Antizipation des Wandels - Ruhr

Transcription

Antizipation des Wandels - Ruhr
Antizipation des Wandels
_
Herausforderungen und Handlungsansätze für Kommunen, Unternehmen und
Beschäftigte im Rahmen der kohlepolitischen Vereinbarungen in NRW
Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades
eines Doktors der Philosophie an der Fakultät für Geowissenschaften der
Ruhr-Universität Bochum
vorgelegt von
Dipl.-Geogr. Jörg Weingarten
Angefertigt unter der Betreuung von
Prof. Dr. Lienhard Lötscher
Prof. Dr. Klaus Kost
Bochum, im Oktober 2010
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
An Stelle eines Vorwortes möchte ich mich bei allen Menschen bedanken, die mich
bei der Arbeit unterstützt haben, sich Zeit genommen haben und für die Interviews
sowie den fachlichen Austausch zur Verfügung standen. Die Grubenfahrt werde ich
nicht vergessen.
„Glück Auf!“
0
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
INHALTSVERZEICHNIS
1
KONTEXT - DIE KOHLEPOLITISCHEN BESCHLÜSSE ................................... 6
1.1
Erkenntnisinteresse und Ziele der Arbeit .............................................................. 11
1.2
Forschungsstand und Forschungskontext ........................................................... 13
1.3
Methodik und Aufbau der Arbeit ............................................................................ 16
1.4
Forschungsleitende Grundannahmen ................................................................... 21
1.4.1 Die Zeit ................................................................................................................... 21
1.4.2 Die Betroffenheit .................................................................................................... 22
1.4.3 Die Erfahrungen ..................................................................................................... 24
2
ANTIZIPATION - BEGRIFF UND THEORIEGELEITETES KONZEPT............. 26
2.1
Antizipation – der intentionale Umgang mit zukünftigen Entwicklungen .......... 27
2.2
Antizipation von Restrukturierungen und des industriellen Wandels ............... 30
2.3
Wirtschaftliche Transformationsprozesse ............................................................ 32
2.4
Initiativen auf Europäischer Ebene ........................................................................ 39
2.4.1 Vorbild Montanunion .............................................................................................. 39
2.4.2 Jüngere Initiativen und Instrumente auf Europäischer Ebene ............................... 42
2.5
Das Konzept der strategischen und operativen Antizipation ............................. 48
2.6
Kritische Würdigung des Konzeptes ..................................................................... 54
3
3.1
THEORIEN UND STRATEGIEN STRUKTURPOLITISCHER
INTERVENTIONEN ........................................................................................... 56
Raumdynamische Veränderungen und struktureller Wandel ............................. 57
3.2
Strukturpolitische Interventionen zwischen Ausgleich und Wachstum ............ 61
3.2.1 Zielebenen und Leitbilder ....................................................................................... 62
3.2.2 Phasen der strukturpolitischen Lernprozesse ........................................................ 63
3.3
Strukturpolitische Strategien.................................................................................. 66
3.3.1 Regionalisierte Strukturpolitik ................................................................................ 66
3.3.2 Finanzvolumina der zurückliegenden Förderperioden und Neuausrichtung ......... 70
3.3.3 Netzwerkbildung und Kooperation ......................................................................... 71
3.4
Cluster und Wachstumskonzepte als neue Leitbilder ......................................... 77
3.4.1 Paradigmenwechsel in der nordrhein-westfälischen Strukturpolitik ...................... 81
3.4.2 Umsetzung des Ziel 2-Programms 2007 bis 2013 für NRW .................................. 84
1
- ANTIZIPATION DES WANDELS 3.4.3
4
Beurteilung der Clusterpolitik in NRW aus Akteurssicht ........................................ 89
SOZIO-ÖKONOMISCHE AUSGANGSLAGE IM RUHRGEBIET ..................... 95
4.1
Funktionale Kernkompetenzen............................................................................... 96
4.2
Bevölkerungsentwicklung ...................................................................................... 99
4.3
Wirtschaftsstruktur ................................................................................................ 102
4.4
Beschäftigung und Qualifikation.......................................................................... 109
4.5
Ergebnisse der Stärken- und Schwächenanalyse .............................................. 111
5
LOKAL- UND REGIONALENTWICKLUNG ALS INTEGRIERTE AUFGABE 115
5.1
Regionale Initiativen und Multiplikatoren ............................................................ 119
5.1.1 Regionale Entwicklungskonzepte in Zeiten der Clusterpolitik ............................. 119
5.1.2 „Wandel als Chance“, die Kohlenachfolgeregionen und das Konzept Ruhr....... 124
5.1.3 Zukunft Ruhr 2030 ............................................................................................... 128
5.1.4 Gewerkschaftliche Beiträge zum industrie- und innovationspolitischen Dialog ... 134
5.1.5 Bewertung des regionalen Handlungsbedarfs ..................................................... 137
5.2
Integrierte Ansätze in der Stadt- und Standortentwicklung .............................. 139
5.2.1 Interkommunales und integriertes Handlungskonzept Hassel / Westerholt ........ 141
5.2.2 Zukunftsstandort Bottrop ...................................................................................... 144
5.2.3 Standortkonzept Dinslaken-Lohberg.................................................................... 148
5.2.4 Merkmale einer Sondersituation: Ibbenbüren / DSK Anthrazit ............................ 151
5.3
Flächenmanagement und Nachfolgenutzung der Standorte ............................ 153
5.3.1 Flächenentwicklung als Chance und zukünftige Herausforderung...................... 156
5.3.2 Folgenutzung und Projektplanungsstände an den Zechenstandorten ................ 157
5.3.3 Flächenverfügbarkeit für gewerbliche Nutzungen im Ruhrgebiet ........................ 160
6
ANTIZIPATORISCHER UMGANG MIT BERGBAUAUSLAUFSZENARIEN BEI
BETROFFENEN UNTERNEHMEN ................................................................. 164
6.1
Personalpolitische Herausforderungen für die RAG/DSK ................................. 164
6.1.1 Beschäftigungspotentiale außerhalb des Bergbaus ............................................ 169
6.1.2 Versetzung und Vorruhestand ............................................................................. 170
6.1.3 Entstehende Ausbildungslücken in den Regionen .............................................. 172
6.1.4 Perspektiven zur Weiterführung der Bergbaukollegs .......................................... 176
6.2
Anpassungsprozesse der Zulieferer im Kontext des Auslaufbergbaus .......... 178
6.2.1 Branchen und Sparten des Wirtschaftszweiges Zulieferer .................................. 181
6.2.2 Globale Rahmenbedingungen der Sparte Bergbautechnik ................................. 182
2
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Wirtschaftliche Bedeutung der Zulieferer für die Region .................................. 185
6.3
6.3.1 Stellenwert für den regionalen Arbeitsmarkt ........................................................ 189
6.3.2 Beschäftigungsentwicklung und Wertschöpfungsstrukturen ............................... 192
6.4
Positivbeispiele für die Neuausrichtung von Zulieferbetrieben ....................... 194
6.4.1 Firma Schloemer GmbH ...................................................................................... 196
6.4.2 Röhrenwerk Kupferdreh Carl Hamm GmbH ........................................................ 198
6.4.3 Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei GmbH ................................. 199
6.4.4 Flender AG ........................................................................................................... 206
6.4.5 Bochumer Eisenhütte Heintzmann ...................................................................... 208
6.4.6 SMT Scharf AG .................................................................................................... 210
6.5
Bewertung und Identifizierung von Erfolgsfaktoren .......................................... 212
6.6
Hemmnisse bei der Neuausrichtung und ihre Bewältigungsstrategien .......... 215
6.6.1 Thyssen Schachtbau GmbH und die Probleme einer Neuaufstellung ................ 216
6.6.2 Schwierigkeiten kleinerer Zulieferbetriebe und Bewältigungsstrategien ............. 219
6.7
Ambivalenz strategischer Neuorientierung in regionaler Hinsicht .................. 221
7
FAZIT ............................................................................................................... 228
8
LITERATUR- UND INTERNETVERZEICHNIS ............................................... 238
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ............................................................................. 264
ANHANG ............................................................................................................... 267
3
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1: Beschäftigungszahlen der Bergwerke ..................................................... 8 Tabelle 2: Restrukturierungsfälle in den EU 15-Staaten .......................................... 36 Tabelle 3: Arbeitsplatzverluste durch Restrukturierungen nach Ländern ................ 36 Tabelle 4: Arbeitsplatzverluste und Beschäftigtenquoten ........................................ 37 Tabelle 5: Funktionen und Standortmerkmale der Metropole Ruhr ......................... 98 Tabelle 6: Die fünf größten Städte in der Metropole Ruhr ....................................... 99 Tabelle 7: Bevölkerungsentwicklung u. Prognose in der Metropole Ruhr ............. 101 Tabelle 8: Entwicklung des Beschäftigtenanteils nach Sektoren ........................... 103 Tabelle 9: Zusammenfassung regionalwirtschaftlicher Stärken / Schwächen ....... 113
Tabelle 10: Bergbaurelevante und bergbaunahe Flächenpotentiale ..................... 157 Tabelle 11: Anpassungsleistungen im Bergbau .................................................... 166 Tabelle 12: Instrumente des sozialverträglichen Personalabbaus ........................ 168 Tabelle 13: Anzahl der Schüler an Berufskollegs der RAG-Bildung 2008 ............ 176 Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Direkte, indirekte sowie einkommensinduzierte Effekte der im
Ruhrbergbau Beschäftigten.............................................................. 7 Abbildung 2: Anteil der Bergbaubeschäftigten an der Gesamtbeschäftigung in
Prozent ............................................................................................. 9 Abbildung 3: Instrumenten-Tool der Europäischen Union im Change ................... 46 Abbildung 4: Strategisches Konzept „Managing Change“ in sozialer ..................... 48 Abbildung 5: Die Mehrdimensionalität von Restrukturierungsprozessen................ 49 Abbildung 6: Basisinnovationen und lange Wellen ................................................. 58 Abbildung 7: Eckpunkte der nordrhein-westfälischen Strukturpolitik ...................... 65 Abbildung 8: Ziel-2-Förderung im Ruhrgebiet 2000-2006 ...................................... 71 Abbildung 9: Merkmale einer regionalen Kooperation ............................................ 75 4
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 10: Ober- und Hauptziele des Ziel 2-Programms NRW (EFRE) ........... 84 Abbildung 11: Schwerpunkte und Handlungsfelder des Ziel 2-Programms NRW . 85 Abbildung 12: Prioritätensetzung des Ziel 2-Programms NRW (EFRE) ................ 87 Abbildung 13: Bevölkerungsentwicklung im Vergleich ........................................ 100 Abbildung 14: Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ......... 104 Abbildung 15: Beschäftigtenentwicklung in einzelnen Branchen im Revier......... 105 Abbildung 17: Kumulativer Degradationsprozess aufgegebener Stadtteile ......... 117 Abbildung 18: Handlungsfelder und Akteure einer integrierten Strukturpolitik..... 119 Abbildung 19: Rückgang der Kohlebeihilfe .......................................................... 165 Abbildung 20: Anpassung im Rahmen des Auslaufbergbaus bis 2012 ............... 167 Abbildung 21: Verlegungen der Mitarbeiter des Bergwerks Walsum................... 171 Abbildung 22: Reduzierung der Ausbildungszahlen bei der DSK ........................ 173 Abbildung 23: Ausbildungs- und Einstellungsrelation 2003 und 2007 ................. 174 5
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
1 Kontext - Die kohlepolitischen Beschlüsse
Durch die Verabschiedung der gemeinsamen Vereinbarung „Eckpunkte einer kohlepolitischen Verständigung von Bund, den Länder Nordrhein-Westfalen (NRW) und
Saarland, RAG AG und IG BCE“ im Rahmen des Kohle-Spitzengesprächs am 07.
Februar 2007 in Berlin wurden nach langer Unklarheit die Perspektiven des deutschen Steinkohlenbergbaus definiert.1 Mit dem Beschluss, die subventionierte Förderung der heimischen Steinkohle spätestens im Jahr 2018 sozialverträglich zu beenden, entsteht nun zusätzlicher Handlungsdruck zur Bewältigung des strukturellen
Wandels an den von möglichen und bereits beschlossenen Zechenschließungen
betroffenen Standorten und Regionen sowie bei den Unternehmen und Beschäftigten.2 Die im kohlepolitischen Eckpunktepapier festgelegte Revisionsklausel sieht
eine Überprüfung der getroffenen Vereinbarung durch Bundesregierung und den
Regierungen der Länder NRW und Saarland im Jahre 2012 vor. Greift diese Revisionsklausel nicht, werden zusätzlich zu den rund 6.400 bis 2012 abzubauenden Stellen auf Zechen Walsum, Lippe und Ost 14.000 weitere Arbeitsplätze auf den verbleibenden Zechen bis zum Jahr 2018 unmittelbar verloren gehen. STEDEN und
SCHLESSINGER gehen davon aus, dass auf jeden Arbeitsplatz im Bergbau weitere
1,3 Arbeitsplätze bei Zulieferern sowie regionalen Dienstleistern und Handwerksunternehmen entfallen. Dies bedeutet, dass von zusätzlich etwa 26.500 gefährdeten
Arbeitsplätzen in NRW ausgegangen werden muss.3
In einer Modellrechnung der Prognos AG aus dem Jahr 2007, die noch nicht die
Schließung der Bergwerke Walsum in Duisburg zum 30.06.2008 sowie Lippe in Herten zum 31.12.2008 berücksichtigen konnte, wurden folgende Zahlen ermittelt, die
auch die bundesweite Bedeutung des Beschäftigungsabbaus dokumentierten.
1
Vgl. dazu etwa die „kohleoptimistische“ Rede des damaligen Ministerpräsident W.Clemens
vom 03.07.2002 „Zukunft der Kohle“ auf dem Kohlekongress der RAG. Siehe RAG (Hrsg.)
2002 mit den Empfehlungen des Rates für Nachhaltigkeit (berufen 2001 von der Bundesregierung) zur Befürwortung des schnellen Ausstiegs aus der subventionierten Steinkohleförderung im Jahre 2002. Dazu RAT FÜR NACHHALTIGKEIT (Hrsg.) 2002
2
Ergebnis des Kohlegipfels unter Beteiligung des damaligen Bundeswirtschaftsministers
Glos, des Bundesfinanzministers Steinbrück, des Chef des Bundeskanzleramtes de Maizière, des Ministerpräsidenten von NRW Rüttgers und des Ministerpräsidenten des Saarlands P. Müller, des Vorsitzenden der IG BCE Schmoldt und des Vorstandsvorsitzenden der
RAG AG W. Müller. Eckpunkte einer kohlepolitischen Verständigung: Sozialverträgliches
Auslaufen der subventionierten Steinkohlenförderung in Deutschland bis 2018 (wobei sich
das Land NRW bereits ab 2015 nicht mehr an den Absatzhilfen beteiligt); Überprüfung dieses Beschlusses im Jahr 2012 unter Beachtung der energiepolitischen Ziele auf Basis eines
gemeinsamen Berichts der Bundesregierung und der Länder NRW und Saarland nach Anhörung des Steinkohlenbergbaus und der IG BCE. Vorbehaltlich dieser Eckpunkte stellen
Bund und Länder bis 2018 die für die Finanzierung des weiteren sozialverträglichen Anpassungsprozesses notwendigen Mittel zur Verfügung -, während das Beteiligungsvermögen
der RAG AG vollständig in die Finanzierung der Ewigkeitslasten des Steinkohlenbergbaus
durch eine neu zu gründende Kohle-Stiftung eingebracht wird. Siehe GESAMTVERBAND
STEINKOHLE (Hrsg.) 2007
3
Siehe STEDEN, SCHLESINGER 2008, S. 56
6
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 1: Direkte, indirekte sowie einkommensinduzierte Effekte der im
Ruhrbergbau Beschäftigten
Quelle: Prognos AG 2007, S. 33
Der gesamte Beschäftigungseffekt der Steinkohleförderung einschließlich der indirekt Beschäftigten (z.B. Zulieferer der RAG/DSK) und induzierter Beschäftigungseffekte (durch das Kaufkrafteinkommen der Beschäftigten) liegt nach Berechnungen
der Prognos AG bei 62.700 Arbeitsplätzen. Die arbeitsmarktpolitische und strukturpolitische Herausforderung für die Standorte und Regionen ist demnach groß. Denn
trotz der Revisionsmöglichkeit, die auf Initiative der IG BCE mit in das verabschiedete Eckpunktepapier aufgenommen wurde, ist zu konstatieren, dass zumindest bis
2012 die betroffenen Bergbaustandorte und Kommunen vor große Herausforderungen für die Neu- und Weiterentwicklung von Konzepten zur regionalen und sozioökonomischen Neuformierung gestellt werden.4 Wie Tabelle 1 zeigt, gehen bis 2012
rund 9.850 Arbeitsplätze aufgrund der derzeitigen Beschlusslage unwiderruflich verloren. Bezogen auf die indirekten Effekte durch die vom Steinkohlenbergbau induzierte Beschäftigung liegt diese Zahl bei voraussichtlich 22.750 Arbeitsplätzen.
Mit den Stilllegungsbeschlüssen schreitet der montanindustrielle Strukturwandel
besonders im nördlichen Ruhrgebiet und in der Lippezone weiter voran.5 Zudem ist
mit der Schließung der Zeche Duisburg-Walsum in 2008 zusätzlicher Handlungsdruck für den Raum Walsum/Dinslaken - insbesondere nach der Stilllegung der Zeche Lohberg im Januar 2006 - entstanden, es gilt daher möglichst umfassende Lösungen zur sozioökonomischen Revitalisierung für die zusätzlich vom Auslaufberg-
4
Siehe etwa GOCH 2004b, S. 379 zur Daueraufgabe strukturpolitischer Interventionen oder
HEEG 2008 S. 228ff. zur Notwendigkeit regionaler Innovationssysteme vor dem Hintergrund
wirtschaftsglobaler Herausforderungen
5
Dazu MARETZKE 2008, S. 563, der den Strukturwandel im Ruhrgebiet als langfristige
Aufgabe sieht
7
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
bau betroffenen Standorte und Regionen zu finden.6 Gleichsam erscheint es angebracht, geeignete Maßnahmen zu etablieren, um die ehemaligen Zechenstandorte
einer städtebaulichen aber insbesondere auch beschäftigungswirksamen Nachfolgenutzung (z.B. durch die Schaffung von Gewerbeflächen) zuzuführen.
Tabelle 1: Beschäftigungszahlen der Bergwerke
Bergwerk
Standort
Schließung
Beschäftigte
West
Kamp-Lintfort
Ende 2012
3.460
Walsum
Duisburg
01.07.2008
1.936
Prosper Haniel
Bottrop
revisionsabh.
4.265
Lippe
Herten
01.01.2009
1.998
Auguste Victoria
Marl
revisionsabh.
3.791
Ost
Hamm
30.09.2010
2.452
DSK Anthrazit
Ibbenbüren
revisionsabh.
2.466
Gesamt Juni 2008:
20.368
Quelle: Zahlenmaterial der Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH und der NRZ vom
11.06.2008
Das Ausmaß möglicher Folgewirkungen der Zechenschließungen ist auch 2009
noch nicht abzusehen.7 Die Gefahr besteht, dass bei einer Nichtreaktion der relevanten Akteure in den Kommunen, der wirtschaftsnahen Institutionen, der Politik,
der Gewerkschaften etc. hinsichtlich der sich abzeichnenden Entwicklungen die
betroffenen Standorte und Regionen von einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung weiter abgekoppelt werden würden. Denn nicht nur an den Zechenstandorten
entstehen Wertschöpfungsprozesse durch die direkt Beschäftigen und die Unternehmen der Zulieferindustrie. Die Beschäftigten des Ruhrbergbaus haben ihre
Wohnorte im ganzen Revier; Einkommens- und regionale Kaufkraftverluste betreffen dann die gesamte Region.
6
Näheres dazu findet sich bei HEBEKEUSER 2008, S. 10ff.
Eine neuere Entwicklung, die im Rahmen der Forschungsarbeiten nicht berücksichtigt werden konnte und die den Handlungsdruck verstärken kann, liegt in dem am 20.07.2010 von
der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschlag für eine Ratsverordnung. Diese sieht
vor, die endgültige Beendigung von Betriebsbeihilfen für Steinkohlebergwerke bis zum 15.
Oktober 2014 vorzuziehen. Tritt diese Ratsverordnung in Kraft, wäre das Steinkohlefinanzierungsgesetz vom Dezember 2007 europarechtlich nicht abgesichert
7
8
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 2: Anteil der Bergbaubeschäftigten an der Gesamtbeschäftigung in
Prozent
Quelle: Prognos AG 2007, S. 23
Die im Jahr 2007 eingetretene Situation einer zeitlichen Fixierung des „Auslaufbergbaus“, die sich aus den Vereinbarungen des Eckpunktepapiers ergibt, lässt einen
antizipatorischen und ganzheitlichen (d.h. akteursübergreifend und strategischen)
Handlungsansatz sinnvoll erscheinen.8 Ein solcher Handlungsansatz muss nicht auf
ad hoc Maßnahmen fußen; so wie etwa Politik und Gewerkschaften Ausgleich- und
Ersatzmaßnahmen fordern und entwickeln, wenn auf akute Krisenreaktion wie bei
(scheinbar) unvermittelten betrieblichen Restrukturierungen (BenQ, Nokia, AEG
Nürnberg etc.) mit hohen Beschäftigungsverlusten und regionalen Kaufkraftverlusten reagiert werden muss.9
Ausgelöst durch die strukturellen Umbrüche im Ruhrgebiet und dem daraus resultierenden Handlungsbedarf wurde bereits in der Vergangenheit nach Konzepten und
Instrumenten zur regionalen Revitalisierung und nach Lösungen für das „postmontanindustrielle Ruhrgebiet“ (WISSEN 2005, S. 117) gesucht.10 Dabei standen
Konzepte der Diversifizierung der lange Zeit montanindustriellen Monostruktur
8
Siehe dazu HEINZE, der ein integriertes und effizientes Standortentwicklungsmanagement
im strukturellen Wandel vorschlägt. HEINZE 2006a, S. 154
9
Das können Transfergesellschaften, Interessensausgleich- und Sozialpläne, eine neue
Investorensuche, aber auch Europäische Instrumente wie der ESF oder EGF sein. Siehe
dazu ausführlich KOST 2006 oder auch KÖBERNICK 2008
10
Z.B. das Entwicklungsprogramm Ruhr 1967, die ZIM- und späteren ZIN-Initiativen oder die
Sonderprogramme aus der Gemeinschaftsinitiative zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) für die Montanstandorte, wie etwa im 11. Rahmenplan ab 1982 mit
dem Stahlstandorte Sonderprogramm. Siehe PETZINA 2004, S. 120, GOCH 2004b, S. 177
ff. oder auch: BARTELS 2005; ERDMENGER, ZIEGLER 2004; HARMES-LIEDTKE,
HOPPE, KREMER 2004; KREMER, HARMES-LIEDTKE, KORFLÜR 2000
9
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
ebenso zur Debatte wie Modernisierungsstrategien für die regionale Wirtschaft jenseits der Schwerindustrie.11 Diese Ansätze fokussierten sich in den 1980er Jahren
in erster Linie auf regionale Entwicklungskonzepte und beteiligungsorientierte Regionalkonferenzen und spätestens seit 2006, im Rahmen des derzeitigen Clusteransatz und des Wettbewerbsregionalismus in der NRW-Strukturpolitik, auf eine Metaebene der Ökonomie. [Es]…“lässt sich festhalten, dass regionale Strukturpolitik
ebenso wie Clusterpolitik zur Zeit als Experimentierfelder für wettbewerbsorientierte
Konzepte und ökonomische Steuerungsprinzipien dienen“. (BRUCH-KRUMMBEIN
2008, S. 297)
Aber noch zu selten werden konkrete sozioökonomische Auswirkungen von Umstrukturierungen nicht mehr nur auf „Wirtschaft“ und „Region“ als fiktive Begriffe bezogen, sondern auch Auswirkungen auf Beschäftigte, Innovationserfordernisse und
Qualifizierung, die Stadtteilentwicklung und die Bürger im Rahmen von „ImpactAnalysen“ diskutiert.12 Eine Ausnahme bildet die Arbeit der REMI-Gruppe, die eine
eigene Methodik für „Economic Impact Analysis“ entwickelt hat und diese etwa im
US amerikanischen Werftenbereich angewendet hat.13 Auch Untersuchungen, wie
die von der Prognos AG 2007 erarbeitete Studie14, berücksichtigen in ihrer Sichtweise und ihren Ergebnissen weniger die Auswirkung auf lokale Ökonomie als eher
auf die Regionalwirtschaft. Durch die Kohlebeschlüsse mit den zeitlichen Horizonten
für die einzelnen Standorte (siehe Tabelle 1) bietet sich insbesondere den Bergbauzulieferern und den Kommunen ein Zeitfenster, die Folgen der Stilllegung und Alternativen für eine standortbezogene und ökonomische Revitalisierung strategisch und
operativ zu antizipieren15 bzw. frühzeitig Maßnahmen zur Abfederung der möglichen
sozio-ökonomischen Negativkonsequenzen zu diskutieren, zu entwickeln und zu
implementieren. Dass regionale Innovationsprozesse grundsätzlich auch in montanindustriell geprägten Räumen möglich sind, zeigt PIZZERA (2008) auf.
11
Siehe dazu WISSEN 2008, S. 119ff.
„
Nur zuverlässige Daten und Statistiken können dazu beitragen, die Lücke zwischen der
"statistischen" und der "empfundenen" Realität zu schließen. Ferner muss das vorhandene
Datenmaterial häufig von Sachverständigen (spezialisierte Beratungsfirmen, Branchenverbände u.a.) ausführlich interpretiert werden, wobei die Vielschichtigkeit, Komplexität und
Dynamik industrieller Entwicklungsprozesse und des industriellen Wandels im Allgemeinen
zu berücksichtigen sind. Gelegentlich haben statistische Fehler nicht nur quantitative Auswirkungen, sondern sie wirken sich häufig auch auf die Konzeption der Branchenunterteilung
aus. Dies ist schwerwiegend, da alle eventuellen Maßnahmen, die auf falschen Konzeptionen basieren, große Schäden verursachen können. Deshalb sollte die Forschung über diese
konkreten Punkte unbedingt intensiviert werden“ Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss der Kommission für den industriellen Wandel (Hrsg.). Informationsbericht vom 6.
September 2006, Berichterstatter: Iersel/Chambon S. 8
13
Siehe das Modell der REMI - Regional Economic Models Inc. 2005
14
Siehe hierzu PROGNOS AG 2007, S. 45ff.
15
Zum Konzept der strategischen und operativen Antizipation siehe Kapitel 2 und die Arbeit
von NEGRELLI, PICHIERRI 2007. MEYER-KRAHMER hat die Begriffe der problembezogenen und leitbildgetriebene Antizipation eingeführt. MEYER-KRAHMER 1995 S. 49ff.
12
10
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Die vorliegende Arbeit versucht in ihrem Arbeits- und Analyseansatz die Aspekte
„Kleinräumigkeit“ und „regionale Öffnung“ zusammenzuführen, um die Bandbreite
der strukturpolitischen Diskussionen und Projektmaßnahmen zur sozioökonomischen Revitalisierung im Rahmen des „Auslaufbergbaus“ im Ruhrgebiet
aufzuzeigen und auf den verschiedenen Handlungsebenen (Land, Region, Kommune, Standort) analysieren zu können.16 Das Ruhrgebiet wird als Gebietseinheit innerhalb der Grenzen des RVR definiert.
Obgleich der Standort Ibbenbüren über eine lange Tradition im Steinkohlebergbau
verfügt – erste Berichte über den Einsatz Ibbenbürener Kohle reichen bis in das 16.
Jahrhundert zurück17 – wird sich vorliegende Arbeit bezüglich dieses Standortes auf
eine einzelfallbezogene Problembetrachtung unter Berücksichtigung regionaler
Entwicklungskonzepte und standortspezifischer Potenziale beschränken. Diese
Vorgehensweise ist einerseits durch die in Vergangenheit und Gegenwart höhere
Anzahl an Zechenbetrieben im Ruhrgebiet sowie andererseits durch die entsprechend stärkere technologische Verknüpfung des Bergbaus entlang von Wertschöpfungsketten im Ruhrgebiet begründet.
1.1
Erkenntnisinteresse und Ziele der Arbeit
Anknüpfend an die beschriebene Problemlage und den Herausforderungen im Umgang mit dem „Auslaufbergbau“ bei unterschiedlichen Akteursgruppen, an den
Standorten und in den Regionen, verfolgt die Arbeit die vorrangige Zielsetzung, die
Problemwahrnehmungen, Handlungserfordernisse und Vorgehensweisen zur Revitalisierung der (ehemaligen) Bergbaustandorte aufzuzeigen und zu analysieren.18
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die kohlepolitischen Beschlüsse und die dadurch
induzierten Konsequenzen sich in ein regional-ökonomisches und strukturelles Gesamtgefüge einfügen, das seit den ersten Montankrisen unter einem anhaltenden
Veränderungsdruck steht.
16
Siehe zu räumlichen Handlungsebenen und den Fragen nach den Gestaltungsräumen
eines territorialen Dialoges insbesondere die Arbeiten von BONI 2008 und BONI 2009.
17
RÖHRS 2003, S. 5f.
18
Als Akteure werden in dieser Arbeit Personen und Gruppen definiert, die mit den Folgen
der Stillegungsbeschlüsse operativ-gestaltend umgehen (müssen). Das Aushandeln der
verschiedenen Optionen zur Entwicklung von Standort, Beschäftigung und Region durch die
Akteure rückt in den Mittelpunkt der Veränderung, die auf eine sozialverträgliche sowie revitalisierende Entwicklung zielt. Der Akteursbegriff entspricht damit dem von der Weltbank
geprägten Begriff des „Stakeholder“. Der Begriff des „Stakeholder“ wurde in den frühen
1990er Jahren von der Weltbank in die Entwicklungszusammenarbeit übernommen. Das Ziel
dieses Ansatzes in der Entwicklungszusammenarbeit ist es, möglichst früh alle direkt und
indirekt Beteiligten an einer Sache einzubinden und dadurch für alle das bestmögliche Resultat zu erzielen. Siehe dazu FREEMAN 2004, S. 228
11
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Ziel der Arbeit ist es, zu ermitteln, ob und wie die betroffenen Akteure den weiteren
montanindustriellen Wandel antizipieren, welche Strategien und Konzepte vorliegen
oder noch entwickelt werden müssen. Dazu ist es einerseits erforderlich, sich Konzepten und Möglichkeiten der Antizipation struktureller und industrieller Wandlungsprozesse zunächst theoriegeleitet zu nähern und diese zu erörtern. Die Arbeit geht
einerseits der Fragestellung nach, welche Rahmenbedingungen und Veränderungen dem Konzept der Antizipation des Wandels einen erhöhten Stellenwert in der
wissenschaftlichen Diskussion und in der Anwendungsorientierung im Europäischen
Kontext haben zu kommen lassen. Dazu werden die Wesensmerkmale des Konzeptes erörtert und kritisch reflektiert. Andererseits müssen strukturpolitische Konzepte
und damit verbunden Strategien der Regionalentwicklung theoretisch erörtert, analysiert und diskutiert werden. Dies ist eine Voraussetzung, um untersuchen zu können, welche Steuerungserfordernisse und Handlungsmöglichkeiten zur Bewältigung
des strukturellen Wandels im Kontext der Stilllegungsbeschlüsse von unterschiedlichen Akteuren erkannt und angewendet werden. Vor dem Hintergrund der möglichen Entwicklungspfade und den Folgen des „Auslaufbergbaus“ liegt ein zusätzliches Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit darin, zu untersuchen, welche
gegenwärtigen und zukünftigen strukturellen Verwerfungen in den Bergbauregionen
aus Sicht der Akteure auszumachen und zu erwarten sind. Aus diesem Grund ist es
erforderlich, die bestehenden sozio-ökonomischen Stärken- und Schwächen des
Ruhrgebiets zusammenzufassen und in den Kontext des Erkenntnisgewinns der
Arbeit zu stellen.
Insbesondere sollen mögliche Handlungserfordernisse und Handlungsoptionen der
betroffenen Akteure zur Abfederung der zu erwarteten Entwicklungen und der möglichen strukturellen Verwerfungen ermittelt werden. Es ist davon auszugehen, dass
durch die frühzeitige politische Beschlusslage sich der RAG/DSK, den Bergbauzulieferern und den Kommunen zeitlicher Handlungsspielraum bietet und möglicherweise frühzeitige Planungssicherheit hergestellt werden kann, um die Folgen der
Stilllegung zu antizipieren und Alternativen für eine standortbezogene und ökonomische Revitalisierung zu entwickeln.19 Mit der Arbeit sollen die von den
Akteursgruppen jeweilig wahrgenommen Herausforderungen und Problemlösungsansätze ermittelt werden. Diese müssen in den Kontext des anhaltenden strukturellen Wandels, möglicher strukturpolitischer Handlungserfordernisse und bereits implementierter und ggf. noch zu implementierenden Maßnahmen überführt werden.
Der außerwissenschaftliche Verwertungszusammenhang wird in der Ableitung von
Handlungsempfehlungen für den weiteren Umgang mit den Folgen sozioökonomischer Wandlungsprozesse am Beispiel der kohlepolitischen Beschlüsse hergestellt.
Darüber hinaus sollen Empfehlungen zur Entwicklung zukünftiger strukturpolitischer
Maßnahmen abgeleitet werden.
19
Zum Konzept der Antizipation in „Lernenden Regionen“ und bei KMU siehe STAHL und
SCHREIBER 1998. Sie bezeichnen dies als „ Antizipation im Chaos“. Ebenda S. 10
12
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
1.2
Forschungsstand und Forschungskontext
Mit dem Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit hinsichtlich der Antizipationserfordernisse und Handlungsansätzen im strukturellen Wandel fügt sich die Themenstellung weniger in eine auf nationaler Ebene denn auf Europäischer Ebene geführte Debatte ein. Die Erfordernisse, Handlungsmöglichkeiten sowie inhaltlichkonzeptionellen Strategien und Konzepte zur Antizipation des Wandels in Erwartung
und in Folge von betrieblichen Restrukturierungen und des territorialen Strukturwandels rückten mit der Verabschiedung der „Lissabon-Strategie“ in den Fokus der
Europäischen Industrie- Sozial- und Beschäftigungspolitik.20 Die politisch strategische Ausrichtung auf wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigungsförderung ist
eng mit der Erkenntnis verknüpft, dass sich der industrielle Wandel in einer globalisierten Wirtschaftswelt innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten beschleunigen wird.21
Seitdem wurden mindestens ein halbes Dutzend transnationaler Projekte von der
EU-Kommission gefördert und in diesen wissenschaftlich wie anwendungsorientiert
untersucht, wie die Antizipation des industriellen Wandels im Europäischen Kontext
erfolgreich geleistet werden kann und was in internationalen Netzwerkverbünden die
involvierten Partner aus Wissenschaft und betrieblicher Praxis voneinander lernen
können.22 In Deutschland und besonders im Ruhrgebiet ist die Debatte um die Antizipation des (industriellen und strukturellen) Wandels in der Literatur und der Fachöffentlichkeit bisher kaum geführt worden. Der Titel des Buches von HEINZE 2006
„Wandel wider Willen“, spiegelt die mentale Wahrnehmung und den Umgang mit
den Herausforderungen des strukturellen Wandels in Deutschland und besonders
im Ruhgebiet wider. KNUTH 2007 zeigt im Rahmen des Europäischen MIREProjektes auf, dass in Deutschland im Gegensatz zu anderen Europäischen Ländern das Thema „Restrukturierung“ nicht nur unter betrieblicher sondern auch stark
unter strukturpolitischer Dimension diskutiert wird. In Deutschland haben sich über
Jahrzehnte hinweg bewährte Verhandlungs- und Aushandlungssysteme zwischen
den Sozialpartnern und der öffentlichen Hand etabliert, so dass sich der Stellenwert
einer Antizipation des Wandels bisher nicht in die Debatte um die Gestaltung von
Restrukturierungen und des Strukturwandels hat etablieren können.23 Denn wie
noch im theoriegeleiteten Kapitel zu zeigen sein wird, sind Informationszugänge,
Kommunikation und territorialer Dialog wichtige Elemente für die Antizipation des
Wandels regionaler Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Ausgehend
von der ‚Zukunftsinitiative Montanregionen’ (ZIM) und den späteren ‚Zukunftsinitiativen für die Regionen Nordrhein-Westfalens (ZIN)’, einer eher kleinteilig, de-
20
Siehe PICHOT 2005, S. 3ff. oder LEBURN 2008, S. 5ff. (Beide von der Generaldirektion
Beschäftigung der EU-Kommission) in ihren jeweiligen Vorträgen oder auch CATTERO
2009 in seiner Analyse zum Thema „Restructuring versus industrial change“
21
Siehe MOREAU 2008, S. 138
22
Mit EU-Mitteln geförderte Projekte wie MIRE (Monitoring Innovative Restructuring in Europe, IRENE (Innovative Restructuring – European Networks of Experts), oder AgirE (Anticiper
pour une Gestion Innovante des Restructurations en Europe)
23
Siehe KNUTH 2007, S. 3
13
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
zentralen Projektentwicklung im Rahmen endogener Gesamtstrategien wie bei der
‚Internationalen Bauausstellung Emscher Park’ (IBA), die mit ihren Projekten ökologische, urbane und soziale Qualitäten als Teil einer ökonomischen Entwicklungsstrategie verstand24, hat es sich bewährt, dass besonders im Ruhrgebiet Kooperationen und regionale Netzwerkkonstellationen zwischen Wirtschaft, Gewerkschaften,
Wissenschaft und öffentlicher Hand eine lange Tradition haben. Diese Tradition
basiert auf der erfolgreichen Geschichte der Montanmitbestimmung, aber auch in
den gelebten Regionalisierungsansätzen der 1980er und frühen 1990er Jahre, in
deren Rahmen Plenen in Form von Regionalkonferenzen geschaffen wurden, die
eine politische Machtabgabe „nach unten“ und eine regionale Selbstorganisation
„von unten“ initiieren sollten und deren Ziel die Stärkung der endogenen Potenziale
waren. Zielfindung und zur Zielerreichung notwendige Vorgehensweisen wurden im
Konsens zwischen den beteiligten Akteuren ermittelt.25 Der „territoriale Dialog“ den
BONI (2008) im Falle von Restrukturierungen und im strukturellen Wandel einfordert, hat im Ruhrgebiet eine lange Tradition.26 Die Aushandlungsprozesse um die
Realisierung des „dortmund-projects“ nach Schließung des letzten Dortmunder
Stahlwerkes und die strategisch-konzeptionelle Einbindung von Arbeitnehmervertretern in diesen clusterbasierten Entwicklungsansatz zeigen dies exemplarisch auf.27
Jüngere Forschungen wie von MOREAU (2009) oder KIESELBACH, KNUTH (2009)
belegen, wie sich mit Instrumenten des vernetzten Monitorings, des partnerschaftlichen Dialoges und der Kooperation zwischen territorialen Akteuren (Stadt, Region)
und Unternehmensvertretern betriebliche Restrukturierungen und deren Folgen für
Beschäftigung, den lokalen Unternehmensbesatz und den weiteren strukturellen
Wandel bewältigen lassen. Dies gelingt besonders, wenn sich die Restrukturierungen nicht nur auf mit Massenentlassungen verbundene Maßnahmen beschränken,
sondern Personaleinsatz und -Abbau flexibilisiert, den Zulieferern ökonomische Alternativen und den Beschäftigen sozialer Schutz gewährleistet werden. Die Arbeiten
von HEEG (2008) und JANSEN (2006) zeigen exemplarisch auf, dass durch die
Einbindung von Unternehmen in Kompetenznetzwerke Innovationsprozesse gefördert werden können, die einen wichtigen Beitrag zur regionalen Entwicklung leisten
und positive Wirtschafts- und Beschäftigungseffekte auslösen.
24
Hierzu besonders KILPER 1998, S. 140
Siehe etwa HEINZE, VOELZKOW 1997, S. 13ff. Eine interessante Diskussion zur den
Gestaltungsspielräumen der Akteure in der Montanmitbestimmung und im Strukturwandel
liefert FUNDER 1992 oder REPPEL 2001. Das Montan-Mitbestimmungsgesetz von 1951
dient ausschließlich für die Arbeitnehmer in Unternehmen des Bergbaus und der eisen- und
stahlerzeugenden Industrie. Es räumt ihnen ein "Mitbestimmungsrecht in den Aufsichtsräten"
(§ 1) ein. Einzige Bedingung: Das Unternehmen muss eine Aktiengesellschaft, GmbH oder
bergrechtliche Gewerkschaft sein und mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigen. Angesichts
der weiter abnehmenden Bedeutung des Bergbaus und der Beschäftigungsintensität in der
Stahlproduktion spielt auch die Montanmitbestimmung nicht mehr die Rolle, die sie in den
50er und 60er Jahren hatte
26
Siehe etwa KOST 2004, S.91, der dafür das Stichwort des regionalen „präventiven Gestaltungsclusters“ prägt
27
Näheres dazu MULIZE 2008, S.10f. oder auch die Arbeit von RÖLLINGHOFF 2008
25
14
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Auch RÖTTGER (2003) und PIZZERA (2008) sehen in ihren Arbeiten auf regionaler
Ebene Handlungskorridore, in deren Grenzen gestaltende Politik möglich ist. Regionen, in denen Wege der wirtschaftlichen Restrukturierung abseits von Lohnkonkurrenz und Sozialdumping beschritten werden, dabei vor allem auf Wachstum durch
Produkt- und Prozessinnovationen sowie auf Weiterbildung und Qualifizierung gesetzt wird, bieten eine Plattform für korrigierende Interventionen in der Gestaltung
des strukturellen Wandels. Die politischen Konzepte und Förderphilosophien zur
Begleitung des Strukturwandels haben sich allerdings in jüngerer Zeit verändert.
Wie ZIEGLER (2008) oder REHFELD (2009) aufzeigen, werden durch die von der
nordrhein-westfälischen Landesregierung ausgelobten landesweiten Wettbewerbe
zur Neuorientierung der Struktur- und Standortpolitik und zur Förderung des Wettbewerbsregionalismus zwei wesentliche Sachverhalte dokumentiert.28 Die Abkehr
von der regionalisierten Strukturpolitik mit ihren kooperations- und konsensorientierten Aushandlungsformen wird forciert vorangetrieben und das Ausgleichsziel strukturpolitischer Konzepte und Maßnahmen wird zugunsten des Wachstumszieles und
der starken Förderausrichtung auf Wirtschaftcluster vernachlässigt. In diesem Zusammenhang wird von verschieden Autoren betont, dass angesichts des breiten
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Modernisierungsbedarfs eine von Clustern
unabhängige Förderung weiterhin zentral bleiben muss.29 Aus- und Weiterbildung
bzw. Qualifizierung gehören ihrer Ansicht ebenso dazu, wie die Technologieförderung, die Unterstützung und Begleitung von Unternehmensgründungen oder die
Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen gestärkt werden sollte. Nach STAHL
und SCHREIBER wird für Regionen die möglichst frühzeitige, antizipatorische Bewältigung von sozio-strukturellen Verwerfungen und zu erwartenden Krisen darüber
entscheiden, ob für sie weiterhin eine positive wirtschaftliche und soziale Entwicklung möglich sein wird.30 Ein wichtiger politischer Gesichtspunkt ist und bleibt dabei
die strukturpolitische Ausgleichskomponente zum Abbau sozio-ökonomischer und
regionaler Disparitäten, die bei aller Neuorientierung strukturpolitischer Konzepte
auf das Wachstumsziel ein Element der Strukturpolitik bleiben muss. Diese Zusammenhänge werden für die vorliegende Arbeit zu berücksichtigen sein.
Die regionalen bzw. lokalen Schwerpunkte für die Arbeit bilden die perspektivisch
von den Zechenschließungen betroffenen Städte und Regionen im Ruhrgebiet. Vorrangig werden Initiativen mit Schwerpunkten zur Struktur- und Regionalpolitik und
unternehmerische Aktivitäten in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt, wobei vernetzte und benachbarte Politik- und Handlungsbereiche gleichrangig zu beachten
28
ZIEGLER 2008, S. 303ff. und REHFELD 2009, S. 173ff.
Dazu auch die Arbeiten von GÄRTNER 2006, ZIEGLER 2009 und besonders BRUCHKRUMMBEIN 2008
30
Siehe STAHL, SCHREIBER 1998, die die „Antizipation im Chaos“ des Wandels für das
damalig sehr aktuelle Konzept der „Lernenden Regionen“ eingefordert und thematisiert haben. S. 13ff.
29
15
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
sind. Stichworte hierzu sind sektorale Politikfelder, lokale Entwicklungsstrategien,
Clusterbildung sowie arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Maßnahmen.
Das wissenschaftlich anwendungsorientierte Erkenntnisinteresse der Arbeit liegt
zudem in der Analyse und Weiterentwicklung ganzheitlicher Strategien und Maßnahmen der standortbezogenen und regionalen Revitalisierung mit ihren jeweils
spezifischen Ausprägungen. Theoriegeleitet stützt sich die Arbeit auf die kritische
Erörterung unterschiedlicher Konzepte zur Antizipation von Restrukturierungen im
Umgang mit dem industriellen und strukturellen Wandel und den Erklärungsmustern
für raumdynamische Entwicklungsprozesse. Darüber hinaus ist es für die Erarbeitung der Fragestellungen erforderlich, aktuelle Tendenzen und Debatten regionaler
und strukturpolitischer Interventionsmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen aufzuzeigen und zu erörtern.
1.3
Methodik und Aufbau der Arbeit
Das Forschungsdesign der Arbeit basiert gleichermaßen auf einem explorativen,
hypothesengenerierenden Ansatz als auch einem explanativen, theorien- und
hypothesenüberprüfenden Vorgehen.31 Dieser duale Methodenansatz begründet
sich in der phasenweisen Entwicklung und Präzisierung des Erkenntnisinteresses
und der Überführung explorativer Fragestellungen zur Ermittlung und Analyse des
akteursorientierten, antzipatorischen Handelns im Umgang mit den zu erwartenden
Zechenschließungen und auf die konkrete standort- bzw. fallweise Ebene.
So setzt sich das methodische Gerüst der Arbeit aus einem Set von Einzelschritten
zusammen und bedient sich sowohl qualitativer Methoden der empirischen Sozialforschung als auch der Literatur und sekundärstatistisch gestützter Auswertungen.32
Der forschungslogische Aufbau dieser Arbeit wurde in Anlehnung an die von
FRIEDRICHS definierten Ablaufphasen und wissenschaftstheoretischen Bedingungen empirischer Untersuchungen entwickelt, so dass das methodische und am Erkenntnisgewinn orientierte Leitgerüst der Arbeit sich grob in die drei Phasen Entdeckungs-, Begründungs- und Verwertungszusammenhang gliedert.33 Unter Entdeckungszusammenhang versteht FRIEDRICHS den Anlass, die Ausgangslage bzw.
Rahmenbedingungen, die die Forschungsarbeit leiten. Im vorliegenden Fall das
Ende der subventionierten Förderung von Steinkohle in der Bundesrepublik
Deutschland und die damit entstehenden Herausforderungen für die verschiedenen
Handlungsebenen und Akteure. Unter Begründungszusammenhang ist in Anlehnung an FRIEDRICHS der methodologische Rahmen zu verstehen, auf dem sich
31
LAMNECK 2005, S. 332ff.
In Anlehnung an BORTZ, DÖRING 2002, S. 23ff. und S. 308ff. Siehe zum Methodenmix
auch KOPP, LANGENHOFF, SCHRÖDER 2000, S. 8
33
Siehe FRIEDRICHS 1980, S. 51
32
16
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
empirische Untersuchung stützt. Die einzelnen Untersuchungsschritte stehen im
interdependenten Zusammenhang zum Erkenntnisinteresse und dem forschungslogischen Aufbau der Arbeit. Nach der Feldphase beginnt die analytische Auswertung
der gesammelten Daten, um bereits getroffene Hypothesen zu prüfen und neue
Forschungshypothesen zu generieren. Beschreibung, Analyse und Erklärung der
gesammelten Daten und Informationen sind die wichtigsten Bestandteile des Interpretationsprozesses. Im Rahmen des Verwertungs- und Wirkungszusammenhanges
der Arbeit soll der wissenschaftliche Beitrag zur anwendungsorientierten Lösung der
aufgeworfenen Fragestellungen sowie das Aufzeigen des wissenschaftlichen und
außerwissenschaftlichen Forschungs- und Handlungsbedarfs verstanden werden.
Das methodische Set im Rahmen der empirischen Erhebungen setzt sich aus der
Literatur- und Sekundärdatenanalyse, explorativen Expertengesprächen, halbstrukturierten und problemzentrierten Interviews sowie dem Verfahren der Gruppendiskussion zusammen. Über erste Annahmen aus Recherchen und Vorgesprächen zu
standortübergreifenden Wirkungszusammenhängen der Zechenschließungen und
vor dem Hintergrund der Analyse der sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen in
den Kohlegebieten wurden die Leitfäden für explorative, teilstandardisierte Interviews mit regional agierenden „Experten“ als Informationsträger erarbeitet. Dies sind
VertreterInnen der Wissenschaft, der Politik, der wirtschaftsnahen Verbände, der
Gewerkschaften und der Sozialpartner (DGB Bezirk-NRW, Industriegewerkschaft
Bergbau, Chemie, Energie IG BCE und DSK/RAG).34 Entscheidend dabei war, dass
die Gesprächspartner ihre Ansichten und Erfahrungen frei artikulieren konnten und
die Gesprächssituation bewusst asymmetrisch (im Gesprächsanteil Forscher/Gesprächspartner) gestaltet wurde. So war es möglich, Ambivalenzen und
Widersprüchlichkeiten im Gesprächsverlauf nachzugehen aber auch andere, ergänzende Gesichtspunkte im Gespräch aufzunehmen, die sich nach der explorativen
Phase für die weitere Untersuchung als bedeutsam erwiesen.35 Weitere Literaturund Dokumentenanalysen ergänzten die Aussagen der Experten und waren Grundlage für die Konkretisierung der forschungsleitenden Annahmen.
Die halboffene Methode der anschließenden problemzentrierten Experteninterviews
in den Regionen und an den Standorten ist Ausdruck für einen Forschungsansatz,
der sich zwischen der Erörterung regionaler und lokaler Handlungskonzepte, den
Fallanalysen – insbesondere auf kommunaler Ebene und für die Zulieferbetriebe (Hypothesengewinnung) und der Erarbeitung von anwendungsorientierten Handlungsvorschlägen im außerwissenschaftlichen Verwertungszusammenhang bewegt.
Solche problemzentrierten Interviews werden nach HOPF 1991 als Kompromiss
zwischen narrativen und leitfadenorientierten Interviews angesehen und lassen
34
PFADENHAUER sieht Experten als Personen, die über privilegierte Informationszugänge
verfügen und für den Entwurf, die Implementierung und/oder die Kontrolle von Problemlösungsstrategien verantwortlich sind. PFADENHAUER 2002, S. 112
35
Siehe DIECKMANN 2000, S. 430ff.
17
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
ebenfalls genügend Spielraum für eine dynamische Gesprächssituation.36 Da das
Aufdecken von Wirkungszusammenhängen und Veränderungsprozessen im Mittelpunkt der Arbeit steht, erfolgte die Auswahl der Gesprächspartner während der gesamten Erhebungsphase gezielt nach fach- und sachrelevanten Merkmalen.37
Diese auf die einzelnen Regionen und Standorte bezogenen Analysen dienten sowohl der Validierung der forschungsleitenden Annahmen und Präzisierung weiterer
Thesen und Hypothesen und gleichsam der Identifizierung struktur- sowie beschäftigungspolitischer Maßnahmen. Weitere Handlungserfordernisse aus Sicht der Befragten konnten ermittelt werden. Die Formulierung und inhaltliche Präzisierung des
Fragenkanons wurden den jeweiligen Gesprächspartnern und der Befragungssituation angepasst. Dabei wurde unterstellt, dass mögliche Lösungsansätze einer strukturellen Weiterentwicklung an den Standorten zum Teil schon vorhanden sind: dieser Annahme folgend, konnten in der Vergangenheit erfolgreich durchgeführte strukturpolitische Konzepte in Form von Projekten und Initiativen recherchiert, Inhalte
und Vorgehensweisen herausgearbeitet und Möglichkeiten der Überführung in andere Regionen unter den bestehenden regionalen Rahmenbedingungen geprüft
werden. Auf Grundlage der gewonnen Erkenntnisse können Schlussfolgerungen für
eine zukunftsfähige Weiterentwicklung der genannten Bereiche unter Miteinbeziehung der relevanten Akteure aus Verbänden, Politik, regionalen Wirtschaftsförderungen, einzelnen Gewerkschaften sowie DGB, RAG, Universitäten und anderen
Institutionen generiert werden.
Die Teilnahme und Ergebnisauswertung zweier Workshops, die durch die HansBöckler-Stiftung zum Thema „Förderung der Revitalisierung im Ruhrgebiet vor dem
Hintergrund des Auslaufbergbaus“, veranstaltet wurden, bilden eine weitere Grundlage bei der Ermittlung der Diskussionsstände und Sachzwänge in Regionen und
Kommunen. Die beiden Workshops können wissenschaftsmethodisch als Gruppendiskussionsverfahren bezeichnet werden, da in der Dynamik der Diskussion durch
wechselseitige Stimulation wesentliche Auffassungen der Beteiligten ermittelt werden.38 Da das Kriterium der „Betroffenheit durch Stilllegungsbeschlüsse“ der Teilnehmer an den Veranstaltungen gegeben war, ist die Legitimationsbasis für diese
Vorgehensweise durch den vergleichbaren Erfahrungshintergrund der Beteiligten
gegeben.39
Die vergleichende und am Erkenntnisgewinn orientierte Analyse aller protokollierten
Interviews und der Gruppendiskussionen erfolgte durch interpretativ-reduktive Auswertung. Dieses Verfahren erlaubt es dem Forscher, zwar eng am Forschungs- und
Erkenntnisinteresse der Arbeit ausgerichtet zu sein, aber gleichsam die Interpretati-
36
Siehe HOPF 1991, S.178
Dazu insbesondere SEIPEL, RIEKER 2003, S. 194
38
Näheres zu Gruppendiskussionsverfahren bei BOHNSACK 2002, S. 118ff.
39
Siehe DREHER, DREHER 1991, S. 187
37
18
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
on40 der Rohdaten tendenziell offen zu gestalten und so die Generierung neuer
Thesen und Hypothesen zu ermöglichen. Nachstehende Themenmatrix half die
Auswertung der Gespräche und der Gruppendiskussionen zu strukturieren:
¾ Einschätzung der Bedeutung des Bergbaus für Kommune und Region
¾ Bisherige Erfahrungen sowie Vorgehensweisen und Handlungsmöglichkeiten bei Standortschließungen, Restrukturierungen und im Strukturwandel
¾ Einschätzung des kohlepolitischen Diskurses und frühzeitige Folgenabschätzung für den jeweiligen Verantwortungs- und Gestaltungsbereich
¾ Beteiligung und Beteiligungsmöglichkeiten im Rahmen der Auslaufbergbaus
¾ Bestehende Potenziale und Hemmnisse in den Bergbauregionen allgemeiner Art
¾ Lokale und regionale Wirtschaftsstruktur / Entwicklungshemmnisse und
Chancen der Stadt- und Regionalentwicklung
¾ Kompetenzverluste durch Bergwerksschließung für Stadt und Region und
Beschäftigungsperspektiven
¾ Vom Auslaufbergbau betroffene (Spezial)Unternehmen und mögliche Beschäftigungseffekte und Erfordernisse zur wirtschaftlichen Neuorientierung
¾ Alternativen jenseits des Steinkohlebergbaus - Identifizierung potenzieller
Entwicklungspfade
¾ Vernetzung zu anderen Initiativen und Gremien am Standort und Region zur
Bewältigung des Strukturwandels
¾ Perspektiven der Neuausrichtung der Strukturpolitik in NRW für Standort,
Kommune und Region
¾ Projektbezogene Good und Bad Practice Beispiele aus Gegenwart und Vergangenheit
Alles Interviews wurden anonymisiert, zur Belegführung der Aussagen aus den Gesprächen wurden die Gesprächspartner entsprechend ihrer institutionellen Zugehörigkeit gruppiert und dann die Gespräche durchnummeriert.41 Im Anschluss an die
thematische und fallweise (Bergbaustandorte, Bergbauzulieferbetriebe) Ergebnisdarstellung wurde die Aussagen der Einzelinterviews in die kontextualisierten Gesamtauswertung der Materialen mit einbezogen und die inhaltliche Darstellung und
Diskussion typischer Handlungsmuster abgeleitet.
40
Das heißt ohne Prüfung einer geschlossenen Theorie und ohne ein zuvor fixiertes theoretisches Kategoriensystem.
41
Entsprechend der Kategorien: Wissenschaftler, Unternehmensvertreter, Gewerkschafter,
Verbandsvertreter, Wirtschaftsförderer, Kommunalvertreter, Politikvertreter, Zulieferer und
Betriebsräte
19
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Aufbau der Arbeit
Nach Darlegung der durch die kohlepolitischen Beschlüsse veränderten Rahmenbedingungen für die Kommunen und die dem Bergbau verbundenen Unternehmen
im Ruhrgebiet werden Erkenntnisinteresse und Zielsetzung der vorliegenden Arbeit
entwickelt. Um das gegenwärtig auf Europäischer Ebene erörterte Konzept der Antizipation des Wandels, seiner akteursbezogenen Voraussetzungen und instrumentellen Bedingungen in den Kontext der Arbeit einzuführen, werden im zweiten, theoriegeleiteten Kapitel Begrifflichkeit und Konzepte der Antizipation erläutert. Dabei wird
auf den gestiegenen Handlungsbedarf in Folge des durch betriebliche Restrukturierungen beschleunigenden Wirtschaftswandels eingegangen. Konzepte zur Antizipation des Wandels werden in den Europäischen Handlungs- und Forschungskontext
gestellt und anschließend kritisch diskutiert. Die Definition zentraler Begriffe erfolgt
in den entsprechenden Kapiteln der Arbeit. Im dritten Kapitel werden Erklärungsmuster für raumdynamische Veränderungen, strukturpolitische Handlungserfordernisse, Interventionsziele und Konzepte theoriegeleitet vorgestellt und diskutiert. Die
aktuelle Clusterpolitik als strategisches und wachstumsorientiertes Anreiz- und Gestaltungsinstrument zur Bewältigung des industriellen und strukturellen Wandels
wird anhand der Darlegung der operationellen Umsetzung in der NRWStrukturpolitik vorgestellt. Aufbauend auf den explorativen Expertengesprächen und
den Erkenntnissen des aktuellen Forschungsstandes der Literatur kann dieser Aspekt kritisch hinterfragt werden. Kapitel vier stellt einen Einschub innerhalb der vorliegenden Arbeit dar. Es wird auf die sozio-ökonomische Ausgangslage im Ruhrgebiet eingegangen. Für die Zielsetzung der Arbeit ist es erforderlich, die nach wie vor
bestehenden wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen „Erblasten“ des Strukturwandels anhand zentraler Kennziffern zu verdeutlichen und die weiterhin bestehende Notwendigkeit von strukturpolitischen Maßnahmen und Initiativen aufzuzeigen.
Vor dem Hintergrund der dargelegte Rahmen- und Förderbedingungen und der sozio-ökonomischen Gegebenheiten wird in Kapitel fünf erörtert, warum innovative
Regionalentwicklung als ein Zusammenwirken unterschiedlicher Akteure verstanden
und als integrierte Aufgabe im Sinne vernetzter Initiativen aufgefasst werden kann.
Regionale Initiativen zur Antizipation und Bewältigung des strukturellen Wandels
werden ebenso vorgestellt und erörtert wie integrierte Konzepte zur Standortentwicklung und des Flächenmanagements an den vom Auslaufbergbau betroffenen
Standorten vorgestellt und diskutiert werden. Ein gesonderter Blick gilt den Herausforderungen und Problemwahrnehmungen auf kommunaler Ebene.
Die aktuellen, insbesondere personalpolitischen Herausforderungen im Umgang mit
den Bergbauauslaufszenarien und den sich ergebenden Handlungserfordernissen
bei der RAG/DSK werden im ersten Teil des sechsten Kapitels dargestellt. Daran
anschließend wird die regionalwirtschaftliche Bedeutung der Bergbauzulieferindust20
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
rie beschrieben und analysiert. Anhand von Fallbeispielen werden zudem Erfolgsfaktoren und Hemmnisse bei der Antizipation der ökonomischen Neuausrichtung der
Zuliefererbetriebe eingehend erörtert und bewertet. Aufbauend auf den Erkenntnissen der theoriegeleiteten und empirischen Kapitel werden im siebten Kapitel Handlungsempfehlungen zur Antizipation und Bewältigung des strukturellen Wandels
abgeleitet, weitere Forschungshypothesen generiert und die vorliegenden Forschungserkenntnisse dieser Arbeit zusammengefasst.
1.4
Forschungsleitende Grundannahmen
1.4.1 Die Zeit
Durch die Kohlebeschlüsse des Jahres 2007 in Perspektive auf 2012/2018 wurde
ein Zeitfenster geschaffen, das es insbesondere den Kommunen, Zulieferern und
verbundenen Unternehmen sowie der RAG/DSK erlaubt, rechtzeitig die Herausforderungen und Konsequenzen des Auslaufbergbaus für die eigene Handlungsebene
zu erörtern und nach Wegen im (sozialverträglichen) Umgang und der Steuerung
des Kohleausstiegs für die eigene Institution zu suchen.
Anders als bei betrieblichen Stilllegungs- oder Verlagerungsbeschlüssen der jüngeren Vergangenheit (NOKIA, BenQ) jenseits der montanindustriellen Komplexes mit
seinen durch die Montanmitbestimmung induzierten und eingespielten Informationsund Konsultationsprozessen sowie den Steuerungs- und Umgangsmechanismen im
strukturellen Wandel, werden durch die Kohlebeschlüsse frühzeitig Handlungserfordernisse für die betroffenen Akteure aufgezeigt, den strukturellen Wandel und die
sozio-ökonomische Modernisierung weiter zu gestalten. Bereits mit dem Auslaufen
des so genannten „Jahrhundertvertrags“ 1995 mussten neue Lösungen für den
Bergbau und seine Beschäftigen in den Kohlerevieren gefunden werden.42 Im März
1997 kam es zu einer kohlepolitischen Einigung, in der die Stilllegung von vier
Schachtanlagen bis zum Jahr 2000 und drei Schachtanlagen bis 2005 festlegt wurde. Analog zur Einigung des Jahres 199743 ist auch diesmal zeitlicher Entscheidungs- und Handlungsspielraum für alle betroffenen Akteure geschaffen worden.
Dieser zeitliche Rahmen erlaubt es zum einen pro-aktiv mit den Herausforderungen
des Auslaufbergbaus umzugehen, auf der anderen Seite bedeutet aber die Revisionsklausel und die damit implizierte Eventualität eines Sockelbergbaus und der
noch endgültig zu definierenden Reihenfolge der Standortschließungen eine Her-
42
Dies war ein Vertrag zwischen dem Bergbau und der Elektrizitätswirtschaft in Deutschland
über den Einsatz inländischer Steinkohle zur Stromerzeugung. Wie in der aktuellen kohlepolitischen Vereinbarung waren auch mit der damaligen Reduzierung der Absatzhilfen betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Siehe dazu den RAG-Jahresbericht 2000, S. 9
und S. 62
43
So mussten etwa bis 2002 etwa 25.000 Beschäftige sozialverträglich abgebaut werden
21
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
ausforderung.44 Insbesondere die RAG/DSK ist in Fragen ihrer Personalpolitik, der
Bewältigung der Fördermengenzielen und ihrer Ressourcenbewirtschaftung gefordert, sich grundsätzlich auf das Fortbestehen der Steinkohleförderung einzustellen,
und sich auf alle Maßnahmen zur endgültigen Beendigung der Steinkohlenförderung
inklusive des Umgangs mit „Ewigkeitslasten“ in der Bundesrepublik Deutschland
vorzubereiten.45
1.4.2 Die Betroffenheit
Die schrittweise Reduzierung der subventionierten Steinkohleförderung in der Bundesrepublik Deutschland und die möglicherweise endgültige Schließung aller Steinkohlenzechen werden auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen und bei unterschiedlichen Akteursgruppen negative Auswirkungen haben. Von den Stilllegungsbeschlüssen betroffen sind zunächst die noch rund 30.000 Beschäftigten im deutschen Steinkohlenbergbau.46 Es ist aufgrund des personalpolitischen Instrumente
der RAG/DSK, der Sozialverträglichkeitsklausel und Instrumenten wie dem Anpassungsgeldes (APG) in der Kohlepolitischen Vereinbarung zwar nicht zu befürchten,
dass die Bergleute ins „Bergfreie“ fallen werden, Arbeitsplatzwechsel, ggf. Einkommensverluste für nicht APG-Berechtigte und höhere Anforderungen an die Mobilität
der Bergleute stellen aber grundsätzliche Belastungen für Arbeitnehmer und ihre
Familien dar.47 48
Die Unternehmen und Beschäftigten der Zulieferindustrie (von technologieorientierten Unternehmen bis zu Handwerksbetrieben und lokalen Dienstleistern) müssen
sich auf die Stilllegungsbeschlüsse ggf. mit Produkt- und Prozessinnovationen und
insbesondere der Erschließung neuer Märkte und Kundengruppen einstellen. Das
externe Beschaffungsvolumen der DSK/RAG betrug allein im Jahr 2007 1,28 Mrd.
Euro.49 Davon entfielen allein auf den bergbautechnischen Kompetenzstandort
NRW 85%. Mit der schrittweisen Reduzierung der Fördermengen und der sukzessiven Stilllegung weitere Zechen werden sich diese Ausgaben zukünftig massiv re-
44
Siehe aus Sicht der Zulieferindustrie: GVSt, DSK, VDMA 2008 (Hrsg.), S. 13
Siehe dazu HERMANN/HERMANN 2007. Ein Gutachten der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 23.11.2006 erwartete einen jährlichen Personalbedarf von 371 Beschäftigten zur Bewirtschaftung der Altstandorte und Kosten von jährlich ca. 13 Mio. Euro nach
2018. Siehe dazu DEUTSCHER BUNDESTAG (Hrsg.) 2007a und 2007b
46
Siehe dazu STATISTIK DER KOHLENWIRTSCHAFT e.V. Essen 2007 (Hrsg.) und siehe
zu den Auswirkungen von Zechenschließungen ZILLINGER 1997 zum regionalwirtschaftlichen Strukturwandel und der individuellen Arbeitsplatzproblematik.
47
Im „Tarifvertrag sozialverträglicher Auslaufbergbau Saar“ und der Informationsbroschüre
der IGBCE sind die Regelungen und Zumutbarkeitsklauseln für die Beschäftigten geregelt
worden und sehr gut erläutert. Näheres unter: IGBCE (Hrsg.) Informationsdienst Tarifvertrag
Saar vom 31.07.2008
48
Die gesundheitlichen und physischen Belastungen von Arbeitnehmern in Folge von Restrukturierungen sind ein Forschungsschwerpunkt des Institutes für Psychologie der Arbeit,
Arbeitslosigkeit und Gesundheit an der Universität Bremen. Siehe beispielsweise:
KIESELBACH, MADER 2005, S. 87
49
Siehe dazu WODOPIA 2008, S. 2
45
22
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
duzieren. Mit dem sich verringernden Beschaffungsvolumen und der möglichen Stilllegung aller Zechen ist davon auszugehen, dass sich weitere Standortnachteile für
die Bergbauzulieferindustrie und die Arbeitsplätze der Branche ergeben. Es ist ferner davon auszugehen, dass Impulse für Neugründungen von bergbautechnischen
Unternehmen ausbleiben und mittel- bis langfristig ein bergbautechnischer Kompetenzverlust eintreten wird.
Für die Bergbaustandorte, die Kommunen und die lokale Ökonomie bedeutet die
Stilllegung weiterer Zechen ein Verlust an Ausbildungsplätzen für junge Menschen
der Region und der Gefahr des beschleunigten Schrumpfungs- und Überalterungsprozess in den Stadtteilen ausgesetzt zu sein. QUICKELS hat am Beispiel des
Kampfes um den Erhalt und der späteren Stilllegung der Zeche Ewald in Herten den
prägnanten Titel „Erst stirbt die Zeche, dann die Stadt“ für seine Photodokumentation gewählt und geprägt.50 Die von der Stilllegung betroffenen Stadtteile sind schon
jetzt oft durch komplexe Problemlagen in den Bereichen Städtebau und Umwelt,
infrastrukturelle Ausstattung, lokale Ökonomie, Soziales, Integration und nachbarschaftliches Zusammenleben sowie negative Imagebildung charakterisiert.51
KRÄTKE hat bereits 1995 die Prozesse im Degradationsprozess von aufgegebenen
Stadtteilen beschrieben und auf die soziökonomische Spaltung innerhalb der Städte
hingewiesen.52 Der zum Jahresende 2005 geschlossene Zechenstandort DinslakenLohberg mit seinen ehemalig 1.400 Beschäftigten vergegenwärtigt die Probleme der
Stadtteilentwicklung an (ehemaligen) Zechenstandorten exemplarisch. Als das
Bergwerk geschlossen wurde, fiel der größte Arbeitsplatz- und Ausbildungsplatzanbieter Dinslakens weg. Dinslaken-Lohberg gehört mittlerweile zum Programmgebiet
„Soziale Stadt in Nordrhein-Westfalen“. Es ist davon auszugehen, dass ohne strukturpolitische Begleitung die betroffenen Standorte die negativen Folgen des Auslaufbergbaus nicht bewältigen werden können. Damit erhöhen sich die fiskalischen
Folgekosten des Auslaufbergbaus wie sie die Prognos AG in ihrem Gutachten bereits beschrieben hat.53
50
So der Titel bei QUICKELS 1997
Dazu JASPER, SCHOLZ 2008, S. 627ff. und BMVBS (Hrsg.) 2008: Bundestransferstelle
Soziale Stadt: Statusbericht zum Programm Soziale Stadt
52
KRÄTKE 1995 S. 182ff.
53
Die Prognos AG 2007, S. 30ff. kommt in ihrem Gutachten zum Schluss, dass bei einer
Ersatzarbeitsplatzrate von jährlich 9% der wegfallenden Arbeitsplätze sich die fiskalischen
Folgekosten des Auslaufbergbaus für den Zeitraum 2007-2018 auf etwa 6,5 Mrd. Euro bundesweit belaufen
51
23
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
1.4.3 Die Erfahrungen
Politik, Unternehmen, Gewerkschaften, Forschung und Wissenschaft sowie Beschäftigte haben in Nordrhein-Westfalen und insbesondere im Ruhrgebiet einen bis
in die 1950er Jahre zurückliegenden Erfahrungsschatz aufgebaut, den strukturellen
und sozio-ökonomischen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft zu erleben, zu
begleiten und zu steuern. Die Erfahrungen der Menschen sorgen dafür, dass der
Umgang mit den Konsequenzen des Auslaufbergbaus sozialpolitisch weitestgehend
konfliktfrei und sturkurpolitisch begleitend erfolgt. NEGRELLI bezeichnet ein solches
Erfahrungswissen im Umgang mit dem strukturellen Wandel als „Cognitve factor of
a shared restructuring anticipation“ (NEGRELLI 2008 S. 204), der auf eines in der
Vergangenheit entwickelten “belief systems” 54 aufbaut und daran anschließt, dass
die verantwortlichen Akteure solche strukturellen Herausforderungen und Umbrüche
zu steuern wussten.
Das Entwicklungsprogramm Ruhr von 1968 und das daraus entwickelte Nordrhein
Westfalen Programm 1975 waren die ersten Meilensteine auf dem Weg vom reaktiven Krisenmanagement zu einer bewussten und gezielten Gestaltung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung der Region jenseits reiner konjunkturpolitischer Maßnahmen. Diese ersten Strukturprogramme schufen die Voraussetzung dafür, dass das Ruhrgebiet seine Chancen zum strukturellen Wandel besser
wahrnehmen konnte als nach der ersten Kohlekrise 1958 und in den 1960er Jahren
zu befürchten war55. Der Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre auf den
gesamten Montanbereich gestiegene Problemdruck verdeutlichte die Notwendigkeit
strukturpolitischen Handels. Insbesondere die Schließungen der Stahlwerke in
Rheinhausen, Hattingen und Oberhausen, die erstmals in der Nachkriegsgeschichte
des Ruhrgebiets Arbeitskämpfe auslösten, die auch gewerkschaftlich nicht kanalisiert wurden konnten, erhöhten den Handlungsdruck.56 Diese Konflikte markierten
einen Einschnitt in der Ruhrgebietsentwicklung. Dialog und Kooperation wurden zu
den neuen Leitbildern der Strukturpolitik, die den kooperativen partnerschaftlichen
Umgang in NRW mit begründeten. Die damalige Landesregierung setze auf ein gemeinsames Handeln, verbesserten Informationsaustausch und die Koordination
strukturwirksamer Aktivitäten zwischen allen gesellschaftlich relevanten Akteuren
als Fundament eines strukturpolitischen Partnerschaftsprinzips.57. „Nur der soziale
Konsens sorgt für einen Strukturwandel ohne scharfe Bruchstellen“ 58 so die Einschätzung eines Kommentators der ZEIT aus dem Jahr 1999. Zudem erwiesen sich
im Schrumpfungsprozess des Steinkohlenbergbaus und des gesamten montanin-
54
NEGRELLI 2008, S. 204
Siehe etwa NONN 2004, S. 89. So verlor das Ruhrgebiet zwischen 1965 und 1967 allein
200.000 Arbeitsplätze
56
Siehe WISSEN 2005, S. 116
57
Siehe HEINZE et.al 1996, S. 29
58
Siehe Die ZEIT (Hrsg.)1999 - unter dem Titel „Konsens in Gefahr“ von Karsten Rudolf in
der ZEIT-Online Ausgabe Nr. 45/1999
55
24
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
dustriellen Sektors die gewerkschaftliche Führungsstärke und die institutionelle Verankerung der Montanmitbestimmung auf der betrieblichen und überbetrieblichen
Ebene, die Durchdringung einer „ruhrindustriellen politischen Kultur im Zuge der
allgemeinen Sozialdemokratisierung des Reviers“ (TENFELDE 1990, S. 217) als
höchst wirksam in der Pazifizierung des grundsätzlich hohen sozialen Konfliktpotentials in Folge der industriellen Wandels an Rhein und Ruhr.
Die Erfahrungen der Menschen und der handelnden Akteure im strukturellen Wandel an Rhein und Ruhr sind heute essentieller Bestandteil dafür, dass es ein „Urvertrauen“ (HOMBACH 2008, S. 54) oder „mentale Anker“ (BOLDT und GELHAR
2008, S. 139) der Menschen in den sozialverträglich gestalteten, strukturellen Wandel gibt. Wichtiger als noch als die politischen Programme und Maßnahmen sind
vielleicht die Veränderungen, die sich allmählich im Bewusstsein der Menschen im
Ruhrgebiet abspielten. Ganz langsam begann man, sich sichtbar und mental aus
der Abhängigkeit von Kohle und Stahl zu lösen. 500.000 Arbeitsplätze wurden seit
Mitte der 1950er Jahre im deutschen Steinkohlenbergbau abgebaut, doch hat die
RAG nie Massenentlassungen vornehmen und die Beschäftigten in die Arbeitslosigkeit entlassen müssen, dank solidarischer Prinzipien und hoher Finanzhilfen der
öffentlichen Kassen.
25
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
2 Antizipation - Begriff und theoriegeleitetes Konzept
„Die Frage ist, ob wir versuchen (industrielle - Anmerk.d.V) Wandlungsprozesse
vorauszusehen und selbst Initiative zu ergreifen, um sie zu bewältigen oder ob wir
später, wenn wir vor vollendete Tatsachen stehen, nur noch reagieren“. KRITONDARLING 2006, S. 10)59
Seit Ende der 1990er Jahre steht die akteursorientierte Antizipation von betrieblichen Restrukturierungen, des industriellen und strukturellen Wandels zunehmend
im Fokus der Europäischen Sozial- und Industriepolitik.60 Besonders auf der Europäischen gewerkschaftlichen Ebene wurden in den vergangenen Jahren länderübergreifende Initiativen und Projekte gestartet, Restrukturierungen und industriellen
Wandlungsprozesse besser antizipieren zu können, um möglichst frühzeitig Maßnahmen zur Sicherung von Beschäftigung und Qualifizierung im Dialog mit den Arbeitgebervertretungen implementieren zu können (Projekte wie TRACE61 oder
MIRE62).
Veränderungen in der Dynamik und in den Auswirkungen von Betriebsstilllegungen,
Mergers & Akquisitions von nationalen und internationalen Unternehmen, verbunden mit Personalabbau und/oder Standortverlagerungen und negativen Konsequenzen für die Wirtschaft in den betroffenen Regionen, sind seit Ende der 1990er Jahre
mit zunehmender Intensität und mit großen Konsequenzen für Beschäftigung und
verbundene Produktionssysteme zu beobachten und haben dem Stellenwert der
restrukturierungsbedingen Antizipation des Wandels einen Bedeutungszuwachs
gegeben.63 Der Antizipation von Restrukturierungen durch die betroffenen Gruppen
(Beschäftigte und Gewerkschaften, lokale und regionale Wirtschaft, Zulieferer,
Kommunen, Qualifizierungseinrichtungen etc.) zur frühzeitigen Bewältigung im Umgang und der Folgen von Restrukturierungsmaßnahmen und des strukturellen Wandels vor Ort wurde im Europäischen Kontext mehr und mehr Aufmerksamkeit zu
Teil.64 Das folgende Kapitel soll den Stellenwert der Antizipation für den Umgang mit
Restrukturierungen und des industriellen Wandels beleuchten, Schlüsselbegriffe
59
KRITON-DARLING zitiert aus dem Handbuch “Restructuring” des TRACE-Projektes. Siehe dazu EUROPEAN TRADE UNION FEDERATION 2006 (Hrsg.), S. 10
60
Siehe dazu die Ausführungen von PARIS, et al. 2002
61
TRACE = Trade Unions Anticipating Change in Europe 2006
62
MIRE = Monitoring Innovative Restructuring in Europe 2007
63
Siehe PALMIERI 2002, S. 15f. Die Ausgaben für den Ankauf und die Verschmelzung von
vorher selbständigen Unternehmen habe sich im Zeitraum 1996 bis 2002 zu 1990-1995 bereits verfünffacht.
