Jesiden suchen ihre Identität

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Jesiden suchen ihre Identität
Jesiden suchen ihre Identität
In Kürze
Nightfever
in St. Michael
Wissenschaftler über Verfolgung, Traditionen und Entwicklung der Religionsgemeinschaft
Göttingen. Seit zwei Jahren
gibt es in der katholischen
Kirche St. Michael, Kurze
Straße 13, offene NightfeverAbend. Der nächste beginnt
am Freitag, 26. September,
um 18.30 Uhr mit einer heiligen Messe im Gemeindehaus mit Bistums-Seelsorger Martin Wilk. Ab 19.30
Uhr können Besucher, so wie
sie Zeit haben, zu Gebet, Gesang oder Gesprächen vorbeikommen. Der Abend endet um 22.30 Uhr mit dem
feierlichen Nachtgebet. bar
Als eine religiöse Minderheit werden
die Jesiden im Irak und in Syrien
derzeit von der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) verfolgt. Im Raum
Göttingen und Northeim leben 140
jesidische Familien. Was macht die
Glaubensgemeinschaft aus? Welche
Konflikte gibt es mit der jüngeren
Generation in der westlichen Welt?
Darüber hat Jörn Barke mit den Wissenschaftlern Prof. Philip Kreyenbroek und Dr. Khanna Omarkhali vom
Seminar für Iranistik der Universität
Göttingen gesprochen. Kreyenbroek
ist Direktor des Seminars, Omarkhali wissenschaftliche Mitarbeiterin –
und selbst eine Jesidin, die aus der
Priesterkaste stammt.
Prälat Heinz Voges
zum Vaterunser
Grone. In der Reihe „Glaubensimpulse“ spricht Prälat
Heinz Voges am Mittwoch,
24. September, um 10 Uhr
in St. Heinrich und Kunigunde zum Thema „Und vergib
uns unsere Schuld wie auch
wir vergeben unseren Schuldigern“. Zuvor besteht um 9
Uhr die Möglichkeit, die heilige Messe zu besuchen. bar
In Syrien und im Irak sind
hunderttausende Jesiden auf
der Flucht vor IS-Schergen.
Kreyenbroek: Weil die Jesiden
ihren Glauben nur mündlich
überliefern und keine Buchreligion sind, gelten sie den Islamisten
als totale Heiden, obwohl es eine
monotheistische Religion ist, deren Anhänger an einen Gott glauben und deren Wurzeln sehr tief
reichen. Nur die Jesiden und die
religiöse Gemeinschaft Ahl-e
Haqq haben einen sehr alten
Schöpfungsmythos bewahrt.
Omarkhali: Ein Problem ist zudem, dass der Engel Tawusi Melek bei den Jesiden besondere
Verehrung genießt. Muslime interpretieren ihn als gefallenen
Engel und damit als Teufel. Das
ist jedoch eine Fehlinterpretation
– in den jesidischen religiösen
Hymnen gibt es dafür keinerlei
Beleg. Im Jesidentum gibt es
überhaupt kein Prinzip des Bösen. Es gibt nur einen allmächtigen Gott, der die Welt in die Hände von Tawusi Melek gegeben
hat. Das heißt, das Gute wie das
Böse, das es auf der Welt gibt,
liegt in seiner Hand. Der Exodus
im Nordirak ist für das Jesidentum eine große Gefahr, denn dort
gibt es eines der weltweit größten
Siedlungsgebiete, das als Zentrum des religiösen Wissens gilt.
Das Prinzip der mündlichen
Überlieferung der Religion
wurde seit den 1970er-Jahren
durchbrochen. Einige Texte
wurde verschriftlicht und übersetzt – unter anderem auch
durch Sie, Herr Kreyenbroek.
Gab es daran Kritik?
Kreyenbroek: Manchmal habe
ich Kritik an meinen jesidischen
Mitarbeitern gehört. Auf der anderen Seite gab es Anfragen von
Jesiden in Deutschland, ich möge
ihnen doch etwas über ihre Religion vermitteln. Ich habe die Jesiden aber darin bestärkt, dass sie
da selbst ganz gute Kenntnisse
haben.
