitszahlen sind also ein Anzeichen,
sinnvolle Regelung. Eine Quotierung der
übernimmt die Bundesagentur für Arbeit
hat die Effekte gesetzlicher Mindestlöh-
dass es damit nicht so weit her sein kann.
Leiharbeit im Unternehmen halte ich hinge-
oder eben die Grundsicherung. Zweitens
ne untersucht und berechnet, zu welchen
Bei echtem Fachkräftemangel, vermute
gen für ambivalent. Das kann Unternehmen
müssen die schlechten Löhne aufgestockt
Einnahmeverlusten bei Steuern und Sozi-
ich, übernehmen die Leiharbeitsfirmen
auch dazu veranlassen, die Quote über-
werden. Drittens folgt eine dicke Rechnung,
alversicherungen der heutige Niedriglohn-
eine neue, andere Rolle. Möglicherweise
haupt erst ausschöpfen zu wollen. Bei den
wenn die Leiharbeiter in Rente gehen und
sektor beiträgt. Die Zahlen sind beachtlich:
werden sie Arbeitskräfte für Unternehmen
Kosten anzusetzen, ist da der sinnvollere
ihre Ansprüche nicht die Höhe der Grund-
Im Fall eines allgemeinen Mindestlohns von
aussuchen, sie zur Probe überlassen und
Weg. Allerdings besteht die Gefahr, dass
sicherung erreichen. So werden einer Bran-
8,50 Euro steigen die Erwerbseinkommen
dann eine Vermittlungsgebühr kassieren.
ein Teil der schlechten Arbeit in Werkver-
che mit schlechten Praktiken, die häufig zu
nach den Berechnungen um 14,5 Milliar-
Von einer Privatisierung der Arbeitsver-
träge abwandert, wenn man die Leiharbeit
menschenunwürdiger Arbeit führen, durch
den Euro. Die fiskalischen Effekte durch
mittlung sind wir noch weit entfernt, aber
reguliert. Damit auch Werkvertragsfirmen
dreifache Subventionierung Milliardenbe-
zusätzliche Steuereinnahmen, höhere So-
es gibt bereits erste Tendenzen. Die Frage
und gerade die kleinen Sub-Sub-Unterneh-
träge hinterhergeworfen.
Unternehmen über Fachkräftemangel,
zialbeiträge und ersparte Sozialtransfers
ist, ob wir das wollen. Fest steht jeden-
men an gute Arbeitsbedingungen gebun-
belaufen sich dann auf gut sieben Milli-
falls: Bei echtem Fachkräftemangel wird
den sind, muss man darüber nachdenken,
arden Euro. Die Studie beruht auf der An-
sich die Leiharbeit verändern.
wie Tarifverträge als allgemeinverbindlich
nahme, dass durch die Erhöhung der Löhne
erklärt werden können.
keine Beschäftigung vernichtet wird. Alle
36
Spaltung des Arbeitsmarktes nimmt zu
Weniger Beschäftigte mit regulärem Vollzeitjob
Mehr Minijobs
Mehr (Solo-)Selbstständige
Ein atypisches Arbeitsverhältnis hatten von
Ausschließlich geringfügig
Die Zahl der Selbstständigen betrug …
allen erwerbstätigen …
beschäftigt waren …
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2009
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Bei den Selbstständigen ohne Mitarbeiter waren es …
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Mio.
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Mio.
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Immer öfter befristet
Verdoppelung der Teilzeitstellen
Zunahme der Leiharbeit
Von allen sozialversicherungspflichtig
Weniger als 31 Stunden
Von allen sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten hatten einen Zeitvertrag …
in der Woche arbeiteten …
Beschäftigten waren Leiharbeitnehmer …
01
20
6,1 %
10
20
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Von den Neueinstellungen waren befristet …
01
20
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Mio.
Mio.
9
19
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0
20
8
37
Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 2011
38
Erstmals private und gewerbsmäßige
Vermittlung
40 Jahre AÜG: Eine Geschichte
der Deregulierung
1994 endete das Vermittlungsmonopol der
zungen für den Bezug von Arbeitslosengeld
Bundesagentur für Arbeit. Seither darf Ar-
verschärft haben. Im Gegenzug wurde der
beit privat und gewerbsmäßig vermittelt
Gleichbehandlungsgrundsatz rechtlich bin-
werden. Damit wurde die Deregulierung
dend, der gleiche Bezahlung und gleiche
des Arbeitsmarktes weiter vorangetrieben.
Arbeitsbedingungen umfasst. Doch das
Unter anderem wurde die maximale Über-
„Gesetz für moderne Dienstleistungen
lassungsdauer von zuletzt sechs auf neun
am Arbeitsmarkt“ hat ein entscheidendes
Monate erhöht. Drei Jahre später folgte die
Schlupfloch: gesonderte Tarifverträge für
nächste Lockerung: Nun durften Leihar-
Leiharbeiter. Dadurch kann von Equal Pay
beiterinnen und Leiharbeiter bis zu zwölf
und Equal Treatment abgewichen werden.
Monate im gleichen Betrieb arbeiten. Eine
Der Gesetzgeber reißt die Leitplanken für
stelltengewerkschaft und der Unterneh-
Leiharbeitsfirma musste Mitarbeiter beim
„Christliche“ Dumpinggewerkschaften
Leiharbeit ein. Der schrittweise Abschied
mensverband für Zeitarbeit einen ersten
erstmaligen Verleih nur so lange beschäf-
Diese Öffnungsklausel hat zu einer deut-
von der staatlichen Regulierung hat den ak-
Tarifvertrag, zwei Jahre später trat das Ar-
tigen, wie sie auch einen Entleihbetrieb
lichen Verschlechterung der Bedingungen
tuellen Boom der Branche beflügelt. Der
beitnehmerüberlassungsgesetz in Kraft.
hatte. Konnte sie ihn nicht mehr vermitteln,
für Leiharbeiter beigetragen. Denn sie
Wettbewerb um ein Milliardengeschäft
Es regelte erstmals das Dreiecksverhält-
durfte sie ihn entlassen. Nach einer Wie-
schaffte eine Lücke für die sogenannten
geht oft zu Lasten der Beschäftigten, deren
nis zwischen Verleiher, Leiharbeitnehmer
dereinstellung galt allerdings das Synchro-
christlichen Gewerkschaften, die Tarif-
Rechte nach und nach beschnitten wurden.
und Entleiher. Der darin festgeschriebe-
nisationsverbot. Die Beschäftigung durfte
verträge unter gesetzlichem Standard ab-
ne Grundsatz, dass die Verleihfirma alle
nicht davon abhängen, ob es einen inter-
schlossen. Die Leiharbeit unterscheidet
2012 wartet die Geschichte der Leihar-
Pflichten eines Arbeitgebers hat, ist bis
essierten Einsatzbetrieb gab oder nicht.
sich damit von allen anderen Branchen, in
beit in Deutschland gleich mit zwei Ju-
heute unverändert gültig. Bis 1985 war
Die Verleihfirma musste den Leiharbeiter
denen es heißt: Es gilt mindestens das Ge-
biläen auf: 90 Jahre ist es her, dass die
die Überlassungsdauer auf drei Monate
für mindestens ein Viertel der Dauer des
setz, Tarifverträge können es verbessern.
Voraussetzungen für Leiharbeit mit dem
beschränkt.
letzten Einsatzes weiterbezahlen. Sie trug
In der Leiharbeit lautet die Regel hingegen:
so zumindest das wirtschaftliche Risiko,
Es gilt höchstens das Gesetz, Tarifverträge
einen Anschlusseinsatz zu finden.
können es verschlechtern.
Arbeitsnachweisgesetz erstmals rechtlich
geregelt wurden. Und vor 40 Jahren trat
Weil es in der Baubranche immer wieder
das seither mehrfach überarbeitete Ge-
zu Verstößen kam und Verleihfirmen ihre
setz zur Regelung der gewerbsmäßigen
Pflichten gegenüber den Leiharbeitern
Im Zuge der Hartz-Reformen fiel dann
Der Vertrag der Tarifgemeinschaft Christ-
Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) in der
verletzten, wurde im Bauhauptgewerbe
2003/2004 auch diese Regelung, so wie
licher Gewerkschaften für Zeitarbeit und
Bundesrepublik in Kraft.
Anfang 1982 ein Überlassungsverbot
das besondere Befristungsverbot, das
Personalserviceagenturen (CGZP) mit dem
durchgesetzt. Seither ist der Einsatz von
Wiedereinstellungsverbot und die Über-
Arbeitgeberverband Mittelständischer Per-
Im Grundsatz seit 1972 gültig
ausgeliehenen Arbeitern auf dem Bau
lassungshöchstdauer. Beschäftigte kön-
sonaldienstleister enthielt Dumpinglöhne,
In der Bundesrepublik gab es bis in die
verboten.
nen seitdem ohne Begrenzung im selben
1960er Jahre keine Leiharbeitsvermittlung.
Betrieb eingesetzt werden – oder die Leih­
Erst 1967 legte das Bundesverfassungs-
arbeitsfirma kann sie immer wieder heuern,
gericht fest, unter welchen Bedingungen
feuern und ihre Verträge befristen, je nach
Leiharbeitsfirmen tätig werden können.
Auftragslage. Dies ist umso dramatischer,
1970 unterzeichneten die Deutsche Ange-
als sich zugleich die Anspruchsvorausset-
40
Reformen der Arbeitnehmerüberlassung
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94
97
Verbot der Arbeitnehmerüberlassung im Bauhauptgewerbe
die weit von Equal Pay abwichen. Gegen-
arbeitern für die Dauer von bis zu sechs
über den weiteren Arbeitgeberverbänden
Wochen ein reduziertes Arbeitsentgelt in
iGZ und BZA war die DGB-Tarifgemeinschaft
Höhe der vorherigen staatlichen Unterstüt-
durch diese Unterbietungskonkurrenz
zung gezahlt werden kann.
machtlos. Die gemeinsamen Tarifabschlüsse lagen zwar über CGZP-Niveau, entspra-
Möglichkeiten zur Ungleichbehandlung
Verlängerung der Überlassungshöchstdauer von drei auf sechs Monate
chen aber auch nicht dem Prinzip „gleiches
von Leiharbeitnehmern bleiben dennoch
Verlängerung der Regelung zum 1.5.1990 bis zum 31.12.1995
Geld für gleiche Arbeit“. Denn der Druck
bestehen. Zwar findet sich nun die Formu-
war da, dass die Arbeitgeber sonst mit den
lierung im Gesetz, dass die Überlassung
christlichen Gewerkschaften noch schlech-
von Arbeitnehmern „vorübergehend“ er-
tere Bedingungen ausgehandelt hätten.
folge. Was das im Detail heißt, ist aber
Erst Ende 2010 legte das Bundesarbeitsge-
ungeklärt und der Rechtsprechung der
richt der christlichen Tarifgemeinschaft das
Arbeitsgerichte überlassen. Eine Klärung
Handwerk, indem es ihr die Tariffähigkeit
durch alle arbeitsgerichtlichen Instanzen
Verlängerung der Überlassungshöchstdauer von sechs auf neun Monate bis 31.12.2000
Aufhebung des Synchronisationsverbots für von der BA zugewiesene schwer vermittelbare
Arbeitslose
Verlängerung der Überlassungshöchstdauer von neun auf zwölf Monate
absprach. Zahlreiche Leiharbeitsbeschäf-
wird mehrere Jahre erfordern. Kurz- und
Zulassung der Synchronisation von Ersteinsatz und Arbeitsvertrag beim erstmaligen Verleih
tigte klagen noch immer auf Lohnnachzah-
mittelfristig wird sich an der heutigen
Erlaubnis einmaliger Befristung ohne sachlichen Grund
lung, die Sozialkassen haben Nachforde-
Situation nichts verändern. Zudem wird
Wiederholte Zulassung lückenlos aufeinander folgender Befristungen von Verträgen mit
demselben Leiharbeitnehmer
rungen in Milliardenhöhe gestellt.
Leiharbeit nicht von anderen Formen des
Fremdfirmeneinsatzes abgegrenzt, die
EU-Richtlinie mangelhaft umgesetzt
Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte
Verlängerung der Überlassungshöchstdauer von zwölf auf 24 Monate
Zuletzt wurde das Arbeitnehmerüberlas-
werden nicht gestärkt. Und beim Thema
Gleichbehandlungsgrundsatz nach zwölf Monaten
sungsgesetz 2011 geändert. Hintergrund
Weiterbildung werden weder Verleiher
A
2
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1
.
b1
ist die europäische Leiharbeitsrichtlinie,
noch Entleiher in die Pflicht genommen.
Wegfall des Synchronisations- und Wiedereinstellungsverbots und der Überlassungshöchstdauer
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03
20
1.
.
b1
die erneut den wichtigen Gleichbehand-
Lockerung des Entleihverbots im Bauhauptgewerbe
Gleichbehandlungsgrundsatz, sofern keine abweichenden Tarifvereinbarungen
A
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b1
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2
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b1
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01
.2
Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität schafft die Möglichkeit der
Inanspruchnahme von Kurzarbeit in der Leiharbeit
Entleiher hat Leiharbeitnehmer über Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, zu informieren
Entleiher muss Leiharbeitnehmern Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen im Unternehmen ermöglichen
Ersatzloses Streichen der Möglichkeit, zuvor Arbeitslose für maximal sechs Wochen zu einem
Nettoarbeitsentgelt in Höhe des Betrages, den der Leiharbeitnehmer zuletzt als Arbeitslosengeld erhalten hat, zu beschäftigen
Leiharbeit nur „vorübergehend zulässig“ (unbestimmter Rechtsbegriff ohne Zeitangabe)
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12
20
1.
.
b1
Mindestentgelte in der Leiharbeit
lungsgrundsatz formuliert, den die Mit-
Auch die „Verordnung über eine Lohn-
gliedsstaaten in nationales Recht umset-
untergrenze in der Arbeitnehmerüber-
zen müssen. Doch einen Gesamtschutz von
lassung“, die zum Januar 2012 in Kraft
Leiharbeitnehmern gewährleistet auch das
trat, hat die Lage der Leiharbeiter nur auf
überarbeitete deutsche Gesetz nicht.
dem Papier verbessert. Kaum einer wird
dadurch mehr Geld in der Tasche haben.
Das AÜG formuliert lediglich zwei neue For-
Der Mindestlohn in der Leiharbeit beträgt
derungen an den Einsatzbetrieb: Er muss
nun im Westen 7,89 Euro und 7,01 Euro im
Leiharbeitnehmer nun durch allgemeine
Osten. Das ist zwar ein erster Versuch, die
Bekanntgabe über ausgeschriebene Stel-
Leiharbeit wieder ein bisschen zu regulie-
len informieren. Und er muss den Leihar-
ren, aber keineswegs konsequent genug.
beitnehmern zu den gleichen Bedingungen
Statt die Menschen in Leiharbeit im Blick
Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen –
zu haben, hat die Bundesregierung die In-
wie Kinderbetreuung, Gemeinschaftsver-
teressen der Leiharbeitsverbände und der
pflegung und Beförderungsmittel – er-
Unternehmen bedient.
möglichen. Zudem wurde die Regelung
gestrichen, dass zuvor arbeitslosen LeihQuelle: Bundesagentur für Arbeit, IG Metall
„Ich mache seit achteinhalb Jahren Leiharbeit, davon sechsein­viertel
Jahre beim gleichen Großunternehmen, und keine Übernahme­
möglichkeit. Viermal arbeitslos in der Zeit. Soll das die nächsten elf
Jahre bis zur Rente so weitergehen?“
(K)eine
Übergangslösung
(K)eine
44
Die Fakten
Leiharbeiter bleiben länger als früher. Im Jahr 2010 dauerten sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in der Leiharbeit im Durchschnitt knapp neun
Monate. Knapp die Hälfte der Verträge in der Leiharbeit endete zuletzt nach weniger
als drei Monaten, bei rund 51 Prozent war die Beschäftigungsdauer länger als ein
Quartal. Zehn Jahre früher war dies nur bei 42 Prozent der Leiharbeitsverträge der
Fall. Wie viele Menschen teils über Jahre bei immer demselben Einsatzbetrieb bebeschäftigt, allerdings ohne Übernah-
schäftigt sind, wird von der Statistik nicht erfasst.
mechancen. Sie fühlen sich dadurch als
(K)eine
Übergangslösung
„Arbeiter zweiter Klasse“ abgestempelt.
Seit Dezember 2011 ist Leiharbeit nur „vorübergehend“ zulässig. Das ist im
Damit ist die Leiharbeit eine weitere Hürde
überarbeiteten Arbeitnehmerüberlassungsgesetz festgehalten. Allerdings ist nicht
auf dem Weg in die reguläre Festanstel-
definiert, welcher Zeitraum mit „vorübergehend“ gemeint ist. Höchstrichterliche
lung, bei der Personalgewinnung spielt
Urteile der Arbeitsgerichte, die diese Frage klären, sind erst in mehreren Jahren zu
sie kaum eine Rolle. Zahlreiche Betroffe-
erwarten. Für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter bietet die Gesetzesänderung daher
ne haben der IG Metall davon berichtet,
kurzfristig keine Perspektive auf Übernahme.
wie Unsicherheit und Perspektivlosigkeit
sie belasten und ihr Leben beeinflussen.
Leiharbeit verdrängt in vielen Betrieben die regulären Jobs. Das hat 2010 eine
IG-Metall-Umfrage unter mehr als 5.000 Betriebsräten ergeben. 20 Prozent der
Leiharbeit war einmal als Übergangslö-
Nur noch Leiharbeit
Befragten gaben an, dass nach der Krise Stellen in der Stammbelegschaft nicht
sung gedacht, um Auftragsspitzen abzu-
Johannes ist 23 Jahre alt und immer noch
wieder besetzt, sondern durch Leiharbeit ersetzt worden sind. Sie bestätigen damit,
fangen oder Krankheits- und Urlaubszei-
in seinem Ausbildungsbetrieb beschäftigt.
was Wirtschaftswissenschaftler beschreiben: Leiharbeit wird nicht mehr hilfs- und
ten zu überbrücken. Später versprachen
Arbeitsverträge hatte er dort schon mehre-
saisonweise genutzt, sondern zunehmend als Unternehmensstrategie – mit dem
Politiker und Unternehmer, dass Leihar-
re – nur noch keine unbefristete, geregelte
Ziel, die Lohnkosten zu senken und sich im Sinne maximaler Flexibilisierung nicht
beit eine Brücke in reguläre Beschäftigung
Festanstellung. Zunächst arbeitete Johan-
ans Personal zu binden. Heuern und Feuern stehen dann auf der Tagesordnung.
darstelle, weil Leiharbeitnehmer durch sie
nes mit Befristungen: „Ich bekam viermal
Das Nebeneinander unterschiedlicher Beschäftigungsstandards verschärft den
am Arbeitsplatz „kleben blieben“, das
Arbeitsverträge über sechs Monate. Doch
Konkurrenzdruck und bedroht auch die Stammbelegschaft.
heißt vom entleihenden Betrieb über-
während meiner letzten Befristung musste
ich zur Bundeswehr“, erzählt er.
„Über 23 Jahre war ich in dem Betrieb beschäftigt. Durch eine Umstrukturierung wurde ich mit
140 anderen Arbeitern entlassen. Jetzt arbeite
ich wieder dort, als Leiharbeiter.“
„Ich sollte einen Aufhebungs-
men beschäftigt. Und fühlt sich ungerecht
Entlassen – und wieder eingestellt
vertrag unterschreiben, aber das
behandelt: „Ich habe meinen Arbeitsplatz
Von der Festanstellung in die Leiharbeit,
lehnte ich ab. Der Vertrag ist dann
zwar jetzt wieder, aber schlechter bezahlt
beim gleichen Unternehmen, aber unter
fristgemäß ausgelaufen.“ Nach
und mit schlechterer Behandlung.“ Die Fra-
schlechteren Konditionen – auch Bernd
dem Wehrdienst wollte Johannes
ge, wie es weitergeht, macht Johannes zu
kann davon berichten, was Experten als
nommen würden. Doch die Realität sieht
zurück an seinen Arbeitsplatz. Das ist ihm
schaffen: „Man weiß nie, wie lange man
Drehtüreffekt beschreiben: nämlich dass,
anders aus. Für viele ist die Leiharbeit
zwar gelungen, doch hatte er keine Chance
noch arbeiten darf. Ich bange schon ein
Stammbeschäftigte zunächst entlassen
Dauerzustand. Manche sind sogar über
auf eine Direktanstellung. Seit Januar 2010
halbes Jahr um meine Arbeit und hangele
werden, um dann als Leiharbeiterinnen
Jahre hinweg beim gleichen Unternehmen
ist er daher als Leiharbeiter im Unterneh-
mich von Woche zu Woche.“
und Leiharbeiter für dieselbe Tätigkeit,
46
Die zehn größten Leiharbeitsunternehmen in Deutschland 2010
aber zu wesentlich geringerer Entlohnung
ten Arbeitgebers, wieder befristet und mit
wieder eingestellt zu werden. Der 46-jäh-
unsicheren Perspektiven: „Das Nervenauf-
rige CNC-Fräser ist über einen Verleiher an
reibendste ist, jedes Vierteljahr darauf zu
seinem alten Arbeitsplatz gelandet, der
hoffen, dass der Einsatz verlängert wird.
ihm zuvor wegen schlechter Auftragslage
Eine Entscheidung, die scheinbar über
gekündigt worden war. Er wünscht sich
endlose Entscheidungskaskaden geht,
wieder eine Festanstellung und hat sich
wird dann meist erst wenige Tage vorher
daher auf die Leiharbeit eingelassen: „Im
getroffen“, sagt er. Die quartalsweisen Ver-
Moment ist die Auftragslage wieder etwas
längerungen zermürben. Und Robert hat
besser und es wurden Fachkräfte gesucht.
das Gefühl, im System Leiharbeit gefangen
Mein Gedanke war, für den Moment auf et-
zu sein. In seiner Abteilung gibt es noch
Umsatz (in Mio. Euro)
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andere Leiharbeits-
„Wie kann es sein, dass in manchen Firmen Leiharbeiter
bis zu sieben (!!!) Jahre beschäftigt werden? Wo Leiharbeit
doch dafür bestimmt war, Arbeitsspitzen abzubauen?“
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enabschluss: „Wir
was Geld zu verzichten, aber den Fuß wie-
sitzen auf verantwortungsvollen Posten,
der in der Tür meiner ehemaligen Firma zu
die weder temporär sind noch von Aus-
haben.“ Für diese Hoffnung zahlt er einen
lastungsschwankungen abhängen. Uns
hohen Preis. Er verdient nun 1.300 Euro
alle plagt das Gefühl, dass man heute als
im Monat ohne Zuschläge, hat nur noch
junger Mensch einfach keine Chance be-
24 Tage Urlaubsanspruch – beides deut-
kommt, in einen festen Job zu kommen, ge-
lich weniger als vorher. „Es kann nicht
schweige denn, auf dieser Grundlage eine
angehen, dass ich fachlich kompetente
vernünftige Familienplanung zu gestalten.
Arbeit abliefere und mit einem Hungerlohn
Egal wie stark man sich im Job engagiert,
nach Hause gehe“, empört er sich.
egal wie gut man ausgebildet ist.“ Obwohl
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me angestrebt wird, hoffen die meisten
Robert ist Einkäufer bei einem großen Un-
vergeblich auf eine Festanstellung: „So
ternehmen. Nach seiner kaufmännischen
etwas ist bisher fast nie vorgekommen
Ausbildung wurde er übernommen, sein
und zurzeit nicht absehbar.“
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schlechter lief, bekam Robert keine weitere Vertragsverlängerung. Neun Monate
überbrückte er mit diversen Jobs. Nun ist er
Leiharbeiter bei einer Tochterfirma des al-
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Vertrag zunächst um ein Jahr, dann um ein
zweites Jahr verlängert. Als es am Standort
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Vorgesetzte versichern, dass die ÜbernahNur quartalsweise Verlängerungen
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Quelle: Marktforschung Lünendonk
Beschäftigte
48
Voller Stolz? Niemals
Altersstruktur in der Leiharbeit:
Auch Benjamin belastet die Unsicherheit
Ein Drittel der Beschäftigten ist 30 Jahre oder jünger
seiner beruflichen Situation. Weil der
Durchschnittlicher Anteil an Leihbeschäftigten in mittelständischen Verleihbetrieben,
Branchenwechsel auf dem direkten Weg
nach Alter der Beschäftigten
nicht klappte, hoffte der gelernte Schreiner, über die Leiharbeit endlich eine ChanMitarbeiter zweiter Wahl?
ce in der Metallindustrie zu bekommen.
Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht hinter-
Seine Erfahrungen stimmen ihn jedoch
lassen ihre Spuren bei Robert. Er sieht sich
pessimistisch: „Die meisten großen Un-
als „Mitarbeiter mit gleichen Pflichten, je-
ternehmen vor Ort sind zurzeit nicht daran
doch weniger Rechten“ und als „Mitarbeiter
interessiert, jungen, motivierten Arbeit-
zweiter Wahl“. Dies prägt auch seine Erwar-
nehmern dauerhaft eine Perspektive zu
tungen: „Ich sehe für die Zukunft schwarz,
geben. Sie setzen lieber auf günstige, auf
wenn junge Menschen durch Leiharbeit
‚flexible‘ Beschäftigung.“ Benjamin findet
und weitere unsichere Jobverhältnisse we-
es nicht nur ungerecht, dass er als Leih-
der die Chance bekommen, eine Fachkraft
arbeiter unter schlechteren Bedingungen
mit jahrelangem Wissen zu werden, noch
arbeitet als sein Kollege, der ein paar Jah-
34 %
29 %
bis 30 Jahre
31 bis 40 Jahre
23 %
41 bis 50 Jahre
14 %
51 Jahre
und älter
Quelle: iGZ-Mittelstandsbarometer, 2. Welle, 3. Quartal 2011
re länger im Unterneh-
„Ich bin seit ungefähr 14 Monaten als Leiharbeiter im
selben Betrieb tätig. Eine Übernahme findet nicht statt,
weil der Entleihbetrieb keine Mitarbeiter braucht. Aber
warum bin ich dann schon seit 14 Monaten hier tätig?“
men ist, sondern auch
Die 39-jährige Maria, gelernte Industrie-
zu kurzfristig gedacht:
kauffrau, sieht das ähnlich. Auch sie kann
„Die Arbeitgeber sollten
sich nicht mit dem Einsatzbetrieb iden-
„Flexibilität ist kein Argument“
sich im Klaren sein, was
tifizieren. Die Umstände ihrer Beschäf-
Stefan ist angesichts des Verhaltens sei-
sie mit dieser Strategie
tigung belasten sie: „Jetzt bin ich schon
nes Einsatzbetriebs ebenfalls irritiert. Der
mit einem guten Gefühl die nächsten Ge-
anrichten. Ein Leiharbeiter wird nie voller
bald zwei Jahre bei
nerationen potentieller Fachkräfte in die
Stolz behaupten können: ‚Ich arbeite im
einer Firma, sie zahlt
Welt setzen können. Stattdessen wird die
Unternehmen X.‘ Sondern er wird sagen
jedoch weniger als für
Stammbelegschaft immer älter und das
müssen: ‚Ich bin Leiharbeiter beim Unter-
einen normalen Mitar-
Wissen durch Fluktuation nicht weiterge-
nehmen X, und obwohl das Unternehmen
beiter und spart auch
tragen.“ Er hofft auf Intervention von Seiten
groß und bekannt ist, merke ich leider
noch die Urlaubs- und
der Politik, damit diese Negativentwicklung
nichts davon.‘“
Krankheitsfallkosten. Auch wenn das Un-
Ingenieur wundert sich über ausbleibende
gestoppt und dem Ganzen langfristig ein
ternehmen meint, so Geld zu sparen, den-
Übernahmen. „Mir erscheint es auch aus
Riegel vorgeschoben wird: „Die Leiharbeit
ke ich, dass es damit eher Geld verliert.
betriebswirtschaftlicher Sicht als völlig
soll wieder das werden, was sie einmal war:
Ich stehe nicht hinter so einem Unterneh-
unsinnig, jemanden über Jahre hinweg
ein Instrument, um Spitzen abzufangen,
men, obwohl ich dort arbeite.“
auszuleihen“, sagt er. Vor fünf Jahren be-
„Ich finde die Regelung, dass die Firma im Fall der Festanstellung innerhalb der ersten sechs Monate der Leiharbeitsfirma eine Ablöse zahlen muss, einfach skandalös. Ist das eigentlich mit dem Gesetz vereinbar?“
49
und um zum Beispiel Krankheitsvertretun-
gann er, für ein weltweit tätiges Ingeni-
gen oder Babypausen mit qualifiziertem
eurbüro zu arbeiten. Zunächst mit großen
Personal zu vertreten. Es sollte jedoch nicht
Hoffnungen: „Die Arbeit hier sah ich als
dazu führen, dass Unternehmen faktisch
hervorragendes Karrieresprungbrett“,
nur noch mit Leiharbeitnehmern arbeiten.“
50
erinnert sich Stefan. Doch die Realität
fallen. „Ich lebe nicht, ich existiere“, fasst
sah anders aus: Statt im Ingenieurbüro
sie zusammen. Ute glaubt, dass zwischen
für verschiedene Auftraggeber zu arbei-
ihrem niedrigen Lohn und der anhaltenden
ten, wurde er an einen Kunden aus der
Beschäftigung über die Leiharbeit ein Zu-
Automobilindustrie verliehen. Wie viele
sammenhang besteht: „Die Einarbeitungs-
seiner Kollegen: „Unser Unternehmen hat
zeit ist in den unteren Einkommensklassen
Etwa die Hälfte der Beschäftigungsverhältnisse endet nach weniger als drei Monaten
sich in den letzten Jahren verstärkt darauf
nach drei Monaten gewährleistet. Ab die-
Dauer der Beschäftigungsverhältnisse in der Leiharbeit 2001 und 2011 (jeweils zum 30. Juni)
konzentriert, den Großteil der Ingenieure
sem Zeitpunkt sollte dann der gleiche Lohn
Abweichungen in der Summe von 100 Prozent sind rundungsbedingt
und Techniker an die
jeweiligen Kunden
auszuleihen.“ Seit fünf
42 %
12 %
3 Monate
und mehr
Unter 1 Woche
46 %
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schon im gleichen Betrieb eingesetzt, macht die gleiche Arbeit
bezahlt werden. Wir sind nur so lange inte-
wie die Festangestellten, verdient aber
ressant für die Arbeitnehmer, solange wir
weniger und arbeitet unter schlechteren
günstiger sind. Ansonsten würde man uns
Bedingungen. Er muss spontan einsatzbe-
ja auch fest einstellen.“ Sie fordert deshalb
reit sein, kann seinen Urlaub nicht planen.
eine Befristung der Ausleihdauer: „Es geht
„Wenn ich einen Fehler mache, kann mich
hier nicht mehr darum, Auftragsspitzen
das schnell meinen Job kosten“, ist ihm
oder Ausfälle zu kompensieren, sondern
bewusst. Während für ihn die Leiharbeit
sich auf legale Art mit den billigsten Mit-
also vor allem Unsicherheit bedeutet, er-
teln die Taschen vollzustopfen. Dafür hal-
hofft sich der Entleihbetrieb so offensicht-
ten wir her. Das kann man nur als Ausbeu-
lich mehr Flexibilität. Doch da ist Stefan
tung und menschenunwürdig bezeichnen.“
skeptisch: „Gerade die Arbeitskräfte, die
3 Monate
und mehr
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…
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Jahren ist Stefan nun
„Ich bin bei einem Unternehmen beschäftigt, das wieder
ein Rekordjahr hinter sich hat. Aber uns Leiharbeiter
können die nicht übernehmen? Warum denn nicht?“
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Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Arbeitnehmerüberlassungsstatistik
schon seit Jahren ausgeliehen werden,
Ulrike hat in ihrem Unternehmen ähnliche
wären heute deutlich billiger, hätte man
Erfahrungen gemacht. Leiharbeit wird dort
sie rechtzeitig fest angestellt. Auch das
nicht nur phasenweise, sondern strategisch
Argument ‚Flexibilität‘ zählt nicht, da ein
eingesetzt: „Hier geht es nicht mehr darum,
Großteil von uns ja über einen langen Zeit-
Personalengpässe auszugleichen, sondern
raum ausgeliehen wird.“
darum, möglichst effizient und kostengünstig den Umsatz zu halten bzw. zu steigern.
„Um Auftragsspitzen geht es nicht“
Ein engagierter Arbeitnehmer braucht eine
Ute ist gelernte Bürokauffrau. Sie hat sich
Perspektive und nicht die ständige Angst
zehn Jahre vor allem um ihre Kinder ge-
um seinen Arbeitsplatz.“ Was die Situati-
kümmert. Nun ist sie über die Leiharbeit
on konkret für sie bedeutet? Ulrike bringt
wieder berufstätig und als Produktions-
das so auf den Punkt: „Es ist einfach nur
mitarbeiterin tätig. Bei 7,60 Euro Stunden-
demotivierend und frustrierend.“
lohn hat die alleinerziehende Mutter am
Ende des Monats kaum die Mehrkosten
heraus, die durch die Berufstätigkeit an-
52
Stellungnahmen
Was Beschäftigte in Leiharbeit der IG Metall zum Thema Übergangslösung berichtet haben – „Ich bin seit nunmehr über sieben Jahren im Betrieb, bin fest etabliert und bekleide
eine kleine Führungsposition, habe zwei abgeschlossene Berufsausbildungen und
eine entspricht genau dem, was ich jetzt mache. Was soll man denn noch tun, um
fest eingestellt zu werden? Kein Wunder, dass die guten Fachkräfte ins Ausland
gehen. Ich würde es für eine unbefristete feste Anstellung tun.“
und was sie über die unsicheren Perspektiven denken:*
„Ich war von August 2007 bis August 2009, immer befristet, beim gleichen Unternehmen
eingestellt. Dann kam die Wirtschaftskrise und ich war zehn Monate arbeitslos. Danach
habe ich die gleiche Arbeit – gleiche Maschine, gleiches Kollektiv, gleiche Arbeitszeit –
wieder aufgenommen. Nur mit dem Unterschied, dass ich nun bei einer Leihfirma bin. In
der Zeit der Arbeitslosigkeit hatte ich etwa 200 Euro mehr Arbeitslosengeld, als ich jetzt
bei der Leihfirma verdiene. Sie glauben gar nicht, wie weh es tut, wenn man weiß, was man
vorher als Mitarbeiter im selben Betrieb verdient hat, nun schon über 18 Monate die gleiche Arbeit macht und etwa die Hälfte weniger Lohn hat. Über diesen Schock werde ich nie
hinwegkommen. In meinen Augen ist das großer Betrug. Wenn ich mit den festangestellten
Arbeitern spreche und die freuen sich schon auf das Weihnachtsgeld, vergeht mir alles.“
„Ich arbeite nun seit über neun
Jahren als Leiharbeiter im selben Betrieb. Immer wieder wurde ich hin und her geschickt,
habe als Pionier neue Projekte
angefangen und durchgesetzt.
Nun bin ich müde. Die Hoffnung
auf eine sichere Arbeitsstelle und
auf mehr Sicherheit und Zukunft
für meine Familie habe ich teils
schon verloren. Vieles wurde
zwar schon erreicht, doch dann
spielt uns das Unternehmen wieder Streiche und ändert die Verträge, so dass wir keine Hoffnung
haben, übernommen zu werden.“
„Ich bin Leiharbeiter in einem Unternehmen,
bei dem ich schon 2008 befristet eingestellt
war. Wegen der Krise wurde mein Vertrag
nicht verlängert. Nun, wo sich die Auftragslage verbessert hat, wollten sie mich wieder
einstellen, konnten mich laut offizieller Aussage aber nur über eine Leihfirma nehmen,
da ich ja mal bei ihnen gearbeitet hatte.
Ich war sehr verärgert, musste es aber annehmen. Im Klartext verdient mein Kollege
nebenan, auch nur mit einem befristeten
Vertrag, knapp 1.000 Euro mehr. Wir machen die gleichen Tätigkeiten und ich habe
eine viel bessere Qualifikation als manch
anderer. Da frage ich mich manchmal, wie
ungerecht die Welt doch ist.“
„Ich finde es nicht in Ordnung, dass ein Leiharbeiter sieben Jahre in ein und demselben
Betrieb arbeitet, der Betrieb mit ihm zufrieden ist, er aber nicht übernommen wird, weil
er zu alt ist – 54 Jahre – und als Arbeiter zweiter Klasse billiger ist als eigene Leute.“
* D ie Stellungnahmen wurden im Rahmen einer Erhebung der IG Metall zusammengetragen. Dafür wurde im November 2011 eine Auswahl der
Mitglieder in Leiharbeit angeschrieben und zu ihrer Beschäftigungssituation befragt. Die Antworten beschreiben skandalöse Zustände – hier
einige anonymisierte Beiträge, ausgewählt aus den mehr als 1.000 Erfahrungsberichten. Namen und Kontaktdaten sind der IG Metall bekannt.
Zum Schutz der Befragten bleiben die Zitate anonym.
„Mein Leiharbeiterstatus besteht seit nunmehr sechs Jahren bei einer Einsatzfirma.
Was hat das mit Auftragsspitzen oder Saisonarbeit zu tun? Meistens verhindert dieser Status Leiharbeiter eine berufliche Weiterentwicklung. Zum einen wird Geld lieber
in die Stammbelegschaft investiert, zum
anderen ist es sehr schwer, unbequeme
Meinungen zu äußern. Zudem ist es meine
Erfahrung, dass man als gewerblicher Arbeitnehmer fast nur über die Leiharbeit in
einen Job kommen kann. Die Personalabteilungen der Einsatzfirmen wissen dann auch
so gut wie nichts über die Qualifizierungen
des geliehenen Personals.“
„
W ie sollen denn die Leih­
arbeitsfirmen mehr bezahlen
– da hätten sie ja keinen Lohn!
Ich habe früher in der gleichen
Firma genau die gleiche Arbeit,
auch in drei Schichten, für etwa
1.000 Euro mehr gemacht. Das
verdient jetzt der Verleiher. Da
hat man so einen Hals!“
„Ich bin jetzt fünfeinhalb Jahre
bei der Firma. In der Zeit hatte
ich nicht eine Fehlschicht, mehr
kann ich nicht für den Betrieb
tun. Die ‚Probezeit‘ muss doch
mal ein Ende haben.“
„Leiharbeit ist das Allerletzte. Ich war
34 Jahre fest bei einem Unternehmen angestellt, bis die Geschäftsführung 2003 beschloss, die Firma
zu verlagern. Seit knapp vier Jahren
mache ich jetzt Leiharbeit. Das Geld
reicht hinten und vorne nicht. Jeden
Monat muss ich 200 bis 400 Euro
vom Ersparten abheben. Die Leiharbeitsfirma muss sich um mich gar
nicht mehr kümmern, da ich schon
seit dreieinhalb Jahren in einer Firma
arbeite. Dass so etwas überhaupt
möglich ist!“
„Ich finde es erschreckend, dass Leiharbeiter
zwei bis drei Jahre am selben Einsatzort beschäftigt sind, die gleiche bzw. mehr Arbeitsleistung erbringen als Festangestellte und dennoch keine Aussicht auf eine Übernahme haben.
Man hat das Gefühl, dass die Angst vor Arbeitslosigkeit ausgenutzt wird. Man könnte denken,
dass Leistung einfach ‚übersehen‘ wird, keine
Übernahme erfolgt und die Leiharbeiter einfach
abgemeldet werden, wenn sie mal nicht ihre
150 Prozent leisten und damit ‚unangenehm’
auffallen. Die Leiharbeit hat ihren Sinn verloren
und ist außerdem schlecht bezahlt.“
Foto: Privat
54
Jens Köhler
„Eigentlich gibt es unter den
Beschäftigten vier Klassen“
Interview mit Jens Köhler
Leiharbeit zurückzugreifen. Wenn dadurch
aber – um im Fußballbild zu bleiben – sie
aber auf Dauer Arbeitsplätze besetzt wer-
stehen im unteren Drittel, in der Abstiegs-
den, im Angestelltenbereich wie in der
zone. BMW versucht schon, die Leiharbei-
Produktion, haben wir ein Problem damit.
ter komplett in den Arbeitsprozess einzubeziehen, sie sind fester Bestandteil der
Was kennzeichnet die Leiharbeiter im
Gruppen. Aber nichtsdestotrotz gibt es
Betrieb, wie unterscheiden sie sich von
gewichtige Unterschiede.
den Festangestellten?
Leiharbeit und Werkverträge spalten Be-
Wie viele Leiharbeiter gibt es derzeit im
Im Mittel sind die Leiharbeiter drei bis
Welche sind das?
legschaften. Dadurch fühlen sich nicht
BMW-Werk Leipzig?
vier Jahre im Betrieb. Wir haben aber auch
Der wichtigste Unterschied zeigt sich am
nur Leihbeschäftigte wie Arbeiter zweiter
Zurzeit sind wir in Leipzig rund 2.700
Arbeiter, die seit acht Jahren bei uns ein-
Lohntag: Da bekommen die Leiharbeiter
Klasse, sondern durch die unternehme-
Stammmitarbeiter. Dazu kommen 1.100
gesetzt sind. Im Durchschnitt sind die
weniger als die Stammmannschaft. Und die
rische Entscheidung bildet sich sogar
Leiharbeiter, die bei BMW arbeiten. Seit
Leiharbeiter ähnlich qualifiziert wie die
Leiharbeiter wissen eben nicht, wie lange
ein eigenes Klassensystem heraus, sagt
die Produktion im Jahr 2005 startete, ist
Festangestellten, wobei man sagen muss,
sie noch bei uns sind.
Jens Köhler, Betriebsratsvorsitzender im
die Leiharbeit konstant auf diesem Level:
dass es immer schwieriger wird, qualifizier-
BMW-Werk Leipzig, wo die BMW-1er-Reihe
rund ein Drittel Leiharbeiter und zwei Drit-
te Facharbeiter, also Automobilwerker, zu
Wie groß ist der Lohnunterschied?
und der BMW X1 vom Band rollen. Auf der
tel Stammbelegschaft. Während der Krise
finden. Und wir sehen, dass die Leiharbei-
Wir haben zwar kein Equal Pay, doch be-
unteren der ungewollten Hierarchiestufen
hat BMW die damals 800 Leiharbeiter ab-
ter im Schnitt jünger sind als die Stamm-
kommen die Leiharbeiter das reguläre
stehen diejenigen Leiharbeiter, die nicht
gemeldet, sie aber nach sechs Monaten
mannschaft, auch wenn es zum Alter keine
Grundentgelt der Metall- und Elektroin-
im Unternehmen selbst, sondern bei Werk-
relativ schnell wieder gebraucht.
Zahlen gibt.
dustrie. Wegen der leistungsabhängi-
vertragsfirmen beschäftigt sind. Für die
gen Bestandteile, die Leiharbeiter nicht
Leiharbeiter bei BMW konnte tarifvertrag-
Wo fängt für Sie der Missbrauch der
Die Statistik zeigt, dass Jüngere oft gar
bekommen, beträgt der Unterschied zur
lich bereits ein Grundgehalt ausgehandelt
Leiharbeit an?
keinen anderen Weg auf den Arbeits-
Stammmannschaft monatlich ungefähr
werden, das dem der Stammbelegschaft
Über die Quote möchte ich das gar nicht
markt finden als über Leiharbeit. Viele
zehn Prozent. Für den Rest der Entgelt-
entspricht. Doch auf die Werkverträge hat
definieren. Es geht darum, dass Dauerar-
fühlen sich als Mitarbeiter zweiter
und Sozialbedingungen gelten die Tarif-
der Betriebsrat keinen Einfluss.
beitsplätze nicht mit Leiharbeit ersetzt wer-
Klasse.
verträge des BZA. Dadurch ergeben sich
den sollen. Es hat niemand etwas dagegen,
Aus der Ausbildung werden bei uns fast alle
Unterschiede beim Urlaubsanspruch,
bei Saisonschwankungen, für Urlaubs- und
Auszubildenden in der Regel unbefristet
der bei den Leiharbeitern nach Dauer der
Krankheitsvertretungen sowie bei Projek-
übernommen. Und es gibt tatsächlich auch
ten, die über einen überschaubaren Zeit-
Festanstellungen. Vielleicht fühlen sich die
raum von maximal zwei Jahren laufen, auf
Leiharbeiter bei uns nicht als zweite Klasse,
56
Betriebszugehörigkeit gestaffelt wird,
den Speisen und Getränken haben wir die-
strikte Trennung, entweder schon bei den
und bei den Nachtzuschlägen, die für
se Gleichstellung vor fünf Jahren erreicht,
Hallen oder durch ein Liniensystem, wenn
Leiharbeiter in der Spätschicht erst ab
das heißt: Leiharbeiter zahlen seither in
sich die Werkvertragspartner und BMW
23 Uhr und nicht schon ab 20 Uhr gelten.
der Kantine das Gleiche, sie bekommen
in der gleichen Halle befinden. Auf der ei-
Es gibt für sie weniger Urlaubsgeld, ein
also auch den Zuschuss von BMW. Bei der
nen Seite arbeitet dann der BMWler und
viel geringeres Weihnachtsgeld und kei-
Weiterqualifizierung sind die Leiharbeiter
auf der anderen Seite der Kollege mit dem
partner. Ist ein Zuliefererprodukt wie der
ne erfolgsabhängigen Zahlungen, wie wir
mit einbezogen, wenn es um kurzfristige,
Werkvertrag. Der Umfang dessen ist in
Sitz mangelhaft, kann ich das schneller
sie bei der Stammmannschaft haben. In
stunden- oder tageweise Produktschulun-
den letzten Jahren gleich geblieben – und
lösen, wenn ich die Stellen mit eigenen
der Folge betragen die Unterschiede beim
gen geht – nicht aber bei Fortbildungen von
gleichermaßen unbefriedigend, würde ich
Leuten besetzt habe. Andernfalls muss im-
Jahresentgelt zehn bis dreißig Prozent,
mehreren Wochen und Monaten.
aus Betriebsratssicht sagen. Denn auf die
mer die Hierarchie eingehalten werden, das
Werkverträge haben wir als Betriebsrat gar
Problem muss dann an die entsprechenden
keinen Einfluss.
Mitarbeiter bei BMW und beim Partner be-
wenn man das über den gesamten ZeitNeben Leiharbeit setzen Unternehmen
raum betrachtet.
vermehrt auf Werkverträge – auch im
richtet werden, die miteinander im Kontakt
Welche Unterschiede gibt es noch im Ar-
BMW-Werk Leipzig?
Bei welchen Arbeitsschritten wird auf
sind. Die am Band stehen, dürfen nämlich
beitsalltag?
BMW hat das Werk in Leipzig so konzi-
Werkverträge zurückgegriffen?
nicht miteinander kommunizieren, sonst
Bei der Ausstattung sind die Leiharbeiter
piert, dass hier ca. 2.000 Beschäftigte
Die Dienstleister übernehmen wichtige Pro-
ist das illegale Arbeitnehmerüberlassung.
gleichgestellt, sie bekommen die gleiche
bei sogenannten Werkvertragspartnern
duktionsschritte. Sie machen zum Beispiel
Der Aufwand, um die gewünschte Qualität
Kleidung wie die BMW-Stammwerker. Bei
oder Dienstleistern arbeiten. Es gibt eine
die Cockpits, fertigen die Achsen, kom-
zu erreichen, ist dadurch größer.
plettieren die Türen, stellen die Sitze auf
Die Arbeitgeber spalten die Betriebe zunehmend
in Stamm- und Randbelegschaften
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denn bei BMW – und wie viele bei den
zur eigentlichen Arbeit des Automobilisten
Werkspartnern?
gehören. Dann gibt es noch die klassischen
Wir haben im Werk insgesamt rund 6.000
Werkverträge in der Kantine, bei der Werks-
Beschäftigte. Davon sind, wie gesagt,
sicherheit oder in der IT-Betreuung, gegen
2.700 bei BMW und 1.100 bei Leihfirmen
die wir im Prinzip nichts haben. Doch was
tätig, weitere 2.200 arbeiten bei den Werks­
darüber hinausgeht, diese direkte Abhän-
partnern. Bei vielen von denen ist das Ver-
gigkeit in der Produktion, die stört uns.
hältnis Stammbelegschaft zu Leiharbeitern
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ähnlich wie bei BMW, so dass wir davon
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Wie viel Prozent der Leute am Band sind
umfassen also relativ viele Tätigkeiten, die
Beschäftigte
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dem Werksgelände her. Die Werkverträge
Quelle: IG Metall
Wie ist das gemeint?
ausgehen, dass von den 2.200 Mitarbei-
Die Abhängigkeit entsteht, weil die Werk-
tern der Werksfirmen ebenfalls ein Drittel
vertragspartner direkt in die Produktions-
in Leiharbeit ist. Um also noch einmal auf
kette eingebunden sind. Wenn es dann
die Klassengesellschaft zurückzukommen:
beim Fertigen des Autos ein Problem gibt,
Eigentlich gibt es unter den Beschäftigten
wird es relativ kompliziert, denn die Män-
vier Klassen: BMW-Stammbelegschaft,
gelbeseitigung erfolgt über die Werks­
BMW-Leiharbeiter, Werkvertragsstamm­
mitarbeiter und Werkvertragsleiharbeiter.
In dieser Reihenfolge ist auch die Bezahlung abgestuft.
57
58
Auch aktuell setzen Sie sich für die
Leiharbeitnehmer ein.
Wir haben die Zustimmung zur Vertragsverlängerung von Leiharbeitern verweigert,
damit Druck auf der Arbeitgeberseite entsteht. Aber wir haben immer betont, dass
wir an einer internen Lösung interessiert
sind. Parallel zu den Gerichtsprozessen re-
Was können Sie als Betriebsrat für die-
den Unternehmensleitung und Betriebsrat
se unteren Klassen tun?
miteinander. Der Fokus liegt für uns auf ei-
Für die Werkverträgler können wir gar
ner überbetrieblichen Lösung, um am Ende
nichts tun, da fehlen uns sämtliche Rech-
nicht nur für Leipzig, sondern für die ganze
te, kein Paragraf im Betriebsverfassungs-
BMW AG Deutschland eine Regelung zum
gesetz gibt uns dazu die Möglichkeit. Wir
Thema flexibles Personal zu finden. Ich
haben lediglich ein Informationsrecht, so
glaube, dass es in den nächsten Monaten
dass wir die Verträge anfordern und ein-
eine Lösung geben wird – ich bin da zuver-
sehen können, die Laufzeiten, die entste-
sichtlich. Wir sind im Gesamtbetriebsrat
henden Kosten. Aber in meiner Funktion als
gut vernetzt. Denn die Leiharbeit ist nicht
Betriebsrat weiß ich nicht, was die Leute
nur eine Leipziger Problematik, auch wenn
am Ende verdienen.
sie hier extrem zugespitzt ist.
Wie sieht das bei den Leiharbeitern aus?
Dass Leiharbeiter bei BMW nun tarifvertraglich das Grundgehalt der Metall- und
Elektroindustrie bekommen, wurde zwischen der IG Metall und den Zeitarbeitsfirmen vereinbart, und das haben wir maßgeblich als Betriebsrat von Leipzig aus
angestoßen. Nur deshalb bekommen die
Leiharbeiter hier eine bessere Bezahlung
als die Werkvertragspartner rundherum.
Selbst wenn es erstmal noch zehn Prozent
im Monat weniger sind, ist es für jeden
Einzelnen eine Stange Geld und damit ein
Riesenerfolg. Ein weiterer Erfolg ist es, dass
Leiharbeiter bei neuen Festeinstellungen
mittlerweile als Erste berücksichtigt werden. Das sind schon zwei Pluspunkte.