64
Siehe LEBURN 2008, S. 8
26
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
erläutern und Konzepte des „Anticipating Change“65 kritisch erörtern und in den forschungslogischen Kontext der vorliegenden Arbeit stellen.
2.1
Antizipation – der intentionale Umgang mit zukünftigen Entwicklungen
„Change is mostly noticed at times of crisis, tension and fracture moving in a jerky
way. Change needs to be managed, steered and guided. Some anticipate change,
some don´t. But it is essential to act to anticipate and to manage change” (ONKELIX
2001, S. 4)66
Die Frage nach der Zukunft und der Entwicklungsperspektive einer Branche, eines
ganzen Sektors oder einer Gesellschaft impliziert gleichsam die Frage nach den
Möglichkeiten einer sich verändernden oder zu verändernden Wirklichkeit. So ist es
zwar möglich, die Realität in ihren Strukturen und Prozessen nach immanenten
ökonomischen Gesetzen, Interessenkonstellationen, Macht und Widerstandspotentialen zu befragen bzw. zu analysieren und darauf aufbauend Wahrscheinlichkeitsaussagen über zukünftige Entwicklungen abzuleiten. Die Kausalitäten der Gegenwart werden aber nur als eine Bedingung unter anderen angesehen, Zukünftiges
vorherzusagen.67 MEYER-KRAHMER geht in seiner Analyse davon aus, dass eine
Antizipation des industriellen Wandels aus wissenschaftstheoretischer Sicht nicht
möglich ist. Möglich sind seiner Auffassung nach nur „bedingte Prognosen“, die
Aussagen zulassen, dass bestimmte Ereignisse eintreten, wenn eine Reihe von
Voraussetzungen erfüllt sind. (MEYER-KRAHMER 1994, S. 48). Wenn also Prognosen Voraussagen über Ereignisse der Zukunft sind, die über Kenntnis und Anwendung von Gesetzten oder Regelmäßigkeiten aus der Gegenwart deduzierbar
sind, dann trifft dies nicht auf den Begriff der Antizipation zu. „Was sein wird, lässt
sich nicht erkenntistheoretisch bestimmen“. (MEYER-KRAHMER 1994, S. 49)
Der Begriff Antizipation stammt aus dem Lateinischen. Antecapere bedeutet "vorwegnehmen" das Substantiv Anticipatio kann mit dem Begriff "Vorwegnahme"
übersetzt werden und bedeutet die individuelle oder kollektive Vermutung bezogen
auf zukünftige Entwicklungen oder Ereignisse
¾ auf Grund gemachter Erfahrungen und
65
So der Schlüsselbegriff der Gründungskonferenz des „European Monitoring Centre of
Change“ gefördert von der EU-Kommission am 23.10. 2001 in Brüssel. EUROFOUND
(Hrsg.) 2001
66
Laurette Onkelix, damaliger stellvertretender Ministerpräsident von Belgien, auf der Gründungskonferenz des „European Monitoring Centre of Change“ gefördert von der EUKommission am 23.10. 2001 in Brüssel. Zitiert aus: EUROFOUND (Hrsg.) 2001, S. 4
67
Rauschenbach hat sich dem Thema Antizipation und Prognose aus philosophischer Perspektive angenommen. Siehe RAUSCHENBACH 1972, S. 25f.
27
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
¾ erkannter Gesetzmäßigkeiten und Kausalitäten in Handlungszusammenhängen sowie
¾ der gedanklichen Vorwegnahme zukünftiger Ereignisse oder Geschehnisse.
Antizipationen sind daher von ihrer intentionalen Ebene von der nomologischen
Struktur prognostischer Aussagen zu unterscheiden.68 Antizipationen erteilen nicht
Auskunft über das was ist oder deduzierbar sein wird, sondern zeugen vielmehr von
Erfahrungen und dem Wollen und dem Handeln von Menschen im Umgang mit zukünftigen Entwicklungen. DYK bezeichnet dies als das „Antizipationspotential“69,
welches die Möglichkeit zur Projektion von Entwicklungen und Standards sowie die
Einbeziehung möglicher Reaktionen Dritter auf diese Entwicklungen beinhaltet.
Nach KANT, der sich mit dem Thema der Antizipation in seinem Werk „Kritik der
reinen Vernunft“ auseinander gesetzt hat, sind „Antizipationen auf Veränderungen
der Realität bezogen, begründen aber nicht deren Kausalität“.70
Antizipation ist in Anlehnung an das Grundlagenwerk von RAUSCHEBACH als
„Funktion gesellschaftlicher Praxis“ zu verstehen und das Vermögen des Menschen
zur Antizipation wird von RAUSCHENBACH als wesentlicher Bestandteil der gesellschaftlichen Innovationskraft interpretiert. Denn gerade die Herausforderungen des
Menschen, sich auf veränderte Lebens- und Wirtschaftsbedingungen einstellen zu
können und geeignete Lösungen zur Zukunftssicherung zu entwickeln, sind für die
Entwicklung von Innovationen elementar.71 Anderseits wird die Zukunft durch die
Projektion der Vergangenheit (des Erfahrenen) kolonisiert und damit Denk -und
Handlungshorizonte durch das eigene Antizipationsvermögen eingeschränkt.72 Zukunftsforscher verstehen daher Ihre Arbeit weniger als „Antizipation wahrscheinlicher Zukünfte“ sondern vielmehr als Inspiration die ausgetretenen Pfade des Denkens zu verlassen und pfadunabhängig neue Impulse für das Denken der Zukunft
zu setzen.73 Daher kann die Antizipation von zukünftigen Entwicklungen und Veränderungen auch als intentional und integrativ weiter reichendes Konzept verstanden werden als etwa betriebliche Krisenfrüherkennungssysteme, Monitoringsysteme
oder Managementkonzepte wie das „Zukunftsradar“; Systeme oder Methoden, die
versuchen Krisen und Entwicklungspfade für Branchen, Unternehmen und Beschäftigung zu erkennen und zu prognostizieren.74
68
Siehe DYK 1981, S. 143ff.
Siehe DYK 1981, S. 145
70
KANT in seinen Werk „Kritik der reinen Vernunft“ in einer Neuauflage seiner Publikation
des Jahres 1956, S. 225 - zitiert nach RAUSCHENHBACH 1972, S. 13
71
Dies kann auch auf ökonomische und regionale Innovationsprozesse übertragen werden,
vgl. etwa die Arbeiten PIZZERA 2008 oder BRANDSTÄTTER 2007
72
Siehe dazu SCHMIDT 1983, S. 112
73
Siehe MICIC 2006, S. 27
74
Dazu näheres in den Arbeiten von MICIC 2007 und 2006. Siehe auch die Zukunftsinitiative
für den wirtschaftlichen und sozialen Wandel in Rheinlandpfalz (Hrsg.) 2009
69
28
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Aufbauend auf wissenschaftlichen Verfahren können nur bedingte Voraussagen zur
zukünftigen Entwicklung von Märkten, Produkten und Rohstoffen oder wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen gemacht werden. Als wichtige Methoden zur Identifizierung von Pfaden und Pfadabhängigkeiten des industriellen Wandels können in
Anlehnung an FRANKE 199875 identifiziert werden:
¾ Trend-Explorationen
¾ Diffusionsmodelle (z.B. von neuen Technologien oder Organisationskonzepten)
¾ Delphi-Befragungen
¾ Szenario-Techniken und anspruchsvolle Prognosemodelle („Dynmaics“Ansätze unter Berücksichtigung wechselseitig kommunizierender Variablen)76
Während etwa WILMS die Szenario-Technik als wichtiges Instrument für den „Umgang mit der Zukunft“ sieht77 stellen solche wissenschaftlichen Methoden nach Auffassung von MEYER-KRAHMER aber keinen „Königsweg“ der Antizipation dar, da
bei der Antizipation die intentionale Ebene im Gegensatz zu klassischen
Prognosemodellen einen wesentlich höheren Stellenwert besitzt. Antizipationen
erfolgen vielmehr im Verstehensprozess, wenn Menschen die Motive, Einstellungen
oder Absichten anderer erkennen wollen und sich im Hinblick zukünftiges Handeln
oder dem Eintreten von Ereignissen Vorstellungen davon machen wollen.78 Allerdings steht im Kontrast zu den wissenschaftstheoretisch und methodisch begrenzten Möglichkeiten der Antizipation die Tatsache, dass Akteure aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Technik die Zukunft antizipieren und etwa Fragen der Rohstoffentwicklung und Versorgung, Techniktrends und deren Folge für Wirtschaft,
Beschäftigung und Qualifikation vorherzusehen und sich darauf einzustellen versuchen.79
In Deutschland werden Fragen der pro-aktiven Identifizierung von Krisen und Beschäftigungsrisiken bislang stärker auf einzelbetrieblicher Ebene unter dem Gesichtspunkt der Krisenfrüherkennung als in regionalwirtschaftlicher oder strukturpolitischer Dimension diskutiert.80 Die Konzepte zur unternehmerischen Krisenfrüherkennung haben sich in der jüngeren Vergangenheit stark weiterentwickelt. Wurden
diese lange Zeit über betriebliche Kennziffern und Indikatorengestützt entwickelt
75
FRANKE, ZERRES 1998 zu den Frühwarnsystemen, S. 201ff. Dort auch weitere Informationen zur Delphi-Methode und Szenario-Technik
76
Ebenda 1998, S. 67ff.
77
Etwa WILMS 2006, S. 5f.
78
SPITZLEY, 1992, S. 81. „Wissen und Handeln“ – Handeln wider besseren Wissens
79
Siehe MICIC 1993 S. 76ff. oder auch die Arbeit von BURMEISTER, et al. 2002
80
Siehe KRYSTEK 2006 S. 35ff.
29
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
(interne Früherkennung), hat etwa ANSOFF die Grundlagen geschaffen, Konzepte
des Monitoring und der Detektierung von „Weak Signals“ in die Debatte um die unternehmerische Krisenfrüherkennung zu integrieren.81 Jüngere Konzepte betonen
dagegen auch die Notwendigkeit der vernetzten Früherkennung und der Früherkennungskooperationen beispielsweise durch Vernetzung von Unternehmen in Wertschöpfungsketten (Konzepte der externen Krisenfrüherkennung).82
Eine solche Krisenfrüherkennung kann dann als Antizipation verstanden werden
und wird unvermeidbar, wenn der Versuch gemacht werden soll, die Zukunft nicht
nur zu prognostizieren, sondern auch mit der zukünftigen Entwicklungen pro-aktiv
umzugehen. Mit dem Antizipationsbegriff wird gleichsam die „Differenz des gegenwärtig Antizipierten und der Zukunft einbezogen“ (KUGELMANN 1986 S. 38). Der
Begriff der Antizipation ist nach KUGLEMANN mit seinen sinngemäßen Varianten
„Vorwegnahme, Vorgriff, prolebtisch“ (= vorgezogen) gleichzusetzen. Antizipation ist
„in jedem Fall auf die Zukunft bezogen, wobei einerseits vergegenwärtigt werden
soll, dass die Differenz zu einer noch ausstehenden Zukunft mit einbezogen wird,
andererseits im Vollzug der Vergenwärtigung der Antizipation die bleibende Zukunftsfähigkeit des Antizipierten mitgedacht und bewahrt bleiben soll.
(KUGELMANN 1986 S. 39). Antizipation steht damit in einer Verschränktheit von
Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, so dass in der konkreten Anwendung ihre
gegenwärtige Wirksamkeit als auch ihre noch ausstehende Bestätigung berücksichtigt werden müssen.
2.2
Antizipation von Restrukturierungen und des industriellen Wandels
Im Zuge des beschleunigten industriellen und sozioökonomischen Wandels einer
globalisierten Wirtschaftswelt wird es als unabdingbar angesehen, dass Unternehmen ihre Zukunft und die ihrer Zulieferer und Absatzmärkte zukunftsorientiert beobachten müssen.83 Unternehmen sind gefordert, die ökonomischen, kommerziellen
und technologischen Veränderungen in ihre strategischen Zukunftsplanungen mit
einzubeziehen und diese Veränderungen zu antizipieren.84
Diese Wachsamkeit gegenüber Markt- und Umfeldveränderungen verhindert bisweilen aber nicht, dass Unternehmen ihre Betriebsprozesse und Produktionsstandorte
mit Konsequenzen für Beschäftigung und sozio-ökonomische Stabilität der betroffenen Standorte und Region restrukturieren; dazu im Rahmen der abzusehenden
81
Siehe ANSOFF 1980, S. 133
Etwa MICIC 1993 und MICIC 2007, S.129f. am Beispiel der virtuellen Vernetzung
83
Siehe etwa die Untersuchung von WINGE 2005 zu Fragen von Antizipation und Lernfähigkeit von Organisationen am Beispiel von KMU
84
Siehe SYNDEX, et al. (Hrsg.) 2006 im MIRE-Report, S. 11
82
30
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Herausforderungen vielleicht auch wenig Handlungsalternativen haben, um ihre
Überlebensfähigkeit zu erhalten und weiterhin marktfähig zu sein.
Antizipation bedeutet demnach, dass Akteure Ereignisse aufgrund eigener Einschätzungen und Erfahrungen erwarten oder auf der Basis von Informationen, die
zu einem bestimmten Zeitpunkt durch Informationsweitergabe zur Verfügung stehen, mit einer bestimmten Entwicklung rechnen können. Durch Antizipierung wird
die Fähigkeit verbessert, Trends und die damit verbundenen möglichen Folgen zu
erkennen. Auf diese Weise versetzen sich Menschen oder Gruppen in die Lage,
schneller darauf zu reagieren und diese Veränderungen besser für die eigene Institution zu nutzen, während gleichzeitig die Fähigkeit entwickelt wird, den Herausforderungen zu begegnen und sie wirkungsvoller zu bewältigen. Diese Veränderungen,
so folgert PULIGNANO im Endbericht des TRACE-Projektes, können am besten
bewältigt werden, wenn schon im Vorfeld reagiert wird (pro-aktives Element) und
nicht erst dann, wenn eine Situation schließlich tatsächlich eintritt.85
PULIGNANO erweitert damit den intentionalen Aspekt der Antizipation um das
„Cognitive Element“, was bedeutet, dass im Vorfeld eines Ereignisses Zeit genug
zur Verfügung steht, um Informationen zu sammeln, zu analysieren und über den
Umgang und Optionen der anstehenden Herausforderungen zu reflektieren. Auf
diese Weise erhalten die betroffenen und handelnden Akteure die Möglichkeit, kreativere und phantasievollere Antworten auf Herausforderungen, die der Wandel mit
sich bringt zu entwickeln, und nach Möglichkeit Antworten auf die sozialen Auswirkungen wirtschaftlicher Umstrukturierungen zu finden. Zu diesen Antworten können
im Rahmen von Restrukturierungsereignissen beispielsweise Prozess- und Produktinnovationen, aber auch ganz neue Arbeits- und Weiterbildungsmodelle gehören.
Dieser Ansatz wurde auch als „reflektive Umstrukturierung“86 bezeichnet und will
einen Ausgleich zwischen wirtschaftlichen, sozialen und umweltrelevanten Aspekten
im jeweiligen Restrukturierungskontext herstellen.
Wird der industrielle und wirtschaftliche Wandel nicht verantwortungsvoll von den
Sozialpartnern geplant und begleitet, kann das für die betroffenen Arbeitnehmer und
ihre Familien verheerende Folgen haben. Der Europäische Metallarbeiterbund
(EMF) hat beispielsweise in einem Handbuch einen Handlungsleitfaden für Restrukturierungen in sozialer Verantwortung erstellt.87 Unternehmen, die ihre BusinessStrategien mit einem sozial verantwortlichen Change Management in Übereinstimmung bringen, können nach Einschätzung des Europäischen Gewerkschaftsbundes
EGB und den European Trade Union Institute (ETUI) langfristig gesehen mit Wett-
85
PULIGNANO als Projektkoordinatorin des TRACE Projektes. Siehe unter EUROPEAN
TRADE UNION FEDERATION (Hrsg.) Endbericht zum TRACE-Projekt 2005, S. 3
86
Siehe EUROFOUND (Hrsg.) 2008, S. 4
87
Siehe EUROPEAN METALWORKER FOUNDATION 2005a (Hrsg.) zum Thema “Policy
approach towards socially responsible restructuring”
31
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
bewerbsvorteilen, einer besseren Ertragslage und einer höheren Produktivität bei
minimierten Sozialkosten rechnen.88
Normatives Paradigma im Antizipationskonzept
Die Debatte um die Möglichkeiten und Erfordernisse der Antizipation des Wandels
wird stark normativ geführt. Die Antizipation von unternehmerischen und sektoralen
Restrukturierungen mit den Konsequenzen für territoriale und ökonomische Wandlungsprozesse wird als „soziale Notwendigkeit“ angesehen (MOREAU 2007, S. 17)
und schlussgefolgert, dass vitale Anpassungsprozesse an sich verändernde globale
Märkte und Innovations- und Qualifikationsanforderungen eine Balance eingehen
sollten zwischen den ökonomischen Erfordernissen von Unternehmen und Wirtschaftsräumen und den sozialen Ansprüchen der Beschäftigten, die die Lasten der
Restrukturierungen zu tragen haben.89 Die Antizipation zukünftiger Entwicklungen
und möglicher Veränderungen für Ökonomie, Beschäftigung und Wirtschaftsregionen, so wird argumentiert, hilft den Wandel aktiv mitzugestalten, gleichzeitig seine
Folgen für Beschäftigung und Soziales zu mildern.90 Die Antizipation des Wandels,
von Restrukturierungsprozessen und zukünftiger Handlungserfordernisse von Wirtschaft und Regionen sollte nach Einschätzung von BERGSTRÖM dazu führen, dass
dies allen beteiligten Akteuren mehr Zeit gibt, erforderliche Restrukturierungsprozesse nach Möglichkeit sozialverträglich zu gestalten. „An anticipatory approach to
markets may thus allow an anticipatory approach to restructuring”. (BERGSTROM
im MIRE-Report 2006, S. 11).
2.3
Wirtschaftliche Transformationsprozesse
Bis in die 1970er Jahre kann der Prozess der De-Industrialisierung in Europa als
selektiv gekennzeichnet werden.91 Diese Selektivität war gleichsam in räumlicher
wie in sektoraler Ebene zu beobachten. Der Prozess der De-Industrialisierung betraf
zunächst nur bestimmte Branchen und Sektoren, die typischer Weise als „altindustriell92“ bezeichnet werden, wie die Textilindustrie, Montanindustrie oder den
Schiffbau. In den 1980er Jahren waren industrielle und regionale Phänomene des
Niedergangs aber nicht nur auf diese Industrien bezogen, auch jüngere Industriezweige waren betroffen (Chemie, Elektro etc.). Die Europäische Strukturpolitik orien-
88
Siehe unter EUROPEAN TRADE UNION FEDERATION (Hrsg.) Endbericht zum TRACEProjekt 2005, S. 5
89
Ähnlich BATTUT, DUCHAMP 2006, S. 5ff.
90
Siehe EUROPÄIUSCHE SOZIALPARTNER 2004 (Hrsg.) – Erste Anhörung: Antizipierung
und Bewältigung des Wandels. Ein dynamisches Herangehen an die sozialen Aspekte von
Restrukturierungen.
91
NEGRELLI 2008, S. 6
92
Zur Diskussion des Begriffes Altindustrie und kritischen Erörterung siehe ROEHRIG,
WEINGARTEN 2008, S. 2-5
32
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
tierte sich mit der Förderung der Ziel-2-Gebiete (für die vom industriellen Niedergang betroffenen Regionen) nicht auf einzelne Branchen sondern setzte die Fördermittel auf regionaler Ebene ein. Bis in die 1980er Jahre waren die Phänomene
der De-Industrialisierung und des industriellen Niedergangs mit Personalabbau und
Standortschließungen verbunden (z.B. Krupp Rheinhausen als prominentes Beispiel), selten mit Standortverlagerungen aufgrund von komparativen Kostenvorteilen
an anderen Produktionsstandorten und der Entwicklung der „verlängerten Werkbänke“. Die letzte Welle der „klassischen“ De-Industrialisierung kann mit den Schließungen der ehemaligen Staatseigenen Werke und Industrien in den PostSozialistischen Ländern ausgemacht werden, die nicht mehr in der Lage waren, ihre
vorherigen Märkte zu bedienen und mit westlichen Unternehmen zu konkurrieren.
Als letzte Alternative zu Standortschließungen blieb nur der radikale Beschäftigungsabbau.
Die Phänomene des beschleunigten Wandels und der Zunahmen von Restrukturierungen waren noch vor ca. 20 Jahren sowohl technologisch als auch geographisch
und politisch nicht möglich gewesen. Doch bedeutet dieser Wandel nicht das Ende
der industriellen Produktion in den Staaten Europas, vielmehr haben sich die Gewichte hin zu einer dienstleistungsorientierten und wissensbasierten, spezialisierten
und flexibilisierten Produktion mit kürzeren Entwicklungszyklen verschoben. Das
Ende der standardisierten Massenproduktion mit den Spezifika des fordistischen
Produktionsmodells unter dessen Regime Restrukturierungen mit Kostenreduzierung, Rationalisierung und dem Management des rationalisierungsinduzierten Beschäftigungsabbaus gleichzusetzen war, kann als ein Faktor ausgemacht werden.93
Aber auch die gegenwärtigen Veränderungen hin zu einer „projektorientierten Ökonomie“ (verbunden mit De-Hierarchisierung und Vernetzung, Entbürokratisierung
der Verwaltung, zunehmenden Forschungsinvestitionen und der Qualifizierung der
Arbeitskräfte hin zu eigenverantwortlichen Kompetenz- und Wissensträgern) haben
zu einer internationalen Fragmentierung der betrieblichen und sektoralen Produktions- und Dienstleistungsaktivitäten geführt.94 Die so entstehenden evolutionären
„Non-standard firms“ (NEGRELLI 2008, S. 192) transformieren von Produktions- zu
Transaktionsunternehmen, die vertikale Desintegration, horizontale Vernetzung und
Lernen durch Monitoring in Netzwerkverbünden anstreben.95 Als Konsequenz dieser
Entwicklungen, den Veränderungen in den Unternehmens- und Beteiligungsstruktu-
93
Vertikale und horizontale Integration, economies of scale, technologischer Determinismus
etc. Siehe etwa KLAHN 2006, S. 15ff. zum Übergang des Fordismus zum Postfordismus in
Deutschland und die Ausführungen zum strukturellen Wandel in Kapitel 3
94
Dazu ausführlich die Arbeit von EKSTEDT 1999
95
Siehe HOFFMANN 2005, S. 71, der diese Phänomene unter dem Begriff „footlose company“ subsummiert oder grundsätzliches dazu bei SABEL 1994 oder auch CROUCH, et al.
2004
33
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
ren sowie des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus96, haben auch die Phänomene
unternehmerischer Restrukturierungen in den vergangen Jahren eine neue Dimension erfahren. Sie sind von vormals eher singulären Ereignissen zu einer kontinuierlichen und vielschichtig, komplexen Begleiterscheinung des Wirtschaftslebens geworden.
“Restructuring is a complex multifaceted and multidimensional process which includes changes in the organisation of the company, in its form, scope and activities.
It is the result of multiple economic purposes and objectives of the company management according to changes implied by the globalisation of the economy. It manifests itself through the closing of business, workforce reduction, an increasing flexibility, streamlining of the business, national as well as international outsourcing and
structural and functional expansion and having major consequences on the structure
and quality of employment” (MOREAU im AgirE-Endbericht 2007, S. 14).
Im heutigen Kontext der ökonomischen Globalisierung, die als grenzüberschreitende Integration ökonomischer Aktivitäten durch weltweite Märkte beschrieben werden
kann97, werden unternehmerische Restrukturierungen als Konsequenz wachsender
Koppelungen zwischen Märkten, verschiedenen räumlichen Ebenen und wachsender internationaler Arbeitsteilungen angesehen. Europa und weite Teile der industrialisierten Welt befinden sich durch Unternehmensrestrukturierungen in einer Phase
des erhöhten wirtschaftlichen und industriellen Wandels.
Daher sind Restrukturierungen nach BONI 2008 heute als ein permanentes und
kontinuierliches Phänomen in der global vernetzten Wirtschaftswelt gekennzeichnet.98 Der European Restructuring Monitor (ERM) der innerhalb des Monitoring
Centre of Change (EMCC) angesiedelt wurde belegt dieses Phänomen. Er hat die
Aufgabe, relevante Informationen zum wirtschaftlichen Wandel in der EU zu sammeln und insbesondere über ein Europaweites Korrespondentennetzwerk, Daten zu
Umfang und Auswirkungen von Restrukturierungen zu analysieren99 und in vierteljährlichen Berichtswesen zu veröffentlichen.100
96
Siehe dazu die Analyse von BEYER 2006, S. 35ff., der den Weg vom kooperativen Kapitalismus zum Finanzmarktkapitalismus unter den Bedingungen des marktzentrierten Paradigmas aufzeigt
97
Siehe zur Definition des Begriffes insbesondere BEHRENS 2004, S. 14
98
Siehe Boni 2008, S. 6
99
Z.B. MORLEY, WARD 2009, S. 10ff.
100
Die Auswertungen des ERM beruhen allein auf Medienanalysen in den EUMitgliedsstaaten. In den Monitor gelangen nur Fälle, bei denen 100 und mehr Arbeitsplätze
betroffen von einer Restrukturierung betroffen sind und das auch nur in Unternehmen mit
mehr als 250 Beschäftigen.
34
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Restrukturierungen (im englischen als „Business Restructuring“ bezeichnet) können
in Anlehnung an den „European Restructuring Monitor101“ folgende Maßnahmen
umfassen:
¾ Standortverlagerungen (Unternehmensaktivitäten verbleiben im Unternehmen oder Konzern, die Produktion oder Verwaltung wird aber an einen anderen Standort innerhalb des selben Landes verlagert)
¾ Outsourcing (Ein Teil der Unternehmensaktivität wird durch Auftragvergabe
an ein anderes Unternehmen im selben Land ausgelagert)
¾ Offshoring und Delokalisierung (Die Aktivitäten werden unternehmensintern
oder durch Auftragsvergabe in ein anderes Land verlagert)
¾ Standortschließung und Insolvenz (Wenn ein Standort geschlossen ohne
von Offshoring oder Delokalisierung betroffen zu sein oder das Unternehmen
muss Insolvenz anmelden)
¾ Merger/Akquisition (Zwei Unternehmen verschmelzen und in der Akquisitionsphase laufen bereits interne Restrukturierungsprozesse an, die Rationalisierung und Personaleinsparungen vorsehen)
¾ Interne Restrukturierung (Das Unternehmen unternimmt einen Arbeitsplatzabbau, der nicht mit den anderen Restrukturierungstypen in Zusammenhang
steht)
¾ Änderung und Erweiterung von Geschäftsfeldern (Das Unternehmen muss
das Personal umschulen, qualifizieren oder neues Personal einstellen)
Aus den Analysen des ERM geht hervor, dass unternehmerische Restrukturierungen nicht mehr den Charakter von „Unfällen“102 haben oder singuläre Phänome
sind, sondern vielmehr zu einem kontinuierlichen Merkmal der Europäischen Wirtschaft geworden sind. So gab es zwischen 2002 und 2006 allein in den Medien insgesamt 3.556 erfasste Restrukturierungsfälle. Aufgrund der methodischen Unschärfe der Erfassung geht das European Industrial Relation Observation (EIRO) davon
aus, dass die Zahl nur „die Spitze des Eisberges“ sei.103 Im Durchschnitt bedeutete
jeder Fall einen Arbeitsplatzverlust von 800 Beschäftigten. Wie Tabelle 2 zeigt, hat
sich die Dynamik unternehmerischer Restrukturierungen von 2002 bis 2006 tendenziell verschärft.
101
Siehe etwa STORRIE, WARD 2007
KIESELBACH 2008 S, 2 spricht von „changing notion of restructuring as an accident
towards a continuous process of adaptation”
103
Siehe Eurofound (Hrsg.) 2008, S. 6
102
35
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Tabelle 2: Restrukturierungsfälle in den EU 15-Staaten
2002
Anzahl der Fälle
500
Arbeitsplatzverluste
639
(in 1000)
Durchschnittlicher
1.3
Arbeitsplatzverlust
pro Fall (in 1000)
Quelle: WARD 2007, S. 69
2003
2004
2005
2006
20022004
20052006
20022006
749
523
700
500
835
625.1
772
48
1949
1662
1607
1109
3556
2772
0.7
0.7
0.7
0.6
0.9
0.7
0.8
Tabelle 3: Arbeitsplatzverluste durch Restrukturierungen nach Ländern
(in 1000)
2002
2003
2004
2005
2006
8.2
20022004
63.8
20052006
13.9
20022006
77.8
BE
30.0
26.6
7.2
5.7
DK
6.6
8.5
3.2
6.4
4.3
18.2
10.7
29.0
DE
122.3
45.5
80.6
146.3
89.6
248.4
236.0
484.4
IE
11.8
5.3
5.2
6.7
5.0
22.3
11.7
34.0
EL
0.4
0.4
0
0
3.7
0.9
3.7
4.5
ES
14.2
19.5
14.7
13.3
21.8
48.4
35.1
83.5
FR
29.5
58.8
44.6
43.7
69.8
132.9
113.5
246.4
IT
34.4
17.5
12.6
7.6
12.2
64.6
19.8
84.4
LU
0
0.2
1.0
0
1.2
1.2
1.2
2.4
NL
22.1
21.1
19.8
22.7
10.7
63.0
33.4
96.4
AT
4.3
12.1
2.9
2.0
4.2
19.2
6.3
25.5
PT
6.3
20.7
7.1
4.5
6.0
34.1
10.5
44.6
FI
3.1
10.6
5.4
7.8
11.2
19.0
19.0
38.0
SE
17.6
15.0
14.3
17.2
9.4
46.9
26.6
73.5
UK
65.0
75.2
106.6
247.4
107.5
246.7
354.9
601.6
104
271.4
186.5
175.1
93.6
119.6
633.0
213.2
846.1
EU 15
639.0
523.5
500.2
625.1
484.4
1662.7
1109.5
2772.2
EU
Quelle: WARD 2007, S. 70
Es wird zudem deutlich, das aufgrund der unterschiedlichen Größe und Beschäftigtenzahlen der einzelnen Europäischen Volkswirtschaften auch die restrukturierungsbedingten Arbeitsplatzeffekte unterschiedlich sind, Großbritannien und
Deutschland aber im Vergleich zu den anderen großen EU-Staaten (> 10% Beschäftigtenanteil) überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze in Folge von Restrukturierungen verloren haben. Insgesamt gingen, Zahlen allein basierend auf Medienbe-
104
Die Zeile „EU“ umfasst Restrukturierungsfälle, die an mehr als einem Standort in verschiedenen EU-Ländern beschäftigungswirksame Auswirkungen hatten
36
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
obachtung, rund 2.772.000 Millionen Arbeitsplätze in der EU zwischen 2002 und
2006 verloren.
Tabelle 4: Arbeitsplatzverluste und Beschäftigtenquoten
BE
DK
DE
IE
EL
ES
FR
IT
LU
NL
AT
PT
FI
SE
UK
EU 15
Anteilige
Arbeitsplatzverluste
2002-2006 durch Restrukturierungen
Anteilige Beschäftigungsrate in
den EU 15-Staaten (%)
4.0
1.5
25.1
1.8
0.2
4.3
12.8
4.4
0.1
5.0
1.3
2.3
2.0
3.8
31.2
100.0
2.5
1.7
21.9
1.1
2.6
10.9
14.6
13.4
0.1
4.9
2.3
3.1
1.4
2.6
16.8
100.0
Quelle: WARD 2007, S. 72
Vertiefende Auswertungen des EUROPEAN RESTRUCTURING MONITOR (Tabelle 4) zeigen, dass ein Viertel der erfassten Arbeitsplatzverluste allein im Bankenund Versicherungsbereich registriert wurden und davon rund 60% auf in Großbritannien entfielen. 12,6 % der Arbeitsplatzverluste entstanden im Bereich Fahrzeugbau, hier waren mit 47% der Arbeitsplatzverluste in den EU-Staaten die deutschen
Betriebe besonders betroffen. Wenn auch nur 6,3% der Arbeitsplatzverluste im Bereich Elektronik/Unterhaltungsmedien ausmachten, war Finnland mit 53,3 besonders Schwerpunkt der Restrukturierungsmaßnahmen. Es zeigt sich damit, dass eine
bestimmte Konzentration in bestimmten Sektoren und räumlichen Schwerpunkten
festgestellt werden kann. In der Summe betrafen knapp 60% aller Arbeitsplatzverluste das produzierende Gewerbe, aber mit rund mit 40% war auch das Dienstleistungsgewerbe vom Arbeitsplatzabbau betroffen.105
Als Treiber solcher betrieblicher Restrukturierungsprozesse mit ihren Auswirkungen
auf regionale Wirtschaftsstrukturen können ausgemacht werden
¾ Technologische Innovationen und deren Diffusion
¾ Internationalisierung von Märkten und Wegfall von Handelsbarrieren
105
Siehe WARD 2007, S. 93 und NEGRELLI 2006, S. 194
37
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
¾ Demographische Trends
¾ Verbraucheranforderungen
¾ Geringere Transportkosten
¾ Forderung nach mehr Marktnähe zu Herstellern oder Abnehmern.106
Manche Branchen und Regionen (wie z.B. die Medienwirtschaft in Köln) können im
Zusammenspiel der oben benannten Faktoren Wachstumszuwächse erzielen, während andere sich im Niedergang befinden und damit in Anlehnung an DYBE sozioökonomische Konvergenz- und Divergenzerscheinungen auf interregionaler Ebene
auszumachen sind.107 Restrukturierungen, im Sinne, dass neue ökonomische Aktivitäten andere verdrängen oder wettbewerbsstärkere und effizientere Geschäftsfelder
zu Lasten weniger marktfähigere Bereiche expandieren, sind ein untrennbarer Prozess im Rahmen wirtschaftlicher Entwicklungen. Diese unternehmerischen Restrukturierungen haben jedoch nicht nur Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Unternehmen und Regionen sondern auch auf die Quantität und Qualität der Beschäftigung, Fragen der Qualifikationen sowie auf Sozial- und Umweltfragen. Unternehmerische Umstrukturierungen betreffen die Beschäftigten und ihre
Familien, regionale und lokale Wirtschaftsstrukturen und Produktionssysteme, und
die sozialen Strukturen an den betreffenden Standorten. Die Konsequenzen von
Restrukturierungen gehen oftmals einher mit Arbeitsplatzverlusten, Lohnkürzungen
und steigenden Sozialkosten. Wie MARR und STEINER zeigen konnten, werden
Personalabbau, Outsourcing und Entlassungen werden als Antwort auf Veränderungen in ökonomischen Kontexten favorisiert.108
Restrukturierungen haben in der Regel weit reichende Konsequenzen für die betroffenen Akteure. Für die im Restrukturierungsprozess betroffenen Personen bedeutet
dies in Anlehnung an die Erkenntnisse des internationalen MIRE-Projekts von 2007
Verlust an Einkommen, gesundheitliche Gefährdungen durch mentale Belastungen
und unsichere Zukunftsperspektiven, Verlust an sozialer Integration und Minderung
des Selbstwertgefühls.109 Für Unternehmen, die in den Sog firmenfremder Restrukturierungen gezogen werden, besteht eine Gefährdung in ihrer Produktivität und in
der Profitabilität, es entstehen mögliche Risiken für das eigene Überleben. Die Phänomene und Auswirkungen betrieblicher Restrukturierungen können sich insbesondere dann auf die regionale Ebene niederschlagen, wenn betriebliche Wandlungs-
106
Siehe LÄPPLE 1991, der ökonomische und technologische Veränderungsprozesse mit
Fragen der Regionalentwicklung in Zusammenhang bringt. LÄPPLE 1991, S.15ff.
107
Dazu etwa DYBE 2003, der evolutionstheoretische Aspekte der Regionalentwicklung
diskutiert und zwichen „neoschumpeterschen“ endogene Veränderungsprozessen von Regionen aufgrund des unternehmerischen Gewinnstrebens und den Ansätzen mit systemtheoretischen Zugängen (Unternehmen als Teil eines Subsytems) unterscheidet
108
MARR, STEINER 2003 zeigen mit ihrer umfassenden empirischen Untersuchung die
Ergebnisse und Konsequenzen von Restrukturierungen auf
109
Siehe SNDEX (Hrsg.) 2007 im MIRE-Projekt Endbericht S. 7
38
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
prozesse durch vertikal und horizontal verbundene Unternehmen kumulativ auftreten.
2.4
Initiativen auf Europäischer Ebene
Auf Europäischer Ebene haben verschiedene Ereignisse, Entscheidungen und politische Übereinkommen dazu geführt, den Umgang mit Restrukturierungen als einen
Fokus der Europäischen Industrie- und Beschäftigungspolitik zu identifizieren. Die
Zunahme und die Folgen der Restrukturierungsdynamik waren dafür mit ausschlaggebend. So hat die Europäische Union in ihrem Communiqué „Restructuring and
Employment“ darauf verwiesen, dass im Zuge des beschleunigten Wandels die
Zunahme betrieblicher Restrukturierungen neue Herausforderungen für alle involvierten Akteure bedeuten. Die EU hat gefolgert, dass im Rahmen von Sozialpartnerschaften und Dialogen verstärkte Anstrengungen unternommen werden müssen,
Restrukturierungsprozesse frühzeitig zu begleiten und sozialverantwortlich zu managen.
Das Dokument verweist im Zusammenhang auf die Auswirkungen der Globalisierung und des Europäischen Binnenmarktes auf „..unsolved challenge, namely the
challenge of anticipating and manageing change..“ und deshalb fordert die EUKommission dazu auf, Antizipationsbestrebungen des Wandels als gemeinsame
Aufgabe auf unterschiedlichen Ebenen zu vollziehen, [to do] „…the work of
anticipation and accompanying restructuring operations under the collective
responsibility of public authorities, enterprises ans social partners“110 (EU-COM
2005, S. 3).
2.4.1 Vorbild Montanunion
Dieser von der EU-Kommission eingeforderte, kollektiv verantwortungsvolle Umgang mit Restrukturierungen und dem industriellen Wandel hat erfolgreiche Wurzeln.
Ausgehend von der Gründung der Europäischen Montanunion im Jahr 1951, hat die
jahrzehntelange Arbeit im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und
Stahl (EGKS) erwiesen, dass die sektorale Strukturpolitik mit sozialem Dialog und
pro-aktivem Krisenmanagement kombiniert werden kann.111 Im Beratenden Aus-
110
EUROPÄISCHE KOMMISSION (Hrsg.) 2005: Communiqué Restructuring and Employment
111
Der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl
(EGKS) wurde am 18. April 1951 in Paris von Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden unterzeichnet. Der Vertrag, der für eine Dauer von 50 Jahren geschlossen wurde, trat am 23. Juli 1952 in Kraft und endet folglich am 23. Juli 2002.
Historisch gesehen bedeutet die EGKS die Verwirklichung der Schuman-Erklärung vom 9.
Mai 1950, in der vorgeschlagen wurde, die gesamte Kohle- und Stahlproduktion Frankreichs
39
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
schuss, dem zentralen Gremium für die Umsetzung der Vertragsziele der EGKS,
waren stets Produzenten, Vertreter der Arbeitnehmer, Händler und Verbraucher
vertreten. Im Beratenden Ausschuss ist es nach Einschätzung von SCHMOLDT fast
immer gelungen, im Konsens Lösungsansätze für die schwierigen Strukturprobleme
der Montanindustrie zu entwickeln112. Durch die hohe sachliche und fachliche Kompetenz der Mitglieder war es seiner Auffassung nach möglich, dass die Vorschläge
des Beratenden Ausschusses für den Umgang mit den Herausforderungen der Europäischen Montanindustrie die Aufmerksamkeit und Unterstützung der Europäischen Kommission gefunden haben. In der Vertragslaufphase des EGKS113 wurden
zentrale Instrumente wie der Europäischen Sozialfonds (ESF) und der Europäische
Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) durch den beratenden Ausschuss und
seiner 51 Mitglieder konzipiert und mitentwickelt.114 Diese Instrumente, die noch
heute eine zentrale Säule der Europäischen Regional- und Sozialpolitik darstellen,
sind maßgeblich ein Krisenmanagementinstrument zur Folgenminimierung des industriellen Wandels, ausgehend von der Montanwirtschaft.
Bei diesem beratenden Ausschuss kann aufgrund seiner industriepartnerschaftlichen Besetzung und seiner Dialogorientierung vom ersten partizipativen Instrument
im Bereich der Europäischen Industrie- und Strukturpolitik gesprochen werden, das
Raum für vielfältige Mitwirkung und Mitgestaltung geboten hat und damit das Fundament für heutige Konzepte der Europäischen Sozialpartnerschaft gelegt hat. „The
ECSC (=EGKS d.V.) pioneered social dialogue, even though this seldom reflects the
real state of industrial relations. Social dialogue at company level was reviewed in
the information and consultation directive of 2002.115 (TRIOMPHE 2006, S. 3). Insbesondere mit Anpassungsbeihilfen nach Artikel 56 Absatz 2 des EGKS-Vertrags
stand ein Instrument zur Verfügung, das – in Kombination mit den jeweiligen nationalen Unterstützungsleistungen – geeignet war, die negativen personellen Konsequenzen bei Rationalisierungsmaßnahmen, Produktionseinstellungen oder umstellungen in der Montanwirtschaft frühzeitig und pro-aktiv aufzufangen.116 In
diesen Fällen konnten die nachfolgenden Maßnahmen durch eine nicht rückzahlungspflichtige Beihilfe unterstützt werden:
¾ Überbrückungshilfen bis zu einer Wiederbeschäftigung oder den Eintritt in
den Vorruhestand
und Deutschlands einer gemeinsamenHohen Behörde zu unterstellen, und andere Länder
zur Mitwirkung einzuladen
112
SCHMOLDT 2002, S. 229f.
113
Der Vertrag lief am 23. Juli 2002 aus. Seine Regelungsmaterie wurde fortan dem EGVertrag von Maastricht zugerechnet. Der beratende Ausschuss wurde durch den Wirtschafts- und Sozialausschuss ersetzt.
114
Siehe TRIOMPHE 2006, S. 4 und S. 10ff. zu den Europäischen Politikmodellen im Falle
von Restrukturierungen
115
Ebenda S. 6
116
Siehe dazu die Arbeit von RASCH und DÜWELL 2007
40
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
¾ Sicherstellung der Lohn- und Gehaltszahlungen bei Veränderung der Beschäftigung durch Umstellung innerhalb der Unternehmen
¾ Beteiligung an den Kosten zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes
¾ Umschulung der Arbeitnehmer bei Beschäftigungswechsel.
Der größte Teil dieser Mittel floss in Beihilfen zum vorgezogenen Ruhestand der
Beschäftigten. Auch wenn der Vorruhestand seitens der Kommission und politischer
Beobachter zunehmend kritisiert wurde, kann nach Einschätzung von SCHMODLT
festgehalten werden, dass die meisten Instrumente der EGKS nicht nur höchst wirksam waren, sozialverträgliche Lösungen im montanstrukturellen Wandel zu entwickeln, sondern auch einen "pro-aktiven", quasi vorbeugenden Charakter hatten. Sie
konnten unmittelbar wirksam werden, sobald sich eine Beschäftigungskrise abzeichnete, wie etwa die erste Kohlekrise in 1957.
Demgegenüber wird kritisiert, dass die heute gültigen Instrumentarien (etwa in der
Umsetzung des Europäischen Sozialfonds in manchen EU-Ländern), insbesondere
aber neue Globalisierungsfonds auf Europäischer Ebene erst dann ansetzen, wenn
Arbeitslosigkeit entstanden ist. Bislang fehlt ein sektoraler Ansatz in diesen Instrumenten.117 Das Modell des sozialen Dialoges des EGKS-Vertrags kann nach Ansicht des ehemaligen Vorsitzenden GÖKE des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) als Pate für den sozialen Dialog, wie er durch die Einheitliche Akte und den Vertrag von Maastricht für die gesamte Europäische Union verankert wurde, angesehen werden.118
Im Vorfeld des Auslaufens des EGKS-Vertrags zum Jahre 2002 haben die politischen Institutionen der Union die Auffassung vertreten, dass der seit 1957 bestehende Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) bei der Weiterführung des erfolgreichen Modells des strukturierten Dialogs, wie er im Kohle- und
Stahlbereich praktiziert wurde, eine neue und innovative Rolle spielen soll. Die Zuständigkeit des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses wurde schließlich
auf die Kohle- und Stahlsektoren ausgedehnt. Die Erfahrungen der EGKS insbesondere in den Bereichen sozialer Konsens und Dialog, Umstrukturierung von Unternehmen und Forschung haben dazu beigetragen, dass sich der EWSA aktiv an
der Modernisierung und am Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen
Wirtschaft beteiligen kann. Damit erstreckt sich das Betätigungsfeld der neu geschaffenen „Beratenden Kommission Industrieller Wandel" (BKIW) auf nun sämtliche EU-Wirtschaftssektoren und deren Auswirkungen im Bereich der Beschäftigung,
sozial- und strukturpolitischer Maßnahmen. Gleichzeitig werden Fragen der Beihilfe-
117
Siehe dazu VAHLPAHL 2007, S. 45ff.
Etwa GÖKE 2002, der die Entwicklung der beratenden Funktion im Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss und Beratenden Ausschuss der EGKS untersucht.
118
41
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
und Wettbewerbspolitik, des industriellen Wandels, der technologischen Forschung
und Entwicklung, der Umweltpolitik und der nachhaltigen Entwicklung, der Energieund Handelspolitik von BKIW thematisiert. Dass der vorherige sektorale Ansatz des
EGKS durch den Übergang auf EWSA aufgeweicht wurde und die „Beratenden
Kommission Industrieller Wandel“ durch ihre branchendiversifizierte Zusammensetzung weniger stark sektorale Empfehlungen abgeben konnte, wurde in der Vergangenheit bemängelt.119
Mit dem Agenda-Setting der Themen Restrukturierung und des industriellen Wandels sowie der Bestrebungen und Identifikationen von Möglichkeiten zur Antizipation
des Wandels wurde der sektorale Ansatz wiederbelebt.120
2.4.2 Jüngere Initiativen und Instrumente auf Europäischer Ebene
In der jüngeren Vergangenheit haben eine Reihe von Ereignissen, Entscheidungen
und politische Strategien auf Europäischer Ebene den Fokus auf den industriellen
Wandel, die Unabdingbarkeit und Herausforderungen von Restrukturierungen und
deren Antizipation gelebt.
Einen Baustein stellt die Europäische Beschäftigungsstrategie dar. Die Verabschiedung der Europäischen Beschäftigungsstrategie in 1997 zielt auf den verbesserten
Informationsaustausch und die Koordinierung der beschäftigungspolitischen Prioritäten und Politiken der einzelnen Mitgliedstaaten. Die Strategie intendiert auf ein verbessertes Beschäftigungsniveau aller Europäischen Volkswirtschaften und der
Schwerpunktverlagerung der passiven Bekämpfung von Arbeitslosigkeit hin zu einer
nachhaltigen Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit. Als strategisches Ziel der
Beschäftigungspolitik soll in den einzelnen Staaten nach Wegen gesucht werden,
frühzeitig auf Veränderungen auf den Arbeitsmärkten im Sinne der Beschäftigten zu
reagieren und den Beschäftigten schon vor dem möglichen Arbeitsplatzverlusten mit
beschäftigungspolitischen Maßnahmen und Qualifikationsanreizen zu helfen. Über
vergleichende Indikatoren und ein Berichtswesen können die Entwicklungen in den
Mitgliedssaaten verglichen und erfolgreiche Politiken möglicherweise angepasst
werden. Um diesen pro-aktiven Anforderungen an eine zukunftsfähige Beschäftigungspolitik im Sinne der Beschäftigungsflexibilität in Kombination mit Beschäftigungssicherheit und der Verringerung segmentierter Arbeitsmärkte gerecht zu werden wird in der Leitlinie 21 vermerkt, dass die „…Antizipation und Bewältigung des
Wandels verbessert werden muss – einschließlich wirtschaftlicher Umstrukturierungen und im Kontext der Handelsliberalisierung die sozialen Kosten zu begrenzen
119
Siehe dazu REICHEL 2004, S. 45
So die Einschätzung von PICHOT 2008, S. 3 der Generaldirektion Beschäftigung bei der
EU-Kommission zum Thema „Management of change“ und der Ankündigung zur Erstellung
sektoraler Branchenstudien für das Jahr 2009, um die Antizipation des Wandels besser
durchführen zu können.
120
42
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
und die Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer zu erleichtern sind.121 Dazu soll entsprechend des Dokumentes insbesondere der sozialpartnerschaftliche Dialog beitragen.122
Der Stellenwert des sozialen Dialoges im Umgang mit Restrukturierungen wurde
insbesondere nach der Schließung des Renaults Werkes im belgischen Vilvoorde in
der politischen Arena aufgriffen, als das Management von Renault gegen bestehende Informations- und Consultationsrechte im Vorfeld betriebsbedingter Kündigungen
verstoßen hat. Am 28. Februar 1997 hat Renault angekündigt, den Standort
Vilvorde mit seinen 3.100 Beschäftigten zu schließen. Auch in den französichen
Werken sollten 3.000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Da diese Ankündung öffentlich gemacht wurde, ohne zuvor wie gesetzlich vorgeschrieben,123 die Arbeitnehmervertreter zu informieren und zu konsultieren, hat die Vorgehensweise des Managements von Renault für große innerbetriebliche und öffentliche Proteste gesorgt
und auch politische und juristische Konsequenzen nach sich gezogen. Zudem wurde nach Einschätzung von EUROFOUND erstmals die Debatte um soziale Aspekte
eines gemeinsamen Europäischen Binnenmarktes in der breiteren öffentlichen Diskussion geführt.124
Als Konsequenz des „Vilvorde Falles“ suchte die EU-Kommission 2002 den Dialog
mit den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften auf Europäischer Ebene und
veröffentlichte das Arbeitsdokument mit dem Titel: „Anticipating and manageing
chance: a dynmaic approach to the social aspects of corporate restructuring.125“ Der
Aspekt der Antizipation des Wandels, der frühzeitigen Informationsweitergabe von
beschäftigungs- und standortrelevanten Entscheidungen wurde thematisiert. Insbesondere wurde in dem Dokument auf die partnerschaftlichen Aspekte und das gemeinsame Verständnis der Sozialpartner bezüglich der Herausforderungen bei
Restrukturierungen eingegangen: „Managing change requires solid partnerships and
commitments. It is built on dialogue and a common understanding of the challenges
and the opportunities change brings. This is particularly relevant in the context of
restructuring“ COM 2002; S. 3)126 Zudem wurde in dem Dokument die Verantwortung von Unternehmen für ihr Produktionsumfeld (nach BONI 2009 die territoriale
Dimension von Restrukturierungen127) und die Einbeziehung der möglichen Konsequenzen für die Zulieferbetriebe in die Abwägung der Konsequenzen von Restrukturierungsprozessen angesprochen.
121
EUROPÄISCHE KOMMISSION 2005b (Hrsg.), S. 35
EUROPÄISCHE KOMMISSION 2005b (Hrsg.), S. 35. Dazu äußert sich kritisch:
TRIOMPHE 2006, S. 7
123
Etwa in der European Works Council Directive vom 22. September 1994
124
EUROFOUND (Hrsg.)1997. Ergänzend auch SCHÖMANN, et al. 2006 im Report zur
Implementierung der Direktive 2002/14/
125
Siehe dazu EUROPÄISCHE KOMMISSION (Hrsg.) 2002a
126
Siehe dazu EUROPÄISCHE KOMMSSION (Hrsg.) 2002b
127
BONI 2009, S. 131
122
43
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Im Juli 2006 hat das Europäische Parlament die „Entschließung zu den wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Unternehmensumstrukturierungen“ verabschiedet.128
Die Europäische Kommission wird aufgefordert, im Hinblick auf massive Umstrukturierungen von Unternehmen und ihren sozialen Auswirkungen entschlossener vorzugehen. Die Entschließung fordert einen aktiven sozialen Dialog auf Europäischer
Ebene zur Minimierung der negativen Auswirkungen der Globalisierung und erinnert
die Kommission an die Bedeutung einer gut funktionierenden Richtlinie über den
Europäischen Betriebsrat (EBR), die gewährleistet, dass die Anhörung und Unterrichtung der Arbeitnehmer bei Umstrukturierungen ordnungsgemäß erfolgt.129 Aufbauend auf den Gesprächen mit den Sozialpartnern, deren Anregungen130 und den
Empfehlungen der Expertengruppe des Wirtschafts- und Sozialausschusses wurde
am 31. März 2005 das Communiqué der Europäischen Kommission „Umstrukturierung und Beschäftigung – Umstrukturierungen antizipieren und Beschäftigung fördern – Die Rolle der Europäischen Union“ von der Kommission veröffentlicht.131
Parallel wurden im Jahr 2005 die Reform der Strukturfonds unter Betonung strukturpolitischer Wachstums- und Beschäftigungsziele und die Rolle der Europäischen
Industrie- und Wettbewerbspolitik gestärkt. Es wurde der Europäische Globalisierungsfonds (EGF) aufgelegt, der beschäftigungspolitische Maßnahmen in Folgen
von betriebsbedingten Kündigungen in von Globalisierung betroffenen Unternehmen
finanziert. Dieses Dokument und die implementierten Maßnahmen sollten im Zusammenhang mit der Lissabon-Strategie gesehen werden, in der der wirtschaftliche
Wandel grundsätzlich positiv bewertet wird132 und nach Auffassung des Europäischen Rates gefördert werden soll; gleichzeitig wird die wirtschaftliche und soziale
Kohäsion innerhalb und zwischen den EU-Mitgliedsstaaten intendiert. Das Management des Wandlungs- und Erneuerungsprozesses wird entsprechend der Lissabon-Strategie als entscheidender Erfolgsfaktor angesehen, denn Europa soll:
„…zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt gemacht werden – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“.133
Die Ziele der Lissabonner Agenda gründen damit in erster Linie auf einer positiven
Einstellung gegenüber dem Wandlungsprozess – effektive Umstrukturierungen sind
128
Dazu näheres unter EUROPÄISCHES PARLAMENT (Hrsg.) 2006
Die neue EBR-Richtlinie mit verbesserten Rechten für Europäische Betriebsräte trat im
Juni 2009 in Kraft.
130
Von Seiten der Gewerkschaften wurde Enttäuschung signalisiert: “There was disappointment on the trade union side because of the shortcomings in the paper, both in terms of
analysis and in the measures proposed”: Siehe: EMF Comment on the EU Commission
Communication 120. Brüssel 2005, S. 1
131
EUROPÄISCHE KOMMISSION (Hrsg.) 2005a
132
Siehe etwa FREVEL, DIETZ 2004, S. 176 ff.
133
So die Schlussfolgerungen des EUROPÄISCHEN RATS (Hrsg.) 2000 vom 23. und 24.
März 2000
129
44
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
nach Auffassung des Europäischen Rates ein wichtiger Bestandteil einer gesunden
Wirtschaft und können – richtige Antizipierung und angemessenes Management
vorausgesetzt – höheren volkswirtschaftlichen Nutzen bei begrenzten Sozialkosten
bringen. Da die Säulen der Lissabonstrategie und des Programms die wirtschaftliche, soziale und ökologische Erneuerung und Nachhaltigkeit in den Bereichen134
¾ Innovation als Motor für Wirtschaftswachstum
¾ Die „Wissensgesellschaft“
¾ Soziale Kohäsion und Umweltbewusstsein
sind, mussten auch Instrumente und Vorgehensweise für die Gestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Erneuerung implementiert werden.135
So wurde in 2005 die interdisziplinäre „Task-Force Restructuring“ bei der EUKommission gebildet, die direktionsübergreifend Analysen und Studien zu den
Themen Restrukturierung und industrieller Wandel bewerten und für die EUInstitutionen und Politiken evaluieren soll. Die Task-Force organisiert seit 2005 die
sektoralen Restrukturierungsforen, die mit den Sozialpartnern, externen Branchenkennern und anderen nationalen und Europäischen Institutionen in Brüssel und in
anderen Europäischen Hauptstädten stattfinden. Ziel dieser Foren ist es, die Sozialpartnerschaften zu stärken, den Dialog zu den Herausforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten des industriellen Wandel zu forcieren, eine verbesserte Informations- und Konsultationsplattform auf Europäischer Ebene zu schaffen und den optimierten Einsatz von Instrumenten wie dem ESF und EFRE im industriellen Wandel
zu erörtern. Als positives Ergebnis der Foren kann festgehalten werden, dass in
einer Reihe von Sektoren (z.B. Automobilindustrie, Wehrgüterindustrie) bereits
Partnerschaftserklärungen (Titel: European partnership for the anticipation and management of change) unterzeichnet wurden136, die den Kooperationsgedanken zwischen den Stakeholdern (Arbeitgebern, Beschäftigen und deren Vertreter, involvierten nationalen und regionalen Gebietskörperschaften und Branchenexperten) betonen und jedem Akteur in seinem Handlungsbereich Verantwortlichkeiten für den
antizipativen Umgang mit Restrukturierungen und der Gestaltung des industriellen
Wandels zuweisen, z. B. im gegenseitigen und frühzeitigen Informationsaustausch
und in der Nutzung von Instrumenten etwa wie dem ESF für Qualifizierungsmaßnahmen oder dem EFRE für die Ableitung regionalpolitischer Strategien für die betroffenen Standorte.137 Da solche Initiativen aber in Anlehnung an das Subsidiaritätsprinzip nicht nur auf Europäischer Ebene sinnvoll sind, ist es für das Jahr 2010
igeplant, in allen EU-Mitgliedstaaten nationale Restrukturierungsforen abzuhalten
und die Herausforderungen des ökonomischen Wandels zu erörtern.
134
Siehe dazu etwa FRÖHLICH, 2007, S. 34f. sowie ergänzend dazu HAUPT 2008, S. 15ff.
TRIOMPHE 2006, S. 4
136
So zum Beispiel die Partnerschaftserklärung zur Wehrgüterindustrie vom Europäischen
Metallarbeiter Bund und dem Arbeitgeberverband
137
Siehe PICHOT 2008, S. 8
135
45
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Nach Ansicht von PICHOT 2008 bieten die Europäischen Förderinstrumentarien
bereits an den entscheidenden Schnittstellen für die Antizipation und die Gestaltung
des industriellen Wandels Ressourcen für die betroffen Akteure. Diese Mittel sollten
und müssen aber durch ergänzende Maßnahmen und durch die Co-Finanzierung
von anderen administrativen Ebenen und Institutionen begleitet werden. Insbesondere durch den Einsatz des EFS - Europäischen Sozialfonds (Arbeitsmarktmaßnahmen und Beschäftigungsförderung) und des EFRE - Europäischen Fonds für
Regionale Entwicklungen (z.B. Unterstützung von Ausgleichs- und Wachstumsstrategien für Regionen) können frühzeitig Maßnahmen für die Gestaltung des ökonomischen und regionalen Wandels eingeleitet werden. Für die betroffenen Arbeitnehmer bieten sich Qualifikationsprogramme (z.B. aus dem ESF) und Maßnahmen
zur Wiedereingliederung in das Berufsleben aus dem EGF (Europäischer Globalisierungsfonds) an.
Abbildung 3: Instrumenten-Tool der Europäischen Union im Change
Management
Quelle: PICHOT 2008, S.12
Um diese Instrumente zu nutzen und den ökonomischen und sozialen Wandel in
verantwortungsvoller Weise anzugehen, müssen nach Auffassung der Europäischen Kommission (Generaldirektion Beschäftigung) folgende Faktoren berücksichtigt werden:
¾ Förderung des Ideals der Kooperation zwischen allen Stakeholdern (Arbeitgeber, Beschäftigten, lokalen, regionalen und nationalen Vertretern, Experten der betreffenden Sektoren etc.)
¾ Betonung der Verantwortlichkeiten und möglichen Zuständigkeiten der unterschiedlichen Akteure
46
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
¾ Etablierung von Follow-up Maßnahmen in Folge des Wandels für die mittlere
und langfristige Zukunftsplanung
¾ Die Anwendung aller zur Verfügung stehenden Mittel und Instrumentarien
auf Europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene und auf Unternehmensebene sowie der Erfahrungsaustausch zwischen den Akteuren
¾ Ableitung von Handlungsempfehlungen für den sozial verantwortlichen Umgang mit Restrukturierungen und der Ableitung zukünftiger „Skills“ für alle
Akteure.
Nach Ansicht von PICHOT sollten Antizipationsbemühungen von verschiedenen
Akteuren und auf verschiedenen räumlichen Ebenen prozessorientiert erfolgen:
Dies umfasst die
¾ Unternehmensebene
¾ Sektorale Ebene
¾ Lokale und regionale Ebene
¾ Nationaler und Europäischer Ebene.
PICHOT folgt mit ihrem konzeptionellen Ansatz den Begrifflichkeiten und inhaltlichen Konzepten den Empfehlungen der Expertengruppe „Managing Change“ der
Europäischen Kommission.138
138
Siehe Pichot 2008, S. 12
47
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 4: Strategisches Konzept „Managing Change“ in sozialer
Verantwortung
Quelle: PICHOT 2008, S.12
Wie Abbildung 4 zeigt, ist die Antizipation nur ein erster intentionaler Schritt in Vorbereitung auf eine unternehmerische Restrukturierung und den Umgang mit den
restrukturierungsbedingten Konsequenzen, etwa in der Aushandlung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für die Beschäftigen oder der Suche nach ökonomischen Alternativen für die betroffene Region.
2.5
Das Konzept der strategischen und operativen Antizipation
NEGRELLI und PICHIERRI unterscheiden in ihrem konzeptionellen Zugang zur
Antizipation des Wandels dagegen zwischen der strategischen und der operativen
Antizipation. Das Konzept basiert auf der Erkenntnis, dass Restrukturierungen einen
„Multi-Level-Approach“139 haben, wie nachfolgende Graphik zeigt. Das heißt, dass
Prozesse des Wandels und von Restrukturierungen von vielen Faktoren ausgelöst
werden können, viele Akteure und Handlungsebenen betreffen (die global bis lokal
verortet sein können) und multiple Formen haben können. Rückgekoppelt betten
sich die Auswirkungen des Restrukturierungsprozesses wiederum in neue sozioökomische Kontexte ein, die wahrgenommen und deren mögliche Folgen für zukünftige Wandlungsprozesse antizipiert werden können.
139
Dazu MOREAU 2008, S. 140f.
48
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 5: Die Mehrdimensionalität von Restrukturierungsprozessen
Multiple Faktoren
Multipler Prozess
Globale Märkte
Neue Technologien
Druck auf Veränderungen durch
rechtliche, soziale
und politische
Rahmenbedingun-
Verschiedene
Akteure
Verschieden Ebenen
Global Player
Lokale Auswirkungen
Makro sozioökonomischer Kontext
Antizipation
und
Wahrnehmung
Multiple Formen
Rationalisierung
Kostenreduzierung
Stärkung der Fle-
xibilität
Humankapital
Wandel und
Veränderung
Innovative Verfahrensweisen
Quelle: NEGRELLI 2007, S. 195
Bei der Antizipation von möglichen Ereignissen handelt es sich per Definition um
einen ex ante Prozess. Der Faktor Zeit wird zu einer grundlegenden, konzeptionellen Säule der Antizipationsbemühungen, um im Vorfeld möglicher Restrukturierungen Kenntnisse über potentielle Veränderungsprozesse und Gefährdungspotentiale
zu sammeln und mögliche Konsequenzen frühzeitig zu analysieren. Dies kann
durch
¾ frühzeitige Informationsweitergabe,
¾ innerbetrieblicher oder externer Frühwarnsysteme,
¾ permanentes Monitoring
geschehen.
Im besten Falle kommen die verschiedenen Stakeholder im Rahmen ihrer Analyse
zu einer gemeinsamen Einschätzung (von NEGRELLI als „shared diagnosis“ bezeichnet) des Veränderungsdrucks oder der Restrukturierungserfordernisse, ausgelöst und beobachtet z.B. durch den kontinuierlichen Rückgang an Auftragseingängen. Solche „shared diagnosis“ sind aber nicht nur auf innerbetrieblicher Ebene
wichtig, auch für die Regional- und Standortentwicklung haben sich Diagnosen in
Form von Stärken- und Schwächenanalysen bzw. SWOT-Analysen und daraus ab-
49
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
geleitete Konzepte zur ökonomischen Revitalisierung als von hoher Bedeutung erwiesen. 140 141
Neben dem Faktor „Zeit“ ist der Faktor „Raum“ von hoher Bedeutung im Antizipationskonzept von NEGRELL und PICHIERRI. Raum wird in deren Begriffsverständnis
als „Handlungsraum“ oder „Spielraum“, nicht als territorialer Raum, verstanden.
Handlungsspielraum ist auch als Verhandlungsraum zu interpretieren, den Konzernzentralen von mulinationalen Unternehmen bzw. andere höhere Entscheidungsebenen im Rahmen des Corporate Managements im Unternehmen anderen Ebenen
überlassen (können), um auf regionaler Ebene oder Standortebenen separate bzw.
eigenständige Abkommen treffen zu können. Damit wird die Frage nach dem
akteursbezogenen Antizipationspotential (wer antizipiert oder hat die Möglichkeit zu
antizipieren?) zum Schlüssel für eine erfolgreiche Wahrung von zukunftsbezogenen
Gestaltungsmöglichkeiten für Betrieb, Standort und Region. “Anticipation means
giving the actors the right resources that they will need at that time when restructuring arises”. (BRUGGEMANN im Forum Umstrukturierung 2007, S. 24)142 In vielen
Fällen hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass das Schicksal eines Unternehmens nicht mehr zwangsläufig mit dem Schicksal bzw. den ökonomischen und sozialen Perspektiven des Standortes verbunden ist. Wenn gesunde, wirtschaftsstarke
Unternehmen, tätig in durchaus prosperierenden Branchen, Restrukturierungsmaßnahmen oder Standortstilllegungen betreiben, so betrifft dies nicht das Unternehmen
oder den Konzern als Ganzes.143 Für die betroffenen Regionen und Standorte, an
denen sich der Restrukturierungsprozess räumlich niederschlägt werden Risiken
und Gefährdungen auf den Feldern Wachstum, Beschäftigung und sozialer Zusammenhalt immanent. Denn das Schicksal von Unternehmen ist nicht mehr zwangsläufig an das Schicksal ihrer Produktionsstandorte gekoppelt. Besonders in USamerikanisch dominierten Unternehmen (sog. angelsächsische Corporate
Governance Modell) dominieren nach einer Analyse von GOODJIK 2009 zentralistische Entscheidungsstrukturen, die auf lokaler Ebene keinen oder kaum mehr einen
Verhandlungsspielraum für die involvierten Akteure der Unternehmensseite ermöglichen.144
Die Bedeutung der Faktoren „Zeit“ und „Raum“ in Restrukturierungsprozessen, die
NEGRELLI und PICHIERRI hervorheben, belegen, dass Vertrauen und gute sozial-
140
SWOT-Analysen als strategisches Planungsinstrument beinhalten neben dem Stärkenund Schwächenprofil auch eine Abwägung von Risiken und Chancen für die zukünftige Entwicklung einer Region oder eines Standortes. BAUER, PAYER, SCHERR 2007, S. 112
141
Es sei an dieser Stelle an die (REK) Regionale Entwicklungskonzepte im Rahmen der
regionalisierten Strukturpolitik in NRW erinnert und die konsensual orientierten Regionalkonferenzen erinnert.
142
Siehe FORUM UMSTRUKTURIERUNG 2007 - Beitrag von Frederic BRUGEMAN, S. 24
143
Siehe etwa DETJE, et al. 2008; als Standortschließungen des „finanzmarktorientierten
Typs“ etwa: Bosch-Werk Leifelden, AEG-Nürnberg, Orenstein&Koppel in Hattingen oder
Nokia Bochum als Beispiel für „verlagerungsorientierte“ Stilllegungen
144
Siehe GOODJIK 2009, S. 75ff.
50
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
partnerschaftliche Verhältnisse die Antizipation zukünftiger oder anstehender Restrukturierungsprozesse erleichtern und helfen, negative Konsequenzen für die betroffenen Stakeholder zu vermeiden oder zu verringern. DETJE et al. verweisen in ihrer
Studie auf die Montankrisen der 1980er Jahre; und dass insbesondere bei den Zechenstilllegungen sozialverträgliche Lösungen für die Beschäftigten gefunden wurden.145 Darüber hinaus ist es für eine erfolgreiche Antizipation von zukünftigen
Restrukturierungsprozessen angebracht, technologische und makroökonomische
Transformationsprozesse in mittel- bis langfristiger Sicht strategisch zu erörtern.
NEGRELLI/PICHIERRI entwickeln darauf aufbauend in ihrem Konzept zunächst die
operative Ebene der Antizipation auf territorialer Ebene (Betrieb, Standort, Region), die durch den Restrukturierungsprozess betroffen sind oder kurzfristig sein
werden. Auf betrieblicher Ebene umfasst die operative Antizipation beispielsweise
Maßnahmen, wie der Einsatz von Transfergesellschaften, Konzepte zur Frühverrentung eines Teil der Beschäftigten oder Mobilitätsbeihilfen. Maßnahmen, die darauf
zielen, den Restrukturierungsprozess sozialverträglich zu gestalten und Massenentlassungen zu vermeiden. Die operative Antizipation bekommt damit den Charakter
einer Ex-Post Maßnahme. Auf lokaler und auf regionaler Ebene sehen NEGRELLI/
PICHIIERI die operative Antizipation als die konkrete Implementierung von Projekten und Strategien zur wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Entwicklung
von Standort und Region durch die Nutzung von Instrumenten, die etwa aus dem
EFRE finanziert werden können.
Darüber hinaus leiten sie die strategische Ebene der Antizipation ab, in der das
Monitioring oder „cognitive mapping“ als ex-ante Prozess erfolgt, um auf wirtschaftliche Transformationsprozesse auf den Ebenen Betrieb, Standort und Region vorbereitet zu sein. Auf der betrieblichen Ebene geschieht dies durch Beobachtung und
Reaktion auf die Veränderung von Märkten und Produktanforderungen, Produktund Prozessinnovationen (insbesondere auch in Low-tech Unternehmen)146, durch
Qualifikation, Anpassung und Transformation des internen Arbeitskräftepotentials,
Aufbau eines Human Ressource Management Systems und der Pflege des sozialen
Dialoges. Auf der sektoralen Ebene kann dies durch den partnerschaftlichen Dialog
und das Monitoring evolutionärer Veränderungen in Märkten, Produkten, und in vor
und nach gelagerten Branchen geschehen. Als Beispiel dafür kann eine im Mai
2009 von der IG Metall und dem Gesamtverband der Aluminiumindustrie abgehaltene Konferenz angesehen werden, in der zukunftsfähige Konzepte der Ressourceneffizienz und Kosteneinsparungen in der Aluminiumproduktion erörtert wurden.147
145
DETJE, et al. 2008, S. 13
Siehe dazu BENDER 2005, S. 85-89
147
Siehe etwa die Exzellenz-Initiative NRW (Hrsg.) dazu auch die Erläuterungen von
MÜLLER-JENTSCH 2007 zum Thema Strukturwandel der industriellen Beziehungen sowie
die Arbeit von TÖMMEL 2008 zu Governance und Policy in der Europäischen Union
146
51
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Auf lokaler oder regionaler Ebene kann dies durch die Begleitung und Unterstützung
der wirtschaftlichen Aktivitäten der Unternehmen (Wirtschaftsförderung als Bestandspflege) und der Entwicklung und Bereitstellung von Maßnahmen für den Arbeitsmarkt (Wirtschaftförderung in Koppelung mit Beschäftigungsförderung) sowie
zur Stärkung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit und bei der Gestaltung des sozio-ökonomischen Wandels geschehen.148 „The interplay of localisation and globalisation in influencing the nature and form of economic development has focused on
the role and abilities of territories to build the capacity to faciliate growth and prosperity from combinations of diverse factors” (BONI 2007, S. 18)
Soll die Antizipation des Wandels als projektorientiertes Ereignis und prozessorientiertes Konzept erfolgreich verlaufen, ist die Antizipation damit sowohl auf der operativen aber insbesondere auf der strategischen Ebene im Idealfall als Akteur übergreifende Interaktion gekennzeichnet. Die lokale und regionale Ebene und deren
Körperschaften, Unternehmensvertreter, Mitbestimmungsträger, externe Experten,
Politik und weitere Akteure wie Kammern oder andere Körperschaften öffentlichen
Rechts sollten dann einbezogen werden. Ein solches Konzept ist damit inhaltlich
eng mit der Konstitution von regionalen Netzwerken und Modernisierungskoalitionen
verbunden. HOWALDT, KOPP und FLOCKEN kennzeichnen dies als
„koevolutionäre Kooperationsverbünde“, die als unternehmensübergreifende Netzwerke zur kooperativen Bewältigung betrieblicher und regionaler Innovations- und
Reorganisationsprozesse beitragen können.149 Allerdings bleibt es im kooperativen
Antizipationsansatz unklar, welcher Akteur im Rahmen der gemeinsamen Antizipationsbestrebungen die Management- Arbeits- und Lernprozesse (wie für Netzwerke
als erforderlich angesehen) steuern soll.150
Erfolgreiche Antizipation hängt von den Fähigkeiten der Akteure zur ex-ante Wahrnehmung restrukturierungsbedingter Vorzeichen und der frühzeitigen Detektion von
Indikatoren des industriellen Wandels ab, damit aber auch von den individuellen,
gruppendynamischen und kollektiven diagnostischen Fähigkeiten und Kapazitäten.
Projekte zur Wahrnehmung und Gestaltung industriepolitischer und betrieblicher
Veränderungsprozesse im Strukturwandel wie REKON (Regionalwirtschaftliche Kooperation und arbeitsorientierte Strukturpolitik) oder GUBIS (Gewerkschaften und
Betriebsräte im Strukturwandel) haben mit Unterstützung aus dem Wirtschaftsministerium des Landes NRW versucht, regionalwirtschaftliche Kooperationen und die
Kompetenzentwicklung für Mitbestimmungsträger in Fragen des Strukturwandels
und strukturpolitischer Maßnahmen durch Qualifikation, Beratung und Moderations-
148
Konzepte einer integrierten Wirtschaftsförderung stellen umfassend WIDMAIER, et al.
2004 vor
149
Siehe HOWALDT, KOPP, FLOCKEN 2001, S. 5 ff., die das Thema regionaler Netzwerke
im Sinne von Kooperationsverbünden zur regionalen Modernisierung thematisieren
150
Siehe etwa die Arbeit von ADRAIN 2003, die regionale Netzwerke als Handlungskonzept
für eine innovationsorientierte Regionalentwicklung diskutiert
52
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
verfahren zu vertiefen.151 Kollektive Fähigkeiten zur Krisenwahrnehmung und Gestaltungsarbeit der Herausforderungen können einerseits durch freiwillige Kooperationen, Dialog und Sozialpartnerschaft anderseits durch verbesserte Informationsund Konsultationsrechte von Betroffenen (wie etwa die neue Richtlinie für die Europäischen Betriebsräte152) gesteigert werden.
Zusammenfassend können Unternehmenskrisen, anstehende Restrukturierungsprozesse und regionalwirtschaftlich relevante Veränderungserscheinungen in Anlehnung und Ergänzung an das Konzept von NEGRELLI und PICHIERRI unter folgenden Fragestellungen antizipiert werden.
¾ Wie ist die derzeitige, (ggf. noch krisenunabhängige) Situation einzuschätzen?
¾ Unter welchen Prämissen und zu welchem Zeitpunkt kann was aus welchen
Gründen geschehen? (Identifikation von Treibern / Drivers of Change - Strategische Antizipation)
¾ Welche sozialen und ökonomischen Auswirkungen sind zu erwarten (auf
Beschäftige und die territoriale Ebene – Impact Analyse, ursprünglich nicht
Teil des Antizipationskonzeptes)
¾ Was können welche Akteure tun, um den Prozess zu beeinflussen und abzufedern (operative Antizipation oder auch „Social governance“).
Eine solche Antizipation von Phänomenen des Wandels ist daher “…a future orientated action, decision or behaviour based on a (implicit or explicit) prediction.”
(PEZZULO 2008, S. 25). Schließlich bleibt aber auch für das Konzept der
Antizpation des Wandels festzuhalten, dass weniger Steuerung denn Dialog und
Kompromiss die Form sind, um die Probleme der „zweiten Modernen“ (BECK
2000)153 zu lösen, denn „weniger die administrativen Kompetenzen als vielmehr
kommunikative Spielräume sind dafür entscheidend“.154 Dies bedeutet, dass der
gegenseitige und vertrauensvolle Austausch von Informationen und die Diskussion
von zukünftigen Herausforderungen grundlegendes Fundament für eine erfolgreiche
Antizipation sind.
151
Siehe ausführlich dazu die Arbeiten von KREMER, HARMES-LIEDTKE, KORFÜR 2000
sowie GERLACH, ZIEGLER 2005
152
Siehe zu den Regelungen der neuen EBR-Richtlinie VERDI (Hrsg.) 2009
153
Nach BECK ist die Kernfrage der „Zweiten Moderne“ die Suche nach Lösungen für die
entstehenden Herausforderungen durch Globalisierung, Flexibilisierung, zunehmende Arbeitslosigkeit, Umweltbelastung sowie die Erosion funktionierender politischer, sozialer und
kultureller Systeme. BECK 2000, S. 10ff.