Omarkhali: Die ursprünglichen
Veröffentlichungen stammen aus
den Reihen der Jesiden selbst
und erschienen fast zum gleichen
Zeitpunkt in unterschiedlichen
Kreisposaunenchor
geht auf Tour
Forschen zum Jesidentum: Khanna Omarkhali, aus Armenien stammende Jesidin, und Philip Kreyenbroek, Direktor des Seminars für Iranistik.
Siedlungsräumen – im Irak, in
Russland und in Armenien, von
wo ich stamme. Dennoch wird
die Überlieferung hauptsächlich
noch mündlich fortgesetzt. Ich
forsche derzeit dazu, wie sich das
moderne Jesidentum entwickelt,
wie ein Bedürfnis entsteht, eigene religiöse Texte aufzuzeichnen
und wie solche Schriften allgemeine Anerkennung finden können.
Für die weltweite Zahl der
Jesiden gibt es nur ungefähre
Schätzungen.
Omarkhali: 600 000 ist ein guter
Mittelwert. In Deutschland leben
knapp 60 000 Jesiden. Man geht
etwa davon aus, dass zwei bis 2,5
Prozent aller Kurden Jesiden
sind. Längst nicht jeder Kurde ist
ein Jeside, aber alle Jesiden sind
Kurden. Jesiden missionieren
nicht: Als Jeside wird man geboren, man kann nicht zum Jesidentum konvertieren.
Jesiden dürfen nur innerhalb
der Gemeinschaft heiraten,
sonst werden sie ausgeschlossen.
Omarkhali: Das ist traditionell
immer noch so. Außerdem darf
nur innerhalb der jeweiligen Kaste geheiratet werden. Es gibt eine
Laienkaste, der etwa 95 Prozent
der Jesiden angehören, und zwei
Priesterkasten. Diese Regelungen
haben auch mit der jahrhundertelangen Verfolgungsgeschichte
der Gemeinschaft zu tun. Die
jüngere Generation, gerade wenn
sie in der westlichen Welt lebt,
Judentum und
Homosexualität
Göttingen.
„Judentum und
gleichgeschlechtliche Partnerschaft“ lautet das Thema beim
Lernnachmittag des Jüdischen
Lehrhauses am Sonntag, 21. September. In der hebräischen Bibel
zeige sich eine unerbittliche negative Einstellung zur Homosexualität, heißt es in der Ankündigung. In liberalen jüdischen Gemeinden gebe es dagegen seit
Ende der sechziger Jahre die Bereitschaft, das Thema aufgrund
moderner Erkenntnisse neu zu
bewerten. Eva Tichauer Moritz,
Vorsitzende der konservativen
Kultusgemeinde, stellt die kontroversen Positionen vor. Beginn
ist um 16 Uhr im Bistro Löwenstein, Rote Straße 28.
bar
stellt diese starren Regeln allerdings allmählich in Frage.
Kreyenbroek: Diese Spannungen konnten wir feststellen, als
wir Interviews mit Angehörigen
verschiedener Generationen in
Deutschland geführt haben. Bisweilen herrschte zwischen westlich orientierten Jüngeren und
ihren traditioneller orientierten
Eltern eine Art Sprachlosigkeit.
Zugleich ist die familiäre Bande
im Jesidentum sehr stark – schon
allein, um die Familie nicht zu
verlieren, heiratet man nicht
nach außerhalb. Frauen müssen
als Jungfrau in die Ehe gehen.
Aufgrund der starren Heiratsregeln, einzelne Fälle von
Ehrenmorden und Blutrache
wurden Jesiden in Deutschland
auch kritisch beäugt.