„Im Einsatzbetrieb bin ich seit Mai 2007, ohne Unterbrechung, immer nur drei Monate Verlängerung!“
60
Mitbestimmung, befristet – oder in Leiharbeit, unter einem anderen Tarifvertrag
Foto: Privat
und ein Stück weit an der Mitbestimmung
Dr. Hajo Holst
vorbei. In der Krise zeigte sich die strategische Funktion der Leiharbeit besonders.
zielt diese Betriebe anzuschauen und zu
Wo es Absatzschwierigkeiten gab, wurden
fragen: Was passiert da? Was sind die Stra-
zuerst die Leiharbeiter entlassen.
tegien dahinter und welche Folgen hat das?
Mancher warnt vor Alarmismus. Nur
„Der Weg in den Betrieb führt
dann nur noch über Leiharbeit“
Interview mit Dr. Hajo Holst
Sie haben dafür den Begriff der
knapp drei Prozent der Beschäftigten in
strategischen Nutzung von Leiharbeit
Deutschland sind in Leiharbeit tätig.
verwendet.
Formalstatistisch stimmt das. Die große
Der Begriff bezieht sich darauf, dass Leih-
Mehrheit der Betriebe nutzt keine Leihar-
arbeit in den neuen Nutzungsformen zu
beit. Wenn man aber genauer hinschaut,
einem Teil der strategischen Unterneh-
merkt man: Leiharbeit ist ein Phänomen
mensführung wird. Die Stammbelegschaft
von Großbetrieben. Jeder zweite Großbe-
Zukünftige Kosten vermeiden, aktuelle
wird über Budgets oder eine Kopfzahl
trieb mit mehr als 250 Beschäftigten setzt
Kosten reduzieren: Der neue strategische
gedeckelt. Wird mehr Personal benötigt,
inzwischen Leiharbeit ein, fast die Hälfte
Einsatz der Leiharbeit ist mit einem dop-
geht das nur über externe Arbeitskräfte,
davon intensiv mit einem Anteil von mehr
pelten Blick auf die Kosten verbunden,
die sich die Produktionsverantwortlichen
als 20 Prozent der Belegschaft. Und sie
sagt der Soziologe Dr. Hajo Holst. Aus
nötigtem Know-how. Oder der Einsatz gilt
über Leiharbeit oder Werkverträge in den
ist ein Branchenphänomen, vor allem im
einem personalpolitischen Instrument
kurzfristigen Auftragsspitzen, die mit dem
Betrieb holen müssen. Unsere Prognose
verarbeitenden Gewerbe, der Metall- und
sei mittlerweile ein Baustein der strategi-
klassischen Instrument der Arbeitszeitfle-
ist, dass sich diese strategische Nutzung
Elektroindustrie und der Automobilbran-
schen Unternehmensführung geworden.
xibilität der Stammbelegschaft nicht mehr
weiter ausbreitet.
che. Bei den Fertigungs- und Montagear-
Holst erklärt, warum die Leiharbeit von
aufzufangen sind. In beiden Fällen orien-
einigen Betrieben schon längst nicht mehr
tiert sich Leiharbeit reaktiv an gegenwärti-
Welches Ziel verfolgt man damit?
als sechs Prozent, jeder dritte Hilfsarbeiter
als Überganglösung gesehen wird, wel-
gen Problemen im Arbeitsprozess. Das hat
Ziel ist einerseits die zukunftsorientierte
ist inzwischen als Leiharbeitnehmer ange-
che Branchen und Tätigkeiten besonders
sich infolge der Reform 2004 gewandelt.
Absicherung gegen das Kapazitätsrisiko.
stellt. Bestimmte Arbeitsmarktsegmente
Leiharbeit dient als Vorsorge gegen Ab-
trifft es also besonders.
betroffen sind – und er beschreibt den
beiten liegt der Leiharbeitsanteil bei mehr
Mechanismus, wie gerade in Krisenzeiten
Was ist nach der Deregulierung der
satzschwankungen, bei einem Auftrags-
reguläre Arbeitsplätze durch Leiharbeit
Arbeitnehmerüberlassung im Zuge der
einbruch können die Arbeitskosten relativ
verdrängt werden.
Hartz-Reformen passiert?
schnell reduziert werden. Das zweite Ziel
Leiharbeit wurde seither in immer mehr
betrifft die gegenwärtige Kostenkalkulati-
Sie haben zum Funktionswandel der Leih-
Betrieben dauerhaft eingesetzt. So häuf-
on. Durch die Tarifverträge in der Leiharbeit
arbeit geforscht. Was ist damit gemeint?
ten sich die Berichte, dass Leiharbeitneh-
entstand im Grunde eine niedrigere zwei-
Im klassischen Sinn ist der Einsatz von
mer drei oder vier Jahre auf dem gleichen
te, dritte und vierte Lohnebene. Und seit
Leiharbeit ein befristetes Übergangsphä-
Posten arbeiten oder dass in manchem
2004 ist Leiharbeit eine legitime personal-
nomen. Es geht um Ersatz für Personal,
Betrieb 30 bis 40 Prozent der Belegschaft
politische Option. Die Personalabteilung
das krank ist oder im Urlaub, und um den
über Leiharbeit beschäftigt sind. Beides
kann sich entscheiden, wie sie jemanden
Einkauf von spezifischem, kurzfristig be-
war neu. Für uns war das der Anlass, ge-
einstellt: fest, mit Flächentarifvertrag und
62
denden Einfluss darauf, wie sich dieser
Sie haben im Rahmen Ihrer Forschungs-
Statusunterschied auswirkt. So pro-
arbeit viele Gespräche in den Betrieben
duzier t die strategische Nutzung der
geführt. Welche Statusunterschiede be-
Leiharbeit größere Spannungen als eine
lasten Leiharbeitnehmer besonders?
Wie sehen diese Schließungseffekte aus?
Dennoch nutzt die Mehrheit der
qualitätsorientierte Personalpolitik, die
Im Grunde sind es drei Punkte: die mate-
Setzt sich in bestimmten Branchen und
Betriebe keine Leiharbeit. Warum?
Leiharbeit nur bei Auftragsschwankun-
rielle Schlechterstellung, die Zukunftsun-
auf regionalen Arbeitsmärkten die strate-
Um Leiharbeit wirkungsvoll einzusetzen,
gen oder Personalengpässen einsetzt.
gewissheit und die mangelnde soziale und
gische Nutzung durch, wird dort nur noch
braucht man zunächst eine professiona-
Wichtig ist auch das Verhalten der Inte-
rechtliche Integration. Nicht wenige ver-
über die Leiharbeit eingestellt. Die Betrie-
lisierte Personalpolitik. Dafür muss das
ressenvertretung und der Vorgesetzten.
wenden den Sklavenbegriff, haben das Ge-
be ersetzen so abgewanderte Stammkräf-
Unternehmen eine bestimmte Größe ha-
Versuchen die, Statusunterschiede auf-
fühl, Arbeitnehmer zweiter Klasse zu sein.
te, rekrutieren aber selbst keine Beschäf-
ben – unter den Großbetrieben nutzen ja
zufangen? Das ist zwar anstrengend, aber
Ihr niedriger Status erschwert es ihnen,
tigten direkt auf dem Arbeitsmarkt. Für
48 Prozent Leiharbeit. Dann gilt: Je höher
umso wichtiger. Selbst Scherze werden
ihre Rechte im Betrieb wahrzunehmen. Der
Erwerbslose führt der Weg in den Betrieb
der Qualifizierungsaufwand, desto weni-
aus unsicherer Position heraus anders
Gedanke ist: Ich will übernommen werden.
dann nur noch über Leiharbeit. Die Ver-
ger ist ein Bereich überhaupt für Leihar-
wahrgenommen. Auf der anderen Seite
Kann ich dann meinem Vorgesetzten wi-
drängung passiert allerdings nicht eins
beit geeignet. Zudem birgt der strategi-
gibt es allerdings auch Vorgesetzte, die
dersprechen? Selbst wenn dieser Fehler
zu eins, als direkte Substitution, sondern
sche Einsatz von Leiharbeit Risiken. Die
diese Statusunterschiede missbrauchen.
macht, halten sie sich zurück. Es reicht
über Konjunkturzyklen. In der Krise wer-
Fokussierung auf das Kapazitätsrisiko
Sie wissen, dass die Leiharbeitnehmer
demnach nicht aus, die Rechte der Leute
den Normalbeschäftigte entlassen, im
führt zu einer Einschränkung der funkti-
samstags zur Extraschicht kommen, die
zu stärken. Man muss die Leute auch in die
nächsten Aufschwung kommen stattdes-
onalen Flexibilität der Arbeitskräfte. Weil
unliebsamen Aufgaben machen – und
Lage versetzen, ihre Rechte zu nutzen.
sen Leiharbeitnehmer. Am größten sind
Leiharbeitnehmer oft nicht so qualifiziert
nutzen das aus.
die Schließungseffekte in den Branchen
Welchen Einfluss hat die strategische
mit einer hohen Intensivnutzung der Leih-
ziert das ihre Einsatzmöglichkeiten. Und
Welches Gewicht hat der Betriebsrat?
Nutzung der Leiharbeit auf die Probleme
arbeit. Es gibt Unternehmen, die haben
Leiharbeit provoziert Instabilitäten im
Wir sind eine Belegschaft und behandeln
der Leiharbeiter?
in ganz Europa seit Jahren keine Beschäf-
Arbeitsprozess, Konflikte, Konkurrenzen,
uns gegenseitig gleich: Wenn Betriebsräte
Das ist ambivalent. Einerseits sagen sich
tigten mehr für Produktion und Montage
Motivationsprobleme. Eine Studie des
die Stammbeschäftigten so mobilisieren,
Leiharbeitnehmer: Wenigstens bin ich
fest eingestellt. Da wird die strategische
DIW zeigt, dass es offensichtlich einen
kann das die Statusunterschiede kom-
jetzt zwei oder drei Jahre im selben Be-
Nutzung auf die Spitze getrieben.
Umschlagpunkt gibt und die Lohnstück-
pensatorisch einhegen. In vielen Betrie-
trieb, muss nicht mehr ständig wechseln.
kosten ab einem bestimmten Niveau von
ben gibt es sogar Koalitionen zwischen
Häufig bekommen sie ein bisschen mehr
Literatur
Leiharbeit sogar deutlich ansteigen.
Betriebsräten und direkten Vorgesetzten.
Geld, die soziale Integration verbessert
Hajo Holst, Oliver Nachtwey, Klaus Dörre
werden wie eigene Arbeitskräfte, redu-
Ein Vorgesetzter mit einem Drittel Leihar-
sich. Man darf nicht vergessen, dass die
(2009): Funktionswandel von Leiharbeit.
Können Sie diese Instabilitäten
beitnehmer in seiner Mannschaft hat ein
häufigen Wechsel anstrengend und belas-
Neue Nutzungsstrategien und ihre arbeits-
näher beschreiben?
Interesse daran, dass seine Mitarbeiter
tend sind. Andererseits gibt es aber auch
und mitbestimmungspolitischen Folgen,
Durch Leiharbeit wird grundsätzlich ein
sozial integriert sind, dass sie mitgenom-
Schließungseffekte, so dass der Übergang
OBS-Arbeitsheft 61.
Statusunterschied in die Belegschaft
men werden und gut arbeiten können. Für
in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis
getragen, der das Miteinander prägt.
das Produktionsergebnis ist er auf ihre
schwerer wird, wenn Unternehmen Leihar-
Die Managementstrategie hat entschei-
Arbeitsleistung angewiesen.
beit strategisch einsetzen.
64
trieb „kleben bleiben“, bildet die seltene
Ausnahme, Festanstellungen erfolgen
häufig erst auf Druck des Betriebsrats. Die
Übernahmequote ist deutlich niedriger als
die von den Arbeitgebern behauptete von
30 Prozent.
So zeigt ein Forschungsbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Moderne Mythen: Leiharbeit als
Weg auf den Arbeitsmarkt?
(IAB), dass der Anteil übernommener Leiharbeitskräfte an allen Leiharbeitskräften
in den Unternehmen im ersten Halbjahr
2008 bei sieben Prozent lag. Dabei wurden
auch diejenigen Leiharbeiter berücksichtigt, die nicht direkt in die Festanstellung
Leiharbeit ist eine Brücke auf den Ar-
dass überhaupt so viele Menschen auf
wechselten, sondern in der Vergangen-
beitsmarkt, und gute Leiharbeiter über-
Leiharbeit angewiesen sind. Die aktuellen
heit überhaupt einmal in Leiharbeit bei
nimmt der Einsatzbetrieb. So lauten gän-
Zahlen aus dem Bericht zur Arbeitnehmer-
ihrem späteren Arbeitgeber beschäftigt
Befürworter bezeichnen die Leiharbeit
gige Mythen über die Leiharbeit. Dazu
überlassung der Bundesagentur für Arbeit
waren. Den direkten Sprung ins Stamm-
auch gerne als eine „Brücke auf den Ar-
passt die nicht beleg te Behauptung
belegen das.
personal schafften wohl eher noch weni-
beitsmarkt“: Erwerbslose würden über
ger Personen.
Leiharbeit langfristig wieder in Beschäfti-
des Bundesarbeitgeberverbandes der
gung finden. Wenn sie schon nicht direkt
Personaldienstleister(BAP) Ende 2011,
Nur jeder zehnte der zwischen Juni 2010
Kunden überführten wegen der konjunk-
und Juni 2011 neu eingestellten Leiharbei-
Dabei haben bei der jüngsten IGM-Erhe-
vom Entleiher übernommen würden, so
turbedingt guten Auftragslage gerade „im
ter war vorher langzeitarbeitslos, also län-
bung 88 Prozent der befragten Leihar-
verbesserten sich dennoch ihre Chancen
großen Stil“ Leiharbeiter ins Stammper-
ger als ein Jahr ohne Beschäftigung. Fast
beiterinnen und Leiharbeiter angegeben,
auf dem Arbeitsmarkt. Leiharbeit also als
sonal. Die Realität sieht anders aus: Die
die Hälfte der neu eingestellten Leiharbei-
dass eine Übernahme in ein Stammar-
eine Art Vorbereitung auf die Normalbe-
Übernahme von Beschäftigten in Leihar-
terinnen und Leiharbeiter hatte erst in den
beitsverhältnis für sie „sehr wichtig“ ist,
schäftigung? Der geringe Anteil derjenigen
beit ist die Ausnahme und oft genug nur
zwölf Monaten zuvor eine andere Stelle
weiteren zehn Prozent ist sie „wichtig“.
Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, die zu-
verloren. Das heißt, sie
Kein Wunder, wenn der langfristige Ein-
vor überhaupt langzeitarbeitslos waren,
wurden in der Krisenzeit
satz von Leiharbeitern immer häufiger der
stimmt skeptisch. Um den Brückeneffekt
entlassen und fanden
Fall ist. Bei der Umfrage hat mehr als die
tatsächlich überprüfen zu können, muss
anschließend nur über
Hälfte der Befragten angegeben, bereits
man den Blick jedoch auf die Beschäfti-
die Leiharbeit einen Job.
länger als ein Jahr im gleichen Einsatzbe-
gungsphasen nach der Leiharbeit rich-
Leiharbeit verdrängt so
trieb beschäftigt zu sein. Mehr als 4.000
ten. Hierbei zeigt sich, dass der Anteil
feste Stellen und wird
IG-Metall-Mitglieder in Leiharbeit haben
derjenigen, die über die Leiharbeit in ein
sich an der Erhebung beteiligt.
reguläres Arbeitsverhältnis finden, klein
„Seit Ende meiner Ausbildung 2006 arbeite ich nur in der
Leiharbeitsbranche. Immer wieder vertröstet man uns
auf Festanstellung am Sankt-Nimmerleins-Tag. Durch die
Hire-and-Fire-Situation konnte ich bisher keine Familie
gründen, keinen Führerschein machen und so weiter.“
dem massiven Druck der Betriebsräte im
für Beschäftigte zu einer willkürlich ver-
Einsatzbetrieb zu verdanken. In der Krise
längerten Probezeit mit unsicherem Aus-
ist. Wesentlich mehr Personen bleiben in
vor zwei Jahren wurde Leiharbeitern vor
gang. Denn der sogenannte Klebeeffekt,
der Leiharbeit hängen oder fallen in die
allem gekündigt. Konjunkturbedingt ist,
nämlich dass Leiharbeiter im Einsatzbe-
Arbeitslosigkeit.
66
Die Studien, die Klebeeffekt und Brückenfunktion untersuchen, sind immer nur
Momentaufnahmen. Neben der konjunk-
Die Brücke auf den Arbeitsmarkt ist nur ein schmaler Steg: Lediglich sieben Prozent
turellen Lage beeinflussen weitere Fakto-
der ehemals arbeitslosen Leiharbeitskräfte finden eine dauerhafte Festanstellung
ren die individuellen Übernahmechancen.
Innerhalb von zwei Jahren nach der Überlassung waren Leiharbeiter überwiegend* …
Zum Beispiel die Art der Tätigkeit: Wer im
Einsatzbetrieb als Hilfsarbeiter beschäftigt ist, wird seltener fest eingestellt als
ein Spezialist. Oder die rechtliche Lage:
Im Dezember 2011 wur-
„Ich bin der Meinung, dass ein Leiharbeitsverhältnis
spätestens nach zwölf Monaten in eine Festanstellung
verwandelt werden sollte, selbst wenn die zeitlich begrenzt ist. Schließlich will auch ein Leiharbeiter seine
Zukunft, Familie, Kinder planen, was in der Leiharbeit
aber leider nahezu unmöglich ist.“
de das Arbeitnehmer­
7 %
…
überlassungsgesetz um
den Passus ergänzt,
dass eine Überlassung
immer „vorübergehend“
erfolge. Allerdings hat
der Gesetzgeber das
Eine IAB-Untersuchung hat die Erwerbs-
nicht definiert, einschlägige Urteile von
verläufe von Leiharbeitskräften des Jah-
Arbeitsgerichten stehen noch aus. Die
res 2006 ausgewertet. Dafür wurden die
Entscheidung der Gerichte wird noch über
vorhergehenden und die auf die Leiharbeit
mehrere Instanzen gehen. Mit einer end-
folgenden Beschäftigungsverhältnisse ana-
gültigen Entscheidung ist erst in mehreren
lysiert, in einem Gesamtzeitraum von vier
Jahren zu rechnen. Viele hoffen darauf.
Jahren. Die Ergebnisse zeigen: Nur sieben
Prozent der vormals Arbeitslosen schaffen
es, im Zweijahreszeitraum nach der Leihar-
Literatur
beit überwiegend beschäftigt zu bleiben
Florian Lehmer, Kerstin Ziegler (2010): Brü-
und die Leiharbeit komplett hinter sich zu
ckenfunktion der Leiharbeit: Zumindest ein
lassen. 57 Prozent hingegen sind auch zwei
schmaler Steg, IAB-Kurzbericht Nr. 13.
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Quelle: Integrierte Erwerbsbiografien (IEB), Institut
35 %
10 %
25 %
22 %
für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
Jahre nach der Leiharbeit arbeitslos oder
weisen einen „unstetigen Erwerbsverlauf“
Andreas Crimmann, Kerstin Ziegler, Peter
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) untersuchte die Beschäfti-
aus. Das Fazit der Autoren fällt entspre-
Ellguth, Susanne Kohaut, Florian Lehmer
gungsverhältnisse von Leiharbeitskräften vor und nach ihrer Überlassung im Jahr 2006.
chend nüchtern aus. Für sie ist Leiharbeit
(2009): Forschungsbericht zum Thema
Von den 25 Prozent der Leiharbeitskräfte, die innerhalb der vorhergehenden zwei Jahre
„keine breite Brücke, sondern wohl eher
„Arbeitnehmerüberlassung“, IAB (zugl.:
überwiegend arbeitslos gemeldet waren, fanden in den folgenden zwei Jahren nur sieben
ein schmaler Steg aus der Arbeitslosigkeit
Bundesministerium für Arbeit und Soziales:
Prozent eine reguläre Beschäftigung außerhalb der Leiharbeit.
in Beschäftigung außerhalb der Branche“.
Forschungsbericht Arbeitsmarkt, Nr. 397).
* überwiegend = mindestens 365 Tage im Zweijahreszeitraum
67
68
innern. Damals brach sich ein Kollege den
Fuß, hatte Schmerzen. Trotzdem musste
er weiter schleppen. „Keiner wollte den
Krankenwagen rufen. Der Einsatzbetrieb
sagte nur: ‚Ich habe dich für den Tag be-
Nahaufnahme:
Martin, Leiharbeiter
stellt, jetzt sollst du auch arbeiten.‘ Das
Finanziell hat sich durch die Übernahme
war das Schlimmste, was ich jemals in der
für Martin nicht viel geändert. Ob Leihar-
Zeitarbeit erlebt habe.“
beiter oder Festangestellter, der Stundenlohn ist gleich geblieben. Dennoch ist es
Wechselnde Aufgaben, viel Hin und Her,
für ihn nach Jahren in der Leiharbeit eine
oft körperlich anstrengende Tätigkeiten –
Erleichterung, nun unbefristet und fest zur
für Martin brachte die Leiharbeit lange Zeit
Stammbelegschaft zu gehören. Als Famili-
„Ich habe mir von der Leiharbeit nie viel
vorgekommen, erinnert er sich, dass ein
kaum Stabilität mit sich. Obwohl er eine
envater mit zwei Kindern sagt er: „Mir geht
versprochen. Insofern konnte ich davon
Verleiher den Arbeitsvertrag mit der Ein-
zertifizierte Qualifikation nachweisen
es um Planungssicherheit. Mit Familie
auch nicht enttäuscht werden“, sagt
satzzeit synchronisierte.
kann und selbst schon als Ausbilder tätig
denkt man darüber nach, mal in Urlaub zu
war, hieß es oft: niedrige Einstufung bei
fliegen, einen Kredit aufzunehmen, einen
Martin schulterzuckend. „Ich wusste von
Anfang an, dass das moderner Sklaven-
Stapelweise Angebote – immer Leiharbeit
den Entgeltgruppen, schlechte Bezahlung.
Fernseher zu kaufen. In der Leiharbeit ist
handel ist. Die Leute werden verkauft,
Die Arbeitsagentur schickte dann gleich
Bis auf 6,70 Euro wurde Martins Stunden-
man doch jederzeit abmeldbar. Die sagen
um Arbeit zu verrichten. Und oft wird man
den nächsten Stapel Angebote. Darunter
lohn in manchem Einsatzbetrieb gedrückt.
einfach: Jetzt ist Schluss. Und das war’s
nicht viel besser bezahlt als ein Sklave“,
kein einziges von einem Unternehmen,
Doch 800 Euro netto monatlich reichen
dann.“ Selbst befristet wäre ihm die Fest-
fügt er in sachlichem Ton hinzu. Für ihn
sondern nur Adressen sogenannter Per-
nicht zum Leben. „Dann bekommt man
anstellung lieber gewesen, um wenigstens
ist das keine neue Erkenntnis, sondern
sonaldienstleister. Sackgasse Leiharbeit
Stütze, geht ja nicht anders.“
ein, zwei Jahre Stabilität zu haben.
langjährige Erfahrung. Martin kennt den
also? An Beständigkeit und Zukunftspla-
Arbeitsmarkt fast nur aus dieser Perspek-
nung war nicht zu denken: „Für mich war
„Kein Mensch hält das durch“
Trotz Boom kaum Festeinstellungen
tive. Nach zwölf Jahren in der Leiharbeit
Leiharbeit immer damit verbunden, dass
Seit einigen Monaten hat Martin nun einen
Die erneuerbaren Energien sind eine
weiß er, wovon er spricht.
einem sofort gekündigt werden kann – und
neuen Job, diesmal aber keine neuen Kol-
Boombranche. Auch in Martins Betrieb
auch wird“, sagt er. Selbst Krankheit ge-
legen und keinen neuen Arbeitsweg. Denn
läuft die Produktion auf Hochtouren. Doch
Ungefähr 15 verschiedene Verleiher hat
fährdete den Arbeitsplatz: „Ich war mal bei
neu ist der Job nur auf dem Papier. Sein
statt neue Mitarbeiter einzustellen, setzen
Martin in den letzten Jahren kennenge-
einer Firma, die hat die Leute entlassen,
früherer Entleiher hat ihn übernommen.
die Firmen auf Leiharbeit. Dabei geht es
lernt, so genau erinnert er sich nicht mehr.
wenn sie in der Probezeit krank wurden.
Martin ist in die Stammbelegschaft ge-
nicht um einen kurzfristigen Flexibilitäts-
„Alle großen Firmen habe ich durch, und
Wenn sie wieder gesund waren, wurden
rutscht und nun direkt beim Unternehmen
puffer: „Bei uns sind die aktuellen Leis-
einige kleine. Eine schuldet mir sogar noch
sie erneut eingestellt. Es ging nur darum,
angestellt. Zuvor war er bereits über Jahre
tungsspitzen dauerhaft, die Auftragsbü-
700 Euro, die mir für eine Schutzausrüs-
das Gehalt nicht weiter zahlen zu müssen.“
als Leiharbeiter in diesem Betrieb – sein
cher sind voll bis 2020. Das sind noch acht
tung abgezogen wurden, die ich nie ge-
Obwohl Martin viele verschiedene Einsät-
längster Einsatz. Und sein letzter, wie er
Jahre. Ein Wahnsinn, das mit Leiharbeit
sehen habe. Die hatten nicht einmal ein
ze hinter sich hat, kann er sich an den kur-
hofft. Denn Leiharbeit bis zur Rente, das
abzufangen“, sagt Martin. Viele Kollegen
Büro, sondern saßen in einer Garage.“
zen Auftrag als Umzugshelfer noch gut er-
kann sich Martin nicht vorstellen: „Kein
kommen gar nicht mehr aus der Leiharbeit
Sein kürzester Einsatz dauerte zwei Tage.
Mensch hält das durch: die ständigen
heraus. Immer wieder werden die Einsätze
So lange war er angeheuert, um bei einem
Wechsel, immer wieder neue Prozesse
verlängert, und die Verleiher verdienen gut
Umzug zu helfen. Als der erledigt war, war
lernen. Man wird in nichts richtig gut. Eine
daran mit. Weniger als die Hälfte dessen,
auch Martin wieder arbeitslos. Es sei oft
unbefristete Festanstellung ist doch das,
was der Einsatzbetrieb zahlt, landet auf
was alle wollen“, sagt er.
dem Konto der Angestellten. Zugleich
69
70
wächst der Druck am Arbeitsplatz: „Leiharbeiter werden oft zusammengefaltet, sie
müssen häufiger beim Meister antanzen.