154
Dieter RULFF (o.A.) zitiert nach BECK und der Frage, wohin der Weg führt, der mit dem
Ende der Vollbeschäftigungsgesellschaft beginnt? BECK 2000, S. 17
53
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
2.6
Kritische Würdigung des Konzeptes
Der Begriff der „Antizipation des Wandels“ ist insbesondere durch die Europäischen
Institutionen und Initiativen im Rahmen der Lissabonstrategie, die durch ihre Zielsetzung den wirtschaftlichen Wandel in der Wissensgesellschaft forcieren soll und
vor dem Hintergrund des Kohäsionsziels durch verschiedene Deklarationen, Arbeitspapiere, Projekte und Konferenzen populär geworden. Gleichsam zeigen Instrumente wie der European Restructuring Monitor (ERM), dass betriebliche Restrukturierungen und Arbeitsplatzabbau mit Folgen für Wirtschaft und Regionen zu
einer kontinuierlichen Begleiterscheinung der zunehmend global operierenden Wirtschaftswelt geworden sind. Erst im Rahmen verschiedener Europäischer Forschungsprojekte wie MIRE, TRACE oder AgirE, in denen Restrukturierungsfälle
analysiert wurden, konnten Begrifflichkeit und Konzept der Antizipation des Wandels
näher untersucht und inhaltlich weiter entwickelt werden. Dennoch bleibt festzuhalten, dass das Konzept inhaltlich bisweilen sehr vage ist und eher appellativen Charakter hat, um in sozialer Verantwortung, im partnerschaftlichen Dialog sowie unter
Einbeziehung weiterer Akteure auf territorialer Ebene den industriellen und strukturellen Wandel zu gestalten. Viele Eingangsvoraussetzungen müssen entsprechend
des Ansatzes von PICHOT oder NEGRELLI, PICHIERRI erfüllt sein, damit dies in
gemeinsamer Verantwortung erfolgen kann. Damit eine strategische Antizipation
des Wandels erfolgreich sein kann, wird es als Voraussetzung angesehen, dass
Dialog und Partnerschaft, frühzeitiger Informationsaustausch und Transparenz sowie Erfahrungswissen und Engagement bei den beteiligten Akteuren als Grundlage
ihres Handels verstanden werden. Um erfolgreich antizipativ tätig zu werden, können zusammenfassend fünf maßgebliche Faktoren angeführt werden:
1. Genügender Verhandlungsspielraum für regionale und lokale Standortvertretungen für Maßnahmen damit z.B. auf lokaler Ebene Handlungsmöglichkeiten bestehen
2. Frühzeitige Informationsweitergabe und Zeitgewinn, um Maßnahmen implementieren zu können
3. Erfahrungswissen im Umgang mit industriellen und territorialen Wandlungsprozessen
4. Gemeinsamer Wille („cognitive representation“) im Wandlungsprozess
5. Gemeinsame Diagnosen („shared diagnosis“), um frühzeitig sozialverträgliche Maßnahmen zur Abfederung von negativen Konsequenzen des Restrukturierungsprozesses etablieren zu können.
Damit das Konzept bei betroffenen Stakeholdern entsprechend der jeweiligen Möglichkeiten und Fähigkeiten Anwendung finden kann, sollte es sowohl methodisch
weiterentwickelt und präzisiert werden, als auch die Akteure gleichsam dazu befä54
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
higt werden, ihr Antizipationspotential aus eigener Kraft und eigenen Informationszugängen zu nutzen.155 Dies gilt insbesondere, wenn nicht alle der oben benannten
Eingangsvoraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehört es beispielsweise, die Informations- und Konsultationsrechte der betrieblichen Mitbestimmungsträger zu wahren
bzw. wie 2009 geschehen, auf Europäischer Ebene durch die Neufassung der EBRRichtlinie auszubauen. Auf Beobachter wie CATTERO wirkt die Debatte zu den
Antizipationserfordernissen und Handlungsmöglichkeiten allerdings auch überstrapaziert und wird als ideologisch geprägt, „den wirtschaftlichen Wandel fordernd und
fördernd“, bezeichnet (CATTERO 2009, S. 4). Zudem steht der operative Ansatz der
Antizipation, der durch die Implementierung konkreter Maßnahmen im Restrukturierungsprozess gekennzeichnet ist, im Widerspruch zur Antizipation als ex-ante Vorgang bzw. als intentionale Vorwegnahme von zukünftigen Ereignissen.
Im nächsten Kapitel werden Phänomene des wirtschaftlichen und strukturellen
Wandels in Bezug zur räumlichen Ebene definiert, erläutert und diskutiert und strukturpolitische Interventionsstrategien vorgestellt.
155
Siehe etwa aus KOST 2004b, S. 7ff. zu den Möglichkeiten der betrieblichen Krisenfrüherkennung durch aktive Belegschaften und gute Betriebsratsarbeit
55
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
3 Theorien und Strategien strukturpolitischer Interventionen
Der Veränderung wirtschaftlicher Strukturen durch Produkt- und Prozessinnovationen und internationale Arbeitsteilung, die Entstehung neuer Branchen und der Niedergang von Unternehmen und Sektoren sowie die damit verbundenen Veränderungen in der Erwerbswelt werden im Kontext sozio-ökonomischer Umbrüche mit
dem Begriff des Wandels verbunden.156
Die Reaktionen einzelner Betriebe auf die sich ändernden Rahmenbedingungen
führen in der Summe der Unternehmen und ihrer vor- und nachgelagerten Bereiche
zu einem Wandel in der Branche oder des Sektors, zum industriellen Wandel und
schließlich zum Strukturwandel. Besonders die Arbeiten von LÄPPLE dokumentieren die räumlich-strukturellen Auswirkungen verschiedener Unternehmensstrategien
und deren Restrukturierungen als Reaktion auf makroökonomische Veränderungen.157 So ist Strukturwandel nach GOCH „ein Konglomerat aus sektoralen, branchenbezogenen und technisch-arbeitsorganisatorischen Veränderungen“, das sich
räumlich nicht ausschließlich auf der lokalen sondern besonders der regionalen
Ebene bemerkbar macht (GOCH 2004, S. 11). In den als „altindustriell“ 158 bezeichneten Regionen sind die negativen Konsequenzen im Hinblick auf die Beschäftigungs- und Unternehmensentwicklung das Ergebnis struktureller Brüche und eines
Niederganges in Sektoren, Branchen und Betrieben. Als Indikator für diesen Wandel
kann, neben einer Vielzahl anderer sozioökonomischer Indikatoren, die Veränderung der Beschäftigtenzahlen in den verschiedenen Wirtschaftssektoren herangezogen werden. Dieser konventionelle Erklärungsansatz geht auf FOURASTIE und
CLARK zurück und wird als Drei-Sektoren-Hypothese bezeichnet. Der Rückgang
des produzierenden Gewerbes (sekundärer Sektor) und der dazu zeitgleich
wachsende Dienstleistungsbereich (tertiärer Sektor) als Zeichen eines strukturellen
und sozioökonomischen Wandels begann im Ruhrgebiet vor allem wegen seiner
Rolle im Wiederaufbau Deutschlands später als im übrigen Bundesgebiet.
Zusätzlich wurde das Ruhrgebiet wegen seiner industriellen Prägung vom
Rückgang des sekundären Sektors besonders stark getroffen.159 Auslöser für diesen
sektoralen Wandel sind u.a. die Erhöhung der Arbeitsproduktivität z.B. durch den
Einsatz von neuen Technologien und steigende Einkommen in Verbindung mit der
dadurch ermöglichten Veränderung der Nachfrage. Im Vordergrund steht dabei,
dass der Anteil der Nachfrage an Grundbedarfsgütern aufgrund der steigenden Einkommen nur geringfügig steigt, während die Nachfrage nach höherwertigen (z.B.
156
Zum Begriff des Wandels insbesondere CASPERS, et al. 2004, S. 60. Die Pfadabhängigkeit und Kontinuitäten von wirtschaftlichen Wandlungsprozessen diskutiert SCHAMP 2000,
S. 25ff. oder auch DYBE 2003 unter dem Aspekt regionaler Wandlungsprozesse
157
Siehe dazu die Arbeiten von LÄPPLE 1991, S. 15ff. und 1994, S. 106ff.
158
Dieser Begriff skizziert zwar einen Typ von Region der sein regionales Kompetenzprofil
primär in den Phasen der Industrialisierung geschärft hat, kann aber durchaus kritisch erörtert werden. Dazu RÖHRIG, WEINGARTEN 2008, S. 5ff.
159
GOCH 2002, S. 175
56
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Bekleidung) und später immateriellen Gütern (z.B. Freizeitdienstleistungen) stark
zunimmt. Es kommt zu einer Phase der regionalen De-Industrialisierung, deren Folgen mit verschiedenen Strategien begegnet werden kann (z.B. Ausbau des tertiären
Sektors, Clusterbildung in neuen Branchen, etc.).160 In jüngster Zeit wird das Modell
um einen weiteren quartären Sektor, den „Wissenssektor“ ergänzt, in dem z.B. öffentliche Einrichtungen (z.B. Hochschulen), unternehmensorientierte Dienstleister
(z.B. Wirtschaftsberater und Banken) und andere wissensbasierte Dienstleister angesiedelt sind.161
3.1
Raumdynamische Veränderungen und struktureller Wandel
Die Folgen des sozio-ökonomischen Strukturwandels und des Niedergangs von
Städten und Regionen werden besonders bei den so genannten „reifen Industrien“
wie dem Bergbau, der Stahl- und der Textilindustrie sichtbar. Der Niedergang der
territorialen ökonomischen Grundlagen – hervorgerufen durch den Wandel so genannter „Basisinnovationen“ und den damit territorial gebundenen Industrie- und
Produktionszweigen – kann durch die Theorie der langen Wellen, deren räumlichen
Implikationen und dem Produktlebenszyklus (von der Produktinnovation bis zur Reifephase) erklärt werden. Die Theorie der langen Wellen beruht auf der Grundannahme, dass in größeren Zeitabständen grundlegende technologische Neuerungen,
so genannte Basisinnovationen, auftreten. Diese führen zu tiefgreifenden Veränderungen des bestehenden Produktions- und Industriebesatzes und schaffen neue
Produkte und Wachstumsindustrien. Die durch die Basisinnovationen ausgelösten
Wachstumsschübe („lange Wellen“) werden auch als Kondratieff-Wellen bezeichnet.
Diese Bezeichnung geht auf den russischen Agrarökonomen Nikolai Dmitrijewitsch
KONDRATIEFF zurück, der sich in den 1920er Jahren mit der Beobachtung von
langfristigen zyklischen Schwankungen der Wirtschaftsentwicklung in Industrieländern befasste. Die Erkenntnisse Kondratieffs wurden 1939 von Joseph Alois
SCHUMPETER aufgegriffen und mit dem Auftreten von technologischen Innovationen und deren regionalen Implikationen verknüpft.162 Die Theorie der langen Wellen,
die daraus entstand, liefert als dynamische Raumwirtschaftstheorie einen Erklärungsansatz für den industriellen und strukturellen Wandel.163 So konnte bislang
beobachtet werden, dass jede Basisinnovation und die von ihr verursachte Welle
eines neuen Produktzyklus zur Herausbildung von räumlich industriellen Schwerpunkten geführt hat.164 Es wird davon ausgegangen, dass sich bei jeder langen Wel-
160
Exemplarisch für den frühen Strategieansatz in den ostdeutschen Bundesländern in Folge der De-Industrialisierung siehe HILPERT, THIERSE 1997, S. 299ff. oder für NRW die
Ausführungen von BULLMANN, HEINZE 1997, S. 7ff.
161
KULKE 2008, S. 22-33
162
SCHÄTZL 2003, S. 218-219
163
KULKE 2008, S. 102-103
164
Siehe BATHELT, GLÜCKLER 2002, S. 249f. und als empirisches Beispiel zum
BioRegio Wettbewerb EICHENER, et al. 2000, S. 25ff.
57
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
le die ökonomischen Aktivitäten auf bestimmte räumliche Zentren konzentrieren.
Städte und Regionen als Gravitationszentrum der Entwicklung durchlaufen dabei
einen regionalen Wachstums- und Reifezyklus, der bis zum Niedergang einer Industrieregion führen kann. Vermindert sich die Fähigkeit oder gehen Anknüpfungspunkte für den Wandel der regionalen wirtschaftlichen Struktur verloren, kommt es
zur Stagnation und Schrumpfung der regionalen Wirtschaft.165 Findet eine Region in
der Abschwungphase einer der elementaren Basisinnovation nicht Anschluss an
einen neuen Wachstumszyklus bzw. andere Beschäftigungsfelder (z.B. Dienstleistungswirtschaft) besteht die Gefahr des wirtschaftlichen Niedergangs oder der Instabilität.166
Abbildung 6: Basisinnovationen und lange Wellen
Quelle: Schätzl 2003, S. 203
Langfristige regionale und sozio-ökonomische Instabilitäten werden nach ECKEY
vor allem durch ein schnelles Wegbrechen von Arbeitsplätzen hervorgerufen. Verantwortlich dafür sind eine regionale Konzentration von schrumpfenden oder gar
„sterbenden“ Branchen, ein hoher Anteil nicht innovativer Unternehmen, die in „Billiglohnländer“ verlagert werden können sowie eine verfehlte kommunale und regionale Wirtschaftspolitik, die den Wirtschaftsraum in seiner Standortattraktivität zu-
165
KULKE 2008, S. 104f.
Ausführlich beschäftigt sich KREIDEL 2005 in seiner Promotion mit den theoretischen
Erklärungsansätzen zur Entstehung und Niedergang von langen Wellen (z.B. den Krisenbedingten Erscheinungen im Kapitalismus oder den wachstumsbedingten Ansätzen durch
technologischen Fortschritt.
166
58
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
rückfallen lässt.167 Die regionale Krisenanfälligkeit hängt dabei maßgeblich von den
Charakteristika des Unternehmensbestandes ab. Im Falle einer schwachen Krisenresistenz ist dies mit negativen Folgen für Beschäftigung, den eingespielten Aushandlungs- und Innovationssystemen, den gewachsenen lokalen Kompetenzen
aber auch den räumlichen Strukturen in den betroffenen Städten und Regionen verbunden. Befinden sich Territorien durch unternehmerische und branchentypische
Restrukturierungen im massiven Wandlungsprozess, kann dieser Prozess zu einer
sich selbst verstärkenden, kumulativen Abwärtsspirale führen. So sind Regionen mit
einem hohen Anteil wachstumsschwacher Branchen und konjunktursensibler Wirtschaftszweige, aber auch mit einem hohen KMU-Besatz, die Konjunkturbewegungen anders als Konzerne oder Großunternehmen nicht innerbetrieblich auffangen
können, besonders krisenanfällig.168 Aufbauend auf dem Konzept der Lebenszyklen
von Produkten hat TICHY regionale Kompetenzzyklen unter räumlicher Schwerpunktbildung abgeleitet und deren Konsequenzen für die internationale Arbeitsteilung beschrieben. In der Entwicklungs-, Einführungs- und der ersten Wachstumsphase eines Produktes oder einer Branche ist das Wissen der dominierende Produktionsfaktor. Mit abnehmendem Innovationsdruck wird die Produktion mit Folgen
für den regionalen Produktions- und Kompetenzbesatz durch Standardisierung in
andere Industrieländer und schließlich in Schwellen- oder gar Entwicklungsländer
verlagert.169 BATHELT und GLÜCKER kritisieren das Konzept als stark deterministisch und lehnen es insbesondere für eine regionale Entwicklungsprognose und damit indirekt auch als Antizipationsmodell zum pro-aktiven Umgang mit dem strukturellen Wandel ab.170 Denn durch technologische Veränderungen, so ihre Argumentation, können die Lebenszyklen von regionalen Kompetenzprodukten verlängert
oder erneuert werden; ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Alter und
der Wettbewerbsfähigkeit von regionalen Kompetenzfeldern besteht ihrer Auffassung nach nicht.
Das Beispiel des Ruhrgebiets zeigt nach den Untersuchungen von KIESE, dass
Reifung und Spezialisierung in einer Region und in Kompetenzfeldern von einer
kontinuierlichen Erneuerung des Unternehmensbestandes und durch Offenheit für
Kooperationen und Lernprozesse bei Unternehmen und Politik begleitet werden
müssen.171 Wichtige Kernelemente des montanindustriellen Kompetenzbesatzes im
Ruhrgebiet konnten in der Vergangenheit durch Spezialisierung und Produktinnovation erhalten und profitabel weiterentwickelt werden; Spezialstähle, neue Verbund-
167
So die Einschätzung von ECKEY 2008, S. 127
Siehe MÖLLMANN 2004, S. 100
169
Siehe TICHY 2001, S.181f.
170
Siehe BATHELT, GLÜCKER 2002, S. 235 und KIESE 2008, S. 17
171
Siehe KIESE 2007, S. 18
168
59
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
werkstoffe oder Produkte der Bergbaufördertechnologie sind dafür prominente Beispiele.172
Einen anderen Erklärungsansatz verfolgt die Regulationstheorie. Ihr Erklärungsgehalt wurde wesentlich durch den langfristigen Übergang gesellschaftlicher Strukturverhältnisse abgleitet. Der Ansatz entwickelte sich über die Arbeiten von AGLIETTA
1975/1979 bis in die 1990er Jahre weiter, da die Diagnose „langer Wellen“ zur Erklärung raumstruktureller Veränderungen als „allgemein untersozialisiert, konzeptionell vage und empirisch schwer operationalisierbar“ aufgefasst wurde.
(SCHEUPLEIN 2008, S. 158). Die Regulationstheorie geht neben den Faktoren wie
Branchen oder Produkt- und Prozessentwicklungen auf makroökonomischer Ebene
auch von institutionellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aus, die ebenfalls einem (längerfristigen) Wandel unterliegen, so dass „...langfristig stabile Phasen wirtschaftlicher Entwicklung mit konstanten Produktions-, Konsum- und Regelungssystemen durch krisenhafte Phasen mit Veränderungen in den Teilbereichen
abgelöst werden und sich danach wieder ein neues, aber verändertes stabiles System ergibt.“ (KULKE 2008, S. 107)
Unter Berücksichtigung dieser Sichtweise erlangte der Ansatz in den 1990er Jahren
Popularität, da er als Rahmen zur Einordnung und Erklärung längerfristiger Trends
des industriellen Wandels und der Veränderung regionaler Raummuster dienen
kann.173 Die Regulationstheorie arbeitet mit dem Ansatz einer Anhäufung, der
„Akkumlation“ des Produktionsvermögens innerhalb von Unternehmen, Regionen
und Volkswirtschaften und den regulativen Wechselwirkungen von Administrationen
und institutioneller Arrangements.174 Die Forscher, die unter den Aspekten der Regulationstheorie Räume untersucht haben, verstehen Regionen als soziales Milieu
der Beschäftigten, politisch-administrative Einheiten und den räumlich wirkenden
ökonomischen Kräften.175
In der Bilanz kann die Regulationstheorie zwar Analogien zwischen den ökonomisch-sozialen und raumstrukturellen Entwicklungen herausstellen, empirischfundierte Umsetzungen des Erklärungsansatzes für die raumstrukturellen Entwicklung stehen aber aus.176 Das gilt ebenso für die Erklärungsmuster des
Schumpeterianischen Typs.
Für die Implementierung raumstruktureller Entwicklungsstrategien zur Bewältigung
und Gestaltung des strukturellen Wandels haben daher andere, instrumentell und
konzeptionell besser abzuleitende und implementierende Konzepte an Popularität
gewonnen, die auf endogene Wachstumsstrategien, Clusterbildung und Vernetzung
172
Siehe SCHNITZMEIER 2005, S. 5
Siehe dazu die Arbeiten von DANIELZYK, OSSENBRÜGGE 1993 und 1996
174
Dafür stehen die Begriffe der prä-fordistische Phase, des Fordismus und des PostFordismus (bzw. der Phasen des jeweiligen „Regulationsregimes“)
175
Etwa SCHMITZ, 1999, S. 104f.
176
Siehe SCHEUPLEIN 2008, S. 160
173
60
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
setzen und dem „new regionalsim“ zugeordnet werden.177 Regionen sind in diesem
Konzept nicht als „passiver Resonanzkörper“ ökonomischer und gesellschaftlicher
Entwicklungen gekennzeichnet (LÄPPLE 1991, S. 15) sondern bilden eine Eigenlogik heraus, die mit der Wiederentdeckung des Raumes in der Regionalökonomie
einhergeht. Die unter dem „Regionalisierungsparadigma“ entwickelten Ansätze
zeichnen sich dadurch aus, dass die regionale Maßstabsebene für die Erklärung
und Entwicklung ökonomischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge an Bedeutung gewinnt. In diesem Kontext haben sich seit Ende der 1980er Jahre die strategischen Konzepte der Regionalentwicklung und insbesondere die strukturpolitischen
Maßnahmen kontinuierlich entwickelt. Dazu mehr in den folgenden Kapiteln.
3.2
Strukturpolitische Interventionen zwischen Ausgleich und Wachstum
Seit dem Niedergang regional verorteter Schlüsselindustrien der späten 1960er und
1970er Jahre wurden strukturpolitische Interventionsstrategien mit ihren immanenten Facetten vielfach erörtert und in Nordrhein-Westfalen und insbesondere im
Ruhrgebiet umgesetzt. Die Entwicklung der nordrhein-westfälischen Strukturpolitik
ist dabei als Ergebnis des Zusammenwirkens mehrerer Faktoren zu verstehen –
darunter die Kräfteverhältnisse in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. „Strukturwandel ist ein andauernder, nie abgeschlossener Prozess. Aktive Strukturpolitik ist eine
Chiffre zum einen für ein flexibles wirtschaftspolitisches Instrumentarium, zum anderen aber für das andauernde Bemühen, einen Konsens über die Entwicklung im
Lande zu stiften.“ (MIKAT 1994).178 Im Rahmen der strukturpolitischen Interventionen werden Maßnahmen zur Kompensation wirtschaftsstruktureller Defizite entwickelt und implementiert, daher kann sich Strukturpolitik in ihrer konkreten Ausgestaltung sowohl als Innovations- und Technologiepolitik als auch als Infrastruktur- oder
Industriepolitik darstellen.179
Die nachfolgenden Ausführungen erläutern und reflektieren die jüngeren Konzepte
der Strukturpolitik in NRW, mit welchen maßgeblich der industrielle und strukturelle
Wandel im Ruhrgebiet begleitet wurde und wird. Die derzeitige Förderperiode des
strukturpolitisch relevanten EFRE Ziel-2-Programmes hat eine Laufzeit von 2007 bis
2013. Die Ausführungen von PICHOT (Kapitel 2.5) haben gezeigt, dass in Folge der
strategischen Antizipation des Wandels auch „kurative“ Maßnahmen notwendig
sind, um Folgeerscheinungen von Restrukturierungen auch auf territorialer Ebene
abzufedern. Staatliche Politik zur Beeinflussung und Abfederung solcher Wandlungsprozesse, die früher als korrekturbedürftig, heute unter anderer strukturpoliti-
177
Siehe GÄRTNER 2004, S, 13ff., der verschiedene Konzepte für die Anwendung in der
Wirtschaftsförderung diskutiert und KRÖCHER 2008 S. 194, der sich mit dem „new
regionalism“ kritisch auseinandersetzt.
178
MIKAT 1994 o.S. zitiert nach HILBERT, HEINZE, et. al 1996, S. 42
179
Siehe dazu KRUSE 1992, S. 11f.
61
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
scher Prioritätensetzung in Bezug zu Wachstumsbranchen auch als förderungswürdig angesehen werden, werden als Strukturpolitik bzw. unter den Aspekten der
räumlichen Entwicklungsförderung (Abbau von Disparitäten oder Wachstumsförderung) als Regionalpolitik bezeichnet.180
3.2.1 Zielebenen und Leitbilder
In Anlehnung an den von MIKAT benannten Grundsatz der Flexibilität können drei
Zielebenen strukturpolitischer Interventionen unterschieden werden, sobald sich der
räumlich strukturelle und industrielle Wandel auf Wirtschaft und Beschäftigung niederschlägt.
¾ Erhalt, so dass ein Sektor gegen marktwirtschaftliche Regeln längerfristig
aufrecht erhalten werden kann, wie über lange Zeit der heimische Steinkohlenbergbau
¾ Anpassung, zur Reduktion identifizierter Marktmängel sowie der überbrückenden Strukturerhaltung, um den Wandel sozialverträglich abzufedern
¾ Gestaltung, durch aktive Beeinflussung zukünftiger Wirtschaftsstrukturen, indem neue Marktentwicklungen eingeleitet oder unterstützt werden.181
Anlässe für strukturpolitische Interventionen sind damit insbesondere einzelne regionale, sozioökonomische Negativentwicklungen, denen durch geeignete Handlungsstrategien im Rahmen von strukturpolitischen Maßnahmen entgegengewirkt
werden soll, oder die Identifikation von potentiellen Wachstumsräumen und Wachstumsbranchen, in denen öffentliche Start- oder Anschubhilfe investiert wird. Strukturpolitik ist dementsprechend weniger eine bewusste, öffentlich gesteuerte Weiterentwicklung von Regionen und Sektoren, sondern vielmehr als ein kontinuierlicher
Lernprozess zu verstehen. In Anlehnung an NOLL ist Strukturpolitik zu allererst eine
Kommunikationsaufgabe und erst dann eine investive Intervention, die sich innerhalb der zwei großen strukturpolitischen Leitbilder Wachstum und Ausgleich und
dem Stabilitätsziel bewegt.182
Die Leitbilder
Grundsätzlich können vier Zielebenen strukturpolitischer Interventionen unterschieden werden. Das Wachstumsziel ist mit der Maximierung des volkswirtschaftlichen
Gesamtnutzens bzw. der Gesamtwohlfahrt verbunden, Produktionsfaktoren wie Arbeit und Kapital werden im Rahmen strukturpolitischer Interventionen in Regionen
gelenkt, von denen eine Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Outputs erwartet wird
180
Siehe GOCH 2004, S. 13 und besonders ZIEGLER 2008, S. 318
Siehe STAECK, 2000, S. 678
182
NOLL 2004, S. 245 und vgl. dazu HARMES-LIEDTKE, HOPPE, KREMER 2004, S. 301ff.
181
62
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
(z.B. Förderung von BioTech-Regionen und anderen HighTech Clustern)183. Das
Ausgleichsziel dagegen orientiert sich an der Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen, dem Abbau regionaler Disparitäten und der Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts im Sinne von Kohäsion und Solidarität, wenn die
alleinige Selbststeuerung zur Erreichung des Ausgleichsziels im marktwirtschaftlichen System versagt. Stabilität, im Sinne der Reduzierung regionaler und struktureller Krisenanfälligkeit soll durch ausgewogene Wirtschaftsstrukturen erreicht werden,
um monostrukturelle Abhängigkeiten zu vermeiden und Voraussetzungen für eine
nachhaltige Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung in den Regionen zu
schaffen. Zur Erreichung des Stabilitätsziels können zugleich wachstums- als auch
ausgleichsorientierte Maßnahmen erforderlich sein.184 MÜLLER und STRAETER
ergänzen das Stabilitätsziel um das Leitbild der Nachhaltigkeit strukturpolitischer
Interventionen bzw. der nachhaltigen Raumentwicklung, um die natürlichen Lebensgrundlagen z.B. in traditionellen Industrieregionen wie dem Ruhrgebiet zu erhalten
bzw. zu stärken.185
Die hier skizzierten Leitbilder der Strukturpolitik stehen in einer partiellen Zielinkompatibilität zueinander, da sie der Prämisse des gesamtwirtschaftlichen Wachstumsziels untergeordnet sind, aber auch der Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen und dem Abbau von räumlichen Disparitäten dienen sollen. Nur wenn durch
Ausgleichsmaßnahmen bei gleichzeitiger Beachtung des Nachhaltigkeitsziels ein
gesamtwirtschaftliches Wachstum und regionale Stabilität in der Beschäftigungsund Einkommensentwicklung geschaffen werden, können alle vier Ziele gleichzeitig
und gleichrangig erfolgreich erreicht werden.
3.2.2 Phasen der strukturpolitischen Lernprozesse
Alle strukturpolitische Interventionen in NRW wurden seit den ersten montanindustriellen Krisen vom Gedanken zur Stärkung von Wirtschaft und Industrie und dem
Ziel der Sicherung und des Ausbaus von Beschäftigung getragen. Standortnachteile
sollten für strukturschwache Räume kompensiert und Anschluss an die allgemeine
Wirtschaftsentwicklung geschaffen werden. Zu berücksichtigen ist aber, dass die
Strukturförderung in NRW nicht erst mit den EU-Strukturfonds ihren Anfang fand,
sondern eng mit den Krisen des montanindustriellen Produktionsclusters verbunden
ist und sich stetig fortentwickelt hat (siehe Abbildung 7). Strukturpolitik ist daher kein
monolithischer Block. Von den Anfängen der Infrastrukturentwicklung über die Förderung des Technologietransfers kamen später stark dezentrale, dialog- und kooperationsorientierte Ansätze hinzu, bis schließlich eine stärker am Wettbewerbsgedan-
183
Siehe etwa BECK, HEINZE, SCHMIDT 2009, S. 8ff.
Siehe ZIEGLER 2006, S. 333, die unabhängig von den zwei polarisierenden Wachstumsund Ausgleichszielen, die Schaffung und Sicherung von Beschäftigung und Innovation als
wichtigste strukturpolitische Aufgabe sieht.
185
Siehe MÜLLER, STRÄTER 2008, S. 250.
184
63
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
ken orientierte Clusterpolitik mit dem Ziel der Wachstumsentwicklung favorisiert
wurde.
HARMES-LIETKE et. al. unterscheiden in den Förderphilosophien186:
Phase der Re-Industrialisierung: Die Landesregierung griff in den Prozess des
Strukturwandels mit dem 1968 konzipierten Strukturkonzept ‚Entwicklungsprogramm
Ruhr’ sowie den 1969 zur Ergänzung der Aktivitäten der Bundesregierung eingeführten Gemeinschaftsaufgaben ‚Hochschulbau’ und ‚Verbesserung der regionalen
Wirtschaftsstrukturen’ ein.
Phase der Neo-Industrialisierung: Im Rahmen einer konzertierten Aktion unter Beteiligung aller für das Ruhrgebiet verantwortlicher Instanzen (Landesregierung, Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR), Städte, Gewerkschaften, Kammern, Industrieverbände und Kirchen) und Interessen entstand das ‚Aktionsprogramm Ruhr’.
Phase der regionalisierten Strukturpolitik: Regionale „Kleinbearbeitung“ der im
Rahmen der ökonomischen Restrukturierungen entstandenen Herausforderungen
unter Stärkung des Netzwerksgedankens, der Entwicklung endogener Potentiale
und unter Einbeziehung lokaler und regionaler Akteure .
Clusterförderung als Strukturpolitik: Seit Mitte der 1990er Jahren ist eine Orientierung der Förderpolitik an konkreten realwirtschaftlichen Konstellationen, globalen
Markt- und Wachstumstrends, wirtschaftlichen Wachstumspolen und ökonomischer
„Excellence“ festzustellen. Stärkung des Wettbewerbsgedanken zu Lasten des
„Gießkannenprinzips“
186
Siehe HARMES-LIETKE, et al. 2004, S. 300ff.
64
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 7: Eckpunkte der nordrhein-westfälischen Strukturpolitik
Jahr
Programm
Gestaltungsphilosophie
1968
Entwicklungsprogramm
Ruhr
Probleme auffangen
Infrastruktur entwickeln
1970
NRW-Programm
Probleme auffangen
Infrastruktur entwickeln
1979
Aktionsprogramm Ruhr
Technologische Impulse
für neue Produkte und
Dienstleistungen
1987
ZIM/ZIN-Initiative und Landesinvestitionsprogramm
Dezentraler Dialog und
Kooperation, Entwicklung
endogener Potentiale
1989
IBA-Emscherpark
Dialog und Kooperation
sowie Perspektivischer
Inkrementalismus
1997
Erstes operationelles Programm für die EFRE-Ziel 2
Förderung
(Förderphase
1993-1999)
Kaskadenmodell - Findung, Konzipierung und
Priorisierung der Projekte
erfolgt in den Regionen
2000
EFRE Förderperiode bis
2006
Mikrogeographische Förderraumabgrenzung
2007
Aktuelle EFREFörderperiode bis 2013
Stärkung des Wachstumsleitbildes, Wettbewerbsverfahren und
Clusterbildung
Quelle: Eigene Darstellung
Vor dem Hintergrund des Erkenntnisinteresses der Arbeit zu den Möglichkeiten und
Erfordernissen einer Antizipation des Wandels stehen insbesondere die zwei jüngsten und großen strukturpolitischen Leitlinien in NRW im Betrachtungsfokus. Dies
sind der beteiligungsorientierte Ansatz der regionalisierten Strukturpolitik sowie die
Clusterpolitik als aktueller strukturpolitischer Handlungsansatz von Untersuchungsinteresse.
65
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
3.3
Strukturpolitische Strategien
Wie in den nächsten Unterkapiteln aufgezeigt, wird in den auf dem „new
regionalism“ beruhenden Ansätzen der jüngeren Strukturpolitik in NRW die Bedeutung sozial vernetzender Faktoren in den Vordergrund gestellt. In den Regionen
soll(te) ein Geflecht von Beziehungen entstehen, das die Herausbildung von Konventionen und die Förderung einer regionalen Kultur ermöglicht, in der Kooperationen – sei es im Clusteransatz oder der regionalisierten Strukturpolitik – vertrauensvoll wirksam werden können. Die Region wird zu einem „Mutterboden“ (KRÖCHER
2008, S. 201) in der vertrauensvolle und kooperative Produktivität gefördert werden
kann.
3.3.1 Regionalisierte Strukturpolitik
Als Reaktion auf die montanindustrielle Krise der Jahre 1987 und 1988 und der Ankündigung eines massiven Arbeitsplatzabbaus wurde die Zukunftsinitiative Montanindustrie (ZIM) begründet und im Jahr 1989 landesweit ausgedehnt (als Zukunftsinitiative für die Region NRW - ZIN). Intention dieser Initiativen war es, vorhandene
regionale Kräfte und Akteure zur Beseitigung wirtschaftlicher Engpässe zu initiieren
und über den Anreiz von Kooperation und Koordination besser zur Entfaltung kommen zu lassen. Die ökonomische Zukunft des Ruhrgebiets wurde nicht länger und
prioritär in der Modernisierung des montanindustriellen Sektors gesehen, sondern in
der Förderung einer diversifizierten Wirtschaftsstruktur unter regional differenzierter
Schwerpunktsetzung, basierend auf endogenen Potentialen.187
Zentrales Element der ZIM/ZIN-Initiative war die ‚Regionalisierte Strukturpolitik’, eine
verfahrensorientierte Neuausrichtung strukturpolitischer Maßnahmen, basierend auf
dem Gedanken des Subsidiaritätsprinzips und der Strategie der endogenen Regionalentwicklung. Die in regionalen Konferenzen und Ausschüssen konzertierten regionalen Akteure (Kommunen, Gewerkschaften, Kammern etc.) waren dabei landesseitig aufgefordert, eigene Entwürfe zur Strukturpolitik in Form eines Regionalen
Entwicklungskonzeptes (REK) zu erstellen. Die Ergebnisse waren Ausdruck einer
regionalen Stärken- und Schwächenanalyse und des regionalen Konsens über prioritäre Projekte, die bei der Bewilligung von Fördermitteln seitens der Landesregierung herangezogen wurden. Neben diesen erst durch den Finanzierungsanreiz gestifteten Projekten/Produkten wurde vor allem der Verfahrens- und Prozessnutzen
als vertrauensbildender Faktor zur Stiftung einer regionalen Kooperationskultur hervorgehoben.188 Die regionale Gliederung des Landes erfolgte in 15 Regionen ('ZINRegionen'), meist in Anlehnung an IHK-Bezirke und zentralörtliche Oberbereiche.
Verbunden mit der konzeptionellen Neuausrichtung der beteiligungsorientierten
187
Siehe zur Strategie der endogenen Regionalentwicklung in der Wirtschaftsförderung
GÄRTNER 2004, S. 35 ff.
188
Siehe dazu BADE 1998, S. 128
66
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Strukturpolitik war ein integrativer Ansatz, der grundsätzlich von der Gestaltungskraft einer regionalen Wirtschaftspolitik ausging, diese aber intersektoral mit anderen Politikfeldern wie Umwelt-, Sozial- und Gleichstellungspolitik verknüpfte.189
Wegen der zentralen Bedeutung der Wirtschaft für die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung wurden die Fachpolitiken tendenziell einer integrierten regionalen
wirtschaftlichen Entwicklungspolitik untergeordnet. Dem Gedanken folgend, dass
die regionalen Aktionsprogramme unter Einbeziehung und Nutzung der Eigeninitiative und des Sachverstandes der örtlichen und regionalen Akteure erarbeitet werden
sollten, wurde eine wertschöpfende Kooperation in mehrfacher Hinsicht intendiert:
Es wurde zunächst die funktionale Kooperation zwischen den verschiedenen Fachpolitiken gefördert. Diese Kooperation war mit dem Ziel verbunden, eine integrierte
strukturpolitische und regionale Entwicklungsplanung zu erreichen, was aber zum
Problem der Zielgewichtung und der Prioritätensetzung der einzelnen Fachpolitiken
führte. Die horizontale Kooperation als partizipatives Element wurde durch die Implementierung der regionalen Entwicklungskonferenzen zwischen Politik, Verwaltung, Verbänden und Wissenschaft etabliert. Diese Konferenzen spielten bei der
Erstellung und für die Konsensbildung für die von der Landesregierung geförderten
und geforderten regionalen Entwicklungskonzepte eine wichtige Rolle. Diese Form
der Kooperation sollte insbesondere die interkommunale und regionale Kooperation
und das Aufbrechen des lokalen Kirchturmdenkens zugunsten regionaler Problembewältigungsstrategien fördern. Über die vertikale Kooperation konnte dann eine
stärkere Abstimmung der Verwendung von Fördergeldern und Eigenmitteln zwischen Gemeinde, Kreis, Bezirksregierung, Land, Bund und EU erfolgen und die CoFinanzierung von Projekten gesteuert werden. Regional bedeutsame und strukturwirksame Vorhaben, die zunächst den „regionalen Konsens“ der Akteure vor Ort
und schließlich auf Grundlages des „operationellen Programms“ die Zustimmung
der Landesregierung fanden, konnten nach dem Kaskadenmodell durch andere
Programme mitfinanziert werden.
Die politischen Instanzen sollten sich bei der Projektbewilligung an den regionalen
Besonderheiten der unterschiedlichen Teilräume in NRW ausrichten und die Regionen bzw. die regionalen „Player“ durch die Fördermittelanreize aktiviert werden.
Eine solche Konzeption bei gleichzeitiger Differenzierung der Fördertatbestände ist
als zentral gestützte Politik dezentraler Eigenentwicklung gekennzeichnet.190
Die regionalisierte Strukturpolitik war aber primär als interkommunale Kooperation
und nicht als unternehmens-, branchen- oder wertschöpfungsbezogene Entwick-
189
Es gab allerdings Kritik in und aus den Regionen, da die Regionsbildung von oben vorgegeben wurde und sich nicht an gemeinsamen Problemlagen orientierte (etwa im IHKBezirk Niederrhein mit Duisburg als Montanstadt und dem Kreis Kleve, der von der Suburbanisierung der Wohnbevölkerung und des Gewerbes aus dem Ruhrgebiet profitierte.
190
Siehe REHFELD 2004, S. 220f.
67
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
lungsstrategie konzipiert und verfügte durch den Bottom-up Ansatz und die Förderungsansätze der Stärkung endogener Potentiale über keine eigenen Inhalte. Hinter
dem Ansatz zur Stärkung regionaler Kooperation steht ein Konzept, das
GRANOVETTER 1985 mit dem Begriff des „social embeddedness“ geprägt hat.191
Regionale Entwicklungen folgen nicht nur ökonomisch-rationalen Kriterien, die Entscheidungen von Akteuren sind nach GRANOVETTER vielmehr stets in soziale
Beziehungen eingebettet. „Die sozialen, nicht-marktlichen Beziehungsformen werden als formelle und informelle Struktur kollektiver Regeln und kultureller Verständnisse angesehen, die als räumlich gebunden interpretiert werden“ (KRÖCHER
2008, S. 201).
Durch die Einbindung (embeddednes) verschiedener Akteure in die Formulierung
strukturpolitischer Maßnahmen konnte nach Einschätzung von HEINZE und
VOELZKOW die regionalisierte Strukturpolitik wichtige Impulse für die Entstehung
neuer, stabilitätsfördernder Kooperationsformen setzen. Sie führte zur Stärkung des
regionalen Bewusstseins und zur Verbesserung der regionalen Handlungsfähigkeit
und der Konsensbildung. Als besonderer Erfolg kann aus heutiger Sicht die proaktive Erstellung und die Kooperation bei der Erstellung der regionalen Entwicklungskonzepte der beteiligten Akteure gewertet werden.192 Der Prozessnutzen zur
Stiftung des regionalen Dialoges wird im Nachhinein höher bewertet als die eigentlichen Koordinationsergebnisse und die faktische Orientierung der Projekte an den
spezifischen regionalen Potentialen und Problemlagen.193
Versucht man Theorie geleitet den partizipativen Ansatz der regionalisierten Strukturpolitik mit den in Kapitel 2 erörterten Erfordernissen und Potentialen für die Antizipation des Wandels zu verknüpfen, so hat die regionalisierte Strukturpolitik für den
pro-aktiven und frühzeitigen Umgang mit strukturellen und regionalen Herausforderungen zweifelsohne wichtige Impulse setzen können. EICHENER, HEINZE und
VOELZKOW führen in ihrer Evaluation auf:
¾ Atmosphärische Verbesserung der Kooperationsbereitschaft
¾ Entwicklung und Verstärkung einer regionalen Identität
¾ Erhöhung des Kontaktniveaus
¾ Gründung von kooperativen Strukturen
191
GRANOVETTER 1985, S. 481
Siehe dazu HEINZE und VOELZKOW, et al. 1997, S. 253
193
Es überwogen traditionelle Projektvorschläge in konventionellen Bereichen wie Verkehr –
und Infrastruktur. Die Abstimmung mit den Fachpolitiken, insbesondere Raumordungspolitik
und anderer Sektoralpolitiken (z.B. Technologiepolitik) wird kritisch gesehen. REHFELD
2009 und 2004, S. 224
192
68
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
¾ Entwicklung von kooperativen Verfahren, insbesondere Konsultations- und
Diskussionsverfahren
¾ Reduzierung des Konfliktniveaus zugunsten des Konsensgrades.194
Die Förderung von Kooperationen und des Informationsaustausches zwischen den
Akteuren und Stakeholdern (Arbeitgeber- und Beschäftigtenvertreter, lokalen, regionalen Verwaltungen, Experten der betreffenden Sektoren, Wissenschaft etc.) wurden durch die Einrichtung der Regionalkonferenzen bzw. über den „inszenierten
Korporatismus“195 geschaffen. Dieser ermöglichte es, bis dato auch weniger stark in
regional- und strukturpolitischen Feldern organisierte und durchsetzungsfähige Akteure wie z.B. Gewerkschaften, in eine verbesserte Verhandlungsposition zu bringen und deren regionalpolitische Kompetenzen zu stärken.196
Der Gestaltungs- und Politikansatz der dezentralen Entwicklung unter der Betonung
der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten der unterschiedlichen Akteure auf den
geeigneten Ebenen ist zentrales Element für die Wahrnehmung und den Umgang
mit restrukturierungsbedingten Veränderungen im Hinblick auf Beschäftigung, Stadt
und Region. Die von PICHOT sowie NEGRELLI und PIECHIERRI197 geäußerten
Postulate zur Anwendung und Kombination aller zur Verfügung stehen Mittel und
Instrumentarien auf Europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene, um den
strukturellen Wandel abzufedern und nach MOREAU198 sozialverträglich zu gestalten, finden sich im Leitbild der vertikalen Koordination unterschiedlicher strukturpolitischer Maßnahmen der verschiedenen staatlichen Handlungsebenen wieder. Es
spiegelt sich beispielsweise in dem Bemühen um die Integration von Fachpolitiken
auf regionaler Ebene im Sinne einer regionalen Entwicklungspolitik „aus einem
Guss“ wider.
Zudem kann grundsätzlich festgehalten werden, dass die regionalisierte Strukturpolitik den Abbau regionaler Disparitäten und die Beseitigung von Entwicklungshemmnissen über das strukturpolitische Leitbild des Ausgleichs favorisierte. Dies hängt
eng mit dem Agenda-Setting auf Europäischer Ebene zusammen. Mit der Reform
der Europäischen Strukturfonds 1998 und der Formulierung des Kohäsionsziels199
194
Siehe HEINZE, VOELZKOW 1997, S. 261
Siehe die Ergebnisse der Begleitforschung unter HEINZE, VOELZKOW 1997, S. 17. Unter Korporatismus wird die Einbindung (Inkorporierung) von verbandlichen oder anderen
organisierten Interessen in die Politik und die Teilhabe an der Formulierung und
Implementation politischer Entscheidungen verstanden
196
Auf die demokratische Legitimationsproblematik wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen
197
Siehe die Ausführungen in Kapitel 2.4 und 2.5
198
Ebenda
199
Zur Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts. In der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 wurde beschlossen, dass zwischen prosperierenden und ärmeren
Regionen in der EU eine Umverteilung stattfinden soll, um die Folgewirkungen der ungleichen wirtschaftlichen Entwicklung auszugleichen
195
69
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
im Jahr 1986 nahm die Europäische Union (EU) eine maßgebliche Rolle in der Bewältigung des strukturellen Wandels und der Strukturpolitik des Landes NRW ein.
Die Strukturförderung erfolgte seither hauptsächlich über das Ziel-2-Programm als
zentrales strukturpolitisches Interventionsinstrument, das sich ausschließlich auf
Industrieregionen mit rückläufiger Wirtschaftsentwicklung bezog. Mit Unterstützung
der Europäischen Strukturförderung legte das Land in den folgenden Jahren die
Grundlagen für seine Strukturpolitik und orientiert sich auch unter den veränderten
Vorgaben bis heute daran.
3.3.2 Finanzvolumina der zurückliegenden Förderperioden und Neuausrichtung
Bereits im Zeitraum von 1988-1992 flossen im Rahmen des NRW-EG-Programms
für Stahlstandorte (RESIDER) 64,5 Mio. Euro nach NRW. In den Jahren 1989-1993
standen dann 575 Mio. Euro für die bundesdeutschen Ziel-2-Gebiete und davon 265
Mio. Euro für NRW zur Verfügung.200 Somit gehört das Ruhrgebiet seit der Reform
des Europäischen Strukturfonds im Jahr 1989 zum Bereich der Ziel-2-Förderung. Es
wurden damit in erster Linie strukturschwache, traditionelle Industrieregionen mit
rückläufiger Entwicklung gefördert. Infolgedessen wurden bis 1999 die Industriereviere NRWs mit ca. 2,63 Mrd. Euro gefördert. Für die Förderperiode von 2000-2006
flossen weitere 3,35 Mrd. Euro nach NRW (neben EU-, auch Bundes- und Landesmittel), wobei vornehmlich Projekte gefördert wurden, die einen wesentlichen Beschäftigungsbeitrag leisteten, KMU förderten, Ansätze im Bereich der Kompetenzfeldwirtschaft verfolgten, Integration von Forschung und Entwicklung, Unternehmenskooperationen und Internationalisierung stärkten.201 Insgesamt lagen in der
Ziel-2-Förderperiode 2000-2006 34 Gemeinden des RVR in der Fördergebietskulisse. In NRW waren es gesamt 73 Gemeinden.
200
201
GOCH 2004, S. 188
RVR 2000, S. 11
70
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 8: Ziel-2-Förderung im Ruhrgebiet 2000-2006
Quelle: RVR 2008, S. 13
In der Abbildung wird deutlich, dass beinahe alle Gemeinden (die wenigen Ausnahmen waren Mülheim an der Ruhr, die nördlichen Gemeinden des Kreises Wesel und
Recklinghausen) im Ruhrgebiet in den Jahren von 2000-2006 entweder ganz oder
teilweise zum Ziel-2-Gebiet zählten oder zumindest als Auslaufgebiete angesehen
wurden.202 Allein aus den Strukturfonds der EU flossen 1.73 Mrd. Euro nach NRW,
wobei etwa 850 Mio. Euro auf die Ziel-2-Förderung und 89 Mio. Euro auf die Übergangsunterstützung ehemaliger Ziel-2-Gebiete entfielen (Auslaufgebiete). Das restliche Finanzvolumen ging über ESF-Mittel in die regionsunspezifische Ziel-3 Förderung und konnte so in ganz NRW zum Einsatz kommen. Mit den Geldern wurden insbesondere arbeitsmarktpolitische Ziele und Projekte auf den unterschiedlichsten räumlichen Ebenen und für unterschiedliche Zielgruppen verfolgt..
3.3.3 Netzwerkbildung und Kooperation
Die Verknüpfung von Fördertöpfen und räumlichen Zielebenen sollte nach Ansicht
von PICHOT auch Grundlage der Antizipationsbemühungen im industriellen und
strukturellen Wandel sein, da die Antizipationsleistung von verschiedenen Akteuren
202
Wenngleich die eigentliche Abgrenzung der Fördergebiete in den Kommunen sehr kleinteilig erfolgte
71
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
und auf verschiedenen räumlichen Ebenen prozessorientiert erfolgen muss.
umfasst die
203
Dies
¾ Unternehmensebene
¾ Sektorale Ebene
¾ Lokale und regionale Ebene
¾ Nationale und Europäische Ebene.
Die direkte Partizipation von Unternehmensvertretern wurde mit der regionalisierten
Strukturpolitik allerdings nicht umgesetzt. KREMER et al. kritisieren die
regionalisierte Strukturpolitik vor diesem Hintergrund als eine Veranstaltung, in die
vorwiegend staatliche und staatsnahe Akteure involviert waren.204 Zugleich existieren noch eine Reihe von Programmen der Landesregierung, die direkt auf Unternehmen zielen, insbesondere die verschiedenen Branchen- und Technologieinitiativen. Diese sind nach Einschätzung von KREMER et al. jedoch nicht mit
regionalisierten Aktivitäten verbunden. Demnach wird eine modifizierte Variante von
Wirtschaftsförderung betrieben, in der Unternehmen wohl als Begünstigte, nicht
jedoch als aktiv involvierte Akteure eine Rolle spielen. Dies aber ist ein zentraler
Baustein im Konzept der Antizipation des Wandels, da gerade auf Unternehmensebene sowohl wichtige Früherkennungspotentiale von für Wirtschaft und Region
krisenhafte Veränderungen und Beschäftigungsgefährdungen bestehen, als auch
zukünftige Entwicklungs- und Qualifizierungsbedarfe aus der innerbetrieblichen Perspektive sehr gut geäußert werden können.
Als weiterer Kritikpunkt kann festgehalten werden, dass die Erschließung von Innovationsfeldern in der regionalisierten Strukturpolitik weitgehend infrastrukturell erfolgte. Indikatoren für die Umsetzung dieser Herangehensweise sind die in dieser
Zeit zahlreich entstandenen Technologiezentren und die vielen gewerblichen Flächenausweisungen. Die Regionalen Entwicklungskonzepte orientierten sich an öffentlich-infrastrukturell geprägten Politikfeldern (Technologie, Qualifizierung, Flächen, Umwelt etc.) und weniger an regionalwirtschaftlichen Schwerpunkten, wie
Unternehmensnetzwerken, Wirtschaftszweigen, Branchen oder Produktfeldern.205
Aufgrund mangelnder gesamtregionaler Abstimmung, vieler unspezifischer „Schubladenprojekte“ sowie oftmals intransparenter Finanzmittelvergabe seitens der öffentlichen Hand, verfehlte die regionalisierte Strukturpolitik bis in die 1990er Jahre einen
Teil der von ihr erhofften arbeitsmarkts- und wirtschaftspolitischen Erfolge. Ein Kritikpunkt, der die mangelnde Effektivität der Fördermittel im Hinblick auf die nachhal-
203
Siehe PICHOT 2008, S. 8
So KREMER, et al. 2000, S. 169
205
Ebenda S. 169ff.
204
72
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
tige Belebung und Neuausrichtung der regionalen Wirtschaftsstrukturen aufgreift,
wird dahin geäußert, dass durch das regionale bottom-up Konsensprinzip nur ein
Minimalkonsens im Hinblick auf die Verwendung der Fördermittel und der Projekte
erreicht werden konnte und zudem intraregional auch der Proporzgedanke eine
Vergaberolle spielte. Auch die Internationale Bauausstellung (IBA), als eine der herausragenden strukturpolitischen Aktivitäten, deren Projekte von einem Rat aus Vertretern des Landes und der lokalen Ebene, den Universitäten und den Bürgern ausgewählt wurden, konnte aufgrund des Erfolgsdrucks lediglich Leitprojekte und Problemfelder identifizieren, die erfolgversprechend und lösbar erschienen. Zentrale
Probleme wie Verkehr, Abfallentsorgung und Arbeitslosigkeit blieben ebenso wie
das Schlüsseldefizit der interkommunalen Kommunikations- und Kooperationskompetenz weitgehend ausgeklammert.206
Zunehmende Unübersichtlichkeit struktureller Entwicklungen
Wenn auch die Unternehmen keine aktive und gestalterische Rolle in der
regionalisierten Strukturpolitik eingenommen haben, durch den Gedanken der vertikalen und insbesondere der horizontalen Vernetzung werden jedoch im Konzept der
partizipativen und regionalisierten Strukturpolitik zentrale Elemente für eine erfolgreiche Antizipation des Wandels aufgegriffen. Denn besonders der derzeitige strukturelle Wandel ist durch gegenläufige, ungleiche und zum Teil diffuse Entwicklungsmuster gekennzeichnet. Vergangene Hoffnungsträger des strukturellen Wandels sind abgewandert (Nokia, Ben-Q), Unternehmen wie Opel befinden sich in der
Krise und gleichzeitig wurde von Thyssen Krupp Stahl in Duisburg in Stahlwerke
und eine neue Kokerei investiert. Die gängigen Muster vom schleichenden oder
auch radikalen Niederganges des altindustriellen Unternehmensbesatzes bei
gleichzeitigem Aufstieg neuer Hoffnungsträger wie der Gesundheitswirtschaft oder
der Biotechnologie, müssen sehr differenziert betrachtet werden. 207 Wie LÄPPLE
zeigt, gestalten Stagnationserscheinungen und negative wie positive Veränderungen einzelne Betriebe, Cluster oder Sektoren und die regionale Wirtschaftsstruktur
ständig neu.208 Dies führt zu Veränderungen und Herausforderungen, die von einzelnen Akteuren kaum mehr antizipiert, überblickt und bearbeitet, sondern nur durch
Austausch und Dialog verstanden und kooperativ bewältigt werden können. Damit
kommt Koordinations- und Kommunikationsverbünden eine wachsende Bedeutung
206
Siehe MEYER-STAMER und MAGGI 2008, S. 20
Gesundheitswirtschaft als ein zentrales Kompetenzfeld in NRW und die Förderung der
Biotechnologie soll beispielsweise über den BioMedPark an der Ruhr-Universität Bochum
erfolgen, dies in Verband mit Landesinitiative Gesundheitswirtschaft LIGA in NRW
208
Siehe LÄPPLE 1994, S. 106 ff.
207
73
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
zu.209 Schon in der politikwissenschaftlichen Diskussion der frühen 90er-Jahre galten Policy-Netzwerke als vielversprechende Antwort auf die „Implementationskrise“,
d. h. auf das Scheitern hierarchischer Steuerungsversuche der 70er-Jahre; die
regionalisierte Strukturpolitik mit dem partizipativen und koordinierenden Ansatz zur
regionalen Netzwerkbildung ist als eine Antwort auf diese Implementationskrise zu
bewerten.
Netzwerke lassen sich nach KIESE definieren als Ansammlungen sozialer Beziehungen, die durch mindestens drei Akteure (Organisationen, Institutionen oder Individuen) gebildet werden und die durch wahloffene und unvollständig spezifizierte
Beziehungen gekennzeichnet sind. Trotz der langfristigen Ausrichtung sind erfolgreiche Netzwerke nach GRANOVETTER nicht starr fixiert sondern informell und
implizit.210 Policy-Netzwerke sind wiederum gekennzeichnet als ein Geflecht politischer, wirtschaftlicher und sozialer Beziehungen, als eine Kooperations- und Verhandlungsform jenseits von Markt und Hierarchie, die auf Freiwilligkeit und Gegenseitigkeit beruht.211 Policy-Netzwerke bilden sich einerseits, wenn gesellschaftliche
Akteure die Möglichkeiten wahrnehmen können, an politischen Prozessen teilzunehmen und andererseits, wenn sich für den Staat Möglichkeiten der Informationsbeschaffung, der externen Problemwahrnehmung und Beiträge zur Überwindung
von Verhinderungsallianzen eröffnen. „Doch seit den späten 90ern zeigten sich indes auch die Grenzen der Steuerung durch Policy-Netzwerke, die mit hohem Zeitund Personalaufwand verbunden sind und bei vielen interessierten und relevanten
Akteuren zu einer Überforderung führen“ (MEYER-STAHMER 2009, S. 37). Doch
wie lassen sich diese zur Innovationshemmung führenden Strukturen aufbrechen?
Als Voraussetzung für die erfolgreiche Arbeit von Netzwerken gilt, dass der Aufbau
geeigneter Strukturen und die Entwicklung von Management,- Arbeits- und Lernformen aus dem Netzwerk von innen heraus erfolgt. Durch solche Kooperationsverbünde kann der erhöhten Interdependenz zwischen den Teilsystemen der Wirtschaft, der Wissenschaft, Politik und Bildung Rechnung getragen werden. Ein solches Modell setzt mehr auf Moderation, Mediation, diskursive Koordination und Kooperation und damit anderen Formen einer interaktiven Politik. Wie Abbildung 9
zeigt, wird ein solcher Netzwerktyp gekennzeichnet durch:
209
GRANOVETTER 1973 hat über sein Konzept der weak ties die Grundlagen der Netzwerkforschung geschaffen. Dazu auch HOWALDT, KOPP, MARTENS 2001, S. 5 und auch
MEYER-STAHMER 2009
210
KIESE 2007, S. 11
211
Siehe dazu die Arbeit von ADRIAN 2003 und insbesondere KNILL 2000, S. 112
74
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 9: Merkmale einer regionalen Kooperation
Hauptakteure und Initiatoren
Unterschiedliche unternehmensinterne
unternehmensexterne
Netzwerker,
Dienstleister und regionale Akteure aus
Gebietskörperschaften, Kammern und
Verbänden
Kooperationsbasis
Steigender Innovations- und Problemdruck
Formen der Kooperation
Komplementäre Kooperation im Blick
auf die Erzeugung von Synergien
Forcierung der Kooperation
Wechselseitiges Erfahrungslernen und
Orientierung in turbulenten Umwälzungen
Rolle von Politik und Öffentlichkeit
Politik als wichtige unterstützende, bisweilen auch initiierende Ressource.
Verändert nach Analysen von HOWALDT; et al. 2001
Unter dem Druck des strukturellen Wandels und des globalen Wettbewerbes haben
sich in vielen Wirtschaftsräumen Netzwerke herausgebildet, deren Akteure bemüht
sind, den ökonomischen Strukturwandel industriepolitisch abzufedern.212 Unter solchen regionalen Netzwerken können offene Organisationsformen zur Erzeugung
zielgerichteter wirtschaftlicher und politischer Strategien verstanden werden.213 Sie
beruhen auf der Erfahrung, dass lokale und regionale Kooperationen das geeignete
Muster sind, um regionale Entwicklungsprobleme kooperativ zu bewältigen und
auch eigene Ziele der involvierten Netzwerkpartner zu erreichen. Die Etablierung
von kurzfristigen Maßnahmen, z.B. Beschäftigungssicherung und Qualifikation
durch Restrukturierung betroffener Arbeitnehmer, gehört ebenso dazu, wie die strategische Entwicklung von regionalen und lokalen Follow-up Maßnahmen in Folge
des Wandels für eine mittlere und langfristige Zukunftsplanung der sozioökonomischen Regionalentwicklung. Damit sowohl die betriebliche, als auch die Standortund Regionalentwicklung frühzeitig an sich wandelnde Erfordernisse angepasst
werden kann, wird es als erforderlich erachtet, ökonomische und technologische
212
Siehe DÖRRE, RÖTTGER 2001, S.63 und MEYER-STAHMER 2009, S. 37, der bemerkt, dass sich Netzwerkbildung und -Steuerung sich als organischer Prozess
entwickelt und punktuell, aber nicht flächendeckend, zu Professionalisierung führt
213
Die Etablierung des dortmund-projects als Clusterbasierte regionale Wirtschaftsstrategie
zeigt dies exemplarisch auf. Siehe RÖLLINGHOF 20 09, S. 160. Vorarbeiten und Impulse
kamen auch von den Gewerkschaften Siehe MULITZE 2008, S. 10ff.
75
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Entwicklungen systematisch zu beobachten und ihre Relevanz für die betreffende
Handlungsebene zu überprüfen.214 Dies erfordert allerdings weit mehr als eine rein
auf ökonomischen Eckdaten basierende Analyse, sondern eine laufende Einschätzung von Branchen- und Clusterentwicklungen, neuen Produkten und Veränderungen in den internationalen, arbeitsteiligen Wirtschaftsformen. Ein industriepolitischer
Netzwerktyp, der dies leisten muss („Netzwerke als Krisenfeuerwehr“ titulieren
DÖRRE und RÖTTGER)215 wird gebildet durch regionale Unternehmen, Wirtschaftsvereinigungen, Beschäftigungsgesellschaften, Körperschaften und Verwaltung, Hochschulen und Gewerkschaften. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass
viele unabhängige Akteure solche Informationen ansammeln und intern analysieren.
Damit sie in der wirtschaftliche und das politische Handeln eingehen, ist ein Austausch von Informationen, der eigenen Analysen und der Weiterentwicklung kollektiver Einschätzungen erforderlich. SABEL hat dafür den Begriff des „learning by
monitoring“ geprägt und er beschreibt damit eine gemeinsame Informationsverarbeitung durch regionale Akteure.216 Handlungsoptionen können in Diskussionen, durch
Netzwerkbildung und Initiierung von Kooperationsverbünden und über vertrauensbildende Maßnahmen und Verhandlungen zusammengeführt und weiterentwickelt
werden. Der Soziologe Manuel CASTELLS geht in seiner Gesellschaftsanalyse inzwischen so weit, die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts als ‚network society’ zu
bezeichnen, in der sich alle relevanten Prozesse in Wirtschaft und Gesellschaft um
die Organisationsform Netzwerk gruppieren.217 Aktuelle Anknüpfungspunkte in der
Netzwerkforschung fokussieren sich auf die Fragestellungen, worin die konkrete
Bedeutung von Netzwerken im Rahmen betrieblicher und regionaler Innovationsprozesse besteht, welche Netzwerktypen in den vergangenen Jahren entstanden
sind und mit welchen Steuerungsformen diese zu managen und organisieren
sind.218
Von Netzwerkverbünden kann aber nur gesprochen werden, wenn die verschiedenen Akteure, Unternehmen, Wirtschaftsvereinigungen, Beschäftigungsgesellschaften und Bildungseinrichtungen, Verwaltung, Politik und Gewerkschaften auf Grundlage eines gemeinsamen regionalpolitischen Grundkonsens agieren. Es handelt
sich um einen schwierigen Diskursprozess, der ein hohes Engagement der beteiligten Akteure erfordert und dessen Erfolg die hohen Hürden individueller Interessen
entgegenstehen. Zudem sind nicht alle Regionen gleichermaßen dialog- und konsensfähig. Wichtig ist, das hat GRABHER aufgezeigt, dass notwendige Erneuerungsprozesse nicht durch „Verhinderungs-Allianzen“ blockiert werden, wenn aus
214
Das entspricht dem Ansatz von PICHOT – siehe Kapitel 2. Die Entwicklung des dortmund-projects kann als langfristiger strategischer Ansatz bewertet werden, die Aktivitäten
des KomNet Essen dagegen als akut zur Krisenabwehr bei Unternehmens und Beschäftigungsrisiken. Siehe dazu insbesondere KOST 2004b, S. 75ff.
215
Sieh DÖRRE, RÖTTGER 2001, S. 62 und auch DÖRRE, RÖTTGER 2005, S. 16
216
Siehe SABEL 2006, S. 5
217
Siehe CASTELLS 2000, S. 7
218
Siehe BECKER, DAMMER, HOWALDT 2007, S. 3ff.
76
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
dem Geflecht von Unternehmen, Politik und Gewerkschaften zu starke und zu starre
Verbindungen („strong-ties“) in regionalen Netzwerken entstehen.219
3.4
Cluster und Wachstumskonzepte als neue Leitbilder
In Deutschland und auch in NRW hat sich seit Mitte der 1990er Clusterpolitik als
eine neue Form selektiver Strukturpolitik entwickelt. Sie erhebt den Anspruch, neue
Strategien zur Bekämpfung von standortgebundener Arbeitslosigkeit und Unternehmensabwanderungen ebenso wie die Kompensation von Schrumpfungsprozessen in vormals beschäftigungsintensiven Branchen zu erreichen.220
Unter Cluster und Clusterentwicklung werden nach derzeitigem Forschungstand
autonome ökonomische Strukturen und Entwicklungsprozesse verstanden, die eine
räumliche Konzentration von in Wirtschaftsfeldern miteinander verbundnen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und regionalen Arbeitsmarktkompetenzen
(Fachkräfte, Qualifikationen) fördern.221 Ökonomische Beziehungen lassen sich entsprechend dieses Ansatzes weniger durch den Blick auf einzelne Unternehmen
sondern vielmehr als Teil vernetzter Strukturen verstehen. Dahinter steht die Idee,
den sich beschleunigenden ökonomischen Wandlungsprozessen in der globalen
Wirtschaft nicht ausgeliefert zu sein, sondern wettbewerbsfähige und innovative
Kerne zu erhalten und weiter zu entwickeln. Damit eine Branche von der Entwicklungs- und Einführungsphase in ein sich selbst verstärkendes Wachstum übergehen
kann, muss es in der Region eine kritische Masse an Unternehmen und unterstützenden Einrichtungen (z.B. F&E, wissensbasierte Dienstleister, Qualifizierungseinrichtungen etc.) überwinden.222 Cluster als räumlicher Kristallisationskern einer regionalen Leitbranche altern mit ihrem Produktportfolio. Dominieren in der jungen Phase eines regionalen Clusters noch in der horizontalen Dimension Vielfalt und Wettbewerb, so verändert sich dies bis zur Reifephase hin zu einer stärkeren vertikalen
Verflechtung bei zunehmender Spezialisierung der clusterangehörigen Unternehmen. Cluster sind damit als das Ergebnis unterschiedlich verlaufender regionaler
Entwicklungsprozesse gekennzeichnet, die Pfadabhänigkeiten unterliegen.223 In den
evolutionsorientierten Konzepten der Clusterentwicklung soll über die Verflechtungsförderung verbundener Unternehmen und der Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen die effektive Nutzung der Clusterpotentiale gesteigert werden. Besonders in
der jüngeren Debatte um die Clusterentwicklung werden Maßnahmen zur Netz-
219
GRABHER 1993 S. 750ff.
Siehe dazu SCHMID, HEINZE, BECK, 2009, S. 7
221
Siehe dazu die Arbeiten von ROSENFELD 2002, KIESE 2008, 2009, REHFELD 2009
222
Zur Messung eines regionalen Clusterpotenzials und zur Möglichkeiten der Definition
einer kritischen Masse siehe ausführlich JACOBSEN 2009, S. 161ff. und zusammenfassend
GÄRTNER 2004, S. 54f.
223
STOPER, WALKER 1989 führen das Clusterwachstum auf eine regional unterschiedliche
Wachstumsdynamik zurück.
220
77
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
werkbildung, Einrichtung von Clustermanagern und die Bedeutung der Interaktionsbeziehungen der Akteure entlang der horizontalen und vertikalen Clusterdimensionen hervorgehoben. 224
Die Identifikation von territorialen Produktions- und Kompetenzclustern als Kernelement der regionalen Wirtschaftskraft ist per se nicht neu. MARSHALL hat die räumliche Konzentration von regional bedeutsamen, weil mit einander verbundenen und
beschäftigungswirksamen regionalen Produktionsnetzen schon für die Phase des
Pre-Fordimus im 19. Jahrhundert identifiziert und als „Industrial Districts“ definiert.225
Seit den Forschungen zum „Dritten Italien“ in der Emilia Romagna und den dortigen
Unternehmensnetzen, der Identifizierung der Bedeutung des Faktors Wissen und
des Wissens-Spillovers, des Stellwertes von „Kreativen Milieus“ für eine erfolgreiche
Regionalentwicklung und den grundlegenden Arbeiten von PORTER in den 1990er
Jahren, hat das Cluster-Konzept in Wissenschaft, Politik und Praxis eine starke Popularität erhalten.226 Die Popularität von Clustern in Politik und Praxis der Wirtschaftsförderung liegt nach KIESE, in der Annahme positiver Auswirkungen auf die
Regionalentwicklung in Form von Produktivität, Innovationsfähigkeit und Beschäftigung begründet.227 Besonders Hightech-Clusterinitiativen und politische Kompetenzfeldstrategien (Identifikation und Förderung von Leitbranchen und potentiellen
Wachstumsträgern) werden heute - jenseits der wissenschaftlichen Diskussion228 von Praktikern als „Königsweg“ der Wirtschaftsförderung angesehen, um verschiedene Standorte mit sehr unterschiedlichem Branchenbesatz in ihrer Wettbewerbsfähigkeit und Faktorenausstattung zu stärken.229 Daraus hat sich im Schatten anderer
regionalrelevanter Politikfelder bereits ein eigenes Politikfeld zur Etablierung und
Stärkung von Clustern entwickelt.
Die Clusterpolitik umfasst nach REHFELD „strategische Ansätze in teilweise sehr
unterschiedlichen Politikfeldern, die die Rahmenbedingungen zur Förderung von
Clustern setzen“. (REHFELD 2009, S. 174). Da Clusterpolitik auf der Europäischen
224
MOSIG 2008, S. 66
MARSHALL 1890 und 1919. Er identifizierte industrielle Distrikte z.B. in Solingen
(Schneidwaren) oder Lancishire (Web- und Textilprodukte) in denen ein Klima des Vertrauens vorherrscht und Innovationen fördert. Zur Regulationsschule und Taylorismus siehe
GÄRTNER 2004, S. 15ff.
226
Dezidiert schlüsselt dies REHFELD 2009 auf, S. 175ff.
227
KIESE 2009, S. 43
228
KIESE 2008 und REHFELD 2005 und 2009 zeigen auf dass anwendungsbasierte Clusterstrategien und der „Cluster-Boom“ in der Praxis die wissenschaftliche Debatte mittlerweile
überrollt hat. Die Wissenschaft ist derzeit nur in der Lage über nachholende Fallstudien die
Praxis zu analysieren und die Debatte weder thesenorientiert und konzeptionell anzuführen.
An die Stelle sind Unternehmensberatungen getreten, die die Konzepte unkritisch reflektierend in immer neuen Facetten Regionen „überstülpen“ Der empirisch belegbare Erfolg des
Clusterkonzeptes ist aber überaus vage und erfolgt zudem nur über die „narrative Evidenz“
einiger Musterbeispiele.
229
KIESE 2009 S. 15. GLASSMANN, VOELZKOW 2004, S. 139 zeigen dies exemplarisch
für den Standort Duisburg auf
225
78
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Ebene, den nationalen Ebenen und vor allem in den Bundesländern praktiziert wird,
ist sie als ein Top-down Ansatz gekennzeichnet. Clusterpolitik ist eine Form der Industriepolitik, die an der Schnittstelle von Regional-, Technologie- und Wissenschaftspolitik entstanden ist und die an der Förderung regionaler Spezifika und an
Clusterpotenzialen (Branchenkonzentration und damit verbundenen Netzwerkbausteinen) ausgerichtet ist.230 Um die regionalen Aktivitäten zu bündeln, die sich aus
dem Zusammenwirken öffentlicher und privater Akteure eines oder mehrerer Cluster
vor Ort entwickeln können, wird es als erforderlich angesehen, über ein spezifisches
Clustermanagement die Akteurs- und Institutionenvernetzung zur Bündelung von
Vertrauen, „gegenseitiger Befruchtung“ im Zusammenspiel von Konkurrenz und
Kooperation und damit Innovationen zu bewirken.231
Damit orientiert sich der clusterbasierte Ansatz in den aktuellen struktur- und wirtschaftspolitischen Konzeptionen eher an der Ressourcen- denn an einer Problemoder Defizitorientierung. Alle auf Innovation gerichteten Themen stellen derzeit ein
wichtiges Themenbündel für die kommunale Wirtschaftsförderung dar.232 Eine Vielzahl von Clusterinitiativen und damit verbundenen Management- und Marketingaktivitäten wurden mittlerweile losgetreten.233 Cluster in den unten benannten Formen
konzentrieren sich zumeist auf moderne, weil Wachstumserfolge versprechende
und für das Regionalmarketing (sog. „Branding“) hoffnungsvolle, Branchen. Wie
aber schon in den vorherigen Ausführungen mit KONDRATIEFF, SCHUMPETER
und TICHY gezeigt, altern regionale Kernbranchen. In den derzeitigen Clustern haben die Akteure aber keine Erfahrung mit alterungsbedingten Wandlungsprozessen.
Was ist wenn die jetzigen HighTech Wachstumsbranchen altern? Wie können regionale Akteure mit strukturellen Alterungsprozessen in den Clustern umgehen? Mit
welchen Instrumenten ist die Antizipation des Wandels zu bewerkstelligen?
Clusterkonzepte und strategische regionale Entwicklungskonzepte stellen nach Auffassung von MAGER/RÖLLINGHOFF erstmals die Anschlussfähigkeit zwischen
unterschiedlichen Systemrationaliäten von Unternehmen, F&E-Institutionen sowie
Städten und Regionen her und können im Sinne eines intraregionalen und
interinstiutionellen Lernens verstanden werden. Die Organisation von Branchendialogen und regionalen Monitoringplattformen kann dabei ein wichtiger Schritt sein,
um frühzeitigen Informationsaustausch sowie die informelle Kommunikation zwischen den regionalen Betrieben und anderen verbundenen Einrichtungen (Zulieferer, Forschungseinrichtungen, etc.) zu begünstigen.234
230
KIESE 2009, S. 43
Siehe MEYER-STAMER 2009, S. 38
232
Siehe MAGER/RÖLLINGHOFF 2009 S. 72ff.
233
Etwa: Hannoverimplus, dortmund-project, Weserbergland AG, Region Braunschweig AG,
Bochum 2015 etc.
234
Siehe dazu BRANDT, S. 123f.
231
79
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
¾ Die Förderung von intraregionalen und internationalen Vernetzungen lokaler
Cluster könnte diese Netzwerke in der Region und nach außerhalb für Veränderungen wachsamer machen.
¾ Dazu ist es aber erforderlich ein qualifiziertes Netzwerkmanagement aufzubauen, um dazu beizutragen, Kommunikationsbarrieren zu überwinden und
Konflikte im Prozess der Herausbildung von Kooperationen besser zu bewältigen.
¾ Mangelndes Verständnis dafür, dass Netzwerkmanagement eine professionelle Aktivität ist, die nicht nebenbei ohne zusätzliche Ressourcen von bestehenden Einrichtungen der Wirtschafts- und Strukturpolitik geleistet werden können, stehen diesen Prozessen aber zur Zeit oft noch entgegen.
Doch ist der Clusteransatz nach Auffassung von MEYER-STAHMER und auch
REHFELD keinesfalls als flächendeckender Ansatzpunkt für die Strukturpolitik geeignet, da er auf innovations- und ausbaufähige Wachstumskerne setzt.235 Für Regionen ohne ausreichend große Clusterpotenziale muss es strukturpolitische Alternativen geben. Denn wenn Fördermittel zunehmend auf die Entwicklung von Clustern bezogen werden, besteht die Gefahr, dass Regionen vom goldenen Zügel gelenkt auch Cluster ohne echte Branchenkonzentration und verbundenen vor- und
nachgelagerten regionalen Wertschöpfungsketten suchen und ggf. für sich definieren. 236 „Clusterpolitik ist kein Allheilmittel lokaler oder regionaler Wirtschaftspolitik
(GÄRTNER 2004, S. 61), sie kann immer nur ein Bestandteil der Wirtschaftsförderung sein. BUTZIN et al. fordern gar den radikalen Kurswechsel in der Wirtschaftsund Strukturpolitik für das Ruhrgebiet in Form eines integrierten Steuerungsmodells,
das sowohl den differenzierten lokalen Gegebenheiten angepasst, als auch in ein
politisch strategisches Leitbild eingebettet ist.237
Autoren wie ZIEGLER aber auch Aussagen von Interviewpartnern in der
explorativen Phase der Arbeit betonen dagegen, dass auch eine von Clustern unabhängige Förderung zentrales Element strukturpolitischer Interventionen bleiben
sollte.238 REHFELD spricht sich daher dafür aus, die Clusterorientierung in der
Strukturförderung als ein Element zu fördern, die ausgleichspolitische Komponente
aber beizubehalten. Erfolge von Strategien zur Vermeidung und Stabilisierung von
regionalen Krisen werden entscheiden, ob und wie die weitere wirtschaftliche und
soziale Entwicklung möglich sein wird. Unter Aspekten der Krisenfrüherkennung und
235
REHFELD 2009, S. 179, MEYER-STAHMER 2009, S. 37
KIESE spricht von „politisch motivierten Clustern und Wunschdenken Cluster“ KIESE
2008, S. 13
237
BUTZIN, et al. 2006, S. 269
238
INTERVIEWS GEWERKSCHAFTSVERTETER. I und II dahingehend, dass Cluster definiert werden, die eigentlich gar nicht über genügend Ausgangs- und Wachstumspotential
verfügen. Siehe dazu auch ZIEGLER 2008 S. 328 oder BRUCH-KRUMMBEIN 2008, S. 298
236
80
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
der Antizipation kann eine ausschließliche Orientierung an Wachstumsfeldern daher
nur eine begrenzte Reichweite haben, da nach REHFELD die Prognosefähigkeit in
Bezug zu zukünftigen Entwicklungen von Wirtschaft und Region begrenzt sind und
daher genügend Handlungsspielraum (Faktor „Space“ im Antizipationskonzept von
NEGRELLI/PICHIERRI) vorhanden sein sollte, um Fördermöglichkeiten für heute
noch nicht Bekanntes zu wahren.239
3.4.1 Paradigmenwechsel der nordrhein-westfälischen Strukturpolitik
Die anhaltende Abkopplung des Ruhrgebiets von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung des Landes in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre führte zu einer Debatte,
die sich stärker auf die so genannten ‚Kompetenzfelder der Ruhrwirtschaft’ konzentrierte.240 Seit einigen Jahren ist daher eine Neuausrichtung in der Strukturpolitik
auch in NRW erkennbar. NOLL wie auch FREY/ZIMMERMANN stellen 2004 einen
Paradigmenwechsel dahingehend fest, dass sich die regionale Strukturpolitik nicht
mehr in der Durchführung von Reparaturarbeiten beschäftigt, sondern eher am
Ausbau neuer Stärken ansetzt, also eine Verschiebung vom Ausgleichs zum
Wachstumsziel innerhalb der strukturpolitischen Prioritätensetzung erfolgt. Dabei
stehen im Idealfall keine von der öffentlichen Hand initiierten öffentlichen Großprojekte, sondern eher die Bildung von Netzwerken, in denen Unternehmen, Verbände,
Forschungseinrichtungen, lokale und regionale Wirtschaftsförderungen, die ein gemeinsames Kompetenzfeld ausmachen, im Fokus der regionalen Entwicklungsstrategie.