Kreyenbroek: Die Idee der besonderen Familienehre, die notfalls verteidigt und gerächt werden muss, ist heute noch von der
Türkei bis nach Pakistan verbreitet und nicht spezifisch an das Jesidentum gebunden. Früher waren wir bei Interviews manchmal
erschrocken über harte Ansichten, die Jesiden darin äußerten.
Dann stellten wir fest: Sie gaben
in diesen offiziellen Interviews
nur althergebrachte Formeln
wieder. In Wirklichkeit dachten
sie anders, und in Wirklichkeit
werden in den traditionellen jesidischen Gebieten die Probleme
auch meist anders gelöst. Es hat
allerdings tragische Fälle von Gewalttaten gegeben – meist von
jungen Männern, die in einer be-
sonderen kulturellen Spannung
standen und die Taten dann
schnell bereut haben.
In Deutschland ist von einem
Brautpreis von rund 70 000
Euro die Rede.
Kreyenbroek: Den gibt es. Er ist
von der Familie des Mannes an
die Familie der Frau zu entrichten.
Es gibt den Ritus der Beschneidung.
Kreyenbroek: Der ist bei Jungen
nach wie vor üblich.
Die Jesiden sind auch in
Deutschland keine homogene
Gruppe. Dem in Oldenburg
gegründeten Zentralrat der
Jesiden gehören längst nicht
alle Gemeinden an.
Kreyenbroek: Es gibt unterschiedliche Ausrichtungen. Es
gibt Gruppen, die der für kurdische Autonomie kämpfenden Arbeiterpartei PKK zuneigen, es
gibt auch Gemeinden, wo das
keine Rolle spielt. Das hängt auch
mit der Einwanderungsgeschichte nach Deutschland zusammen.
Im Augenblick eint aber alle die
Frage, was mit den hunderttausenden Flüchtlingen im Irak werden soll.
Es gab unterschiedliche Wellen
bei der Einwanderung.
Kreyenbroek: Ja, erste Jesiden
kamen in den 1960er-Jahren als
einfache Gastarbeiter nach
Deutschland. Um 1980 herum
gab es dann aufgrund der Unter-
Vetter
drückung in der Türkei eine Welle von Asylbewerbern. Ihre Anerkennung verdankten sie unter
anderem dem Einsatz der Gesellschaft für bedrohte Völker und
des Göttinger Theologie-Professors Gernot Wießner. Diese Jesiden-Generation entwickelte ein
neues Selbstbewusstsein und
gründete Gemeindezentren. Um
1990 kamen dann viele Intellektuelle, die aus dem Irak vor dem
Diktator Saddam Hussein flüchteten. Mit den verschiedenen
Menschen gab es auch unterschiedliche Geschwindigkeiten
beim Einleben in die deutsche
Gesellschaft. Die Jesiden versuchen derzeit, ihre Identität in einem neuen Raum zu definieren.
Frau Omarkhali, Sie stammen
aus Armenien, haben im
russischen St. Petersburg
gelebt und arbeiten nun in
Deutschland. Wie werden die
Jesiden in unterschiedlichen
Ländern wahrgenommen?
In Armenien wie in Deutschland
werden die Jesiden als Religionsgemeinschaft wahrgenommen,
es gibt einen Dialog. Zur Zeit der
Sowjetunion durfte unter dem
kommunistischen Regime die
Religion nicht öffentlich praktiziert werden. Nach 1991 wurden
im riesigen Russland die Jesiden
kaum als solche wahrgenommen,
sondern einfach zu den Kaukasiern gezählt. Erst 2009 gelang –
teilweise mithilfe eines Gutachtens von mir –, dass das Jesidentum in Russland als Religionsgemeinschaft anerkannt wurde.
AndAcht zum Wochenende
Was vom Leben übrig bleibt
„Teigschaber. Er hat die Teigschaber vergessen“, denke ich,
als der Pastor seine Beerdigungsansprache mit dem „Amen“
schließt. Teigschaber. Denn die
hatte sie immer als Geschenk im
Vorratsschrank liegen. Kein Abschied ohne Teigschaber. „Davon kann man nie genug haben.