Sie können es sich nicht leisten, krank zu
sein. Und sie müssen mehr Leistung bringen. Es gibt Unternehmen, die verbrennen
Leiharbeiter regelrecht. Da heißt es dann
immer nur: ‚Das muss schneller gehen,
Jahren niemand direkt eingestellt. Es gibt
schneller!‘ Das hält keiner länger als vier
auch nie externe Stellenausschreibungen.“
Monate durch. Man wird verheizt.“
Martin ist unsicher, ob er selbst auf Dauer
ohne Leiharbeit auskommen wird. Er will
Dass Martin nun in die Stammbelegschaft
deshalb anonym bleiben, seinen richtigen
übernommen wurde, ist keinem Umdenken
Namen nicht gedruckt sehen. Ein Foto?
bei der Unternehmensstrategie, keinem
Lieber nicht.
Abrücken von der Leiharbeit geschuldet:
Der Betriebsrat konnte die Einstellung in
Weniger Aufwand im Arbeitsalltag
einigen Präzedenzfällen erkämpfen, weil
Die Festanstellung macht einige Abläufe
die Unternehmensleitung an anderer Stel-
im Arbeitsalltag einfacher. Zum Beispiel
le seine Zustimmung brauchte. Doch noch
wurde die Lohnabrechnung transparen-
immer ist die Leiharbeitsquote hoch. Mehr
ter – bei 40 Wochenstunden werden nun
als die Hälfte der Mitarbeiter ist in Leihar-
auch 40 Wochenstunden bezahlt, die
beit beschäftigt, schätzt Martin, fast jede
Pflicht, auf einem Arbeitszeitkonto 150
Woche werden neue durch die Werkhallen
Stunden Mehrarbeit anzusparen, gilt nicht
geführt. „Leiharbeit ist der einzige Weg, ins
mehr. Martin freut das, denn von Über-
Unternehmen zu kommen. Soweit ich mich
stunden hatte er kaum etwas. „Als die
erinnere, wurde in der Produktion seit zwei
jetzt zu Vertragsende endlich ausgezahlt
wurden, ging ein Großteil an den Fiskus.“
Dinge zu klären, ist nun mit weniger Aufwand verbunden: „Alles ist unkomplizierter geworden, weil es nicht mehr über die
Leiharbeitsfirma läuft. Einen Tag Urlaub
oder Krankheit kann ich jetzt direkt mit
dem Betrieb besprechen, es sind nicht
mehr unzählige Telefonate nötig.“ Und
er trägt jetzt mehr Verantwortung, steht
„Es müsste eine Regelung zur Übernahme geben, wenn man
länger in einem Betrieb ist. Denn gebraucht wird man ja!“
72
vielen Betrieben darum, wie gut man mit
seinem Vorarbeiter und dem Meister kann.
in der Hierarchie nicht mehr ganz unten.
Martin, „damit die Leute noch mehr Gas ge-
Denn die entscheiden, wer der Nächste
Auch die Weiterqualifikation ist mit we-
ben.“ Denn die Beschäftigten wollen raus
ist. Transparent ist das am Ende nicht. Die
niger Hürden verbunden und direkt im
aus der Unsicherheit, der auf Jahre verlän-
Leute sind oft mit absoluter Willkür einge-
Betrieb möglich. Denn die angebotenen
gerten Probezeit. Martin hat sich deshalb
stellt worden. Einmal hieß es: Ein halbes
Lehrgänge sind nur für Festangestellte.
auch an den Betriebsrat gewandt. „Jahre-
Jahr Einstellungsstopp! Und trotzdem sind
lang wurde mir versprochen: Du stehst kurz
Kollegen übernommen worden.“
Martins aktueller Arbeitgeber weiß es für
vor der Übernahme. Da bin ich irgendwann
sich zu nutzen, dass die Leiharbeitskräfte
sauer geworden.“
von der Festanstellung träumen. Schon bei
In einigen Einsatzbetrieben hat Martin
ne Chance. Wer gibt mir denn 200.000
inoffizielle Listen gesehen, geführt von
Euro? Selbst bei einem unbefristeten Ver-
der Einstellung werden sie mit der Aussicht
„Transparent ist das am Ende nicht“
Vorarbeitern und Meistern. Darauf wer-
trag bist du innerhalb von zwei Monaten
auf Übernahme gelockt. „Nach einem hal-
Eigentlich soll das System der Übernah-
den die Leiharbeiter nach dem Nutzen
kündbar, einfach so. Die Leiharbeitsfirma
ben Jahr besteht diese Option, wurde am
men nachvollziehbar und eindeutig sein.
sortiert, den sich das Unternehmen von
sagt dann, sie hat keinen Auftrag mehr.
Anfang gesagt.“ Doch eine Option ist eben
Wichtigstes Kriterium ist die Dauer der Be-
ihnen erwartet: oben die Kandidaten für
Im Unternehmen ist das etwas anderes.
keine Garantie. „Das sind Tricks“, findet
triebszugehörigkeit. „Außerdem geht es in
die nächste Übernahme, unten diejenigen
Da geht das nicht so einfach. Wenn die
für die erste Entlassung. Ein ständiger Be-
Auftragsbücher voll sind, muss eine Kün-
wertungsprozess, ein ständiger Wettbe-
digung schon begründet werden.“
Beschäftigte in Leiharbeit nach Berufsgruppen: 21 Prozent der
werb. „Kaum läuft es schlechter, müssen
Leihbeschäftigten arbeiten in der Metall- und Elektroindustrie
die Ersten gehen. In der Krise haben sie
Weniger Unsicherheit, dafür mehr Verläss-
Beschäftigtenanteile in Prozent
genau das gemacht. Kurz vor Weihnachten
lichkeit – auch Martins Identifikation mit
wurden viele Leiharbeiter abgemeldet.“
dem Betrieb ist dadurch gewachsen. „Meine Motivation, den Laden voranzubringen,
Hilfspersonal
33
33
30
Dienstleistung
27
27
Metall- und Elektroindustrie
ist noch einmal gestiegen“, sagt er. Davon
Beschäftigung“
profitiert auch die Unternehmensleitung.
Da zeigte sich wieder, was Martin im All-
Für die ist wichtig, dass das Miteinander
tag oft festgestellt hat: „Leiharbeit ist ein-
funktioniert, denn Leihkräfte und Festan-
fach keine vollwertige Beschäftigung.“ Bei
gestellte arbeiten nebeneinander in einem
seiner Bank sieht man das genauso. Ein
Team, müssen gemeinsam die Qualität si-
Eigenheim finanzieren? Ganz schwierig.
chern. Auf Druck des Betriebsrats tragen
„Wenn ich als Leiharbeiter mit 35 Jahren
sie mittlerweile die gleichen T-Shirts, es
ein Haus bauen will, habe ich doch kei-
gibt keine optische Kennzeichnung der
„zweiten Klasse“ mehr. Und auch beim
5
3
1
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Übrige Berufe
9
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„Einfach keine vollwertige
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0
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6
0
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Seite an Seite. Aus ganz pragmatischen
Technische Berufe
0
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wöchentlichen Betriebssport spielen sie
Gründen: Anders wäre gar keine Mann0
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20
9
10
20
11
20
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Arbeitnehmerüberlassungsstatistik
schaft zustande gekommen. Der Anteil der
Leiharbeiter ist einfach zu hoch.
„Es zählen nur noch Zahlen und der Umsatz. Krank darf man als
Leiharbeiter nicht sein. ,Dann können wir Sie nicht mehr vermitteln‘,
heißt es. Man wird ganz schön unter Druck gesetzt. Das ist ziemlich
belastend. Auf keinen Fall motiviert es!“
(Un)gerechtigkeit
76
(Un)gerechtigkeit
Sklaven, Knechte, Leihgurken
Ahmed ist einer von ihnen. Der 36-Jähri-
Die Fakten
ge ist als Maschinenbediener über eine
Leiharbeitsfirma beschäftigt. Nach einer
Leiharbeit macht krank, hat eine Studie der Techniker Krankenkasse herausge-
schwierigen Stellensuche war das seine
funden. Genauer gesagt: Sie geht auf die Nerven und die Knochen. 2010 waren
letzte Option: „Eine direkt ausgeschrie-
Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter im Durchschnitt 15 Tage arbeitsunfähig ge-
bene Stelle lässt sich kaum mehr finden.
meldet. In anderen Branchen lag der Durchschnitt bei 11,5 Tagen. Am häufigsten
Für mich blieb am Ende nur die Wahl, zum
waren Leiharbeiter wegen Muskel- und Skeletterkrankungen sowie Verletzungen
Arbeitsamt oder zu einer Leihfirma zu ge-
und Vergiftungen arbeitsunfähig gemeldet, doch auch psychisch bedingte Krank-
hen. Oder, anders gesagt: Man ist entwe-
schreibungen sind in letzter Zeit angestiegen.
der Mensch zweiter Klasse oder Arbeiter
zweiter Klasse. Ich habe mich für Letzteres
Weniger Erholungszeit für Leiharbeiter: Der tarifliche Urlaubsanspruch in der
Die Gleichstellung von Leiharbeitskräf-
entschieden.“ Ahmed hat das Gefühl, auf
Metall- und Elektrobranche beträgt 30 Tage. Im BZA-Tarif sind für Leiharbeite-
ten und Stammbelegschaften sollte in
einer deutlich schwächeren Position zu ste-
rinnen und Leiharbeiter im ersten Jahr 24 Urlaubstage festgehalten, im zweiten
Deutschland fest im Arbeitsalltag ver-
hen als die festangestellten Kollegen, sich
25. 30 Tage Urlaubsanspruch bestehen erst nach fünf Jahren ununterbrochener
ankert sein. Denn Equal Treatment, also
noch stärker beweisen zu müssen: „Für al-
Betriebszugehörigkeit.
die Gleichbehandlung, gilt als zentraler
les gibt es in Deutschland eine Lobby, aber
Grundsatz der Leiharbeit, der auch in ei-
für uns Leiharbeiter interessiert sich kaum
Leiharbeit wirkt sich negativ auf die gesellschaftliche Teilhabe aus. Befristet
ner EU-Richtlinie festgeschrieben ist. Doch
jemand. Wir werden als Arbeiter zweiter
Beschäftigte und Leiharbeitskräfte fühlen sich weniger gut in die Gesellschaft inte-
die Realität sieht anders aus. Leiharbeiter
Klasse eingestuft, egal wie gut oder wie
griert, belegt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
sprechen von einer „Behandlung zweiter
schlecht wir arbeiten. Ich habe genauso
Faktoren wie niedrige Löhne, ein erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko und schlechtere
Klasse“. Die Tarifverträge der Stammbe-
viel gearbeitet, geschwitzt und geblutet
Weiterbildungsmöglichkeiten gefährden die soziale Teilhabe. Dies spiegelt sich
„Man engagiert sich, arbeitet, macht alles, was die
Stammarbeiter machen, leistet genauso viel,
macht Verbesserungsvorschläge und so weiter.
Und kriegt nichts dafür, nicht einmal Anerkennung.
Es wird nichts honoriert!“
wie die Stammbelegschaft.
auch in der subjektiven Wahrnehmung der gesellschaftlichen Integration wider.
Aber ich habe gerade einmal
Die Beschäftigungsunsicherheit führt also dazu, dass sich temporär Beschäftigte
die Hälfte von dem verdient,
stärker ausgeschlossen fühlen als Festangestellte.
was die Festangestellten verdienen“, sagt er. Dazu kommt
die fehlende Kalkulierbarkeit
und die Angst, Job und Einkommen zu
„ewiger Probezeit“, in einer Sackgasse, als
verlieren: „Wenn Leiharbeiter nicht in das
„Knecht“ oder „nicht für voll genommen“.
legschaften, wie der für die Metall- und
Betriebsklima passen, werden sie einfach
„Aussagen wie ‚Du bist ja nur Leiharbeiter‘
Elektroindustrie, gelten für sie nicht,
ausgewechselt, so lange, bis es passt.“
kommen ständig“, schildert einer seinen
sie arbeiten unter deutlich schlechteren
Alltag, „Wir sind die Lückenbüßer, die für
Bedingungen, haben weniger Urlaub,
Ahmeds Erfahrungen teilen viele Leiharbei-
andere die Drecksarbeit machen“ äußert
bekommen, wenn überhaupt, geringere
ter. Von wenig Geld und anhaltender Unsi-
sich ein anderer. Ein dritter fühlt sich unfair
Zuschläge, stehen ständig unter Kontrolle
cherheit kann fast jeder berichten. Dazu
behandelt, wenn er sich in der eingesetzten
und müssen mit Unsicherheit und psychi-
kommen der psychische Druck und die Aus-
Firma als „Mädchen für alles“ beschimpfen
schem Druck leben. Der IG Metall haben
grenzung. Viele beschreiben ihren Status
lassen muss.
Betroffene davon berichtet, wie es sich für
wie Ahmed als „Arbeiter zweiter Klasse“,
sie anfühlt, im Berufsalltag nicht voll und
andere bezeichnen sich als „moderne Skla-
ganz integriert zu sein.
ven“ oder „Leihgurke“, fühlen sich wie in
78
Verlust des Arbeitsplatzes steht immer als
Leihbeschäftigte fühlen sich oft nicht dazugehörig
Drohung im Raum: „Ich werde ausgenutzt,
Mittelwerte auf einer Skala von 1 bis 10 (1 = ausgeschlossen, 10 = dazugehörig)
ausgebeutet und der Arbeitgeber verdient
Unterschiede in den Mittelwerten nach Einkommensgruppen sind lediglich in der untersten
sich eine goldene Nase auf meine Kosten.
Einkommenskategorie (unter 1.000 Euro) signifikant (95 Prozent-Niveau).
„Ich bin eine Verliererin“
Ich habe keine Perspektive, muss meinen
„Wie ein Mensch zweiter Klasse“ kommt
Mund halten und darf nichts sagen, sonst
Unbefristet beschäftigt
sich auch die 34-jährige Johanna vor. Sie
werde ich ausgetauscht.“
Befristet beschäftigt
hat das Gefühl, in ihrem Job besonders
In Leiharbeit
kämpfen zu müssen: „Obwohl ich Abitur
„Uns wird nicht gedankt“
und eine abgeschlossene Ausbildung
Mit ganz ähnlichen Worten schildert auch
vorweisen kann, bin ich eine Verliererin,
Nicole ihre Situation. Sie lebt in ständiger
weil meine Elternschaft mit Inflexibilität
Angst, ihren Job zu verlieren: „Wir dürfen
assoziiert wird.“ Dabei muss die Modell-
uns nicht den kleinsten Fehler erlauben,
bauerin, alleinerziehende Mutter eines
sonst wackelt unser Arbeitsplatz“, berich-
12-jährigen Mädchens, als Leiharbeite-
tet die 29-Jährige. „Wir arbeiten im Akkord
rin flexibler sein als Festangestellte. Und
und unter Hochdruck, um unsere Stellen
sie muss sich mit allen Vorgaben abfin-
nicht zu verlieren und nicht abgemeldet
den. Von ihrem Chef im Einsatzbetrieb
zu werden. Wir haben keine Stimme, um
fühlt sie sich gemobbt, eine Einstufung
wahrgenommen zu werden.“ Die unglei-
als Facharbeiterin wird ihr verwehrt. Da-
chen Arbeitsbedingungen bekommt sie
durch verdient Johanna so wenig wie eine
jeden Tag zu spüren, und sie leidet dar-
ungelernte Kraft. Ihr ganzes Einkommen
unter: „Natürlich fühle ich mich als Leih-
geht für laufende Kosten drauf. Der Druck,
arbeiterin ungerecht behandelt. Prämien
für Akkordarbeit und selbst Son-
„Leiharbeit muss abgeschafft werden! Weil sie
nicht nur innerbetrieblichen Zwist zwischen Festund Leihangestellten schafft, sondern auch
viele Menschen in die Depression treibt.“
derzahlungen aufgrund ‚überragender Leistungen während der
Wir tschaf tskrise‘ erhalten nur
Stammmitarbeiter. Wir Leiharbei-
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*
*
1
ter sehen davon nichts und gehen
nicht aufzufallen, nicht zu widersprechen,
trotz unserer harten Mitarbeit leer aus.
Unsichere und befristete Beschäftigungsverhältnisse schwächen das subjektive Teilhabe-
belastet sie. „Für die Firma, bei der ich
Uns wird nicht gedankt, weder seitens der
empfinden und Zugehörigkeitsgefühl. Besonders Leihbeschäftigte in Haushalten mit nied-
arbeite, bin ich nur eine Nummer. Dort
Leihfirma noch seitens der Firma, in der
rigem Nettoeinkommen fühlen sich gesellschaftlich schlechter integriert als befristet bzw.
schreiben sie mir sogar vor, wann ich Ur-
wir arbeiten. Wir verdienen ein Drittel von
unbefristet Beschäftigte in ähnlicher finanzieller Situation.
laub zu nehmen habe. Man hat mir gesagt,
dem, was Stammmitarbeiter als Gehalt be-
* A ufgrund geringer Fallzahlen werden die Mittelwerte in diesen Einkommenskategorien nicht dargestellt.
ich solle mich fügen, da ich mir sonst mit
kommen, und stehen immer unter Druck.
meiner Art eine Zukunft in dieser Firma
Sowohl finanziell als auch moralisch.“
verbaue. Also muss ich still sein, alles
hinnehmen, besonders gut arbeiten und
mich nicht beklagen, wenn mir etwas nicht
passt, sonst kündigen sie mir.“ Denn der
Quelle: PASS, Wellen 1 und 2 (2006/2007 bzw. 2007/2008)
Grafik: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
80
Kauf. Oft arbeitet sie auch am Samstag,
auf sogenannter – freiwilliger – Basis. „Die
körperlich schweren Arbeiten werden den
Leiharbeitern zugeteilt. Beispielsweise
müssen wir 20 Kilogramm schwere Kisten über sieben Stunden lang hin und her
hieven. Die Stammbelegschaft hat die
Auswechseln und ersetzen
Möglichkeit, diese Arbeit abzulehnen. Wir
Leiharbeit macht krank: Muskel- und Skeletterkrankungen wie Rückenschmerzen
Unter Druck stand auch Jochen, als er ei-
hingegen müssen die Arbeit verrichten,
gehören zu den häufigsten Ursachen für Fehltage von Leiharbeitskräften
nen Job in Leiharbeit annahm. Der Medien-
sonst folgt die Kündigung.“ Bei den Son-
Fehltage 2010 je 100 Leiharbeitskräfte bzw. je 100 Beschäftigte anderer Branchen,
gestalter hatte noch einen Kredit abzuzah-
derzahlungen gelten ähnliche Diskriminie-
nach Krankheitsarten
len, fand aber keine andere Stelle. In den
rungen, die die 32-Jährige hart treffen: „Die
jeweiligen Einsatzbetrieben fühlt sich der
Stammbelegschaft unseres Betriebs erhält
Mittdreißiger ausgegrenzt und schikaniert:
wirklich viele Prämien. Wir als Leiharbeiter
„Ich habe schon alles erlebt: Stechuhren
können davon nur träumen, und das, ob-
vor dem Klo oder 15-Minuten-Pausen im
wohl ich und viele andere Leiharbeitneh-
Zeitarbeiter
338
mer bereits seit fünf
„Innerbetriebliche Weiterbildungen sollten auch für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeiter zur Verfügung stehen.
Leiharbeit führt zur Zweiklassengesellschaft im Betrieb.“
Jahren für den Betrieb arbeiten. Auch
verantwortungsvolle
Tätigkeiten wie Kon-
Lager, ohne die Getränke mitnehmen zu
trollaufgaben, die Arbeit als Maschinen-
dürfen. Beliebt sind auch Wasserspender
führer sowie die Alleinverantwortung bei
ohne Pappbecher. Dazu kommt die häufige
Produktionen werden mit nur 7,75 Euro
Wochenendarbeit.“ Jochen hat selbst mit-
brutto die Stunde vergütet.“ Selbst eine
erlebt, dass die Unsicherheit in der Leihar-
Übernahme in die Festanstellung würde
beit nicht nur eine gefühlte, sondern eine
keine Gleichstellung mit der Stammbeleg-
ganz konkrete, realistische Bedrohung ist:
schaft bedeuten, so Anjas Erfahrung. „Die
„Es wurden auch schon 20 Prozent der
übernommenen Leiharbeiter bei uns erhal-
Leiharbeiter ohne erkennbaren Grund im
ten nahezu 30 Prozent weniger Lohn als
ersten Monat ausgewechselt. Sie kamen
das Stammpersonal. Dort geht das System
einfach nicht mehr, und dafür erschienen
von Arbeit zweiter Klasse weiter.“
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werden. Deswegen nimmt die Mutter einer
Achtjährigen, die neben ihrem Halbtagsjob
als Produktionshelferin noch einen Minijob
hat, am Arbeitsplatz Benachteiligungen in
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informatikerin Anja Angst: sofort ersetzt zu
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am nächsten Tag andere.“
Genau davor hat die gelernte Wirtschafts-
Beschäftigte anderer Branchen
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162
78
53
Quelle: Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse, 2011
82
„Wie ein Stück Fleisch“
‚Nein, der Samstag gehört meiner Familie‘.
Fehlende Arbeitserfahrung kann bei Piet
Dann werde ich ‚abgemeldet‘, also raus-
hingegen nicht das Problem sein. Auch
geschmissen.“ Als Leiharbeiter fühlt sich
der 42-Jährige besonders angreifbar: „Den
der 55-Jährige sieht kaum mehr eine
Möglichkeit, regulär in seinem Beruf zu
Kein gemeinsamer Urlaub, kein
Festangestellten wird zwar auch gedroht,
arbeiten. Nach einer langen, kräftezeh-
Weihnachten
aber das gestaltet sich doch schwieriger.“
renden Bewerbungsphase erscheint ihm
Die schlechten Bedingungen an seinem
Die Situation belastet nicht nur Markus,
Andauernde Frustrationserfahrung
die Leiharbeit als der einzige Ausweg,
Arbeitsplatz wirken sich auch auf Piets
sondern auch seine Frau und die beiden
Nicht nur die Arbeit ist „zweite Klasse“ –
um finanziell unabhängig zu bleiben. Er
Privatleben aus. „Ein gemeinsamer Urlaub
Kinder sind Leidtragende: „Dass der
gar als „Mensch zweiter Klasse“ fühlt sich
empfindet das als ungerecht, verspürt
mit meiner Frau lässt sich gar nicht reali-
Samstag schließlich bezahlt wird, ist ein
Daniel. Deprimierend sei es, so das Fazit
Resignation, aber auch Wut: „Derzeit ar-
sieren. Auch zu den Weihnachtstagen des
schwacher Trost. Erstens ist die Summe
des kaufmännischen Angestellten, als Leih-
beite ich als gelernter Elektroniker nur in
vergangenen Jahres wurde mir kein Urlaub
eher lächerlich, zweitens fehlt meine Er-
arbeiter beschäftigt zu sein: „Ich arbeite
niederen Hilfsjobs, die mich nicht fordern
genehmigt. So konnte ich nicht mal meine
holungszeit. Wenn ich samstags von der
genauso viel wie meine Kollegen. Seit drei
und, abgesehen davon, auch kaum etwas
Kinder und Enkelkinder besuchen.“
Arbeit nach Hause komme, habe ich keine
Jahren mache ich die gleichen Aufgaben
mit Elektrotechnik zu tun haben. Wie kann
wie sie, bekomme aber deutlich weniger
das sein, dass meine Ausbildung und etli-
Gerade die Regelungen zum Urlaubsan-
Lohn.“ Besonders belastet es ihn, keine
che erweiternde Lehrgänge angeblich zu
spruch sind es, die auch Markus beson-
Literatur:
Aussicht auf ein berufliches Fortkommen
nichts taugen?“ Doch nicht nur die fehlen-
ders ungerecht vorkommen. Denn der
Stefanie Gundert, Christian Hohendammer
zu haben. So machte er während seiner Job-
de Anerkennung sei­ner Qualifikationen
gelernte Schreiner hat mit 25 Urlaubs-
(2011): Leiharbeit und befristete Beschäf-
belastet ihn, sondern
tagen schon auf dem Papier weniger Er-
tigung. Soziale Teilhabe ist eine Frage von
auch die Missachtung
holungszeit als seine Kollegen, zudem
stabilen Jobs, IAB-Kurzbericht Nr. 4.
im täglichen Umgang:
muss er jeden zweiten Samstag arbeiten:
„Tatsächlich fühlt es
„Dadurch wird mir real der Jahresurlaub
sich als Leiharbeiter
gekürzt. Ich kann nicht einfach sagen:
„Beim Kauf von werksinternen Lebensmitteln wird von uns
Leiharbeitern mehr verlangt als von Stammbeschäftigten. Ist die Regelung Ihrer Ansicht nach gerechtfertigt?“
Lust mehr, etwas zu unternehmen.“
suche die Erfahrung, dass Arbeitgeber auf
so an, als hätte man alle seine Rechte an
Zusatzqualifikationen und Weiterbildungen
der Garderobe abgegeben. Wobei von Gar-
viel Wert legen, wenn es um eine Festan-
derobe noch nicht einmal die Rede sein
Überstunden, Urlaub, Sonderzahlungen:
stellung geht. Als Berufsanfänger von An-
kann. Da es in meinem derzeitigen Betrieb
Das bekommen Leiharbeiter und Stammbeschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie
fang 20 gab es für ihn daher trotz langer
für uns Leiharbeiter nicht einmal einen
Suche keine Alternative zur Leiharbeit. Nun
Spind gibt, in dem wir die eigenen Sachen
Leiharbeiter
Stammbeschäftigter
hat er zwar einen Job, aber keine Perspekti-
ablegen können, müssen wir uns auf dem
ve: „Weiterbildungen sind bei dem Gehalt
Gang umziehen. Die Stammbelegschaft
nicht drin. Dabei sollten diese es einem
hat dafür eigene Räumlichkeiten. Ich kom-
doch gerade ermöglichen, attraktiver für
me mir vor wie ein Stück Fleisch, das nur
Urlaub
Urlaubsgeld
Weihnachtsgeld
Überstundenzuschläge
mindestens 24 Tage
150 bis 300 Euro/Jahr
–
Bis zu 25 %
30 Tage
50 % des Durchschnittseinkommens
Bis zu 50 % des Durchschnittseinkommens
Bis zu 50 %
die Wirtschaft zu werden.“ Paradox, wie er
zu funktionieren hat. Ich möchte endlich
findet, „besonders, wo Deutschland doch
gerecht entlohnt werden und nicht nur als
viel zu wenige Fachkräfte hat“.