REHFELD geht davon aus, dass eine Konzentration auf Wachstumsfelder bedeutet,
gesamtwirtschaftlichem Wachstum Priorität einzuräumen, mit der Hoffnung, durch
dieses Wachstum den gesamtwirtschaftlichen Verteilungsspielraum so zu erweitern,
dass mittel- und langfristig auch die strukturschwachen Regionen über „Spill-OverEffekte“ davon profitieren. Weiterhin stellt er fest, dass eine Wachstumsorientierung
seit einigen Jahren auf unterschiedlichen administrativen Ebenen stattfindet.241 Die
Europäische Union (EU) setzt, wie auch die Bundesregierung in den östlichen Bundesländern, zunehmend auf die Förderung von „Wachstumskernen“, Landesregierungen setzen auf „Cluster“ und „Kompetenzfelder“.
Dieser in NRW verfolgte Ansatz steht auch damit im Zusammenhang, dass in der
Vergangenheit struktur- und industriepolitische Kompetenzen zunehmend auf die
Europäische Ebene verlagert wurden. Insbesondere die strategische Neuausrichtung der EU hat unmittelbare Auswirkungen auf die Strukturpolitik und wird sich
239
REHFELD 2005, S. 117
Siehe Kapitel 4 und vgl. dazu auch das Ruhr-Memorandum, DEUTSCHER
GEWERKSCHAFTSBUND 1997
241
Siehe REHFELD 2005, S. 233f.
240
81
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
künftig stärker an den Lissabon-Zielen einer wettbewerbsfähigen und wissensbasierten Wirtschaft orientieren. Im Zuge einer stärkeren Orientierung an diesen Kriterien sind die Bundesländer für die regionale Verteilung der EU-Mittel zuständig und
bei der Vergabe nicht länger an Problemregionen gebunden. Der Ausbau von
Wachstumskernen (Kriterien: Verdichtung, Ausmaß des Wirtschaftswachstums) –
dies ist in den Kriterien für die Beitrittsländer der EU bereits offensichtlich – tritt in
den Vordergrund und ist in das nationale Reformprogramm der Bundesrepublik
Deutschland zur Stärkung von Wachstum und Beschäftigung eingeflossen.
ZIEGLER und REHFELD zeigen unabhängig voneinander auf, dass die dazu gewonnene Entscheidungskompetenz der Bundesländer, als Empfänger der EFRE
Mittel förderwürdige Regionen selber auswählen zu können, zu einer Verabschiedung des Ausgleichsziels zugunsten einer stärkeren Wettbewerbsorientierung unter
gleichzeitiger Prioritätensetzung für das Wachstumsziel geführt hat.242 Während die
zunehmende Förderung von Wachstumskernen die Raumwirtschaftspolitik in den
neuen Bundesländern bereits seit einiger Zeit bestimmt,243 war dieser Trend in
Nordrhein-Westfalen weniger stark zu spüren. Hier haben – im Gegensatz zu den
östlichen Bundesländern – die ländlichen Regionen in der Mehrzahl geringere Arbeitslosenquoten und günstigere Bevölkerungsprognosen als die verdichteten Räume. Strukturprobleme, wie Innovationsschwäche, Gründungslücke sowie regionale
und innerstädtische Divergenzen des Landes NRW konzentrieren sich insbesondere
auf die MR und drohen durch weitere Bergbauschließungen verschärft zu werden.
Unter dem Stichwort der „regionalen Wirtschaftscluster“ spielte daher seit Mitte der
1990er Jahre die Orientierung an konkreten realwirtschaftlichen Konstellationen
(Unternehmen und Branchen) eine immer bedeutendere Rolle in den Förderpolitiken. Beschlüsse des Landeskabinetts drängten auf die stärkere Beteiligung von
Unternehmen an regionalen Netzwerken sowie die Einbindung der Verbundprojekte
kleiner und mittlerer Unternehmen in regionale Strukturen.244 Im Beschluss zur
‚Fortentwicklung der regionalisierten Strukturpolitik’ verweist das damalige
MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, MITTELSTAND UND TECHNOLOGIE DES
LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN auf die besondere Bedeutung regionaler
Cluster: „In den Regionen des Landes finden sich traditionell viele solcher Cluster
(…). Es gilt diese zu stärken und gleichzeitig nach neuen Verknüpfungsmöglichkeiten zwischen vorhandenen und neu entstehenden Unternehmen zu suchen“.245
242
ZIEGLER 2008, S. 648 und REHFELD 2009, S. 175
Das Programm "Innovative regionale Wachstumskerne" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gibt dort regionalen Kooperationsverbünden Starthilfe, die eine
klare Innovationsstrategie und besondere Kompetenzen in ihren Bereichen aufweisen.
244
Siehe HARMES-LIEDTKE, HOPPE, KREMER 2004, S. 303ff
245
Siehe MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, MITTELSTAND UND TECHNOLOGIE DES
LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN (Hrsg.) 1995: Fortentwicklung der regionalisierten
Strukturpolitik. Beschluss vom 14.03.1995. Düsseldorf
243
82
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Bezogen auf Clusterbildungen im Ruhrgebiet ging es dabei um die Zusammenführung verschiedener Förderlinien. Eine Strukturfördereinrichtung mit Koordinierungsfunktion wurde dementsprechend im Jahr 2000 in Form der ‚Projekt Ruhr
GmbH’ geschaffen, welche in der heutigen Wirtschaftsförderung Metropoleruhr
GmbH (WMR) aufging. Ausgehend von dem Anliegen, einen Beitrag zur Schaffung
und Erhaltung von Arbeitsplätzen zu leisten, setzte schon die Ziel 2-Förderung in
der Phase 2000 bis 2006 an vier verschiedenen Prioritäten an. Dazu gehörten Unternehmens- und Gründungsfinanzierung, Innovation und Kompetenzentwicklung,
innovationsorientierte Infrastrukturentwicklung sowie zielgruppenorientierte Förderung. Im Vergleich zur vorherigen Programmphase fiel bereits eine Umschichtung
der Finanzmittel zugunsten der Innovations- und Kompetenzentwicklung (indirekte
Unternehmensentwicklung) und zulasten der Infrastrukturförderung auf.
Diese Entwicklung begründete sich aus verändertem strukturpolitischem Handlungsbedarf nach der Phase der regionalisierten Strukturpolitik. Durch die intensive Förderung infrastruktureller Maßnahmen verfügen die Ziel 2-Gebiete NRWs Europaweit
zwar über die dichteste Landschaft an Aus- und Weiterbildungsstätten sowie Technologie- und Gründerzentren, jedoch waren diese Infrastrukturen – obgleich zentrale
Bestandteile einer regionalen Entwicklungsstrategie – hinsichtlich ihrer unternehmens- und wertschöpfungsorientierten Ausgestaltung häufig unzureichend. Dies
führte dazu, dass subventionierte, jedoch kaum ausgelastete Immobilien entstanden, und dass wesentliche Wachstumsimpulse, die zu nachhaltigen Beschäftigungseffekten hätten führen können, vor allem im Industriesektor ausgeblieben
sind.
Besonders in Nordrhein-Westfalen haben sich nach Auffassung von NOLL mittlerweile neue regionsspezifische Kompetenzen nach einer Phase der wirtschaftlichen
(Neu-)Orientierung herausgebildet, mit denen Regionen entweder eine gute Wettbewerbsposition einnehmen oder die Chance haben, diese zu gewinnen.246 Beispielhaft werden hier sowohl Duisburg, das sich heute als einer der modernsten
Stahlstandorte weltweit und als Logistikdrehscheibe für das westliche Ruhrgebiet
präsentiert, als auch Köln im Medienbereich, Bonn, Düsseldorf für die Bereiche Telekommunikation und IT sowie das östliche Ruhrgebiet für den Bereich Mikrosystemtechnologie als neue Kompetenzträger angeführt.
246
NOLL 2004, S. 256
83
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
3.4.2 Umsetzung des Ziel 2-Programms 2007 bis 2013 für NRW
Für das neue „NRW Ziel-2-Programm 2007 bis 2013“247 stellt die EU rund 1,3 Mrd.
Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) zur Verfügung. Zur Förderung und Sicherung von Beschäftigung werden durch den Europäischen Sozialfond (ESF) 700 Mio. Euro bereit gestellt. Erstmals stehen die Mittel des
Europäischen Strukturfonds allen Regionen in NRW zur Verfügung. Dabei erfolgt
die Vergabe der Fördermittel nun vornehmlich über Wettbewerbe auf Basis der
Cluster-Strategie des Landes. Aufgrund der laufenden Förderperiode und der Wettbewerbe konnte seitens des Ziel-2-Sekretariates nicht eingeschätzt werden, welcher
Mittelfluss in Projekte und Maßnahmen auf Ebene der Gebietskörperschaften im
Ruhrgebiet zu erwarten sei. Im Vergleich zur vergangenen Förderperiode muss an
dieser Stelle noch einmal betont werden, dass durch die veränderte Förderphilosophie (Wachstumsziel) und die Ausweitung der Fördergebietskulisse in gesamt NRW
nun in 396 Gemeinden eine deutliche räumliche Schwerpunktverschiebung zu Lasten der Ruhr-Kommunen stattgefunden hat.
Vor dem Hintergrund der dargelegten strategischen Neuausrichtung der EUStrukturpolitik, gefördert mithilfe von Finanzmitteln aus dem ‚Europäischen Fonds
für regionale Entwicklung’ (EFRE) einerseits sowie den in Kapitel 4 skizzierten landesspezifischen Problemen andererseits hat das MWME folgende Ausrichtung der
Ziel 2-Förderung für die Förderperiode 2007 bis 2013 verabschiedet: Das Oberziel
des Operationellen Programms formuliert als eindeutige Priorität die Stärkung der
Wettbewerbsfähigkeit des Landes, um die Probleme des unterdurchschnittlichen
Wirtschaftswachstums und der überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit zu lösen. Es
wird durch zwei Hauptziele und drei Schwerpunkte konkretisiert (siehe Abbildung
10).
Abbildung 10: Ober- und Hauptziele des Ziel 2-Programms NRW (EFRE)
Quelle: MWME NRW 2006, S. 47
247
Ziel 2: Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung
.
84
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Da die wirtschaftliche Entwicklung des Landes NRW bisher nicht den mit dem Lissabon-Prozess verbundenen Zielsetzungen entspricht – Defizite wurden anhand der
EU-Kriterien in Bezug auf Innovationstätigkeit (Anteil der FuE-Aufwendungen im
privaten und öffentlichen Sektor) und dem Anteil wissensbasierter Dienstleistungen
ausgemacht – nutzt die Landesregierung die Strukturfondsmittel in der Förderperiode ab 2007 dazu, die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft und die Vorbereitung auf
die Wissensgesellschaft landesweit(!) zu unterstützen. Diese landesweite Unterstützung soll über die funktionalen Verflechtungen der Unternehmen dazu führen, dass
Innovationspotenziale auch in strukturschwachen Räumen zum Tragen kommen
(Spill-Over-Effekte).248
Die Umsetzung der skizzierten Zielsetzung erfolgt über drei spezifische Ziele, denen
als „Säulen“ jeweils ein Programmschwerpunkt zugeordnet ist. Innerhalb der
Schwerpunkte werden Maßnahmen formuliert, welche die spezifischen Ziele weiter
konkretisieren.
Abbildung 11: Schwerpunkte und Handlungsfelder des Ziel 2-Programms
NRW (EFRE)
Quelle: MWME NRW 2006, S. 52
Mit dem Schwerpunkt „Stärkung der unternehmerischen Basis“ (Prioritätenachse 1)
und seinen spezifischen Zielen sollen Innovationen und Wachstum in bestehenden
und neuen KMU zielgerichtet unterstützt und Beschäftigung geschaffen werden.
Bestehende Unternehmen werden dabei im Innovations- und Modernisierungsprozess (Produkt-, Prozess-, Vermarktungsinnovationen etc.) unterstützt und Gründungen als Anbieter neuer Produkte, Verfahren, Ideen und Problemlösungen in ihrer
248
Siehe etwa VIEREGGE, DAMMER 2007, S. 24ff. Dazu kritisch ZIEGLER 2009, S. 260ff.
oder MÜLLER, STRÄTER 2008, S. 249
85
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Anfangsphase gestärkt, um eine Verbreiterung des Unternehmensbestandes zu
erzielen. Dies entspricht auch den Ansatzpunkten der ‚Strategischen Leitlinien’, welche die Förderung unternehmerischer Initiative und die Erleichterung von Firmengründungen sowie deren Expansion hervorheben.249
Da NRW im Vergleich mit anderen westdeutschen Bundesländern und den dynamischen Volkswirtschaften Europas insgesamt eine eher ungünstige Position im
Technologiewettbewerb einnimmt, entstand nach Auffassung der Landesregierung
vor allem Handlungsbedarf für eine regional ausgerichtete Innovationspolitik. Ein
zentrales Anliegen der Strukturpolitik des Landes NRW ist daher die Entwicklung
einer wissensbasierten, innovativen Ökonomie (Prioritätenachse 2). Entsprechend
dieser Strategie wird sich die Förderung auf sämtliche Bereiche des Innovationssystems konzentrieren, welche die eigentlichen Innovationen – die Umsetzung von Inventionen (neues Wissen, Technologien und Know-how) in marktgängige Produkte,
Verfahren und Problemlösungen – beinhalten. Durch das Stärken von Stärken und
die Schärfung regionaler Profile will die Landesregierung neue Potenziale für
Wachstum erschließen. Es wird dabei eine gezielte und konzentrierte Unterstützung
von Innovationsprozessen in leistungs- und wettbewerbsfähigen Clustern und
Schwerpunkten angestrebt, die besondere Kompetenzen aufweisen.250 Dabei sollen
bestehende Netzwerke und regionale Cluster thematisch konzentriert und abgestimmt sowie mittels der Installation von unterstützenden Clustermanagementmaßnahmen auf Landesebene Koordination und Kooperation ermöglicht werden.
Die Clusterförderung konzentriert sich als Ansatz für Regionen abseits mikrogeographischer Fördergrenzen – aber nicht als flächendeckendes Konzept – auf (inter)national herausragende Kompetenzen in NRW.
Bestehende Entwicklungshemmnisse (Prioritätenachse 3) sollen über die Förderung
im dritten Schwerpunkt aufgehoben werden. Die als Folge des tief greifenden Strukturwandels entstandenen, regionalen Disparitäten innerhalb NRWs verdeutlichen,
dass die Konvergenz der regionalen Entwicklung (vgl. Art. 158 EGV) neben der
Verpflichtung gegenüber den Zielen von Lissabon ein zentrales Ziel im Rahmen des
Strukturfondsprogramms des Landes bleiben muss. Aus- und Weiterbildung bzw.
Qualifizierung, also die Entwicklung individueller Kompetenzen gehören ebenso wie
die Technologieförderung, die Unterstützung von Unternehmensgründungen oder
die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen dazu.
Ziel der EFRE-Förderung ist es zudem, in benachteiligten Stadtteilen, in denen sich
ökonomische, gesellschaftliche, bauliche sowie ökologische Probleme konzentrieren, zur Bewältigung der Herausforderungen beizutragen. Das Ziel der Kohäsionspolitik, den sozialen Zusammenhalt zu fördern, ist auch auf kleinräumiger Ebene zu
249
250
MWME 2006, S. 47
MWME 2006, S. 76
86
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
verfolgen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Städte in NRW insgesamt nicht zu gefährden. Anders als vor Beginn der aktuellen Förderphase angenommen, setzte die
EU ihre Mittel nicht ausschließlich für die „neuen“ EU-Länder ein, sondern Bezug
nehmend auf die wachstumsorientierte Lissabon-Strategie EU-weit. Dies gilt spiegelbildlich auch für NRW.251
Abbildung 12: Prioritätensetzung des Ziel 2-Programms NRW (EFRE)
Quelle: MWME 2006, S. 59
Rund 50 Prozent der verfügbaren Finanzmittel werden ohne Gebietsabgrenzungen
für Innovationsförderung in NRW eingesetzt, ca. 20 Prozent für Existenzförderung
(Mittelstand). Der Wegfall der Gebietsabgrenzungen für ca. 70 Prozent der Mittel ist
eine wesentliche Änderung gegenüber der auslaufenden Förderperiode. Lediglich
ca. 30 Prozent der Fördergelder werden zukünftig in regional abgegrenzten städtischen Problembereichen des Landes eingesetzt. Vorrangiges Ziel der NRWClusterpolitik ist somit, ein günstiges Umfeld für Unternehmen zu schaffen und damit die Wettbewerbsfähigkeit der NRW-Wirtschaft zu stärken und die Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung zu verbessern.
Das neue Ziel 2-Programm für NRW verfolgt nach dem Ausstieg des MWME aus
den Regionalagenturen252 unter dem Leitbild „Stärken stärken“ eine deutliche Fokussierung auf den Bereich Innovationsförderung als zentrale Determinante unternehmerischer Wettbewerbsfähigkeit. Wesentliche Erfolgsfaktoren hierfür sind zum
einen der Technologie- und Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft,
zum anderen qualifizierte Arbeitskräfte sowie Netzwerke, die Kooperationen ermög-
251
MWME 2006, S. 48
Innovation, Wachstum (EFRE) und Beschäftigungsfähigkeit (ESF) sind institutionell zwischen zwei Ministerien getrennt. Die Entscheidung des Ministeriums für Arbeit Gesundheit
und Soziales (MAGS) beinhaltet die Fortführung der Zusammenarbeit mit den Regionalagenturen und regionalen Lenkungskreise, die für die Steuerung der Projekte des ESF eingerichtet wurden. Die Sozialpartner kritisieren, dass regionale Akteure durch die Aufgabe der
Zusammenarbeit mit den Regionalagenturen in ihren strukturpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten beschnitten werden
252
87
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
lichen. Daher zielt auch das Ziel 2-Programm nach Aussage des MWME darauf ab,
regionale Innovationsnetzwerke zu fördern, um Innovationen schneller und erfolgreicher realisieren zu können.
Ein Großteil der EU-Ziel 2-Fördergelder aus dem EFRE wird in der Strukturförderperiode ab 2007 durch Wettbewerbe und Ausschreibungsverfahren vergeben, die
sich an alle Regionen des Landes NRW richten. Dabei wird grundsätzlich zwischen
Wettbewerben, die sich auf die akkreditierten „NRW-Cluster“ beziehen und „RegioWettbewerben“, die thematisch offen ausgeschrieben werden und ihre Zielgruppe in
wachstumsstarken Clustern haben, unterschieden. Konsequenz für das Ruhrgebiet
als Region mit besonderem Gründungs- und Mittelstandsdefizit ist eine verschärfte
Konkurrenzsituation bei der Vergabe dieser Gelder.253
Eine Region wird unter Vergabe- bzw. Bewilligungsaspekten zu einem räumlich,
regionalen Cluster, wie sich die Akteure unter Cluster-Aspekten als solche über administrative Grenzen hinweg konstituieren. Hierfür gibt es bereits Beispiele – auch in
NRW. Die ‚Metallregion’ rund um das bergische Städtedreieck (Remscheid, Wuppertal, Solingen) erstreckt sich geographisch von Velbert nach Schwelm bis in die
MR und umfasst unterschiedliche Kompetenzschwerpunkte der Metallverarbeitung.254 Im Zuge der strukturpolitischen Änderungen werden solche „Regionen“ nicht
mehr die kooperationsorientierte Ausnahme, sondern die clusterpolitisch motivierte
Regel sein.255 Vor allem die öffentlichen und intermediären Institutionen müssen
dabei effiziente übergreifende Zusammenhänge schaffen, die Selbstständigkeit gegenüber ihren Herkunftsregionen aufweisen müssen.
DÖRRE kritisiert diese von ihm als Wettbewerbsregionalismus bezeichnete Vergabe
von Finanzmitteln, da sie seines Erachtens tradierte regionalpolitische Zielsetzungen, wie z.B. den Ausgleich und die Überwindung regionaler Disparitäten
faktisch aufgibt, stattdessen die Konkurrenz zwischen den Regionen forciert und so
zumindest indirekt eine Vertiefung sozialräumlicher Ungleichheiten herbeiführt. Mit
ihrer Entscheidung, Fördermittel über Wettbewerbe auszuschreiben, signalisiert die
öffentliche Hand seines Erachtens eindeutig, sich von einer Förderung ‚in der Breite’
zu lösen und das Prinzip ‚Stärken stärken’ zur verbindlichen Grundlage zu machen.256
253
MNISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, MITTELSTAND UND ENERGIE NRW 2006, S. 1ff
Siehe etwa PCG-PROJECT CONSULT GmbH 2005 in einem Bericht zu den Perspektiven der Metallwirtschaft der Region Velbert/Niederberg für die Hans Böckler Stiftung
255
In politisch motivierten Clustern findet Förderung aufgrund politischer Interessen statt,
ohne dass gewährleistet werden kann, dass eine kritische Wertschöpfungsmasse erreicht
werden kann. Dazu auch KIESE, SCHÄTZL 2007, S. 13
256
DÖRRE, RÖTTGER 2005, S. 217
254
88
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
3.4.3 Beurteilung der Clusterpolitik in NRW aus Akteurssicht
Sowohl die durch das Operationelle Programm (OP) determinierten Vergaberichtlinien als auch die operationelle Förderpraxis des MWME haben bei Wirtschaftsförderern, Gewerkschafts- und Arbeitgebervertretern der Region einen kritischen Diskurs
ausgelöst.
HEINZE sieht trotz vorhandener Ausgleichskomponenten im Operationellen Programm eine stille Verabschiedung von der Maxime „Ausgleich“ sowie der Orientierung an gleichwertigen Lebensverhältnissen, da räumliche Polarisierungsprozesse
durch struktur- und raumordnungspolitische Maßnahmen kaum noch begrenzt würden, Regionen vielmehr auf sozialen Desintegrationsprozessen verharren. Darüber
hinaus wird der durch langfristige sozioökonomische Wandlungsprozesse vorangetriebene Trend zur regionalen Spezialisierung bei gleichzeitiger Globalisierung
(„Glokalisierung“) in der regionalen Strukturpolitik erkannt und durch die Förderung
von „Wachstumskernen“ sogar noch massiv unterstützt. Somit sind als Ergebnis
regionale Polarisierungsprozesse nicht nur zwischen Ost- und Westdeutschland,
sondern vielmehr zwischen traditionellen Industriestandorten und expandierenden
Wachstumsregionen, wie etwa München oder Hamburg, zu konstatieren.257
Die in NRW praktizierte Clusterpolitik ist an der Stärkung wirtschaftlicher Wachstumspole orientiert. Dabei dominiert nach Expertenmeinung allerdings ein zu sehr
technokratisches Innovationsverständnis, das sich an High-Tech-Bereichen orientiert sowie an selektiven Wachstumsfeldern und ökonomischen Excellencen ausgerichtet ist. Dadurch aber wird die regionale Strukturpolitik verändert. Es werden unternehmensstrategische Konzepte und betriebswirtschaftliche Kosten-NutzenKalküle auf die Region übertragen und regionale Entwicklungspotenziale unter dem
Maßstab globaler Wettbewerbsfähigkeit gestellt. Gleichzeitig werden aber durch die
Fördermittelvergabe Lösungen für städtische Problemgebiete zweitrangig bedient.
Der regionalpolitische Steuerungsanspruch wird auf die politische Moderation einer
technologiefokussierter Innovationen beschränkt. Die Entwicklung von Humanressourcen und eine weitere Akteursbeteiligung (z.B. der Gewerkschaften wie in der
regionalisierten Strukturpolitik) am Veränderungsmanagement bleiben außen vor.
Die regionale Strukturpolitik wird von der Politik, wissensintensiven Unternehmen
und verbundenen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen dominiert. KMU außerhalb der definierten Cluster und soziale und nicht wettbewerbsorientierte Politikbereiche werden vernachlässigt. Der politische Kontext der Clusterförderung führt
zu einer hohen Relevanz der Technologieförderung und wissenschaftsnaher Vernetzung. Er übersieht, dass gerade die Umsetzung in Produkte und Dienstleistungen der zentrale Engpass im Innovationsgeschehen ist und die Bedeutung der fachlichen Kompetenzen der Beschäftigten in den bisherigen Ansätzen vernachlässigt
257
HEINZE 2006, S. 117f.
89
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
wird. Der ausgleichsorientierte Kontext der Strukturpolitik ist von der Legitimation
und Logik auf Ausgleich ausgerichtet, nicht auf Konzentration. Die im Rahmen der
Arbeit geführten Expertengespräche unterstreichen dies.
Insbesondere lokale Wirtschaftsförderer im nördlichen Ruhrgebiet kritisierten im
Rahmen der Erhebungen die landesweite Vergabe von Ziel-2-Finanzmitteln und
bemerkten, dass das Land NRW Fördergelder ausschließlich erhalte, weil das nördliche Ruhrgebiet in besonderem Maße von Brüchen des noch immer andauernden
Strukturwandels betroffen sei. Zusätzliche Finanzmittel, welche über die dem Ausgleichsziel dienenden Ziel 2-Gelder hinausgingen, seien daher insbesondere vor
dem Hintergrund der vorläufigen Stilllegungsbeschlüsse der Bergbaustandorte erforderlich.258
Der DGB Bezirk NRW und die einzelnen DGB Regionen äußerten sich zu einem
frühen Zeitpunkt zur Neuorientierung der strukturpolitischen Debatte und verfassten
zu den Eckpunkten des Entwurfes des Operationellen Programms der Landesregierung in 2006 eine dezidierte Stellungnahme.259 Darin verweist der DGB auf bestehende, funktionierende Netzwerk- und erfolgreiche Kooperationsstrukturen in den
Regionen, die im Rahmen der regionalisierten Strukturpolitik entstanden sind. Diese erfolgreichen Aushandlungsmechanismen in regionalen Kooperationskontexten
drohen nach Auffassung des DGB im Rahmen einer ausschließlich projektbezogenen Vergabe von Fördermitteln zerschlagen zu werden.260 Das vorrangig geltende
Leitbild zur Wachstumsstärkung und die Vernachlässigung des strukturpolitischen
Konvergenzziels beurteilt der DGB kritisch. Begründet wird dies vor dem Hintergrund, dass die Wirtschaftsstandorte des Ruhrgebiets weniger entwickelt als andere
Standorte in NRW sind und nach wie vor unter dem montanindustriellen Wandlungsdruck stehen. Es wird daher gefordert, die Entscheidungen über den Einsatz
der Finanzmittel in den „städtischen Problemgebieten“ weiterhin von den regionalen
Wirtschafts- und Sozialpartnern (u.a. Wirtschaftsförderern, Kammern, Gewerkschaften etc.) treffen zu lassen. Daher steht der DGB auch einer Zentralisierung der zukünftigen Kooperation zwischen dem Land NRW und den Regionen (durch die Einrichtung einer Jury zur Bewertung von Wachstums- und Innovationspotenzialen der
Projekte) ablehnend gegenüber. Kooperative Zusammenarbeit verlangt nach Ansicht des DGB eine regionalisierte Strukturpolitik unter Beibehaltung institutioneller
Anknüpfungspunkte für eigenverantwortliche Regionalentwicklung. Die Umsetzung
der auf Europäischer Ebene im Rahmen der Lissabonstrategie vorgegebenen Ziele
‚regionale Wettbewerbsfähigkeit’ und ‚Beschäftigungsaufbau’ erfordert nicht ausschließlich die Kooperation der Landesregierung mit einzelnen Akteuren. Struktur-
258
INTERVIEW VERBANDSVERTRETER I sowie INTERVIEW KOMMUNALVERTRETER I
Das MWME hatte u.a. den DGB angeschrieben und zu einer Stellungnahme des Entwurf
des Operationellen Programms eingeladen. Dazu auch INTERVIEW
GEWERKSCHAFTSVERTRETER III
260
DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND, ÖSTLICHES RUHRGEBIET 2006, S. 3f.
259
90
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
wirksamer, so wird argumentiert, sei stattdessen der Auf- und Ausbau regionaler
Netzwerke, die ihrem Selbstverständnis nach die endogenen Potenziale einer Region nutzen und weiterentwickeln können. Eine ausschließliche Strukturförderung zur
Forcierung „bester Ideen“ losgelöst von regionalen Zusammenhängen (bzw. der
ausschließlichen Weiterförderung bereits bestehender Netzwerke wie der
‚ChemSite’-Initiative) entspricht nur bedingt der Bedeutung der Netzwerkförderung
für betriebliche und regionale Innovationsprozesse.261
Der DGB schlägt daher ein beteiligungsorientiertes Konzept zur integrierten Förderung von Beschäftigung und Wirtschaft vor, das über die völlig unzureichenden administrativen Handlungshorizonte einzelner Kreise und Kommunen hinaus gehen
sollte.262 Zu diesem Zwecke müssten auch Ziel 2-Projektantragsrechte für Betriebsräte geschaffen werden. Die Auswahl der Wertschöpfungscluster, Branchen und
Kompetenzen dürfe sich nicht auf eine kleine Anzahl zentral festgelegter (vermeintlicher) Zukunftsbranchen mit geringen Beschäftigungseffekten beschränken. Nach
Ansicht des DGB kommt es darauf an, beschäftigungsintensive Betriebe und Branchen, die in eine Krise kommen könnten, (z.B. die Bergbauzulieferer) nicht von den
Strukturfondsmitteln auszuschließen.263 Eine Vorabreduzierung auf zentral definierte
Zukunftsbereiche sei in einem Land wie NRW mit diversifizierter ökonomischer
Struktur für die große Mehrzahl der Beschäftigten und Betriebe wenig hilfreich. Eine
wettbewerbsorientierte Verteilung von Fördergeldern jenseits des regionalen Konsenses stellt nach Meinung von Gewerkschaftsvertretern eine Renaissance des
strukturpolitischen Top-Down-Prinzips und eine Alleinentscheidung auf Landesebene dar.264
Die Aussage seitens der NRW-Landespolitik, dass der Strukturwandel abgeschlossen sei, verkenne, dass nach Arbeitsplatzverlusten in Industrie und Bergbau eine
neue Basis mithilfe zusätzlicher Finanzmittel notwendig sei.265 Schließungen von
Industriebetrieben wie Bergbaustandorten, verlangen sowohl eine Kompensation
des Niedergangs unter Tage sowie zur Entwicklung und Vermarktung von Industrieflächen über Tage.266
Neben Irritationen beim Start der Cluster Wettbewerbe – die Verkündung der Anfangstermine sowie die Anzahl geplanter Ausschreibungen war mit großen Unsi-
261
DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND – REGION EMSCHER-LIPPE 2006, S. 2f.
DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND – BEZIRK NRW 2006, S. 8
263
Eine Einschätzung, die auch REHFELD teilt (REHFELD 2005, S. 228)
264
Die im Rahmen der regionalisierten Strukturpolitik und der Montanwirtschaft und Montanmitbestimmung ausgehenden Kooperationen und Strukturen zeichneten sich durch produktive Konfliktpartnerschaft aus, siehe BOSCH, et al. 2007. Demontage oder Revitalisierung, Kölner Zeitschrift für Soziologie Erfolgreiche strukturpolitische Initiativen wären ohne
diesen kooperativen und regionalisierten Arbeitsansatz kaum möglich gewesen. Siehe
WEBER 2004, S. 277ff.
265
INTERVIEW POLITIKVERTRETER I ähnlich KOMMUNALVERTRETER II
266
INTERVIEW KOMMUNALVERTRETER II
262
91
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
cherheiten auf Seiten der Bewerber verbunden – wird seitens der Gewerkschaften
insbesondere die technokratische Ausrichtung der Wettbewerbe, unter anderem
bedingt durch die Besetzung der Jurys mit Fachleuten, kritisch gesehen.267 Die Förderung von Netzwerken wird von Wirtschaftsförderern und Arbeitgebervertretern in
einzelnen branchenbezogenen Wettbewerben ebenso wenig chancenreich eingeschätzt, da sich die Ausschreibungen auf die Förderung technologischer Innovationen und Infrastrukturen beschränken. Zudem ist die Förderung von Netzwerken im
Wettbewerb ‚Regiocluster’ nach Informationen der WMR explizit für jene Themen
ausgeschlossen, die über die übrigen Landeswettbewerbe abgedeckt sind.268
Das Land fördert daher, wie seitens der Gewerkschaftsvertreter bereits im Vorfeld
der Erhebungen befürchtet und angemerkt269, die besten Ideen möglicherweise losgelöst von regionalen Zusammenhängen und wird selbst im Falle der ausschließlichen Weiterförderung bereits bestehender Netzwerke (z.B. der ‚ChemSite’-Initiative)
der enormen Bedeutung der Netzwerkförderung für betriebliche und regionale Innovationsprozesse nur bedingt entsprechen können.270
Durch die im Unterschied zur vorgegangenen Förderphase zusätzlich vorgeschalteten Wettbewerbe hat sich auch das Entscheidungsverfahren additiv verlängert. Beginnend mit der Abgabe der Projektskizzen schließt sich aktuell ein (zu)
langer Entscheidungsprozess an, welcher bis zum Bewilligungsbescheid ein Jahr
andauern kann. Ein Beispiel ist der seit Mai 2008 laufende Wettbewerb ‚Wissensintensive Produktion und Dienstleistungen’. Bis zum 22. August 2008 konnte ein Unternehmen dazu einen Vorschlag zwar abgeben, jedoch nicht vor Ende des Jahres
Rückmeldung erhalten, ob es zu jenen Auserwählten zählt, die einen weiterführenden Antrag einreichen können. Erst im zweiten Quartal 2009 erfährt es verbindlich,
ob die eingereichte Idee gefördert wird. Im Falle einer Absage ist es schwierig, einen Überblick über thematische und auch räumliche Schwerpunkte der Entscheidungsstruktur zu ermitteln, da Ablehnungen im Einzelfall unbegründet bleiben. Für
die weiteren Entscheidungen in den Wettbewerben wäre nach Einschätzung von
Interviewpartnern daher anzuregen, die Transparenz über die Ergebnisse insgesamt
zu erhöhen sowie qualifizierte Absagen zu übermitteln. Nicht in allen Wettbewerben
sind die Juroren zudem öffentlich genannt worden. Im Kontext mit hoch innovativen
Projekten wird seitens der Unternehmen immer wieder nach dem Auswahlverfahren
und dem Kreis der Beteiligten gefragt. Es waren Vorbehalte spürbar, verbunden mit
267
INTERVIEWS GEWERKSCHAFTSVERTRETER II und III sowie Teil der Diskussion im
Rahmen der Workshops „Entwicklungsperspektiven der Bergbaustandorte“ der HBS vom
23.06.2008 in Düsseldorf
268
INTERVIEWS WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG I und VERBANDSVERTRETER II
269
Explorartives INTERVIEW GEWERKSCHAFTSVERTRETER I
270
Ein Vertreter des MWME bemerkte im Interview, dass von Seiten der Gewerkschaften
bislang kein Wettbewerbsbeitrag eingegangen sei, und regte an, die Chance im Rahmen der
Wettbewerbsverfahren zu nutzen.
92
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
der Sorge, dass Informationen über Projektinhalte zu möglichen Mitbewerbern gelangen könnten.271
Zudem wird der seitens der Politik herausgestellte Bürokratieabbau im Zuge des
Vergabeverfahrens von Wirtschaftsförderern in Frage gestellt.272 Wollen KMU von
dieser Förderung im Rahmen der Wettbewerbe profitieren, folgt – bedingt durch die
zu erbringenden Eigenanteile von bis zu 50 Prozent – die oftmals mühsame Suche
nach geeigneten Verbundpartnern und nach einer passgenauen rechtlichen Konstruktion, durch die eine Förderung im Verbund überhaupt erst möglich ist. Dementsprechend ist eine Förderung für viele KMU von Beginn an unattraktiv, obgleich gerade die kleinen und mittleren Unternehmen aufgrund ihrer hohen Spezialisierung
entscheidend zur erfolgreichen Entwicklung eines Clusters beitragen.
Auch in den Ruhrkommunen, insbesondere der nördlichen Teilregion, stünden vorhandene Haushaltsdefizite einer Co-Finanzierung mit Eigenanteilen entgegen.273 Zu
erwarten sei, dass aufgrund der Handlungsunfähigkeit der privaten und öffentlichen
Hand, EU-Finanzmittel an der Region vorbeigingen. Als mögliche Folge bezeichnen
Arbeitnehmervertreter die Erhöhung des Abwanderungsdrucks auf qualifizierte Arbeitskräfte, welche in prosperierende Regionen – auch innerhalb NRWs – abwandern könnten.274 Generell stufen Gewerkschafter die Repräsentation der Arbeitnehmer in der Strukturpolitik als (zu) gering ein, da auch die Verweigerung von Projektantragsrechten für Betriebsräte spezifische Arbeitnehmerinteressen und damit einen
Teil der regionalen Gegebenheiten weitgehend ausblende.275 Die Integration der
Lissabon-Strategie in die Regionalpolitik der EU-Strukturfonds und in die Landespolitik führte zu einer starken Betonung der Förderung von Innovationsprozessen. Diese sind in ihrer räumlichen Ausdehnung nicht auf engräumige Fördergebiete, wie
auf die Teilräume der MR in der Strukturförderperiode bis 2006, zu begrenzen. Neben der beschriebenen Ausgangssituation in den Bergbauregionen leitet sich folglich auch aus dieser Entwicklung ein erhöhter Handlungsbedarf für diese Landesteilen ab. In den nachfolgenden Kapiteln werden daher bestehende räumlich fokussierte sowie branchenorientierte Konzepte und Instrumente öffentlicher und privater
Akteure skizziert und erörtert.
271
INTERVIEW WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG I
WORKSHOP bzw. Gruppendiskussionsverfahren am 23.06.2008
273
INTERVIEW VERBANDSVERTRETER I
274
INTERVIEW GEWERKSCHAFTSVERTRETER IV
275
INTERVIEW GEWERKSCHAFTSVERTRETER III und V
272
93
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Kurzbewertung
Aus den Ausführungen der Gesprächspartner und der Auswertung der Literatur wird
deutlich, dass die strukturpolitische Neuorientierung in Nordrhein-Westfalen kritisch
hinterfragt wird und die Ausgleichsfunktion und das Kohäsionsziel der Strukturpolitik
vor dem Hintergrund der nach wie vor hohen intraregionalen Disparitäten und des
anhaltenden Wandels im Ruhrgebiet nach Ansicht der befragten Akteure zu kurz
kommen. Der Clusteransatz in der NRW-Strukturpolitik ist in der Summe der Kritik
zu sehr auf Wachstumspole beschränkt und an einem technokratischen Innovationsverständnis und an selektiven Handlungsfeldern orientiert, dies gilt etwa für KMU
außerhalb der definierten Cluster.276 Die über viele Jahre hinweg aufgebauten und
etablierten regionalen Konfliktpartnerschaften und die beteiligungsorientierten Ansätze werden mit dem Erstarken des „Top-Down“ Ansatzes und dem themenfokussierten Wettbewerbsansatz um Fördermittel konterkariert.277 Dabei sind - wie in Kapitel 2 dargelegt wurde - in der Antizipation, im Umgang und in der Bewältigung von
Krisen, Restrukturierungen und im strukturellen Wandel besonders Dialog, der sozialpartnerschaftliche, beteiligungsorientierte und vertrauensvolle Umgang miteinander von Bedeutung. Der seitens der FDP-Landtagsfraktion entwickelte Vorschlag,
eine Sonderwirtschaftszone278 in der Metropolregion Ruhr einzurichten279, ist gerade
vor dem Hintergrund, dass die Idee der Einführung von Sonderwirtschaftszonen für
die östlichen Bundesländer längst ad acta gelegt worden ist, sinnbildlich für die verzweifelt anmutende Suche nach neuen Ansätzen zur weiteren Revitalisierung der
Region und ist dementsprechend vielmehr als Indikator für den Bedarf an neuen,
innovativeren Revitalisierungsstrategien zu interpretieren. Die im Ruhrgebiet lange
Jahre praktizierten integrierten Ansätze und die Formen der beteiligungsorientierten
Regionalpolitik im Sinne der systematischen Einbeziehung regional relevanter Akteure werden zu sehr ausgeblendet, gefragt sind aber mehr denn je „fruchtbare Allianzen“ und partnerschaftliche Kooperationsstrukturen für das erforderliche „Change
Management an der Ruhr“.280
Das nachfolgende Kapitel skizziert die strukturellen Probleme des Ruhrgebiets anhand der Analyse einiger zentraler Indikatoren, die den Handlungsdruck zur Bewältigung des strukturellen Wandels vor dem Hintergrund der Beschlüsse des „Auslaufbergbau“ und die Erfordernisse des „Change Managements“ im Ruhrgebiet verdeutlichen.
276
STRÄTER 2008, S. 15
DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND – BEZIRK NRW 2007, S. 5
278
Ein geographisches Gebiet innerhalb eines Staates, in dem die Gesetzgebung in Bezug
auf das Wirtschafts- und Steuerrecht anders ist als im Rest des Staates.
279
Siehe LAGEMANN, BAUER, DÜRIG 2007, S. 10ff.
280
Siehe HEINZE 2006b, S. 14 und S. 5
277
94
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
4 Sozio-ökonomische Ausgangslage im Ruhrgebiet
Ökonomische Veränderungsprozesse, soziale und demographische Entwicklungen
haben für viele deutsche Regionen ein schwieriges Umfeld geschaffen. Regionale
Wachstums- und Schrumpfungsprozesse verlaufen zeitlich und räumlich parallel.
Ungleichheit ist nach MÜLLER und STRÄTER ein zentrales Merkmal der räumlichen Entwicklung in Deutschland geworden.281 Der anhaltende industrielle und gesellschaftliche Strukturwandel hat dazu geführt, dass es eine Reihe von Verlierern
dieses Prozesses gab. In den vergangenen Jahren standen verstärkt die regionalwirtschaftlichen Aufhol- und Abstiegsprozesse ostdeutscher Regionen im Fokus der
politischen Tagesordnung, weniger Fragen der strukturellen Verwerfung im Ruhrgebiet.282 Die einschneidenden Restrukturierungen von Unternehmen wie BenQ
(Kamp-Lintfort), Nokia (Bochum), die Krise um Opel (Bochum) und das Klagen vieler Gemeinden im Ruhrgebiet, um die nicht mehr zu erbringenden Transferleistungen für den Aufbau Ost sowie die Beschlüsse zur Beendigung der subventionierten
Steinkohleförderung, rücken auch das Ruhrgebiet wieder in den Fokus regionalwirtschaftlicher Diskussionen.283 Betrachtet man die Debatte um den nationalen und
internationalen Standortwettbewerb werden die deutschen Montanreviere Saarland
und Ruhrgebiet auch als „Abstiegsregionen“ und „Schrumpfungsregion“ bezeichnet.284 Denn regionale Problemlagen treten im Zuge von lang anhaltenden Anpassungsproblemen traditioneller Industrieregionen räumlich konzentriert auf.285 Entsprechend nehmen dualistische Entwicklungen zwischen Gewinner- und Verliererregionen zu. Letztere sind durch die Kumulation von sozialen, städtebaulichen und
ökonomischen Problemlagen und vor allem durch eine hohe strukturelle Arbeitslosigkeit gezeichnet.286
Um die wirtschaftliche Entwicklung der Kohlegebiete NRWs im Zusammenhang mit
den Revitalisierungsstrategien und vorliegenden Entwicklungskonzepten besser
einschätzen zu können, erfolgt eine kurze Analyse des Untersuchungsraumes unter
Berücksichtigung vorhandener Entwicklungspotenziale sowie -hemmnisse. Für das
Ruhrgebiet wird daher eine Stärken- und Schwächenanalyse anhand folgender Kriterien vorgenommen:
¾ Funktionale Kernkompetenzen
281
MÜLLER, STRÄTER 2008, S. 250
Siehe ELTGES 2008, S. 535
283
Das Ruhrgebiet als Agglomeration und wirtschaftlicher Kernraum in NRW mit mehr als 5
Mio. Einwohnern und seinen seit Ende der 1950er Jahre anhaltenden wirtschaftlichen Wandlungsprozess steht geradezu zwangsläufig für ein „Laboratorium“ regionalwirtschaftlicher
Entwicklungsstrategien und Wahrnehmungsraums des bisweilen sozialverträglichen Strukturwandels. LACKMANN 2008, S. 583 sowie HEINZE 2006b, S. 5ff.
284
Dazu das BERLIN-INSITUT FÜR WELTBEVÖLKERUNG UND GLOBALE
ENTWICKLUNG 2004, S. 58: „Das Revier steigt ab“
285
Siehe dazu insbesondere Kapitel 4 der vorliegenden Arbeit
286
SCHRUMPF 2004, S. 97 dazu auch STROHMEIER 2002 unter dem Titel „Bevölkerungsentwicklung und Sozialraumstruktur im Ruhrgebiet“.
282
95
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
¾ Bevölkerungsentwicklung
¾ Wirtschaftsstruktur
¾ Beschäftigung und Qualifikation
¾ Einkommen und Kaufkraft
4.1
Funktionale Kernkompetenzen
Das Ruhrgebiet, in der Arbeit als Region in den Grenzen des Regionalverbandes
Ruhr (RVR) zu verstehen, kann heute aufgrund der industriellen und siedlungsstrukturellen Entwicklung zu einem polyzentrischen Verdichtungsraum als wirtschaftliches, technologisches und kulturelles Zentrum von Europäischem Rang bezeichnet
werden. Das Land NRW hat als erstes Bundesland das neue strategische Raumbild
der „Metropolregion“ aufgegriffen und die „Europäische Metropolregion Rhein-Ruhr“
mit dem Teilraum Ruhrgebiet als landesplanerisches Ziel im Landesentwicklungsplan von 1995 verankert. Die Städte des Regionalverbandes Ruhr dagegen definieren sich dagegen selbst als „Metropole Ruhr“.287 Der Begriff „Metropole“ beschreibt
sowohl eine funktionale als auch eine räumliche Dimension. Im funktionalen Sinne
kann eine Metropolregion ein Standortraum metropolitaner Einrichtungen sein, dass
heißt, großräumig wirksame Steuerungs-, Innovations- und Dienstleistungsfunktionen beinhalten. Diese wirken insofern als Motoren der Regional- und Landesentwicklung, da sie über die Grenzen der Region Ausstrahlungseffekte erzeugen.
Aus politisch-planerischer Sicht wird eine Metropolregion zu einem kooperativen
Handlungsraum unterschiedlicher Akteure, die sich gemeinsam zur Entwicklung der
Region verpflichtet fühlen.288 Im räumlichen Sinne besteht eine Metropolregion aus
einer oder mehreren nahe beieinander gelegenen großen Städten einschließlich
ihrer Umlandräume, soweit diese eine vergleichbare Standortqualität besitzen.289 Im
politisch-normativen Konzept der Metropolregion werden diese als „Kooperationsräume im Sinne eines regionalen Entwicklungs- und Wachstumsbündnisses“ identifiziert, die “…neue Rollen bei der Produktion, Koordination und Pflege jeweils lokalspezifischer Organisationen spielen sollen, von denen internationale Wettbewerbsfähigkeit zunehmend abhängen [wird]“. (DANLIEZYK, KNAPP, SCHULZE 2008, S.
549). Regionale Akteure sind entsprechend dieses Ansatzes aktive Handlungsfiguren innerhalb des Verflechtungsraumes. Alle Strategien und Ansätze der sozioökonomischen Entwicklung können nur durch arbeitsteilige Strukturen auf der loka-
287
Ausführlich und kritisch dazu DANIELZYK, KNAPP, SCHULZE 2008, S. 550
Ebenda, siehe auch ADAM, et al. 2005, S. 472 und die Ausführungen zu PolicyNetzwerken in Kapitel 3 der vorliegenden Arbeit
289
BLOTEVOGEL 2006, S. 28
288
96
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
len Ebene in der Region verwirklicht werden290 (siehe dazu auch Kapitel 5.1.2 der
vorliegenden Arbeit).
Tabelle 5 beschreibt Funktionen und Standortmerkmale, die Metropolen charakterisieren.291 Das Ruhrgebiet als Metropolregion weist Defizite hinsichtlich der Entscheidungs- und Kontrollfunktion auf, dies bezieht sich zumindest bis 2009 auch auf
das Fehlen regionalplanerischer Kompetenzen292 und ist weder staatlicher Regierungssitz noch Standort internationaler (non) governmental organisations. Es füllt
hingegen mit der vorhandenen Wissenschafts- und Kulturlandschaft, der Verkehrsinfrastruktur sowie ihren Messe- und Ausstellungsstandorten die erforderlichen Innovations- und Wettbewerbs- bzw. Gateway-Funktion des Metropolregionen Konzeptes ganzheitlich aus.
290
Bislang war es allerdings politisch nicht gewollt, regionalplanerische Kompetenzen auf
den RVR zu übertragen, auch die Aufgaben eine gemeinsame Wirtschaftsförderung auf
regionaler Ebene wurde erst gegründet, als das Land NRW es zur Pflichtaufgabe des Regionalverbandes gemacht hat.
291
DANIELZYK, KNAPP, SCHULZE 2008, S. 551
292
Dann erhält die MR nach mehr als 30 Jahren ihre Planungshoheit zurück. Der Landtag
NRW hat in der Sitzung am 24. Mai 2008 zugestimmt, die Regionalplanung für die Metropole
Ruhr ab 2009 auf den Regionalverband Ruhr zu übertragen. Bisher liegt die Regionalplanung für das Ruhrgebiet zersplittert bei den Bezirksregierungen in Düsseldorf, Münster und
Arnsberg.
97
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Tabelle 5: Funktionen und Standortmerkmale der Metropole Ruhr
Funktionen von Metropolen
Metropole
Ruhr
Abgeleitete Merkmale
Entscheidungs- und Kontrollfunktion
Privatwirtschaft
Headquarter großer nationaler und transnationaler Unternehmen, Finanzwesen:
Banken, Börse usw.; breites Spektrum
hochspezial. Dienstleister
Staat
Regierungssitz
X
Sonstige Organisationen
Supranational (Z.B. : EU, UN), internationale NGOs
X
Innovations- u. Wettbewerbsfunktion
(Generierung und Verbreitung von Wissen,
Einstellungen, Werten, Produkten)
Wirtschaftlich-technische Innovationen
F&E-Einrichtungen, Universitäten,
sensintensive Dienstleister
wis-
Soziale und kulturelle Innovationen
Kulturelle Einrichtungen (Theater, Museen,
Großveranstaltungen usw.), Orte sozialer
Kommunikation (Gaststätten, Sport usw.)
Gateway-Funktion
Zugang zu Menschen
Fernverkehrsknoten, insb.
ICE- und Autobahnknoten
Luftverkehr,
Zugang zu Wissen
Medien (Fernsehen, Printmedien usw.)
Kongresse, Bibliotheken, Internet-Serve
Zugang zu Märkten
Messen, Ausstellungen
Quelle: eigene Darstellung nach BLOTEVOGEL 2006, S.31
Das von Regionalpolitikern und insbesondere dem RVR geprägte Bild der Metropolregion Ruhr dient nach Einschätzung von HEINZE primär dazu, die Erneuerungsbestrebungen der Ruhrwirtschaft ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Dies geschieht insbesondere anhand der Vermarktung der Cluster IT- und Gesundheitswirtschaft und der Bewusstseinsstärkung der kulturellen und räumlichen Erneuerungen,
die das Ruhrgebiet mit der IBA und der Ernennung zur Kulturhauptstadt 2010 erfahren hat und erfahren wird.293 Das Konzept kann als eine auf Wirtschaftsdynamik und
Zukunftsstandorte sowie attraktive Wohn- und Freizeitbedingungen setzende
293
Siehe HEINZE 2006, S. 124
98
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Standortargumentation im internationalen Wettbewerb gekennzeichnet werden. Ob
das Ruhregbiet allerdings jenseits der strategisch intendierten Standortpositionierung und zum Imagegewinn als „Metropolregion“ bezeichnet werden sollte, in die
administrativ immer noch von drei Regierungsbezirken (Düsseldorf, Münster,
Arnsberg) hineinregiert wird, sei an dieser Stelle dahin gestellt.
4.2
Bevölkerungsentwicklung
Das Ruhrgebiet ist mit insgesamt 5,25 Mio. Einwohnern nach Paris, Moskau, London und Istanbul der Fünft größte Ballungsraum Europas. Damit hat das Ruhrgebiet
einen Anteil von 6,4 % an der nationalen Gesamtbevölkerung. Die Einwohnerdichte
reicht von 455 Einwohnern je qkm im Kreis Wesel bis zur höchsten Dichte von 3.277
Einwohnern je qkm in Herne (Durchschnitt 1.179 Einwohner je qkm).294 In drei Städten wohnen ca. eine halbe Million und mehr Menschen.
Tabelle 6: Die fünf größten Städte in der Metropole Ruhr
Stadt
Einwohnerzahl
Dortmund
586.909
Essen
582.140
Duisburg
496.665
Bochum
381.542
Gelsenkirchen
264.765
Quelle: LANDESAMT FÜR DATENVERARBEITUNG UND STATISTIK (2008b)
Bevölkerungsentwicklung und -struktur waren im Ruhrgebiet schon immer eng mit
der wirtschaftlichen Entwicklung verbunden. Nach dem rasanten Bevölkerungsanstieg während der Industrialisierung und der Gründerphase nach 1870 setzte mit
den Kohle- und Stahlkrisen in den 1970er Jahren erstmals ein Rückgang ein.295 Viele Familien und Akademiker wanderten insbesondere in die aufstrebenden Wachstumsräume des südlichen Deutschland ab, um dort neue Arbeitsplätze zu finden.
Die Umstrukturierungen und Transformationsprozesse im Zuge der Öffnung der
ehemaligen DDR führten nur kurzeitig zu einem erneuten Bevölkerungswachstum
im Ruhrgebiet. Seit 1993 befindet sich die Region in einem kontinuierlichen
Schrumpfungsprozess und koppelt sich zunehmend von der Entwicklung des Landes NRW ab.
294
LANDESAMT FÜR DATENVERARBEITUNG UND STATISTIK 2008b
Zur Entwicklungsdynamik während der Industrialisierung siehe insbesondere die Arbeit
von KÖLLMANN, et.al 1990
295
99
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 13: Bevölkerungsentwicklung im Vergleich
Bevölkerungsentwicklung im Ruhrgebiet und im übrigen NRW
(Index: 1993=100)
106
104
Index
102
100
98
96
94
93
94
95
96
97
98
99
2000
01
Jahr
02
RVR
03
04
05
06
Übriges NRW
Quelle: Eigene Darstellung nach LDS 2008b und RVR 2007
Wie Abbildung 13 zeigt, koppelte sich die Bevölkerungsentwicklung im Ruhrgebiet
von der landesweiten Entwicklungstendenz deutlich ab. Doch auch innerhalb der
Kommunen des RVR kam es zu gegenläufigen Entwicklungen. Im gleichen Betrachtungszeitraum hat die Bevölkerungszahl allein in den Kernstädten des Ruhrgebiets
um mehr als 120.000 Menschen abgenommen, während in den Umlandkreisen ein
Bevölkerungswachstum von mehr als 220.000 Einwohnern zu verzeichnen war.
Diese Schere ist primär über Sterbeüberschüsse sowie durch die Stadt-Umland
Wanderung zu erklären. Dabei verlieren die Kreisfreien Städte auch zuungunsten
von Kreisen die im RVR liegen, dennoch reichen deren Bevölkerungsgewinne nicht
aus, den gesamten Abwärtstrend der Region abzufedern.296
Dabei wird auch die ungünstige Altersstrukturentwicklung zu einem zunehmenden
Entwicklungshemmnis, denn der Trend zu überdurchschnittlich vielen älteren Menschen – 21,1 Prozent der Ruhrgebietsbürger sind über 65 Jahre alt (übrige Landesteile NRWs: 19,4 Prozent) und unterdurchschnittlich wenigen Kindern und Jugendlichen (in NRW sind etwa 17 Prozent unter 18 Jahre alt, in Bochum zum Vergleich
lediglich 14,9 Prozent) – nimmt zu.297 Die Überalterung der Gesellschaft, hervorgerufen durch niedrige Fertilität und Mortalität, ist zwar kein spezifisches Problem
der Region, aber hier ist die Überalterung der Gesellschaft deutlich stärker ausgeprägt. Die Geburtenzahl ist unter das Bestandserhaltungsniveau gesunken. Das
Ruhrgebiet ist hinsichtlich des demographischen Wandels als „Vorreiter“ der bun-
296
Siehe MARETZKE 2008, S. 565f.
Analyse aus Daten des LDS - LANDESAMT FÜR DATENVERARBEITUNG UND
STATISTIK (Hrsg.) 2008b
297
100
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
desrepublikanischen Entwicklung zu bewerten. Als problematisch einzuschätzen
sind auch die gegensätzlichen Entwicklungstendenzen innerhalb der Region, welche durch ein starkes Kernstadt-Land-Gefälle gekennzeichnet sind.298 Entsprechend
der Bevölkerungsprognose lässt sich feststellen, dass die Kreise wie Unna oder
Wesel bis 2020 vermutlich sogar ein Bevölkerungswachstum verzeichnen werden.
Für das gesamte Ruhrgebiet aber lässt sich festhalten, dass die Bevölkerung in der
Region „weniger und zugleich älter“ wird.299
Tabelle 7: Bevölkerungsentwicklung u. Prognose in der Metropole Ruhr
Bevölkerung VZ
Gebietseinheit
Zu- bzw. Abnahme
jeweils 31. Dezember
1990 – 2020
1987
1990
1997
2004
2020
Absolut
in %
Bochum
386.271
396.486
400.395
388.869
355.000
-41.486
-10,46
Bottrop
114.640
118.936
120.642
120.758
117.500
-1.436
-1,21
Dortmund
584.089
599.055
598.840
590.831
582.500
-16.555
-2,76
Duisburg
525.378
535.447
535.250
508.664
459.600
-75.847
-14,17
Essen
623.427
626.973
614.861
585.481
528.000
-98.973
-15,79
Gelsenkirchen
287.508
293.714
291.164
274.926
240.300
-53.414
-18,19
Hagen
209.363
214.449
212.003
201.109
169.200
-45.249
-25,19
Hamm
171.170
179.639
183.408
184.578
176.400
-3.239
-1,80
Herne
174.238
178.132
179.897
173.645
156.900
-21.232
-11,92
Mülheim
176.423
177.681
176.530
172.171
157.000
-20.681
-11,64
Oberhausen
220.286
223.840
224.397
220.928
203.400
-20.440
-9,13
3.472.793
3.544.352 3.537.387 3.421.960 3.145.800 -398.552
-11,24
Ennepe-Ruhr-Kreis
339.385
349.412
352.069
348.410
326.800
-22.612
-6,47
Kreis Recklinghausen
631.024
651.588
662.931
654.276
621.700
-29.888
-4,59
Kreis Unna
387.429
406.434
422.662
429.832
479.300
72.866
17,93
Kreis Wesel
426.094
444.422
465.454
477.906
472.200
27.778
6,25
Kreise gesamt
1.783.932
1.851.856 1.903.116 1.910.424 1.900.000 48.144
2,60
MR gesamt
5.256.725
5.396.208 5.440.503 5.332.384 5.045.800 -350.408
-6,49
Kreisfreie
gesamt
Städte
Quelle: REGIONALVERBAND RUHR 2007, S. 36
298
Siehe RVR (Hrsg.) Innovationsbericht Ruhr 2006, neue Ansätze einer innovationsorientierten Regionalpolitik. S. 10ff.
299
MAYR, TEMLITZ 2006, S. 4ff
101
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
An dieser Stelle entstehen zusätzliche Herausforderungen für die Wirtschafts- und
auch die Arbeitsmarktentwicklung im Ruhrgebiet. Dies gilt insbesondere in Bezug
auf die Sicherung des Fachkräftereservoirs und die Beschäftigungsfähigkeit der
älteren Erwerbstätigen.300 Während der Kreis Wesel, der Kreis Unna sowie einige
kreisfreie Städte wie Hamm eine positive bis annähernd ausgeglichene Bevölkerungsentwicklung aufweisen, sind in Herne, Essen, Duisburg, Hagen und Gelsenkirchen Rückgänge mit zum Teil Einwohnerverlusten von über 20% zu verzeichnen.
Während die Kernstädte Wanderungsverluste hinnehmen müssen, können die
Landkreise im Ruhrgebiet leichte Zuwanderungsgewinne aufweisen. Zu erklären ist
diese Bewegung dadurch, dass viele junge Familien vom Ballungskern in die Landkreise ziehen, während die Gegenbewegung vom ländlichen Raum in die Stadt –
meist von kinderlosen Erwachsenen - schwächer ausgeprägt ist.301 Die Dekonzentration der Bevölkerung zugunsten der Umlandgebiete, durch Eigenheimzulage und Pendlerpauschale noch forciert, hat zunehmend negativen Einfluss auf das
siedlungsstrukturelle Gefüge der Kernstädte. Ein Angebotsüberhang von Wohnimmobilien in bestimmten Segmenten, leer stehende Gewerbe- und Einzelhandelsimmobilien besonders in den städtischen Subzentren, der Abbau und die Verlagerung
von Arbeitsplätzen (als Folge und eigenes Phänomen der Suburbanisierung) sowie
der Ausfall von Gewerbe- und Einkommensteuern für die Kernstädte sind die Folgen.302 Teilweise wird die Zahl der wanderungsbedingten Einwohnerverluste durch
den Zuzug von Migranten ausgeglichen.303 Den qualitativen Einwohnerverlust kann
diese Zuwanderung jedoch nicht kompensieren, dem Ruhrgebiet mangelt es nach
Analysen des RVR insbesondere an hoch qualifizierten Beschäftigten.304
4.3
Wirtschaftsstruktur
Kohle- und Stahlindustrie dominierten das Ruhrgebiet seit Mitte des 19. Jahrhunderts und haben ein montanindustrielles Produktionscluster entstehen lassen, mit
einem Geflecht von Vorleistungs- und Absatzbeziehungen (Energiesektor, anorganische Chemische Industrie, Anlagen und Maschinenbau). Mit der einsetzenden
De-Industrialisierung der Ruhrwirtschaft seit der ersten Kohlekrise von 1957 und
dem sich anschließenden Tertiärisierungsprozess der Wirtschaft veränderte sich
das Verhältnis von Beschäftigten im produzierenden Sektor und Dienstleistungssektor ganz massiv. Der montanindustrielle Entwicklungstreiber der Region brach nach
und nach zusammen. Die folgende Tabelle veranschaulicht die sektorale Verschie-
300
Siehe etwa KRÜGER 2006, S. 34ff., die die Veränderungsprozesse in der Arbeits- und
Personalpolitik vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung anschaulich erläutert
301
LDS 2008, S.54
302
REGIONALVERBAND RUHR 2007a, S. 31
303
REGIONALVERBAND RUHR 2007a, S. 13
304
REGIONALVERBAND RUHR 2006, S. 34
102
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
bung der Beschäftigtenzahlen im Ruhrgebiet. Während 1970 noch der Großteil der
Beschäftigten des Ruhrgebiets im sekundären Sektor tätig war (58,4 %), sind heute
70,7 % der Beschäftigten im tertiären Sektor beschäftigt.305
Mittlerweile liegt in Folge der Tertiärisierung der Wirtschaft der Beschäftigtenbesatz
in Industrie und Gewerbe im Ruhrgebiet sogar unter Landes- und dem Bundesdurchschnitt. Auffällig ist zudem, dass die Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet weitaus
höher ist als im Landes- und im Bundesdurchschnitt und den Charakter einer stärker
strukturellen, denn konjunkturell bedingten Arbeitslosigkeit aufweist.
Tabelle 8: Entwicklung des Beschäftigtenanteils nach Sektoren
Primärer Sektor
Sekundärer Sektor
Tertiärer Sektor
AL-Quote
RVR
NRW
D
RVR
NRW
D
RVR
NRW
D
1950
4,5
11,7
23,3
63,4
55,1
43,3
32,1
33,2
1960
2,4
6,4
13,6
61,3
56,3
47,6
36,3
1970
1,5
4,3
9,1
58,4
55,7
49,4
1980
1,4
2,5
5,3
51,7
48,4
1990
1,2
2,2
3,6
44,7
2000
1,2
1,7
25
2005
1,2
1,6
2,4
RVR
NRW
D
33,4
4,8
10,3
37,2
38,8
0,4
O,5
40,0
40,1
41,5
0,6
0,5
O,5
45,3
47,0
49,2
49,4
5,3
4,4
3,5
42,5
40,6
54,4
55,3
55,8
10,8
8,4
6,6
33,3
33,5
33,5
65,4
64,9
64,0
12,2
9,5
8,1
28,1
29,8
29,7
70,7
68,8
67,9
15,9
12,1
11,4
Quellen: LDS 2007 und BUNDESAGENTUR für ARBEIT, div. Jahrgänge
Mit dem sektoralen Wandel ging im Ruhrgebiet gleichsam eine Abnahme der Gesamtbeschäftigtenzahlen einher: Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung der
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten des Ruhrgebiets im Vergleich zu NRW.
Während im Ruhrgebiet die Beschäftigtenzahl von 1980 bis 2005 um deutliche
15,3% auf 1.495.842 Beschäftigte abnahm, hatte NRW im selben Zeitraum einen
Zuwachs von 6.5% zu verzeichnen.306
305
306
Ausgewertet nach RVR 2008, S. 10f.
Ausgewertet nach RVR 2006, S. 5
103
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 14: Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
125
Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im
Ruhrgebiet und im übrigen NRW (Index: 1980 = 100)
120
115
110
Index
105
100
95
90
85
80
Jahreszahlen
Ruhrgebiet
04
03
02
01
99
20
00
98
97
96
95
94
92
93
91
90
89
88
87
86
85
84
83
82
81
80
75
Übriges NRW
Quelle: RVR 2006, S. 5
Zu erklären ist dieser Beschäftigungsverlust durch den starken Beschäftigungsrückgang im produzierenden Gewerbe. Im Vergleich zu anderen Regionen des Landes
hatte im Zeitraum von 1982 bis 1999 das Ruhrgebiet in Folge der Restrukturierungsprozesse und Betriebsstilllegungen mit dem Abbau von 304.000 sozialversicherungspflichtigen Vollerwerbsstellen die höchsten Arbeitsplatzverluste in Industrie
und Gewerbe in ganz NRW zu verzeichnen. Vor allem die Großbetriebe innerhalb
des verarbeitenden Gewerbes haben im Ruhrgebiet zum massiven Beschäftigungsabbau beigetragen. Betrug die durchschnittliche Betriebsgröße der Industriebetriebe
1998 noch 176 Beschäftigte, schrumpften die Belegschaften bis 2006 auf nur noch
durchschnittlich 138 Personen. In keiner anderen Region fiel der Rückgang so stark
aus wie im Ruhrgebiet.307
Die gleichzeitige Zunahme der Beschäftigten im Dienstleistungssektor von 222.000
Arbeitsplätzen konnte die Verluste des II. Sektors nicht kompensieren und bleibt
zudem hinter der Entwicklung des NRW-Durchschnitts zurück.308 Dabei zeigt sich,
dass das Ruhrgebiet während wirtschaftlicher Wachstumsphasen stets nur unterdurchschnittlich profitieren konnte, während in konjunkturellen Krisen die Beschäftigtenverluste stärker als im Bundesdurchschnitt waren.309
307
ELTGES 2008, S. 539
RVR 2006, S. 6
309
ELTGES 2008, S. 539
308
104
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 15: Beschäftigtenentwicklung in einzelnen Branchen im Revier
15.000
10.000
Frauen
Männer
Baugewerbe
,Kohlenbergbau
Torfgewinnung
-Metallerzeugung und
bearbeitung
Einzelhandel (ohne Handel
).Kfz/Tankst
Herstellung von
Metallerzeugnissen
Maschinenbau
Grundstücks- und
Wohnungswesen
Öffentliche
.Verw./Verteidigung/Sozialvers
-15.000
Datenverarbeitung und
Datenbanken
-10.000
Gesundheits-, Veterinär- und
Sozialwesen
-5.000
Erziehung und Unterricht
0
Erbr. Von Dienstleistungen
überw. für Unternehmen
5.000
-20.000
-25.000
-30.000
Quelle: RVR 2006, S. 9
Ganz besonders deutlich wird der anhaltende Rückgang der Beschäftigten im Baugewerbe, im Montanbereich sowie in der Metallverarbeitung und Maschinenbau.
Gewinner sind die Dienstleistungsbranchen, die den Beschäftigungsrückgang aber
nicht komplett abfedern können. Geht man davon aus, dass zwischen der Entwicklungsdynamik des produzierenden bzw. des verarbeitenden Sektors und der Nachfrage nach Dienstleistungen ein enger Entwicklungszusammenhang besteht, so
muss der zurückliegende Beschäftigungsabbau auch auf das Dienstleistungsgewerbe ausstrahlen.310 Nach einer Analyse von ELTGES entwickelte sich die Dienstleistungsbranche zwischen 1998 und 2006 mit Zuwachsraten an Beschäftigungsverhältnissen von 6,5% zu 9,5% im Ruhrgebiet deutlich verhaltender als im Durchschnitt der alten Bundesländer.311 Die gebremste Entwicklungsdynamik ist ursächlich mit der Entwicklung im sekundären Sektor der Ruhrwirtschaft verbunden. Denn
produktions- und unternehmensnahe Dienstleistungen stehen nach WELSCH im
engen Zusammenhang mit der Entwicklungsdynamik in produzierenden Unternehmen. Mit ihren innovativen Dienstleistungen unterstützen sie die Modernisierungsprozesse von Produktion, Vertrieb und Management. Produktionsnahe Dienstleistungen entwickeln sich somit analog und in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis zur Industrieproduktion, die Vor- und Folgeleistungen aus den Dienstleistungsbranchen nachfragt. (z.B. Beratung und Finanzierung oder Logistik und Transport). Zu den bedeutendsten Dienstleistungsbranchen im Ruhrgebiet gehören neben
310
Siehe dazu WELSCH 2000 und seine Ausführungen zur Interaktions- und Externalisierungsthese der Dienstleistungswirtschaft auf S. 25ff.
311
ELTGES 2008, S. 541
105
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
den Haushalts- und Personenbezogenen Dienstleistungen die Anbieter von Infrastruktur- und Transportdienstleistungen.312
Zentrale Clusterpotenziale der Metropole Ruhr
Neben den für die Region traditionellen Industriebereichen, sind in der Metropolregion Ruhr so genannte „Cluster“ identifiziert worden. Diese sind nach PORTER als
geographische Konzentration von miteinander verbundenen Unternehmen und Institutionen zu verstehen, deren Kompetenzen sich überschneiden und unterschiedliche Funktionen einer Wertschöpfungskette abdecken.313 Zu ihren Funktionen zählt
BOSCH zum Beispiel Forschung- und Entwicklung, Produktion, Zulieferung, Marketing sowie spezialisierte Dienstleistungen.314 Die Unternehmen sind dementsprechend über Warenaustausch und Kooperationen mit Forschungs- und
Dienstleistungsbereichen eng vernetzt. Cluster sind unter struktur- und insbesondere arbeitsmarktpolitischen Aspekten interessant, da sie hinsichtlich der Schaffung
zusätzlicher Arbeitsplätze mittel- bis langfristig über Potenziale einer eigenen Entwicklungsdynamik verfügen. Kritisch muss allerdings angemerkt werden, dass Clusterpolitik und Clusterentwicklung eng an dem Vorhandensein quantitativer und qualitativer dominanter Wirtschaftsstrukturen gebunden sein muss.315 Nicht nur ein Blick
in Richtung der Wachstumsregionen (München – z.B. Cluster BioTech, Köln – z.B.
Medienwirtschaft) genügt, um festzustellen, dass die Mobilisierung und Bildung von
regionalen Clustern in der Vergangenheit an vielen Standorten als der zentrale
Schlüssel zur Behebung wirtschaftlicher Probleme, aber auch zur weiteren Modernisierung der Wirtschaftsstrukturen angesehen wurde, obwohl dieses Konzept nur
selektiv wirken kann.316 Nach Einschätzung eines Gesprächspartners ist in einer
prioritär am Clusteransatz orientierten Ausrichtung der Struktur- und Regionalpolitik
die Gefahr einer inhaltsarmen Überfrachtung eines eigentlich sinnvollen Konzeptes
gegeben.317 Denn auch in der Innovationsforschung besteht weitgehend Konsens
darüber, dass es nicht mehr nur die „isolierten Schlüsseltechnologien“ sind, die
Wohlstand und Arbeitsplätze schaffen, sondern die Zukunft in der Verknüpfung von
Technologien und Dienstleistungen liegt.318
Mittlerweile setzen auch Akteure in einer durch den Strukturwandel geprägten Region wie dem Ruhrgebiet auf die clusterorientierte Entwicklungsstrategie.319 Es wer-
312
RVR 2007, S. 14f.
PORTER 1999, o.S.
314
BOSCH 2005, S. 122ff.
315
BRUCH-KRUMMBEIN 2008, S. 290
316
In der hohen Beliebtheit des Clusterkonzeptes als wirtschaftspolitisches Instrument wird
auch ein Gefahrenpotential gesehen, dazu insbesondere GÄRTNER 2004, S. 61ff. oder
BRUCH-KRUMMBEIN mit der Debatte um „Cluster versus Ausgleich“ 2008, S. 290ff.
317
INTERVIEW WISSENSCHAFTLER I und siehe auch REHFELD 2005a, S. 220ff.
318
Siehe z.B. SCHERRER 2006, S. 213 oder BRENNER, FORNAHL 2006, S. 185
319
Zur ausführlichen Genese der strukturpolitische Konzepte siehe Kapitel 3
313
106
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
den vorhandene Kompetenzen und erkennbaren Entwicklungspotentialen identifiziert und – wenn auch nicht immer deckungsgleiche – doch ähnliche Leitbranchen
und Wirtschaftscluster für die zukünftige Entwicklung der Region definiert.320
Fortentwicklung des montanindustriellen Clusters
Um die Kohleförderung und Stahlerzeugung ist schon in der ersten Hälfte 20. Jahrhundert ein montanindustrielles Produktionscluster in Form eines engmaschigen
Geflechtes von Vorleistungs- und Absatzbeziehungen entstanden, das mit den
Hochschulgründungen und dem Aufbau von regionalen Forschungskapazitäten seit
den 1960er Jahren die Vernetzung zur Wissenschaft und F&E-Kapazitäten erfahren
hat. Dazu zählen die Maschinen- und Anlagetechnikindustrie sowie die anorganische Chemieindustrie.321 Die darüber hinaus im Zuge der Transformation von
traditionellen Wertschöpfungsfeldern (Kohleindustrie, Transport) zu neuen Stärken
weiterentwickelten Cluster (‚Energie’ und ‚Logistik’) haben Eingang in die Entwicklungskonzepte der Region gefunden.322 Aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung
für die Entwicklung der Region werden diese Clusterpotentiale nachfolgend genauer
erläutert.
Die weltweit steigende Nachfrage nach Energie, die Endlichkeit der Ressourcen,
eine wachsende ökologische Sensibilität und die Liberalisierungstendenzen auf den
Energie- und Strommärkten sorgen weltweit für massive Umstrukturierungsprozesse. Die Energiewirtschaft steht vor der Herausforderung, den steigenden
Energiebedarf umweltfreundlich, sicher und ökonomisch zu decken. In der Forschung wird der Schlüssel zur Suche nach alternativen Energieträgern und in Fragen der Effizienzsteigerung gesehen. Das bezieht sich auf den Anlagen- und Kraftwerksbau, die Erzeugung, Umwandlung, Speicherung sowie den Transport von
Energie. 323
So haben Unternehmen den Kohleveredelungsmarkt entdeckt und positionieren sich
als Energiesystemanbieter, welche die gesamte Energiekette mit allen erforderlichen Dienstleistungen abdecken. Mit solchen „Komplettlösungen“ aus einer Hand –
vom Bergbau über das Engeneering, den Bergwerkmaschinenbau und die Automatisierungstechnik bis hin zur Logistik, haben sich Unternehmen bereits seit einigen Jahren auf den globalisierten Märkten erfolgreich positioniert.324 Das Ruhrgebiet
320
Kritisch dazu BRUCH-KRUMMBEIN 2008, S.288f oder ZIEGLER 2008, S. 301 sowie
GÄRTNER 2004, S. 61
321
INTERVIEW KOMMUNALVERTRETER I
322
Siehe etwa HEINZE 2006, S. 131 und insbesondere Kapitel 5
323
Vgl. dazu insbesondere die aktuelle Debatte um Solarkraftwerke im nördlichen Afrika.
etwa unter FOCUS (Hrsg.) 2009
324
HEINZE 2006, S. 132ff
107
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
ist trotz des fortwährenden Strukturwandels noch immer das „energieintensivste“
Gebiet Europas.325 Wie weltweit keine andere Region ist das Revier geeignet, die
Erdwärmenutzung als einen der wichtigsten erneuerbaren Energieträger der Zukunft
wissenschaftlich und technologisch voranzutreiben. Mehr als 80.000 Beschäftigte
arbeiten im Ruhrgebiet in der Energiebranche, führende Unternehmen sind die
E.ON Ruhrgas AG, RWE Energy AG und STEAG AG. Die meisten Unternehmen
sind in den eher jüngeren Kompetenzfeldern wie Kraft-Wärme-Koppelung, Photovoltaik, Solarenergie und Energieeinsparung/Energiemanagement tätig.