Ach, du liebes Menschenkind,
wie schön, dass du da warst. Gott
soll dich behüten.“
Dass sie die ersten zehn Jahre
bei Verwandten war, das wusste
ich gar nicht. Im Stehen hatten
sie dort also gegessen. Die Arme
dicht am Körper, dass höchstens
noch ein Gesangbuch dazwischen passte.
Davon hatte sie nie gesprochen. Auch nicht davon, dass der
älteste Sohn mit drei Jahren an
Diphtherie starb.
Einmal, bei Goethetorte und
Assamtee, da hat sie erzählt, wie
die Schwägerin die Briefe an ihrem Herzliebsten verschwinden
ließ. Intrige. Das kommt in den
frömmsten Familien vor. Aber
mit 31, da kriegte sie ihn dann
doch. „Ein altes Mädchen“, sagten die Leute. Aber für ihn war
sie nur „Mein Mädchen.“ Und
das blieb sie über fünfzig Jahre
lang.
Groß war sie nicht, aber großartig, meine Großtante. Zuletzt
fast blind. Völlig taub. Aber mit
ihrem Rollator immer auf Achse.
Nach 4711 hat sie gerochen und
nach Weitherzigkeit. Nach violettem Flieder und gebratener
Scholle.
Vor dem Essen hat sie immer
gebetet.
Und nach dem Essen auch.
Und als ich bei meinem ersten
Besuch schon das Geschirr zusammenstellen wollte, da faltete
sie lächelnd die Hände: „Lass
uns noch danken. – Danket dem
Herrn, denn er ist freundlich
und seine Güte währet ewiglich.“
Ja, danke, Gott. Danke für solche Frauen. Und für ihre Teigschaber.
Göttingen. Die im Kirchenkreis Göttingen aktiven 22
Posaunenchöre vereinen
nach eigenen Angaben etwa
300 Bläserinnen und Bläser
aller Altersstufen. Am Sonnabend, 27. September, gibt
es ein gemeinsames Jahrestreffen in Form einer Ausfahrt nach Eisenach und
Creuzburg. Neben Besichtigungen stehen Bläsereinsätze vor der Wartburg und auf
der alten Römerbrücke an
der Liboriuskapelle auf dem
Programm. Anmeldungen
per E-Mail an kreisposaubar
nenchor@rueling.net.
Kirche
für Kinder
Göttingen/Geismar. Bei
zwei Veranstaltungen für
Kinder ab sechs Jahren geht
es unter dem Thema „So ist
das mit dem Himmelreich“
am Sonntag, 21. September,
um Gleichnisse Jesu. Dazu
wird erzählt, gebastelt und
gespielt von 10 bis 12 Uhr in
der Latüchte der Martinsgemeinde in Geismar, Hauptstraße 58, und von 15.30 bis
17.30 Uhr im Gemeindehaus
der Kreuzkirche, ImmanuelKant-Straße 46.
bar
Kirchenkonzert von
Händel bis Elvis
Lenglern. „Von Händel bis
Elvis“ lautet der Titel eines
besonderen Kirchenkonzertes in der Martini-Kirche am
Sonntag, 21. September, um
18 Uhr. Carola Piechota (Gesang) und Gerd Bergemann
(Orgel und E-Piano) lassen klassische Händelarien,
geistliches Liedgut, Chansons, Film- und Westernmubar
sik erklingen.
Pilgerwanderung
nach Dingelstädt
Heiligenstadt. Eine Pilgerwanderung von Heiligenstadt nach Dingelstädt auf
dem Pilgerweg von Loccum nach Volkenroda wird
am Sonnabend, 27. September, angeboten. Start
ist um 9 Uhr an der evangelischen Kirche St. Martin
in Heiligenstadt. Ein Rücktransport per Bus erfolgt gegen 18 Uhr. Anmeldungen
bei Peter Klose unter Telefon
bar
0 55 08/6 49.
Pastorin Wiebke Vielhauer,
Waake
Kirchliche Nachrichten
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