Sklave für den Leiharbeitgeber schuften.“
Quelle: IG Metall
84
Stellungnahmen
Was Beschäftigte in Leiharbeit der IG Metall zum Thema Ungerechtigkeit berichtet haben – und was sie über die schlechten Arbeitsbedingungen denken:*
„An Brückentagen bzw. Wochenenden werden fast nur Leiharbeiter eingeteilt, zwischen
Juni und Ende September gilt für sie Urlaubssperre, Urlaub wird für maximal zwei Wochen genehmigt. Alle haben Anspruch auf 30 Urlaubstage – nur die Zeitarbeiter nicht,
die bekommen 24 Tage. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? So etwas nenne ich moderne
Sklaverei. Altersarmut ist vorprogrammiert, wo soll das noch alles hinführen?“
„Leider ist es so, dass man in den Einsatzfirmen für die Kollegen häufig nur die
‚Leihkeule‘ ist – das ist schade und extrem nervig. Aber wenn es um Überstunden oder Wochenendarbeit geht, sind fast
nur die Leiharbeiter da. Die könnten ansonsten ja auch abgemeldet werden, bzw.
die hoffen auf eine Übernahme.“
„Als Leiharbeiter wird man im Betrieb echt
schlecht behandelt. Ich wollte drei Wochen
Urlaub beantragen. Da wurde mir knallhart gesagt, dass ich Leiharbeiter sei und
froh sein könne, in der Firma arbeiten zu
dürfen, und ich dürfe höchstens drei zusammenhängende Tage Urlaub nehmen.“ „Leiharbeitnehmer sollten wesentlich besser bezahlt werden als Stammis, denn die psychische
Belastung ist enorm. Jeden Tag Angst um den
Arbeitsplatz. Und die Demütigung, wenn der
Kollege neben dir ein Drittel mehr verdient.“
„Equal Pay und Equal Treatment
schön und gut, aber: Es ist für
die Firmen zu einfach, nach dem
Hire-and-Fire-Prinzip zu verfahren. Das muss sich ändern. Denn
einfach so lange die Leiharbeiter
rauszuschmeißen, bis man den
passenden hat, ohne den anderen
die Möglichkeit zu geben, sich richtig zu integrieren, ist der falsche
Weg. Die Zahlung von Zuschlägen
für Leiharbeiter ist noch nicht in
jeder Firma gang und gäbe, was
sich auf die Motivation nicht gerade positiv auswirkt. Es muss noch
einiges getan werden, damit man
sich als Leiharbeiter auch als Teil
des Teams fühlt!“
„W ir haben keinen
Kündigungsschutz,
viel weniger Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld.“
* D ie Stellungnahmen wurden im Rahmen einer Erhebung der IG Metall zusammengetragen. Dafür wurde im November 2011 eine Auswahl der
Mitglieder in Leiharbeit angeschrieben und zu ihrer Beschäftigungssituation befragt. Die Antworten beschreiben skandalöse Zustände – hier
einige anonymisierte Beiträge, ausgewählt aus den mehr als 1.000 Erfahrungsberichten. Namen und Kontaktdaten sind der IG Metall bekannt.
Zum Schutz der Befragten bleiben die Zitate anonym.
„Leiharbeit sollte nicht nur gleich bezahlt, sondern teurer sein als eine Festanstellung, zum Beispiel über eine Strafsteuer! Flexibilität kostet normalerweise Geld, zum Beispiel bei Handyverträgen, Freelancern, Fahrkarten ...
Solange die Unternehmen keinen Anreiz haben, ihre Mitarbeiter in eine
Festanstellung zu übernehmen, werden sie im Sinne der Aktionäre und
Bilanzen ihre Verbindlichkeiten möglichst gering halten.“
„M an hat keine Lobby.
Man wird schlechter behandelt. Man hat keine
Planungssicherheit, weil
man nicht weiß, wie es
weitergehen wird. Und
man muss sich auch
bei Krankheit zur Arbeit
schleppen, sonst ist man
ganz schnell weg vom
Fenster.“
„In unserem Entleihbetrieb gibt es zwar Vereinbarungen zur Besserstellung von Leiharbeitern, aber die
gelten nicht für alle. Da wird unterschieden in normale Leiharbeiter und solche, die in Werkverträgen
arbeiten. Weil ich mir das als Leiharbeiter ja auch
vorher aussuche!?! Sogar bei Weihnachtsgeschenken werden Unterschiede gemacht. Werkvertragler
bekommen schon mal gar nichts, weder Zuschlag
noch Geschenk. Das steigert die Motivation ungemein, wenn man unter den Leiharbeitern auch noch
die erste und zweite Klasse hat.“
„Es werden zwar Zuschläge für Nacht- und Schwerarbeit gezahlt, aber es gibt kein
Weihnachtsgeld, kein Urlaubsgeld, keine Gewinnbeteiligung, weniger Gehalt und
es wird nicht geschaut, wozu man fähig ist, sondern man muss die unbeliebte Arbeit machen. Das muss sich wirklich ändern! Leiharbeiter dürfen nie krank sein,
sonst müssen sie um ihren Job bangen, solche Fälle habe ich miterlebt. Es kommen
Leiharbeiter mit gebrochenen Fingern und starker Grippe zur Arbeit, während die
Festangestellten teilweise wochenlang krank sind. Das schafft eine schlechte Atmosphäre und demotiviert!“
„Mich ärgert unter anderem, dass ich zwar an den Betriebsversammlungen meines Einsatzortes teilnehmen darf, aber
zum Beispiel von Angeboten der ärztlichen Vorsorge – wie
Sehtests für Bildschirmarbeitsplätze – ausgeschlossen
bin. Ohne nachzufragen werde ich nie darüber informiert,
ob meine Tätigkeit weiter benötigt wird oder ob mein Einsatz zu Ende ist.“
86
Foto: Privat
Nicht dazugehören – was heißt das?
Dr. Sandra Siebenhüter
Das System der zeitlich und örtlich flexiblen Beschäftigung verhindert ein Mit­ein­
ander, ein Dazugehören, es schließt die
Leiharbeiter quasi aus. Mit den billigeren
Leiharbeitstarifen und der geringen Arbeitsplatzmacht sind sie gegenüber den
Stammbeschäftigten ungewollt immer in
der Position des „Wettbewerbers“ und
„Das Label ‚Leiharbeiter‘
haftet an den Menschen“
Interview mit Dr. Sandra Siebenhüter
des „Angreifers“. So sind Leiharbeiter
Selbst wenn sie sich wohlfühlen und im
zwar auf der arbeitstechnischen Ebene
alltäglichen Umgang keine Unterschiede
integriert, sie sitzen mit am Schreibtisch
spüren, gehören sie strukturell eben doch
und stehen mit am Band, sozial sind sie
nicht völlig dazu. Auch die Qualifikati-
es aber, je nach Einsatzdauer, nicht mal
on spielt eine Rolle: Wer als Leiharbeiter
ansatzweise.
eine Schlüsselposition übernimmt, genießt mehr Ansehen als ein Hilfsarbeiter,
Wen trifft die Desintegration
der aus Sicht der Firma leicht zu ersetzen
besonders?
ist. Dieser verliert durch Leiharbeit seine
Am schlimmsten ist es bei den nur kurzfris-
Identität, vielfach wird er nur geduzt und
tig eingesetzten Leiharbeitern, die wochen-
ohne Namen angesprochen. Er spürt sehr
oder sogar tageweise die Entleihbetriebe
genau: Hier geht es nicht um ihn, sondern
Leiharbeit verändert die Menschen. An-
Was sind für Sie als Arbeitssoziologin
wechseln. Sie haben gar keinen Zugang
nur um seine Arbeitskraft; und wenn die
ders als eine Festanstellung kann sie
die zentralen Unterschiede zwischen
zur Stammbelegschaft. Leiharbeiter, die
mal schwächer wird …
kaum identitätsstiftend wirken, weil die
einem Normalarbeitsverhältnis und
seit mehreren Jahren im Betrieb sind, sind
Dazugehörigkeit zu einem Kollektiv fehlt,
der Leiharbeit?
besser integriert. Sie werden zum Beispiel
Kann er seine Identität nicht
sagt Dr. Sandra Siebenhüter. Stattdessen
Aus der arbeitssoziologischen Perspektive
zu Versammlungen, Feiern und Ausflügen
über den Verleihbetrieb ausbilden?
hat Leiharbeit Desintegration zur Folge.
schafft Arbeit Identität. Bedürfnisse nach
eingeladen. Man kennt sie mit Namen, sie
Nein. Die Leiharbeiter sind zwar bei der
Im Interview beschreibt die Soziologin,
Anerkennung, Wertschätzung, Sicherheit
erfahren Wertschätzung. Doch auch hier
Verleihfirma angestellt, doch diese tritt
die kürzlich im Auftrag der Otto Brenner
und Teilhabe werden durch den Arbeits-
gibt es Ungerechtigkeiten, denn sie werden
quasi nur als Vermittlungsagentur auf, sie
Stiftung zur Leiharbeit forschte, die Druck-
platz und die Dazugehörigkeit zu einer Be-
über Monate und Jahre schlechter bezahlt
ist kein sozialer Treffpunkt. Viele Leihar-
mechanismen der Branche, spricht über
legschaft befriedigt. Bei Leiharbeitern und
als die Festangestellten, haben keinen
beiter kennen daher gar keine Kollegen
Ursachen und Folgen der Unsicherheit und
insbesondere bei Hilfskräften, die häufig
Anspruch auf Betriebsrente oder Prämien.
aus ihrer Verleihfirma, weil die auf hun-
erklärt, warum Migrantinnen und Migran-
den Entleihbetrieb wechseln, ist dieser
derte von Einsatzbetrieben verteilt sind.
ten davon besonders betroffen sind.
Prozess jedoch unterbrochen, ja, er kann
Dem Leiharbeiter wird so die Möglichkeit
gar nicht erst beginnen. Sie sind zwar in
genommen, ein kollektives Bewusstsein
einem Betrieb eingesetzt, aber sie gehö-
mit den Leidensgenossen aus der Leihar-
ren dort nicht dazu. Der Status Leiharbeiter
beitsfirma zu entwickeln.
macht einsam.
88
er bringt, desto weniger wird sich der Verlei-
steht in der Hierarchie ganz oben, ist der-
Wie gehen Leiharbeiter damit um?
her die Mühe machen, sich mit ihm ausein-
jenige, der den Verleiher und die Leihar-
Sie sind verunsichert. Das Bezahlsystem
anderzusetzen. An dieser Stelle zeigt sich
beitskraft bezahlt und auch auf die Bedin-
ist nicht vergleichbar mit einem Normal­
die totale Ökonomisierung der Leiharbeit:
gungen Einfluss nehmen könnte. Es muss
arbeitsverhältnis – die zusätzlichen
Es geht nicht um den Menschen, sondern
das politische Ziel sein, das System Leih-
Fahrtkosten, der Verpflegungszuschuss
darum, welche Leistung er zu bieten hat,
arbeit zu ändern, dessen heutige Form dis-
und so weiter. Oft wird der Lohn bei hö-
wie viel Gewinn mit ihm zu machen ist. Der
kriminierend ist.
herwertiger Arbeit nur durch Zulagen er-
Mensch verliert seinen Wert an sich, er unKönnen Betriebsrat und Stammbeleg-
terliegt den reinen Marktgesetzen.
schaft im Entleihbetrieb etwas gegen
höht, nicht durch eine Höhergruppierung
Warum gibt es so wenige Kontrollen?
in der Entgeltstufe. Bei der Berechnung
Die Kontrolle der Leiharbeitsfirmen liegt
von Arbeitslosengeld oder beim Urlaubs-
die Desintegration tun?
Heißt das, Qualifikation schützt vor Dis-
in der Hand der Landesarbeitsämter. Hier
geld zählen diese Zulagen aber nicht. All
In einem großen Industrieunternehmen
kriminierung?
wurden in den vergangenen Jahren Stellen
das öffnet findigen Verleihern die Tür zur
kann ein starker Betriebsrat die Situation
Bei der Leiharbeit geht es nicht um die Qua-
abgebaut, gleichzeitig ist die Zahl der Ver-
Diskriminierung.
der Leiharbeiter etwas erleichtern, ein Bei-
lifikation des Betroffenen, sondern um sei-
leihfirmen auf mehr als 17.000 gestiegen.
spiel sind die Besservereinbarungen der
ne Tätigkeit. Darunter leiden insbesondere
Diese Lücke ist immer größer geworden.
IG Metall. Aber das ändert nichts an ihrem
Ältere und Migranten. Viele sind gut quali-
Kleine Leiharbeitsfirmen, und hier finden
nahme hoffen.
rechtlich-strukturellen Status, der bis ins
fiziert, doch ihre Ausbildung wird nicht an-
sich meist die schwarzen Schafe, werden
Das ist oft die große Hoffnung. Doch wenn
Privatleben hineinreicht. Er macht die Men-
erkannt, sie arbeiten deshalb als Hilfskräf-
kaum noch kontrolliert.
jemand übernommen wird, sind es meist
schen unsicher und angreifbar, führt dazu,
te. Es gibt zum Beispiel den promovierten
dass sie Angst haben, sich zurückziehen
Physiker aus Russland, der als Hilfsarbeiter
Wenn es schon keine externe Kontrolle
sind die Auswahlkriterien fast nie trans-
und sich unterordnen. Leiharbeit gilt bei
Paletten abräumt, weil seine Qualifikation
gibt – warum nehmen die Leiharbeiter
parent und nachvollziehbar. Leiharbeiter
vielen Banken und Vermietern nicht als die
nicht zählt. Letztlich kommt es in diesem
die Missstände hin? Und wie erzeugen
sprechen oft vom „Nasenfaktor“. Sie ver-
beste Arbeit, mit einem Leiharbeitsvertrag
System darauf an, als was jemand einge-
die Verleiher Druck?
suchen, im System der Unsicherheit neue
erhält man kaum einen Kredit oder eine
setzt ist, als was er vermittelt wird und wie
Das ganze System ist nicht transparent.
Berechenbarkeiten zu schaffen, indem sie
Wohnung. Die Menschen sind als Leihar-
viel Geld er dem Verleiher bringt.
Die Arbeitsver träge sind in Juristen-
sich etwa mit dem Vorarbeiter gut stel-
deutsch verfasst, mit dem sich jeder Fach-
len, von dessen Wohlwollen sie abhängig
beiter und damit als prekär Beschäftigte
Also müssen Leiharbeiter auf eine Über-
Facharbeiter, keine Hilfsarbeiter. Zudem
„gelabelt“. Daran können auch Betriebsrat
Ist der Verleiher also der böse Bube?
fremde schwertut. Dazu kommt: Die Tarif-
sind. Man kann sagen, die Leiharbeit hat
und Stammbelegschaft nichts ändern.
Nein. Es gibt zwar unter den Verleihern
verträge der Zeitarbeitsverbände haben
ein neues Machtsystem in die Betriebe
schwarze Schafe, aber man muss sehen,
verschiedene Bezahlmodi. Die einen be-
gebracht und Personen in Entscheidungs-
Sind die Leiharbeiter also immer in der
dass es sich bei der Leiharbeit um ein an
zahlen pro Arbeitstag, die anderen legen
positionen, die dieser Personalverantwor-
schwächsten Position?
Wettbewerbskriterien ausgerichtetes Ge-
ein festgesetztes Stundenkontingent pro
tung nicht gewachsen sind. So steigt die
Das hängt davon ab, wie sehr der Verlei-
schäftsmodell handelt, das diese spezifi-
Monat zugrunde, so dass die Leiharbeiter
Verunsicherung weiter.
her den Leiharbeiter braucht. Er verdient
schen Mechanismen hervorbringt. Alle
je nach Arbeitstagen pro Monat immer im
ja an der Verleihung der Arbeitstätigkeit,
Verleiher sind dem unterworfen, sie kon-
Plus oder Minus sind. Hinzu kommt die
und an einer Hilfskraft verdient er weniger
kurrieren um Aufträge. Das Machtgefälle
fragwürdige Methode, auftragslose Zeiten
als an einem Ingenieur. Sind es bei einem
geht jedoch immer vom Entleiher aus. Er
mit den aufgebauten Überstunden gegen-
Hilfsarbeiter etwa 50 Cent Gewinn pro Ar-
zurechnen. Obwohl das eigentlich das
beitsstunde, können es bei einem Ingeni-
unternehmerische Risiko der Verleihfirma
eur viele Euro pro Stunde sein. Je geringer
ist, wird es hiermit auf den Leiharbeiter
jemand qualifiziert ist, je weniger Rendite
abgewälzt.
90
Ist Leiharbeit ein Thema, das Migranten
besonders betrifft?
Die Arbeitsmarktstatistik weist nur Nationalitäten aus, zum Anteil der Menschen
Integration durch Arbeit?
mit Migrationshintergrund gibt es ledig-
Leiharbeit führt zu sozialer Ausgrenzung ­– Menschen mit Migrationshintergrund sind
lich Schätzungen. Ein BZA-Vorstandsmit-
davon besonders betroffen.
Warum stehen Leiharbeiter mit Migrati-
glied schätzte den Anteil bei den Hilfsar-
onshintergrund besonders weit unten in
beitern in Leiharbeit auf rund 60 Prozent,
der Hierarchie?
also dreimal so hoch wie in der Gesamt-
Ein Grund sind der unsichere Aufenthalts-
bevölkerung. Und die Hilfsarbeit ist das
status und der Mangel an Deutschkennt-
problematischste Segment der Leiharbeit,
nissen. Ein anderer ist die Unkenntnis der
da dort kaum in die Menschen investiert
Arbeitnehmerrechte und der Arbeitsor-
wird, kaum Weiterbildungen angeboten
ganisation in Deutschland. Viele wissen
werden. Im Rückblick wird deutlich, wie
nicht, wer im Unternehmen weisungsbe-
sozial erfolgreich der Weg der Gastarbei-
fugt ist, sie wissen nichts über Betriebs-
ter verlief: Sie wuchsen als Festangestell-
räte und agieren oft so, wie sie es aus
te mit den Jahren in einen Betrieb hinein,
ihren Herkunftsländern kennen, nämlich
hatten deutsche Arbeitskollegen, knüpf-
mit Unterordnung. Sie haben kein Vertrau-
ten mit diesen und ihren Familien Freund-
en in Institutionen wie Gewerkschaften
schaften und wurden bisweilen sogar Be-
oder Arbeitsgerichte. Zudem fehlen Men-
triebsrat oder Betriebsratsvorsitzende.
schen mit Migrationshintergrund oft die
Wer heute als Migrant keine Möglichkeit
sozialen Netzwerke – insbesondere zu
hat, über den Arbeitsplatz einen Anker zu
Schlüsselpersonen, die Arbeitsplätze zu
werfen, sondern in Leiharbeit gefangen
vergeben haben. So sind sie meist auf of-
ist, steht dauerhaft finanziell, sozial und
fizielle Ausschreibungen angewiesen und
rechtlich-politisch im Abseits. Hier ver-
weniger erfolgreich bei der Arbeitssuche.
wehrt die deutsche Gesellschaft Teilha-
Fehlende interkulturelle Kompetenz von
be- und Integrationschancen.
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in Leiharbeit
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Je weiter ein Arbeitsverhältnis vom Zentrum (Normalarbeitsverhältnis) entfernt ist, desto
unsicherer und damit prekärer ist es. Der Anteil der Migration steigt überproportional,
Mitarbeitern von Behörden und Unternehmen und die Gefahr der rassistischen
Literatur
je kürzer ein Leiharbeitsverhältnis andauert und je kurzfristiger die Beschäftigung ist
Diskriminierung kommen dazu. Schlechte
Sandra Siebenhüter (2011): Integrations-
(in der Grafik dargestellt durch immer hellere Ringe). Ver- und Entleiher nutzen diese schwache
hemmnis Leiharbeit. Auswirkungen von
Position aus, weil sie wissen: Der wehrt
Leiharbeit auf Menschen mit Migrations-
sich sowieso nicht.
hintergrund, OBS-Arbeitsheft 69.
Quelle: Sandra Siebenhüter, 2011
92
A. Mittlerweile sind wir bei unserem Verleiher auch im Betriebsrat vertreten. Dafür
ist kaum mehr jemand von der Arbeitgeberliste dabei. Die Internen, Disponenten und
Angestellte, mussten ihre Ämter aufgeben,
als sie sich ihre Kündigungs- und Einstellungsvollmacht wiedergeholt hatten – in
dem Moment waren sie aus dem Betriebsrat raus. Wegen des Interessenkonflikts
D. Wenn man den Verleiher wechselt, gilt
können sie ja nicht gleichzeitig Disponent
das als Neueinstellung. Etwas Ähnliches
und Betriebsrat sein.
habe ich auch schon erlebt. Ich war eingesetzt, dann gab es eine Lücke von mehreren
„Ohne Zweitjob hast
du keine Chance“
Protokoll eines Leiharbeiterstammtischs
C. Ich gehe normalerweise zu einem ande-
Monaten, dann wurde ich bei der gleichen
ren Stammtisch, der sich später gegründet
Leiharbeitsfirma erneut eingestellt. Die Fol-
hat, eben weil es Unmut im Betrieb gab.
gen sind: Man hat dann wieder Probezeit
Wir versuchen gerade, noch mehr Kolle-
und einen reduzierten Urlaubsanspruch
gen über unsere Aktivitäten zu informie-
wegen nicht durchgängiger Beschäftigung.
ren. Ein Problem ist zum Beispiel, dass
Und das, obwohl ich dort schon seit Jahren
die Urlaubs­anträge mit viel Hin und Her
gut und zuverlässig arbeite.
In vielen Städten haben sich Beschäftigte
A. Angefangen mit dem Stammtisch haben
zwischen Einsatzbetrieb und Verleiher ver-
in Leiharbeit unter dem Dach der IG Metall
wir 2009, als bei unserer Leiharbeitsfirma
bunden sind, natürlich außerhalb der Ar-
E. An was ich mich noch gut erinnere: Bei
zu Arbeitskreisen zusammengeschlossen.
ein Betriebsrat gegründet, unsere Liste
beitszeiten. Ein anderer Punkt: Ein Kollege
meiner Einstellung wurden mir von der Leih-
So auch in Augsburg, wo sich monatlich
aber wegen „unheilbaren Mangels“ ab-
hatte eine OP und hat das dem Verleiher
arbeitsfirma fünf Verträge vorgelegt. Ich
Leiharbeiter aus der Metall- und Elekt-
gelehnt wurde. Da haben wir uns gesagt:
gemeldet. Da hieß es, die Auftragslage sei
sollte entscheiden, welchen ich nehme, von
robranche treffen. Darüber hinaus haben
Ihr wollt uns nicht, aber ohne uns geht’s
schlecht und sie müssten ihm kündigen.
wenig Stundenlohn mit einer hohen Auslö-
Leiharbeiter in einigen Einsatzbetrieben
auch nicht! Wir haben uns rechtlich schlau-
Aber wenn alles gut verheilt sei, könne er
se bis zu einem hohen Stundenlohn ohne
regelmäßige Stammtische organisiert.
gemacht, über den Stammtisch Aktionen
sich wieder melden. Sie waren also zu-
Auslöse. Da habe ich natürlich gesagt, dass
Dort planen sie Aktionen, um ihren Anlie-
geplant und Kontakte geknüpft.
frieden mit ihm, wollten aber keine „Un-
es dieser letzte Vertrag sein muss. Zwar
kosten“ und sich um die Lohnfortzahlung
hatte ich so höhere Abgaben, aber wenn
gen innerbetrieblich wie öffentlich Gewicht
zu verleihen, und tauschen sich über die
B. Zuvor gab es für Leiharbeiter nur den
im Krankheitsfall drücken. Viele Kollegen
man krank ist oder Urlaub hat, zählt der
Situationen in den Einsatzbetrieben aus.
monatlichen Arbeitskreis bei der IG Metall.
sind schon seit Jahren als Leiharbeiter in
Stundenlohn und nicht die Auslöse.
Durch diese Strukturen und den solidari-
Doch viele Kollegen arbeiten im Schicht-
diesem Betrieb. Einige haben mehrfach
schen Zusammenhalt haben sie für sich
system und können manchmal Monate lang
den Verleiher gewechselt, weil das die Un-
B. Die Auslöse, also Fahrtgeld und Über-
und die Kollegen schon einige Verbes-
nicht daran teilnehmen. Die Stammtische
ternehmensführung wollte.
nachtungspauschale, ist sozialversiche-
serungen erreicht. Hier berichten sieben
sind daher direkt in den Betrieben angesie-
rungsfrei. Das heißt, du zahlst darauf keine
Stammtischteilnehmer aus ihrem Alltag.
delt und finden jede Woche statt.
Rentenbeiträge und sammelst geringere
Weil einige von ihnen Befürchtungen haben, ihren Job zu verlieren, werden keine
Namen und keine Betriebe genannt.
Ansprüche.
94
le haben zudem befristete Verträge, die
Fluktuation ist hoch. Bei den Befristungen
gibt es übrigens viele Tricks. Oft laufen
die Verträge am 23.12. aus, am 7.1. holen
sie die Leute wieder. Dann muss für die
Weihnachtszeit kein Urlaubs- und Feiertagsgeld gezahlt werden.