Voraussetzungen für die Ansiedlung energieintensiver Industrien waren das hohe
Vorkommen fossiler Energieträger und die nachfolgend näher skizzierten, engmaschigen Logistikinfrastrukturen. Hinzugekommen sind Kompetenzen im Bereich
regenerativer Energien, neuer Energiequellen und rationaler Energieverwendung
(„Energiemanagement“). Die obige Abbildung veranschaulicht die im Cluster Energiewirtschaft besetzten Themenfelder und die Anzahl der darin tätigen Unternehmen.
Mit über 3.000 Unternehmen und ca. 58.000 Beschäftigten ist die Logistikbranche
ein weiterer wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region.326 Mit den Logistikparks,
Verladern und Speditionen sind insbesondere die Städte Duisburg und Dortmund
und der Kreis Unna die zentralen Logistikstandorte im Ruhrgebiet. Der Raum Duisburg eröffnet dem Ruhrgebiet mit seinen Häfen direkten Zugang zu internationalen
Seehäfen. Das Östliche Ruhrgebiet rund um den IT-Kern Dortmund mit seiner Kompetenz in e-Logistik ist Zentrum der deutschen und Europäischen Bodenlogistik mit
dem Schwerpunkt in der Handelsdistribution. Die folgende Karte visualisiert die bestehende Logistik-Infrastruktur des Ruhrgebiets sowie die Anzahl der Beschäftigten
dieses Kompetenzfeldes.
Wissenschaft und Wirtschaft sind in diesem Kompetenzfeld besonders eng miteinander verzahnt. An über zehn ingenieur- und betriebswirtschaftlichen Lehrstühlen
der Hochschulen des Reviers sowie am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und
Logistik wird anwendungsorientierte Forschung für die Bereiche Distribution und
Logistik betrieben. Diese Kooperationen sollen dem Standort eine langfristige Perspektive und bessere Chancen im internationalen Wettbewerb eröffnen. Die für eine
erfolgreiche Clusterentwicklung als notwendig erachtete Verzahnung von Wirtschaft
und Wissenschaft wird besonders am Beispiel des Logistikclusters deutlich.327
325
Siehe dazu den Kompetenzatlas Energie Ruhr – der Wirtschaftsförderung Metropoleruhr
GmbH 2008, S. 2
326
UNIVERSITÄT DORTMUND 2006, S. 25
327
UNIVERSITÄT DORTMUND 2006, S. 24, insbesondere auch SCHÄTZL, KIESE 2008, S.
5 oder HEUSER 2008, S. 99f.
108
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
4.4
Beschäftigung und Qualifikation
Ende Dezember 2007 erreichte die Arbeitslosenquote in NRW mit 8,6 Prozent ihren
niedrigsten Stand seit 2001.328 Damit entwickelte sich NRW sogar gegen den Bundestrend, denn Deutschland weit war die Zahl der Arbeitslosen in dieser Zeit um ca.
30.000 gestiegen. Die Arbeitslosenquote lag in Westdeutschland bei 6,7% in Ostdeutschland bei 13,7%. Während das Wirtschaftswachstum im Revier entsprechend
des von der NRW-Landesregierung in Auftrag gegebenen „Innovationsbericht 2006“
des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) noch in den
1980er Jahren um 1,5 Prozentpunkte hinter den anderen Teilräumen des Bundeslandes NRW zurückblieb, verringerte sich das Defizit nachfolgend stetig – bis es im
Zeitraum 2000 bis 2004 zu einem Vorsprung von 0,7 Prozentpunkten zu Westfalen
und 0,2 Prozentpunkten zum Rheinland kam.329
Da die Abwanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte weiter anhielt und zudem die
Gründungsquote um 28 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt (Stand: November
2007) lag, bedeutete die bis dahin grundsätzliche positive Entwicklung des Wirtschaftswachstums keine Entwarnung für die Region.330 Vielmehr wurde offensichtlich, dass es nicht gelungen war, die Potentiale der engmaschigen Fach- und Hochschullandschaft der Region in eine Neugründungswelle von innovativen Firmen und
Arbeitsplätzen umzusetzen.331 Die schwerindustrielle Tradition des Ruhrgebiets, die
Dominanz der Großbetriebe unter dem Regime der Massenproduktion und
tayloristischer Arbeitsorganisation haben die Menschen des Ruhrgebiets bis heute
geprägt, was einer „Kultur der Selbstständigkeit“ und der Entwicklung unternehmerischen Innovations- und Flexibilitätserfordernissen abträglich ist.332 Trotz mancher
positiver Entwicklungstendenzen ist die Region weiterhin mit arbeitsmarktpolitischen
Problemstellungen traditioneller Industrieregionen, wie der Ausweitung beschäftigungspolitischer Problemzonen in einzelnen Teilregionen, konfrontiert. Verglichen
mit dem Bundesland NRW befindet sich der Anteil Langzeitarbeitsloser auf einem
weitaus höheren Niveau. Während im Ruhrgebiet ca. 40 Prozent aller Arbeitslosen
als langzeitarbeitslos einzustufen sind, beträgt die Quote im übrigen NRW „lediglich“
rund 30%. Die hohen Anteile von Langzeitarbeitslosen bei gleichzeitig vorhandenen
offenen Stellen deuten auf das Bestehen eines „Mismatch“ auf dem Arbeitsmarkt
328
RVR 2007a, S. 10f.
RHEINISCH-WESTFÄLISCHES INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG 2006, S.
455
330
Die Selbständigenquote beträgt nach Auskunft des MWME für Westdeutschland 10,8
Prozent, für NRW 10,1 Prozent und fürs Ruhrgebiet nur 8,1 Prozent. Siehe Onlinereport
„Gründeraktitvitäten“ des MWME (Hrsg.) 2009, S. 5
331
Eine aktuelle Studie des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn gibt Anlass zur Hoffnung. Mit 83,6 Existenzgründungen je 10.000 Erwerbsfähige im Jahr 2007 hat NRW die
Gründungsintensität in Deutschland mit durchschnittlich 82,3 Existenzgründungen je 10.000
Erwerbsfähige erstmals seit 1997 übertroffen. Siehe HAUNSCHILD, et.al 2009 zur aktuellen Entwicklung des Gründungs- und Liquidationsgeschehens in NRW
332
Siehe PANKOKE 1993, S. 760
329
109
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
hin, der durch eine hohe Beharrungskraft der Erwerbstätigen aufgrund ihrer großbetrieblichen Erfahrungen (Sicherheitsbewusstsein aufgrund der „Montankultur“) mit
erzeugt wurde.333
Hinzuweisen ist aber auch auf einen „Mismatch“ bei den grundsätzlich vorhandenen
Beschäftigungspotenzialen und dem Fachkräftemangel. Die Suche nach gut ausgebildeten Fachkräften wird seitens der Arbeitgeber bereits als Problem eingestuft.
Dass Unternehmen wie im Juni 2008 bekannt wurde, eigene Beschäftigte zur Suche
nach Facharbeitern einsetzen und sogar Prämien für neue Beschäftigte zahlen
müssen, kann als Warnzeichen bewertet werden.334 Zukünftig müssen Unternehmen ihre Personalplanungen weitsichtiger und strategischer durchführen und selbst
ausbilden, anstatt qualifiziertes Personal von anderen Betrieben und Branchen (wie
etwa dem Bergbau) abzuschöpfen. Vor allem in der Metall- und Elektroindustrie
fehlen Zerspaner, Fräser, Dreher, Industriemechaniker, Bohrwerker oder Schleifer.
Nicht nur in der Region selber, auch landesweit besteht in der Frage der zukünftigen
Fachkräfteentwicklung ein hoher Problemdruck.335 Hinzu kommt das Problem, dass
das Ruhrgebiet durch eine hohe, sturkturbedingte Sockelarbeitslosigkeit und einen
geringeren Anteil an Erwerbstätigkeiten als im Landesdurchschnitt gekennzeichnet
ist. Seit 1992 ist der Anteil der Erwerbsfähigen in ganz NRW gesunken. Legt man
die Erwerbsquote von 1999 mit 69,5% und die aktuelle Bevölkerungsprognosen
zugrunde wird sich für das Ruhrgebiet bis 2015 ein Rückgang der Erwerbsfähigen
von 5% einstellen. Bis 2015 werden 2.34 Millionen Menschen als potentiell Erwerbstätige für den Arbeitsmarkt theoretisch zur Verfügung stehen (Arbeitslosenquote und
fachliche Eignung für die Erwerbstätigkeit ausgeklammert). Insgesamt reduzierte
sich das dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen Erwerbspotential stärker als im
Land NRW. Auch anhand dieser Kennziffer zeigt sich, dass der demographische
Wandel das Ruhrgebiet zeitlich früher und stärker trifft als andere Wirtschaftsräume
im Land.
Um dem entgegenzuwirken und angehende Akademiker und Forscher in der Region
zu halten, Nachwuchskräfte zu akquirieren und höherwertige Bildungschancen für
junge Menschen zu erhöhen, wurde bereits im Zuge der zurückliegenden Regionalförderung eine dichte Hochschullandschaft als strategischer Baustein im strukturellen Wandel geschaffen. Im Kampf gegen den derzeitigen Mangel an Studienplätzen,
der sowohl auf den doppelten Abiturjahrgang als auch auf die wachsende Studierneigung zurückzuführen ist, forciert die NRW-Landesregierung den Ausbau und die
Gründung neuer Fachhochschulen in NRW mit 11.000 zusätzlichen Studienplätzen.
333
Siehe dazu die Strukturanalyse zum Arbeitsmarkt im Ruhrgebiet des RVR (Hrsg.) 2007
SIEMENS gewann gegen die Zahlung von 3.000 Euro an Energietechnik-Mitarbeiter von
Januar bis Juni 2008 exakt 85 Arbeitnehmer, für die Akquirierung von ca. 15 Zerspanern
zahlte MAN Turbomaschinen pro Kopf 2.500 Euro. HANDELSBLATT (Hrsg.) 2008, vom
23.06.2008
335
Siehe Pressemitteilung vom 08.10.2007 der IHK (Hrsg.) 2007
334
110
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Ab 2009 werden drei ingenieur- und naturwissenschaftliche Fachhochschulen mit je
2.500 Plätzen errichtet, die erste deutsche staatliche Hochschule für Gesundheitsberufe mit 1.000 Plätzen gegründet und fünf bestehende Fachhochschulen mit je
500 Plätzen ausgebaut werden.336 Trotzdem wächst der Anteil der Beschäftigten
mit Fachhochschul- bzw. Universitätsabschluss im bundesdeutschen Vergleich unterdurchschnittlich.337 Aus dem Umfeld der Hochschulen heraus entstehen noch
immer zu wenige Neuansiedlungen, wenngleich es viel versprechende Ansätze, wie
den IT-Standort Dortmund gibt. Über 30 Technologie- und Gründerzentren sollen
zudem junge Existenzgründer unterstützen und so die Anzahl der Patentanmeldungen erhöhen und helfen, das Ruhrgebiet als Innovationsstandort stärker
zu positionieren.338 Die ohnehin vorhandene Diskrepanz zwischen dem Ausbildungsgrad der Arbeitssuchenden und den Qualifikationsanforderungen der neu entstehenden Berufsfelder und Branchen droht ungeachtet dessen weiter zuzunehmen.
4.5
Ergebnisse der Stärken- und Schwächenanalyse
Die Ergebnisse der kurzen sozio-ökonomischen Stärken- und Schwächenanalyse
verdeutlichen, dass trotz grundsätzlich positiver Entwicklungen des Wirtschaftswachstums im Revier exogene Unterstützungsleistungen – diese werden im nachfolgenden Kapitel erörtert – für die Weiterentwicklung der vielfältigen endogenen
Potenziale und zur Bewältigung der strukturellen Umbrüche in der Region notwendig sind bzw. als notwendig erachtet werden.339 Aufgrund der für die Region ungünstigen demographischen Entwicklung, der Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte und des daraus folgenden Facharbeitermangels existieren ein Beschäftigungsdefizit und ein nur geringes Erwerbspotential in der Region. Negative Abkopplungstendenzen gegenüber dem Bundesland NRW sind in den Bereichen Qualifizierung, Beschäftigung und Einkommen bzw. Kaufkraft erkennbar. Auch interkommunale Disparitäten hinsichtlich Einkommenslage und Lebenserwartung verschärfen
sich. Nach wie vor ist die Industrie aufgrund ihrer hoch technisierten Infrastruktur
sowie des vor Ort vorhandenen Know-hows zentraler Wirtschaftssektor der Region.
Sie ist Impulsgeber für Zulieferer sowie kleine und mittelständische Unternehmen
(KMU), ihre Nachfrage im Bereich der industriebezogenen, wissensbasierten
Dienstleistungen ist wichtiger Innovationsmotor der Volkswirtschaft. Nachhaltige
öffentliche Investitionen für die Entwicklung der Wirtschaftsstrukturen und des Arbeitsplatzangebotes, der zu erzielenden Einkommen und für eine Verbesserungen
336
Siehe Ausschreibung des MWME - Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Energie
des Landes NRW - unter: RVR Online (Hrsg.) 2009
337
Siehe RVR 2007b, S. 10ff.
338
Siehe Jahresbericht der Technologie- und Gründerzentren NRW Hrsg. 2009
339
INTERIVIEW POLITIKVERTRETER I. Ministerin Thoben betont dagegen, dass spätestens seit den Beschlüssen im Februar 2007 zum Ausstieg aus der subventionierten Steinkohle „…dieser Teil des Strukturwandels im Ruhrgebiet abgeschlossen ist, seitdem schauen
wir nicht mehr zurück, sondern nach vorn.“ Zitiert nach: Der Westen (Hrsg.) 2008
111
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
der räumlichen Lebensqualität werden auch zukünftig
hen.340
als unabdingbar angese-
Als gravierende Defizite und damit nachhaltige Legitimationsgrundlage strukturpolitischer Interventionen in NRW können entsprechend der Analyse von MEYERSTAMER und MAGGI benannt werden341
¾ das Fehlen sowohl positiver demografischer Veränderungen als auch hoher
Wirtschaftswachstumsraten zur Lösung der Beschäftigungsprobleme,
¾ die hohe Sockelarbeitslosigkeit mit einem – am Bundesdurchschnitt gemessenen – überdurchschnittlich hohen Anteil Langzeitarbeitsloser,
¾ der hohe Bedarf und die Qualifikationsanforderungen für neue Berufe in
neuen und sich verändernden Branchen,
¾ eine steigende Anzahl an KMU, die in der Fortbildungsplanung und Personalentwicklung eingeschränkt sind.
340
341
Dazu DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND – BEZIRK NRW 2006, S. 2
MEYER-STAMER, MAGGI 2004, S. 34
112
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Tabelle 9: Zusammenfassung regionalwirtschaftlicher Stärken / Schwächen
Stärken
Metropolfunktionen
Innovations- und Wettbewerbsfunktion, Gateway-Funktion
Bevölkerungsentwicklung
Schwächen
Fehlende Entscheidungs- und Kontrollfunktion
Ungünstige demographische Entwicklung Æ „Überalterung“
Bevölkerungsdekonzentration zugunsten der Umlandstädte Zersiedlung
Wirtschaftsstruktur
Dichtester Absatzmarkt Europas,
Sitz umsatzstarker Unternehmen
Verschlechterung weltwirtschaftlicher
Rahmenbedingungen (Konjunktur,
Finanzmarktkrise)
Ruhrwirtschaft verfügt über solides
industrielles Fundament
Æ
tendenziell stärkere Unempfindlichkeit gegenüber der Weltwirtschaftslage
Investitionsplanungen im Inland entsprechend rückläufig
Zu geringer Besatz an mittelständischen Unternehmen
Neue Cluster knüpfen an traditionelle Potenziale der Region an Æ
gelungene Transformation
Hohe Potenziale in unterschiedlichen Branchen verortet (Energie,
Chemie, Maschinenbau, Logistik)
Beschäftigung und Quali- Dynamische Entwicklung des Wirtfikation
schaftswachstums
Vorsprung gegenüber Rheinland
und Westfalen
Einkommen
kraft
und
Abwanderung hoch qualifizierter
Arbeitskräfte hält an
unterdurchschnittliche Beschäftigungsquote bei Akademikern
Dichte Hochschullandschaft, flankiert von Forschungsinstituten,
Bildungsträgern, Gründerzentren
Weniger Existenzgründer als im Bundesdurchschnitt
Geplantes Investment in akademische Ausbildung, neue Kooperationen (Universitätsallianzen)
Hoher Anteil Langzeitarbeitsloser
„Mismatch“
Hochschulzugänge mit abgeschlossener Berufsausbildung
vorhanden
Räumliche Kumulation von Beschäftigungsrisiken, dadurch wachsende
regionale Disparitäten
Kauf- Überdurchschnittliches Wachstum
des Pro-Kopf-Einkommens im
Vergleich zu NRW
Geringere Kaufkraft, da hoher Anteil
an Sozialhilfeempfängern und Rentnern
Hohe regionale Einkommensdisparitäten Æ Süd-Nord-Gefälle
Quelle: eigene Darstellung
113
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Die Integration der Lissabon-Strategie in die Regionalpolitik der EU-Strukturfonds
und in die Landespolitik führte zu einer starken Betonung der Förderung von Innovationsprozessen zur Stärkung der regionalen Wirtschaft. Neben der beschriebenen
Ausgangssituation im Ruhrgebiet leitet sich folglich auch aus dieser Entwicklung ein
erhöhter Handlungsbedarf für die Landesteile ab. In den nachfolgenden Kapiteln
werden daher bestehende räumlich fokussierte sowie branchenorientierte Konzepte
und Instrumente öffentlicher und privater Akteure zur Bewältigung der anstehenden
Herausforderungen skizziert und erörtert.
Im Anschluss an den kritischen Diskurs zu Aufgaben und Perspektiven der Strukturförderung für das Ruhrgebiet und der Stärken- und Schwächenanalyse soll die Rolle
regionaler Akteure in der Strukturpolitik vor dem Hintergrund der bereits skizzierten
Förderbedingungen, der Herausforderungen, die sich aus den kohlepolitischen Beschlüssen ergeben und vor dem Hintergrund der sozio-ökonomischen Gegebenheiten dargelegt werden. In diesem Rahmen wird auch erörtert, wie innovative Regionalentwicklung als ein Zusammenwirken der Akteure (Restrukturierung und Antizipation als Multi-Actor-Approach) - und somit als integrierte Aufgabe (Restrukturierung und Antizipation als Multi-Level– Approach) – in Anlehnung an die zuvor erörterten Konzepte der Antizipation und der strukturpolitischen Maßnahmen verstanden
werden kann.342
342
Nach NEGRELLI 2007, S.175
114
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
5 Lokal- und Regionalentwicklung als integrierte Aufgabe
Wie in Kapitel 3 aufgezeigt, zielen die klassischen Instrumente der Regionalentwicklung darauf ab, quantitatives wirtschaftliches Wachstum, den Abbau der Disparitäten
zwischen Zentren und Peripherien sowie die Modernisierung und Industrialisierung
entwicklungsschwacher Regionen zu generieren.343 Die ehemalige strukturpolitische
Konzeption, die endogenen Potentiale durch Um- und Ausbau der infrastrukturellen
Rahmenbedingungen zu fördern, reicht nach heutigem Kenntnisstand nicht mehr
aus, um die Lern-, Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit von Regionen zu erhöhen.344 Eine erfolgreiche Regionalentwicklung ist von vielen Faktoren abhängig (u.a.
Wissenspillover, Unternehmensneugründungen, Vernetzungen zwischen Unternehmen und Hochschulen etc.), in erster Linie aber vom Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure. Regionalen und lokalen Kooperationsbünden zur Vernetzung
von Akteuren aus Wirtschaft und Wissenschaft, Gewerkschaften und Verbänden
sowie Verwaltung und Politik wird eine entscheidende Rolle für eine erfolgreiche
Regionalentwicklung zugesprochen.345 Ein Wesensmerkmal jüngerer Ansätze wie
etwa dem Konzept der Multilevel und Regional Governance liegt darin, dass sie die
Region als Akteursraum deutlicher als zuvor in den Vordergrund stellen und es nach
KEIM zu „institutionellen Arrangements“ im Sinne einer gemeinsamen regionalen
Arbeitsform kommt.346 Dabei spielt insbesondere die räumliche Verankerung einer
Branche bzw. der regionalen Akteure eine entscheidende Rolle. Besonders in regionalen Krisen- und Transformationszeiten können aus diesen, in der Region verankerten Akteuren, Netzwerke und Kooperationsbündnisse entstehen.347 Darüber hinaus ist die wirtschaftliche Position einer Region neben den pfadabhängigen Entwicklungsmustern von den institutionell verankerten Regulationsstrukturen beeinflusst,
die die weitere Entwicklung der regionalen Innovationsfähigkeit entscheidend mitbestimmen können. Die verschiedenen regionalen Akteure bilden dabei gemeinsam
eine lernfähige Einheit.348
Sowohl Erkenntnisse der regionalökonomischen Wissenschaft349, als auch die empirischen Befunde der vorliegenden Studie und die in Teilen bereits erfolgreich gelebte Kooperationspraxis jenseits des „Kirchturmsdenkens“ im Ruhrgebiet belegen,
dass der strukturelle Wandel in ideeller Weise nur akteursübergreifend und am
343
Siehe MÜLLER, STRÄTER 2008, S. 248f.
Siehe aus Sicht der Wirtschaftsförderung GÄRTNER 2004, S. 32ff. und aus Sicht der
Regionalforschung KIESE 2008, S. 27ff.
345
Siehe dazu HUMMELBRUNNER, LUKESCH, BAUMFELD 2002, S. 35ff. – Siehe auch
die Beiträge bei GERLACH, ZIEGLER 2004 zu den neuen Herausforderungen in der Strukturpolitik.
346
Siehe KEIM 2003, S. 134 und auch FOX, HEINZE 2004, S. 20ff.
347
In Anlehnung an die Arbeit von HOWALDT, et al. 2001; S. 25ff.
348
Siehe JANSEN 2006, S. 80f.
349
z.B. WIDMAIER et. al 2004; SCHÄTZL, KIESE 2007; BECK, HEINZE, SCHMID 2009
344
115
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Netzwerkgedanken orientiert antizipiert und gestaltet werden kann.350 Der im Rahmen der Kohlebeschlüsse aufgeschlagene Zeitpfad bietet im Gegensatz zu den
oftmals sehr kurzfristigen Umbrüchen bei großen betrieblichen Restrukturierungen
oder Werksschließungen aus kommunaler Sicht nun eine große Chance.351 So kann
es nach Auffassung der Kommunen des „Arbeitskreis Standortvorsorge der Kohlestädte“ auf Basis dieser regionalen und lokalen Gestaltungsherausforderung gelingen, gemeinschaftlich und partnerschaftlich mittel- bis langfristig wirksame Konzepte
zur wirtschaftlichen, sozialen und städtebaulichen Erneuerung an der Ruhr zu implementieren.352
Denn das Ruhrgebiet hat bereits durch den zurückliegenden strukturellen Wandel,
besonders in den nördlichen Stadtteilen der Emscherzone, massive Auswirkungen
im Betriebs- und Beschäftigtenbesatz, den sozialen Strukturen, im Einzelhandel
(z.B. durch Kaufkraftverluste) und dem städtebaulichen Erscheinungsbild erfahren.
Hieraus entstehen neue Aufgaben, die bereits in Projekten wie der ‚Sozialen Stadt’
angegangen werden, aber nun noch verstärkter Aufmerksamkeit bedürfen.353 Ganzheitliches, Handlungs- und Akteurfelder übergreifendes Gegensteuern kann eine
Maxime sein, um die negativen Folgen bzw. das sich Entwickeln einer sozioökonomischen Abwärtsspirale zu vermindern bzw. zu verhindern. Die nachfolgende
Grafik zeigt die Pfadabhängigkeit im Degradationsprozess vernachlässigter Stadtquartiere im Hinblick auf Standort- und Lebensqualität sowie die Beschäftigungsmöglichkeiten auf.
350
Dazu etwa HEINZE 2006b, S. 5
Etwa die Schließung des AEG Werkes Nürnberg durch Electrolux im Jahre 2006
352
Wie etwa im Positionspapier „Wandel als Chance“ des AK Standortvorsorge der Kohlestädte. Herausgegeben von der Wirtschaftsförderung Metropoleruhr 2008, S.6
353
JASPER, SCHLOZ 2008, verweisen aktuell auf die erforderlichen Handlungsfelder der
Stadtentwicklung in den Kommunen des Ruhrgebietes, S. 627f. Siehe auch LÄPPLE 2005,
S. 15f.
351
116
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 16: Kumulativer Degradationsprozess aufgegebener Stadtteile
Quelle: KRÄTKE 1995, S. 186
Die von KRÄTKE skizzierten Entwicklungstendenzen einer negativen und kumulativen Abwärtsspirale sind bereits in einigen Stadtteilen des Reviers zu beobachten.354
So gibt es beispielsweise in den Städten der Emscher-Zone eine hohe Anzahl an
Leerständen in Häusern, Wohnungen und in Ladenlokalen. Die meisten Städte des
Kreises Recklinghausen weisen mittlerweile mehr Aus- denn Einpendler auf. In dieser Teilregion würde nach Einschätzung von Interviewpartnern ein Wegbrechen
vieler Arbeitsplätze in Großbetrieben wie den Zechen und lokalen Zulieferern zusätzliche negative Folgen für die Bevölkerungsentwicklung und dementsprechend
für das regionale Kaufkraftvolumen bedeuten.355 Da das Ruhrgebiet mit Ausnahme
des Duisburger Südens nicht unmittelbar von Städten umgeben ist, die von hoher
wirtschaftlicher Dynamik geprägt sind, gibt es zudem nur wenig Hoffnung auf ‚spill
over’-Effekte aus dem Umland.356 Außerdem scheint es für die Region derzeit
schwierig, Perspektiven des demographischen Wandels und insbesondere der Abwanderung und des „Gesundschrumpfens“ zu entwickeln und die zu erwartende
Bevölkerungsentwicklung (Abwanderungen, Altern) auch als gestalterische Hand-
354
Siehe dazu ELFES 2003, S. 8
INTERVIEWS POLTIKVERTRETER I und KOMMUNALVERTRETER I
356
INTERVIEWS WISSENSCHAFTLER I und UNTERNEHMENSVERTETER I
355
117
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
lungschance zu verstehen.357 Nach Einschätzung FOX und HEINZE fand in der
Vergangenheit im Ruhrgebiet zu häufig ein Diskurs über Risiken anstelle verpasster
Chancen und Innovation statt, was über Jahrzehnte lang zu einem Festhalten an
überkommenen Strukturen geführt hat.358 Vielfach geschahen Ansiedlungs- und
Investitionsbemühungen unbedacht (d.h. ohne Alleinstellungsmerkmal, ohne innovativen Mehrwert etc.) und nur vor dem Hintergrund einer finanziellen oder materiellen Förderung, dabei sehr oft angetrieben vom und orientiert am Konkurrenzdenken
zu den Nachbargemeinden.359 Dies ist ein Vorwurf, der sich insbesondere auf die
Ausgestaltung und die Ergebnisse der regionalisierten Strukturpolitik bezieht.360
Dabei sind nach heutigem Kenntnisstand ein innovativer regionaler Wandel und die
Bewältigung der Herausforderungen für eine ökonomische und soziale Revitalisierung nur in integrierten Ansätzen möglich (eine Strategie, die auch mit den Regionalkonferenzen intendiert wurde). Dies sind integrierte Konzepte, wie sie beispielsweise JANSEN zur Stärkung der Innovationsfähigkeit von Regionen aufzeigt oder
WIDMAIER, et al. als Weg zu einer integrierten Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung entwickeln. 361 Auch im Rahmen der Analysen und Auswertungen der Expertengespräche für die vorliegende Arbeit wurde deutlich, dass die Aufgaben, Herausforderungen und Handlungsfelder zur Bewältigung des strukturellen Wandels sowohl durch eine breite Akteursbasis als auch auf unterschiedlichen Handlungsebenen bewältigt werden können. Dies sollte partnerschaftlich, im kritischen Dialog,
getragen vom gemeinsamen Ziel einer wirtschafts- und beschäftigungspolitischen
Revitalisierung geschehen, so dass die unten aufgeführten Handlungsfelder in Folge der montanindustriellen Umbrüche für die regionale und lokale Revitalisierung
angegangen werden können. Jede Akteursgruppe wird sich mit ihren originären
Kernkompetenzen in die jeweiligen Handlungsfelder einer kooperativ integrierten
Standortentwicklung und Strukturpolitik einbringen können. Flächenmanagement
und Standortentwicklung können als Aufgabe der Wirtschaftsförderung und Entwicklungsgesellschaften definiert werden. Ausbildung und Fachkräfteentwicklung sind
eine primäre Angelegenheit der Sozialpartner und Qualifizierungsträger, Innovationsförderung kann durch betriebliche Vernetzung, der Potenzialentwicklung mit den
Beschäftigten und der Vernetzung von Unternehmen mit F&E Einrichtungen sowie
durch Clusterbildung und Clustermanagement geschehen.
357
HEINZE 2006, S.5f. JASPER, SCHOLZ sehen das Ruhrgebiet gar als „Versuchslabor“ für
die Schrumpfungsprozesse, dies weit über die städtebaulichen Folgen der DeIndustrialisierung hinaus. JASPER, SCHOLZ 2008, S. 627
358
Siehe etwa FOX,HEINZE 2004, S.10ff.
359
INTERVIEWS WISSENSCHAFTLER I und II
360
Siehe Kapitel 3
361
JANSEN 2006, S.77 und WIDMAIER, et al. 2004, S. 52
118
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 17: Handlungsfelder und Akteure einer integrierten Strukturpolitik
Quelle: Weiterentwickelt nach STEPHAN und WEINGARTEN 2008, S.78
Dieser integrative Ansatz sollte sich nach Meinung von Autoren wie BONI oder
HEINZE sowie der befragten Experten ebenfalls auf die territoriale Dimension beziehen.362 Die Gestaltung des Strukturwandels darf nach einstimmiger Überzeugung
der befragten Akteure nicht an Gemeindegrenzen aufhören und der integrative Ansatz sollte sich als inhaltlich und thematisch breite Handlungsbasis darstellen.363
Nachfolgende Ausführungen zur integrativen Vorgehensweise in der Antizipation
und Gestaltung des strukturellen Wandels zeigen dies exemplarisch auf. Dabei werden zunächst Konzepte und Akteure auf regionaler Ebene vorgestellt, anschließend
kommunale Vorhaben zur Bewältigung des strukturellen Wandels vor dem Hintergrund möglicher Zechenschließungen erörtert. Im dritten Teil des Kapitels wird auf
die Möglichkeiten der konkreten Standortnachnutzung ehemaliger Bergbauflächen
eingegangen.
5.1
Regionale Initiativen und Multiplikatoren
5.1.1 Regionale Entwicklungskonzepte in Zeiten der Clusterpolitik
Die nunmehr geltenden Rahmenbedingungen der veränderten Strukturförderung
stellten und stellen die Teilregionen des Ruhrgebietes vor die Herausforderung, mit
anderen Regionen des Landes um die vorhandenen Fördermittel noch stärker zu
konkurrieren zu.364 Dies muss insofern als große Herausforderung für die Bewälti-
362
BONI 2009, S. 133 und HEINZE 2006, S. 145
Insbesondere INTERVIEWS WIRTSCHAFTSFÖRDER I, MINISTERIUMSVERTRETER I,
UNNTERNEHMENSVERTRETER I und GEWERKSCHAFTSVERTRETER III
364
Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3
363
119
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
gung des sozialen und wirtschaftlichen Strukturwandels angesehen werden, da aufgrund der arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Probleme eine regionsspezifische
Förderung von strukturpolitischen Projekten als unabdingbar angesehen wird.365
Als bewährtes Instrument der regionalisierten Strukturpolitik, vorhandene Stärken zu
identifizieren, Defizite zu benennen und darauf aufbauend Projektinitiativen zu starten, wurden von den Regionen mit Zechenstandorten ‚“Emscher-Lippe“, „Münsterland“ und „Niederrhein“ regionale Entwicklungskonzepte erarbeitet.366 Diese Konzepte bilden die Grundlage für die von der Landesregierung geforderte Herausarbeitung von regionalen Alleinstellungsmerkmalen (unter dem Leitbild „Stärken stärken“).367 Nach Aussage von Wulf NOLL ist das Vorhandensein einer sozioökonomischen Entwicklungsstrategie in Form eines REK nicht nur vor dem Hintergrund der aktuellen Problemstellungen in den Bergbauregionen bedeutsam. Vielmehr stellen REK die Grundlage für Ziel-2-Finanzhilfen im Falle massiver Arbeitsplatzverluste dar. Sie ermöglichen die Bereitstellung von Geldern für Revitalisierungsmaßnahmen außerhalb der seitens des MWME ausgeschriebenen Wettbewerbe. Förderbedingung ist, dass die zu beantragenden Mittel unmittelbar und
projektbezogen für die Sicherung bzw. den Aufbau von Beschäftigung eingesetzt
werden.368
Im Gegensatz zu den rein arbeitsmarktpolitisch ausgerichteten Entwicklungskonzepten, die Voraussetzung für die Gewährung von Fördermitteln aus dem Europäischen
Sozialfonds (ESF) sind369 und außerhalb der Ziel 2-Wettbwerbe gewährt werden,
gehen die REK der benannten Regionen im Sinne einer ganzheitlichen Regionalentwicklung darüber hinaus. Sie sind explizit als Antwort auf die geänderte Förderkulisse und als Basis für die Teilnahme an den ausgelobten Wettbewerben der Landesregierung zu bewerten.370 Darüber hinaus wird mit den vorliegenden Entwicklungskonzepten dokumentiert, dass die Regionen „das Leben mit der Steinkohle“
nicht mehr als tragende Säule des Wirtschaftslebens ansehen. Als Folge dessen
365
INTERVIEWS KOMMUNALVERTRETER I und II sowie ZIEGLER 2009, S. 260 f.
Handlungsstrategie 2020 für die Emscher-Lippe-Region, Strategischer Rahmen für die
Clusterentwicklung des Münsterlandes und ZIKON – Zukunftsinitiative Niederrhein.
367
Siehe dazu auch KOSCHATSKY und PLESCHAK 2003, S. 117f. zu den Möglichkeiten
wirtschaftliches Wachstums in Verbindung mit der Erstellung von Regionalen Entwicklungskonzepten zu untersuchen. Oder siehe FÜRST 2003, S. 441 zur Steuerung der regionaler
Ebene sowie KIESE 2007, S. 23. Dieser verweist auf unterschiedlichen methodische Ansätze zur Clusterindentifizierung, im Falle der REK kommen Gutachter, Messzahlen und die
Abschätzung von Entwicklungsdynamiken zum Einsatz.
368
INTERVIEW POLITIKVERTRETER II
369
Vergeben durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) des Landes NRW
370
HANDLUNGSSTRATEGIE 2020 FÜR DIE EMSCHER-LIPPE-REGION - WANDEL und
WACHSTUM; STRATEGISCHER RAHMEN FÜR DIE CLUSTERENTWICKLUNG IM
MÜNSTERLAND (Prognos AG) ZUKUNFTSINITIATIVE NIEDERRHEIN (ZIKON) der
AGIPLAN. Siehe auch den Projektaufruf des MWME vom 31.03.09 zur Erstellung von Regionalen Entwicklungskonzepten. Forschungszentrum Jülich (Hrsg.) als verantwortlicher Projektträger für das MWME
366
120
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
wurden Konzepte entwickelt, deren Ziel es ist, neue Arbeitsplätze durch die Förderung und Weiterentwicklung von bestehenden wirtschaftlichen Kompetenzen und
Entwicklungskernen auf Basis einer Stärken- und Schwächenanalysen jenseits des
Bergbaus zu schaffen.371
Mit der Erstellung der am Clusterpotential ausgerichteten REK bedienen sich die
drei genannten Regionen einer Vorgehensweise, die aufgrund der neuen Förderprogrammatik im Grunde als obsolet angesehen werden kann. Das Instrument der
REK, als Relikt der regionalisierten Strukturpolitik, scheint eigentlich nicht in die derzeit gegebenen Rahmenbedingungen zu passen.372 Hier ist jedoch zu konstatieren,
dass mit der Erarbeitung neuer bzw. der Fortschreibung schon vorhandener Entwicklungskonzepte die Regionen die Möglichkeit und Chance ergriffen haben, die
bestehenden intraregionalen und kooperativen Strukturen im Sinne der Verantwortung der zentralen Akteure für „ihre“ Region nutzbar zu machen und das regionale
Know-how in die Antizipation und Generierung zukünftiger Entwicklungspfade
(„shared diagnosis“) mit einzubeziehen.
Aktuelle Sachstände der Regionalen Entwicklungskonzepte
Die vorhandenen Entwicklungskonzepte dokumentieren die großen Anstrengungen
der Regionen, auf die zurzeit geltenden und zukünftig abzusehenden Veränderungen der regionalen wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen einzugehen und sie im Sinne des „kooperativen Agierens“ zu lösen.373
Dies geschieht in den drei Regionen „Emscher-Lippe“, „Münsterland“ und „Niederrhein“ in einer konsensualen Form, die die gewachsenen regionalen Strukturen der
‚Regionalkonferenzen’ unter anderen Vorzeichen nutzt. Ausgehend von dem veränderten förderpolitischen Kontext, beziehen sich die Regionen auf die von der Landesregierung vorgegebene Wettbewerbssituation im Sinne der Identifizierung der
vorhandenen regionsspezifischen „Treiber“ und der Branchensegmente, in denen
eine Weiterentwicklung vorzunehmen ist. Grundlage hierfür ist eine gemeinsame
Erklärung der regionalen Akteure zu den Entwicklungsszenarien und -zielen, deren
Ausgestaltung und Erreichung als integrierte regionale Akteursaufgabe verstanden
wird.374 Darüber hinaus werden im Rahmen der strategischen REK die arbeitsmarktpolitischen, ESF-Gelder basierenden Projekte integriert, die die regionale Arbeitsmarktförderung durch das MAGS sicherstellen sollen.
371
So wird in der Handlungsstrategie 2020 für die Emscher-Lippe-Region gefordert, die Zechenstandorte im Rahmen des Kohleausstiegs durch die Erlöse aus dem RAG-Börsengang
zu fördern.
372
Für die Clusterwettbewerbe ist kein Regionales Entwicklungskonzept erforderlich, es
dominiert vielmehr der unternehmensbezogene als der territoriale Ansatz.
373
Dazu WISSEN 2005, S.116ff. unter dem Schlagwort der „Modernisierungskoalitionen“
374
Siehe AGIPLAN 2007 zum Vorwort des ZIKON-Reportes, S. 5
121
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Mit dieser Strategie werden alte (regionalisierte Strukturpolitik) und neue Sichtweisen (Clusteransatz) für die regionale Perspektivenentwicklungen zusammengeführt.
Die Vorteile dieser Vorgehensweise liegen auf der Hand: einerseits ist es möglich,
mit der Einbeziehung regionaler Akteure, ihrem Know-how, ihrem Engagement und
ihrer regionalen Verbundenheit auf spezifische regionale Bedürfnisse ausgerichtete
Lösungsansätze zu generieren. Andererseits erfüllt die inhaltliche Ausrichtung der
REK die Vorgaben der Clusterpolitik, eine clusterbasierte Stärken- und
Schwächenanalyse der wirtschaftlichen Gegebenheiten innerhalb der Regionen zu
erstellen. Mit den erarbeiteten Ergebnissen kann eine „Generalkarte Wirtschaftsund Arbeitsmarktpolitik“ geschaffen werden, auf deren Basis regionale Entwicklungsmöglichkeiten und -defizite benannt werden und die Meinungsbildung der regionalen Akteure einfließen kann.
Die Notwendigkeit, sich dem nordrhein-westfälischen Clusteransatz und der damit
einhergehenden Förderung der Besten im Rahmen der ausgelobten Wettbewerbe
zu stellen, wurde in den untersuchten Regionen „Emscher-Lippe“, „Niederrhein“ und
„Münsterland“ erkannt. Die Erstellung der REK, geht über die rein arbeitsmarktpolitisch intendierten Entwicklungskonzepte hinaus.375 Eine Ausnahme der vier in den
Fokus genommenen Regionen bildet das „Westfälische Ruhrgebiet“, das die „Regionalagentur Westfälisches Ruhrgebiet mit Dortmund, dem Kreis Unna und Hamm
repräsentiert. Hier wurde durch Beschluss des Lenkungskreises vom 30.05.2007
das „Strategiepapier der Regionalagentur Westfälisches Ruhrgebiet 2007/2008“
verabschiedet, dessen Inhalt in allererster Linie auf die Zielsetzungen der
regionalisierten Landesarbeitsmarktpolitik abhebt - sich mithin also nur auf die arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumente des MAGS NRW fokussiert.
Auf Grundlage der drei Handlungsfelder
•
Beschäftigungsfähigkeit,
•
Jugend und Berufsausbildung sowie
•
Zielgruppen
wird ausdrücklich formuliert, dass
„… sich die Region Westfälisches Ruhrgebiet zu ihrem Anspruch (ausdrücklich bekennt), eine arbeitspolitische Modellregion sein zu wollen, die im landesweiten
Wettbewerb um die knappen Mittel der „Zentralen Reserve“ des Ministeriums für
Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) für Modellprojekte gut abschneidet.“376
375
Ebenso die Einschätzung im INTERVIEW WIRTSCHAFTSFÖRDERER I
Strategiepapier der Regionalagentur Westfälisches Ruhrgebiet 2007/2008; Beschluss
des Lenkungskreises vom 30.05.2007, S. 4
376
122
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Darüber hinaus wird die weitere Umsetzung breitenwirksamer und erprobter Instrumente des MAGS wie „Potenzial- und Arbeitszeitberatung für Unternehmen und
Beschäftige“ oder Einarbeitungshilfen für Langzeitarbeitslose postuliert.
Es muss jedoch die Frage aufgeworfen werden, ob vor dem Hintergrund der zukünftigen Herausforderungen der kohlepolitischen Beschlüsse hier eine Chance für eine
optimierte regionale Entwicklung verpasst wird. Denn diese eng fokussierte Sichtweise beinhaltet nur das Festhalten am Status-quo als Reaktion auf gegebene
Rahmenbedingungen und nicht die notwendige, aktive Antizipation zukünftiger Entwicklungen und deren Lösung wie im Falle der anderen Regionen.
Fasst man die Konzepte und „Philosophien“ der im Rahmen dieser Arbeit kurz beschriebenen REK mit ihren inhaltlichen Ausprägungen, den entwickelten Einzelprojekten und der strategisch zukunftsorientierten Ausrichtung zusammen, wird Folgendes deutlich. Zumindest drei der vier betroffenen Regionen haben die Herausforderungen des Strukturwandels, des Kohlekompromisses und der geänderten
Förderpolitik des Landes NRW antizipativ angenommen. Mit Hilfe zukunftsorientierter Vorgehensweisen ist in den Regionen geplant, proaktiv den Strukturwandel zu
gestalten. Gerade durch die Identifizierung bestehender Erfolgstreiber – aber auch
der Erfolgshemmer – ist eine integrative und kooperative Regionalentwicklung auf
Basis eines regionalen Konsenses möglich. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn
(auch) zukünftig eine flexible und breit angelegte Förderung angeboten wird. Diese
sollte die zur Zeit geltenden Ausgangsbedingungen aufgreifen und zukünftig zu erwartende Entwicklungen berücksichtigen und somit alle Wachstumschancen der
Regionen unterstützen.377 Gleichzeitig sollten in den Regionen weitere strategische
Anstrengungen zur gezielten Profilierung der gegebenen Stärken und Wachstumsmotoren geleistet werden, d.h. die identifizierten Cluster müssen mit Zukunftsthemen - und dies vermutlich jenseits der Kohle - besetzt werden. Ein Wissenschaftsvertreter regt sowohl ein kleinteiligeres (auch in Bezug auf arbeitsmarktpolitische Effekte) Denken abseits konventioneller Bahnen als auch die Suche nach zukunftsträchtigen lokalen Nischen378 an, wobei eine diversifizierte Strategie zu verfolgen wäre, die sich nicht auf zwei bis drei Themenfelder beschränkt würde.379
377
INTERVIEW GEWERKSCHAFTSVERTRETER VI
Unter Nische versteht WISSENSCHAFTLER I ein Profil mit wenigen Kernkompetenzen
379
Ähnlich INTERVIEW WISSENSCHAFTLER II, der die Region als „ökonomischen Tausendfüßler“ sieht
378
123
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
5.1.2
„Wandel als Chance“, die Kohlenachfolgeregionen und das
Konzept Ruhr
Im Sinne des integrativen und antizipativen Ansatzes sehen auch die Städte und
Kreise im Ruhrgebiet als „Kohlenachfolgeregionen“ die frühzeitige Bewältigung der
Folgen der Kohlebeschlüsse als eine gemeinsame Herausforderung an. In einem
Positionspapier mit dem Titel „Wandel als Chance“ haben die Oberbürgermeister
und Landräte der Kommunen des RVR und des Kreises Steinfurt (Standort Ibbenbüren) die Stilllegungsbeschlüsse gemeinsam bewertet.380 Diese Initiative geht aus der
bestehenden kommunalen Kooperation im Rahmen des „Konzept Ruhr“ hervor, das
nun mit verschiedenen Projektideen unter dem Titel „Kohle-Vorsorge“ die Aufgabe
definiert, bereits frühzeitig die städtebaulichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen möglicher Stilllegungen zu klären und projektbezogene Maßnahmen auf
den Weg zu bringen. Das von den Kommunen und der WMR entwickelte Positionspapier „Wandel als Chance“ der Kohle-Vorsorge Strategie richtet sich als Diskussionsgrundlage und zur Entwicklung eines abgestimmten Maßnahmenpaketes an die
Landesregierung NRW, die RAG-Stiftung381, die Unternehmen des Bergbaus, sowie
Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen und andere
Interessengruppen.382
Als mögliche kompensatorische Maßnahmen wurden 25 Projekte, u.a. aus dem
bestehenden „Konzept Ruhr“, für das Kohle-Vorsorge Papier „Wandel als Chance“
definiert. Hierbei handelt es sich bemerkenswerterweise nicht nur um Projekte an
den aktuell von einer möglichen Schließung betroffenen Standorten. Vielmehr werden kommunal grenzüberschreitende und regional bedeutsame Vorhaben, wie etwa
die Perspektivenentwicklung für die Fach- und Hochschullandschaft im Ruhrgebiet
oder der „Zukunftsvertrag Ausbildung“ als Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in der ganzen Region zur Kompensation des Auslaufbergbaus entwickelt. Alle
Projekte werden unter drei Schwerpunkthemen gebündelt:
¾ Altes neu nutzen und entwickeln
¾ Erneuern und erfinden
380
Die Bewertung erfolgte in der Arbeitsgruppe „Kommunale Standortvorsorge Kohle“ der
Kommunen Moers, Kamp-Lintfort, Dinslaken, Kreis Wesel, Duisburg, Bottrop, Gelsenkirchen, Herten, Marl, Haltern am See, Dorsten, Herten, Kreis Recklinghausen, Dortmund,
Bergkamen, Hamm, Kreis Unna, Ibbenbüren & Kreis Steinfurt sowie die Zukunftsaktion Kohlegebiete e.V. unter Federführung der Stadt Bottrop. Interessanterweise beteiligen sich nicht
nur die Kommunen mit aktiven Bergwerken an der Initiative sondern die Herausforderung
wurde regional angenommen. Die MR auf dem Weg zu neuen Kooperationen jenseits des
Kirchturmdenkens.
381
Der RAG-Konzern hat die RAG-Stiftung als bürgerlich-rechtliche Stiftung in 2007 gegründet. Die RAG-Stiftung soll u.a. den sozialverträglichen Anpassungsprozess des deutschen
Steinkohlenbergbaus gemäß Steinkohlefinanzierungsgesetz unter Berücksichtigung der
Revisionsklausel in 2012 bis zum Jahr 2018 steuern. INTERVIEW
UNTERNEHMENSVERTRETER II
382
INTERVIEW WIRTSCHAFTSFÖRDERER I und auch das Strategiepapier der Wirtschaftsförderung Metropoleruhr „Wandel als Chance“
124
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
¾ Fördern und begleiten
Zentrales Anliegen der handelnden Akteure in den Kommunen sind die Vernetzungen von Aktivitäten, administrativen Zuständigkeiten und Fördermöglichkeiten. So
sind nach Auffassung der beteiligten Kommunen und nach Aussage eines Wirtschaftsförderers die staatlichen und kommunalen Maßnahmen mit dem Engagement der Wirtschaft in der regionalen Strukturpolitik zu verbinden, was einem integrierten und kooperativen Akteurskonzept entspricht.383
Handlungsfelder des Konzeptes
Im Sinne der integrierten und projektbasierten Strategie zur Regionalentwicklung
haben Maßnahmen der Stadtentwicklung und des Stadtteilmanagements an den
Standorten des Kohlebergbaus besonders im Hinblick auf die Aufwertung der Quartiere einen besonderen Stellenwert im Konzept „Kohle-Vorsorge“ erhalten.384 Maßnahmen der Standortentwicklung und Wirtschaftsförderung sollen sich auf die Unterstützung neuer wirtschaftlicher Entwicklungen und bestehender Betriebe konzentrieren.385 Bildungs- und Qualifizierungsangebote sowie Maßnahmen in der Sozialarbeit sollen die Menschen im strukturellen Wandel begleiten. Dazu gehören nach
Auffassung der Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH insbesondere kulturelle
und identitätsstiftende Projekte.386 Es wird als erforderlich angesehen, die Handlungsfelder und Projekte in Bezug zu den regionalen Unterschieden zwischen den
Teilräumen abzustimmen. Im gesamten Prozess sind deshalb auch Institutionen,
Gebietskörperschaften und einzelne Akteure beteiligt, die geographisch nicht von
den Kohlebeschlüssen betroffen sind (z.B. die Stadt Mülheim). Einstimmiges Ziel
der Partnerkommunen ist die Definition und Ableitung aktiver Entwicklungspfade für
die Städte und die Region in ihrer Gesamtheit. Dies beinhaltet die Ermittlung differenzierter Handlungsoptionen und differenzierter kompensatorischer Projekte, je
nach Stadt und Standort, unter gleichzeitiger Berücksichtigung der bereits gemach-
383
Etwa BAUER-WOLF, PAYER, SCHEER 2008, S. 8ff. die mit ihrem Handbuch für Regionalentwicklung auf erfolgreiche Entwicklungspfade durch Netzwerkkompetenz verweisen
oder auch DILLER 2006, S. 79f. und das integrierte Modellvorhaben des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit der Initiative „REGIONEN
AKTIV – Land gestaltet Zukunft“ und ähnlich im INTERVIEW WIRTSCHAFTSFÖRDERER I
und auch WIRTSCHAFTSFÖRDERER II
384
Siehe JASPER, CARL 2008, S. 635
385
Eine Forderung, die auch im Rahmen des HBS-Workshops und des Gruppendiskussionsverfahrens geäußert wurde.
386
So wird von verschiedensten Vertretern der Regionalforschung, aber auch der Regionalpolitik seit Ende der 1980er Jahre der regionalen Identität eine besondere Bedeutung für die
Ausgestaltung der Regionalentwicklung beigemessen. Dabei wird häufig davon ausgegangen, dass regionale Identität als eine zentrale Voraussetzung regionaler Entwicklung anzusehen sei. Etwa BLOTEVOGEL 1996, S. 44ff.
125
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
ten positiven wie negativen Erfahrungen (als „cognitives Element“387) bei Antizipation des weiteren und anhaltenden Strukturwandels.
Auf der Agenda stehen neben der gemeinsamen Positionsbestimmung Gespräche
mit der Landesregierung, der RAG und den Arbeitnehmervertretern. Dem thematisch integrativen Ansatz der Kommunen folgend, sollen weitere Akteure in die Antizipation und in den Umgang mit dem Wandel und dem Auslaufbergbau mit einbezogen werden. Als Ziel werden die nachhaltige Einbindung der relevanten Akteure vor
Ort in ein gemeinsames Netzwerk und die dauerhafte interkommunale Abstimmung
benannt. Aus den im Rahmen der Arbeit geführten Gesprächen und der Analyse der
Materialen und Statistiken wird deutlich, dass für das Ruhrgebiet zwar eine abgestimmte, aber nicht einheitliche Raumentwicklung notwendig ist.388 Das Ruhrgebiet
ist kein homogener Raum, wie auch MARETKE aufzuzeigen vermag.389
Das „Konzept Ruhr“ als interkommunale Entwicklungsgrundlage
Es wird deutlich, dass die Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH mit den beteiligten Kommunen des RVR für Vorbereitungen der Antragsverfahren im Rahmen
der Prioritätenachse 3 (nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung) des EFRE-Ziel
2-Programms mit dem ‚Konzept Ruhr’ eine integrative, auf einzelnen Projekten basierende Strategie entwickelt hat. Mit dem Konzept sollen sowohl städtebauliche als
auch wirtschaftliche Entwicklungen in den Kommunen verknüpft werden. Das „Konzept Ruhr“ beinhaltet insgesamt 274 für die nächste Dekade geplante Vorhaben mit
einem geschätzten öffentlichen Investitionsvolumen von etwa 1,6 Mrd. Euro.
Da die Ziel 2-Strukturförderung für NRW aber lediglich die Vergabe von Finanzmitteln in Höhe von 1,3 Mrd. Euro vorsieht, können eine Reihe von Projekten nicht
verwirklicht werden. Eine stärkere Auswahl und Forcierung bestimmter Projektvorschläge wurde in den Interviews aufgrund der aktuellen Problemstellungen in
den Bergbaurückzugsgebieten390 und vor dem Hintergrund der Überschreitung der
zur Verfügung stehenden Finanzmittel für sinnvoll erachtet.391 Das „Konzept Ruhr“ in
der Gesamtheit formuliert ein Leitbild dem die nachfolgenden Oberthemen die
Schwerpunktsetzung der ökonomischen und infrastrukturellen Entwicklung der Metropole Ruhr in der nächsten Dekade bilden.392
387
„Cognitive map“ nach NEGRELLI 2008, S. 204
INTERVIEWS WISSENSCHAFTLER I, WISSENSCHAFTLER II und
WIRTSCHAFTSFÖRDERER II
389
Siehe MARETZKE 2008, S. 564f.
390
INTERVIEW WIRTSCHAFTSFÖRDERER II
391
INTERVIEW GEWERKSCHAFTSVERTRETER III
392
Siehe das KONZEPT RUHR Stand 4/2008, unter: Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr
GmbH (Hrsg.) 2008
388
126
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
‚ruhrlines’: Entwicklungsachsen in West-Ost-Richtung, Koordination von Verkehrsprojekten
•
Die diesbezüglichen Projekte dienen der Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit im Bereich Verkehr, es beinhaltet linear angelegte (Verbund-)
Projekte, wie z.B. die ‚Rheinische Bahn’, welche Mülheim, Essen und Duisburg verbinden soll. Es knüpft an die inter-kommunalen Kooperationsstrategien im Ruhrgebiet an, wie die IBA, die Route Industriekultur, den Masterplan Emscher Landschaftspark (ELP) 2010 etc. an.
‚ruhrcities’: Städtebauliche Qualität, Erneuerung von Stadtzentren und verdichteten Stadtteilen
•
•
Umsetzung der Stadtentwicklungspolitik Nordrhein-Westfalens samt ihrer Instrumentarien; so fortentwickelt ergibt der „Kranz“ von erneuerten Stadtteilen
die neuen ‚ruhrcities’ und leistet einen wichtigen Beitrag zur sozial stabilen
Entwicklung der Region
Insgesamt beinhaltet der Schwerpunkt ‚ruhrcities’ ca. 120 Projekte und ist
damit größtes Aufgabenpaket des ‚Konzept Ruhr’
‚ruhrexcellence’: Entwicklung hochwertiger Gewerbe- und Industriestandorte
•
Im Wettbewerb der Metropolen sind wirtschaftlich interessante Standorte mit
entsprechender städtebaulicher Qualität bedeutsam, um die Aufmerksamkeit
nationaler und internationaler Unternehmen zu erregen. Hier setzen die einzelnen Projekte an.
•
Die zweite Generation von ‚ruhrexcellence’ wird im Zusammenwirken von öffentlichen und privaten Partnern auf den Weg gebracht, damit die nächsten
Angebote innerhalb von zehn Jahren sukzessive geschaffen werden.
•
Dazu gehören Projektideen wie die Ruhrpromenade ‚Ruhrbania’ in Mülheim,
der Sportpark Oberhausen, das Entwicklungskonzept rund um die ‚Marina’ in
Essen, die Entwicklung des Standortes ‚Aden’ in Bergkamen oder der ‚new
park’ im Kreis Recklinghausen.
‚ruhrinvest’: Schaffung von Bedingungen für Investitionsprojekte des Privatsektors
•
Ziel ist die Forcierung privatwirtschaftlicher Investitionsprojekte auf ehemaligen Industrieflächen ohne direkte Subventionierung der Unternehmen (Bsp.:
Ansiedlungen der Hauptverwaltung der ThyssenKrupp AG auf dem Gelände
des ehemaligen Krupp-Gürtels sowie der Aldi-Süd-Hauptverwaltung auf der
Brache einer ehemaligen Lederfabrik in Mülheim).
127
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
‚ruhrevents’: langfristig angelegte regionale Großereignisse
•
Strategisches Ziel ist die Austragung international wahrgenommener Events
als Beitrag zur Imageverbesserung unter Abstimmung der Kommunen des
Ruhrgebiets und das Anstoßen frühzeitiger Überlegungen für eine Abfolge
von Großveranstaltungen in den kommenden Jahren; dazu zählen die Bewerbungen von Teilräumen der Metropole Ruhr für die Regionalen
2013/2016 oder die Ideen zu einem „Rheinplan“.
Das Konzept Ruhr nimmt einen besonderen Stellenwert unter den bisherigen Strategien und Konzepten zur Gestaltung des strukturellen Wandels im Ruhrgebiet ein,
da es Ziele einer nachhaltigen Regional- und Stadtentwicklung einschließlich der
Wirtschaftsförderung über alle Stadtgrenzen hinweg abzustimmen und zu koordinieren versucht.393 Nach Auffassung der beteiligten Kommunen kann insbesondere für
das nördliche Ruhrgebiet im Rahmen des Konzeptes Ruhr und der „Standortvorsorge Kohle“ den Auswirkungen des dort stattfindenden „Kohlerückzugs“ durch geeignete Projekte begegnet werden. Dabei stehen die Entwicklung von neuen Technologie- und Industriestandorten sowie die Stabilisierung von Problemstadtteilen im
Vordergrund der vorgeschlagenen Maßnahmen.
Im Gegensatz zum Konzept Ruhr als kommunal initiiertes Vorgehen hat die Initiative
Zukunft Ruhr 2030 einen anderen Ausgangspunkt der Aktivitäten.
5.1.3 Zukunft Ruhr 2030
Regionale Entwicklungskonzepte wurden in der Vergangenheit zumeist ohne substanzielle Beteiligung der Wirtschaft entwickelt, sondern von öffentlichen Institutionen getragen, welche Planungsziele festlegten, Kooperationen vereinbarten und
Projekte ableiteten. Für das Ruhrgebiet wurden solche Strategien unter anderem im
Rahmen der IBA oder auch im Projekt ‚Städteregion 2030’ entworfen.394 Das Konzept Ruhr richtet sich zwar u.a. an die Akteure der privaten Wirtschaft, ohne aber
diese in der Entwurfsphase strategisch und formal, stattdessen nur mittelbar zu beteiligen. Das geschieht lediglich durch die Verbände, in Aufsichtsräten von Entwicklungsgesellschaften oder durch die Beteiligung in Einzelprojekten.
393
INTERVIEW WIRTSCHAFSFÖRDERER I und WIRTSCHAFTSFÖRDERER II sowie
INTERVIEW GEWERKSCHAFTSVERTRETER III
394
Die Städte Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim an der
Ruhr und Oberhausen haben mit dem stadtregionalen Kontrakt vom 6. Juni 2003 vereinbart,
ihre Zusammenarbeit durch einen regelgeleiteten Projektverbund zu stärken. Wichtige Voraussetzungen für diese Vereinbarung wurden durch das Forschungsvorhaben "Städteregion Ruhr 2030" erarbeitet, der im Rahmen von Stadt 2030 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des
Landes Nordrhein-Westfalen gefördert wurde
128
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Solange sich Regionalentwicklung auf planungsrechtliche Aspekte beschränkte und
vor allem Infrastrukturpolitik beinhaltete, war diese (nicht nur aus Sicht der Unternehmen) alleinige Aufgabe des Staates, an der sich die Wirtschaft nur mittelbar,
etwa in beratender oder fordernder Form, beteiligte.395 Seit Mitte der 1990er Jahre
führten unterschiedliche Gründe dazu, dass das Interesse der Unternehmen an einem substanziellen Engagement in der Standortentwicklung zunahm.396 Durch die
Internatonalisierung wirtschaftlicher Verflechtungen nahm der Wettbewerbsdruck
erheblich zu. Die Verlagerung von Kompetenzen der Rahmengesetzgebung auf
supra-staatliche Organisationen wie die EU führte zu einer Reduzierung des wirtschaftspolitischen Gestaltungsspielraums der Nationalstaaten. Aufgrund des wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts, vor allem durch den Clusteransatz, setzte
sich das Verständnis durch, dass die Region und insbesondere der Standort mit
seinen Rahmenbedingungen, seinem Wissens- und Mitarbeiterpool, seinem Innovationssystem und seinen Netzwerken ein potenzieller Wettbewerbsvorteil im internationalen Wettbewerb sein kann.397 Kritisch sieht diese Sichtweise KRÖCHER, der
von einer „Verabsolutierung der Region“ unter dem wettbewerbsorientierten Paradigma im Rahmen des „New Regionalism“ ausgeht.398 Der Initiativkreis Ruhrgebiet
als Vereinigung der 70 größten Unternehmen der Region kommt zu einer anderen
Bewertung und sieht Handlungsbedarf.
Wie in Kapitel 4 aufgezeigt, weist das Ruhrgebiet durch die Strukturbrüche der Vergangenheit ein wirtschaftliches Wachstumsdefizit auf, eine überdurchschnittliche
Alterung der Bevölkerung und ist durch Einwohnerverluste gekennzeichnet. Um
diese, als Wettbewerbsnachteile im Ruhrgebiet empfundenen Faktoren, zu kompensieren, hat sich der Initiativkreis Ruhr (IR) die Aufgabe gestellt, Entwicklungsperspektiven für die Region jenseits der Kohle und des Montansektors aus Sicht der
Wirtschaft zu entwerfen. Diese wurden in ein Strategiepapier unter dem Titel „Zukunft Ruhr 2030“ eingebracht.399 Mit Innovationen in Wirtschaft und Wissenschaft,
Infrastruktur und Logistik, Medizin und Gesundheit, Kultur und Bildung konzentriert
sich die künftige Strategie der Unternehmen auf die aus ihrer Sicht viel versprechenden Zukunftsfelder der Region. Die in diesem Konzept skizzierte Vision sieht
das Ruhrgebiet im Jahr 2030 als Modellregion für die nachhaltige Lösung globaler
395
Etwa PETZINA 2004, S 116ff. oder auch LINDER 2009, S. 40
Siehe LINDER 2009, S. 40ff. zu multinationalen Unternehmen und Fragen der Regionalentwicklung. NATZMER beschreibt die regionalwirtschaftliche Verknüpfung mit betriebswirtschaftlichen Verfahren der empirischen Wettbewerbsanalyse als „Brückenschlag“, basierend
auf den Konzepten von PORTER. Für Managementberatungen wie McKinsey & Co entwickelte sich daraus ein neues Geschäftsmodell, siehe NATZMER 2007, S. 177
397
Siehe OSTERHOFF 2007, S. 179
398
Siehe KRÖCHER 2008, S. 202 und 204ff. zu den Aspekten des „New Regionalism“, im
Rahmen der Renaissance der Region in der globalisierten Welt. Nach KRÖCHER der globale Raum als Wettbewerbsraum, der regionale als Kooperationsraum
399
LAMPE 2008 mit seinem Vortrag:“ Zukunft Ruhr 2030 - eine Strategie für die Metropole
Ruhr", gehalten bei der Arbeitsgemeinschaft Kommunale Wirtschaftsförderung in NordrheinWestfalen am 4.Sept. 2008 in Düsseldorf. Siehe DEUTSCHER STAEDTETAG (Hrsg.) 2008
396
129
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
wirtschaftlicher Herausforderungen. Die Vision knüpft an endogene Potenziale der
Region zur Zielerreichung von Wirtschaftswachstum und Wohlstand an und setzt
auf den Stellenwert einer nach wie vor zukunftsfähigen Industrieregion. Die vorhandenen Potenziale sollen zur Erschließung neuer wirtschaftlicher Betätigungsfelder
führen, welche sich nach Auffassung des Initiativkreises Ruhrgebiet zu nachhaltig
tragfähigen Säulen für die Region entwickeln können.
Verfahrensschritte, konzeptioneller Ansatz und Leitthemen
Sechs Unternehmensberatungen haben in Zusammenarbeit mit Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft ab 2006 verschiedene regionale Themenfelder untersucht,
Zukunftsvisionen entwickelt und darauf aufbauend versucht, eine regionale Entwicklungsstrategie für die Region in den kommenden Jahren abzuleiten. Dahinter steht
der konzeptionelle Ansatz, Instrumente der unternehmerischen Strategieberatung
auf eine Region anzuwenden und durch die Beteiligung verschiedener externer Berater mit unterschiedlichen Kompetenzen und Erfahrungen, eine andere Sicht auf
die Entwicklung des Ruhrgebietes zu erhalten.400 Bei der Erarbeitung des Zukunftsbildes für die Metropolregion Ruhr wurde aus Blickwinkeln operiert, die eine Antizipation zukünftiger Entwicklungen auf den zwei entscheidenden Ebene zu vollziehen
versuchen.
¾ die Trendanalyse der weiteren Entwicklung - Wie ist die derzeitige Situation
und was können wir daraus lernen? (Prognostische Ebene)
¾ die Entwicklung einer Zukunftsvorstellung - Welche Ziele setzen wir uns und
wie können wir sie erreichen? (Intentionale Ebene)
Die strategischen Zukunftsüberlegungen gingen insbesondere von der Frage aus,
auf welchen Feldern die regionale Wettbewerbsfähigkeit des Ruhrgebietes im nationalen und internationalen Kontext am größten ist und wo besondere regionale Alleinstellungsmerkmale liegen. Wesentliche Ergebnisse der Analysen waren, dass
¾ der Anteil der Leit- und Wachstumsbranchen an der gesamten Wirtschaftsstruktur im Vergleich zu NRW und dem Bund unterdurchschnittlich ist,
¾ die Gründungsquote unterdurchschnittlich ist und
400
BRUCH-KRUMMBEIN 2008, S. 290 sieht in einem solchen Ansatz eine „Verschiebung
der Akteursebene“, denn mit solchen Konzepten können vermehrt Wirtschaftsvertreter in die
Bearbeitung von Fragen regionaler Strukturpolitik einbringen und betriebswirtschaftliche
Gestaltungs- und Bewertungsprinzipien auf regionale Prozesse anwenden. Diese Prozesse
bergen ein demokratietheoretisches Legitimationsproblem. Positiv sehen eine solche Verknüpfung BLADT, ZDROWOMYSLAW 2009, S. 91 und S. 177ff.
130
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
¾ auch in Zukunft nur mit einem unterdurchschnittlichen Beschäftigungs- und
Umsatzwachstum zu rechnen ist.401
So wurde festgestellt, dass in der Region zwar ein solides Wirtschaftswachstum zu
verzeichnen ist, dies aber nicht ausreicht, um den aus den Strukturumbrüchen der
Vergangenheit resultierenden Wachstumsrückstand aufzuholen (siehe dazu auch
Kapitel 4).
Auch wenn die Analyse der sozio-ökonomischen Situation in der Region nahezu
identisch bewertet wird, werden im ‚Konzept Ruhr’ und in ‚Zukunft Ruhr 2030’ unterschiedliche Wachstumsfelder für das Ruhrgebiet benannt. Während der IR von drei
Meta-Kompetenzfeldern Energie, Werkstoffe und Logistik ausgeht, weist die Wirtschaftsförderung Metropoleruhr sechs Kompetenzfelder mit dem Ziel aus, diese mit
den 16 NRW-Clustern zu verknüpfen.402 Von den definierten Kompetenzfeldern in
der Metropole Ruhr können nach Ansicht eines befragten Wirtschaftsförderers aber
eigentlich 2,5 als elementar beschäftigungsrelevant benannt werden – Logistik,
Energie und z.T. die Gesundheitswirtschaft.403 Der Initiativkreis setzt darüber hinaus auf eine stärkere Betonung der Rhein-Ruhr-Achse mit dem Begründungszusammenhang, dass potenzielle internationale Investoren die Region unter Berücksichtigung eines größeren räumlichen Zuschnitts betrachten (z.B. wegen der Flughäfen Köln/Bonn und Düsseldorf) und als Rhein-Ruhr-Region wahrnehmen.
RÖLLINGHOFF macht auf ein generelles Problem strukturpolitischer Initiativen
durch Unternehmensvertreter aufmerksam. Die eigentlich notwendige, klare und
eindeutige Zuordnung von Standortkompetenzen, Leitthemen und Branchen wird
durch das regionalpolitische Proporzdenken staatlicher oder staatsnaher Akteure
nicht geleistet und kann zudem durch strukturpolitische Vetospieler blockiert werden. An dieser Stelle entsteht ein Vakuum, dass durch die Überlagerung von unterschiedlichen politisch initiierten Netzwerken, Projektgesellschaften und Metanetzwerken wie dem RVR noch verstärkt wird. Wirtschaftsnahe Akteure wie die Vertreter
des Initiativkreises Ruhrgebiet können diese „blinde Flecken“ besetzen und eigene
strukturpolitische Ansätze entwickeln, die sich dann jenseits der demokratischen
Legitimierung befinden.404
So sieht das Konzept des IR die Konzentration auf bestimmte Stärken und deren
Zusammenführung vor, die zu so genannten Meta-Kompetenzfeldern werden. Be-
401
Initiativkreis Ruhr (Hrsg.) 2008a: Zukunft Ruhr 2030 und Initiativkreis Ruhr (Hrsg.) 2008b
Ruhrindex 2030
402
Dies sind: Bekleidung, Bergbau, Chemie, Elektroindustrie, Energiewirtschaft, Ernährungswirtschaft, Fahrzeugbau, Finanzdienstleistungen, Gesundheitswirtschaft, Glas- und
Gummiindustrie, Handel, Informations- und Kommunikationstechnik, Kultur- Kreativwirtschaft, Logistik, Luft- und Raumfahrt, Maschinenbau, Metall-, Möbel-, Texitlindustrie, Tourismus, Unternehmensbeteiligungen, Wasserwirtschaft
403
Interview WIRTSCHAFTSFÖRDERER II
404
Siehe RÖLLINGHOF 2007, S. 180
131
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
zug nehmend auf die Prognos Studie „Leit- und Wachstumsbranchen in der Metropolregion Ruhr“ wurden diese mit den Feldern Energie, Werkstoffe und Logistik benannt. Diese Metakompetenzfelder werden im Konzept des IR durch sechs Säulen
(Branchen) gestützt. Dies sind Maschinen- und Anlagenbau, Stahl- und Metallindustrie, Chemie, Energieversorgung und Recycling, Fahrzeugtechnik und IT sowie
Softwareentwicklung.
Hoher Handlungsbedarf für die zukünftige Entwicklung des Ruhrgebietes wurden in
folgenden Feldern erkannt:
¾ Infrastruktur (Luft- und Schienenverkehr, Verkehrswege, innovative Verkehrsträger / Implementierung neuer Verkehrstechnik (‚Ruhrpilot’), Aktivierung von Privatfinanziers),
¾ Lebensqualität (Gesundheit, Kultur, Bildung (hier: Aufbau internationaler
Schulen zur Akquisition eines kreativen Potentials „von außen“)
¾ Regionalmarketing (Eindämmung der Markenvielfalt); diese Vielfalt (Dachmarke: RuhrR, Markenversprechen: TeamworkCapital, Kompetenzträger:
RVR, Initiativkreis Ruhr, Themenmarken: RuhrKultur, Logisitk, Energie, Medizin, Werkstoffe, Projektmarken: z.B. MarathonRuhr, Loveparade) steht der
Beschränkung auf drei Meta-Kompetenzfelder entgegen,
¾ Erhöhung der F&E-Investitionen durch: a) Positionierung der Marke Ruhr als
Innovationsstandort (Imageverbesserung), b) Stärkung von Nachwuchspotenzialen (Anziehen junger Talente), c) Stärkung von Gründungsaktivitäten,
d) Stärkung lokaler Vernetzung (Forschung und Unternehmen).405
Diese fünf Handlungsfelder müssen nach Auffassung des Initiativkreises mit einem
‚Innovationspakt Ruhr’ angegangen werden, um die Zukunftsfähigkeit der Region
nachhaltig zu sichern und den strukturellen Wandel des Ruhrgebietes zu einem modernen und innovativen Industrie- und Dienstleistungsstandorts zu begleiten.406 Dabei soll sich nach Auffassung des IR die Rolle der Unternehmen in der Regionalund Strukturpolitik verändern. Gegenwärtig fungieren die Unternehmen in der Strukturpolitik in erster Linie als Empfänger gewerblicher Wirtschaftsförderung, als Objekt
des öffentlichen Handelns. Eine Beteiligung an der Konzipierung und Durchführung
der Strukturförderung findet lediglich indirekt über die Selbstvertretung der Wirt-
405
Initiativkreis Ruhrgebiet (IR) 2007: Zukunft Ruhr 2030. Strategiepapier
Vortrag von LAMPE, Geschäftsführer des IR beim Dortmunder Dialog am 28.05.2008 Der IR entwickelt gemeinsam mit seinen Mitgliedsunternehmen, der Landesregierung und
wissenschaftlichen Einrichtungen der Region den ‚Innovationspakt Ruhr’. Ziel ist es, den
Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung in den nächsten sieben Jahren zu verdoppeln. Die gemeinsame Initiative soll bereit kurzfristig zu deutlichen Steigerungen der
Forschungs- und Entwicklungsausgaben besonders im Meta-Kompetenzfeld Werkstoffe −
Energie − Logistik sorgen. Erste konkrete Maßnahmen im Rahmen des ‚Innovationspaktes
Ruhr’ ist die Auslobung des Ruhr2030 Award durch den Initiativkreis Ruhrgebiet.
406
132
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
schaft, den Industrie- und Handelskammern bzw. die Handwerkskammern statt..407
Wie in Kapitel 2 dargelegt, wird in den Betrieben durch unternehmerische Entscheidungen über den Eintritt und die Dynamik des industriellen und strukturellen Wandels mit entschieden. Die Maßnahmen zu Personalabbau, Standortverlagerungen,
Rationalisierungsmaßnahmen, Innovationsförderung etc. werden unabhängig von
strukturpolitischen Interventionsmechanismen getroffen. Die Gestaltung einer wirkungsvollen Strukturpolitik unter Beteiligung der Unternehmensseite hängt davon
ab, inwieweit es gelingt, strategische Ambitionen der Unternehmen aufzunehmen
und für den Strukturwandel nutzbar zu machen. Darüber hinaus ist zu fragen, inwieweit man Unternehmen motivieren kann, ihre Entwicklungsperspektiven ggf.
auch strukturpolitisch auszurichten und „Change Management“ als Unternehmenskonzept damit auf Fragen der Regionalentwicklung übertragen werden kann..408
Die Chance, Unternehmen für strukturpolitische Aktivitäten zu gewinnen, gestalten
sich nach Größe und Typ der Unternehmen recht unterschiedlich. Große Konzerne
agieren heute global, was dazu geführt hat, dass diese ihr Engagement in der Heimatregion tendenziell zurückzufahren. „Global agierende Unternehmen unterscheiden idealtypischer Weise nicht mehr zwischen Stammland und fremdem Markt“
(HEINRICH 2001, S. 36). Dessen ungeachtet bietet die Präsenz bedeutsamer Unternehmenszentralen gleichzeitig ein beachtliches Potenzial für ein privatwirtschaftliches Engagement in der Strukturpolitik. Ruhr-Konzerne, wie Evonik, ThyssenKrupp, RWE, HOCHTIEF u.a. sind in unterschiedlicher Hinsicht in zentrale Aspekte
der Regionalentwicklung involviert, z.B. über die Entwicklung des eigenen Führungsstandortes mit eindeutigem Bezug zur regionalen Cluster Entwicklung – zu
erwähnen sind hier die Anstrengungen von VW mit der Wolfsburg AG oder Projektentwicklungen wie ThyssenKrupp bei der aktiven Mitentwicklung des überregional
beachteten ‚dortmund-project.409 Aber auch KMU können wichtige Partner im Strukturwandel sein – erst recht, wenn sie in Netzwerken konzernäquivalente Funktionen
in der Regionalwirtschaft wahrnehmen. Für die Entwicklung strukturpolitischer Initiativen besteht das Problem darin, die Vielzahl der KMU auf eine geeignete Weise
anzusprechen und in das strukturpolitische Engagement einzubeziehen.410
Hier bietet der Clusteransatz nach Ansicht des Initiativkreises Ruhr besondere
Chancen, weil mit Blick auf konkrete Wertschöpfungszusammenhänge immer auch
der mögliche Nutzen für bestimmte Unternehmen konkret wird.411 Die Möglichkeiten
der Wirtschaftsförderung, dies zu tun, sind dagegen begrenzt. Wirtschaftsförderung
kann im Idealfall dabei helfen, ein positives Unternehmensumfeld mit zu entwickeln
407
INTERVIEW VERBANDSVERTRETER II
„Multilevel und Multiactor approach“ in der Dynamik von Restrukturierungen und deren
Antizipation in Anlehnung an MOREAU 2008, S. 138ff.