F. Erschwerniszulagen werden hingegen auf
C. Befristungen sind schlimm, weil man
die Urlaubspauschale angerechnet. Aber:
im Ungewissen gelassen wird. Bei der üb-
Die beträgt einen Euro, und da muss man
lichen Befristung bis 23.12. weiß man oft
beim Verleiher mächtig dafür kämpfen. Der
Ende November nicht, wie es weitergeht,
Betriebsrat hilft dabei.
manchmal auch am 22.12. noch nicht. Dabei soll man sich doch drei Monate vorher
B. Nur wenige Verleiher haben einen Be-
beim Arbeitsamt melden. Man ist einfach
triebsrat, von ungefähr 200 Leiharbeitsfir-
nur Tagelöhner.
men in der Region vielleicht drei.
„Wenn man selbst nicht hochkommt, passiert ja nichts.“ Aus dieser Überzeugung heraus haben Leiharbeiter in Augsburg
schon einige Verbesserungen für sich und die Kollegen erreicht.
E. Beim Arbeitsamt heißt es ja auch: lieber
F. Der kann aber viel erreichen, zum Bei-
einen unbefristeten Arbeitsvertrag bei der
spiel die Abrechnungen kontrollieren,
Verleihfirma, womöglich noch unter Hartz-
und prüfen, ob eine tarifliche Lohnerhö-
IV-Satz und mit Aufstocken, als einen be-
hung richtig umgesetzt wurde. An einem
fristeten Arbeitsvertrag im Unternehmen,
D. Ich bin seit elf Jahren in der Leiharbeit,
ich Leiharbeiter, samstags und sonntags
Standort hat mehr als ein Drittel der Kol-
obwohl man dort auf Anhieb mehr verdient.
und mit Übernahme tut sich nichts. Wahr-
bin ich zwölf Stunden Taxi gefahren, nur,
legen nach der letzten Beanstandung eine
Ich würde es aber allemal andersrum se-
scheinlich wurde die ganze Abteilung, in
um die Grundbedürfnisse zu decken. Und
Nachzahlung von mehr als hundert Euro
hen: lieber eine befristete Festanstellung.
der ich eingesetzt bin, abgeschrieben. Da
das als Facharbeiter. Du kannst auch kein
habe ich einfach Pech.
Ehrenamt mehr übernehmen, deinen Inte-
bekommen. Ohne Betriebsrat wäre das den
Betroffenen zwar auch aufgefallen, es traut
C. Die Übernahmechancen aus einem be-
sich nur keiner, was zu sagen.
fristeten Festangestelltenvertrag in einen
A. Leiharbeit bedeutet den sozialen Ab-
ressen nicht mehr nachgehen.
weiteren, vielleicht sogar unbefristeten
stieg, ein Ende des Lebensstandards, den
G. Bei der Technikerschule war neulich
G. Eine Betriebsratsgründung ist aber
Vertrag sind sicher höher als aus der Leihar-
du dir erarbeitet hast. Gerade wenn man
Jobbörse. 70 Prozent der Aussteller waren
schwierig. Wenn der Arbeitgeber das zu
beit. Auch bei einer anderen Firma bewirbt
Familie hat und entsprechend Verpflich-
Verleihfirmen. Berufseinsteiger haben gar
früh rausbekommt, kann es sein, dass
man sich als Festangestellter von einer an-
tungen zu erfüllen hat. Das geht dann
keine andere Option mehr. Dabei handelt
er die ganze Niederlassung schließt oder
deren Position aus, allein schon, wenn man
einfach nicht mehr, da kannst du ma-
es sich um qualifizierte Leute, viele reden
die Leute an einen anderen Einsatzort
nach dem bisherigen Gehalt gefragt wird.
chen, was du willst: Ohne Zweitjob hast
doch vom Facharbeitermangel. Da, der Kol-
versetzt und so die Wahl verhinder t.
du keine Chance. Ich hatte eine Sieben-
lege lacht.
Manchmal werden Betriebsräte von Ein-
Tage-Woche. Von montags bis freitags war
satzbetrieben übernommen, und auch
dann bricht alles weg, der Betriebsrat hat
dann nicht mehr genügend Mitglieder und
oft sind keine Nachrücker vorhanden. Vie-
96
G. Da geht es den Unternehmen darum,
A. Der Betriebsrat weiß, wie wir ticken, die
die IG-Metall-Tarifverträge auszuhöhlen,
Vertrauensbasis stimmt, man spricht sich
und bei 30 Prozent Leiharbeitsanteil auch
ab. Und wir haben den Zugang zu den Kolle-
darum, deren Macht zu brechen. Deshalb
gen, das weiß der Betriebsrat auch. Früher
werden keine festen Arbeitsplätze ge-
hat man sich als Leiharbeiter versteckt,
schaffen, sondern stattdessen Leiharbei-
aber das ist bei uns vorbei. Vor einiger Zeit
ter genommen.
haben wir sogar einen Vertrauenskörper im
A. Ja, weil die Arbeitgeber andererseits
Einsatzbetrieb gebildet, in dem von jeder
sagen, eine verbindliche Übernahmega-
A. In der Wirtschaftskrise wurden hier
rantie brauchen sie nicht. Wo sollen die
bei einem Einsatzbetrieb von 1.600 Leih-
E. Die großen Verleihfirmen könnten es
treten ist. 2008 haben wir erreicht, dass in
Facharbeiter denn herkommen? Alles nur
arbeitern 900 abgemeldet. Dabei stellte
sich leisten, mehr zu zahlen, tun aber so,
der Krise keine 50 Leiharbeiter abgemeldet
noch Leiharbeiter? Bei uns im Betrieb liegt
sich heraus, dass das so gar nicht ging,
als müssten sie sich dafür den Arm ausrei-
wurden, sondern jeder, Festangestellter wie
der Anteil der anderen Arbeitsverhältnisse
weil die Leiharbeiter Schlüsselpositionen
ßen. Alle Verhandlungen sind langwierig.
Leiharbeiter, vier Monate lang jeweils ei-
bei ca. 25 Prozent, da sind Leiharbeiter und
innehatten. Da mussten die Leiharbeiter
Bei meinem vorherigen Einsatz haben wir
nen Montag nicht gearbeitet hat. So wurden
auch viele Werkverträge dabei. Nach den
noch die Festangestellten einweisen, bevor
zweieinhalb Jahre gebraucht, um eine Ak-
die Leiharbeiter gehalten. Dieser Schulter-
letzten Übernahmen wurden wieder dop-
sie entlassen wurden.
kordprämie durchzusetzen.
schluss ist dem starken Betriebsrat anzu-
Leiharbeitsfirma auch ein Leiharbeiter ver-
rechnen. Die Leiharbeiter sind andersrum
pelt so viele neue Leiharbeiter reingeholt.
C. Das ist echt unfair. Ich habe das Gefühl,
B. Trotzdem war das Ergebnis nicht so toll.
auch mit auf die Straße gegangen, um für
E. Zum Stichwort Facharbeiter: Wir müssen
eine Ware zu sein, deren Wert von Angebot
Die Stammbeschäftigten haben im Akkord
die Festangestellten zu kämpfen.
ja auch mal an Lehrgängen teilnehmen. In
und Nachfrage abhängt. Je nach Auftragsla-
vier Euro Prämie pro Stunde bekommen.
Bayern gibt es aber kein Gesetz zum Bil-
ge gängeln uns die Schichtführer mehr oder
dungsurlaub. Bei Festangestellten ist das
weniger. Man merkt dann: Zurzeit bin ich
F. Ja, und die Leiharbeiter bei 120 Prozent
nige Zeit kaum Erfolge vorzuweisen hatten.
zum Beispiel im IG-Metall-Tarifvertrag gere-
für die wohl besonders ersetzbar. Mein Ver-
Leistung nur einen Euro Prämie pro Stunde,
Das hat die Leute nicht gerade ermutigt,
gelt. Für die Leiharbeiter gilt der aber nicht.
trag wird nur quartalsweise verlängert. Ich
bei mehr als 130 Prozent 2,50 Euro. Für uns
zum Stammtisch zu kommen. Dennoch ist
Wir haben bei uns jetzt erreicht, dass der
habe versucht, das zu verhandeln, konnte
war das trotzdem eine Menge Geld.
das wichtig, denn im Gegensatz zu indivi-
Einsatzbetrieb die Kosten übernimmt.
aber nur ein paar Wochen mehr rausschlagen. Da geht’s zu wie auf dem Basar.
F. Oft wird das aber abgeschmettert. Das
B. Man muss dazu sagen, dass wir über ei-
duellen Gesprächen am Arbeitsplatz oder
A. Da sieht man, dass unsere letzte Ver-
nach der Arbeit ist es doch ein kleiner An-
einbarung wie ein Sechser im Lotto ist.
satz gewerkschaftlicher Aktivierung.
F. Zur Bezahlung: Ein Metallfacharbeiter,
Bei uns bekommen nämlich jetzt alle
ein Zerspaner an der CNC-Fräse zum Bei-
dieselbe Nettoprämie, und der Entleiher
G. Ich bin seit 2004 Leiharbeiter, immer
spiel, bekommt monatlich ca. 1.600 Euro
kontrolliert auch, ob sie eins zu eins an
beim gleichen Arbeitgeber, hatte zwei ver-
brutto, egal mit wie viel Arbeitserfahrung.
die Arbeiter geht.
schiedene Arbeitsplätze. Mit den wenigen
Der neue Geselle, festangestellt, bekommt
Wechseln sind wir eine echte Ausnahme,
3.178 Euro monatlich brutto. Das geht
E. Das hat der Betriebsrat im Einsatzbetrieb
weil wir ja eigentlich Facharbeiter mit hoch
doch nicht!
erreicht, der ist ein Fels in der Brandung.
hängt vom Vorgesetzten ab.
bezahlten Qualifikationen sind.
Einige Vertreter der Verleihfirmen haben
schon komisch geguckt, als es hieß: Ent-
F. Nur, dass wir nicht hoch bezahlt werden.
weder ihr zieht mit bei der Bezahlung oder
ihr seid raus.
98
A. Wir haben die verschiedensten Hinter-
F. In meinen Augen ist dieses Arbeitszeit-
gründe, sitzen alle miteinander an einem
konto ein kostenloses Darlehen an den Ar-
Tisch. Das ist unsere Stärke. Wir haben
beitgeber. Das sind doch Millionenbeträge
auch schon vor einem anderen Einsatzbe-
bei einzelnen Verleihern, wenn man das
trieb demonstriert, dort sind wir ja nicht
mal ausrechnet, die haben mehrere tau-
angreifbar. Da gehört dann schon ein biss-
send Arbeiter, und das mal 150 Stunden.
chen Mut dazu. Das kriegt man nur durch
Solidarität hin. Ohne Rückendeckung ist
schön auseinander, ziehen das Verpfle-
C. Ich habe nur einen 130-Stunden-Vertrag
man doch schnell weg vom Fenster.
gungs- und Fahrtgeld ab und rechnen nur
und sammle dauernd Überstunden. Ich
mit dem Grundlohn. Damit war es aus mit
weiß gar nicht, wann ich die nehmen kann.
E. Viel zu viele Leiharbeiter haben Angst um
dem Kredit – kein Haus kaufen, nichts. Jetzt
ihren schlechten Job, weil sie darauf ange-
zahle ich 900 Euro Miete. Da hat keiner ge-
A. Ich habe einen Kollegen, der sich die
wiesen sind. Das ermöglicht den Arbeitge-
fragt, ob ich das bezahlen kann. Die Raten
Bänder angerissen hat und mit der Schie-
bern und Entleihern erst die Ausbeutung.
für ein Reihenhaus außerhalb hätten bei
ne und Schmerzen an der Werkbank stand.
Das mit dem Zweitjob ist ja kein Witz. Ich
knapp über 700 Euro gelegen. Da kriegst
Man traut sich nicht, sich krankschreiben
A. Nur so kann man was erreichen – wenn
kenne viele, die als Facharbeiter von ihrem
du so einen Hals.
zu lassen, weil sonst die Ablöse wegfällt.
man selbst nicht hochkommt, passiert ja
Hungerlohn nicht leben können. Als ich in
nichts. Wir haben uns ja auch erst einar-
die Leiharbeit kam, hat mich die Bankbe-
E. Das Schwierige in der Leiharbeit ist auch,
E. Die Leute wissen, dass sie als Leiharbei-
beiten müssen, ins Arbeitnehmerüber-
raterin darauf hingewiesen, dass es jetzt
dass man mobil sein muss. Viele haben
ter wenig einzahlen und bei Arbeitslosigkeit
lassungsgesetz und ins Betriebsverfas-
nicht zu weit in die roten Zahlen gehen darf.
einen Zweitwohnsitz, fahren jede Woche
weniger als wenig rausbekommen.
sungsgesetz zum Beispiel. Gleiche Arbeit,
400 Kilometer oder mehr. Wer Junggeselle
gleiches Geld, das steht ja sogar in der All-
F. Davon kann ich ein Lied singen! Das
ist, muss noch Zweitwohnsitzsteuer be-
A. Es kriegt auch keiner mit, wenn Leihar-
gemeinen Erklärung der Menschenrechte.
Haus, in dem ich mit meiner Familie ge-
zahlen. Und man hat eine doppelte Haus-
beiter entlassen werden. Wenn ein Betrieb
wohnt habe, wurde abgerissen. Wir muss-
haltsführung, soll flexibel bleiben, hat aber
schließt, werden sie einfach abgemeldet.
C. Manchmal ist es schwierig, wenn Kol-
ten uns umschauen. Eine Vierzimmer-
bei der Miete oder beim Internetanschluss
Kein Unternehmer ist verpflichtet, für sie
legen die Erwartung haben: Ihr seid die
wohnung in der Stadt kostet monatlich
eine Kündigungsfrist von drei Monaten.
einen Sozialplan aufzustellen, selbst wenn
Aktiven, also macht was.
1.200 Euro Miete. Gut, habe ich gesagt, da
Und die GEZ steht auch ein zweites Mal
es 900 Leute sind. Das steht auch nicht in
kann man besser was kaufen. Aber Puste-
auf der Matte.
der Zeitung.
einfach, dass sich jeder mit seinen Fähig-
D. Zwei Klassen gibt es auch bei Ost- und
F. Je nachdem, wie lange man beschäftigt
keiten und Erfahrungen einbringt. Anfangs
Westlöhnen. Wir haben seit bald 22 Jahren
war, wäre die Leihfirma eigentlich verpflich-
haben wir hier Arbeitsverträge verglichen
die Wiedervereinigung! Bei allem, was man
tet, über eine bestimmte Dauer einen neuen
und in Büchern nachgeschlagen, was über-
bezahlen muss, gibt es doch auch keinen
Einsatz zu suchen. Machen sie aber nicht,
haupt rechtens ist. Viele haben wir zur IG-
Unterschied.
sondern sie kündigen. Und die Kündigungs-
E. Aber alleine geht gar nichts. Wichtig ist
kuchen! Die in der Bank nehmen dich ganz
frist beträgt nur zwei Monate.
Metall-Beratung geschickt.
E. Und dann noch die Arbeitszeitkonten:
G. Jeder hier hat ja noch weitere Kontakte,
Viele Verleiher sind hinterher, dass man die
der Stammtisch ist eine Art Schnittstelle.
150 Stunden Reserve für schlechte Zeiten
So kriegt man mit, welche Aktionen die
aufbaut. Man schenkt dem Verleiher die
anderen planen.
Stunden und hat nichts davon.
D. Ich lebe eben auf dem Schleudersitz.
„Gleiches Geld für Leiharbeiter oder sogar mehr als für die Stamm­
angestellten! Denn ein Leiharbeiter ist manchmal wochenlang unterwegs, weg von seiner Familie – und das sollte man gut bezahlen.“
Ausblick
102
Was bisher passiert ist:
Erfolge der IG Metall
von Werkverträgen. Der Betriebsrat kann
Stammbeschäftigten. Das wirkt sich auf
dadurch überprüfen, ob hinter Werkver-
der Lohnabrechnung doppelt aus, denn
trägen möglicherweise verdeckte Leihar-
auch Spät-, Nacht- und Wochenendzu-
beit steckt. Bei gewerblich Beschäftigten
schläge werden nun auf Grundlage des
in Leiharbeit sieht der Tarifvertrag eine
höheren Entgelts berechnet. Neu ist auch
Höchsteinsatzdauer von sechs Monaten
die Lohnfortzahlung bei Krankheit und Ur-
vor, bei Ingenieuren, Technikern sowie
laub. Zudem soll der Anteil der Leiharbeit
IT-Spezialisten eine von 24 Monaten. Im
reduziert werden. In Eisenach lag die Leih-
Gegenzug erklärten sich die Arbeitnehmer
arbeitsquote bei den sozialversicherungs-
bereit, ein höheres Maß an „interner Flexi-
pflichtig Beschäftigten laut Hans-Böckler-
bilität“ zu ermöglichen. Damit profitieren
Stiftung 2009 bei über acht Prozent und
beide Seiten von der Vereinbarung.
war damit mehr als doppelt so hoch wie
Bessere Arbeitsbedingungen, transparen-
in Leiharbeit der IG Metall entgegenbrin-
te Übernahmeregelungen und eine gerech-
gen: Zwischen 2007 und 2011 haben sich
Gleiches Geld und Übernahme
te Entlohnung von Leiharbeitern – das sind
mehr als 40.000 Leiharbeitnehmer der IG
bei Curamik Electronics
Inhalte der Besservereinbarungen, die die
Metall angeschlossen.
Gleiches Geld für vergleichbare Arbeit,
fairen Verleihbetriebs
und das ab dem ersten Einsatztag, sieht
Einen ganz anderen Weg zur Durchsetzung
IG Metall in den vergangenen Jahren in
im Bundesdurchschnitt.
Alternative: Gründung eines
mehr als 1.200 Betrieben der Metall- und
Ein Leuchtturm am Bodensee
auch der Tarifvertrag vor, den die IG Metall
des Equal-Pay-Grundsatzes ist die IG Me-
Elektroindustrie durchgesetzt hat. Wich-
Einen von vielen Leuchttürmen in Sachen
2009 mit dem fränkischen Automobilzulie-
tall hingegen in Siegen gegangen. Anfang
tigstes Ziel ist es, Equal Pay – also die
Equal Pay stellt der Haustarifvertrag dar,
ferer Curamik Electronics vereinbart hat.
2009 gründete man gemeinsam mit Ver-
gleiche Bezahlung von Leiharbeitern und
auf den sich IG Metall, Betriebsrat und
Hier waren die Übernahmeregelungen ein
tretern des Kreises Siegen-Wittgenstein
Festangestellten auf betrieblicher Ebe-
Geschäftsführung des bekannten An-
zusätzliches wichtiges Anliegen für die
und dem Verband der Siegerländer Me-
ne – herzustellen. Audi ist einer der be-
triebs- und Fahrwerktechnikherstellers
Beschäftigten. Sie konnten durchsetzen,
tallindustriellen e. V. die Leiharbeitsfirma
kanntesten Arbeitgeber, der bereits 2009
ZF in Friedrichshafen im November 2011
dass Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter
QuatroTransFair GmbH, deren Beschäftigte
eine Besservereinbarung unterzeichnet
geeinigt haben. Wichtigster Punkt darin:
nun nach zwölf Wochen Einsatzzeit ein
grundsätzlich den im Entleihbetrieb gülti-
hat. Leiharbeitskräfte werden dort seither
Ob ausgeliehen oder fest beschäftig – bei
Arbeitsplatzangebot bekommen müssen.
gen Tarif erhalten.
auf Basis des IG Metall-Tarifs bezahlt. Das
der Bezahlung macht das nun keinen Un-
schützt die Stammbelegschaft vor Lohn-
terschied mehr. Wie die Festangestellten
Auch bei Bosch und sechs weiteren Firmen
Die Kunden von QuatroTransFair zahlen
drückerei und sichert den Leiharbeitneh-
müssen die Leiharbeiterinnen und Leih-
in Eisenach konnte die IG Metall bessere
die gleichen Preise wie bei vergleichba-
mern ein Gehalt, von dem sie leben kön-
arbeiter künftig von der ersten Stunde
Bedingungen für Leiharbeiter aushandeln.
ren Verleihfirmen, bei den Kolleginnen
nen. Auch in der Krise konnte die IG Metall
an nach demselben Flächentarifvertrag
Im Mittelpunkt hier: die unfairen Entgelte.
und Kollegen kommt aber mehr an, erklärt
bei Audi etwas zum Positiven bewegen:
bezahlt werden.
Seit Anfang 2011 verdienen die Leiharbeit-
die IG Metall Siegen das alternative Ge-
nehmer nun fast doppelt so viel wie zuvor.
schäftsmodell. Dies ist möglich, weil die
Abgemeldete Leiharbeiter wurden über
eine Transfergesellschaft aufgefangen und
IG Metall und Betriebsrat konnten bei ZF
Damit ist die „Eisenacher Lösung“ ein Zwi-
Gesellschafter der GmbH keine Gewinner-
weiterqualifiziert. In der Stahlindustrie in
weitere Forderungen durchsetzen: Höchst-
schenschritt in Richtung Equal Pay – auch
wartung haben.
Nordrhein-Westfalen konnte die IG Metall
grenzen – zeitlich und anteilsmäßig – für
wenn die IG Metall erstmal nur von einer
2010 die gleiche Bezahlung für Leiharbeit-
den Einsatz von Leiharbeitern, ein erwei-
„Notlösung“ spricht. Die Besserverein-
Die Beispiele machen deutlich, dass sich
nehmer sogar im Tarifvertrag verankern.
tertes Mitbestimmungsrecht über das
barung sieht vor, dass Leiharbeiter statt
auf lokaler und betrieblicher Ebene bereits
Diese Erfolge spiegeln sich in der Akzep-
Betriebsverfassungsgesetz hinaus sowie
6,41 Euro pro Stunde nun 11,71 Euro er-
tanz und dem Vertrauen, die Beschäftigte
ein Informationsrecht bei der Vergabe
halten, den gleichen Grundlohn wie die
104
Erfolge abzeichnen, die die IG Metall im
und Equal Treatment – müssen ohne Aus-
Kampf gegen den Missbrauch der Leih-
nahme für alle Leiharbeitnehmer Gesetz
arbeit erstritten hat. Doch die Situation
werden. Dass das möglich ist und dass
muss sich grundlegend für alle Leiharbei-
Leiharbeit auch anders geregelt werden
terinnen und Leiharbeiter verbessern. Hier
kann, zeigen nicht nur die Tarifverträge
ist die Politik gefordert: Gleiches Geld und
und Betriebsvereinbarungen der IG Metall,
gleiche Arbeitsbedingungen – Equal Pay
sondern auch der Blick über die Grenzen.
Leiharbeit in Europa: Die 2008 verabschiedete EU-Richtlinie über Leiharbeit wird in den
Mitgliedsstaaten unterschiedlich umgesetzt
So läuft es andernorts: Leiharbeit in Europa Die EU-Richtlinie zur Leiharbeit ist
In diesen Ländern der EU gibt es für die Bezahlung von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern …
ein wichtiger Schritt hin zur Angleichung staatlicher Regelungen in Europa. Darin
keine Regelung
ist der Grundsatz Equal Treatment festgeschrieben. Sie wird in den einzelnen Län-
Equal-Pay-Regelung mit Ausnahmen
dern unterschiedlich umgesetzt.
Equal-Pay-Regelung für alle
In Österreich wird die Leiharbeit über einen Kollektivtarifvertrag reguliert, der für
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alle Verleihbetriebe bindend ist. Darin ist festgelegt, dass für Leiharbeitskräfte
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während der Verleihzeiten dieselben Tarifverträge wie für die Stammbelegschaft im
Einsatzbetrieb gelten. Damit ist Österreich ein gutes Beispiel dafür, dass Leiharbeit
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durch die Tarifparteien effektiv geregelt werden kann, wenn der Gesetzgeber für die
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Rahmenbedingungen sorgt.
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In Dänemark gibt es für Arbeitgeber kaum Anreize, auf Leiharbeit zu setzen. Zum einen ist der Kündigungsschutz auch für Festangestellte schwach, zum anderen haben
Leiharbeitskräfte dieselben tariflichen Lohnansprüche wie die Stammbelegschaften,
nur für betriebliche Sozialleistungen wie Rente, Urlaub und Krankheit können während einer Qualifizierungsphase Sonderregeln gelten. Leiharbeitnehmer werden in
der Regel nur für die Auftragsdauer beschäftigt. Zwischen den Einsätzen fallen sie
auf die Grundsicherung zurück, die in Dänemark aber relativ hoch ist.
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Quelle: Arrowsmith, 2008
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In Frankreich gilt wie in Deutschland der Grundsatz Equal Pay, allerdings ohne
Ausnahmen. Ab dem ersten Tag bekommen Leiharbeitskräfte die gleiche Bezahlung und zusätzlich eine „Prekaritätsprämie“ in Höhe von zehn Prozent des
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Lohns. Leiharbeitsbetriebe zahlen in einen branchenbezogenen Weiterbildungsfonds ein. Prinzipiell dürfen Leiharbeiter keine regulär Beschäftigten ersetzen.
Die Begrenzung der Einsatzdauer auf 18 Monate soll Missbrauch verhindern.
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Arbeitsverträge sind meist auf einen Einsatz beschränkt – so ist die Leiharbeit
auch in Frankreich eine unsichere Beschäftigungsform.
106
nicht nur schlechte Löhne machen die
Breite gesellschaftliche Unter­stützung –
und die Politik denkt um
Foto: CDA
„Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“
Karl-Josef Laumann (CDU) ist Bundesvorsitzender der
Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) und
Fraktionsvorsitzender im Landtag von Nordrhein-Westfalen.
Zeitarbeit zu dem, was man landläufig
als prekäre Beschäftigung bezeichnet.
In Krisenzeiten sind die Leiharbeiter die
Ersten, die ihren Job verlieren. Die Fluktuation ist hoch. 2008 beispielsweise hatten
wir einen durchschnittlichen Bestand von
„Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“ heißt
Immer mehr Belegschaften spalten sich
die Kampagne, mit der sich die IG Metall
auf in Festangestellte und schlechter
seit April 2008 für faire Arbeitsbedingun-
bezahlte Leiharbeiter. Wie sehen Sie
900.000 überschritten. Diese Entwicklung
neu begonnenen Leiharbeitsverhältnissen
gen in der Leiharbeit einsetzt. Damit ist
diese aktuelle Entwicklung?
ist bedenklich. Trotz des immensen Fach-
ebenso viele beendete gegenüber. Von
kräftemangels sitzen vor allem junge Leu-
den im ersten Halbjahr 2011 neu einge-
zugleich das wichtigste Ziel formuliert,
760.604 Leiharbeitern in Deutschland. Allerdings standen einer rund einer Million
das sich die Initiatoren angesichts des
Laumann: Es ist erfreulich, dass die Arbeits-
te auf gepackten Koffern und sind ständig
stellten 569.000 Leiharbeitern war nicht
zunehmenden Missbrauchs der Leiharbeit
losenzahl deutlich gesunken ist. Eine Auf-
auf der Suche nach einer Festanstellung.
einmal die Hälfte länger als drei Monate
setzten: die Lohndrückerei zu stoppen.
spaltung in Stamm- und Randbelegschaf-
Wir brauchen auf dem Arbeitsmarkt wieder
beschäftigt. Leiharbeiter sollten wirklich
Unter der Schirmherrschaft der drei frü-
ten ist aus Sicht der CDA nicht hinnehmbar.
mehr Recht und Ordnung.
nur die Auftragsspitzen abfedern.
heren Bundesarbeitsminister Dr. Herbert
Arbeitnehmer und ihre Familien brauchen
Ehrenberg, Dr. Norbert Blüm und Walter
Sicherheit und gerechte Bezahlung.
Was sind für Sie die wichtigsten Anfor-
liches Bündnis gegen die Ausbeutung von
Machnig: Fakt ist, dass im Boomjahr 2011
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
auch die Leiharbeit einen regelrechten
Laumann: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
entstanden. Mehr als 21.000 Menschen
Aufwärtstrend erlebte. 3,2 Prozent aller
am gleichen Ort – dann entfällt auch der
haben die Forderungen der Initiative be-
sozialversicherungspflichtig Beschäftig-
Anreiz, Leiharbeiter lange in einem Unter-
reits unterzeichnet.
ten übten einen Job in der Zeitarbeitsbran-
nehmen zu beschäftigen, um den Lohn zu
che aus, ein Prozent mehr als im Vorjahr.
drücken. Der gleiche Lohn muss nach einer
Auch Matthias Machnig (SPD), seit 2009
Mit 910.000 Leiharbeitnehmern im Juni
angemessenen Einarbeitungszeit gezahlt
Minister für Wirtschaft, Arbeit und Techno-
2011 wurde erstmals die Marke von
werden – wobei diese kürzer als ein hal-
logie in Thüringen, und Karl-Josef Laumann
bes Jahr sein muss! Bei der konkreten Aus-
(CDU), Bundesvorsitzender der Christlich-
gestaltung sind die Tarifpartner gefordert.
Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA)
und Fraktionsvorsitzender im Landtag
Machnig: Es ist kein Geheimnis, dass die
von Nordrhein-Westfalen, setzen sich für
Löhne in Zeitarbeit niedriger sind als in
gleiches Geld bei gleicher Arbeit ein. Ein
allen anderen Branchen – im Vergleich
Gespräch mit den beiden Politikern über
zur Stammbelegschaft eines Betriebes
Fairness, Würde und Gerechtigkeit.
durchschnittlich 40 bis 60 Prozent. Aber
Foto: Bildwerkstatt Michael Voigt
derungen an faire Leiharbeit?
Riester ist seither ein breites gesellschaft-
Matthias Machnig (SPD) ist seit 2009 Minister für Wirtschaft,
Arbeit und Technologie in Thüringen.
108
müssen der Vergangenheit angehören.
Würden Betriebsräte dahingehend mehr
mitbestimmen können – auch in Hinblick
auf eine sich stark entwickelnde Praxis
von Werkverträgen im Unternehmen –,
wäre der Trend sicher weniger dramatisch.
Unter welchen Voraussetzungen ist
Viele Leiharbeiter sind trotz
Leiharbeit ein sinnvolles Instrument?
eines Vollzeitjobs auf staatliche
Transferzahlungen angewiesen.
Laumann: Sie sollte Langzeitarbeitslosen
Wie schätzen Sie das ein?
als Brücke auf den Arbeitsmarkt dienen.
Es ist auch in Ordnung, wenn Unterneh-
Laumann: Wer Vollzeit arbeitet, muss zu-
men sie einsetzen, um Auftragsspitzen
mindest selbst von seinem Lohn leben kön-
abzufangen. Ich bin davon überzeugt: Die
nen, ohne ergänzend „Stütze“ zu beziehen.
Stärkung der Rechte und der tariflichen
Es ist Aufgabe des Staates, mit Transfer-
Ansprüche der Leiharbeitnehmer ist die
leistungen Familien zu unterstützen, aber
beste Voraussetzung dafür, Leiharbeit auf
nicht, Dumpinglöhne zu subventionieren.
diesen legitimen Kern zu begrenzen.
„Die Würde der Erwerbsarbeit drückt sich auch in ihrer Bezahlung aus“, sagt Karl-Josef Laumann. „Für uns Christlich-Soziale
ist diese Überzeugung ein politischer Auftrag.“
Deswegen brauchen wir neben Equal Pay
in der Leiharbeit auch eine allgemeine
Machnig: Heute haben 16.000 Unterneh-
widerlegt. Recht und Ordnung auf dem
Laumann: Ja. Nicht ohne Grund stellen
Lohnuntergrenze.
men eine Lizenz für die Leiharbeit und es
Arbeitsmarkt heißt, dass die Abschaffung
CDA und CDU die Würde der Arbeit her-
gibt 8.000 Leiharbeitsunternehmen. Es
des Befristungs-, des Wiedereinstellungs-
aus. Die Würde der Erwerbsarbeit drückt
Machnig: Diese Unternehmensstrategie
gibt immer noch keine Zertifizierung und
und des Synchronisationsverbotes sowie
sich auch in ihrer Bezahlung aus. Für uns
ist eigentlich Betrug am Steuerzahler.
zu viele schwarze Schafe. Diese Entwick-
der Wegfall der Überlassungshöchstdauer
Christlich-Soziale ist diese Überzeugung
Laut einer DGB-Studie von Februar 2011
lung muss gestoppt werden. Wir brauchen
überprüft und angepasst werden müssen.
ein politischer Auftrag.
ist rund jeder achte Leiharbeitnehmer
ein Qualitätssiegel für die Leiharbeit.
zusätzlich zu seinem Gehalt auf staat-
Wenn gerade einmal sieben Prozent aller
Liegt es nicht in der Verantwortung
Machnig: Meiner Ansicht nach gilt das für
liche Unterstützung angewiesen. Wir
vormals Arbeitslosen nach der Leiharbeit
gerade auch jener Politiker und Politi-
alle Menschen, und es ist keine morali-
haben daraus Konsequenzen gezogen: In
den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt
kerinnen, die sich dem Menschenbild
sche Frage: Ein Sozialstaat zeichnet sich
Thüringen gibt es keine Investitionsför-
schaffen, ist die einst beabsichtigte Brü-
der christlichen Soziallehre verpflich-
durch Rechtsansprüche aus – die sicher-
derung für Unternehmen mehr, die eine
ckenfunktion dieser Branche faktisch
tet fühlen, die Verhältnisse endlich zu
stellen müssen, dass es keine Menschen
ändern?
zweiter Klasse gibt.
zu hohe Leiharbeiterquote haben und die
sich nicht an bestimmte Entlohnungsstandards halten. Entscheidende Dinge
können jedoch nur auf Bundesebene
geregelt werden. Lohnflucht über Zeitarbeit oder Leiharbeiter als Streikbrecher
110
Wer Leiharbeitern trotz gleicher Arbeit weniger Lohn als den anderen Beschäftigten
Unter den mehr als 21.000 Menschen, die
zahlt, verstößt gegen die Menschenrech-
die Initiative „Gleiche Arbeit – Gleiches
te. Die Unternehmer haben ihr unterneh-
Geld“ unterstützen, sind auch zahlreiche
merisches Risiko auf die Leiharbeiter ab-
bekannte Vertreterinnen und Vertreter aus
gewälzt: Sie waren die ersten Opfer der
er seinen Bürgern Wohlstand und soziale
Politik, Wissenschaft und Gesellschaft. In
Krise. Schlechte Arbeitsbedingungen sind
Sicherheit gewährleistet. Wir sollten mehr
kurzen Statements machen sie deutlich,
aber kein Naturgesetz, sondern schlecht
Staat wagen, den Markt wieder unter die
warum sie sich den Forderungen der IG Me-
gemachte Arbeitsbedingungen. Leihar-
Aufsicht des Staates stellen. Unsere Le-
tall anschließen.
beit ist politisch in Gang gesetzt worden.
bensverhältnisse dürfen nicht in erster
Deshalb ist die Politik jetzt gefordert, die
Linie vom Markt bestimmt werden. Not-
Renate Schmidt,
Charlotte Knobloch, Präsidentin der Is-
Würde und den Respekt der Leiharbeit zu
wendig sind robuste soziale Leitplanken.
Bundesfamilienministerin a. D.:
raelitischen Kultusgemeinde München
schützen. Jeder, der arbeitet, hat Anspruch
Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn
„Ich unterstütze die Initiative ‚Gleiche Ar-
und Oberbayern und Vizepräsidentin
auf gleiche Bezahlung, gleiche Rechte und
muss zumindest eine existenzsichernde
beit – Gleiches Geld‘, weil viele Unterneh-
des Jüdischen Weltkongresses:
gleiche soziale Sicherheit.“
Entlohnung garantieren. Wer das als unzu-
men Leiharbeit als ‚Regelarbeitsverhältnis‘
„Ich unterstütze die Initiative ‚Gleiche Ar-
missbrauchen und Arbeitnehmer/innen in
beit – Gleiches Geld‘, weil das deutsche
Prof. Dr. Kerstin Jürgens, Soziologin an
hat nicht begriffen, was Wettbewerb be-
dauernder Unsicherheit und unterbezahlt
Grundgesetz die Würde des Menschen als
der Universität Kassel:
deutet: Erfolgreich sind produktive und
arbeiten lassen. Dies war vom Gesetzge-
oberste Prämisse des Handelns vorgibt.
„Ich unterstütze die Initiative der IG Me-
innovative Unternehmen. Wenn sich je-
ber so nie gewollt und dieser Ausbeutung
Dieser Vorgabe sollte sich auch die freie
tall, weil die Missachtung gleicher Ar-
doch Unternehmen durchsetzen, weil sie
muss ein Ende bereitet werden, denn alle
Wirtschaft verpflichtet fühlen. Auch das
beitsleistung bei gleicher Qualifikation
die Löhne drücken, schaden sie der Volks-
Menschen brauchen ein Mindestmaß an
Recht auf Gleichberechtigung ist eine es-
eine Ungerechtigkeit darstellt, die sozi-
wirtschaft langfristig.“
Sicherheit.“
sentielle Voraussetzung gesellschaftlicher
alen Polarisierungen und Konflikten in
und sozialer Balance.“
unserer Gesellschaft Vorschub leistet.“
„Leiharbeit: billige und willige, schneller
Dr. Franz Segbers, Theologe und
Prof. Dr. Peter Bofinger, „Wirtschafts-
Weitere Statements von Unterstützerin-
zu heuernde und zu feuernde Lückenbü-
Professor für Sozialethik an der
weiser“, Geschäftsführer des Volkswirt-
nen und Unterstützern sind unter www.
ßer. Das ‚Menschenmaterial‘ wird einfach
Universität Marburg:
schaftlichen Instituts der Universität
gleichearbeit-gleichesgeld.de zu finden.
zeitnah und konfliktfrei angemietet, wie ein
„Leiharbeit ist eine moderne Form von
Würzburg:
Dort sind zudem aktuelle Informationen,
Presslufthammer, eine Hebebühne oder ein
Tagelöhnerei. Leiharbeitnehmer werden
„Schon vor der Krise ist ein Großteil der
Fakten und Hintergrundberichte zum
Kleinlaster. Zeitarbeit = Leiharbeit, oder die
hin und her geschubst und wie eine Ware
Beschäftigten vom steigenden Wohlstand
Thema Leiharbeit abrufbar. Und über den
moderne Form von Menschenhandel.“
behandelt, die man kaufen und verkaufen
einfach abgekoppelt worden: Die Mittel-
Leiharbeitsmelder können Beschäftigte
kann. Doch Arbeit ist keine Ware, sie hat
klasse ist geschrumpft, die Armutsquo-
ihre persönlichen Erfahrungen schildern.
Würde. Zur Würde gehört ‚Gleicher Lohn für
te gestiegen, die soziale Absicherung
Machen Sie mit! Unterstützen Sie die Ini-
gleiche Arbeit‘. Im Artikel 23 der UN-Men-
schwächer geworden. Das darf nach der
tiative online!
schenrechtserklärung heißt es: ‚Jeder, ohne
Krise nicht so weitergehen, sonst gerät
Unterschied, hat das Recht auf gleichen
der Staat in Misskredit. Der Staat bezieht
Lohn für gleiche Arbeit.‘ Das aber heißt:
nämlich seine Legitimation daraus, dass
lässigen Eingriff in den Markt verdammt,
Im Internet
Günter Wallraff, Schriftsteller:
112
Landkarte der Leiharbeit: Während in einigen ländlichen Regionen Leiharbeit kaum
vorhanden ist, wird sie in Industrieregionen intensiv genutzt
Anteil der Beschäftigten in Leiharbeit an den
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt
Aktiv für Gerechtigkeit:
Ziele der IG Metall
3,5 bis 11,7 %
2,4 bis 3,5 %
1,45 bis 2,4 %
bis 1,45 %
„Grenzenloser Einsatz von Leiharbeit, Verdrängung von regulärer Beschäftigung,
Lohndumping – all das ist mit uns nicht
mehr zu machen. Wir packen die Leiharbeit
aktiv, konsequent und dauerhaft in den
Einsatzbetrieben an und gehen offensiv in
den Konflikt mit den Arbeitgebern“, sagte
Detlef Wetzel, der zweite Vorsitzende der
IG Metall, als die Initiative „Gleiche Arbeit
Mitarbeiter zweiter Klasse sein. Sie müs-
– Gleiches Geld“ 2008 an den Start ging.
sen bezahlt und behandelt werden wie die
Stammbelegschaft – das bedeutet Equal
Die Auseinandersetzung beginnt
Pay und Equal Treatment. Menschen müs-
in den Betrieben
sen gut von ihrer Arbeit leben können –
Leiharbeit darf nur zur vorübergehenden
das ist einer der Grundpfeiler der sozialen
Bearbeitung von Auftragsspitzen einge-
Marktwirtschaft, der nicht weiter bröckeln
setzt werden. So können Unternehmen
darf. Es ist ein Skandal, dass viele Leihar-
flexibel den kurzfristig gestiegenen Per-
beitnehmer trotz eines Vollzeitjobs noch
sonalbedarf abdecken und dadurch auch
auf zusätzliche staatliche Unterstützung
die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft
angewiesen sind. 2011 haben die Be-
sichern. Die Unternehmen sind aber auch
schäftigungszahlen in der Leiharbeit ein
in der Pflicht: Leiharbeiter dürfen keine
neues Rekordniveau erreicht. Die von der
IG Metall in mittlerweile weit mehr als
1.200 Betrieben der Metall- und Elektroindustrie durchgesetzten Besservereinbarungen für Leiharbeitsbeschäftigte zeigen,
dass Niedriglöhne in der Leiharbeit kein
Naturgesetz sind. Leiharbeit zu fairen Bedingungen ist sehr wohl möglich. In vielen
Betrieben der Metall- und Elektrobranche
Quelle: Regionale Datenbank „Atypische Beschäftigung“ des WSI, Hans-Böckler-Stiftung
114
Mit BAP und iGZ: Verhandlungen über
höhere Löhne
Mit den Verbänden der Leiharbeit wird
über höhere Löhne verhandelt. Die IG Metall will für die mehr als 300.000 Betroffenen einen Branchenzuschlag durchsetzen,
den die Verleihfirmen künftig zusätzlich
zum Leiharbeiterlohn zahlen sollen. Verhandlungspartner sind der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen
(iGZ) und der Bundesverband der Personaldienstleister (BAP). Eine Umfrage unter
den Mitgliedern in Leiharbeit hat der IG
Metall Ende 2011 ein eindeutiges Mandat
für diese Gespräche erteilt: 97 Prozent der
konnten IG Metall und Betriebsräte dar-
mehr als 4.000 Kolleginnen und Kollegen,
über hinaus den Einsatz von Leiharbeit
die an der Befragung teilgenommen ha-
verhindern und den Aufbau regulärer
ben, fordern die IG Metall auf, in Tarifver-
Beschäftigung oder die Übernahme von
handlungen mit den Verbänden der Leih-
Leiharbeitern in die Stammbelegschaften
arbeit einzutreten. 96 Prozent sind bereit,
durchsetzen.
sich aktiv in die Tarifrunde einzubringen.
In der Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen ist Equal Pay tarifvertraglich festgeschrieben. Die IG Metall setzt sich dafür ein,
dass diese Regelung künftig bundesweit gilt.
Arbeit ist der wertvollste Rohstoff, den
Das Thema Leiharbeit
Die Politik muss ihrer Verantwortung
Deutschland besitzt, und den gilt es zu
gehört in die Tarifrunde
gerecht werden
hegen und zu pflegen. Arbeit darf nicht
Was einzelne Betriebe können, ist auch in
Die IG Metall verlangt Respekt und Aner-
zur Ramschware verkommen. Die IG Metall
größerem Rahmen möglich. In verschie-
kennung für geleistete Arbeit. Die IG Me-
will verhindern, dass Stammarbeitsplätze
denen Branchen hat die IG Metall bereits
tall steht für eine sichere, gerechte und
bessere Regelungen für Beschäftigte in
zukunftsfähige Gesellschaft. Dazu gehört
Pflicht: Sie sind gefordert, für die Leihar-
werden und dass es am Ende verschiede-
Leiharbeit durchgesetzt. So gilt in der
auch die Verantwortungs- und Mitbe-
beit neue und strengere Rahmenbedin-
ne Lohnlinien in Betrieben gibt. Die neue
nordrhein-westfälischen Stahlindustrie
stimmungskultur, die Gewerkschaften in
gungen zu definieren. Dazu gehört die
Masche der Chefs – outgesourcte indus-
seit 2011 ein Tarifvertrag, der die gleiche
Deutschland entscheidend mitentwickelt
Wiedereinführung einer Höchstüberlas-
trielle Dienstleistungen, die mit Werkver-
Bezahlung festschreibt. In der Tarifrunde
haben. Doch das entlässt die politisch
sungsdauer und des Synchronisationsver-
trägen zu niedrigeren Löhnen eingekauft
für die Metall- und Elektroindustrie wird
Verantwortlichen in Berlin nicht aus ihrer
bots. Und dazu gehört die Einführung des
und wieder in den Betrieb geholt werden –
2012 über die erweiterte Mitbestimmung
Grundsatzes „Gleiche Arbeit – Gleiches
wird daher ein weiteres Schwerpunktthe-
bei Leiharbeit verhandelt. Betriebsräte der
Geld“ ohne Ausnahmeregelungen. Denn
ma der IG Metall sein.
Entleihbetriebe sollen stärker mitentschei-
Tarifverträge können für Teilbereiche zwar
den, ob und wie Leiharbeit in den Unter-
positive Regelungen schaffen – darüber
nehmen eingesetzt wird. So kann Miss-
hinaus sind aber gesetzliche Regelungen
brauch wirksam verhindert und so können
erforderlich, damit branchen- und be-
faire Arbeitsbedingungen erreicht werden.
reichsübergreifend Wirkung erzeugt wird.
durch prekäre Beschäftigung verdrängt
116
Stellungnahmen
„Es scheint die Kunden wenig zu interessieren, dass beim häufigen Wechsel bzw.
Wegfall von Langzeitleiharbeitern insbesondere im Ingenieurs- bzw. technischen
Bereich Erfahrungsträger und zum Teil umfangreiches Know-how abfließen. Ich
Was Beschäftigte in Leiharbeit der IG Metall aus ihrem Arbeitsalltag berichtet haben –
habe Leiharbeiter kommen und gehen sehen – die Phase des Neu- bzw. Wieder-
und was sie über die fehlenden Zukunftsaussichten denken:*
anlernens bindet zwangsläufig jedes Mal Kapazitäten, kostet Zeit und verursacht
,Fehlzeiten‘ beim Stammpersonal. Zum Teil entstehen auch Fehlleistungen durch
„Ich habe die Nase voll von Leiharbeit! Ich bin 30 Jahre alt, verheiratet und kann mir
keine Zukunft aufbauen, weil ich alle drei Monate, wenn mein Vertrag ausläuft, nachdenken muss: ,Was ist jetzt? Habe ich morgen noch meine Arbeit oder nicht mehr?‘
Jeden Tag gehe ich mit Kopf-, Bauch- und Rückenschmerzen zur Arbeit. Ich kann mir
keinen Urlaub oder freien Tag leisten, weil ich ein Leiharbeiter bin.“
neue und noch unerfahrene Leiharbeiter, die gleichfalls Mehrkosten verursachen.
All diese Gesichtspunkte scheinen bei der heutigen Strategie der Arbeitgeber keine
oder nur eine untergeordnete Rolle zu spielen, warum auch immer. Aus meiner
Sicht ist die Motivation bei stabilen Beschäftigungsverhältnissen und qualitativ
guter Personalführung ein großer Vorteil für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.“
„Seit 2005 bin ich beim gleichen Einsatzbetrieb in Hamburg. Nach den anfänglichen
Aussagen, wir würden nach und nach übernommen, hat sich bis heute nichts mehr getan. Über sieben Jahre Leiher, kein Ende in
Sicht, Bezahlung auch nicht hundertprozentig gleich. Und immer im Hinterkopf: Wenn
man den Mund aufmacht, darf man gehen.“
„Im Unternehmen, in dem ich seit über sechs
Jahren arbeite, fühlt man sich nicht imstande, uns eine feste Stelle anzubieten. Wir
werden hin- und her verschachert, damit die
Erfahrung, die wir mit den Jahren gesammelt
haben, nicht verloren geht. Immer mit der
Angst zu leben, am nächsten Jahresanfang
keine Arbeit mehr zu haben, finde ich sehr
bedenklich.“
„Am wichtigsten ist mir die Übernahme. Seit November 2007
habe ich für ein Unternehmen
der Metallindustrie als Leiharbeiter gearbeitet. Dafür hatte
ich damals meinen Arbeitsplatz
gekündigt. Als die Krise kam,
musste ich im September 2009
das Unternehmen verlassen,
war dann zwölf Monate arbeitslos. Im Oktober 2010 hat man
mich dann wieder zurückgeholt, bis heute arbeite ich dort.
Ich bin dort sehr zufrieden, nur
an eine Übernahme ist nicht zu
denken. Da ist man dann der
Depp, der wieder gehen muss,
wenn die Lage schlechter wird.
Leider!“
„Ich bin Leiharbeiter, jedoch ohne jegliche
Übernahmechance. Es gibt Leute bei mir in
der Firma, die sind fünf Jahre und länger am
gleichen Standort und wurden noch immer
nicht übernommen. Was ich verdeutlichen
will: dass dieses Konzept Leiharbeit einfach
nicht mehr so funktioniert, wie es noch vor
zehn Jahren geklappt hat. Ein Sprungbrett zur
leihenden Firma ist es auf keinen Fall, eher
sind wir die Lückenbüßer, die für andere die
Drecksarbeit machen.“
„Ich bin seit fast fünf Jahren ohne
Unterbrechung bei ein und demselben Kunden eingesetzt. Das
nennt man dann ‚die Spitzen
abfangen‘? Es müsste von der
Politik wieder der alte Riegel, die
„Ich bin jetzt 31 Jahre alt und seit sechs Jahren im selben Werk als Leiharbeiter beschäftigt. Ich frage Sie etwas ganz Wichtiges: Wenn man
jahrelang als Leiharbeiter arbeitet – welche Firma hält einen bis zur
Rente? Ich denke, ab 40 sind die meisten von uns arbeitslos.“
zeitliche Begrenzung, aktiviert
werden. Sonst haben wir in vielen Betrieben nur noch 20 bis
30 Prozent festangestellte Mitarbeiter. Das kann’s ja nicht sein.“
* D ie Stellungnahmen wurden im Rahmen einer Erhebung der IG Metall zusammengetragen. Dafür wurde im November 2011 eine Auswahl der
Mitglieder in Leiharbeit angeschrieben und zu ihrer Beschäftigungssituation befragt. Die Antworten beschreiben skandalöse Zustände – hier
einige anonymisierte Beiträge, ausgewählt aus den mehr als 1.000 Erfahrungsberichten. Namen und Kontaktdaten sind der IG Metall bekannt.
Zum Schutz der Befragten bleiben die Zitate anonym.