409
Eine Analyse und Bewertung des dortmund-projects findet sich bei RÖLLINGHOFF 2007
410
Siehe dazu auch SCHIELE 2007, S. 127ff. unter dem Aspekt der Cluster als Herausforderung für Unternehmen.
411
Siehe dazu die Arbeit von HARMES-LIEDKE, HOPPE, KORFLÜR 2004
408
133
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
und zu vermarkten, das anderswo nicht existiert. Ein Beispiel dafür sind etwa die
Aktivitäten, die die Duisburger Wirtschaftsförderung zur Stärkung des Ansiedlungspotentials für Call-Center unternommen hat (u.a. die Organisation von Aus- und
Fortbildungsmaßnahmen sowie Unterstützung bei der Mobilisierung von Arbeitskräften).412 Es besteht allerdings die Gefahr, einer zu starken regionalpolitischen
Beeinflussung durch das ureigene unternehmerische oder branchenbezogene Interesse der Unternehmen. Diesbezügliche Risiken liegen insbesondere im Rahmen
einer unternehmenszentrierten Clusterpolitik.413
Bewertung des Konzeptes
Im Gegensatz zum Konzept Ruhr und dem Strategiepapier „Wandel als Chance“,
bleiben in dem Ansatz des Initiativkreises Ruhr sowohl die hohen städtebaulichen,
sozialen Problemlagen als auch die intraregionalen Disparitäten in den strategischen Ansätzen zur Antizipation und Bewältigung des Strukturwandels vollkommen
ausgeblendet. Ferner muss in Anlehnung an KIESE die Frage des Führungsanspruches in einem am PPP-Model orientierten Regionalkonzept gestellt werden. Der
Führungsanspruch steigt, wenn Unternehmen zu großen Einfluss auf die Vergabe
und Verteilung öffentlicher Mittel nehmen können. Wie KIESE zeigt, wird diese Tendenz verstärkt, wenn Politik und Verwaltung Führungskraft vermissen lassen und
insbesondere die Kommunikationsschwäche kommunaler Akteure zu den Wirtschaftsakteuren deutlich wird.414
5.1.4 Gewerkschaftliche Beiträge zum industrie- und innovationspolitischen Dialog
Regionale Strukturpolitik bietet entsprechend der arbeitnehmernahen Expertenmeinung ein Feld, in dem sich Gewerkschaften als gesellschaftliche Reformkraft bei der
Gestaltung des strukturellen Wandels profilieren können.415 Gewerkschaften und
auch Betriebsräte können sich in die Funktion eines „Pfadfinders“ zur Entwicklung
neuer Beschäftigungsfelder einbringen.416 Autoren wie SACK oder WEBER bewerten die Initiativen gewerkschaftlicher Akteure – zum Beispiel im Rahmen des ‚dortmund-project’ oder des Ruhr-Memorandums – als außerordentlich bedeutende Im-
412
MEYER-STAMER, 2004, S. 84f
KIESE 2007, S. 203
414
Siehe dazu KIESE 2007, S. 228 unter Hinweis auf das Cluster und das Fallbeispiel
„Hannoverimplus“
415
INTERVIEWS GEWERKSCHAFTSVERTRETER I und II. Siehe auch die Arbeit von
ZIEGLER 2009
416
Nach BLÖCKER, et al. besteht die Herausforderung darin, Betriebsräte zu überzeugen,
Nutzen für das eigenbetriebliche Handeln mit regionalpolitischem Engagement zu verbinden. BLÖCKER, et al. 2005, S. 166
413
134
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
pulse für die regionale Strukturpolitik.417 In diesem Politikfeld priorisieren Gewerkschaften beschäftigungsorientierte Ziele, etwa durch ausgleichsorientierte Aktivitäten zur sozialverträglichen Abfederung von Entlassungen, der beruflichen Weiterbildung sowie der betrieblichen Modernisierung als Teil einer regionalen Innovationsstrategie.418 GRABHER bemerkt allerdings, dass der Prozess der DeIndustrialisierung der Montanindustrie im Ruhrgebiet gezeigt hat, dass „Verhinderungs-Allianzen“ aus Unternehmen, Politik und insbesondere starken Gewerkschaften frühzeitige und notwendige regionale Erneuerungsprozesse blockieren können.
Starke Verbindungen in regionalen Netzwerken können dann zu einer Schwäche
werden und Innovationsblockaden verursachen.419 Zugleich bemerken DÖRRE und
RÖTTGER, dass gewerkschaftliche Beiträge in der Strukturpolitik seitens anderer
regionaler Akteure zunehmend kritisch hinterfragt werden.420 Waren in den 1980er
Jahren Gewerkschaften als Geburtshelfer der regionalen Strukturpolitik gefragt,
deutet sich heute das Ende regionaler Regulationsdispositive an. RÖTTGER meint
damit, dass die unterschiedlichen Regulationsebenen ökonomischer Felder (nationales Industriemodell, Region, Konzern, Betrieb) im Rahmen eines
‚nachfordistischen Governance Modells’421 in einen veränderten, globalorientierten
Wirtschaftszusammenhang gebracht werden. Sowohl in aktuellen wirtschaftlichen
als auch in politischen Handlungsbezügen geht daher seiner Auffassung nach die
sozialintegrative Dimension regionaler Netzwerkstrukturen besonders ohne gewerkschaftliche Impulse und Beiträge immer mehr verloren.422
Trotzdem sollten Gewerkschaften – sofern sie ihren arbeitspolitischen Gestaltungsanspruch wahren wollen – nach Auffassung von DÖRRE und RÖTTGER danach
streben, in den netzwerkorientierten Steuerungsformen der Regionen (unabhängig
von der vorherrschenden Neuausrichtung der regionalen Cluster- und Kompetenzfeldpolitik) präsent zu sein. Dies gilt besonders in einer Zeit, in der der Wettbewerbsregionalismus politisch unterstützt wird.423 Dieser Wettbewerbsregionalismus sollte
daher für Gewerkschaften ein Handlungsfeld darstellen, in welchem sie intervenieren können. Gewerkschaften dürfen den Strukturwandel und die Wirtschaftsentwicklung nicht allein den Kräften des Marktes überlassen, sie sollten nach Auffassung
der Autoren vielmehr eine Plattform korrigierender Interventionen durch ihre strukturpolische Beteiligung darstellen. Innerhalb wettbewerbsregionalistischer Steuerungsallianzen machen sich unterschiedliche Orientierungen dahingehend bemerkbar, dass wirtschaftsnahe Akteure Regionen wie Unternehmen bewerten und mit
Managementkonzepten regionalpolitische Wachstums- und Steuerungsformen im-
417
Siehe SACK 2005, S. 136 und WEBER 2004, S. 278
Hierzu die Arbeit von BEESE, DÖRRE, RÖTTGER 2004
419
Siehe GRABHER 1993, S. 750
420
Siehe DÖRRE, RÖTTGER 2005b, S. 10ff.
421
Näheres dazu bei SACK 2005,S. 134 ff. der Regional Governance als grenzüberschreitende Steuerungsmodi von Staat, Markt und Gesellschaft auf regionaler Ebene beurteilt.
422
RÖTTGER 2005, S. 90
423
Siehe DÖRRE, RÖTTGER 2005b, S. 45ff.
418
135
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
plementieren wollen.424 Gewerkschaften muss es aber um eine stärkere Betonung
des struktur- und regionalpolitischen Beschäftigungs- und Ausgleichsziels gehen.
Insofern bleibt nach DÖRRE und RÖTTGER das Spannungsverhältnis von ökonomischer Wettbewerbs- und sozialer Integrationslogik wirksam, in dem sich Gewerkschaften bewegen müssen, um ein Ausgleichskorrektiv wahrnehmen zu können.425
Industriepolitischer Dialog in NRW
Den „Industriepolitische Dialog“ in NRW hat die Landesregierung 2008 initiiert. Anlass war neben dem schleichenden Rückgang der Akzeptanz von Industrieprojekten
in Teilen der Bevölkerung426 auch die kohlepolitischen Beschlüsse. Der Industriepolitische Dialog fügt sich nach Auffassung des DGB Bezirks NRW in vorausgegangene Initiativen der Gewerkschaften zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes
NRW ein.427 In der operativen Umsetzung (Ausarbeitung von Empfehlungen zur
zukunftsfähigen Wirtschaftsentwicklung des Landes) sind insgesamt sechs themenbezogene Arbeitsgruppen mit Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften, ein
Steuerungskreis sowie das Arbeits- und Wirtschaftsministerium involviert.428
Der DGB Bezirk NRW plädiert im Rahmen des industriepolitischen Dialoges für den
Erhalt eines Referenzbergbaus im Ruhrrevier mit dem Betrieb dreier Schachtanlagen und verweist darauf, dass die positive Wirtschaftsentwicklung auf den Erfolgen
des Exports, folglich auf den Leistungen der Industrie und unterstützender Dienstleistungen, beruht. Diese sind nach Auffassung des DGB nachhaltig zu fördern.
NRW und das Ruhrgebiet sind und müssen nach Auffassung der Gewerkschaftsvertreter ein innovativer Industriestandort bleiben.429
Folgende Themenfelder sollten nach Meinung des DGB diskursiv bearbeitet werden:
¾ Die Sicherung und Weiterentwicklung des Industriestandorts NRW mit den
Unterthemen durch
o
Stabilisierung der ökologischen Systeme,
o
Bestandsfähige wirtschaftliche Entwicklung,
424
Etwa wie der Initiativkreis Ruhrgebiet
DÖRRE, RÖTTGER 2005b, S. 40ff.
426
Etwa durch aktuelle Diskussionen zum Kraftwerksneubau oder CO-Pipeline-Bau.
427
INTERVIEW GEWERKSCHAFTSVERTRETER III
428
Siehe dazu: Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes NRW (Hrsg.)
2009b
429
INTERVIEW GEWERKSCHAFTSVERTRETER III
425
136
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
o
soziale Gerechtigkeit,
sowie
¾ die Stärkung von Kreativität und betrieblicher Innovationskultur durch
o
Innovationsförderung durch Entfaltung der Beschäftigtenpotenziale,
o
Förderung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und der Tariftreue in Nordrhein-Westfalen,
o
Bündelung für ein NRW-Landesprogramm „Fachkräfte NRW“ mit Bezug
zu laufenden Aktivitäten (z.B. Bildungsscheck, gemeinsame Erklärung zu
älter werdenden Belegschaften, Übergang Schule/Beruf),
o
verbesserte Arbeitsplatzqualität für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
in Leiharbeit.
Mit den genannten Eckpunkten dieses arbeits- und beteiligungsorientierten Ansatzes fordert der DGB als Dachorganisation seiner Mitgliedsgewerkschaften die politische Verantwortung aller gesellschaftlichen Mandatsträger zur Beschäftigungssicherung und der regionalen (Weiter-)Entwicklung ein. Weiterhin muss nach Auffassung des DGB das Know-how der Belegschaften und der Mitbestimmungsträger für
eine zukunftsorientierte Strukturpolitik aktiviert werden.
Im Juni 2009 wurde als erstes Ergebnis des industriepolitischen Dialoges die industriepolitische „NRW-Allianz – Pro Industrie und Nachhaltigkeit“ - verabschiedet, in der
sich die Dialogpartner zum Industriestandort NRW bekennen, gleichzeitig die ökologische und nachhaltige Weiterentwicklung der industriellen Kernkompetenzen in
NRW fördern wollen. Sie wollen helfen, Vorbehalte gegen Industrieprojekte, die
nach Auffassung der Allianzpartner in der Bevölkerung vorherrschen, mit einer breiten gesellschaftlichen Debatte abzubauen.430 Ohne einen für Wirtschaft und Beschäftigung fundamentalen industriellen Kernbesatz und die damit verbundenen
Dienstleistungen wird sich der weitere strukturelle Wandel nach Ansicht der Allianzpartner nicht bewältigen lassen.
5.1.5 Bewertung des regionalen Handlungsbedarfs
In der Literatur wie in vielen Gesprächen wurde darauf verwiesen, dass das Ruhrgebiet mit anderen Regionen Deutschlands und Europas durch den sich verschärfenden interregionalen Wettbewerb in einer besonderen Konkurrenzsituation zuei-
430
Siehe MWME des Landes NRW 2009 (Hrsg.) „Die Düsseldorfer Erklärung zur Industrieallianz in NRW“
137
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
nander steht.431 Als entscheidende Zukunftskomponente für den Produktionsstandort Ruhrgebiet wurde sowohl von Gewerkschaftsvertretern als auch den Vertretern
der IHK die zukünftige Verfügbarkeit von Facharbeitern benannt.432 Weiterhin wird
Entwicklungsbedarf bei Infrastruktur, Flächenentwicklung und dem Ausbau der weichen Standortfaktoren gesehen.433 Mit den vorliegenden Konzepten und Projekten
leitet sich die Aufgabe der beteiligten Akteure aus Politik, Verwaltung, Wirtschaftsförderungen, Unternehmen, Kammern und Gewerkschaften ab, die Wirtschafts- und
Beschäftigungspotentiale weiter zu entwickeln. Ferner gilt es den demographischen
Wandel zu bewältigen, aber auch Anreize für kleinere Unternehmer und Existenzgründer zu schaffen, um Arbeitsplätze zu generieren und in den Betrieben Innovations- und Lernprozesse anzustoßen.434
Die befragten regionalen Akteure und die Aussagen der vorliegenden Entwicklungskonzepte betonen, dass sich der wirtschaftliche Strukturwandel im Ruhrgebiet und
dessen Folgen antizipieren und beeinflussen lassen (deutlich betont im Konzept
Ruhr 2030). Insbesondere die strukturpolitischen Entwicklungsziele zwischen Ausgleich und Ersatz (stärker betont im Konzept „Kohlenachfolge“) und Wachstum
(stärker betont im Konzept Ruhr 2030) sollten austariert werden. Die Konzepte stellen darauf ab, dass wirtschaftlicher Wettbewerb, der anhaltende Veränderungsdruck
in Folge des industriellen Wandels (Stichwort Kohleausstieg) für die Region zu bewältigen sind. Die Suche und Identifikation von Wachstumsfeldern, von Beschäftigung und Qualifikation generierenden Strategien sollte idealer Weise in regionalen
Beziehungsnetzen und Kooperationsstrukturen erfolgen. Erst über den Weg dieser
Vernetzung wird es als möglich erachtet, regionsspezifische Kompetenzprofile zu
ermitteln und auszubauen. Dabei kommt vor allen den Faktoren „Wissen und Qualifikation“ in der Debatte um die regionalen Entwicklungsperspektiven ein besonderer
Stellenwert zu.435 Investitionen von Großunternehmen in die Humanressourcen des
Ruhrgebiets und beschäftigungswirksame Großansiedlungen wird es zumindest in
naher Zukunft nach Einschätzung vieler Interviewpartner nicht mehr geben.
Der Ausbau von Beschäftigung und die Förderung wirtschaftlicher Strukturen in der
Region müssen nach Einschätzung der Akteure auf mehreren inhaltlichen und
akteurszentrierten Ebenen erfolgen:
¾ Qualifizierung (Aus- und Weiterbildung, Schule, Beschäftigungsfähigkeit),
431
Etwa SPINDLER, 2005, S. 25ff., die im Rahmen der voranschreitenden Globalisierung
eine neue Rolle der Regionen aufzeigt. Dazu auch HEINZE 2006, S. 10f., der die Potentiale
des Ruhrgebiet als Modellstandort für Innovationen erörtert.
432
INTERVIEWS MINISTERIUMSVERTRETER I, VERBANDSVERTRETER II und
GEWERKSCHAFTSVERTRETER II
433
INTERVIEWS KOMMUNALVERTRETER I und II. Insbesondere
KOMMUNALVERTRETER I stellt den Bedarf nach Industriearbeitsplätzen und Industrieflächen (GI) heraus
434
INTERVIEW VERBANDSVERTRETER II
435
Siehe dazu die Arbeit von IVASNIN 2006 zu Aspekten der Regionalentwicklung im Spannungsfeld von Nachhaltigkeit und regionaler sowie kultureller Identität und Mentalität.
138
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
¾ Infrastruktur (Flächen, Verkehr, Stadtentwicklung)
¾ Anknüpfung an Clusterstrategien aber ohne ausschließliche Fokussierung
auf die identifizierten Kompetenzfelder
¾ Stärkere Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft
¾ Politische Debatten, Prioritätensetzung, Stärkung des Industriestandortes
Einen möglichen Lösungsansatz in Bezug auf die Kohlebeschlüsse und die negativen Beschäftigungsfolgen, stellt die Identifizierung von Ersatzarbeitsplätzen im
Handwerk zur Bekämpfung des immer offensichtlicher werdenden Facharbeiterdefizits im Ruhrgebiet dar.436 In Anlehnung an das Positionspapier „Wandel als
Chance“ des Arbeitskreises „Standortvorsorge Kohlestädte“437 lassen sich zur Stützung von Wirtschaft, Beschäftigung, Siedlungs- und Flächenentwicklung drei Handlungssäulen ableiten:
¾ Neu Nutzen und Entwickeln (Strategieentwicklung insbesondere in Fragen
des Flächenmanagements und der nachhaltigen Stadtentwicklung)
¾ Erneuern und Erfinden (im Rahmen von Produkt- und Prozessinnovationen
und der Investition in Forschungs- und Technologieförderung)
¾ Fördern und Begleiten (im Rahmen der Entwicklung einer Bildungs- und
Qualifizierungsoffensive für die Region)
5.2
Integrierte Ansätze in der Stadt- und Standortentwicklung
Ökonomische und demographische Phänomene von Wachstum und Schrumpfung
treten in Städten und Stadtregionen – und besonders im dicht besiedelten Ruhrgebiet – kleinteilig nebeneinander auf.438 Die Diskrepanz zwischen stabilisierten und
wachsenden Stadtquartieren und Vierteln, die von multiplen Problemen betroffen
oder bedroht sind, wird größer.439 Diese, den vielfältigen Auswirkungen der Globalisierung und des Strukturwandels folgenden Transformationsprozesse, führen zunehmend zu kleinteiligeren, mosaikartigen Raumstrukturen von Gewinner- und Verliererräumen.440
436
Interview MINISTERIUMSVERTRETER I
Die Titulierung der vom Ausstieg aus der subventionierten Steinkohleförderung betroffen
Kommunen.
438
Etwa DANIELZYK 2003, S. 9 und zum Vergleich für Städte in Ostdeutschland
LÖTSCHER 2005, S. 79ff.
439
Dazu WUSCHANSKY 2007, S. 98ff.
440
Siehe MARETZKE 2008 S. 269f. und in Bezug zu Planungsfragen bei JESCHKE 2007,
S. 10ff.
437
139
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Entsprechend sollten Förderpolitiken und Revitalisierungsstrategien diesen Umständen angepasst und flexibler gestaltet werden. „Stadteilmonitoring zur Krisenfrüherkennung“ so RINGEL441 und Quartiersmanagement sind mögliche Antworten,
sowohl antizipativ als auch operativ auf die Herausforderungen in wirtschaftlich und
sozial benachteiligten Stadtteilen zu reagieren. Allgemeine Kennzeichen der betroffenen Stadtteile sind multi-faktoriell bedingte Problemlagen, die sich aus dem ökonomischen Strukturwandel und der Tendenz zur räumlichen Konzentration von sozialen und wirtschaftlichen Strukturveränderungen ergeben. Im Resultat gewinnen
die Phänomene von hoher Arbeitslosigkeit, geringen Einkommens, schlechter
Wohnverhältnisse, Bildungs- und Ausbildungsdefiziten und unzureichender Integration in ihrem kumulativen Zusammenwirken eine eigene, die soziale Substanz zerstörende Dynamik. Es kommt in den betroffenen Stadtteilen zu einer sozialen und
räumlichen Polarisierung und Segregation.442 HEINZE sieht die Gefahr, dass einzelne Stadtteile, in denen sich eine „Kultur der Arbeitslosigkeit“ entwickelt hat, die Anstrengungen zur Belebung der Wirtschaft teilweise konterkarieren. Dies betrifft insbesondere Städte der Emscher-Lippe Zone, die von den Bergwerkstilllegungen am
stärksten betroffen sind bzw. wären.443
Städtebauförderung als integrativer Ansatz
Das Städtebauförderungsprogramm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf
– Soziale Stadt“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
wurde nach positiven Erfahrungen in NRW im Jahr 1999 unter Beteiligung aller
Bundesländer gestartet. Erklärtes Ziel ist es, die Abwärtsspirale in benachteiligten
Stadtteilen aufzuhalten und die Lebensbedingungen vor Ort umfassend zu verbessern. Die „Soziale Stadt“ startete in 161 Stadtteilen von insgesamt 124 Gemeinden.
Zum Jahr 2008 waren bereits 523 Programmgebiete in 326 Gemeinden in der Förderung aufgenommen. Die Aufnahme in das ressortübergreifende Programm erfolgte auf der Grundlage eines integrierten Handlungskonzeptes, das die beantragende
Kommune erstellen musste.444 Der integrierte Handlungsansatz, der auf die städtebauliche, ökonomische und soziale Aufwertung von Stadtteilen mit besonderem
Erneuerungsbedarf abzielt, hat entsprechend den Vorgaben des Landes NRW
durch Bürgerbeteiligung und Einbindung der lokalen Ökonomie und Wohnungswirtschaft partizipativen Charakter. Der partizipative Gedanke soll insbesondere projektbezogen (z.B. durch Einbindung der Schulen) in den Stadteilen und auf kommunaler sowie interkommunaler Ebene gelebt werden.445
441
RINGEL 2008, S. 72
Dazu MEYER und ZIMMER-HEEGMANN 2007, S. 49f.
443
HEINZE 2006, S. 4
444
Umfassend dazu BECKER 2003, S. 56-73
445
Siehe auch: Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des
Landes Nordrhein-Westfalen, Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf - Ressortüber442
140
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
„Die Probleme der Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf sind mit einem
integrierten Konzept im Sinne einer ganzheitlichen Aufwertungsstrategie in einem
umfassenderen Zusammenhang zielgerichteter sozialer und ökologischer Infrastrukturpolitik anzugehen. Maßnahmebegleitend ist ein auf Fortschreibung angelegtes
gebietsbezogenes integriertes stadtentwicklungspolitisches Handlungskonzept
durch die Gemeinden aufzustellen. Das Handlungskonzept (Planungs- und Umsetzungskonzept sowie Kosten- und Finanzierungsübersicht) soll zur Lösung der komplexen Probleme zielorientierte integrierte Lösungsansätze aufzeigen, alle Maßnahmen zur Erreichung der Ziele - auch die anderer Bau- und Finanzierungsträger erfassen sowie die geschätzten Ausgaben und deren Finanzierung darstellen."
(MBV 2008, S. 14)
Es soll an dieser Stelle aber auch noch einmal betont werden, dass die kommunalen Ausgangslagen zur Bewältigung des strukturellen Wandels im Ruhrgebiet insgesamt – das heißt, nicht nur vor dem Hintergrund der aktuellen Stilllegungsbeschlüsse – sehr vielschichtig sind, wie auch MARETZKE 2008 aktuell aufzeigt. Die Regionalstruktur und das regionale Disparitätsniveau haben sich im Ruhrgebiet in den
letzten Jahren zum Teil spürbar verändert und den Handlungsdruck in vielen Kommunen und Stadtteilen erhöht.446 Die nachfolgenden Ausführungen unter Berücksichtigung der aktuellen Stilllegungsbeschlüsse dokumentieren dies.
5.2.1 Interkommunales und integriertes Handlungskonzept Hassel /
Westerholt
Das Bergwerk Lippe (Stilllegung am 18.12.2008) wurde in den Gesprächen als ein
wichtiger Wirtschaftsfaktor der Region angesehen. Die Kaufkraft der ehemaligen
2000 Mitarbeiter, die zu 80% im Kreis Recklinghausen und Gelsenkirchen wohnen,
betrug vor der Stilllegung rund 30 Millionen Euro. Das Bergwerk vergab allein knapp
100 Mio. Euro an Unteraufträgen an die regionale Wirtschaft.447 Nicht der Verlust
des Bergbaus auf Lippe als solches, sondern die damit verbundenen Effekte sind
nach Auffassung eines Interviewpartners die große regionalwirtschaftliche Herausforderung.448 Allein das Bergwerk Lippe bot rund 164 jungen Menschen die Chance
auf einen erfolgreichen Start ins Berufsleben. Mit einer abgeschlossenen qualifizierten Berufsausbildung, wie z. B. dem Energieelektroniker, dem Industriemechaniker
oder dem Informationskaufmann waren die Auszubildenden auch für eine Zukunft in
greifendes Handlungsprogramm der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1998
Im Handlungsprogramm die Anforderungen zum Integrierten Handlungskonzept enthalten
und dazu Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes NRW: Bericht zur Stadtentwicklung 2008, S. 14 f.
Siehe ILS - Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes NordrheinWestfalen 2000 sowie PINIEK und PREY 2005, S.156
446
Siehe MARETZKE, 2008, S. 563
447
RAG/DSK (Hrsg.) 2006 Durchblick – Die Dialog und Service-Initiative des Bergwerks
Lippe. Frühjahrsausgabe
448
INTERVIEW VERBANDSVERTRETER I
141
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
bergbaufremden Betrieben gerüstet. Diese Ausbildungsplätze sind nun entfallen,
Probleme werden aber auch in Fragen der zukünftigen Stadtentwicklung gesehen.
Die in jüngster Zeit durch die Städte Gelsenkirchen und Herten erstellten Berichte,
Analysen und Konzepte, die insbesondere das Ende 2008 brach gefallene Zechengelände (Bergwerk Lippe/Westerholt) mit in den Fokus der Betrachtungen stellten,
diagnostizieren die zu erwartenden städtebaulichen, sozialen und ökonomischen
Problemlagen. Die Stadtteile Gelsenkirchen-Hassel und Herten-Westerholt /Bertlich
sind durch soziale Segregation, hohe Arbeitslosigkeit, geringes Einkommen,
schlechte Wohnverhältnisse sowie Bildungs- und Ausbildungsdefizite geprägt.
Durch Kummulation dieser Entwicklungen sehen sich die Stadtteile der Gefahr einer
sozialen Abwärtsspirale ausgesetzt. 449 Zudem ist aus Sicht der beiden Städte davon auszugehen, dass die Zechenschließung den lokalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturwandel in den Stadtteilen verstärkt. Betroffen von solchen
sich verstärkenden Abwärtsspiralen sind etwa 35.000 Einwohner in beiden Stadtteilen, davon 20.000 Einwohner in Hassel und 15.000 Einwohner in Westerholt/Bertlich.
Beide Städte haben sich daher schon 2007 (damit zeitlich weit vor der Schließung
des Zechenstandortes Lippe/Westerholt zum 19.12.2009) darauf verständigt die in
diesem Zusammenhang zu erwartenden städtebaulichen, sozialen und ökonomischen Problemlagen durch koordiniertes interkommunales Handeln zu mildern bzw.
zu verhindern.450 Um die notwendigen Maßnahmen zur Stabilisierung der Stadtteile
zu definieren und koordiniert zu bearbeiten, wird für die Stadtteile Hassel, Bertlich
und Westerholt ein „Interkommunales Integriertes Handlungskonzept“ (IIHK) aufgestellt. Ein interkommunaler Kooperationsvertrag wurde von Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski und Hertens Bürgermeister Uli Paetzel am 1. September 2008 unterschrieben. Dieses Vorgehen kann vor dem Hintergrund des etablierten „Kirchtumdenkens“ im Ruhrgebiet als ein innovativer Weg der interkommunalen Kooperation bewertet werden.451 Mittel für die Erstellung des integrierten und
interkommunalen Handlungskonzeptes mit Bürgerbeteiligung und Workshops wurden in Höhe von 475.000,- bewilligt, 380.000,- Euro werden von der Bezirksregierung Münster beigesteuert.452
449
Siehe STADT GELSENKIRCHEN (Hrsg) 2007. In einer Studie zu den Feldern „Übergang
Schule – Beruf“ und „Beschäftigung und Qualifizierung“ hat die G.I.B. Lösungsstrategien auf
der interkommunalen Ebene herausgearbeitet. 2007 gab es die ersten Konzeptentwicklungen für das Gelände durch die Technische Universität München. Siehe dazu die Arbeit von
BÜTTNER 2006
450
STADT GELSENKRICHEN (Hrsg.) 2008, im Amtsblatt Nr. 27-2008
451
Dies belegt die positive Bewertung und Aufnahme des Projekts im KONZEPT RUHR
unter dem Bereich Nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung Siehe dazu Wirtschaftförderung Metropoleruhr (Hrsg.) 2008
452
WAZ New Media (Hrsg.) 2008a nach Druckausgabe der WAZ Gelsenkirchen vom
29.10.2008: „380.000,- Euro für die Erneuerung der Stadtteile“
142
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Diese Kooperation ist aus analytischer Sicht als sehr sinnvoll zu bezeichnen, da die
räumlichen Übergänge zwischen den Stadtteilen fließend sind und eine ähnlich gelagerte Problemlage und perspektivische Betroffenheit der Bergwerksschließung
Westerholt an den beiden Standorten zu verzeichnen sein werden.453 Vor dem
Hintergrund ist eine aktive Einbindung der Bewohnerinnen und Bewohner in den
Stadtteilen im Rahmen des Projektes vorgesehen. Für die Erarbeitung des Programms und die Realisierung von Starterprojekten haben die Städte Gelsenkirchen
und Herten die Förderung als Modellvorhaben beim Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes NRW beantragt und dafür eine Förderzusage erhalten. Eine interkommunale Arbeitsgruppe wird das formale Gerüst für die Umsetzung des Konzeptes darstellen, welches die strategische Bearbeitung durch externe Moderatoren und
Berater für die Konzeptentwicklung begleiten soll.
Das interkommunale Modellvorhaben mit dem Namen „Wir setzen Zeichen“ wird
gemeinsam für die drei Stadtteile aufgestellt, um die Stabilisierung der Stadtteile zu
definieren und koordiniert zu bearbeiten. Das Konzept „Zeichen setzen“ kann nach
Ansicht des Gelsenkirchener Stadtdirektors Michael von der MÜHLEN den Menschen vor Ort ein Beleg sein, dass ihre Stadtteile auch während und nach der Zechenstilllegung nicht in Vergessenheit geraten und Maßnahmen zur Stärkung der
Stadtteile und der Ökonomie eingeleitet werden.454 Mit dem Handlungskonzept werden Ziele und Projekte zur städtebaulichen und sozialen Entwicklung erarbeitet.
Energetische Wohnungsmodernisierung, lokale Ökonomie, Beschäftigung, Qualifizierung und die Beteiligung der Öffentlichkeit werden gefördert. Das IIHK soll unter
Beteiligung der in den Stadtteilen wirkenden Institutionen und Akteure sowie der
Bewohnerschaft bis Ende 2009 entwickelt werden. Damit die Bürger bereits frühzeitig die Möglichkeit bekommen, sich aktiv in den Stadtumbauprozess einzubringen,
wurde im November 2008 eine erste öffentliche Bürgerbeteiligung durchgeführt.
Operativ-inhaltlich soll das IIHK durch aufeinander aufbauende und gleichzeitig verschränkte Vorgehensweisen gefüllt werden. Dazu werden folgende Schritte durchgeführt:
¾ Erstellung von SWOT-Analysen für beide Stadtteile
¾ Aufstellung eines strategischen Stadtteilentwicklungsprozesses, welcher folgende Handlungsfelder beinhalten und zur Lösung bringen soll:
453
INTERVIEW VERBANDSVERTRETER I, der betonte, dass auf alten Bergbauflächen
neue Industriestandorte aufgrund der Primärnutzung nicht zeitnah entstehen, das Vorhandensein alter Flächen verbietet aber zugleich eine Ausweisung neuer Flächen; „Altlasten des
Strukturwandels“
für die Entwicklung der Region (Neuansiedlungen externer Unternehmen, statt Beschränkung auf Expansion bestehender Betriebe), daher ist es seiner Auffassung nach von grundlegender Bedeutung, der Industrie Platz zu geben.
454
WAZ New Media (Hrsg.) 2008b nach WAZ Gelsenkirchen
vom 29.10.2008: „Wenn das Bergwerk schließt“
143
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
o
Städtebauliches Entwicklungskonzept
o
Städtebauliche und energetische Modernisierung von Wohnungsbeständen
o
Aussagen zur Situation der lokalen Ökonomie in den Nahversorgungsbereichen der Stadtteile und Situation der anderen Gewerbetreibenden
o
Strategische Ansätze zur Entwicklung des Bergwerks Westerholt
o
Soziales Entwicklungskonzept und Beteiligung breiter Gruppen
o
Öffentlichkeitsarbeit
o
Organisation/Management
Welche Erfolge das Projekt neben der schon jetzt zu erkennenden Signalwirkung
nach innen und außen haben wird, muss die Zukunft zeigen.455 Es wird die für die
Programmgebiete „Soziale Stadt / Stadtumbau West“ obligatorische Maßnahmenevaluation geben. Vielleicht kann das Vorhaben als integrativer und interkommunaler Ansatz einen herausragenden Stellenwert für zukünftige Kooperationen im Ruhrgebiet und darüber hinaus einnehmen. Es belegt, dass durch die frühzeitige Problemwahrnehmung der beteiligten Akteure die standortbezogene Nachfolgnutzung
des Areals und die Handlungsoptionen für die betroffenen Stadteile frühzeitig angegangen werden können. Darüber hinaus wurde für eine zukunftsfähige Regionalentwicklung von Seiten der Gelsenkirchener Wirtschaftsförderung die Stärkung der
Industriebeschäftigung, der Ausbau des ingenieurwirtschaftlicher Kapazitäten an der
FH Recklinghausen sowie eine Stärkung der industrienahen Dienstleistungen angeregt. Für die Entwicklung der Region (Neuansiedlungen externer Unternehmen, statt
Beschränkung auf die Expansionsmöglichkeiten bestehender Betriebe) wurde es als
grundlegende Voraussetzung angesehen, der Industrie genügend GI-Fläche zur
Verfügung zu stellen.456
5.2.2 Zukunftsstandort Bottrop
Trotz des voranschreitenden Strukturwandels und des Schrumpfungsprozesses des
Bergbaus am Standort Bottrop (Beschäftigte auf dem Bergwerk Prosper/Haniel
1970: 10.905; Beschäftigte Anfang 2008: 4.265 Beschäftigte) ist die wirtschaftliche
Bedeutung des Kohlenbergbaus für die Stadt auch heute nicht zu unterschätzen.457
455
INTERVIEW VERBANDSVERTRETER I
INTERVIEW VERBANDSVERTRETER I
457
STADT BOTTROP (Hrsg.) Statistisches Jahrbuch 2006 und RAG/DSK 2008
456
144
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
6,22 Prozent der Beschäftigten in der DSK im Ruhrrevier wohnen in Bottrop, damit
weist die Stadt die zweitdichteste Agglomeration von Bergbaubeschäftigten im
Ruhrrevier auf. Nur in Gelsenkirchen wohnen noch mit 7,02 Prozent mehr DSKBeschäftigte als in Bottrop. Überdies sind zwischen drei und fünf Prozent aller Beschäftigten in Bottrop im Bergbau tätig.458 Daran zeigt sich, dass in Bottrop und der
Region der Bergbau in nicht unbedeutender Weise zur Beschäftigung beiträgt. Neben den direkten Beschäftigungseffekten sind es vor allem die Kaufkrafteffekte, die
für Dienstleistung und Handel in Bottrop bedeutsam sind.
Bei einem Wegfall des Bergbaus als Arbeitgeber in Bottrop ist nach Berechnungen
der Prognos AG mit einer Zunahme der Arbeitslosenquote um gut 2,2 Prozent bis
3,0 Prozent zu rechnen. Dies würde – gemessen am derzeitigen Stand der Arbeitslosenquote von 15,1 Prozent – im ungünstigsten Fall bedeuten, dass Bottrop mit
einer Arbeitslosenquote um 18,1 Prozent zu rechnen hätte. Dieser Wert enthält
noch keine weiteren Beschäftigungseinbrüche in den Vorleistungsbereichen der
Bergbauzulieferindustrie und den nachgelagerten Wirtschaftsbereichen durch entsprechende Kaufkraftverluste. Durch die Schließung des Bergwerks Prosper, so wie
sie im Ausstiegsszenario für 2018 vorgesehen ist, würden etwa 6000 Arbeitsplätze
unmittelbar verloren gehen. Hinzu kämen noch jene Arbeitsplätze aus den vorgelagerten Bereichen der Bergbauzulieferer und Logistikunternehmen, wie auch jene
Arbeitsplätze, die in Handel, Dienstleistung und Handwerk stark lokal verortet existieren und vom Nachfragevolumen der DSK wie auch den Konsumausgaben der im
Bergbau Beschäftigten abhängig sind. Insgesamt würde damit, nach Auskunft des
Amtes für Wirtschaftsförderung und Immobilienmanagement der Stadt Bottrop, die
Zahl der lokal betroffenen Arbeitsplätze bei etwa 10.000 liegen.
Das über lange Zeit prägende Bergbauimage ist für die Stadt Bottrop mittlerweile
obsolet. Es ist nach Ansicht von Gesprächspartnern auf der anderen Seite aber
kaum möglich, ein neues Image für die Stadt zu skizzieren. Ein Ansatzpunkt bietet
die Funktion als Freizeitstandort (‚WB Movie World’, ‚Alpin Center’ und die ehemaligen Maßnahmen der Standortentwicklungen im Rahmen der IBA und die vorhandene Industriekultur.
Zur Vermeidung einer negativen Standortentwicklung durch die kohlepolitischen
Beschlüsse ist die Stadt Bottrop in vorausschauender Weise bemüht, Strategien
einer Neuausrichtung der Wirtschaftsstruktur bereits vor dem „Auslaufen“ des Bergbaus zu entwickeln und sich als Wirtschaftsstandort im Ruhrgebiet und in NRW neu
zu positionieren.459 Damit soll auch nach dem Ende des heimischen Bergbaus der
Wachstumspfad, auf dem sich Bottrop befindet, weitergeführt und gleichzeitig ge-
458
459
PROGNOS 2007, S. 32ff
INTERVIEW KOMMUNALVERTRETER III
145
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
eignete Leitprojekte der Stadt- und Wirtschaftsentwicklung bis 2020 definiert werden.460
Angesichts des „time lag“ bis 2018, ist nach Auffassung der Bottroper Wirtschaftsförderung das Zeitfenster für Neuorientierungen der lokalen Entwicklungspotenziale
groß genug, um aktiv tätig zu werden.461 Insofern ist es Intention der Stadt Bottrop,
schon jetzt und unabhängig von der Revisionsklausel eine Analyse und Konzeption
zu erstellen. Es soll ermittelt werden, in welchen Branchen und in welcher Weise
mögliche Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden können, um hierfür die notwendigen Strategien, Handlungskonzepte und Strukturen zu entwickeln. Dies kann als
positives Beispiel für eine vorausschauende und aktive Kommunalpolitik bewertet
werden und entspricht dem Konzept der strategischen Antizipation auf territorialer
Ebene nach BONI 2009 und NEGRELLI 2008.462
Indem der Diskurs über die Herausforderungen und Entwicklungschancen in Folge
der möglichen Standortstilllegung der Zeche Prosper angestoßen wird und Akteure
aus Wirtschaft und Gesellschaft hierin eingebunden werden, lassen sich Interessen
und Ideen hinsichtlich der Frage, welche wünschenswerte Richtung der „Zukunftsstandort Bottrop“ nehmen kann, entwickeln. Nach Auffassung der Stadt Bottrop
lässt sich insbesondere die Frage, welcher Bedingungsrahmen hierfür als erforderlich angesehen wird, konstruktiv koordinieren. So soll mit dem Projekt „Zukunftsstandort Bottrop“ die Grundlage für ein Ideen-Screening und der Definition von
Leitprojekten geschaffen werden. In diesem Rahmen sollen u.a. die Bestandsaufnahme der Ausgangsituation, eine Beschreibung der zu erwartenden Auswirkungen
des Auslaufbergbaus geleistet werden, ebenso ist die Erfassung und Entwicklung
von Handlungsfeldern und Projektideen vorgesehen.
Analog zu den Erfahrungen, die hinsichtlich der Entwicklung und Förderung von
Clustern erörtert wurden, ist es nach Ansicht der Stadt Bottrop sinnvoll, an schon
vorhandene, wenn auch nicht vollständig ausgeprägte Voraussetzungen anzuknüpfen und keine Projektideen zu verfolgen, deren strukturelle Anknüpfungsmöglichkeiten nicht wenigstens ansatzweise vorgegeben sind (vgl. Kapitel 2.3.2). Es müssen
daher nach Ansicht der Wirtschaftsförderung Bottrop wenigstens residuale Vorbedingungen in folgender Hinsicht erfüllt sein:
¾ Marktspezifische Voraussetzungen (Wachstumsmärkte)
¾ Branchenspezifische Voraussetzungen (Branchen in Wachstumsmärkten,
Branchen die sich aufgrund ihres Produktportfolios zu einer Vernetzung eig-
460
Siehe IHK Nordwestfalen (Hrsg.) 2007 – Kurzprofil Stadt Bottrop. Es wird auf eine positive Arbeitsmarktentwicklung und eine Erhöhung der Exportquote der lokalen Industriebetriebe verwiesen.
461
INTERVIEW VERBANDSVERTRETER I
462
Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 2
146
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
nen und bezüglicher Synergien, resultierend aus ihrer räumlichen Nähe, zueinander profitieren können)
¾ Vorhandene Akteure und Netzwerke (bezogen auf Branchen und F&EInputs)
¾ Regionale Randbedingungen (Verkehrs- und Bildungsinfrastruktur, demographische Entwicklung / positiv verlaufende Bevölkerungsentwicklung, direkte Unterstützung von Innovationsprozessen und Unternehmen durch Verbesserung ihrer Infrastruktur).
¾ Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, müssten nach Auffassung der Wirtschaftsförderung in erheblichem Maße kommunale Ressourcen mobilisiert
werden, um eine neue wachstums- und beschäftigungsorientierte Strategie
einzuleiten und umzusetzen.
Aus diesem Grunde wird es als erforderlich erachtet, jene Potenziale zu stärken, die
bereits in den Wertschöpfungsprozessen und infrastrukturellen Bedingungen angelegt sind und diese durch den Aufbau und die kurzzeitige Förderung und Stärkung
von lokalen Clustern zu optimieren.463
Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Strukturveränderungen und der angestrebten wirtschaftlichen Neupositionierung, werden im Rahmen der Erarbeitung
einer Entwicklungsstrategie die Handlungsfelder und Leitthemen einer erfolgreichen
Neupositionierung ermittelt. Zu diesem Zweck wird seitens der Stadt das Projekt in 3
Phasen gegliedert, die folgende Arbeitselemente enthalten:
Phase 1: Ist-Aufnahme und (SWOT-)Analyse des Standorts (Facts und Trends)
Phase 2: Erarbeitung einer Ideen- und Projektliste (Visionen) und Diskussion in den
entsprechenden Gremien sowie Schaffung eines regionalen und kommunalen
Commitments zur strategischen Ausrichtung (Visionen und Strategie)
Phase 3: Erstellung einer Entwicklungsstrategie, Initiierung erster Projektideen und
Aufbau eines dauerhaften Controllingsystems (Controlling und Projekte)
Auf Grundlage dieser gestaffelten Entwicklungsphasen ist die Stadt Bottrop bestrebt, die Zukunftsperspektive kooperativ und dialogorientiert zu entwickeln, in deren Fokus die wesentlichen Handlungsfelder für die kommenden Jahre gestellt werden. In Form von Einzelprojekten und Maßnahmen können die Leitthemen dann
inhaltlich konkretisiert werden. Durch die Ist-Aufnahme anknüpfungsfähiger endogener Potentiale, der SWOT-Analyse des Standortes und der Erarbeitung einer
Ideen- / Projektliste soll gewährleistet sein, dass die für den Zukunftsstandort Bott-
463
STADT BOTTROP (Hsrg.) 2008, Pressemitteilung vom 02.12.2008
147
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
rop relevanten Bedingungen und Handlungsfelder transparent werden. So kann
nach Auffassung der Stadt eine Optimierung der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen durch den Pool von Ideen und Innovationsvorschlägen ermöglicht werden. In
Form eines Businessplans werden dann Trends, Themen, Strategien, Maßnahmen/Zukunftsprojekte und organisatorische Rahmenbedingungen zu entwickeln
sein. Nach Auskunft der Stadt Bottrop wurde die Prognos AG mit der Koordinierung,
Entwicklung und Implementierung erster Projekte beauftragt, diese in Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Verwaltung zu initiieren. Das Projekt ist für diesen ersten
Schritt mit einem Volumen von ca. 200.000,- Euro ausgestattet.464 Die hohe ökonomische Bedeutung des Bergbaus für den Standort und das bestehende Zeitfenster
bis zur möglichen Schließung der Zeche Prosper haben nach Ansicht der Stadt parallel und widerspruchsfrei Handlungsdruck und Handlungsmöglichkeiten für Bottrop
erhöht.
5.2.3 Standortkonzept Dinslaken-Lohberg
Das Verbundwerk Lohberg-Osterfeld in Dinslaken wurde bereits im Jahr 2006 geschlossen. Damit waren etwa 3.000 direkte Arbeitsplätze von der Stilllegung betroffen. Durch den Stilllegungsbeschluss wurden ein Betriebsgelände von 42ha sowie
215 ha Halden- und Kohlelagerflächen in Dinslaken und Hünxe nicht mehr für die
Kohlenförderung benötigt.465 Da von vornherein davon ausgegangen wurde, dass
die Schließung des Bergwerks einen gravierenden Einschnitt in die Beschäftigtenstruktur Dinslakens bedeuten würde (der Bergbau mit der Zeche waren der weitaus
größte Arbeitgeber der Stadt), wurden ab 2004 Nachnutzungskonzepte entwickelt.466 Diese beziehen sich auf die Region, insbesondere auf die umliegenden
Gemeinden Voerde und Hünxe sowie nördliche Gebiete Duisburgs und Oberhausens (alles Ziel 2-Gebiete). Durch die vorausschauende Standortplanung der
RAG/DSK wurde bereits 2006 davon ausgegangen, dass die Schließung des Bergwerkes Walsum im Norden Duisburgs (Ende 2008) weitere negative Auswirkungen
auf die Region haben würde.467
Der RAG/DSK ist es gelungen, das Personal auf dem Bergwerk von 2004 mit ca.
3.100 Beschäftigten auf ca. 1.800 Personen zum Zeitpunkt der Stilllegung ohne betriebsbedingte Kündigungen zu reduzieren. Dies geschah nach dem seit Jahren im
Bergbau bewährten Verfahren. (Siehe dazu insbesondere Kapitel 6). Die verbleibenden Beschäftigten wurden auf die Bergwerke Prosper-Haniel, Lippe und Augus-
464
STADT BOTTROP (Hrsg.) 2008, Pressemitteilung vom 27.03.2009
INTERVIEW UNTERNEHMENSVERTRETER III und RAG 2005 (Hrsg.) Pressemitteilung
vom 29.12.2005
466
Siehe dazu SCHEWE, MARK UND PARTNER 2005 und ihre Untersuchung zu den Auswirkungen der Zechenschließung Lohberg auf Stadt und Region.
467
STADT DINSLAKEN 2007 (Hrsg.) Perspektiven für Dinslaken-Lohberg
465
148
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
te Viktoria verlegt. Erfahrungsgemäß pendeln die Bergleute zum Arbeitsplatz und
haben ihren Wohnstandort nicht verlassen. Zum August 2005 waren 25 Prozent der
Beschäftigten der Zeche Lohberg in Dinslaken ansässig, vier Prozent kamen aus
Hünxe und sieben Prozent aus Voerde, der Rest der Belegschaft wohnte im weiteren Umland. Das Bergwerk stellte 2003 mit 213 Ausbildungsplätzen etwa 25 Prozent der Ausbildungsplätze Dinslakens zur Verfügung, die nun nicht mehr am lokalen Ausbildungsmarkt vorhanden sind. Mit der Stilllegung der Zeche wurden die
Auszubildenden ab September 2005 zum Standort Walsum verlegt und keine neuen
Ausbildungsverhältnisse mehr abgeschlossen. Spürbar war dieser Verlust besonders bei den Berufen der Industriemechaniker und Mechatroniker. Beispielsweise
stellte die Zeche 14 der 16 angebotenen Lehrplätze im Bereich der Mechatronik im
gesamten Dinslakener Stadtgebiet.
Von der Stilllegung betroffen sind insbesondere Zulieferbetriebe im Kreis Wesel. Im
Jahr 2002 kaufte die DSK Waren und Dienstleistungen im Wert von ca. 120 Mio.
Euro allein im westlichen Ruhrgebiet ein. Davon entfielen auf Dinslaken, Voerde und
Hünxe zusammen ca. 9 Mio. Euro. Die DSK hat im Vorfeld der Stilllegung Gespräche mit den Zuliefern und Versorgungsbetrieben geführt, um mit ihnen Zeithorizonte
der Volumensreduzierungen abzusprechen und ihnen soweit wie möglich Planungssicherheit zu geben und um sie auf den Umsatzausfall vorzubereiten.468
Unabhängig von der Zechenschließung und den negativen Auswirkungen auf die
Zulieferbetriebe wird der Stadtteil Lohberg seit 2000 über das Länderprogramm ‚Soziale Stadt NRW’ (ehemals Programm ‚Stadtteile mit Erneuerungsbedarf’) gefördert.
Der Stadtteil hat etwa 6.400 Einwohner, etwa 70 Prozent der Bewohner haben einen Migrationshintergrund.469 Die Menschen haben nach Auskunft der Stadt überwiegend ein geringes Einkommen und dadurch eine geringe Kaufkraft. Durch diesen
Umstand befand sich der Einzelhandel in der Vergangenheit in einer großen Umbruchphase, d.h. es war eine deutliche Tendenz zu „Billigläden“ zu verzeichnen.
Heute erhofft sich das Stadtteilmanagement, dass die Nachnutzung des Zechengeländes Optionen für eine positive Entwicklung Lohbergs beinhaltet. Die Zechenschließung wird vor diesem Hintergrund nicht ausschließlich negativ gesehen,470
wenngleich die Möglichkeiten zur Schaffung neuer Arbeitsplätze im Stadtteil gering
eingeschätzt werden. Überdurchschnittlich viele Sozialhilfeempfänger, ein hoher
Anteil Jugendlicher (40 Prozent) und Alleinerziehender sowie eine hohe Arbeitslosenquote prägen den Standort. Weitere Probleme sind ein stark eingeschränktes
Angebot an kulturellen Einrichtungen und die Abwanderung deutscher Bewohner
aus dem Stadtteil. Der Verein ‚Forum Lohberg e.V.’ wurde gegründet, um die aktive
468
STADT DINSLAKEN 2006, DOKMENTATION Runder Tisch Lohberg, S. 4
STADT DINSLAKEN 2008, Dez. IV - Sozialplanung und Projektleitung Lohberg. Stadtteilbeschreibung Lohberg
470
INTERVIEW KOMMUNALVERTRETER IV
469
149
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Beteiligung der Bürger bei der Entwicklung ihres Stadtteils im Rahmen des Länderprogramms zu gewährleisten.
Eine von der Stadt Dinslaken beauftragte Arbeitsgemeinschaft hat bereits im August
2005 mit vier Planungsbüros einen Bericht zur ‚Untersuchung der Auswirkungen der
Zechenschließung auf die Stadt Dinslaken und die Region’ veröffentlicht.471 Ziel
dieser Untersuchung war es, eine Grundlage für die Entwicklung eines integrierten
Konzeptes im Rahmen der Zechenschließung und der Standortentwicklung abzuleiten und so ein zielgerichtete Maßnahmen der öffentlichen Hand und der anderen
Akteure (z.B. RAG Montan Immobilien und DSK) zu ermöglichen.
Im Mai/Juni 2005 wurden im Rahmen eines Workshops mit diversen lokalen und
regionalen Akteuren die folgenden Entwicklungsbausteine für die Nachnutzung definiert:
¾ Gewerbestandort für Handwerk und (Klein-)Gewerbe (Kleinteilige Ansiedlung
gewerblicher Nutzungen)
¾ Forschungs- und Transferstandort (Schwerpunkt Geothermie aufgrund der
Standortbesonderheiten der ehemaligen Zeche)
¾ Gesundheitshaus (Erweiterung – Schaffung einer Ankernutzung)
¾ Wohnnutzungen (Entwicklung alternativer Wohnformen)
¾ neue Kombinationen von Wohnen und Arbeiten (Telearbeit, Freiberufler)
¾ Radfahren, Wandern, Reiten (Haldennutzung)
¾ Freizeitbad (Nutzung der Geothermie für bestehende Bäder)
¾ Industriekultur (Bewahrung und Nutzung der industriehistorischen Gebäude)
¾ urbane Landwirtschaft und Waldnutzung (gg. Wald auf Zeit)
¾
Feuerwache und Weiterbildungsstätte
Das integrative Element an dem gesamten Prozess ist darin zu sehen, dass die
Bevölkerung intensiv bei der Konzeptionierung der Nachfolgenutzung und dem Prozess der Stadtteilentwicklung einbezogen wurde: Das Forum Lohberg führte bereits
im Vorfeld (Mai 2007) eine Zukunftswerkstatt durch, in der Wünsche und Visionen
der Bewohnerinnen und Bewohner abgefragt und Fragen zur Nachnutzung des Geländes gestellt wurden. Im August 2007 wurde zudem eine gemeinsame Planungs-
471
SCHEWE, MARK UND PARTNER 2005: Untersuchungen der Auswirkungen der Zechenschließung Lohberg auf Stadt und Region
150
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
werkstatt mit den Bürgen und den Planern einberufen, so dass die Bürger ihre Ideen
noch einmal einbringen und konkrete Fragen stellen konnten. Dieses Vorgehen
wurde nach Einschätzung des Stadtplanungsamtes Dinslaken sehr gut angenommen.472 Insgesamt sollen auf dem Gelände rund 120 Wohneinheiten entstehen und
Gewerbeflächen von 10 bis 15 ha entwickelt werden. Das Stadtplanungsamt Dinslaken ist seit Anfang 2009 damit beschäftigt, einen Rahmenplan zu entwickeln, der die
Erschließung des gesamten Areals gewährleisten kann.473 Bei der Entwicklung des
Standortes arbeiten die betroffene Akteure, hier die Stadt mit der RAG Montan Immobilien der Deutschen Steinkohle AG (DSK), dem Regionalverband Ruhrgebiet
und der Emschergenossenschaft unter Einbindung der lokalen Bevölkerung zusammen. Ein solches Vorgehen wird seitens der RAG/DSK und RAG Montan Immobilien GmbH stets praktiziert, zumeist unter Hinzuziehung externen Sachverstandes für die Entwicklung neuer Ideenimpulse oder die Moderation des Verfahrens.474
5.2.4 Merkmale einer Sondersituation: Ibbenbüren / DSK Anthrazit
Die Schließung des Anthrazit-Bergwerkes Ibbenbüren steht aufgrund des Alleinstellungsmerkmals der Kohleförderung (mit Verweis auf Schließungsplanungen und
Revisionsklausel) wenn überhaupt erst 2018 bevor. Es ist daher nach Expertenmeinung davon auszugehen, dass Fachkräfte noch mindestens bis zum politischen
Beschluss 2012 in der Region verbleiben, danach aber ggf. beginnen abzuwandern.475 Von einer Schließung des Bergwerkes DSK-Anthrazit wären neben den
2.500 Mitarbeitern am Standort auch 3.500 Beschäftigte bei insgesamt 30 lokalen
und regionalen Zulieferern betroffen. Rund 1.000 Beschäftigte kommen aus Ibbenbüren, bei einer Gesamtanzahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter von
16.700 beträgt der Anteil an der Gesamtbeschäftigung ca. 6 bis 7 Prozent. In Stadteilen wie Mettingen beträgt dieser Anteil laut Auskunft des Bürgermeisters sogar
rund 12 Prozent.476
Nur wenige Zuliefererbetriebe wären nach seiner Einschätzung von einer Zechenschließung betroffen, da die meisten Bergbauzulieferer, entsprechend der höheren
Anzahl an Zechenbetrieben, im Ruhrgebiet verortet waren bzw. sind. In der Region
gibt es lediglich einige kleine Zuliefererbetriebe, die Logistikbranche würde neben
Handwerks- und Reparaturbetrieben am stärksten von einer Einstellung der Kohleförderung betroffen sein. Aufgrund der sehr hochwertigen Ausbildungskapazitäten
472
INTERVIEW KOMMUNALVERTRETER IV
STADT DINSLAKEN 2009 (Hrsg.) Hier werden die aktuellen Entwicklungen zur Ansiedlungsbestrebungen von Unternehmen aus der Kreativwirtschaft erläutert.
474
INTERVIEW UNTERNEHMENSVERTRETER I und RAG MONTAN IMMOBILIEN „Raum
für neue Werte“ Unternehmensbroschüre o.J.
475
INTERVIEWS KOMMUNALVERTRETER V und GEWERKSCHAFTSVERTRETER VII
476
INTERVIEW KOMMUNALVERTRETER V
473
151
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
werden die RAG-Schüler in diversen handwerklichen Berufen sehr gut ausgebildet,
dieses Facharbeiterpotenzial der Region sieht der Bürgermeister im Falle eines
endgültigen Stilllegungsszenarios stark gefährdet. Bereits in der Vergangenheit
musste die Anzahl der RAG-Auszubildenden reduziert werden, bestehende Kapazitäten wurde unter Mithilfe der IG BCE Ibbenbüren mit Fremdschülern aus Lingen
(Kreis Steinfurt) aufgefüllt.477 Die Reputation der Kohleförderung in Ibbenbüren wird
im Münsterland im Gegensatz zum Saarland und am Niederrhein als weiterhin hoch
eingeschätzt; alle Parteien des Kreises Steinfurt wollen den Bergbau in Ibbenbüren
erhalten, auch wenn in anderen Regionen NRWs der Kreis und die Stadt Ibbenbüren nicht als Kohlestandort in der Wahrnehmung der Menschen präsent ist. Die gute
Reputation des Ibbenbürener Bergbaus in der gesamten Region ist auf das Alleinstellungsmerkmal des Produktes (Anthrazitkohle), die lokale Abnehmerstruktur (80
Prozent garantierte Abnahme durch das nahe Kohlekraftwerk), die bestehenden
sozio-ökonomische Zusammenhänge (Bergbau am Standort wird als geschlossenes
System von Arbeit, Wohnen und Konsumkraft angesehen) sowie der eindeutig positive Bezug der lokalen Politik zum Thema Kohle (z.B. auch seitens der FDP) zurückzuführen.
Die am Standort geförderte Anthrazit-Kohle ist hochwertig, brennt bei heißen Temperaturen mit sehr hoher Leistung und kann somit zur Abfallverbrennung gewinnbringend genutzt werden.478 So wäre es nach Einschätzung eines Gewerkschaftsvertreters möglich, auch Abfälle wie Klärschlamm oder Tiermehl zu verbrennen,
ohne dass schädliche Dioxine übrig bleiben, da diese vollständig mit verbrennen.
Diese Art der thermischen Abfallentsorgung könnte eine mögliche Kompensation im
Falle einer nicht länger subventionierten Fortführung des Standortes Ibbenbüren
darstellen. Das Bergwerk könnte nach Einschätzung des Bürgermeisters zukünftig
auch ohne Subventionen marktfähig sein. 20 Prozent der Förderung gehen aktuell
ohne Subventionsstützung in den Wärmemarkt. Es wird von der RAG/DSK angestrebt, den nicht-subventionierten Anteil auf bis zu 30 Prozent zu erhöhen. Da die
Öl- (und die daran gekoppelten Gaspreise) bei einer Wiederbelebung der Konjunktur ansteigen werden, wäre es denkbar, dass die Ibbenbürener Kohle in Zusammenhang mit den oben genannten Gegebenheiten bis 2018 rentabel werden könnte.
Die Wirtschaftsstruktur des Kreises Steinfurt sowie des Emslands ist nach Aussage
der IG BCE von vielen hoch innovativen, mittelständischen Unternehmen geprägt.
Da die Unternehmensstruktur im Münsterland wesentlich kleinteiliger als im Ruhrgebiet ist, kommt es nach Aussage eines Gesprächspartners im Falle einzelbetrieblicher Schließungen nur selten zu lokalen oder regionalen Downgrading Prozessen.
477
INTERVIEW GEWERKSCHAFTSVERTRETER VII
Anthrazit-Kohle ist selten, hat einen 30% höheren Heizwert als importierte Kohle, ihre
Verbrennung hat entsprechend weniger Emissionen zur Folge.
478
152
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Zudem wird die Region im Interview vom Bürgermeister als widerstandsfähig gegenüber Krisensituationen eingeschätzt. Der Rückgang von ehemals 8.000 auf
2.000 Bergbaubeschäftigte wurde verkraftet, als Indikator hierfür kann die nahe an
Vollbeschäftigung grenzende Arbeitslosenquote von 3,5% angeführt werden. Negativ wurde bewertet, dass der Anteil an Geringverdienern in den vergangen zehn Jahren stetig angestiegen ist und sich in einer geringen Kaufkraft in Ibbenbüren widerspiegelt. Der Kreis Steinfurt hat nach Auffassung des Bürgermeisters in der Außenwahrnehmung allerdings ein starkes Imageproblem.479 Insbesondere junge Menschen (Facharbeiternachwuchs) stellen sich die Region zu ländlich und langweilig
vor. Die Stadt ist daher gewillt, die Bezüge zu Osnabrück und auch Münster im
Rahmen einer neuen, regional stärker vernetzten, Marketingstrategie hervorzuheben. Als ein weiteres Entwicklungsproblem in der Region wurde – auch aufgrund
fehlender Hochschulen und akademischen Fortbildungsgängen (Ausnahme: FH
Münster-Steinfurt) – die Akquisition von Führungskräften und akademischen Nachwuchskräften angesehen.
Eine kohlepolitische Alternative soll im Projekt „Zukunft Ibbenbüren“ in der gemeinsam neue Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie Wirtschaftsförderungs- und Stadtentwicklungsmaßnahmen im Falle der Standortschließung entwickelt werden. Dies ist im Konsens mit der IG BCE und der IHK sowie weiterer Unternehmensverbänden vereinbart worden. Die Akteure am Standort wollen aufgrund
der Revisionsklausel die Umsetzung, wenn überhaupt, erst nach 2012 angehen, um
in die Landespolitik ein klares Signal zum Bekenntnis der Kohleförderung in Ibbenbüren zu setzen. Eine gewerbliche, beschäftigungswirksame Inwertsetzung und
Weiterentwicklung des heutigen Zechenstandortes würde nach Einschätzung des
Bürgermeisters allerdings mindestens 10 Jahre in Anspruch nehmen.
Diese Initiative begründet sich auch darin, dass zwischen zuständiger Gewerkschaft, Politik und anderen Akteuren in Ibbenbüren intensive Verbindungen bestehen. So ist als einzige DGB-Mitgliedsgewerkschaft die IG BCE Mitglied des Wirtschaftsbeirates der Stadt Ibbenbüren.
5.3
Flächenmanagement und Nachfolgenutzung der Standorte
Im Rahmen der Erhebungen und Analysen wurde deutlich, dass Fragen der standortbezogenen Nachnutzung ehemaliger Zechenstandorte und anderer damit verbundener Areale (z.B. Halden, Lagerflächen) sowie deren beschäftigungsrelevanten
479
INTERVIEW KOMMUNALVERTETER V
153
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
und städtebaulichen Perspektiven nicht isoliert von den generellen Aspekten der
Wirtschafts- und Flächenentwicklung betrachtet werden dürfen.480
Als zentrale Botschaft wurde in den Gesprächen herausgestellt, die Entwicklungen
an den jeweiligen Standorten im regionalen Kontext und lokalen Standortgefüge zu
betrachten und im Rahmen der quantitativen Flächenverfügbarkeit und Nachfragesituation klare Prioritäten für vorrangige Standortentwicklungen zu setzen. Dies bedeutet zur Entwicklung und Vermarktung besser geeignete Flächen zügig zu entwickeln und andere Flächen als Reserve für spätere Entwicklungserfordernisse ruhen
zu lassen bzw. temporäre Nutzungen zu ermöglichen.481 So kann ein sichtbares
Brachfallen bzw. die Verunreinigung der Flächen verhindert werden. Als Beispiel für
diese Strategie kann die Ansiedlung der IKEA-Filiale in Duisburg angesehen werden. Der Standort der ehemaligen Kokerei Friedrich-Thyssen wurde nach Stilllegung
der Kokerei über 25 Jahre liegengelassen (auch aufgrund der Altlastenproblematik)
und dann von IKEA aufgrund der Expansionsstrategie und Lagegunst am Autobahnkreuz Duisburg-Nord angenommen und entwickelt.
Die in den 1990er Jahren forcierte Strategie zur Umnutzung bestimmter industrieller
Brachen und ehemaliger Montanflächen als Gründer- oder Technologiezentrum hat
sich zu einer gängigen, wenngleich aus Sicht von Interviewpartnern „unsäglichen
Strategie“ entwickelt.482 Viele konnten aufgrund ihrer nachteiligen Standortspezifika
(z.B. keine Universitätsnähe) und der mangelnden Profilbildung nicht die erhofften
Innovations- und Beschäftigteneffekte erzielen. Wie VOELZKOW schon 1994 feststellte, handelte es sich bei der Entwicklungsstrategie eher „um Modeströmungen
statt originelle, regionalspezifische Lösungen im Hinblick auf laufende Prozesse
ökonomischer Reorganisation vorzuschlagen“. (VOELZKOW 1994, S. 19) Die Hoffnung auf neue Branchenansiedlungen in Verbindung mit der Definition von Kompetenzfeldern oder Leitbranchen, wie z.B. Energie oder Werkstoffe, werden nach Einschätzung vieler Gesprächspartner zu geringe arbeitsmarktpolitische Effekte erzielen, um eine Kompensation der standortgebundenen Beschäftigteneffekte der ehemaligen Zechenstandorte zu erreichen.483
Für eine zukunftsfähige Standort- sowie regionale Perspektivenentwicklung jenseits
der gängigen (und vielleicht auch überbewerteten?484) Clusterstrategie in NRW, regten Akteure aus Wissenschaft und Praxis im Rahmen der explorativen Interviews
ein kleinteiliges Denken in Nischen abseits konventioneller Bahnen an. Dies lässt
480
INTERVIEWS UNTERNEHMENSVERTRETER I und WIRTSCHAFTSFÖRDERER I
Siehe dazu LÖTSCHER und WIESSNER 2008, S. 204ff., die Brachflächen im urbanen
Raum ebenfalls als Chance der Stadtentwicklung bewerten.
482
INTERVIEW ZULIEFERER I
483
Aus Gewerkschaftssicht z.B. INTERVIEW GEWERKSCHAFTSVERTRETER I oder
GEWERKSCHAFTSVERTRETER III, aus Sicht der Wirtschaftsförderung:
WIRTSCHAFTSFÖDERER III oder auch KOMMUNALVERTRETER I
484
Dazu finden sich Argumente bei REHEFLD 2009, S.173f. weil die Praxis vom wissenschaftlichen Erkenntnisstand abgekoppelt im Bereich der Clusterförderung agiert
481
154
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
sich insbesondere im Hinblick auf Fragen der Flächenentwicklung exemplarisch
aufzeigen. Nachnutzungskonzepte für Bergbauareale sind als integriert angelegte
Entwicklungsstrategie sowohl auf die spezifischen Gegebenheiten eines Standortes
(vorhandene Infrastruktur, bestehende lokale Ökonomie, Altlastensituation etc.) abzustimmen, als auch in den regionalwirtschaftlichen Kontext (Branchen, Netzwerke,
Kompetenzen) einzubetten. Ein befragter Vertreter der Wissenschaft zeichnet dabei
das Bild der Region als „ökonomischer Tausendfüßler“, welcher unterschiedlichste
wirtschaftliche Themenfelder auch jenseits der definierten Cluster und Kompetenzfelder besetzen sollte.485 Konkrete Potentiale sehen die Regionalforscher in der Weiterentwicklung eines mittelbetrieblichen, handwerksorientierten Unternehmensbesatzes sowie in den zahlreichen Ingenieur-, Entwicklungs- und Zuliefergesellschaften mit ihren produktions- und industrieverbundenen Dienstleistungsangeboten.
Diese Betriebe wünschen für ihre Weiterentwicklung oftmals zentrale Lagen in
Großstädten, welche im Vergleich zu Konversionsflächen in randstädtischen ‚1B’Lagen attraktiver sind. Zukünftige wirtschaftliche Revitalisierungserfolge verbunden
mit der Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen sind daher nicht ausschließlich an den
groß dimensionierten Standorten der Zechen zu erwarten, die unter den spezifischen Anforderungen des Steinkohlebergbaus entwickelt wurden, sondern werden
abseits dieser Standorte entstehen.
Daher diskutieren sowohl ein Vertreter der Wissenschaft als auch ein Unternehmensvertreter der RAG/DSK alternative, insbesondere temporäre Standortoptionen,
wie die Nutzung von ehemaligen Bergbauflächen zur Bioenergieproduktion.486 Damit
wird das kurzfristige Brachfallen der Flächen vermieden, ohne die mittel- bis langfristigen Entwicklungsoptionen aufgeben zu müssen, so dass in Bezug zu Flächenaufbereitung und Vermarktung flexibel auf sich verändernde Angebots- und Nachfragesituationen reagiert werden kann. Ein Unternehmensvertreter der RAG/DSK
verwies in diesem Kontext auf den geplanten ‚Biomassepark’ auf dem Gelände der
Zeche Hugo 2/5/8. Auf einer Fläche von 22 Hektar soll eine Parkanlage mit schnell
wachsenden Pappeln und Weiden entstehen. Nach drei bis fünf Jahren sollen die
Bäume "geerntet" und als Rohstoff für ein Biomassekraftwerk außerhalb Gelsenkirchens genutzt werden. Es gibt zudem Bestrebungen von niederländischen Investoren, auf Industriebrachen – insbesondere in der Nähe von Steinkohlekraftwerken –
Gewächshäuser zu errichten, welche mit Geothermie oder Abwärme gekoppelt sind.
Die Bioenergieproduktion könnte dann zum festen Bestandteil einer Flächenstrategie für privatwirtschaftliche Entwickler avancieren, mit der Montanflächen während
der oftmals langwierigen Konzeptentwicklung und -realisation vorübergehend genutzt würden.
485
INTERVIEW WISSENSCHAFTLER I, ähnlich auch WISSENSCHAFTLER II
INTERVIEWS UNTERNEHMENSVERTRETER I und WISSENSCHAFLER I – Siehe
auch bei: DRANGFELD, et al. 2001 zu temporäre Nutzungen als Bestandteil des modernen
Baulandmanagements
486
155
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
5.3.1 Flächenentwicklung als Chance und zukünftige Herausforderung
Die Flächenentwicklung der (ehemaligen) Zechenstandorte wird von kommunaler
Seite als Entwicklungsherausforderung und Chance für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung angesehen, ihr kommt mittlerweile aber auch auf interkommunaler
und regionaler Ebene ein besonderer Stellenwert zu.487
Als innovatives Instrument der erforderlichen regional und interkommunal abgestimmten Wirtschaftsentwicklung im Ruhrgebiet wird nach Aussage eines Vertreters
der RAG/DSK die Entwicklung eines zentralisierten Flächenpools mit Bewertungskriterien und Angaben über die Freiflächenverteilung der Montanflächen verfolgt.488
Entsprechend wurde seitens der RAG Montan Immobilien (ehemals: MontanGrundstücksgesellschaft (MGG) mit der TU München ein Forschungsvorhaben initiiert, welches den Aufbau eines regionalen Flächen- und betrieblichen Portfoliomanagements für die RAG Montan Immobilien intendiert.489 Dies hat den Hintergrund, dass die RAG Montan Immobilien seitens des Mutterkonzerns mit der Entwicklung und Vermarktung ehemaliger Bergbauflächen beauftragt ist. Das Tätigkeitsfeld der RAG Montan Immobilien beschränkt sich jedoch nicht auf frühere Zechenareale, sondern beinhaltet ebenso Ankauf, Entwicklung und Vermarktung anderer Altstandorte.
In Ergänzung zum Portfoliomanagement der RAG Montan Immobilien wurde seitens
der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr GmbH mit Prof. Dr. Hans-Peter Noll, dem
Geschäftsführer der RAG Montan Immobilien, die Zusammenführung der in den
Kohlerückzugsgebieten verfügbaren Flächen des Unternehmens in einer regionalen
Datenbank abgestimmt. Die Montanflächen werden in den Atlas der Gewerbe- und
Industriestandorte der Metropolregion Ruhr aufgenommen. Die Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr GmbH erfasst seit 2008 das Flächenpotential von GE und GIFlächen (gestaffelt nach Planungsreife und den Zeithorizonten der Verfügbarkeit)
bei den Stadtplanungsämtern und den Wirtschaftsförderungseinrichtungen in den
Kommunen des RVR. Damit steht mit RuhrAGIS490 ein flächendeckendes, laufend
aktualisiertes Analyse- und Dokumentationsinstrument zur Verfügung. Der Atlas
umfasst eine flächendeckende Informationsplattform zur realen Nutzung und Struktur der Industrie- und Gewerbeflächen im Ruhrgebiet (einschließlich der Potenziale,
Leerstände und Brachen). RuhrAGIS ist das Ergebnis einer jährlichen Vor-OrtKartierung in Verknüpfung mit digitalen Rauminformationen. Diese Kombination
gewährleistet eine für das ganze Ruhrgebiet einheitliche Informationslage. Ziel ist
487
INTERVIEWS WIRTSCHAFTSFÖRDERER I und WIRTSCHAFTSFÖRDERER II
INTERVIEW UNTERNEHMENSVERTRETER I
489
Siehe dazu auch: BMBF 2008 (Hrsg.) und die Informationen zum Projekt REFINA. Der
Förderschwerpunkt "Forschung für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und ein
nachhaltiges Flächenmanagement (REFINA)" die RAG Montan Immobilien ist ein Projektpartner dort.
490
WIRTSCHAFTSFÖDERUNG Metropole Ruhr (Hrsg.) 2008, Handbuch RuhrAGIS.
488
156
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
es, die regionale Transparenz in der Flächenverfügbarkeit und zum zukünftigen
Entwicklungsbedarf zu erhöhen. Auch das Land NRW ist vor dem Hintergrund der
Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms (LEP) an dem Datenmaterial
interessiert. Entsprechend der Aufstellung liegt das (theoretische) Flächenpotential
für die potentielle Nachnutzung der „Kohlestandorte“ ab 2018 bei etwa 7.140 ha.
Tabelle 10: Bergbaurelevante und bergbaunahe Flächenpotentiale
Flächentyp / Nutzer
Flächenpotential
aktive Bergbaufläche
480 ha
Andere DSK Flächen
1.080 ha
Andere Flächen d. RAG Immobilien
460 ha
Service / Zulieferer
1.540 ha
Zechenbrachen
1.050 ha
Halden
2.260 ha
SUMME
7.140 ha
Quelle: Zusammengestellt nach WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG METROPOLERUHR GMBH
2008
Mit der Aufnahme der Flächen in das System RuhrAGIS erhöhen sich nach übereinstimmender Aussagen der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr und der RAG
Montan Immobilien sowohl die Vermarktungschancen baureifer Standorte als auch
die Möglichkeiten einer interkommunal und intraregional abgestimmten Flächenentwicklung nachhaltig verbessert werden.
5.3.2 Folgenutzung und Projektplanungsstände an den Zechenstandorten
Hinsichtlich der standortbezogenen Konzeption zur Nachfolgenutzung der bereits
beschlossenen und anstehenden Zechenschließungen sind unterschiedliche
Sachstände festzuhalten:491 Während für die Standorte Lippe und Hamm492 noch
kein Konzept für eine Nachfolgenutzung vorliegt oder konkret diskutiert wird (Stand:
491
INTERVIEW UNTERNEHMENSVERTRETER I
Die Zeche Heinrich-Robert liegt in Hamm Herringen und ist Teil des Verbundbergwerks
Ost. Heute sind noch knapp 3.000 Mitarbeiter in der Zeche Heinrich-Robert (beschäftigt, ca.
1.000 davon wohnen im Stadtgebiet, der Rest außerhalb, v.a. in Bergkamen und Lünen (was
in (ehem.) Verbundbergwerken begründet liegt) Innerhalb Hamms ist die Verteilung der
1.000 RAG-Mitarbeiter kleinräumig: der Großteil wohnt am Bergwerksstandort in den
Herringen und Pelkum. Im Kreis Unna und am Standort Hamm werden ca. 215 Mio. Euro
Wertschöpfung durch den Steinkohlenbergbau erzielt (INTERVIEW GEWERKSCHAFTSVERTRETER VI und Infoblätter der IG BCE Hamm). Insgesamt stehen 281 Ausbildungsplätze zur Verfügung.
492
157
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Frühjahr 2009), befindet sich das Bergwerk West (Fläche: 4,4 ha in zentraler Lage
in Kamp-Lintfort) in der Projektplanung.493
Zeche West / Kamp-Lintfort
Seit Juni 2008 steht fest, dass das Bergwerk West am 31.12.2012 stillgelegt wird.
Am Standort Kamp-Lintfort sind damit rund 3.500 RAG-Mitarbeiter und nach Auskunft des Amtes für Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing rund 1.500 Arbeitsplätze bei Dienstleistern, Subunternehmen und in der Zulieferindustrie betroffen. Der
Wohnortverteilung der Beschäftigten des Bergwerks West ist zu entnehmen, dass
eine Schließung kein lokales, sondern vielmehr regionales Problem darstellt; in
Kamp-Lintfort wohnen lediglich ca. 760 der insgesamt ca. 3.500 Beschäftigten.
Quantitativ werden die Beschäftigungsverluste am Standort nicht von den mittelständischen Unternehmen in der Region nicht aufgefangen werden können.
Ungeachtet des bis zum 9. Juni 2008 noch nicht konkreten Zeitpunkts der Schließung des Bergwerks West hat die Stadt in regionaler Abstimmung494 bereits mit der
Erarbeitung eines standortbezogenen Masterplans begonnen, dessen wesentliche
Aufgabe es sein soll, möglichst frühzeitig für das im Zentrum der Stadt gelegene
Areal zukunftsorientierte Perspektiven zu entwickeln. Derzeit wird eine Standortanalyse für das Gelände (insgesamt 40ha, unmittelbar an die Innenstadt angrenzend) erstellt und im Lenkungsausschuss beraten. Die Ergebnisse sollen dann
durch externen Sachverstand vertieft werden, für notwendige externe Unterstützungsleistungen (z.B. Gutachten über Altlastensituation, Marktanalysen etc.) stellt
die Stadt insgesamt 60.000 EURO bereit. Der Masterplan West beschränkt sich
nicht ausschließlich auf das Gelände des heutigen Bergwerkes West, sondern bezieht auch die Entwicklung weiterer Flächen (alte Schachtanlagen, Kohlenplätze) in
die Planungen mit ein. Die Schaffung von Arbeitsplätzen stellt nach Ansicht von
IILAND die größte Herausforderung für die Stadt dar. Neben der Bereitstellung von
Gewerbeflächen ist die Nutzung der Bahngleise für den späteren Personen- und
Güterverkehr ein zentrales Projekt. Mit dem Bau eines Kopfbahnhofs am Rande der
Innenstadt eröffnen sich nach Aussage der Stadt große Entwicklungsimpulse. Durch
die Nähe zum Duisburger Hafen und die sehr gute Anbindung an die A57 und A42
erhofft man sich seitens der Stadtverwaltung große Entwicklungsperspektiven für
Logistikunternehmen. Auch die Perspektiven zur weiteren Entwicklung der Fachhochschule werden in die konzeptionellen Überlegungen nach Auskunft der Wirtschaftsförderung mit einbezogen. Zudem werden die im regionalen Entwicklungs-
493
Seitens der RAG Montan Immobilien wird die Entwicklung eines FH-Standortes vorgeschlagen.
494
Kamp-Lintfort ist Teil der „Wir-4-Region“. Eine Initiative, die die Wirtschaftsförderungsund Standortvermarktungsaktivitäten der Städte Moers, Neukirchen-Vluyn, Kamp-Lintfort
und Rheinberg versucht zu koordinieren.
158
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
konzept ‚ZIKON’ definierten Cluster in der Ansiedlungspolitik berücksichtig. Vorhandene Gewerbeflächen sollen jedoch nicht wählerisch unter dem ausschließlichen
Kriterium vorhandener Kompetenzen vermarktet werden. Definierte Cluster dienen
der Stadt nach Eigenauskunft lediglich als Orientierungsrahmen. Die rege Beteiligung Kamp-Lintforts im Rahmen des seitens des Wirtschaftsministeriums ausgeschriebenen Automotive-Wettbewerbs (Projekt ‚Kompetenzzentrum Automobiltechnik’ - KAT) zeigt, dass die Stadt in diesem Bereich ein zukunftsfähiges Cluster sieht.
Bergwerk Lippe
Seitens der Stadt Gelsenkirchen wurde für die Folgenutzung des Bergbaustandortes
Lippe ein Gutachten bei der TU München in Auftrag gegeben. Im Rahmen des Gutachtens sollen die Rahmenbedingungen für die Erarbeitung eines interkommunalen
und integrierten Handlungskonzeptes unter besonderer Berücksichtigung von Zwischen- und Folgenutzungen für die Bestandsgebäude entwickelt werden. Für eine
gelingende standortbezogene Nachnutzung der Bergbaustandorte „Lippe“ wird in
besonderem Maße die interkommunale Kooperation als erforderlich erachtet, da
sich der Verwaltungssitz in Gelsenkirchen, der Förderstandort in Herten befindet.495
Bergwerk Walsum
Nach Auffassung eines Vertreters der IG BCE ist die Schließung des Standortes
Walsum aus industrie- und standortpolitischen Gesichtspunkten eine sehr bedenkliche Situation.496 Duisburg verliert mit der Zechenschließung eine wichtige Säule des
montan-industriellen Gefüges. Von Seiten der Politik wird zwar erkannt, dass es
negative Folgewirkungen für Arbeits- und Ausbildungsplätze im Duisburger Norden
und Umfeld geben wird. Weil am Standort Walsum ein neues Heizkraftwerk gebaut
wird ist Energiestandort Duisburg wird – so die Wahrnehmung – in seinem Kompetenzportfolio durch die Zechenschließung nicht beeinträchtig. Es gibt zudem Überlegungen, Teile der dann stillgelegten Schachtanlage als Bunkeranlagen für Export
Kohle durch den Rheinanschluss zu nutzen. Evonik Power werden mit dem neuen
Kraftwerk bei einer Gesamtinvestitionssumme von 950 Millionen Euro ca. 60-70
neue Arbeitskräfte schaffen – das kompensiert allerdings in keiner Weise den Be-
495
INTERVIEW VERBANDSVERTRETER I – Nicht der Verlust des Bergbaus, sondern die
damit verbundenen Effekte sind nach seiner Auffassung das Problem für Stadt und Region,
z.B. Wiederbelebung des verloren gegangenen industriellen Umfelds, eine profilbildende
Stärke Gelsenkirchens ist die Rolle als Energiestadt (Solarenergie, Petrochemie), welche
Entwicklungspotenziale in diesem Bereich bestehen, ist schwierig abzuschätzen, da Entwicklungspotenziale nach Ansicht des Interviewpartners in starkem Maße an die Ansiedlung
von Unternehmen gekoppelt sind.
496
INTERVIEW GEWERKSCHAFTSVERTRETER VIII
159
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
schäftigungsverlust der Zeche Walsum. Entsprechend der Instrumente zur Gewerbeflächenprognose und zur Flächenbedarfserhebung wird nach Ansicht des Institutes für Landeskunde und Stadtentwicklung eine durchschnittliche Beschäftigtendichte von 40 Arbeitsplätzen pro ha neuer Gewerbefläche angestrebt. Zum Vergleich: das übertägige Gelände der Zeche Walsum umfasst eine Fläche von 56,9 ha
und bot knapp 3.000 Menschen Beschäftigung. 497
Im Gegensatz zum Standort Walsum werden zudem durch die „klassische“, emissionsfreie Gewerbeflächenentwicklung Ersatzarbeitsplätze nur in mittel- bis längerfristigen Zeithorizonten (zehn bis 15 Jahre) zu schaffen sein. Dies hängt nach Einschätzung von Gesprächspartnern einerseits mit den langfristigen Planungs- und
Entwicklungshorizonten zusammen und wird anderseits mit den geringen „frei vagabundierenden“ Ansiedlung– und Beschäftigungspotentialen in Verbindung gebracht.
Das Bergwerk Walsum hat bisher jährlich 70 neue Ausbildungsplätze pro Jahr angeboten. Für die Arbeitsplatzsituation der Region ist das auch deshalb bedenklich,
da der Verlust an Arbeits- und Ausbildungsplätzen auch in Kamp-Lintfort (Bergwerk
West mit 40 Ausbildungsplätzen pro Jahr) und im benachbarten Dinslaken-Lohberg
schon regionale Konsequenzen für den Ausbildungsmarkt hat.498 Der Versuch der
Kompensation der Ausbildungsplatzverluste durch Initiativen, wie z. B. dem Programm „Kompensation der wegfallenden Ausbildungskapazitäten im Bergbau in der
Region Duisburg Niederrhein“ (geförderte Maßnahme aus Ziel 2-Mitteln) konnten
allerdings durch gezielte Ansprache an Unternehmen in Duisburg und der Region
immerhin 9% mehr Ausbildungsplätze in 2007 als im Vorjahr geschaffen werden.
Auch Im Rahmen des regionalen Entwicklungskonzeptes für den Niederrhein wurden Konzepte aufgestellt die, die Folgen der Schließung des Bergwerks Walsum
abmildern sollen.499
5.3.3 Flächenverfügbarkeit für gewerbliche Nutzungen im Ruhrgebiet
Aus den Gesprächen mit den Wirtschaftsförderern und Standortentwicklern sowie
den Analysen von Gewerbedatenbanken kann für das Ruhrgebiet in der Summe
ein Überangebot an Gewerbeflächen festgestellt werden, wobei nach Einschätzung
von Gesprächspartnern es aber für Bestandsbetriebe, besonders in den städtischen
Lagen mit gemischten Bebauungsumfeld, an Erweiterungsflächen zur Standortsicherung fehlt. So drohen nach Einschätzung von Experten Standortverlagerungen
und hohe Betriebsfluktuationen.500 Daher, so die Empfehlung von Gesprächspart-
497
Siehe INSTITUT für LANDESKUNDE UND STADTENTWICKLUNG (Hrsg.) 2008 und den
Prognosetools für den Gewerbeflächenbedarf
498
INTERVIEW VERBANDSVERTRETER III
499
INTERVIEW WIRTSCHAFTSFÖRDERER IV
500
Beispielhaft INTERVIEW KOMMUNALVERTRETER II für Bottrop
160
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
nern, sollten Gewerbegebiete (GE-Flächen) zukünftig großzügiger angelegt,
durchgrünt und mit Abstandsflächen versehen werden.501
Ein deutlicher Entwicklungsstau besteht indessen bei GI-Flächen. In der Vergangenheit wurde von vielen Kommunen die Ausweisung von Industriegebieten verweigert, was einerseits zu Standortverlagerungen auf die „grüne Wiese“ geführt hat und
sich andererseits als Entwicklungsengpass für die Ansiedlung von industriellen Ersatzarbeitsplätzen erwies. Nach telefonischer Auskunft der Wirtschaftsförderung
Metropole Ruhr GmbH ist in der gesamten Region Ruhrgebiet ein Nachfrageüberhang an GI-Flächen festzustellen. GI-Flächen werden nach Informationen der Gesprächspartnerin insbesondere in den Größen zwischen 10 und 30 ha nachgefragt.
Die Anforderungen der Nachfrager orientieren sich dabei insbesondere an den Faktoren
¾ Lagegunst zu überörtlichen Verkehrswegen,
¾ Erweiterungskapazitäten und
¾ Eignung des Umfeldes für emittierendes Gewerbe (mittel- und langfristig keine Anwohnerproteste oder anderer gewerbeschädlichen Nutzungen in Planung).
Die Ausweisung von Industrie- statt Gewerbegebieten sollte daher nach übereinstimmender Auffassung der Wirtschaftsförderer forciert werden. Zudem wurde empfohlen, die jüngsten Ansätze zur Entwicklung interkommunaler Gewerbegebiete
trotz der z.T. negativen Erfahrungen der Vergangenheit auszubauen. Fehlende GIFlächen stellen daher in einer Zeit, in der über die Schließung von Bergwerken und
über notwendige Ersatzarbeitsplätze in der Industrie diskutiert wird, ein großes Entwicklungshemmnis dar und stehen einer Abfederung von Beschäftigungsverlusten
in der Industrie entgegen.
Der Standort Marl / Auguste Viktoria
Der Zechenstandort Auguste-Viktoria verschafft dem Mittelstand unterschiedlicher
Branchen ein Auftragsvolumen von über 40 Mio. Euro jährlich (Stand: 2006); von
einer Schließung des Bergwerkes wären nach Einschätzung der Gesprächspartner
und der PROGNOS Studie von 2007 Arbeitsplätze betroffen, die in der öffentlichen
Wahrnehmung nicht unmittelbar mit dem Bergbau in Verbindung gebracht werden.
Diese Wertschöpfungsketten enden nach Auffassung eines Gesprächspartners
beim kleinteiligem Einzelhandel in Marl, welcher Umsatzeinbußen aufgrund sinkender Kaufkraft hinnehmen müsste. Wenn es zu einer Schließung des Standortes Auguste-Viktoria kommt, sind die 4.200 unmittelbar am Standort beschäftigten Perso501
INTERVIEWS MINISTERIUMSVERTRETER I und KOMMUNALVERTRETER I
161
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
nen lediglich die „Spitze des Eisbergs". Vor dem Hintergrund bestehender Sozialpläne werden die im Bergwerk beschäftigten Personen weniger stark betroffen sein,
als die Stadt und (aufgrund ihrer Arbeitsplatzversorgerfunktion!) die Region. Des
weiteren wird ein Verlust an Kompetenz und Know-how befürchtet. Viele innovative
Aspekte – z.B. im Bereich der Mess- und Regelungstechnik – des Bergbaus fließen
z.B. in die starke lokale Chemieindustrie ein mit dem Bergbau fällt somit auch ein
„treibender Faktor“ im Forschungs- und Entwicklungsbereich und somit ein Mehrwert für andere Industrien weg.
Ein anderes Argument im Zusammenhang zum Standort Marl unterstreicht den Flächenengpass bei GI-Flächen. Ein grundsätzlich gelungenes Beispiel für Aktivitäten
zur Förderung von Industrieansiedlungen ist die Zusammenarbeit verschiedenster
Partner in der ChemSite-Initiative, über die der Industriepark Dorsten/Marl mit dem
Schwerpunkt chemienahe Verarbeitungsindustrie am Markt platziert ist. Flächen und
unternehmensbezogene Kooperationsbeziehungen können ansiedlungswilligen
Firmen angeboten werden. Die Initiative wird getragen von namhaften Chemieunternehmen der Region (Degussa, BP, Sabic, Air Liquide etc.), den Kommunen, Gewerkschaften, Wirtschaftsförderern und dem Land NRW. Die Flächenvermarktung
läuft nach Aussage von GEHRKE sehr gut. Da der Standort Marl aufgrund seiner
besonderen Stellung im NRW Kompetenzfeld Chemie einen überregionalen Stellenwert und eine nachhaltige Verantwortung bei der regionalen Arbeitsplatzversorgungsquote mit Industrie- und Produktionsarbeitsplätzen hat502, läuft die Stadt Gefahr, in ein bis zwei Jahren nachfragenden Unternehmen keine ungenutzten Industrieflächen mehr zur Verfügung stellen zu können.503
Marl wird nach Experteneinschätzung bei unveränderten Rahmenbedingungen seine Aufgabe als „Arbeitsplatzversorger“ zukünftig nicht mehr wahrnehmen können.
Wann die Vermarktung der im regionalen Umfeld gelegenen interkommunalen GIFläche „newPark“ in Datteln und Waltrop beginnen kann, ist zum jetzigen Zeitpunkt
noch unklar. Die Erschließung einer GI-Fläche nimmt eine Dauer von bis zu fünf
Jahren in Anspruch. Aufgrund der angespannten Haushaltslage kann nach Einschätzung des Gesprächspartners aus der Stadt Marl zudem keine Kommune im
Ruhrgebiet ihre Flächenentwicklung ohne externe Finanzhilfen realisieren. An dieser
Stelle wird kritisiert, dass eine gesonderte Förderung zur Flächenentwicklung in den
Clusterinitiativen landesweit nicht vorgesehen ist. Stattdessen erfolgt die Förderung
kleinerer Projekte in den Wettbewerbsverfahren. Aber selbst für Flächenentwicklungen wäre das Finanzvolumen der Wettbewerbe nicht ausreichend, wenn ein
Wettbewerb mit 40 Mio. insgesamt dotiert ist, diese Summe aber schon für Aufbereitung und Entwicklung einer Industriebrache benötigt wird. Bereits in der Vergangen-
502
Die Chemiestadt Marl weist nach Auskunft und Unterlagen der Wirtschaftsförderung etwa
17.000 Einpendler auf und versorgt mit einer Arbeitsplatzquote von 113% nicht nur seine
eigene Bevölkerung sondern auch das Umland im nördlichen Ruhrgebiet mit Arbeitsplätzen.
503
INTERVIEW KOMMUNALVERTRETER I
162
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
heit wurden GI-Ausweisungen nur sehr selten durch Ziel 2-Fördermittel unterstützt.
Der Gesprächspartner aus der Stadt Marl sieht daher in den kommenden 20 Jahren
große Probleme für die Zukunftssicherung von Industriearbeitsplätzen im Ruhrgebiet.
Daher ist eine andere Vorgehensweise in der Ziel 2-Förderung analog des Bedarfs
an Industriearbeitsplätzen aus seiner Sicht erforderlich. Der Kommunalvertreter
schlägt vor, den Bedarf neuer Industrieansiedlungen antizipativ (aufgrund von Erfahrungswerten und Marktbeobachtungen in den Nachbargemeinden) zu kalkulieren, in
die Betriebsstilllegungspläne der RAG/DSK zu integrieren und die Genehmigungsverfahren für neue Industrieansiedlungen zu vereinfachen.504
504
INTERVIEW KOMMUNALVERTRETER I
163
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
6 Antizipatorischer Umgang mit Bergbauauslaufszenarien
bei betroffenen Unternehmen
In den vorangegangen Kapiteln erfolgte eine Darlegung der strukturpolitischen
Rahmenbedingungen und der Herausforderungen unter denen sich aktuelle Tendenzen der ökonomischen Neuausrichtung im Ruhrgebiet vollziehen. Ferner wurde
der Frage nachgegangen, mit welchen Initiativen und Projekten die erforderlichen
Maßnahmen zur Lokal-, Regional- und Flächenentwicklung implementiert werden.
Nachfolgend werden die Handlungsoptionen, Erfordernisse und Herausforderungen
unterschiedlicher Akteure im Umgang mit den Stilllegungsbeschlüssen erörtert.
Die Beurteilungen der befragten Akteure aus Wirtschaft und Kommunen zu den negativen Beschäftigungseffekten durch die Schließung der Zechenstandorte erfolgten
differenziert. In den Gesprächen zeigte sich, dass nicht die unmittelbaren Arbeitsplatzverluste in der Problemwahrnehmung der Akteure dominieren, sondern vielmehr die negativen Sekundäreffekte für verbundene Zulieferer und das lokale und
regionale Umfeld im Fokus der Betrachtungen stehen.505 Während von kommunaler
Seite insbesondere die Schaffung von Industrie- und wissensbasierten Ersatzarbeitsplätzen (z.B. Angebotsseitig durch die Ausweisung von GI-Flächen) erörtert
wird, versucht die RAG/DSK den Personalabbau sozialverträglich zu gestalten und
mit den jährlichen Fördermengenzielen in Einklang zu bringen. Die Betriebe der
Zulieferindustrie versuchen mit Diversifizierungsstrategien oder dem verstärkten
Auftritt auf internationalen Märken die ökonomischen Folgen der Stilllegungsbeschlüsse zu kompensieren.
6.1
Personalpolitische Herausforderungen für die RAG/DSK
Sofern es durch die Revisionsklausel im Jahr 2012 nicht zu einer Kurskorrektur der
kohlepolitischen Beschlüsse kommt, werden im Steinkohlenbergbau bis 2018 rund
19.000 unmittelbare Arbeitsplätze (direkt Beschäftigte) allein im Ruhrgebiet wegfallen. Nachfolgende Graphik verdeutlicht die schrittweise Reduzierung der Finanzierungsbeihilfen für den deutschen Steinkohlenbergbau.
505
Insbesondere wurde auf die jahrzehntelangen Erfahrungen der RAG/DSK mit dem sozialverträglichen Beschäftigtenabbau wurde in den betroffenen Kommunen verwiesen („Niemand wird ins Bergfreie fallen“)
164
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 18: Rückgang der Kohlebeihilfe
Entwicklung der Kohlebeihilfen
6
5,3
Beihilfe in Mrd. Euro
5
4,35
4
2,65
3
1,95
2
1,09
1
0
0
1996
2000
2006
2012
2018
2029
Quelle: WODOPIA 2008, S. 294 (Werte bis 2006 aus vorherigen Vereinbarungen)
Mit den Zechen an der Saar und in Ibbenbüren werden im gleichen Betrachtungszeitraum insgesamt 32.000 Arbeitsplätze unwiderruflich abgebaut. Unter Paragraph
5 des Gesetzes zur Finanzierung des Ausstiegs aus dem subventionierten Steinkohlebergbau werden die Anpassungsregelung und das Anpassungsgeld genauer
definiert. Alle im Steinkohlenbergbau Beschäftigten der RAG/DSK sollen über diese
Regelung die Möglichkeit haben, sozialverträglich aus dem Arbeitsleben bei der
RAG/DSK auszuscheiden. Sozialverträglich bedeutet nach Aussage WODOPIA,
dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden.506 Anspruch auf das
Anpassungsgeld haben alle Beschäftigten des Steinkohlenbergbaus, die unter Tage
beschäftigt sind, mindestens 50 Jahre alt sind oder über Tage beschäftigt sind (Lebensalter dann mindestens 57 Jahre) und aufgrund einer Stilllegungs- oder Rationalisierungsmaßnahme bis zum 31.12.2022 ihren Arbeitsplatz bei der RAG/DSK verlieren werden. Das Anpassungsgeld wird nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der RAG/DSK für maximal fünf Jahre gezahlt. Damit wird die Zeit bis zur
Anspruchsberechtigung auf die knappschaftliche Rentenversicherung überbrückt.507
Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht die bereits in der Vergangenheit realisierten
Anpassungsleistungen der RAG/DSK an die veränderten politischen Rahmenbedingungen bei gleichzeitiger Reduzierung der Finanzierungshilfen für den deutschen
Steinkohlenbergbau.
506
Siehe WODOIPA 2008, S. 294
Gesetz zur Finanzierung der Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus zum
Jahr 2018, Paragraph 5 (http://bundesrecht.juris.de/steinkohlefing/__5.html). Seit 1972 besteht das Instrument des Anpassungsgeldes (APG) für Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus.
507
165
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Tabelle 11: Anpassungsleistungen im Bergbau
Jahr
Zahl der För- Beschäftigte
deranlagen
in 1000
Davon unter Förderung in
Tage
Mio. Tonnen
1990
19
101
67
55
1991
19
95
53
51
1992
17
90
50
51
1993
14
84
46
45
1994
14
78
42
40
1995
14
72
39
42
1996
14
67
36
38
1997
13
63
33
37
1998
11
59
30
32
1999
11
54
27
31
2000
9
48
23
26
2001
8
42
19
20
2002
7
39
17
19
2003
7
36
16
18
2004
7
33
15
18
2005
7
31
14
18
2006
6
28
13
15
Quelle: Zusammengestellt nach STATISTIK DER KOHLENWIRTSCHAFT E.V. Der Kohlenbergbau in der Energiewirtschaft der Bundesrepublik Deutschland. Essen 2007
Nach Auskunft des Gesamtverbandes Deutsche Steinkohle (GVSt) haben alleine im
Zeitraum von 1997 bis Ende 2007 rund 50.000 Mitarbeiter die RAG Deutsche Steinkohle verlassen. In diesem Zeitraum haben sich neben den altersbedingten Abgängen (rund 21.000), Ausgliederungen (rund 1.300) und sonstigen eigenmotivierten
Austritten (Fluktuation rund 7.000) die konzernintern entwickelten Instrumente für
den Personalentwicklung und- Transfer bewährt. Über die noch vorzustellenden
Maßnahmenpakete konnten rund 23.000 Mitarbeiter der RAG/DSK zur Aufnahme
einer neuen Beschäftigung außerhalb des Steinkohlenbergbaus motiviert und vermittelt werden.508
508
Siehe GESAMTVERBAND DEUTSCHE STEINKOHLE 2009 (Hrsg.)
166
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Mit der alleinigen Ausschöpfung des „Vorruhestandspotenzials” auf den Zechenstandorten wird nach Einschätzung des befragten Personalvorstands der notwendige Personalabbau bis 2018 nicht zu bewerkstelligen sein. Der Gesprächspartner
verweist dabei auf die Erfahrungswerte seit 1996 unter den anhaltenden Bedingungen der Reduzierung öffentlicher Förderbeihilfen.
Abbildung 19: Anpassung im Rahmen des Auslaufbergbaus bis 2012
Quelle: Zur Verfügung gestellt von der RAG-Stiftung nach DSK/RAG 2008
Nach Aussage des Gesprächspartners werden auf Grundlage der fortgeschrieben
Alterstrukturdaten und der derzeitigen Tätigkeitsfelder der Beschäftigten voraussichtlich rund 3.000 Mitarbeiter (MA) aller Bergbaustandorte in Deutschland nicht in
den Vorruhestand übergehen können.509 Diese Beschäftigen werden die RAG/DSK
bis zum Jahr 2012 verlassen müssen, um eine Beschäftigung bei einem anderen
Arbeitgeber aufzunehmen. Für eben jenen Personenkreis wird auf Basis der hohen,
über Jahrzehnte gewachsenen personalpolitischen Erfahrungswerte der RAG/DSK
mit Instrumenten des Beschäftigtentransfers und der Qualifizierung dafür gesorgt
werden, dass die Beschäftigten Ersatzarbeitsplätze in anderen Branchen erhalten
können und nicht arbeitslos werden. Die große Herausforderung für die RAG/DSK
ist darüber hinaus die Tatsache, mit dem verbleibenden Personal die Aufrechterhaltung des Betriebs und die Sicherstellung des Fördermengenziels (siehe Abbildung)
zu gewährleisten. Folgende Instrumente hat die RAG/DAK zum sozialverträglichen
Personalabbau (besonders für die jüngeren MA) in der Vergangenheit entwickelt:
509
INTERVIEW UNTERNEHMENSVERTRETER III
167
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Tabelle 12: Instrumente des sozialverträglichen Personalabbaus
Instrument
Erläuterung
Employability-Pool
Veränderungsbereite und vermittelbare
MA werden im Pool erfasst, Maßnahmen
werden individuell vereinbart, Einkommen wird fortbezahlt
Existenzgründung
Siehe oben mit Schwerpunkt auf Unterstützungsleistungen
für
berufliche
Selbstständigkeit
Personal-Entwicklungs-Pool
Qualifizierung für die Übernahme anderer Aufgaben im Konzern
Handwerksinitiative / Einarbeitungsquali- Bis zu 6 monatige „Schnupperphase“,
fizierung
um Arbeitsplätze außerhalb des Bergbaus kennen zulernen. MA verbleiben
arbeitrechtlich bei RAG, erhalten aber
Transferkurzarbeitergeld und einen RAG
Zuschuss einschl. tariflicher Nebenleistungen zur Lohn- und Gehaltskompensation
Qualifizierung
MA werden bis zu drei Jahren für zukunftsträchtige Berufe außerhalb des
Bergbaus qualifiziert – Leistungen siehe
oben
Statuswechsel
Im Anpassungsprozess durch die Bergwerksschließungen werden kommt es zu
Unterdeckung von Untertagepersonal.
Übertagepersonal soll mit Ausgleichszahlungen für Arbeit Untertage gewonnen werden
Studium
Finanzielle Förderung für die Aufnahme
eines Studiums
Flexibilisierungshilfe
–
Abkehr
Wiedereinstellungszusage
mit RAG bietet Angestellten und MA Flexibilisierungshilfen und Übergangshilfen. Im
Falle des Scheiterns im neuen Beruf gibt
es die Wiedereinstellungszusage
Quelle: eigene Darstellung nach WODOPIA 2008, S. 294-296
Finanziell sind nach Einschätzung des Personalvorstands nur solche Arbeitnehmer,
die in kleinere Handwerksbetriebe wechseln, zukünftig schlechter gestellt. Ein Stufenplan kann den Beschäftigten der RAG/DSK den Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber erleichtern. Die Mitarbeiter können zunächst ein halbes Jahr befristet bei
dem aufnehmenden Unternehmen arbeiten, sind aber weiterhin bei der RAG/DSK
beschäftigt. Danach wird ein Zeitvertrag mit einer Laufzeit von einem Jahr geschlossen, und die neue Firma wird zum offiziellen Arbeitgeber. Im Anschluss daran
kommt es nach Aussage des Gesprächspartners in der Regel zu einer unbefristeten
168
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Beschäftigung. Die Aussagen des Personalvorstandes der RAG/DSK müssen aber
auch kritisch reflektiert werden.
6.1.1 Beschäftigungspotentiale außerhalb des Bergbaus
Nach Einschätzung des Gesamtverbandes Steinkohle (GVSt) und des NordrheinWestfälischen Handwerktages (NWHT) darf nicht übersehen werden, dass die Möglichkeiten einer sozialverträglichen Reduzierung der Belegschaft durch die Vermittlung in andere Arbeitsverhältnisse bereits in der jüngeren Vergangenheit begrenzt
waren und aller Voraussicht nach auch für das weitere Auslaufszenario begrenzt
bleiben.510 Um die Vermittlung zu erleichtern, werden von jedem Beschäftigten Berufs- und Qualifikationsprofile erstellt. In einem betriebsinternen Beratungsbüro der
RAG/DSK an jedem Zechenstandort können sich die Beschäftigten über alle Arbeitsmarktmaßnahmen und mögliche Stellenangebote informieren, so dass auch mit
den Personalverantwortlichen über die erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen
gesprochen werden kann.511 Freie Stellen können interessierte Firmen mithilfe eines
Formblatts an eine Koordinationsstelle (im Saarrevier sogenannte „Trans-FairStelle“) weitergeben.512
Ferner gehört seit 1997 die „Handwerksinitiative” zum Instrumentarium des sozialverträglichen Beschäftigungsabbaus im Steinkohlenbergbau. In Kooperation mit den
Arbeitsagenturen und den Handwerkskammern sowie den zugehörigen Betrieben
konnten in den letzten 11 Jahren mehr als 6.000 Bergleute als Facharbeiter ins
Handwerk vermittelt werden.513 Diese Möglichkeit wird aber zukünftig begrenzt sein.
Der Nordrhein-Westfälische Handwerkertag hat in seiner Pressemittelung vom
15.01.2008 betont, dass man in der Vergangenheit durchaus gute Erfahrungen mit
der Übernahme von Montanbeschäftigten im Handwerk gemacht habe, an die man
weiterhin anknüpfen möchte. Nach Auffassung des NWHT darf man aber „das Beschäftigungspotenzial für Bergleute im Handwerk jedoch nicht überschätzen”, dies
hat sich „..durch die eingetrübten konjunkturellen Perspektiven” wieder verringert.
Das Beschäftigungspotenzial des Handwerks dürfe auch „..nicht 1:1 als Verfügungsmasse für die im Zuge der anstehenden Zechenschließungen von Arbeitslosigkeit bedrohten Kumpel verstanden..” werden.514
510
Siehe Onlinedarstellungen vom GVSt (Hrsg.) 2009 und NWHT (Hrsg.) 2008
HANDELSBLATT (Hrsg.) vom 08.02.2007 unter der Überschrift “Auf jeder Zeche ein
Arbeitsamt“
512
SAARBRÜCKER ZEITUNG (Hrsg.) 2008: „1700 Bergleute müssen aus dem Land.“ Ausgabe vom 18.06.2008 „
513
Siehe GVSt (Hrsg.) 2009
514
Siehe HWK Düsseldorf (Hrsg.) 2008 und die Pressemitteilung vom 15.01.2008 „Beschäftigungspotenzial für Bergleute im Handwerk jedoch nicht überschätzen“
511
169
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Das erklärt sich nach Auffassung des NWHT unter anderem daraus, dass das Angebots- und Dienstleistungsspektrum der Handwerksunternehmen sich nur eingeschränkt mit den im Bergbau erworbenen Qualifikationen der Beschäftigten widerspiegelt und auch die höhere Altersstruktur der im Bergbau Beschäftigten nur begrenzt den Bedürfnissen des Handwerks entgegen kommt. Bergleute konkurrieren
zugleich mit anderen handwerklich qualifizierten Arbeitssuchenden. Sofern die Bergleute einen Ersatzarbeitsplatz im Handwerk finden, eröffnet das für sie persönlich
zwar einen neuen Berufsweg, dies geht aber zulasten anderer Arbeitssuchenden.
Einem neuen Arbeitsplatz für einen Bergbaubeschäftigten im Handwerk oder anderen Bereichen steht weiterhin der Arbeitsplatzverlust im Bergbau gegenüber. Festzuhalten bleibt, dass der Beschäftigungsabbau im Ruhrgebiet auch durch eine
Handwerksinitiative weder aufgehalten noch gestoppt werden kann.
6.1.2 Versetzung und Vorruhestand
Durch den Auslaufbergbau bedingt, scheiden bereits jetzt pro Jahr etwa 2.000 MA in
den Vorruhestand aus.515 Im Falle von Bergwerksschließungen werden nach Möglichkeit die anderen Beschäftigen auf verbleibende Zechen versetzt, doch stritten die
NRW-Landesregierung, SPD, RAG/DSK und IG BCE bereits 2008 darum, ob ein
sozialverträglicher Ausstieg aus der subventionierten Steinkohleförderung bereits im
Jahr 2014 zu realisieren sei. Ein Gutachten der KPM Wirtschaftsprüfungsgesellschaft prognostiziert für diesen Fall, dass betriebsbedingte Kündigungen für etwa
4.300 Bergleute ausgesprochen werden müssten.516
Der „Auslaufbergbau“ der Zeche Walsum kann als Beispiel für die noch zur Bewältigung anstehenden Aufgaben dienen: Die Schließung des Bergwerks bedeutet neben den baulichen Maßnahmen, die zur Stilllegung notwendig sind, insbesondere
den sozialverträglichen Abbau und die Umverteilung der bisher am Standort tätigen
Belegschaft. Im Dezember des Jahres 2005 arbeiteten rund 2.800 Personen auf der
Zeche Walsum, im Dezember 2007 waren es 1.930 und im Mai 2008 schließlich nur
noch 500. Der Personalabbau musste innerhalb der einzelnen Berufsgruppen
(Elektriker, Mechatroniker, etc.) sukzessive erfolgen, da die Kohleförderung aber
auch alle sicherheits- und verwaltungsrelevanten Aspekte an den Bergbaustandorten aufrecht erhalten werden bzw. gewährleistet sein müssen.517 Von den rund
2.300 Mitarbeitern, die bis Mai 2008 die Zeche verlassen haben, wurden etwa 560
durch Personalvermittlungsmaßnahmen einer neuen Beschäftigung in anderen Unternehmen außerhalb der RAG/DSK zugeführt. Allein die direkt an dem Bergwerk
gelegene Getränkefirma Hövelmann übernahm 100 Mitarbeiter für die Arbeit in ihrer
515
Siehe GVSt (Hrsg.) 2008
Siehe WDR (Hrsg.) 2008 „4.300 betriebsbedingte Kündigungen bei früherem Ausstieg?“
517
INTERVIEW UNTERNEHMENSVERTRETER III
516
170
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
gerade ausgebauten Abfüllanlage. Rund 570 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit übergegangen oder fallen unter die Anpassungsregelung und sind somit aus dem Arbeitsleben ausgeschieden. Die restlichen rund 1.200 Abgänger wurden auf andere
Bergwerke umverteilt. 518
Abbildung 20: Verlegungen der Mitarbeiter des Bergwerks Walsum nach Zielstandorten
Quelle: Nach Informationen der RAG-Stiftung und der RAG/DSK 2008
Die 500 verbliebenen Mitarbeiter werden teilweise noch bis Ende 2009 mit dem
Rückbau der Bergwerksanlagen über und unter Tage sowie der Verfüllung der vier
Schächte beschäftigt sein. Etwa 100 bis 120 Beschäftige müssen bereits Anfang
2009 auf andere Standorte verlegt werden. Für den Betrieb der Wasserhaltung wird
eine kleine Anzahl von Mitarbeitern auch nach den Rückbauarbeiten am Standort
verbleiben.
518
RAG/DSK (Hrsg.) - BW Walsum: Präsentation zur Stilllegung - Stand: 01.05.2008
171
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
6.1.3 Entstehende Ausbildungslücken in den Regionen
Am Standort Walsum wurden durchschnittlich 250 Auszubildende im Zeitraum von
2005 bis 2008 u.a. zu Mechatronikern, Elektronikern und Zerspanungsmechanikern
ausgebildet, hinzu wurden noch gesonderte Ausbildungsverträge mit fünf Schwerbehinderten pro Jahr abgeschlossen, die als Teilezurichter ausgebildet wurden. Diejenigen Auszubildenden, die bis zur Schließung des Standortes ihre Ausbildung
nicht beendet hatten, wurden auf andere Bergwerke verteilt. Die Schwerbehindertenausbildung konnten alle Auszubildenden in Walsum abschließen.519,520,521 Laut Auskunft der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Bergwerks Lippe
sind die DSK-Berufsabsolventen mit den Berufsbildern Energie- und Anlagenelektroniker, Mechatroniker etc. in bergbaufernen Betrieben aufgrund der exzellenten Ausbildung sehr gefragt, durch die Standortnähe etwa für Betriebe der Chemieparks Marls.
Wie auch am Beispiel der Zeche Walsum aufgezeigt, wird die sukzessive Reduzierung der Ausbildungszahlen in Folge der Stilllegungsbeschlüsse von allen Befragten
(Kommunen, Kammern, Gewerkschaften, Zulieferern) für die zukünftige Fachkräfteentwicklung in der Region als sehr abträglich eingeschätzt.522 Denn mit etwa 2.900
Auszubildenden und einer Ausbildungsquote von ca. 9% (Anteil der Auszubildenden
an der Gesamtbeschäftigung) an 11 Standorten gehörte die DSK im Jahr 2006 zu
einem der bedeutendsten Ausbilder in Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Allein
im Jahr 2006 hatten etwas mehr als 600 Bewerber die Möglichkeit einen der 19
Ausbildungsberufe bei der DSK zu erlernen. Zu den Ausbildungsstandorten zählten
neben den Bergwerken West, Walsum, Prosper-Haniel, Lippe, Auguste Victoria,
Ibbenbüren, Ost und Saar, zudem die Servicebereiche Belegschaft in Bottrop und
Saarbrücken und der Servicebereich Technik- und Logistikdienste in Herne.523 Vor
dem Hintergrund der bis 2018 möglicherweise gänzlich auslaufenden Kohleförderung sind bereits im Jahr 2008 die Konsequenzen aus den Schließungsplänen für
den Ausbildungs- und Fachkräftemarkt ersichtlich. In der Abbildung ist erkennbar,
dass allein im Zeitraum von 2006 bis 2008 die Zahl der Ausbildungsplätze um dramatische 38% gesenkt werden musste. In absoluten Zahlen hatte die RAG/DSK
2008 nur noch ca. 1.800 Auszubildende, was einer Ausbildungsquote von ca. 8%
entspricht.
519
RAG/DSK (Hrsg.) BW Walsum: Präsentation Stilllegung Stand: 01.05.2008.
Interview BETRIEBSRAT I
521
Siehe RAG (Hrsg.) 2008, Pressemitteilung vom 26.06.2008
522
INTERVIEWS WIRTSCHAFTSFÖRDER III, KOMMUNALVERTRETER VI,
VERBANDSVERTRETER III, ZULIEFERER II . Nach Auskunft der IHK Niederrhein wird
versucht, die Kompensation der Ausbildungsplatzverluste durch Initiativen, wie z. B. dem
Programm „Kompensation der wegfallenden Ausbildungskapazitäten im Bergbau in der Region Duisburg Niederrhein“ (geförderte Maßnahme aus Ziel 2-Mitteln) 5-10% mehr Ausbildungsplätze in der Region Niederrhein zu schaffen.
523
Informationen der RAG-Stiftung, unveröffentlicht
520
172
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 21: Reduzierung der Ausbildungszahlen bei der DSK
Auszubildende bei der DSK
2006 - 2008
Zahl der Auszubildenden
3000
2500
2000
1500
1000
500
2006
2008
0
Jahr
Quelle: Nach Informationen der RAG-Stiftung 2008
Diese Reduzierung der Ausbildungszahlen war den veränderten Rahmenbedingungen durch die Kohlebeschlüsse im Februar 2007 geschuldet, so dass im Herbst
2007 nur noch rund die Hälfte der geplanten Ausbildungsplätze für 2008 eingerichtet
werden konnte. 2008 wurden nur noch knapp 280 neue Auszubildende an 11 Standorten (einschließlich Verwaltung) eingestellt. Im Jahr zuvor waren es noch rund
550 Auszubildende. Damit einhergehend wurde 2007 auch die Zahl der Ausbildungsberufe von 19 auf 16 verringert.
Die Rückläufigkeit der Einstellungsmöglichkeiten bei der RAG/DSK wird nach Einschätzung zweier Unternehmensvertreter mittlerweile auch in der Bevölkerung
wahrgenommen, so dass die Bewerberzahlen im Zeitraum von 2003 bis 2007 von
ca. 5.300 auf knapp 3.500 um 36% gesunken sind.524 Der Rückgang der Bewerberzahlen nach den Kohlebeschlüssen im Zeitraum zwischen 2006 zu 2007 ist mit
über 3.000 Bewerbern bzw. einer Rückgangsquote von rund 47% besonders bemerkenswert. Die Zukunftsfähigkeit einer Ausbildung bei der RAG/DSK mit der
Übernahme in ein festes Beschäftigungsverhältnis ist aufgrund der aktuellen Kohlepolitik nicht mehr gegeben.525 In der nachfolgenden Abbildung wird zudem deutlich, dass die Einstellungsquote (Zahl der Einstellungen im Verhältnis zur Bewerberzahl) bereits seit 2004 durch (perspektivische) Zechenschließungen gesenkt werden
musste. Sie sank in diesem Zeitraum von ca. 16% auf nur noch ungefähr 8%.
524
525
INTERVIEWS UNTERNEHMENSVERTERTER II und III
INTERVIEW UNTERNEHMENSVERTERTER II
173
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 22: Ausbildungs- und Einstellungsrelation 2003 und 2007
Quelle: Informationen der RAG-Stiftung 2008
Antizipation und Kompensation: Lehrstellenprogramm Kohlestandorte
Bedingt durch die Kohlebeschlüsse vom Februar 2007 und der damit einhergehenden Schließung der Bergwerke wurden zusätzlich zu den 280 im Jahr 2007 eingestellten Auszubildenden weitere 205 Jugendliche / junge Erwachsene über den
Sonderweg „Lehrstellenprogramm Kohlestandorte“ in Zusammenarbeit mit der RAG
Bildung in eine Verbundausbildung eingestellt.526 Diese 205 Personen, die - den
politischen Stilllegungsplanungen geschuldet527 - entgegen den ursprünglichen Erwartungen und Zusagen keinen Ausbildungsplatz bei der RAG/DSK mehr finden
konnten, starteten am 18. Februar dennoch mit einer Ausbildung im Rahmen des
gesonderten Lehrstellenprogramms ins Berufsleben. Die Ausbildung wird im Verbund in Betrieben der RAG/DSK gemeinsam mit der RAG BILDUNG durchgeführt.
Das „Lehrstellenprogramm Kohlestandorte“ wurde auf Initiative der IG BCE von der
nordrhein-westfälischen Landesregierung als Sofortprogramm aufgelegt, um den
vertraglich unversorgten Bewerbern noch eine Ausbildungschance zu eröffnen. Neben den Landesmitteln in Höhe von 10.000,- Euro pro Ausbildungsplatz hat auch die
RAG-Stiftung mit ihrer Co-Finanzierung zum Zustandekommen des Lehrstellenprogramms beigetragen.528 Zu den Ausbildungsstätten zählen die Bergwerke West in
526
Siehe RAG-BILDUNG (Hrsg.) 2008
Nach Auskunft der RAG-Stiftung (Interview) waren die Ausbildungsverträge z.T. schon
unterschrieben.
528
Die RAG-Stiftung wurde vom RAG-Konzern die als bürgerlich-rechtliche Stiftung im Juni
2007 gegründet. Die Stiftung soll als Eigentümerin der Evonik Industries AG die Beendigung
des subventionierten Steinkohlenbergbaus der RAG Aktiengesellschaft herbeiführen. Hierfür
haben die beteiligten Parteien der öffentlichen Hand die Finanzierung der Abwicklung des
aktiven Bergbaus der RAG Aktiengesellschaft einschließlich der Altlasten und die Gewährleistung der Finanzierung der Ewigkeitslasten des Unternehmens zugesagt. Die Stiftung wird
527
174
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Kamp-Lintfort, Prosper Haniel in Bottrop, Auguste Victoria in Marl, Ost in Hamm
sowie die RAG Bildungsstätten. Ab dem zweiten Ausbildungsjahr wird die Ausbildung mit kleinen und mittleren Betrieben in den Bergbauregionen weitergeführt werden. Insbesondere durch die Industrie- und Handelskammern bzw. Handwerkskammern werden Betriebe gezielt auf die Bereitstellung solcher Ausbildungsplätze
angesprochen. Ziel ist es, alle 205 Jugendlichen ab dem zweiten Ausbildungsjahr in
ein betriebliches Ausbildungsverhältnis zu vermitteln. Für Auszubildende, bei denen
dieser Übergang dennoch nicht gelingt, wird nach politischer Beschlusslage von
2008 das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW
(MAGS) die Ausbildung bei der RAG-Bildung bis zum Ausbildungsende weiterhin
finanziell fördern.529
Der grundsätzlich entstehende Problemdruck auf den Ausbildungs- und Fachkräftemarkt kann aber auch mit dem laufenden Sonderprogramm nicht kompensiert
werden. Die zu erwartenden quantitativen wie qualitativen Probleme des bergbaulichen Fachkräftemangels werden aber nach übereinstimmender Einschätzung mehrerer Gesprächspartner von vielen gewerblichen Unternehmen noch nicht antizipiert.530 Bedingt durch die kohlepolitischen Beschlüsse kommt es zu einem Wegfall
von Ausbildungsplätzen in bedeutendem Umfang, da der größte Ausbildungsträger
im gewerblichen Bereich im nördlichen Ruhrgebiet nach und nach sein Ausbildungsengagement reduzieren muss. Die kohlepolitischen Beschlüsse mit weiterem
Kapazitäts- und Belegschaftsabbau haben darüber hinaus automatisch negative
Auswirkungen auf den Erhalt der bislang vorgehaltenen Ausbildungskapazitäten und
Lehrwerkstätten an den Zechenstandorten und den RAG-Kollegs.531 Neben dem
quantitativen Abbau der Ausbildungsplätze sind aufgrund der hohen Qualität der
Ausbildungsumsetzung durch die RAG/DSK auch qualitative Verluste im Hinblick
auf das Facharbeiterreservoir zu erwarten. Der Bergbau wird weder den Ausbildungsmarkt in der Metropolregion Ruhr entlasten, noch zukünftig sehr gut ausgebildete Fachkräfte für die Unternehmen der Region zur Verfügung stellen können. Hier
ergibt sich nach Einschätzung von Gesprächspartnern ein doppelter Problemdruck
und Handlungsbedarf sowohl für die Zukunftsfähigkeit der regionalen Wirtschaft als
auch für die Perspektivenentwicklung für Jugendliche aus dem nördlichen Ruhrgebiet.532
mit Erlösen aus dem Börsengang der Evonik Industries AG die Finanzierung der bergbaulichen Ewigkeitslasten ab 2019 dauerhaft übernehmen.
529
Siehe MAGS (Hrsg.) 2008, Pressemitteilung vom 08.02.08
530
INTERVIEWS UNTERNEHMENVSERTRETER II und III sowie
KOMMUNALVERTRETER I
531
Siehe RAG (Hrsg.) 2007, Newsletter vom 06.06.2007
532
INTERVIEWS UNTERNEHMENSVERTRETER I, VERBANDSVERTRETER III und
GEWERKSCHAFTSVERTRETER I
175
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
6.1.4 Perspektiven zur Weiterführung der Bergbaukollegs
Inklusive der Auszubildenden des hier vorgestellten „Lehrstellenprogramms Kohlestandorte“ wurden im Schuljahr 2007/2008 ungefähr 5.000 Schüler in den Berufskollegs der RAG-Bildung Berufskolleg GmbH (RBBK) ausgebildet. Die Weiterführung
der Berufskollegs vor dem Hintergrund des Auslaufbergbaus wird stark diskutiert.533
Dabei stehen zwei Aspekte im Vordergrund: Da die Schulkosten der RBBK nur mit
einem unter 10%igen Eigenanteil des Trägers und zum anderen aus den öffentlichen Kohlebeihilfen finanziert werden, ist es bis 2018 nicht möglich, die bestehenden Kapazitäten durch verstärkte Ausbildung und Unterrichtung von externen Schülern aufrecht zu erhalten. Die Mittel der staatlichen Steinkohlenbeihilfe für die Ausbildung des bergmännischen Nachwuchs und damit der Bildungsstätten sind
zweckgebunden. Die infrastrukturellen und Lehrkörper bezogenen Ausbildungskapazitäten für andere Berufszweige zu öffnen, kommt aus subventionsrechtlichen
und förderverfahrensrechtlichen Gründen nicht in Betracht. Es werden daher Ausbildungskapazitäten im Bereich der RBBK deutlich reduziert werden müssen. Auf
der anderen Seite ist die Weiterführung von mindestens einem Berufskolleg notwendig, um im Falle der Revision der Kohlebeschlüsse den Fachkräftenachwuchs
und Kompetenzerhalt im Unternehmen zu wahren. 534
Die folgende Tabelle zeigt die gegenwärtige Anzahl der Schüler an bergbaulichen
Berufskollegs der RAG-Bildung:
Tabelle 13: Anzahl der Schüler an bergbaulichen Berufskollegs der RAGBildung 2008
Standort
Schüler (gerundet)
Hückelhoven
400
Duisburg / Moers
1630
Recklinghausen
1710
Bergkamen
1230
Quelle: RAG/DSK 2008
Von den in obiger Tabelle aufgezählten Schülern befinden sich grob gerechnet rund
2.000 in einer Ausbildung der RAG/DSK. Das Beispiel Bergkamen zeigt den Stellenwert der Berufskollegs für Menschen, Wirtschaft und Region unabhängig von den
Ausbildungszahlen der RAG/DSK. Von ca. 1.200 Schülern - davon stammen jeweils ca. 500 aus dem Kreis Unna und 500 aus den Städten Dortmund und Hamm,
befinden sich insgesamt ca. 1.000 entweder in unmittelbaren Maßnahmen der RAGBildung oder zur Berufsvorbereitung für (überwiegend) gewerbliche Bereiche. Im
533
INTERVIEWS GEWERKSCHAFTSVERTRETER VI, UNTERNEHMENESVERTRETER II
Auf die personalpolitischen Herausforderungen durch die Revisionsklausel verwies im
Interview insbesondere UNTERNEHMENSVERTRETER III
534
176
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Zuge des Bergbauauslaufszenarios stellt sich auch hier die Herausforderung, diese
Verluste an Ausbildungskapazitäten durch andere Maßnahmen oder Modelle zu
kompensieren.
In diesem Zusammenhang soll auf eine Forderung des DGB-Bezirksvorsitzenden
Guntram SCHNEIDER verwiesen werden. Nach Berechnungen des DGB NRW hat
die NRW-Landesregierung 2008 rund 110 Mio. Euro an Kohlesubventionen (genauer Absatzbeihilfen) durch die besonders in 2008 gestiegenen Rohstoffpreise eingespart.535 Diese Mittel sollen nach Auffassung des DGB NRW - wie von der Landesregierung bei der Vorstellung der Initiative Zukunft Ruhr im Jahr 2007 versprochen für Projekte und Initiativen in den betroffenen Regionen eingesetzt werden.536 Guntram SCHNEIDER fordert u.a. mit diesen Mitteln, die Sicherung der hochwertigen
Ausbildung der technischen Fachkräfte in Zukunftsberufen in den Ausbildungswerkstätten der RAG/DSK zu erhalten und als Teil der Offensive „Bildungsregion Ruhr
2018" zu implementieren.
Die „Bildungsregion Ruhr 2018“ ist ein Kernelement des Positionspapiers „Wandel
als Chance“ der Metropole Ruhr und des Kreises Steinfurt. In dem Konzeptpapier
wird angeregt, Lösungen zu finden, um die Ausbildungskapazitäten der RAGBerufskollegs zu erhalten, um den sich abzeichnenden Fachkräftemangel in der
Region nicht noch weiter zu beschleunigen.537 Die Bewältigung der Ewigkeitslasten
des Bergbaus muss nach Auffassung der Unterzeichner in eine gemeinsame Strategie münden, zum „Ewigkeitsnutzen“ von Bildung und Ausbildung für die Region
beizutragen.538 Die Frage des Erhalts oder der Kompensation der bergbaulichen
Ausbildungsressourcen, wenn auch mit veränderten fachlichen Schwerpunkten außerhalb des Bergbaus, stellt nach Auffassung von SCHNEIDER ein zentrales Element einer zukünftigen Bildungsstrategie für das Ruhgebiet dar. Dabei liegt die zentrale Herausforderung darin, den Wandel im Ruhrgebiet weiter gestalten zu können,
ohne die hohen industriellen Kernkompetenzen der Region, ihrer Betriebe und Beschäftigten zu gefährden.539 540
535
Siehe DGB NRW (Hrsg.) 2008, Pressemittleilung vom 11.11.2008. Die Zahl konnten im
INTERVIEW GEWERKSCHAFTSVERTRETER IX bestätigt werden.
536
DGB NRW (Hrsg.) 2008, Pressemittleilung vom 11.11.2008
537
Siehe das Positionspapier Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH (Hrsg.) 2009
„Wandel als Chance“, S. 12.
538
Ebenda
539
Ähnlich in den Interviews WIRTSCHAFTSFÖDERER II,
GEWERKSCHAFTSVERTERETER I und UNTERNEHMENSVERTRETER II
540
Siehe dazu NRW-Allianz - Pro Industrie und Nachhaltigkeit. (Hrsg.) 2009, Düsseldorfer
Erklärung zur Industriepolitik vom 10.06.2009
177
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
6.2
Anpassungsprozesse der Zulieferer im Kontext des Auslaufbergbaus
Einen wichtigen Wirtschaftszweig in Nordrhein-Westfalen bildet das Segment der
Bergbauzulieferbetriebe. Bundesweit ist nach Zahlen aus dem Jahr 2007 von ca.
4000 Unternehmen auszugehen, die das gesamte Spektrum des Vorleistungssektors für den deutschen Steinkohlebergbau abdecken, wobei ein Großteil der Unternehmen in NRW – und hier vor allem im Umkreis der Bergbaustandorte des Ruhrgebiets und des Niederrheins – ansässig sind.541
Um die regionalwirtschaftliche und beschäftigungspolitische Bedeutung des Wirtschaftszweiges der Bergbauzuliefererindustrie bewerten zu können, ist dieses Segment im Kontext der Wertschöpfungsprozesse, die durch den Bergbau regionalspezifisch induziert werden, genauer zu betrachten und der Frage nachzugehen, mit
welchen Strategien und Konzepten die Unternehmen und die Branche sich auf die
Beendigung der subventionierten Steinkohleförderung in der Bundesrepublik
Deutschland einstellen. Deshalb sei eine kurze Analyse des Wertschöpfungskontextes im Rahmen des Nexus Bergbau/Bergbauzulieferbetriebe vorangestellt. So
kommt Prognos zu dem Ergebnis, dass „der gesamte deutsche Steinkohlenbergbau
ein Einkaufsvolumen von 2,119 Mrd. EUR pro Jahr“ aufweist, inkl. DSK Anthrazit
Ibbenbüren, Energie und Bergschadensabgeltungen.542
Weiterhin kommt die Prognos-Studie zu dem Fazit, dass neben der bundesweiten
Sicherung von Arbeitsplätzen im Bergbau selbst, vor allem das Beschaffungsvolumen des Ruhrbergbaus im verarbeitenden Gewerbe und seinen Vorleistungsbranchen, von außerordentlicher beschäftigungspolitischer Bedeutung ist. Neben den
derzeit noch etwa 27.000 Beschäftigten im Bergbau sind allein im Umfeld der unmittelbaren Bergbauzuliefer-Industrie in NRW rund 25.000 Menschen in etwa 300 Unternehmen beschäftigt. Dies bedeutet, dass vom Bergbau 52.000 Beschäftigte direkt oder indirekt abhängig sind. Um die regionalwirtschaftliche und beschäftigungspolitische Bedeutung des Wirtschaftszweiges Bergbauzulieferer bewerten zu können, ist dieses Segment im Kontext der Wertschöpfungsprozesse, die durch den
Bergbau regionalspezifisch induziert werden, einmal genauer zu betrachten.
Vom Beschaffungsvolumen von ca. 2,0 Mrd. Euro in 2006 entfallen auf das Bundesland NRW 86% (1,7 Mrd. EUR) und auf das Ruhrrevier 79% (1,58 Mrd. EUR). Aufgrund dieser Werte lässt sich erkennen, wie stark der Wirtschaftsfaktor RAFG/DSK
für die Ökonomie der Region ist. Eine Erklärung hierfür besteht darin, dass viele
Vorleistungsgüter wie z.B. Schilde innerhalb Deutschlands nur in NRW produziert
541
Vgl. hierzu: PROGNOS AG 2007, S.27 und VEREINIGUNG ROHSTOFFE UND
BERGBAU e.V. (Hrsg.) 2009 und die Jahresberichte 2008 und 2007
542
PROGNOS AG 2007, S. 35
178
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
werden (können).543 Schrumpft das Auftragsvolumen der RAG/DSK, so wirkt sich
dies unmittelbar auf die Bergbauzulieferer und mittelbar auf deren Vorleister aus.
Extrapoliert auf die vollständige Einstellung des Ruhrbergbaus 2019 würde der Abbau an Arbeitsplätzen im Bergbau, wie er derzeitig mit 6–11% jährlich durchgeführt
wird, zu einem erheblichen Beschäftigungseinbruch vor allem im Produzierenden
Gewerbe im Ruhrgebiet führen. Dies dürfte die unterdurchschnittliche Beschäftigungssituation im Ruhrgebiet noch verschärfen.
Wie dramatisch die Veränderungen sind, lässt sich daran ablesen, dass innerhalb
eines Jahres von 2006–2007 sich das Bestellvolumen der DSK von 1,7 Mrd. Euro
auf 1,6 Mrd. Euro reduziert hat.544 Ein um 100 Mio. Euro geringeres Nachfragevolumen bedeutet letztlich, dass auch das Produktionsvolumen in den nachfolgenden
Sektoren der Wertschöpfungskette erheblich geschmälert wird. Dies schlägt letztlich
– vorausgesetzt, dass es sich um eine entsprechend regionale Verdichtung in Form
eines Kompetenzstandortes der Zulieferindustrie handelt – bis auf den lokalen Einzelhandels- und Dienstleistungsbereich durch.545 Welche Auswirkungen sowohl betrieblich als auch regionalspezifisch durch Subventionsabbau, Auslaufbergbau und
Zechenschließungen eintreten werden, lässt sich in nuce nur schwer abschätzen.
Anhaltspunkte für ein „worst case Szenario“ geben hierfür Entwicklungen in Großbritannien, die übertragbar sein können. Bei allen Unterschieden in den Förderbedingungen und der ökonomischen Valenz, den die Schwerindustrie an den regionalen
Standorten in Großbritannien und Deutschland einnimmt, zeigt sich doch ein vergleichbares Profil.546 Der massive Subventionsabbau in Großbritannien – ausgehend von den 80er Jahren – hat zu einem Nettoarbeitsplatzverlust in den Bergbauregionen von über 90.000 Arbeitsplätzen geführt. Obgleich der britische Arbeitsmarkt als weitaus „flexibler“ angesehen wird, hat sich der Arbeitsmarkt in den britischen Bergbauregionen nach einer Studie der Universität Sheffield von 2005 noch
nicht erholt, in mehr als 20 Jahren wurden die Jobverluste erst zu 60% ausgeglichen.547
543
Siehe FÖRDERVEREIN BERGBAUZULIEFER-INDUSTRIE (Hrsg.) 2008. Vortrag als
Download vom 28.04.2008. Zweck des Vereins ist die Innovation in der Bergbauzulieferbranche zu fördern, ihre technologische Position insbesondere durch Weiterbildungsmaßnahmen verbessern zu helfen und einen Beitrag zum notwendigen Wandel der Wirtschaftsstruktur des Landes zu leisten.
544
RAG/DSK (Hrsg.) 2008
545
Präsentation der RAG/DSK (Hrsg.) 2008 „Bergwerk Ost“, S. 48. Zur Verfügung gestellt
beim INTERVIEW GEWERKSCHAFTSVERTRETER VI. Der Kreis Unna stellt einen solchen
räumlichen Schwerpunkt da, allein in Lünen sind 6 Unternehmen für das Bergwerk tätig, im
gesamten Kreis 18 Zulieferbetriebe. Der Verlust für die Unternehmen in Kreis Unna würde
140 Millionen Euro jährlich umfassen.
546
GVSt (Hrsg.) 2008, Vortrag WODOPIA vom 23.04.2008, S. 6 in Bochum. WODOPIA
zitiert die Zahlen zu Großbritannien aus: CENTER FOR REGIONAL AND ECONOMIC
SOCIAL RESEARCH, (ed.) Hallam University Sheffield 2005 “Has the economy of the coalfields recovered?”.
547
Ebenda
179
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
In Deutschland lag 1980 die Jahresproduktion noch bei 87 Mio. t, 1990 bei knapp
70 Mio. t und 2007 nur noch bei 22 Mio t. Dem korrespondierend erfolgte im Rahmen des „Auslaufbergbaus“ auch die Anpassung der Beschäftigung. Verzeichnete
1990 der Bergbau noch 130.000 Beschäftigte, so waren es 2007 nur noch rund
27.000. Dies ist eine noch stärkere Entwicklung für die Bergbauregionen als sie für
Großbritannien zu verzeichnen ist.548
Zu konstatieren ist aber, dass aufgrund der wegfallenden Vorleistungsnachfrage bei
Unternehmen im Ruhrrevier und unter Einbeziehung des nicht zu kompensierenden
Beschäftigungsabbaus der direkt im Bergbau Beschäftigten, es zu erheblichen
Nachfrageausfällen im gesamten Wertschöpfungssystem der Region kommen dürfte. Nicht zuletzt, da der Ruhrbergbau der DSK entsprechend der Fördermengen und
Beschäftigung rund 75% des deutschen Bergbaus repräsentiert, gehört er zu den
großen Arbeitgebern an Bergbaustandorten wie Bottrop oder Herten. Darüber hinaus jedoch induziert er wesentliche Wertschöpfungs- und Beschäftigungsimpulse
sowohl für die regionale Ökonomie der Standorte, wie auch bundesweit über die
Zulieferindustrie und den mit ihr verbundenen Unternehmen der bergbautechnischen Wertschöpfungskette. Dies bedeutet, dass an „jedem Bergbau-Arbeitsplatz
...bundesweit rechnerisch 1,31 weitere Arbeitsplätze in der übrigen Wirtschaft (davon ungefähr einer, d. h. genau: 0,98, im Ruhrrevier) hängen“.549
Dies lässt sich auch an der Beschäftigungsentwicklung der Jahre 1995–2005 für
das Ruhrrevier in den Branchen Bergbau, Energie, Verarbeitendes Gewerbe, und
Baugewerbe ablesen. So gab es erhebliche Einbrüche im Bergbau selbst (-58%),
aber vor allem auch in den Branchen Stahl-, Maschinen-, Fahrzeugbau (-50%) und
Elektrotechnik (-39%).550 Diese Branchen sind nach ‘prognos’ im Ruhrrevier stärker
als im Bundesschnitt vertreten. Parallel sank die Förderleistung von 41,7 Mio. t
(1995) ging auf 18,1 Mio. t (2005) und ging mit einem starken Abbau der Steinkohlebeschäftigung einher.
Es wird deutlich, dass die schrittweisen Anpassungsprozesse des Auslaufbergbaus
dafür sorgen, dass gegenüber einer schnelleren Einstellung des Bergbaus keine
dramatischen Veränderungen in der Arbeitslosenquote erfolgten, dass aber die weitere Rückführung des Steinkohlebergbaus die Auftragslage der Maschinenhersteller, der Anbieter von Bergwerkstechnologie und der mit diesen Industriezweigen
verbundenen Industrie- und Dienstleistungsbranchen Maße belasten wird,551 was
letztlich auch zu regional evidenten Beschäftigungsverlusten führen könnte, sofern
548
Siehe Bericht des GESAMTVERBAND DEUTSCHE STEINKOHLE (Hrsg.) 2007 „Auslaufbergbau oder noch eine Option für die Zukunft?“
549
GESAMTVERBAND DEUTSCHE STEINKOHLE (Hrsg.) 2007, Steinkohle Jahresbericht,
S. 36
550
REGIONALVERBAND RUHR (Hrsg.) 2009, Zahlenspiegel Metropole Ruhr 2008
551
INTERVIEW ZULIEFERER II
180
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
eine Kompensation in anderen Märkten oder mit anderen Produkten nicht möglich
ist.552
6.2.1 Branchen und Sparten des Wirtschaftszweiges Zulieferer
Der Wirtschaftszweig Bergbauzulieferer ist sehr heterogen. Der dementsprechend
weite Begriffsumfang dieser Kategorie lässt es zu, dass technische, technologische,
handwerkliche und serviceorientierte Leistungen unterschiedlichster Anbieter und
verschiedenster Branchen, die für die Organisation der Produktionsprozesse im
Bergwerk erforderlich sind, zu einer abstrakten Einheit zusammengefasst werden
können. Dies lässt sich grob vereinfacht in zwei Segmente differenzieren. Zum einen in die Branche der Bergbauzulieferindustrie und zum anderen in die der unternehmensnahen Dienstleister, zu denen die handwerklichen Dienstleister ebenso
gehören, wie die Dienstleister der Facility Branche (Haustechnik, Wartung, Sicherheit), der Ingenieurdienstleistungen oder der Logistik.553
Von besonderer volkswirtschaftlicher wie ebenso regionaler Bedeutung ist die Branche der Bergbauzulieferindustrie, mit ihren Sparten Bergbautechnik, worunter der
Maschinen- und Anlagebau, der Stahlbau, aber ebenso auch die Elektrotechnik zu
subsumieren sind. Hierzu gehören:
¾
¾
¾
¾
¾
¾
¾
¾
¾
¾
¾
¾
¾
¾
¾
Abteuftechnik,
Gewinnungstechnik (Untertage),
Kohlenbrecher,
Tiefbohranlagen,
Antriebsaggregate,
Elektrische Ausrüstungen und Steuerungen,
Bohr- und Vortriebstechnik,
Förder- und Transporttechnik,
Ausbausysteme und Versatztechnik,
Tagebau-Ausrüstungen,
Druckluft- und Hydraulikwerkzeuge,
Messgeräte und Sicherheitseinrichtungen,
Wetterführungstechnik,
Aufbereitungstechnik (Siebe, Waschanlagen etc.) sowie
Pumpen und Verdichter. 554
552
Der FÖRDERVEREIN BERGBAUZULIEFER (Hrsg.) 2008 schreibt unter der Rubrik aktuelle Situation auf der Homepage: Bedingt durch das rückgängige Einkaufsvolumen der
Ruhrkohle Aktiengesellschaft auf rund ein Drittel innerhalb von zehn Jahren, werden weniger
Bergbauzulieferer benötigt. Daher ist die Branche der Bergbauzulieferunternehmen und
Spezialgesellschaften von Schließungen massiv bedroht“
553
Siehe JOCHUMS 1996, S. 454
554
Siehe zum generellen Profil und der Marktentwicklung der Bergbauzulieferer den Bericht
der SUSTAIN CONSULT(Hrsg.) 2005
181
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Deren Sparten decken ein breites Spektrum an Leistungen und Produkten ab, das
von der Planung von Anlagen des Schachtausbaus, über Konstruktionen der Vortriebs- und Fördertechnik bis hin zu Kontrollsystemen, Kommunikations- und Informationssystemen, Pumpstationen, Kleinteilen wie Ventilen, Schmiedeteilen und
Werkzeugen reicht. Diese bergbaubezogenen Sparten befinden sich in einer mehr
oder weniger starken Bindung an die DSK und sind abhängig von deren Vergabevolumen. Nicht minder stark ist jedoch auch die Abhängigkeit der regionalen Ökonomie an den Standorten der Bergbauzulieferer von der Auftrags- und Beschäftigungslage der dort ansässigen Unternehmen geprägt.
Bezogen auf NRW bedeutet dies, dass der überwiegende Teil der Bergbauzuliefererunternehmen mit seinen Wertschöpfungs- und Beschäftigungspotenzialen
hauptsächlich in den Bergbaurevieren angesiedelt ist. Nicht zuletzt sind 80% aller
Bergbauzulieferer Deutschlands in Nordrhein-Westfalen ansässig, wobei ca. 120
überwiegend mittelständische Unternehmen der Sparte Bergbautechnik, die gesamte Palette der Tief- und Tagebautechnik in allen Bergbauzweigen abdeckt.555 Diese
regionale Verdichtung schafft an vielen Standorten Probleme, da das Vergabevolumen der RAG/DSK analog dem Auslaufprozess stetig reduziert wird.556 Welche
tatsächlichen Auswirkungen beobachtbar sind und welche Strategien der Unternehmen existieren, um die Abhängigkeit vom heimischen Bergbau zu verringern
oder sich im Zuge des Auslaufbergbaus aus den Geschäftsbeziehungen mit der
DSK allmählich bis zum Jahr 2018 zu lösen, wird noch zu diskutieren sein.
6.2.2 Globale Rahmenbedingungen der Sparte Bergbautechnik
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der weltweite Energiebedarf in den
kommenden Jahrzehnten zunehmen wird, wobei derzeit fast 80 Prozent des Weltenergieverbrauchs auf fossilen Energieträgern basiert. Während in Deutschland der
Steinkohlenbergbau als ein Auslaufmodell betrachtet wird, sieht die Situation global
völlig anders aus. So wird mit großer Wahrscheinlichkeit der Produktionsbereich
Bergbau und Energie hinsichtlich der Bruttowertschöpfung in NRW 2008 um voraussichtlich 1,5 Prozent einbrechen.557 Demgegenüber wird nach dem neuesten
Weltenergieausblick der Internationalen Energie Agentur (IEA) prognostiziert, dass
555
Die Zahlen nach GVSt (Hrsg.), Jahresbericht 2007, S. 55f.
Nach EINSCHÄTZUNG GEWERKSCHAFTSVERTRETER VI und des Vortrags „Bergwerk Ost“ der RAG/DSK ist Lünen ein solcher Schwerpunkt, demgegenüber sagte
VERBANDSVERTRETER I, dass in Gelsenkirchen nur noch wenige Zuliefererbetriebe der
Branche Bergbautechnik ansässig seien, die Unternehmen hätten aufgrund der Entwicklung
des Steinkohlebergbaus neue Geschäftsfelder erschlossen. Umsatz im alten Kerngeschäft in
Deutschland maximal 20 % des Gesamtumsatzes, auch räumlich haben sich die noch im
Bergbau tätigen Unternehmen an ausgewählten Bergwerkstandorten konzentriert. Es kommt
zu Konzentrationsprozess in einem schrumpfenden Markt.
557
Siehe MWME 2008 (Hrsg.) „Konjunkturbericht Nordrhein-Westfalen 2008“, S. 14
556
182
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
die Energienachfrage weltweit pro Jahr bis 2030 um jährlich 1,8 Prozent zu nehmen
wird. Bis 2030 steigt der weltweite Energieverbrauch gesamt voraussichtlich um 55
Prozent. Dies nicht zuletzt aufgrund der beobachtbaren Wachstumstrends in der
Energieentwicklung der beiden Wirtschaftsgiganten Indien und China.558
Gerade hinsichtlich der Entwicklung des Kohleverbrauchs konstatiert die IEA eine
deutliche Revision ihrer früheren Prognosen, wobei auf der Grundlage steigenden
Kohleverbrauchs, der in erster Linie auf die boomende Nachfrage des Kraftwerkssektors in China und Indien zurückzuführen ist (derzeit kommen auf diese Länder
45% des Weltkohleverbrauchs), die Verbrauchswerte stark nach oben korrigiert
werden müssen. Hinzu kommt, dass angesichts dynamisch steigender Öl- und
Gaspreise Kohle als Brennstoff für die Grundlaststromerzeugung immer wettbewerbsfähiger wird. Bis 2030 werden auf China und Indien vier Fünftel der gesamten
Steigerung des Kohleverbrauchs entfallen. Selbst unter der derzeitigen Prämisse,
dass die Zunahme des Kohleverbrauchs in den OECD Ländern nur langsam steigt,
ist nicht ausgeschlossen, das effizientere und umweltoptimierte Techniken der
Stromerzeugung mit geringeren Mengeneinsatz an Kohle, die Attraktivität der Kohle
in Relation zu anderen Energieträgern wiederum steigern könnte. Eine Entwicklung,
die zu einer weiteren Nachfragesteigerung führen dürfte. Weltweit gehört der Steinkohlenbergbau mithin zu den expansivsten industriellen Wirtschaftszweigen überhaupt. Unter dieser Perspektive einer stetig steigenden Nachfrage nach Kohle und
der erforderlichen Modernisierung von technisch veralteten Förderanlagen erhöhen
sich die Marktchancen der global ausgerichteten Unternehmen der deutschen Bergbauzulieferindustrie in erheblichem Maße.559
Hinzu kommt, dass neben dieser Nachfrage steigernden Entwicklung im Segment
Kohle ebenso auch andere Rohstoffaufkommen an Relevanz gewinnen. Beispielsweise erhöhte sich aufgrund ständig steigender Nachfrage die Weltförderung allein
von Kupfer von 2002 bis 2006 um 12% mit steigender Tendenz.560 Die Gewinnung
der unterschiedlichen Rohstoffe stellt je nach Lage und Art des Rohstoffes sehr
spezifische Anforderungen an die erforderliche Fördertechnik, so dass sich daraus
zunehmend gute Absatzmärkte für Bergbautechnologien herausbilden. Dies nicht
zuletzt deshalb, da bei den Unternehmen das benötigte Know-how für den immer
stärker in den Vordergrund tretenden Tiefbau vorhanden ist. Exemplarisch für diesen Prozess ist die Reorganisation der CODELCO, die in den weltgrößten KupferTagebauen in Chile, zum Tiefbau übergehen möchte. Hierbei setzt dieses Unternehmen auf die Erfahrungen und die weltweit führenden innovativen Technologien
558
Siehe den „World Energy Outlook 2007“ der INTERNATIONALEN ENGERIE
AGENUTUR (Hrsg.) 2007, S. 3
559
JELICH 2004, S. 210
560
Siehe INTERNATIONAL ORGANIZING COMITTEE for the WORLD MINING
CONGRESS und Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Österreich (Hrsg.) 2008, S.
96 im „World-Mining Data 2008“
183
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
der deutschen Bergbautechnikzulieferer, die diese anspruchsvolle organisatorische
und technische Aufgabe mit bewältigen sollen. „Lateinamerika sei, so Peter ZUBER,
Exportleiter der Bochumer Eisenhütte, Heintzmann GmbH & Co KG „eines der wichtigsten Bergbaureviere für deutsche Bergbautechnik. Da die Tiefbaubetriebe zu Lasten der Tagebaue geologisch bedingt stark wachsen werden, hätten die deutschen
Unternehmen sehr gute Chancen auf diesem Markt. Das gelte ganz besonders für
Chile.“561 Um das wirtschaftliche Engagement der Unternehmen in Südamerika (Peru und Kolumbien) gezielter fördern zu können, wurde 2007 vom Verband Deutscher Maschinen und Anlagenhersteller (VDMA), Fachverband Bergbaumaschinen
ein spezifischer Lenkungskreis Lateinamerika ins Leben gerufen, der unter Mitwirkung von Repräsentanten des Verbandes sowie Landes- und Bundesministerium,
die Lateinamerika-Aktivitäten der Unternehmen plant und koordiniert, so dass eine
effiziente Positionierung in diesem Wachstumsmarkt möglich wird.
Diese Aktivitäten der Anbieter des Maschinen- und Anlagebaus in den Zukunftsmärkten Lateinamerikas und Asiens verdeutlichen, wie relevant angesichts des Auslaufbergbaus in NRW die globalen Märkte für das Überleben der Bergbaumaschinen- und Anlagenbauer sind, denn die attraktiven, zukunftsweisenden Märkte liegen
sowohl in Lateinamerika als auch zu gut einem Viertel in Asien, in erster Linie hinsichtlich der Steinkohleförderung. Wobei jedoch nicht übersehen werden darf, dass
nach wie vor die Hälfte der Exporte in das Europäische Ausland erfolgt. Insgesamt
fungieren jedoch die USA, die Volksrepublik China, Frankreich und Russland als die
wichtigsten Abnehmerländer.562 So beliefen sich 2007 die Ausfuhren der in NRW
ansässigen Bergbaumaschinen- und Anlagebauer in die Volksrepublik China auf
2.409 Mrd. EURO, gefolgt von Ausfuhren in die USA in Höhe von 2.323,4 Mrd.
EURO, nach Frankreich (1.520,4 Mrd. EURO) und in die Russische Föderation mit
1.437,5 Mrd. EURO.563 Dies zeigt, dass die Branche bei erheblich rückläufiger Entwicklung im Inlandsgeschäft international so gut aufgestellt ist, dass sie überdurchschnittliche Exportgewinne realisiert.564
Seit 2007 halten deutsche Bergbauzulieferer allein im Bereich des untertage Bergbaus einen Weltmarktanteil von mehr als 30%. Rund 80% der vor allem kleinen- und
mittelständischen Unternehmen sind davon in NRW angesiedelt. Ca. 90% der Unternehmen dieser Sparte in NRW sind kleinere und mittelgroße Firmen mit weniger
als 250 Mitarbeitern.565 Allerdings gibt es auch einige wenige sog. Global Player mit
Milliardenumsätzen, die oftmals auch ihren internationalen Rang als Technologieführer in ihren Segmenten behaupten und ihn aufgrund ihrer inhärenten Innovati-
561
Zitiert aus MASCHINDENHANDEL (Hrsg.) 2007, Bericht der Delegation unter Leitung
des VDMA auf der lateinamerikanischen Bergbaumesse EXPONOR 2007 vom 10.07.2007
562
Siehe HANDGE, 2007, S. 3
563
VDMA (Hrsg.) 2009, Branchenbarometer 2008-2009, S. 3
564
Dazu GVSt (Hrsg.) 2008, S. 32 und S. 33
565
Nach telefonischen Informationen von einem Vertreter der Landesinitiative Bergbautechnik des MWME und im INTERVIEW VERBANDSVERTRETER IV
184
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
onsdynamik ständig ausbauen. Diese Dynamik zeichnet die erfolgreichen Unternehmen dieses Wirtschaftszweiges aus. Sie positionieren sich entweder mit ihren
stets weiterentwickelten Kernkompetenzen am globalen Markt oder richten sich strategisch neu aus, indem sie neue Geschäftsfelder mit innovativen Produkten aufbauen.566 So resümiert Hans-Jürgen ALT, Geschäftsführer beim Landesverband
Nordrhein-Westfalen im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA
NRW), dass von den Unternehmen, die früher die deutsche Stahlindustrie und den
Bergbau beliefert haben vor allem diejenigen noch im Geschäft sind, die „..früh angefangen haben, weltweit zu exportieren und sich den Kundenwünschen in den Lieferländern anzupassen.“567
6.3
Wirtschaftliche Bedeutung der Zulieferer für die Region
Die Diskussion um die Perspektiven der Bergbauzulieferindustrie im Hinblick auf
den bis 2018 möglicherweise vollständig auslaufenden Bergbau wird sehr uneinheitlich und teilweise widersprüchlich geführt. So wird nach Berechnungen der DSK und
der Gewerkschaften darauf aufmerksam gemacht, dass angesichts des hohen Grades an Abhängigkeit der Zulieferindustrie vom inländischen Steinkohlebergbau wohl
davon ausgegangen werden kann, dass der Anpassungsprozess bis zum vollständigen Auslaufen des Bergbaus, gut 15.000 Arbeitsplätze kosten dürfte.568
Dem widerspricht allerdings das RWI vehement und hält die angeführten Arbeitsplatzverluste für ein pures Horrorgemälde. So führt Manuel FRONDEL, Bergbauexperte des RWI in Essen aus, dass diese Einschätzung der DSK übertrieben sei.