„Ich bin seit 2002 bei meinem
Verleiher beschäftigt, mit Verleihdauern von drei Tagen bis
4,5 Jahren am Stück – Übernahme bis jetzt Fehlanzeige. Ich
bin der Meinung, dass man die
Entleihbetriebe nur über den
Kostenfaktor zur Übernahme
bewegen kann. Schöne Worte
habe ich in den letzten Jahren
zu oft gehört.“
„Es ist leider kaum zu ertragen, dass man jeden
Tag zur Arbeit geht, dort mehr Einsatz zeigt
als so mancher Stammwerker und trotz allem
mit der Angst leben muss, dieser Tag könnte
dein letzter im Unternehmen sein. Zum November gab es wieder eine Entlassungswelle
von Leihwerkern. Sie bekamen dann einen Tag
vorher gesagt: ‚Tut uns leid, ab morgen bist du
abgemeldet.‘ Mit dieser Angst im Bauch ist das
Arbeiten nicht immer einfach …“
118
Glossar zur Leiharbeit
Arbeitszeitkonto
Auslöse
Arbeitszeitkonten erfassen die tatsächlich
Für berufliche Aufwendungen wie Über-
geleistete Arbeit inklusive Überstunden,
nachtung und Verpflegung erhalten Be-
Krankheit und Urlaub von Beschäftigten.
schäftigte in Leiharbeit eine zumeist
Entstehen beim Abgleich mit der vertraglich
pauschal berechnete monatliche Auslöse.
zu leistenden Arbeitszeit Plus- oder Minus-
Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sollten
zeiten, müssen diese gemäß dem Arbeits-
sich nicht auf eine Kürzung des Arbeits-
oder Tarifvertrag ausgeglichen werden.
entgelts einlassen, wenn der Verleiher im
Arbeitnehmerüberlassung, Zeitarbeit, Personalleasing oder Leiharbeit – immer ist
Gegenzug dafür die Auslöse erhöhen will.
dasselbe gemeint, nämlich dass ein Arbeitgeber einen Beschäftigten einem Dritten
Atypische Beschäftigungen
Denn erstens erhalten sie in Zeiten ohne
zur Erbringung einer Arbeitsleistung überlässt. Das Glossar erläutert auf den folgen-
Als atypische Beschäftigungen werden Be-
Überlassung keine Auslöse und zweitens
den Seiten kurz und knapp, um was es sonst bei dem Thema geht, von der Allgemein-
schäftigungsformen zusammengefasst, die
wird die Auslöse nicht bei der Berechnung
verbindlichkeitserklärung über den Drehtüreffekt und das Synchronisationsverbot
vom Normalarbeitsverhältnis abweichen.
von Arbeitslosengeld und Rente berück-
bis hin zur Leiharbeit.
Dazu gehören befristete und geringfügige
sichtigt.
Beschäftigung, Leiharbeit und Teilzeitar-
A
Arbeitnehmerfreizügigkeit
beit mit 20 oder weniger Arbeitsstunden
Austauschkündigung
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ermöglicht
pro Woche. Atypische Beschäftigungs-
Werden Stammbeschäftigte entlassen und
Allgemeinverbindlichkeitserklärung
es Bürgerinnen und Bürgern der Europä-
verhältnisse sind vermehrt auch prekäre
durch Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter
Tarifverträge können auf Antrag von Ge-
ischen Union, in allen Mitgliedsstaaten
Beschäftigungen, die langfristig kein exis-
mit entsprechend geringerer Entlohnung
werkschaften oder Arbeitgebervereinigun-
uneingeschränkt und ohne Arbeitserlaub-
tenzsicherndes Einkommen und keine so-
ersetzt, handelt es sich um unzulässige
gen vom Bundesministerium für Arbeit und
nis eine Beschäftigung aufzunehmen. Für
ziale Sicherung gewährleisten.
Austauschkündigungen.
Soziales für allgemeinverbindlich erklärt
neue Mitgliedsstaaten gelten teilweise
werden. Die Allgemeinverbindlichkeitser-
Übergangsfristen mit eingeschränktem
Aufhebungsvertrag
klärung bewirkt, dass Tarifverträge auch
Zugang zum Arbeitsmarkt.
Manche Verleiher schlagen ihren Leiharbei-
für alle bisher nicht tarifgebundenen Ar-
B
terinnen und Leiharbeitern bei Auftrags-
Befristete Beschäftigung
beitgeber und Beschäftigten im Geltungs-
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
mangel vor, einen Aufhebungs- oder Auflö-
Die befristete Beschäftigung gehört zu den
bereich verbindlich werden.
In Deutschland legt das AÜG seit 1972 die
sungsvertrag zu unterschreiben. So wollen
atypischen Beschäftigungsformen. Ein
rechtlichen Rahmenbedingungen der Leih-
sie eine Kündigung umgehen. Beschäftigte
Arbeitsverhältnis endet dabei nach einer
Arbeitnehmer-Entsendegesetz
arbeit fest. Im Zuge der Hartz-Reformen
riskieren damit eine Sperrzeit bei der Bun-
vertraglich vereinbarten Zeitspanne oder
Wird das Arbeitnehmerentsendegesetz
entfielen wesentliche Beschränkungen
desagentur für Arbeit, weil diese den Auf-
nach Erfüllung eines Zwecks, beispielswei-
auf eine Branche angewendet, verpflich-
zu Überlassungsdauer, Befristung, Syn-
hebungsvertrag als Kündigung wertet.
se einer Krankheitsvertretung.
tet es ausländische wie inländische Ar-
chronisation und Wiedereinstellung. Zwar
beitgeber und damit auch Ver- und Ent-
wurde 2004 in diesem Gesetz gleiche
Aufstocken
Besservereinbarung
leihbetriebe zur Einhaltung gesetzlicher
Arbeitsbedingungen (Equal Treatment)
Gemeinhin wird vom Aufstocken gespro-
Ergänzungen zu Tarifverträgen und Be-
und tarifvertraglich geregelter Mindest-
einschließlich gleicher Arbeitsentgelte
chen, wenn das Einkommen von geringfü-
triebsvereinbarungen, die zwischen Ent-
standards. Damit soll verhindert wer-
(Equal Pay) zugesichert, aber auch eine
gig oder voll sozialversicherungspflichtig
leiher und IG Metall ausgehandelt werden,
den, dass ausländische Beschäftigte in
Öffnungsklausel zur Abweichung von die-
Beschäftigten zur Existenzsicherung nicht
um die Arbeitsbedingungen und die Ent-
Deutschland zu Löhnen ihres Herkunfts-
sem Grundsatz festgeschrieben.
ausreicht und sie zusätzlich auf Arbeitslo-
lohnung von Leiharbeitsbeschäftigten zu
sengeld II angewiesen sind.
verbessern, werden als Besservereinba-
landes arbeiten.
rungen bezeichnet.
120
Branchenzuschläge
Branchenzuschläge sind gewerkschaftlich
D
geforderte Lohnzuschläge für Beschäf-
Deregulierung
Equal Pay
tigte in Leiharbeit, mit denen das gleiche
Die ursprüngliche Regulierung der Leih­
Equal Pay bedeutet, dass Leiharbeitsbe-
Lohnniveau wie im Entleihbetrieb oder im
arbeit, die eine Beschäftigungsstabilität
schäftigte für die gleiche oder gleichwer-
branchenüblichen Tarifvertrag erreicht
für Leiharbeitskräfte sichern sollte, wur-
tige Arbeit das gleiche Entgelt erhalten
werden soll.
de in den vergangenen Jahrzehnten zu-
müssen wie die Stammbelegschaft im
gunsten der Flexibilitätsanforderungen
Entleihbetrieb.
Betriebsrat
Der Betriebsrat ist die gewählte Interes-
Brückenfunktion
von Entleihbetrieben gelockert. Mit den
senvertretung der Beschäftigten. Er wahrt
Die Möglichkeit von (Langzeit-)Arbeitslo-
Hartz-Reformen führte die Deregulierung
Equal Treatment
die betriebliche Mitbestimmung gemäß
sen, über die Arbeitnehmerüberlassung
der Ar­beitnehmerüberlassung im Jahr 2004
In der 2008 verabschiedeten EU-Richtlinie
dem Betriebsverfassungsgesetz. Bei Ent-
in ein Normalarbeitsverhältnis zu gelan-
zur vollständigen Aufhebung der Überlas-
über Leiharbeit ist der Grundsatz Equal
scheidungen zu Einstellungen und Kün-
gen, wird als Brückenfunktion von Leih-
sungshöchstdauer, des Synchronisations-
Treatment verankert, der Leiharbeits-
digungen, Veränderungen der Arbeitszeit
arbeit bezeichnet.
und des Wiedereinstellungsverbots.
beschäftigten die gleichen Arbeitsbe-
spracherecht. Zu seinem Aufgabenfeld
Bundesarbeitgeberverband der Perso-
Drehtüreffekt
Arbeitsentgelts (Equal Pay) wie der Stamm-
gehören außerdem der Arbeitsschutz,
naldienstleister
Wenn unzulässigerweise Stammbeschäf-
belegschaft im Entleihbetrieb gewährleis-
die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Der Bundesarbeitgeberverband der Perso-
tigte von einem Betrieb entlassen und als
tet. Das deutsche Arbeitnehmerüberlas-
sowie die Eingliederung benachteiligter
naldienstleister (BAP) entstand aus einem
Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter für die-
sungsgesetz beinhaltet die Grundsätze
und die Betreuung externer Arbeitskräfte.
Zusammenschluss des Bundesverbands
selbe Tätigkeit, aber zu wesentlich geringe-
Equal Treatment und Equal Pay in Form des
Für Beschäftigte in Leiharbeit gilt, dass sie
Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen (BZA)
rer Entlohnung wieder eingestellt werden,
Gleichstellungsgrundsatzes.
beim Verleiher und, je nach Dauer, auch im
und des Arbeitgeberverbands Mittelständi-
wird das als Drehtüreffekt bezeichnet.
Entleihbetrieb bei den Betriebsratswahlen
scher Personaldienstleister (AMP) und ist
wahlberechtigt sind.
der größte Arbeitgeberverband der Leihar-
oder Betriebsorganisation besitzt er Mit-
dingungen einschließlich des gleichen
beitsbranche.
Betriebsvereinbarung
E
G
Geringfügige Beschäftigung
Einsatzzulage
Geringfügige Beschäftigung liegt vor, wenn
entweder das Arbeitsentgelt aus einer
Tarifvertrag abhängige Ergänzung zum Ar-
Beschäftigung monatlich nicht 400 Euro
Sie ist ein wichtiges Mittel zur Mitbestim-
C
Die Einsatzzulage ist eine vom jeweiligen
Christlicher Gewerkschaftsbund
beitsentgelt, die gezahlt wird, wenn Leih-
überschreitet oder wenn eine Beschäfti-
mung, denn sie umfasst Rechte und Pflich-
Deutschlands
arbeitsbeschäftigte über mehrere Monate
gung vertraglich auf zwei Monate oder ins-
ten von Beschäftigten, Betriebsrat und Ar-
Der Christliche Gewerkschaf tsbund
ununterbrochen in einem Entleihbetrieb
gesamt 50 Arbeitstage begrenzt ist. Diese
beitgeber. Dazu gehören die betriebliche
Deutschlands (CGB) ist ein Zusammen-
tätig sind.
geringfügig entlohnten oder kurzfristigen
Altersversorgung, Fortbildungsprogramme,
schluss arbeitgeberfreundlicher Splitter-
Frauenförderung und die Aufstellung von
gewerkschaften, die für niedrige Tarifab-
Entleiher
Minijobs bezeichnet und gehören zu den
Sozialplänen. Entgelte und Arbeitsbedin-
schlüsse und Lohndumping bekannt sind.
Als Entleiher werden Betriebe bezeichnet,
atypischen Beschäftigungsformen.
gungen sind meist nicht Gegenstand von
Die zum CGB gehörende Tarifgemeinschaft
denen Verleiher zeitweise Leiharbeiterin-
Betriebsvereinbarungen, sie werden vor-
Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit
nen und Leiharbeiter zur Erbringung einer
rangig im Tarifvertrag geregelt.
und Personalserviceagenturen (CGZP) wur-
Arbeitsleistung überlassen. Zwischen Ent-
de gerichtlich für nicht tariffähig erklärt und
leihbetrieben und Leiharbeitskräften be-
darf keine Tarifverträge mehr abschließen.
steht kein Arbeitsvertrag, jedoch sind Ent-
Eine Betriebsvereinbarung wird zwischen
Arbeitgeber und Betriebsrat geschlossen.
Beschäftigungen werden gemeinhin als
leiher ihnen gegenüber weisungsbefugt.
122
K
Lohndumping
Der Begriff Lohndumping bezeichnet die
Klebeeffekt
Zahlung immer niedrigerer Löhne, die deut-
Gleichstellungsgrundsatz
Wenn Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter
Im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ist
nach der Überlassung von einem Entleih-
Leiharbeit
der Gleichstellungsgrundsatz verankert,
betrieb übernommen und dauerhaft be-
Leiharbeit ist eine Beschäftigungsform,
der Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern
schäftigt werden, wird das als Klebeeffekt
bei der ein Arbeitgeber (Verleiher) seine
Lohnkostenzuschuss
die gleichen Arbeitsbedingungen (Equal
der Leiharbeit bezeichnet. Diese arbeits-
Beschäftigten (Leiharbeiterinnen und Leih-
Arbeitgeber können von der Bundes-
Treatment) und das gleiche Arbeitsentgelt
marktpolitische Wirkung wird zwar von
arbeiter) zeitweilig einem Dritten (Entleiher)
agentur für Arbeit zeitweilig einen Lohn-
(Equal Pay) wie der Stammbelegschaft im
Befürwortern der Leiharbeit als Chance
zur Erbringung einer Arbeitsleistung über-
kostenzuschuss erhalten, wenn sie Ar-
Entleihbetrieb zusichert. Der Gleichstel-
gesehen, durch die Arbeitnehmerüberlas-
lässt. Zwar besteht ein Arbeitsvertrag zwi-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit
lungsgrundsatz gilt jedoch nicht, wenn im
sung in ein reguläres Arbeitsverhältnis zu
schen Verleiher und Leiharbeitsbeschäf-
Vermittlungshemmnissen wie mangelnde
Tarifvertrag ein abweichender Lohn verein-
kommen. Tatsächlich sind die Übernahme-
tigten, der eigentliche Arbeitseinsatz wird
Qualifikation oder Langzeitarbeitslosigkeit
bart wurde.
quoten aber sehr niedrig.
aber im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag
beschäftigen.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen der
lich unter Tarif liegen und kein existenzsicherndes Einkommen ermöglichen.
zwischen Verleiher und Entleiher geregelt.
H
Kurzarbeit
Kurzarbeit bedeutet, dass Betriebe in einer
Leiharbeit sind im Arbeitnehmerüberlas-
Hartz IV
schwierigen Wirtschaftslage vorüberge-
sungsgesetz festgelegt. Durch die Deregu-
Mindestarbeitsbedingungengesetz
Der Begriff Hartz IV steht für das „Vierte
hend die Arbeitszeit reduzieren, um Kün-
lierung im Zuge der Hartz-Reformen wurden
Das Mindestarbeitsbedingungengesetz
Gesetz für moderne Dienstleistungen am
digungen zu vermeiden. Um den dadurch
Beschränkungen der Überlassungshöchst-
bietet eine rechtliche Grundlage zur Fest-
Arbeitsmarkt“, das 2005 als letztes Ge-
entstehenden Verdienstausfall zu verrin-
dauer, Synchronisations- und Wiederein-
setzung von Mindestlöhnen in Branchen, in
setz der Hartz-Reformen in Kraft trat. Die
gern, zahlt die Bundesagentur für Arbeit
stellungsverbot vollständig aufgehoben.
denen bundesweit weniger als die Hälfte der
Arbeitslosenhilfe wurde mit der niedrigeren
als Lohnersatzleistung Kurzarbeitergeld.
Wollten Entleihbetriebe ursprünglich durch
Beschäftigten tarifvertraglich gebunden ist.
Sozialhilfe zum neuen Arbeitslosengeld II
M
den Einsatz von Leiharbeitsbeschäftigten
L
Flexibilität bei der Personalplanung gewinnen und Auftragsspitzen bewältigen, ent-
Der Mindestlohn ist ein gesetzlich oder ta-
Langzeitarbeitslosigkeit
wickelt sich die Leiharbeit heute zu einem
rifvertraglich festgelegtes Mindestarbeits-
I
Als Langzeitarbeitslose gelten alle Perso-
Instrument zur Kostenreduktion. Die De-
entgelt. Seit 2012 besteht ein gesetzlicher
nen, die ein Jahr oder länger bei der Bun-
regulierung der Arbeitnehmerüberlassung
Mindestlohn für die Leiharbeitsbranche,
IW-Zeitarbeitsindex
desagentur für Arbeit arbeitslos gemeldet
führt dadurch nicht nur zur Verschlechte-
der den Beschäftigten ein existenzsichern-
Der IW-Zeitarbeitsindex wird regelmäßig
sind. Durch Langzeitarbeitslosigkeit sinken
rung der Arbeits- und Entgeltbedingungen
des Einkommen gewährleisten soll. Diese
vom Institut für Wirtschaftsforschung (IW)
die soziale Integration, die finanzielle Sta-
von Leiharbeitskräften, sondern gefährdet
Lohnuntergrenze ist aber nur dann relevant,
in Zusammenarbeit mit dem Bundesarbeit-
bilität und mit der Stagnation der berufli-
auch die Arbeitsplatzsicherheit der Stamm-
wenn kein flächendeckender Tarifvertrag
geberverband der Personaldienstleister
chen Qualifikation auch die Anschlussfä-
belegschaft.
besteht, und schützt Leiharbeitsbeschäf-
(BAP) erstellt. Durch regelmäßige Umfra-
higkeit an den Arbeitsmarkt.
(ALG II) zusammengelegt, das umgangssprachlich als Hartz IV bezeichnet wird.
Mindestlohn
tigte nicht vor ungleicher Entlohnung.
gen bei Verleihbetrieben werden aktuelle
Für die Beschäftigungsform Leiharbeit
Leiharbeiterzahlen und Arbeitsstunden
werden ebenfalls die Begriffe Zeitarbeit,
ermittelt und die Entwicklung der Branche
Personalleasing und Personaldienstleis-
prognostiziert.
tung gebraucht.
124
Normalarbeitsverhältnis
Prekarisierung
Der Begriff Normalarbeitsverhältnis be-
Der Begriff der Prekarisierung beschreibt
zeichnet eine abhängige, sozialversiche-
die stetige Zunahme von prekären Beschäf-
rungspflichtige, unbefristete Vollzeit-
tigungsverhältnissen, die im Gegensatz
Stammbelegschaft
beschäftigung, bei der das Arbeits- und
zum Normalarbeitsverhältnis gekennzeich-
Die Stammbelegschaft ist die Gesamtheit
Beschäftigungsverhältnis identisch ist. Das
net sind durch geringe Arbeitsplatz- und
der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
Normalarbeitsverhältnis gewährleistet die
Planungssicherheit, niedrige Entlohnung,
mer eines Betriebs, die zumeist in einem
Integration in soziale Sicherungssysteme
schlechte soziale Absicherung und erhöh-
Normalarbeitsverhältnis beim Unterneh-
und soll einen stabilen gesellschaftlichen
tes Armutsrisiko.
men selbst angestellt sind. Forderungen
Mitbestimmung
Status, berufliche Planungssicherheit und
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
die Versorgung einer Familie ermöglichen.
können über den Betriebsrat ihre Inter-
nach Equal Treatment und Equal Pay für
S
Beschäftigte in Leiharbeit orientieren sich
an den Arbeitsbedingungen der Stamm-
Sozialversicherungspflichtig
Neben der betrieblichen Mitbestimmung
O
Outsourcing
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
Streik
gibt es in Kapitalgesellschaften auch die
Die Auslagerung von ehemals intern er-
sind alle Arbeiterinnen und Arbeiter, An-
Beschäftigte in Leiharbeit haben das
Unternehmensmitbestimmung durch den
brachten Unternehmensleistungen an ex-
gestellten und Auszubildenden, die in der
Recht, für die Verbesserung ihrer Arbeits-
Aufsichtsrat.
terne Dienstleister wird als Outsourcing
gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege-
und Entgeltbedingungen die Arbeit nieder-
bezeichnet. Unternehmen versuchen durch
und Arbeitslosenversicherung pflichtver-
zulegen. Bei einem Streik im Entleihbetrieb
N
Einsparungen bei Personal- und Produk-
sichert sind.
sind sie nach dem Arbeitnehmerüberlas-
Nichteinsatzzeit
Geschäftsrisiko zu reduzieren. Werkverträ-
Staffellöhne
für den Entleiher zu arbeiten. Jedoch kann
Wenn ein Verleiher seine Beschäftigten
ge werden als Möglichkeit genutzt, ganze
Staffellöhne in der Leiharbeit orientieren
der Verleiher dann eine Überlassung in ei-
zeitweilig nicht an einen Entleihbetrieb
Arbeitsschritte outzusourcen.
sich am Berufsbild und der Qualifikation
nem anderen Betrieb vermitteln.
essen artikulieren und auf innerbetriebliche Entscheidungen Einfluss nehmen.
sungsgesetz nicht dazu verpflichtet, weiter
tionskosten Gewinne zu erhöhen und ihr
vermitteln kann, muss er diese Nichtein-
belegschaft.
Beschäftigte
für eine Überlassung. Verleihbetriebe vereinbaren mit Leiharbeiterinnen und Leih-
Synchronisationsverbot
arbeitern einen höheren Stundenlohn,
Anfang 2004 wurde das Synchronisati-
von Leiharbeitsbeschäftigten ist nach dem
P
Personal-Service-Agentur
wenn sie entsprechend ihrer Ausbildung
onsverbot aus dem Arbeitnehmerüberlas-
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht zu-
Personal-Service-Agenturen (PSA) sind
eingesetzt werden, und einen niedrigeren
sungsgesetz gestrichen. Es verhinderte bis
lässig.
vermittlungsorientierte Verleihbetriebe,
Stundenlohn, wenn sie für eine Hilfstätig-
dahin, dass die Laufzeit eines Leiharbeits-
die im Rahmen der Hartz-Reformen einge-
keit überlassen werden. Leiharbeitskräfte
vertrags der Dauer des geplanten Einsatzes
Niedriglohnsektor
führt wurden. Sie arbeiten im Auftrag der
haben jedoch keinen Einfluss auf die Aus-
im Entleihbetrieb entsprach. Heutzutage
Als Niedriglohnsektor wird der Teil des Ar-
Bundesagentur für Arbeit und erhalten Zu-
wahl der Arbeitseinsätze.
können Verleihbetriebe selbst bei unbefris-
beitsmarktes bezeichnet, in dem Löhne am
schüsse für die Arbeitnehmerüberlassung
teten Arbeitsverträgen den Leiharbeiterin-
unteren Ende der Einkommensskala gezahlt
ehemals Arbeitsloser sowie Prämien bei
nen und Leiharbeitern synchron zum Ende
werden. Nach Definition der Organisation
deren dauerhafter Vermittlung an einen
einer Überlassung kündigen. Das unterneh-
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Arbeitgeber.
merische Risiko wird damit vom Verleiher
satzzeit trotzdem vergüten. Eine Verrechnung mit Pluszeiten der Arbeitszeitkonten
Entwicklung (OECD) liegt die Niedriglohngrenze bei zwei Dritteln des mittleren Einkommens aller sozialversicherungspflichtig
Vollzeitbeschäftigten.
auf die Leiharbeitskräfte übertragen.
126
U
Überlassungshöchstdauer
Die gesetzliche Beschränkung der Überlassungshöchstdauer, also der maximalen
Zeitspanne einer ununterbrochenen Überlassung an einen einzigen Entleihbetrieb,
wurde 2004 vollständig aufgehoben. Seit
W
Dezember 2011 enthält das Arbeitnehmer­
Werkvertrag
überlassungsgesetz in Orientierung an der
In einem Werkvertrag wird die eigenverant-
T
EU-Richtlinie die Formulierung, dass die
wortliche Erfüllung eines Arbeitsauftrags
Überlassung „vorübergehend“ erfolge.
gegen Zahlung einer ergebnisbezogenen
Tarifvertrag
Eine genauere Definition dieses Zeitraums
Vergütung vereinbart. Anders als Leihar-
Ein Tarifvertrag ist ein Vertrag zwischen Ar-
enthält das Gesetz allerdings nicht.
beitskräfte werden Werkvertragsarbeit-
beitgebern und Gewerkschaften, der die
Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien festlegt. Er regelt Arbeits- und Ent-
nehmende nicht in den Bestellerbetrieb
V
eingegliedert und ihnen stehen deshalb
keine tariflichen Entlohnungs- und Arbeits-
geltbedingungen wie Arbeitszeit, Eingrup-
Verleiher
pierung, Zuschläge und Kündigungsfristen
Als Verleiher wird ein Arbeitgeber bezeich-
in einer Branche. Leiharbeitskräfte arbei-
net, der seine Beschäftigten zur Erbringung
Wiedereinstellungssperre
ten unter anderen Tarifverträgen als die
einer Arbeitsleistung zeitweilig einem Ent-
Im Jahr 2004 wurde die Wiedereinstel-
Stammbeschäftigten. Für sie gelten meist
leiher überlässt. Obwohl die eigentliche
lungssperre aufgehoben, die verhinderte,
Tarifverträge, die zwischen dem BZA oder
Arbeit extern geleistet wird, bestehen die
dass Verleiher je nach Auftragslage ihren
der iGZ und der DGB-Tarifgemeinschaft ab-
Arbeitsverträge zwischen Verleihern und
Leiharbeitskräften kündigen und sie wieder
geschlossen wurden.
Leiharbeitsbeschäftigten.
einstellen konnten.
Tarifvertragsgesetz
Vermittlungsprovision
Das Tarifvertragsgesetz bildet die rechtli-
Manche Verleiher verlangen von Entleihbe-
che Grundlage des Tarifsystems und legt
trieben eine Vermittlungsprovision, wenn
Zeitarbeit
die Voraussetzungen für das Abschließen
diese überlassene Leiharbeitsbeschäftigte
Der Begriff Zeitarbeit bezeichnet die Be-
eines Tarifvertrags fest. Darüber hinaus
übernehmen wollen. Obwohl solche Klau-
schäftigungsform Leiharbeit und wird häu-
ist die Tarifautonomie, also das Recht von
seln in den Arbeitnehmerüberlassungsver-
figer von Arbeitgebern und Arbeitgeberver-
Arbeitgebern und Gewerkschaften, die
trägen Leiharbeitskräften den Zugang zu
bänden verwendet. Zeitarbeit ist nicht zu
Arbeits- und Entgeltbedingungen eigen-
einem regulären Beschäftigungsverhältnis
verwechseln mit befristeter Beschäftigung.
verantwortlich und ohne staatliche Ein-
erschweren können, sind sie in Deutsch-
mischung auszuhandeln, im Grundgesetz
land noch zulässig. Nach der EU-Richtlinie
verankert.
über Leiharbeit von 2008 sollten sie aber
für nichtig erklärt werden.
bedingungen zu.
Z
Produktnummer: 23686-38209

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