Vielmehr gehe es einigen „Bergbau-Zulieferern [...] sogar ausgesprochen gut. Solche Firmen sind längst nicht mehr nur auf dem deutschen Markt tätig und von Subventionen abhängig. Stattdessen verdienen sie ihr Geld im Ausland. Wir verzeichnen zurzeit weltweit einen Rohstoffboom und deutsche Unternehmen könnten davon kräftig profitieren.“ Und weiter: „Man kann die Zahl der bedrohten Unternehmen
fast an einer Hand abzählen. Und die haben ihre Lage selbst verschuldet, weil sie
nicht rechtzeitig auf das Auslandsgeschäft gesetzt haben.“569 Der Antagonismus in
der Einschätzung der wirtschaftlichen Perspektiven der Bergbauzulieferer bedarf
einer genaueren Betrachtung.
566
INTERVIEW ZULIEFERER II
ALT zitiert nach MASDCHINENMARKT (Hrsg.) 2007 „Die Neuorientierung der Zulieferer
in NRW“
568
Nach Informationen des HANDELSBLATT (Hrsg.) vom 07.03.2006 könnten Bergbauzulieferer im Falle der Beendigung des heimischen Bergbaus bis zu 15.000 Stellen streichen
.Das Institut für Entwicklungsforschung, Wirtschafts- und Sozialplanung (ISOPLAN) prognostiziert allein für das Saar-Revier einen Beschäftigungsverlust bei der regional verorteten Zulieferindustrie von 1.700 Stellen, Siehe ISOPLAN 2006 , S. 80
569
WDR5 (Hrsg.) 2006, Gespräch mit FRONDEL in der Sendung „Westblick“ vom
08.03.06, Siehe dazu insbesondere auch FRONDEL, et al. 2006, S. 5ff. zum Stellenwert
der Kohlesubventionen
567
185
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Wenn das RWI davon spricht, dass einige Unternehmen aus dem Segment Bergbauzulieferer tatsächlich prosperieren, so entspricht dies durchaus der Realität, die
der Gesamtverband Steinkohle oder die Gewerkschaften in keiner Weise in Abrede
stellen. Vielmehr macht der GVSt in seinem Jahresbericht 2007 darauf aufmerksam,
dass die „Branche [...] seit Jahren steigende Umsätze (verzeichnet). Bei sinkendem
Absatz auf dem Inlandsmarkt wurde dies durch eine Steigerung der Exporte um
34% erreicht“.570
Angesichts des weltweiten Rohstoff- und Energiebedarfs, dürften sich auch weiterhin hervorragende Absatzperspektiven für einige global aufgestellte Unternehmen
der Bergbauzulieferindustrie bieten. Denn die in den letzten Jahren im heimischen
Bergbau erfolgten Fortschritte, insbesondere hinsichtlich der technischen Bewältigung von schwierigen Abbaubedingungen in den großen Teufen, räumen diesen
Technologieführern mit ihren innovativen Produkten noch erheblich verbesserte
Marktchancen ein. Indem die Produkte den Anforderungsprofilen eines effizienten,
wirtschaftlichen und sicheren Abbau entsprechen, ist davon auszugehen, dass diese Unternehmen sich mit entsprechenden Zuwächsen an Umsatz und auch Beschäftigung in globalen Märkten immer besser aufstellen werden.571 Insofern ist die
Wertung bezüglich der guten internationalen Aufstellung der globalen Marktführer
der Bergbauzulieferer seitens des RWI zutreffend und wird auch von den Kennzahlen und Branchenreport des VDMA bestätigt. Es muss aber auch berücksichtigt
werden, dass es sich hierbei um Unternehmen handelt, denen es aufgrund ihrer
Spezialisierung, ihres erheblichen Entwicklungs-Know-how, dem Ausbau ihres
Kerngeschäftes oder aber einer strategischen Diversifizierung am Markt und nicht
zuletzt mit einem erheblichen personellen und finanziellen Aufwand, gelungen ist,
sich neu und erfolgreich international aufzustellen und den Rückgang der heimischen Steinkohleförderung mit alternativen Strategien zu antizipieren. Eine gelungene marktorientierte Ausrichtung von Unternehmen wie Thyssen-Schachtbau mit
der Sparte Bergbautechnik, SMT Scharf AG, Becker Mining, Eickhoff u.a. lässt sich
allerdings für die sehr heterogene Struktur des Wirtschaftszweiges Bergbauzulieferer nicht verallgemeinern.
Nicht jede Sparte und jedes Unternehmen des Wirtschaftszweiges vermag auf internationale Märkte auszuweichen oder seine Geschäftsfelder zu diversifizieren.572
Hierzu zählen die reinen Bergbauspezialfirmen, die u.a. in sehr enger Anbindung an
den heimischen Markt, als Fremdfirmen im untertage Bergbau tätig sind. Sie erledigen mit ihren Mitarbeitern Aufgaben, die im Vortriebs- und Abbaubereich ebenso
angelegt sind, wie im Bau- und Wartungsbereich.573 Ihr hauptsächliches Geschäfts-
570
GESAMTVERBAND STEINKOHLE (GVSt): Jahresbericht 2007, S. 46, siehe auch GVSt
Jahresbericht 2008, S. 40ff.
571
So der „Branchenportrait Bergbaumaschinen“ des VDMA 2008 (Hrsg.), S. 5ff.
572
INTERVIEW ZULIEFERER II
573
Siehe GROSSKÄMPER 1994, S. 245
186
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
feld besteht in der Verrichtung bergmännischer Tätigkeitsprofile. Deilmann-Haniel
beispielsweise, versah – bis zur Insolvenz – mit 1.600 Mitarbeitern Tätigkeiten im
Untertagebereich. Gerade die schlechte Auftragslage aufgrund der seit 2001 abnehmenden Nachfrage nach den spezifischen Leistungsprofilen von DeilmannHaniel seitens der RAG/DSK, führte letztlich in die Insolvenz.574 Es ist zu berücksichtigen, dass die Auftragsverknappung im Falle Deilmann-Haniel auf die veränderte Nachfragpolitik der DSK zurückzuführen ist und ein Beispiel für die Umsatzrückgänge der gesamten Sparte darstellen.
Denn ein von McKinsey empfohlener Sparkurs für die RAG/DSK sah vor, dass Aufträge für bergmännische Unternehmerarbeiten, die traditionell an Fremdfirmen wie
Deilmann-Haniel oder Thyssen u.a. Unternehmen vergeben wurden, nunmehr an
Firmen Mittel- und OstEuropas weitergeleitet wurden.575 Dies bedeutete letztlich für
die RAG/DSK Einsparungen von gut 40% gegenüber den deutschen Anbietern dieser Leistungen. Diese müssen sich streng an gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der
Zahlung vorgeschriebener Knappschaftsbeiträge, der Einhaltung von Tarifverträge
und der strengen Bergbau-Richtlinien halten. Dies bedeutete und bedeutet nach wie
vor, dass hier erhebliche Wettbewerbsnachteile zu Ungunsten der deutschen Anbieter bestehen. Insofern haben, wie der SPIEGEL schreibt „…seit einiger Zeit Firmen
Hochkonjunktur wie Kopex aus Polen, Banské Stavby aus der Slowakei oder die
deutsche Tochter der österreichischen Alpine-Bau, die sich wiederum der polnischen Arbeiter von Krakbau bedient. Zuletzt bekam die polnische PeBeKa den Auftrag über eine 3,7 Kilometer lange Strecke in der Auguste-Victoria-Zeche; das Projekt läuft bis ins Jahr 2009“.576
Beispiel Walsum
Die Beschäftigten der heimischen Fremdfirmen sind von den Einsparungen durch
den Anpassungsbergbau besonders betroffen. So macht der Betriebsratsvorsitzende vom Bergwerk Walsum darauf aufmerksam, dass angesichts der
Schließung des Bergwerks Walsum neben den Herausforderungen der Umsetzung
und Vermittlung der bei der RAG/DSK angestellten Beschäftigen, auch an die Bergleute aus den Unternehmen der Bergbauspezialunternehmen zu denken sei. Für sie
gäbe es im Zuge des Anpassungsbergbaus keinerlei Aussichten auf eine Weiterbeschäftigung in den noch bis 2018 verbleibenden Bergwerken, da die von ihnen
ausgeführten Tätigkeiten nunmehr von den überzähligen RAG/DSK Beschäftigten
versehen werden. Für das Bergwerk Walsum waren in den letzten Monaten vor der
574
Siehe zur Situation bei Deilmann-Haniel HANDELSBLATT (Hrsg.) 2007 vom 16.04.2007
INTERVIEWS GEWERKSCHAFTSVERTRETER VI und ZULIEFERER I und II
576
DER SPIEGEL-Online (Hrsg.) 2005 unter dem Titel „Konkurrenz in der Grube“ vom
04.11.2005
575
187
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Schließung noch gut 400 Beschäftigte von Fremdfirmen tätig.577 RAG/DSK weit ist
davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Leistungen der Bergbauspezialfirmen
im Vortriebsbereich fast völlig weg brechen werde. Der Gesprächspartner geht davon aus, dass viele der Beschäftigten der im Bergbau tätigen Fremdfirmen noch vor
der „Anpassung“ ihre Beschäftigung verlieren werden.578
Dafür spricht auch die Entwicklung in anderen Bergwerken. Bis 2012 werden im
Ruhrgebiet die Zechen Lippe (Gelsenkirchen), Ost (Hamm) und West (KampLintfort) sowie im Saarland die Zeche Saar geschlossen sein, so dass mit 12 Mio.
Tonnen die Fördermenge gegenüber derzeit 21 Mio. Tonnen fast halbiert wird.579
Dem korrespondiert ein Personalabbau im Bereich der bei der DSK Beschäftigten
auf nur noch 15.000 Stellen. Mit der dann möglicherweise erfolgenden Schließung
der letzten drei Zechen Ibbenbüren, Auguste Victoria und Prosper Haniel nach 2012
wird es zu Personalüberhängen von bis zu 2.500 Beschäftigten kommen. Aus diesem Grunde werden die bislang von Fremdfirmen versehenen Aufgaben im Zuge
des Anpassungsprozesses, wo immer es irgendwie möglich ist, durch DSK eigene
Personalressourcen wahrgenommen, so die geäußerte Einschätzung im Gespräch
mit einem Bergbauzulieferer.580
So zeigt sich an dieser Entwicklung in nur einer Sparte des gesamten Wirtschaftszweiges, dass eine pauschale Bewertung der Zukunftsaussichten der Bergbauzulieferer mit einem eher positiven Tenor wie durch das RWI oder seitens der Landesregierung nach den Kohlebeschlüssen zumindest kritisch hinterfragt werden muss.581
Dies erweisen auch die Interviews, in denen die Perspektiven der Bergbauzulieferer
angesprochen wurden. Die Einschätzung einer aussichtsreichen Marktsituation des
Gesamtsegmentes Bergbauzulieferer angesichts des Auslaufbergbaus, wie sie insbesondere seitens der Ministerin des MWME des Landes NRW, Christa Thoben,
offiziell mit Verweis auf die gelungenen Neuausrichtungen von Unternehmen geäußert wird, stößt insbesondere bei den kleineren Unternehmen des Bergbauzuliefersegmentes auf Skepsis.
In Anbetracht ihrer oftmals erheblichen Abhängigkeit vom heimischen Bergbau sehen sie sich bei fortschreitendem Nachfrageausfall gefährdet. Der Verweis der Ministerin auf einige Primusse des Segmentes wie der Recklinghäuser Schloemer
577
INTERVIEW BETRIEBSRAT I
Siehe WESTDEUTSCHE ZEITUNG (Hrsg.) vom 27.06.2008. Ein Gespräch mit Wolfgang
DAHLMANN
579
SIEHE RAG/DSK 2008, S. 3 und Kapitel 6.1
580
INTERVIEW ZULIEFERER II
581
Der interviewte Vertreter im MWME zeigte sich tendenziell optimistisch was die Perspektiven der Bergbauzulieferer anbetrifft. Er betonte aber auch, die Perspektiven für kleinere
Unternehmen und insbesondere die Handwerksbetriebe auf den Zechenstandorten nicht
einschätzen zu können, sondern sprach eher für die großen international agierenden Unternehmen, denen mit der Außenwirtschaftsförderung des Landes
578
188
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
GmbH582 oder auf die gut aufgestellte Sparte der Bergbaumaschinenhersteller, ist
für das von Zechenschließungen und Auslaufbergbau betroffene Gesamtsegment
nicht durchweg verallgemeinerungsfähig.583 Auf der Jahrespressekonferenz der im
VDMA organisierten Bergbaumaschinehersteller verwies JOCHUMS darauf, dass
im Inland die Unsicherheit wegen des im Jahr 2018 drohenden Ausstiegs aus der
Steinkohlenproduktion zunehme. Für das Jahr 2009 rechnet JOCHUMS deshalb mit
einer Umsatzeinbuße im Inland von 17 Prozent auf 390 Millionen EURO. 2010 könne es nach Auffassung JOCHUMS noch einmal 5 Prozent weniger Umsatz werden.
Deutschland ist immer noch der größte und ein wichtiger Absatzmarkt für die Hersteller.584 Nach Auskunft von des VDMA reduziert sich für die etwa 115 Mitgliedsunternehmen im VDMA (Bergbaubranche) der Umsatz im Inland sukzessive schon seit
2002. 2012 wird mit der Entscheidung über die Revisionsklausel, das entscheidende
Jahr der Branche. Erst dann besteht nach Auskunft des Gesprächspartners bessere
Planungssicherheit, insbesondere was die Verstärkung der Aktivitäten auf internationalen Märkten zur Umsatzkompensation und Beschäftigungssicherung anbelangt.585
6.3.1 Stellenwert für den regionalen Arbeitsmarkt
Nach Berechnungen der DSK wird sich das Bestellvolumen der DSK wahrscheinlich
von 2,4 Mrd. Euro im Jahr 2007 auf nur noch 1,1 Mrd. Euro in 2012 (an ca. 4.500
Unternehmen im Saarland und in NRW) nahezu halbiert haben, so dass mit erheblichen Einbußen für die Zulieferindustrie zu rechnen ist.586 Die DSK schätzt weiter,
dass bis 2012 dadurch 1.200 Betriebe in ihrer Existenz gefährdet seien.587
582
Siehe RECKLINGHÄUSER ZEITUNG (Hrsg.) vom 12.07.2007 zur Vergabe des
Vestisichen Unternehmerpreis 2007
583
Siehe THOBEN 2007, S. 2 in ihrem Grußwort für das Land Nordrhein-Westfalen anlässlich des Deutschen Steinkohletages.
584
VDMA (Hrsg.) 2008, „Pressekonferenz der Bergbaumaschinenhersteller auf Zeche Zollverein“ am 20.11.2008
585
INTERVIEW VERBANDSVERTRETER IV
586
Siehe TÖNJES 2007 in seiner Stellungnahme zum Steinkohlefinanzierungsgesetz
587
Siehe LANDTAG INTERN 2006, S. 16
189
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abbildung 23: RAG/DSK Auftragsvolumina 2008 an NRW Zulieferbetriebe
Einkäufe in NRW
Bottrop
16
Herne
26
Oberhausen
26
Duisburg
31
Hamm
50
Kreis UN
51
Mühlheim
53
Kreis WES
60
Gelsenkirchen
77
Dortmund
98
Bochum
102
Essen
117
Kreis RE
132
Übrige
213
0
50
100
150
200
250
Stand: 2008: Summe NRW = 1.008,8 Mio. Euro (ohne MwSt.)
Quelle: Zur Verfügung gestellt vom Pressedienst der RAG 2009
Angesichts des hohen Grades der regionalen Agglomeration von Zulieferbetrieben
in der Region, zeichnet sich hier eine Krise ab. Die nicht unbeträchtliche Abhängigkeit der regionalen Ökonomie von dem Bestellvolumen der DSK lässt sich wie oben
gezeigt für einige Regionen genauer spezifizieren.588 Ein durch Zechenschließungen
induzierter Nachfrageausfall seitens der RAG/DSK hätte negative Auswirkungen auf
die regionale Ökonomie.589 Nach Aussage von MASUTH war die RAG/DSK im Jahr
2004 (vor Stilllegung der Zechen Lohberg und Walsum) der größte Auftraggeber in
der Region Duisburg/Wesel mit einem Vergabevolumen von 147 Millionen Euro für
Unternehmen aus Duisburg, Wesel und Oberhausen.590 Wie die obige Graphik aufschlüsselt, hat sich das Bestellvolumen für diese Kommunen allein zwischen 2004
und 2008 bereits um 21% auf 117 Millionen Euro reduziert.
Wie sind die Gefährdungsszenarien für die Zulieferbetriebe der Gewerkschaften, der
DSK und des Gesamtverbandes Steinkohle zu bewerten? Hilfreich zur Beantwortung dieser Frage sind die statistischen Werte zur Sparte der Bergbaumaschinenhersteller im VDMA sowie die Resultate der Prognos-Studie aus dem Jahre 2007.591
Letztere verweist darauf, dass allein im Bergbaumaschinenbau, der in NordrheinWestfalen seinen Schwerpunkt hat, 2006 ca. 16.000 Arbeitnehmer beschäftigt wa-
588
Nach STEINKOHLE DIREKT, Nr. 3/2005, S. 2
Um Alternativen und ökonomische Perspektiven für die betroffenen Unternehmen aufzuzeigen und Hilfe anzubieten, haben die Wirtschaftsförderung Duisburg und des Kreises Wesel eine Informationsveranstaltung durchgeführt.
590
Siehe MASUTH 2006, S. 4
591
Siehe dazu das „Branchenbarometer 2008-2009“ des VDMA (Hrsg.) 2009
589
190
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
ren. Die Exportquote der Branche beträgt rund 80%.592 Dabei ist zu berücksichtigen,
dass darunter auch die Herstellung von Maschinen für den Kali- oder Salzbergbau
fällt. In einem telefonischen Interview mit den GVDM (Sparte Bergbaumaschinen)
schätze der Gesprächspartner, dass etwa 25% der Beschäftigen bzw. Arbeitsplätze
vom heimischen Steinkohlenbergbau abhängig sind. Genaue Zahlen liefert die Verbandstatistik nicht, da viele Unternehmen für unterschiedliche bergbautechnische
Bereiche Produkte und Maschinen entwickeln und verkaufen.593
Insofern ist davon auszugehen, dass von den 16.000 Arbeitnehmern des Bergmaschinenbaus in NRW rund 4.000 Arbeitsplätze von der Bergbaumaschinenherstellung für den heimischen Markt abhängen.594 In die Analyse des möglichen Gesamtverlustes an Arbeitsplätzen (Ausstiegszenario 2018) infolge der Reduzierung des
gesamten Beschaffungsvolumens an Beschäftigung im Bereich Bergbautechnik,
müssen aber noch die 10.200 Beschäftigten der gesamten Wertschöpfungskette der
Zulieferindustrie mit einbezogen werden. Das heißt, dass mit einem Arbeitsplatzverlust von ca. 13.500 Beschäftigten durch die Reduzierung des Bestellvolumens der
RAG/DSK allein für NRW auszugehen ist.
Insofern ist dem Vorsitzenden des DGB in NRW, Guntram Schneider, tendenziell
Recht zu geben, wenn dieser davon ausgeht, dass nicht nur durch die Zechenschließungen direkt 11.500 Arbeitsplätze betroffen wären, sondern dass noch bis zu
15.000 Stellen bei den Zuliefererbetrieben in NRW dazugerechnet werden müssten.595 Diese Prognose wird nicht nur durch Einschätzung von gewerkschaftlicher
Seite und der prognos AG gestützt, der VDMA und JOCHIMS gehen davon aus,
dass unter den Prämissen:
¾ Revisionsklausel von 2012 wird negativ beschieden,
¾ kein Referenzbergwerk mehr in der Bundesrepublik Deutschland für die
Entwicklung und Erprobung von Anlagen und Maschinen für den weltweiten
Steinkohlenbergbau,
allein 8.000 der rund 16.000 Arbeitsplätze der Bergbaumaschinenhersteller durch
Standortverlagerungen in das Ausland gefährdet sind.596 Hochgerechnet auf alle
592
Die Zahlen werden durch die aktuelle Statistik des VDMA bestätigt, die Wirtschaftskrise
hat sich bislang nicht gravierend auf die Bergbaumaschinenhersteller ausgewirkt – siehe
VDMA (Hrsg.) 2009, S. 10ff.
593
So sind etwa 40% der Mitgliedsunternehmen auch im Übertagebau engagiert.
594
Ein Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau gefährdet nach Einschätzung des VDMA auf
der Jahrespressekonferenz 2008 nahezu jeden zweiten Arbeitsplatz bei den deutschen
Bergbaumaschinen-Herstellern. Wenn die Möglichkeit für einen Test neuer Maschinen in
heimischen Bergwerken entfalle, wären viele Hersteller zu einer Abwanderung ins Ausland
gezwungen. Siehe VDMA (Hrsg.) 2008
595
Siehe DGB NRW (Hrsg.), Pressemitteilung vom 06.06.08
596
Siehe GVSt 2005, S. 75. Diese Einschätzung von 2005 wurde durch das INTERVIEW
VERBANSVERTRETER IV des VDMA für 2009 bestätigt.
191
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Wirtschaftszweige (Bergbau, Verarbeitendes Gewerbe, Baugewerbe, Dienstleistungen), die in irgendeiner Weise von dem Rückgang der Steinkohleförderung betroffen
sind, inklusive des Bergbaus selbst, ergäben sich für den Zeitraum 2005–2018 Arbeitsplatzverluste für das Ruhrgebiet von ca. 43.700 Stellen.597 Um die mögliche
Dimension der Beschäftigungsverluste zu beschreiben, ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Teil der in Zulieferbetrieben abgebauten Beschäftigten – ähnlich wie
die gut ausgebildeten Beschäftigten des Bergbaus – voraussichtlich in anderen
Branchen Beschäftigung finden werden. 598
Allerdings zeigen die Szenarien der Prognos AG, dass selbst unter dem äußerst
unwahrscheinlichen Szenario eines rasanten Strukturwandels und hoher
Arbeitsplatzmobiltät und einer Arbeitsplatzersatzrate von 9%, immerhin noch ein
Verlust von rund 25.000 Arbeitsplätzen entstehen würde.599
6.3.2 Beschäftigungsentwicklung und Wertschöpfungsstrukturen
Schon derzeit läge ohne den Steinkohlebergbau mit seinen direkten und indirekten
Beschäftigungseffekten, die Arbeitslosenquote im gesamten Ruhrgebiet um ca. 2%
höher. Dies würde für einen Bergbaustandort wie Duisburg mit einer Arbeitslosenquote von 13,0 % eine Quote von 16,2% bedeuten. Ähnlich sähe es auch an anderen Bergbaustandorten aus, etwa im Kreis Recklinghausen mit einer Arbeitslosenquote im Juni 2008 von 11,2%.600 Diejenigen Regionen, die den höchsten Anteil der
Bergbaubeschäftigten an der Gesamtbeschäftigung im Ruhrgebiet aufweisen, wie
Marl (mit 12,2%), Herten (mit 12,7%) und Gladbeck (mit 12,6%) haben u.a. bedingt
durch den Anpassungsprozess im Bergbau schon jetzt die höchsten Arbeitslosenquoten auf.601
So korreliert der Abbau von Beschäftigung im Bergbau, in den Vorleistungsbereichen sowie auf den nachfolgenden Ebenen der Wertschöpfung eindeutig mit den
relativ hohen Arbeitslosenquoten in den Regionen. Wenn sich beispielsweise die
Anzahl der Beschäftigten im Ruhrbergbau bis 2010 wie geplant auf 19.300 verringert, so wird dies nicht nur zu erheblichen Ausfällen an Löhnen und Gehältern in
Form von Kaufkraft und Wertschöpfung für den regionalen Einzelhandel und das
Handwerk vor Ort führen, sondern auch einen erheblichen Einbruch im Auftragsvolumen bei den regional ansässigen Bergbauzulieferbetrieben nach sich ziehen.
597
PROGNOS 2007 S. 63
Ebenda
599
Ebenda, S. 70
600
BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT (Hrsg.) 2008, Arbeitsmarktinformationen für Mai 2008
601
KREIS RECKLINGHAUSEN (Hrsg.) 2008, Statistischer Kurzbericht Juni 2008
598
192
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Dieser Effekt lässt sich auch für Bottrop aufzeigen: Zwar ist der Bergbau für Bottrop
kaum noch ein Markenzeichen, aber die wirtschaftliche Bedeutung ist dennoch nicht
zu unterschätzen. Immerhin weist Bottrop mit einem Anteil von 6,22 % die zweitdichteste Agglomeration von Bergbaubeschäftigten auf. Nur in Gelsenkirchen wohnen mit 7,02 % mehr Bergleute der RAG/DSK. Überdies sind knapp 5 Prozent aller
Beschäftigten in Bottrop im Bergbau tätig.602 Daran zeigt sich, dass der Bergbau in
nicht unbedeutender Weise in Bottrop und der Region zur Beschäftigung beiträgt.
Neben den direkten Beschäftigungseffekten sind es vor allem die Kaufkrafteffekte,
die für Dienstleistung und Handel in Bottrop nicht zu unterschätzen sind. Bei einem
durchschnittlichen Einkommensmultiplikator von 1,47 % für das Ruhrgebiet bedeutet
dies, dass das Einkommen eines jeden Beschäftigten des Bergbaus dafür sorgt,
dass die Konsumausgaben um das 1,47-fache zur Entstehung von weiteren Einkommen bei den Beschäftigten in den Konsumgüterbranchen führen und damit erneute Konsumausgaben induzieren, die wiederum zur Generierung weiterer Einkommen beitragen. Zudem ist davon auszugehen, dass bei einem Beschäftigungsmultiplikator von 0,98 auf jeden Bergbaubeschäftigten statistisch 0,98 weitere, indirekt Beschäftigte für das Ruhrgebiet kommen.
Dies bedeutet nun für Bottrop, dass von einer Schließung des Bergwerks ProsperHaniel in Bottrop mit derzeit noch 4.265603 und im Ausstiegsszenario für 2018 ca.
6.000 Arbeitsplätze betroffen sein werden. Hinzu kämen noch jene Arbeitsplätze
aus den vorgelagerten Bereichen der Bergbauzulieferer (inklusive der Logistikunternehmen), wie auch jene Arbeitsplätze, die in Handel, Dienstleistung und Handwerk,
stark lokal verortet existieren und direkt oder indirekt vom Nachfragevolumen der
DSK wie auch den Konsumausgaben der im Bergbau Beschäftigten abhängig sind.
Insgesamt würde damit, nach Auskunft des Amtes für Wirtschaftsförderung und Immobilienmanagement der Stadt Bottrop, die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze die
Bottrop einbüßen würde, bei etwa 10.000 liegen. Prinzipiell ist – wie die Beispiele
deutlich machen – davon auszugehen, dass Standorte, die traditionell eine besonders intensive Vernetzung mit dem Bergbau aufweisen, wie etwa die nördlichen
Stadtbezirke Duisburgs und die angrenzenden Regionen der Einzugsgebiete der
Bergwerke auch ökonomisch stärker vom Anpassungsbergbau und seinen Auswirkungen betroffen sind als regionale Bereiche, die sich in der Wirtschafts- und Branchenstruktur davon merklich unterscheiden.
Es ist allerdings davon auszugehen, dass ein sinkendes Nachfragevolumen der
RAG/DSK beispielsweise bei handwerklichen Dienstleistungen der regionalen Zulieferer eine ähnliche Entwicklung auslösen dürfte, wie bei anderen Fremdfirmen. Mit
zunehmenden Personalüberhängen aufgrund des Anpassungsprozesses werden
hierbei vielfach bislang outgesourcte Leistungen von den Beschäftigten der DSK
602
603
Siehe Prognos AG 2007, S. 32ff.
RAG/DSK (Hrsg.) 2008a
193
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
selbst wahrgenommen. Dadurch sinkt das Auftragsvolumen der Bergbauzulieferer,
die eher regionalbezogen ihre Dienstleistungen anbieten. Wenn es den Handwerksbetrieben nicht gelingt, ihren Verlust aus der weg brechenden Auftragslage mit dem
Bergwerk durch andere Geschäftsfelder zu kompensieren oder neue Kunden hinzuzugewinnen, könnte dies erheblichen Personalabbau nach sich ziehen.
6.4
Positivbeispiele für die Neuausrichtung von Zulieferbetrieben
Die für alle Standorte vergleichbar problematische Entwicklung des Wegbrechens
von Absatzmärkten in den Regionen, mit ihren negativen Folgen für die Beschäftigung und die Qualität des Arbeitsplatzangebotes, kontrastiert mit einem Prozess,
der schon seit den ersten Krisenerscheinungen und dem Wegbrechen der Absatzmärkte im Stahlsektor in den 1980er Jahren allmählich an Bedeutung gewann und
Anfang der 1990er Jahre seine volle Dynamik entfaltete.604 Hierbei handelt es sich
um eine verstärkte Umorientierung vieler Unternehmen der Sparte Bergbautechnik
auf neue Märkte.605
Dabei ist jedoch relativierend zu sehen, dass es sich vor allem um Unternehmen in
der Branche Bergbautechnik und der Sparte Maschinenbau handelt, einem der innovativsten und per se am Export orientierten Wirtschaftszweig der industriellen
Produktion in der Bundesrepublik.606 Etliche Unternehmen der Bergbauzulieferindustrie haben die Entwicklung der Senkung von Fördermengen von 1980 mit ca. 87
Mio. Tonnen auf nur noch 41,3 Mio. Tonnen in 1998 und schließlich auf 22 Mio.
Tonnen zum Jahr 2007 schmerzlich erfahren.
Um marktadäquat auf die Situation nachlassender Nachfrage des heimischen Steinkohlenbergbaus reagieren zu können, schlugen viele Unternehmen den Weg einer
strategischen Neuorientierung bereits frühzeitig ein.607 Der noch eingehender zu
diskutierenden erfolgreichen Neuorientierung der Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik
und Eisen Gießerei GmbH vergleichbar, existieren deshalb auch eine Vielzahl von
Erfolgsgeschichten mittelständischer Unternehmen, die sich als Zulieferer der Bergbautechnik, von den Geschäftsverbindungen mit der DSK weitgehend unabhängig
gemacht haben, indem sie sich auf andere Märkte ausgerichtet und neue Geschäftsfelder entwickelt haben.608
604
Siehe zur damaligen Situation KORFMANN 1992, S. 348
Siehe LAUSCHKE 2004, S. 162 und JELICH 2004, S. 210f. besonders unter Hinweis auf
die Maßnahmen der Landesinitiative Bergbautechnik
606
Siehe DEUTSCHE BANK RESEARCH 2007, S. 3
607
Dazu die Analyse der SUSTAIN CONSULT (Hrsg.) 2005 zur Bergbautechnik NRW
608
Siehe dazu IG Metall (Hrsg.) 2009 und der Verweis auf die Innovationsfähigkeit der Bergbauzulieferer im Rahmen der „Besser statt Billiger Strategie“
605
194
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Good Practice Faktoren
Angesichts des beschriebenen unternehmerischen Umfeldes, das für die Mehrzahl
der Bergbauzulieferer existiert und von Wachstumschancen im Ausland und dem
heimischen Anpassungsbergbau, Zechenschließungen und abnehmenden Auftragsvolumen der RAG/DSK geprägt ist, sind nunmehr Unternehmen zu fokussieren, denen es dennoch gelungen ist, ihr Kerngeschäft in der Antizipation des anhaltenden Veränderungsdrucks erfolgreich weiter zu entwickeln.
An der spezifischen Entwicklung dieser Unternehmen, lassen sich einerseits Erfolgstreiber einer gelungenen Neuorientierung ermitteln, wie sich andererseits die
Bedeutung der Neuausrichtung des Wirtschaftzweiges Bergbauzulieferer für den
regionalen Arbeitsmarkt bestimmen lässt. Hieran lässt sich paradigmatisch aufzeigen, welche Chancen und Herausforderungen für die bergbauspezifische Zulieferindustrie, jenseits der Schließungsbeschlüsse und des Anpassungsbergbaus tatsächlich bestehen.609 Zu den unverzichtbaren strategischen Potenzialen gehören gerade
die im Montancluster erworbenen Erfahrungen und Kompetenzen der Bergbauzulieferindustrie. Aus diesem Grunde griffen viele Unternehmen der Bergbautechnik
auch auf die benachbarten Branchen aus und bieten dort ihre Kompetenzen und ihr
Leistungsprofil an. Welche Strategien vorrangig gefahren werden und welche organisationspolitischen Umstrukturierungen hierbei oftmals erforderlich werden, damit
eine Neuausrichtung in zukunftsfähiger Weise auch gelingen kann, soll hier des
weiteren kurz skizziert werden.610
Als Erfolgsfaktoren, die jeweils unterschiedlich gewichtet in den Unternehmen identifiziert werden können, fungieren hierbei:
¾ vorhandenes, breit angelegtes technologisches Know-how,
¾ die Einbeziehung externer Kompetenzen/Marktinformation aus Wissenschaft, Netzwerken und Consultings,
¾ eine kompetenzbasierte Kundenorientierung,
¾ eine mitarbeiterorientierte Beteiligungskultur der Unternehmen,
¾ die Integrationsqualität der Unternehmen von externem Wissen.611
Die Relevanz dieser Faktoren soll nun im Kontext einiger Unternehmensprofile weiter analysiert werden.
609
Siehe auch VDMA (Hrsg.) 2008 und die dort dokumentierte Pressekonferenz der Bergbaumaschinenhersteller auf Zeche Zollverein vom 20.11.2008
610
Siehe zu den Voraussetzungen von unternehmerischen Innovationstrategien z.B.
MARTINS 2007 S. 545ff. sowie NERDINGER und WILKE 2008, S. 56ff.
611
Siehe BLEIDICK, WEBER 1999, S. 106
195
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
6.4.1 Firma Schloemer GmbH
Die Entwicklung der Firma Schloemer zeigt, welche Möglichkeiten sich für einen
ehemaligen Bergbauzulieferer, auch unter dem Druck eines allgemein absinkenden
Bestellvolumens der DSK, durch eine strategische Diversifikation der Geschäftsfelder, durch die Orientierung auf passgenaue Produkte und Dienstleistung für andere
Branchen und vor allem aufgrund der Weiterführung des traditionellen Geschäftsbereiches bergbauspezifischer Produkte ergeben. Gerade letzterer Bereich erlebte
2007 eine erstaunliche Renaissance. Die Anfänge der Firma Schloemer GmbH liegen in Duisburg Ruhrort. Hier gründete August Schloemer im September 1900 einen Handel für Bergwerks- und Hüttenerzeugnisse. Seit 1946 in Recklinghausen
ansässig, entwickelte sich die Schloemer GmbH zum führenden Unternehmen des
technischen Handels in Deutschland. Zu den derzeitigen Kunden zählen neben vielen klein- und mittelständischen Unternehmen auch der Ruhrverband mit seiner
Wasserwirtschaft und die Degussa, Bayer, E.ON, die RAG und Ford.612 Insgesamt
versieht das Unternehmen die folgenden fünf Produktbereiche mit mehr als 25.000
Produkten:
¾ Arbeitsschutz (Schutzkleidung, Atemschutzgeräte etc.)
¾ Brandschutz (Feuerlöscher, Löschanlagen, Raum- und Objektschutz)
¾ Schlauchtechnik (Schläuche, Keilriemen, technische Gummiwaren)
¾ Förderbänder (Fördergurte/Bänder für den gesamten industriellen Bedarf)
¾ Industriebedarf (Hilfsmittel wie Schmierstoffe, Umweltschutzprodukte, Sanitätsausstattungen)
Hinzu kommen für alle Bereiche Dienstleistungen im Rahmen von Serviceleistungen
für eine individuelle und passgenaue Produktfertigung, Wartung, Schulung und Beratung. Mit diesem breit gefächerten Angebotsspektrum ist es Schloemer gelungen,
innerhalb der vergangenen zehn Jahre die Arbeitsplätze von rund 50 Beschäftigten
auf derzeit 106 zu verdoppeln. Im letzten Jahr machte das Unternehmen gut 33 Mio.
Euro Umsatz.613
Schloemer blieb dem Bergbau zwar verbunden, weitete das Geschäftsfeld aber
konsequent aus. Die Schloemer GmbH in der Sparte PSA614 als einer der bundesweiten Marktführer positioniert.615 Zur Sparte PSA, die ein Kernsegment des gesamten Portfolios darstellt, zählen die gesamten persönlichen Schutzausrüstungen wie
Kopfschutz, Gehörschutz, Atemschutz und Umweltschutz, Waschraum- und Betriebshygiene sowie der gesamte Bereich der Schutz- und Berufsbekleidung. Letztlich hat sich im vergangenen Jahr diese Strategie, die arbeitsschutzrelevante Produktpalette so innovativ weiterzuentwickeln, dass die Produkte passgenau auf die
612
Siehe dazu SCHLOEMER GmbH (Hrsg.) 2008
Ebenda
614
PSA = Persönliche Schutzausrüstung
615
Zitiert nach MARUTH 2006, S. 4
613
196
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
jeweiligen Erfordernisse der unterschiedlichsten Kunden abgestimmt werden können, als sehr erfolgreich erwiesen. Davon zeugt ein neuer Großauftrag von der
RAG, mit der Schloemer bereits in früheren Jahren Geschäftskontakt hatte. Als
neuer Systemlieferant PSA für die Arbeitsschutzbedürfnisse des gesamten Konzerns gehört nunmehr auch wieder der Bergbau verstärkt zu den Geschäftsfeldern
von Schloemer. Hierzu Manfred GIEROK, verantwortlicher Einkäufer der RAG DSK:
„Ausschlaggebend für den Zuschlag an Schloemer war ein Angebot zu einem vernünftigen Preis-Leistungs-Verhältnis“.616 Allerdings ist neben der ausgewogenen
Preis-Leistung Relation ebenso entscheidend, dass die Lieferfähigkeit und die damit
verbundene Versorgungssicherheit der Produkte und des Service sichergestellt
werden. Dies hatte Schloemer schon zuvor in seinen Geschäftbeziehungen zur Degussa und zu anderen Industriekonzernen nachhaltig unter Beweis gestellt.
Hierzu führt der Koordinator für die Ausschreibung, Andre WAROT (2006), aus: „Für
uns war wichtig, dass wir alle ca. 4.000 ausgeschriebenen Produkte in der für unsere Mitarbeiter gewohnten Ausführung erhalten.“ 617 Dieser Aspekt war für die Abteilung Belegschaftsschutz der DSK von großer Bedeutung. „Viele der vom Bergbau
eingesetzten Persönlichen Schutzausrüstungen unterliegen einer speziellen DSKNorm. Diese sind genau auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten und unterliegen regelmäßigen Prüfungen. Uns war wichtig, dass der neue Systemlieferant diese Vorgaben berücksichtigt“, so Horst TULOWITZKI (2006) von der DSK.618
Dieses Beispiel dokumentiert, dass es erfolgreich sein kann, wenn sich Unternehmen auf verschiedenste Geschäftsfelder mit neuen Produkten orientieren, zugleich
aber diese Produktpalette so offen konzipieren, dass sie auch eine möglichst große
Anzahl an Anforderungen aus verschiedensten Branchen zeitnah und passgenau zu
bedienen in der Lage sind.619 Bei Schloemer kommt noch hinzu, dass der Serviceaspekt besonders prägnant betont wird. Die Versorgungs- und Liefersicherheit wird
bei Schloemer dadurch gewährleistet, dass ein äußerst effektives Lagerhaltungsund Logistiksystem entwickelt wurde, an dem alle Kunden partizipieren können. So
wurde etwa beim Großkunden Degussa ein elektronisches Bestellsystem entwickelt,
dass durch die Einbindung eines Systemlieferanten – in der Regel Schloemer – die
Kosten deutlich reduziert. Das sog. E-Procurement, also die Verlagerung der Beschaffungsprozesse auf eine elektronische Abwicklung, ist ein wichtiges Moment
der Optimierung der Schnittstelle Einkauf in der Unternehmensorganisation. Dies
gelingt durch eine ausgereifte Logistik, der Aufbereitung von elektronischen Katalogdaten und der Anbindung der Kunden/Lieferanten-Systeme. Um dies leisten zu
616
Ebenda
Zitiert nach MARUTH 2006, S. 5
618
Ebenda
619
Siehe zum Stellenwert von Produkt- und Prozessinnovationen für KMU insbesondere
SPECHT und LUTZ 2008, S. 33ff.
617
197
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
können baute Schloemer das bundesweit modernste Logistikzentrum der gesamten
Branche auf.620
Diese Darstellung der Abwicklung der Beschaffungsprozesse, wie sie von Schloemer organisiert werden, ist deshalb relevant, weil sie verdeutlicht, wie sich ein mittelständisches Unternehmen mit kreativen Ideen, die vor allem die Kundenschnittstelle als einen der wesentlichen Optimierungsbereich fokussieren, der für die gesamte Wertschöpfung im Unternehmen von entscheidender Bedeutung ist, kontinuierlich zum Markführer entwickeln kann.621 Neben der Degussa als Geschäftspartner
hat Schloemer auch als Systemlieferant des Ruhrverbandes von Anfang an gemeinsam mit dessen Organisationseinheiten Einkauf und Arbeitssicherheit das gesamte nachgefragte Sortiment optimiert. In den hier beispielhaft angeführten Fällen,
ist es Schloemer gelungen, über die Kooperationsschiene der Einführung innovativer Beschaffungssysteme zugleich den Status als Systemlieferant zu erlangen.622
Hierdurch konnte Schloemer als Bergbauzulieferer ein Alleinstellungsmerkmal entwickeln, das über die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens am Markt mit entscheidet.623
6.4.2 Röhrenwerk Kupferdreh Carl Hamm GmbH
Auch andere Anbieter von Spezialprodukten an neu avisierten Märkten setzen auf
ein ausgesprochen intensives Management der Kundenschnittstelle. Dies spiegelt
auch die Unternehmenspolitik des Röhrenwerkes Kupferdreh wider. In ihr wird deutlich, dass ein wesentlicher Erfolgstreiber für neu definierte operative Geschäftsfelder
durch die sich oftmals entscheidende Wettbewerbsvorteile in den neuen Märkten
gewinnen lassen, darin besteht, dass eine ausgeprägte Kundennähe entwickelt
wird, die auch dadurch zum Ausdruck gelangt, dass Sonderanfertigungen und spezielle Problemlösungen in den Vordergrund gestellt werden. Ein Beispiel für die Effizienz entwickelter, kundenbezogener Problemlösungskompetenz und die Einspeisung von Know-how aufgrund des produktspezifischen Wissens, dass aus der Nähe
der neuen Geschäftsfelder zu bergbautechnischen Produkten resultiert, stellt die
nach Einschätzung der Essener Wirtschaftsförderung EWG erfolgreiche Geschäftspolitik des Röhrenwerkes Kupferdreh (Röhrenwerk Kupferdreh Carl Hamm GmbH)
dar. Auch das Röhrenwerk Kupferdreh baut als Anbieter von Spezialprodukten an
neu anvisierten Märkten auf ein ausgesprochen intensives Management der Kundenschnittstelle. Hier wird deutlich, dass ein wesentlicher Erfolgstreiber darin be-
620
WALTOPER ZEITUNG (Hrsg.) 2007, Ausgabe vom 12.05.2007
Siehe MULITZE 2005, S. 35 ff.
622
Siehe die Ausführungen dazu bei WAZ NEWMEDIA (Hrsg.) 2008a
623
Näheres dazu bei TRÄGER 2008 S. 25 ff., der aufzeigt, dass mehrere „Subvorteile“ eines
Unternehmens gegeben den Wettbewerbern in der Summe zur Marktdominanz und einem
Alleinstellungsmerkmal führen.
621
198
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
steht, dass eine ausgeprägte Kundennähe entwickelt wird und Sonderanfertigungen
und spezielle Problemlösungen in den Vordergrund gestellt werden. Das mittlerweile
in seinem Spezialsegment zum Markführer avancierte Unternehmen, wurde 1929
als typischer Bergbauzulieferer mit dem Geschäftsfeld Produktion von Rohrleitungen gegründet, und schaffte es durch zunehmende Diversifikation auf der Basis des
bergbauspezifischen Rohrleitungsbau aus Stahl sich neue Geschäftsfelder aufzubauen. Es stellt mittlerweile weltweit Leitungssysteme aller Art zur Verfügung. Das
Unternehmen wurde 2007 als Finalist der Endrunde auf dem Deutschen
Mittelstandspreis der Oskar-Patzelt-Stiftung geehrt.624
Das Unternehmen produziert Rohrleitungen aus Stahl und entwickelt weltweit für
unterschiedliche Einsatzgebiete und Branchen komplexe Leitungssysteme mit entsprechendem Zubehör. „Wir verknüpfen heute den Rohrleitungsbau und unsere
langjährigen technologischen Erfahrungen im Bergbau mit neuen Anforderungen im
Bereich des Umwelt- und Ressourcenmanagements, um daraus neue Geschäftsfelder zu generieren“, so Gregor HAURAND (2007), Prokurist des Unternehmens in
seiner Stellungnahme zur Nominierung für den Mittelstandspreis. 625 So wurden beispielsweise Trinkwasserbrunnen in Marokko und Libyen mit Rohrleitungen aus Kupferdreh und dem dazugehörigen Know-how wie Service ausgestattet. Ebenso dienen Leitungssysteme des Röhrenwerkes Kupferdreh der Speicherung von Energie
oder finden Verwendung bei der Nutzung von Erdwärme (Geothermie) aus ehemaligen Bergwerken zum Heizen, wie z.B. in der Gemeinde Marienberg im Erzgebirge.626Mit vier Verkaufsbüros und den verbundenen Unternehmen Carl Hamm GmbH
& Co. KG Röhrengroßhandlung und Hamm-Hydraulik GmbH & Co. KG, ist das Röhrenwerk Kupferdreh mittlerweile so gut im internationalen Wettbewerb aufgestellt,
dass es mit rund 100 Mitarbeitern 2006 ein Umsatzvolumen von 35 Millionen Euro
erwirtschaftete.627
6.4.3 Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei GmbH
Einen ähnlichen Weg wie die Schloemer GmbH beschreitet die Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik. Eickhoff gehört wahrscheinlich zu den traditionsreichsten Unternehmen des Ruhrgebiets. Allein schon die 144-jährige Firmengeschichte deutet darauf
hin, dass es sich hierbei um ein Unternehmen handelt, dass die Industrialisierung im
Cluster von Bergbau, Stahlindustrie und Maschinenbau aktiv mitgestaltet hat. 1864
624
Siehe FORUM MITTELSTAND (Hrsg.) 2007
Zitiert nach FORUM MITTELSTAND (Hrsg.) 2007. Das Röhrenwerk Kupferdreh Carl
Hamm GmbH ist im Rahmen der unternehmerischen Neuausrichtung aus dem Bergbau
heraus seit 2002 Mitglied der Wasserwirtschaftsinitiative des Landes NRW
626
Siehe EWG – Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft und Netzwerk Unternehmenssicherung (Hrsg.) 2007, im Nachrichtendienst vom 12.10.2007
627
Ebenda
625
199
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
wurde Eickhoff in Bochum als Eisengießerei gegründet und lieferte für den Bergbau
Räder für Grubenwagen.
Seine Bergbausparte hat Eickhoff niemals aufgegeben. Nach wie vor werden im
Segment Bergbautechnik Walzenlader, Teilschnittmaschinen und Baggeranbaufräsen hergestellt. Als Marktführer von Bergbaumaschinen der schneidenden Gewinnung bietet Eickhoff ebenso auch robuste Getriebe zum Antrieb von Strebförderern
an. Dennoch war – aufgrund der Krisenerscheinungen des Bergbaus und der daraus resultierenden schwankenden Nachfrage- und Absatzlage – Eickhoff auch
stets bemüht, seine Abhängigkeit von nur einem Großkunden zu minimieren.628
So versuchte Eickhoff schon Mitte der 1970er Jahre die enge Bindung an den Bergbau mit Produkten für andere Wirtschaftzweige, wie etwa der Produktion von Verpackungsmaschinen zu reduzieren. Dieser Strategie – sich vom Produktportfolio her
möglichst breit aufzustellen, zugleich jedoch das traditionelle Kerngeschäft operativ
weiterzuführen – ist Eickhoff bis auf den heutigen Tag treu geblieben. Hierzu Heinrich DENNINGER (2005), Betriebsratsvorsitzender von Eickhoff Bochum bei einer
Veranstaltung der IG Metall: „Für uns sind zwei Dinge entscheidend gewesen: Als
Bergbauzulieferer auch auf neue Märkte zu kommen und einen permanenten Verbesserungsprozess in Gang zu halten“629 Im Laufe der letzten 20 Jahre musste sich
die Firma Eickhoff entscheidend verändern, bzw. ihre Geschäftsfelder und damit
auch ihre Unternehmensorganisation restrukturieren. Denn noch vor „20 Jahren hat
Eickhoff 100 Prozent Bergbau geliefert. Und davon ging die Hälfte ins Inland. Das
Inland ist nun fast völlig weggefallen. Heute spielt es nur noch eine Rolle mit unter
zehn Prozent im Bergbau. Der Rest ist Export,“630 so Geschäftsführer
RHEINLÄNDER (2007) im Interview im Deutschlandradio.
Im Jahre 2002 wurde die Eickhoff-Gruppe neu strukturiert, wobei die Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei GmbH nunmehr als übergeordnete Administrationseinheit von vier operativen Gesellschaften agiert.
Bei den operativen Gesellschaften handelt es sich um die
¾ Eickhoff Bergbautechnik GmbH
mit den Geschäftsfeldern Entwicklung, Konstruktion und Herstellung von
Walzenladern und Teilschnittmaschinen für den Berg- und Tunnelbau.
¾ Eickhoff Maschinenfabrik GmbH
628
VDMA (Hrsg.) Handbuch der Investitionsgüterindustrie 2008, S. 75
Zitiert nach IG METALL Bezirk NRW (Hrsg.) 2005 vom Vortrag von DENNINGER, Heinrich, Betriebsratsvorsitzender Gebr. Eickhoff GmbH in Bochum auf der IGM Dialogveranstaltung für Betriebsräte der Bergbautechnik am 9.11.2005 in Hamm.
630
Zitiert nach DEUTSCHLANDFUNK (Hrsg.) 2007 im Gespräch mit RHEINLÄNDER, Paul,
Geschäftsführer der Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei GmbH
629
200
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Gerade an dem Geschäftsfeld Antriebstechnik wird deutlich, dass Eickhoff
mit dieser Kernkompetenz ein breites Branchenspektrum anzielt, indem kundenspezifische Getriebelösungen für nahezu alle industriellen Anwendungen
entwickelt werden – verbunden mit einem umfassenden Antriebsengineering.
¾ Eickhoff Gießerei GmbH
Produktion von Gussteilen in Einzel- und Serienfertigung, für Anwendungen
im Maschinenbau, der Ölhydraulik, bei der Antriebstechnik, im Armaturenund Pumpenbau, aber ebenso auch im Segment Bergbau- und Kunststoffmaschinen.
¾ Schalker Eisenhütte Maschinenfabrik GmbH
Positioniert sich als Weltmarktführer für emissionsvermeidende Technologien
im
Segment
Kokereibedienungsmaschinen
und
SpezialSchienenfahrzeugen. Hierzu ist es erforderlich, innovativen Maschinenbau
mit Elektrotechnik zu verbinden, um somit den technologischen Vorsprung
weiterhin auszubauen. 631
Die Organisation der Geschäftsfelder ermöglicht es, dass sie in einem Leistungsverbund bei der Erstellung der unterschiedlichen Produkte zusammenwirken können. Dies schafft für die Eickhoff GmbH Synergien, so dass eine kosteneffiziente
Produktion von Einzelteilen über Baukomponenten bis hin zu kompletten Anlagen
möglich wird. Auch hierbei dominiert das tragende Prinzip der Kundenorientierung:
alles aus einer Hand anzubieten.632 Ein weiteres entscheidendes Moment der erneuten Wettbewerbsfähigkeit, nach den durch die Bergbaukrise verursachten Einbrüchen, wird dadurch realisiert, dass die Kernkompetenzen systematisch auf Exportmärkte hin ausgebaut werden und in verschiedenen Bereichen eine hohe Fertigungstiefe existiert.633 Indem Zwischenprodukte – die zur Produktion erforderlich
sind – im unternehmenseigenen Leistungsverbund hergestellt, bzw. auf einer tieferen Produktionsstufe vorgefertigt werden, gelingt es in der Regel, über die erforderliche Wertschöpfungskette den auf den einzelnen Stufen realisierten Mehrwert zu
sichern.
Ein gutes Beispiel für die Effektivität dieser Strategie den Werttreiber Fertigungstiefe, zur Sicherung von Kernkompetenzen und Know-hows auszubauen, bietet im
Wirtschaftszweig der Automobilindustrie der globale Marktführer Toyota. Dies auch
ungeachtet eines ansonsten sehr effizient gestalteten Lean Managements mit allen
631
Siehe dazu das detailierte Firmenprofil unter EICKHOFF Gruppe (Hrsg.) 2008
Ebenda
633
IG METALL Bezirk NRW 2005 (Hrsg.) und dort DENNINGER, Heinrich, Betriebsratsvorsitzender Gebr. Eickhoff GmbH in Bochum auf der Dialogveranstaltung für Betriebsräte der
Bergbautechnik am 9.11.2005 in Hamm
632
201
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Outsourcingtendenzen an die Zulieferer.634 Allerdings zeigt sich bei entsprechender
Kapazitätsauslastung auch die Grenze dieser Strategie. So wird gegenüber der Eigenherstellung der relevanten Vorprodukte und Fertigungsschritte ab einer gewissen Kapazitätsauslastung, der Fremdbezug von Leistungen und Know-how zunehmend wirtschaftlicher. Aber auch die Kürze der Entwicklungszyklen spricht für eine
Externalisierung von Produktionsstufen an das Zulieferersegment.
RHEINLÄNDER, Geschäftsführer der Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei GmbH hierzu: „Wir müssen mit diesen kürzeren Entwicklungszyklen mithalten. Dabei bauen wir sehr stark auf unsere externe Vernetzung. Zum einen sind dies
Forschungsinstitute, mit denen wir zusammenarbeiten und zum anderen Zulieferer,
die als Technologietreiber fungieren. Es wird immer wichtiger, Partnerschaften zu
bilden, auch international, denn viele High-Tech-Produkte, die eingesteuert werden,
kommen inzwischen aus dem Ausland.“ 635 (RHEINLÄNDER 2007)
Ein weiterer Grund für die gute Aufstellung der Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und
Eisengießerei GmbH besteht aber auch darin, dass gemeinsam mit dem Betriebsrat
eine weitsichtige Personalentwicklung betrieben wird. Denn ohne exzellente Mitarbeiter lässt sich der Wettbewerb weder auf dem heimischen Markt noch auf internationalen Märkten gewinnen. So ermöglicht es die enge Zusammenarbeit mit den
Hochschulen, dass dem Unternehmen Spitzenkräfte zugeführt werden, die dann
unternehmensintern gescreent und weiter ausgebildet werden. Überdies ist Eickhoff
ständig bemüht, die Spitzenkräfte an das Unternehmen zu binden, indem neben den
Karrieremöglichkeiten, die Organisation so strukturiert ist, dass der Verantwortungsund Entscheidungsbereich für leitende Mitarbeiter weit offener konzipiert ist, als bei
großen Konzernen. Ein weiterer Faktor des Erfolges besteht in der Prozessorganisation der Technologieentwicklung.636
Da im Rahmen globalisierter Märkte sich viele Technologietreiber im Ausland befinden, ist es entscheidend, dass auf diesen Märkten vor Ort die Entwicklungstendenzen aufgegriffen und die Anforderungen eruiert bzw. definiert werden, so dass sie in
den Konstruktionsbereich einfließen können. Überdies – so RHEINLÄNDER – „setzen wir auf die permanente Entwicklungsschleife: Konstruktion – Produktion – Service. Sie ist letztlich entscheidend, um gute Produkte herzustellen. Dieser Kreislauf
wird zunehmend internationaler, obgleich wir in Deutschland oft die besten
Konstruktionsingenieure haben ...Unser Haus ist sehr technisch getragen, d.h. unsere Ingenieure sind permanent draußen beim Kunden vor Ort. Dadurch werden
634
Siehe zu Toyota und Outsourcing die Arbeit von BECKER 2008
RHEINLÄNDER zitiert nach MASCHINENMARKT (Hrsg.) 2007a zu den Innovationserfordernissen im Mittelstand.
636
WAZ NEWMEDIA (Hrsg.) 2006 Unternehmensporträt Eickhoff von Weeke, Michael: Eickhoff für Quantensprung gerüstet, vom 28.09.2006
635
202
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Entwicklungen, auf die es zu reagieren gilt, sehr rasch wahrgenommen“.637
(RHEINLÄNDER 2007)
Angesichts der schwächeren heimischen Nachfrage nach bergbauspezifischen Produkten ist Eickhoff derzeit in vier unterschiedlichen Nischenmärkten tätig, wobei –
wie der Geschäftsführer betont – die einhergehende Diversifikation der Risikominimierung dient, aber auch das Kerngeschäft wurde erfolgreich neu ausgerichtet.
Spezialmaschinen für den Berg- und Tunnelbau waren schon immer eine der Kernkompetenzen von Eickhoff, so dass man sich wieder auf die Stärken besann. Auf
die zunehmenden Absatzverluste am deutschen Markt reagierte Eickhoff mit der
verstärkten Orientierung auf internationale Märkte, so dass mittlerweile weit mehr
als 50 Prozent des Umsatzes mit dem Export gemacht werden und 90 Prozent des
Umsatzes der Hauptsparte Bergbautechnik auf den Exportmärkten erwirtschaftet
wurde.638 Daran zeigt sich, dass gerade dieses angestammte Geschäftsfeld über die
Jahre an Profitabilität gewinnen konnte.
Der Betriebsratsvorsitzende Gebr. Eickhoff GmbH dazu: „Der Betriebsrat hat bei der
Neuausrichtung in den Arbeitsgruppen entscheidend mitgearbeitet“.639 (DENNINGER 2005). So gelang es gemeinsam das Unternehmen international wettbewerbsfähig in diesem Marktsegment zu positionieren. Dass die Bergbaumaschinen
weltweit so gefragt sind, liegt zum einen an dem technologisch führenden Standard
des Marktführers, zum anderen jedoch an der kundenorientierten Produktion. Eickhoff fertigt seine Abbaumaschinen passgenau für Anforderungen der jeweiligen
Kunden. „In Russland wollen sie eine Maschine besonders robust haben. Sie soll
unter allen Umständen laufen können. In Australien beispielsweise wird sehr viel
mehr Elektronik eingesetzt zur Automatisierung der Betriebe.“640 (RHEINLÄNDER
2007) Gerade die erfolgreichen Exportaktivitäten verweisen wiederum darauf, dass
der heimische Bergbau sowohl für Eickhoff, als auch für andere Unternehmen, die
ihre Kernkompetenzen in der Bergbautechnik haben, von wesentlicher Bedeutung
ist.641
RHEINLÄNDER (2007) hierzu: „Ohne den heimischen Bergbau fällt der entscheidende Technologietreiber weg. Denn High-Tech im Kohlebergbau ist ohne die Entwicklungspartnerschaft mit der DSK kaum denkbar. Wir haben bisher mit der DSK
sehr interessante Entwicklungen betrieben, die dann auch an den Weltmarkt rausgingen. Darüber hinaus fällt ein wichtiges Erprobungsfeld weg. Es ist sehr viel einfacher, einen Prototypen in der Entfernung von 20 Kilometern zu erproben als eben in
637
RHEINLÄNDER zitiert nach MASCHINENMARKT( Hrsg.) 2007b
GEBR. EICKHOFF Gruppe (Hrsg.) 2008
639
DENINGER zitiert nach IG METALL Bezirk NRW 2005 (Hrsg.) auf der Dialogveranstaltung für Betriebsräte der Bergbautechnik am 9.11.2005 in Hamm
640
RHEINLÄNDER, Geschäftsführer der Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei
GmbH, zitiert nach DEUTSCHLANDRADIO (Hrsg.) 2007
641
INTERVIEW VERBANDSVERTRETER IV
638
203
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Australien oder China. Die logistischen Leistungen, die Hilfe, die im Engineering von
solchen Betreibern kommt, ist fast unersetzbar.“642
Allerdings ist zu befürchten, dass bei vollständigem Wegfall des Bergbaus in
Deutschland auch Eickhoff möglicherweise einen Referenzbergbau in Kundennähe
suchen wird. Denn schon heute entsprechen manche Bedingungen, die bei ausländischen Kunden berücksichtigt werden müssen, nicht mehr in vollem Umfange den
Parametern, die im heimischen Bergbau vorhanden sind. Insofern könnte sich mit
der Expansion dieses lukrativen Geschäftsfeldes über die Jahre auch eine allmähliche Verlagerung in die Kundenregionen ergeben, da hier die authentischen Anforderungsbedingungen existieren, die beim Wegfall des heimischen Bergbaus auch
kaum noch zu simulieren wären.643
Die erforderliche Diversifikation, um mehr Sicherheit durch eine breitere Aufstellung
in verschiedensten Nischen zu erlangen, gelang Eickhoff vor allem in der Windkrafttechnologie. Hierbei spielte die Erfahrung aus 140 Jahren Bergbautechnik eine Erfolgstreiberrolle. Die Produktion von Industriegetrieben – eines der Hauptgeschäftsfelder im Bereich Bergbautechnik – stand hierbei Pate. So war Eickhoff schon in den
1990er Jahren bestrebt, sich ein neues mittlerweile, höchst profitables Standbein, zu
verschaffen. Seit Mitte der 1990er Jahre beliefert Eickhoff die führenden Hersteller
von Windkraftanlagen mit Getrieben, die die Kraft der Rotoren in die Stromerzeugung umsetzen. Damit konnte Beschäftigungsverlust im Bergbau-Segment ausgeglichen werden. Mittlerweile stieg die Anzahl der Beschäftigten bei Eickhoff sogar
auf rund 1000 Mitarbeiter an und der international zukunftsträchtige Markt Windkraftanlagen ermöglicht es Eickhoff, in dem Geschäftsfeld Windkraftgetriebebau,
erhebliche Gewinne zu erwirtschaften. Fast die Hälfte des gesamten Unternehmensumsatzes wird heute mit diesem Geschäftsfeld bestritten.644
Da davon auszugehen ist, dass die regenerativen Energien weiterhin boomen werden, wird Eickhoff mit dem Markt wachsen müssen, was Kapazitätssteigerungen
unumgänglich macht. Eine solche Kapazitätssteigerung lässt sich jedoch im
Stammwerk in Bochum keineswegs mehr bewältigen. Um der erheblichen Nachfrage in den kommenden Jahren auch entsprechen zu können, investierte Eickhoff
deshalb im vergangenen Jahr in Klipphausen (Bundesland Sachsen) in eine neue
Fertigungsanlage, die 2009 fertig gestellt sein wird. Der Aufbau eines solch effizienten strategischen Geschäftsfeldes im Zuge der Diversifizierung mit einer zukunftsorientierten internationalen Ausrichtung, konnte allerdings nur aufgrund der engen
Kooperation zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung gelingen. „Das Getriebe-
642
RHEINLÄNDER 2007 zitiert nach MASCHINENMARKT (Hrsg.) 2007
INTERVIEW MINISTERIUMSVERTRETER II und VERBANDSVERTRETER IV
644
IGM NRW (Hrsg.) 2005 Dokumentation Strukturwandel Bergbautechnik – Zukunft von
Unternehmen und Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen? Dialogveranstaltung für Betriebsräte der Branche Bergbautechnik am 09.11.2005 in Hamm, IGM Bezirk - Betriebsrat Eickhoff
643
204
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
geschäft ausbauen – das passte einfach ins Konzept“, so Betriebsratsvorsitzender
DENNINGER (2007).645 Dies auch insofern, da es sich bei der Getriebeproduktion
nicht um eine völlig neue Produktlinie handelte, die für einen Newcomer erhebliche
Investitionskosten in Produktionsanlagen und Ausbildung sowie verstärkte Transaktionskosten im Hinblick auf Organisation und Know-how bedeutet hätten. All dies
war im Rahmen der Kernkompetenzen im Unternehmen vorhanden und konnte zielführend auf den neuen Markt ausgerichtet werden. Außerdem konnte der Mittelständler Eickhoff Jahrzehnte lange Erfahrungen hinsichtlich eines flexiblen Agierens
in Nischenmärkten einbringen und ist nicht zuletzt aufgrund seiner Organisationsund Unternehmenskultur, die der Qualifizierung der Beschäftigten wie der Optimierung der Prozesse in Form eines unternehmenseigenen Verbesserungssystems
(EVA – Eickhoff-Verbesserungs-Aktion für Alle) einen hohen Rang einräumt, etlichen Großkonzernen hinsichtlich eines flexiblen Reagierens auf neue Marktgegebenheiten durchaus überlegen.
Die Gründe hierfür liegen in der permanenten Optimierung der Produktionsorganisation und in Verbindung damit, in dem Leitbild des Unternehmens, dass seine Mitarbeiter als wichtigstes Kapital auffasst. Dies verschafft den erheblichen Flexibilitätszuwachs der erforderlich ist, um innovativ in andere Geschäftsfelder hineinzuwachsen. Mit dem Instrument EVA gelang es Eickhoff seit 1997 kontinuierlich Verbesserungsprozesse zu initiieren, so dass der Zeitaufwand einiger Montageprozesse sich
sogar um 50% verkürzte.646 Hieran wird deutlich, dass eine unternehmenspolitisch
so entscheidende Weichenstellung, wie eine Neuausrichtung auf zukunftsfähige
Geschäftsfelder zum einen an bestehende Kompetenzen der Produktion und der
Personalorganisation anknüpfen sollte, dass sie andererseits nur dann erfolgreich
sein kann, wenn eine Basis enger, vertrauensvoller und partnerschaftlicher Kooperation von Geschäftsleitung und Betriebsrat existiert.
645
DENNINGER zitiert nach IG Metall 2007: „Wir haben die Krise in der Bergbautechnik
gemeistert, indem wir uns ein neues Standbein geschaffen“ In: IG Metall - Arbeit durch
Innovation 2007
646
IGM NRW (Hrsg.) 2005. Dokumentation Strukturwandel Bergbautechnik – Zukunft von
Unternehmen und Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen? Dialogveranstaltung für Betriebsräte der Branche Bergbautechnik am 09.11.2005 in Hamm
205
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
6.4.4 Flender AG
Die Flender AG mit Firmensitz in Bocholt ist einer der weltweit führenden Hersteller
von Komponenten wie kompletten Antriebssystemen der mechanischen und elektrischen Antriebstechnik für nahezu alle Industrieanwendungen. Neben der Fördertechnik fungiert Flender in seiner gut hundertjährigen Firmengeschichte mittlerweile
als Partner in Fragen der Antriebstechnik in einer Vielzahl von Branchen, wie der
Automobilindustrie, Chemie, dem Schiffsbau, der Papierindustrie, der Zementbranche und der Rohstoffindustrie.647
Flender schaffte sich schon frühzeitig ein weiteres Standbein neben dem Hauptgeschäftsfeld, der Belieferung des Bergbaus mit Spezialgetrieben. Ähnlich der Gebr.
Eickhoff Maschinenfabrik, sah auch Flender in den frühen 1990er Jahren – auf der
Grundlage der erworbenen Kompetenzen in der Bergbautechnik – die Chance im
Segment neuer Energien neue Absatzmärkte zu erschließen. Da die Nachfrage der
Windenergie-Industrie nach den Getrieben der Firma Flender stark anstieg, gründete Flender ein Tochterunternehmen, die Winergy AG, das heute im zweistelligen
Bereich wächst.648 Mittlerweile entwickelt sich das Unternehmen zu einem Komplettanbieter, der im Segment Windkraft alle Maschinenteile, die für eine Windkraftanlage nötig sind, produziert und einbaut. Aufgrund der eigenen Erfahrungen rechnet der Geschäftsführer der Flender AG, Mathias WENNING, auch nicht mit Beschäftigungsrückgängen bei gut aufgestellten Bergwerkszulieferern oder mit erheblichen Verwerfungen bei der Beschäftigung von Fachkräften des Maschinenbaus.
"Der Maschinenbaubranche geht es sehr gut. Wir haben eher einen Mangel an fähigen Mitarbeitern". Zudem gelingt es den Maschinenbauern aufgrund ihres Knowhows sich auch erfolgreich auf internationalen Märkten aufzustellen, da der „Ruf der
Branche international ausgezeichnet [ist]“.649 (WENNING 2006)
Die entscheidende Voraussetzung, um sich nach der Erprobungsphase im neuen
Markt weiter etablieren zu können, besteht jedoch darin, dass der Kompetenzstandard ständig weiterentwickelt wird. Hierbei sind die Mitarbeiter die wichtigste Ressource. Aus diesem Grunde sieht die Flender AG, wie auch andere erfolgreich in
globalen Märkten sich bewegende Unternehmen, die Weiterqualifizierung der Mitarbeiter als eine kardinale Aufgabe an. Denn die stets neuen Anforderungen der internationalen Kunden erfordern ein breites und fundiertes Ausbildungsprofil. So lässt
sich nach KADASHI eine ständige Verbesserung des Leistungsangebotes gewährleisten. Denn die erforderliche technologische Innovation muss flankiert sein durch
eine ebenso innovative Personalentwicklung. Kontinuierliche Qualifizierungs-
647
FLENDER AG (Hrsg.) 2008a
FLENDER AG (Hrsg.) 2008b
649
WENNING zitiert nach WDR 5 (Hrsg.) 2006, im Gespräch mit Flocke, Jeanine. Dokumentation zu den Perspektiven der Bergbauzulieferer in der Sendung vom 14.12.2006
648
206
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
prozesse sichern die Möglichkeit ein stark diversifiziertes Produktportfolio global
anzubieten.650
Analog dazu wird auch bei Fender der Servicebereich, der weltweit in über 80 Tochterfirmen und Niederlassungen abgewickelt wird, als ein wichtiger Erfolgstreiber
betrachtet, um in globalen Märkten präsent zu sein. Dieser After Sale Bereich wird
mit seiner Servicekompetenz als ein überaus relevantes Scharnier für den Vertrieb
und eine langfristige Kundenbindung betrachtet.651 Flender, wie auch andere Bergbauzulieferer, die frühzeitig ihre Ausrichtung hinsichtlich der Geschäftverbindungen
mit dem heimischen Bergbau neu justierten und sowohl mit ihren Kernkompetenzen
neue Märkte anzielten und zusätzlich ihr Produktportfolio ausweiteten, verdeutlichen, dass eine solche Neuausrichtung erhebliche Konsequenzen für die Unternehmensorganisation hat.652
Neben der grundsätzlichen Entscheidung welche Produkte synergetisch sinnvoll –
und damit kostengünstig und mit relativ geringem Organisationsaufwand behaftet –
hinsichtlich der operativen Geschäftsfelder das Produktportfolio ergänzen könnten,
ist eine hohe Aufmerksamkeit auf die Kundenschnittstellen und die Vertriebs und
Produktionsschnittstelle zu richten. Dies gilt insbesondere für die Qualifizierung und
Ausbildung der Beschäftigten. Prototypisch hierfür ist wiederum die Flender AG.
Nach Aussage des Betriebsratsvorsitzenden Andreas WENDLANG dachte das Unternehmen in einer Krisensituation darüber nach, aufgrund der geringeren Lohnkosten, Teile der Produktion ins Ausland auszulagern. Demgegenüber macht der Betriebsrat deutlich, dass es andere Strategien der Produktivitätssteigerung als ein
bloßes Outsourcing gäbe, nämlich auf Innovation, Qualität und Qualifikation zu setzen. 653 Die Erfahrung der Mitarbeiter zeigt, dass die Lohnkosten gegenüber der
Qualität und punktgenauen Lieferung der Getriebe, eine untergeordnete Rolle spielten. Wettbewerbsvorteile konnte sich das Unternehmen nur durch Qualität, Termintreue und Service sichern. Organisatorisch bedeutete dies, dass die Arbeitszeiten
sinnvoll flexibilisiert wurden und verstärkt in Qualifizierung investiert wurde, was
wiederum die Innovationsfähigkeit des Unternehmens stärkte. Das Ergebnis dieser
strategischen Intervention des Betriebsrates bestand darin, dass Flender in den
letzten vier Jahren einen Umsatz in Rekordhöhen erreichte und aufgrund des Kapazitätsausbaus die Zahl der Beschäftigten in Bocholt um gut 250 wuchs.654
650
Siehe KADASHI 2006, S. 174f.
Siehe Pressemitteilung der WIND ENERGY AG (Hrsg.) 2008 vom 27.10.2008
652
WDR 5 (Hrsg.) 2006 WENNING im Gespräch mit Flocke, Jeanine. Dokumentation zu den
Perspektiven der Bergbauzulieferer vom 14.12. 2006 Siehe zum Thema der innerbetrieblichen Kompetenzentwicklung und Innovationsstrategien beispielsweise auch MULITZE 2005,
S. 10
653
IG Metall Bezirksleitung NRW (Hrsg.) 2005 – Dokumentation des Workshops mit Betriebsräten
654
FLENDER AG (Hrsg.) 2006. Newsletter, Ausgabe vom 09.08.2006
651
207
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Ein weiterer Faktor, der bei Flender die Innovationsdynamik sicherstellt, besteht
darin, dass Flender über ein entwickeltes betriebliches Vorschlagwesen verfügt.
Darin spiegelt sich die Unternehmenskultur insofern, als dass Flender in der Belegschaft ein hohes Ideenpotenzial sieht, das es gezielt gilt, im beiderseitigen Interesse
zu nutzen. Das Ziel besteht darin, Verbesserungspotenziale in den Prozessabläufen
herauszukristallisieren und somit zur Optimierung des gesamten Organisationsablaufes aller Organisationseinheiten (Produktion, Dienstleistung und Service, Einkauf
und Verkauf sowie der Verwaltung) und nicht zuletzt der Kommunikation im gesamten Unternehmen beizutragen. Der Erfolg des betrieblichen Vorschlagswesens lässt
sich immerhin auf einen Betrag von durchschnittlich 800.000 EURO – bei durchschnittlich 1.000 Vorschlägen pro Jahr beziffern.655 Auch daran zeigt sich, dass eine
Neuaufstellung sinnvoller Weise durch Organisationsstrukturen flankiert werden
sollte, die zum einen eine unmittelbare Mitarbeiterbeteiligung im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses sicherstellen und zum anderen die Kompetenzen des Betriebsrates hinsichtlich der Entwicklungschancen des Unternehmens
in einem gemeinsamen Diskurs einspeisen.656
6.4.5 Bochumer Eisenhütte Heintzmann
Geradezu paradigmatisch kennzeichnend für ein solches Vorgehen, sind auch die
Entwicklungsprozesse der Neuausrichtung der Bochumer Eisenhütte Heintzmann.
Die Bochumer Eisenhütte ist seit mehr als 155 Jahren im Besitz der Familie
Heintzmann. Das mittelständische Unternehmen in Bochum ist Teil einer weltweit
agierenden Unternehmensgruppe und ein weltweiter Spezialist in Sachen Stahl.
Das Produktportfolio der einzelnen Unternehmen der Heintzmann-Gruppe spannt
sich gegenwärtig vom originären Bereich der Bergbautechnik, über die Wärmebehandlung, die Sicherheitstechnik, den Anlagenbau- und Tunnelausbau bis hin zur
Straßenausstattung, Baustellenabsicherung und Lärmschutz. Seit mehr als 155 Jahren ist die Bochumer Eisenhütte Heintzmann aber in erster Linie dem Bergbau verbunden. Ihr marktführendes Produkt ist das 1932 von Heinrich Toussaint und Egmont Heintzmann erfundene TH-Ausbausystem, das bei kontinuierlicher Verbesserung der Technik bis auf den heutigen Tag im Stollen- und Tunnelbau eingesetzt
wird. Da seit 1955 die Grubenausbauprofile von der Bochumer Eisenhütte
Heintzmann vergütet werden, kann das Unternehmen auf eine Jahrzehnte währende Erfahrung in der Stahlbehandlung bauen.657
655
Siehe dazu MERIAN 2007, S. 14
Eine ausführliche Analyse der Innovation steigernden Potenziale der betrieblichen Vorschlagswesen liefern JENTGENS, KAMP 2004
657
Siehe BOCHUMER EISENHÜTTE HEINTZMANN (Hrsg.) 2008 zur Gesamtübersicht der
Unternehmensaktivitäten
656
208
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Die enge Bindung des Unternehmens an den Bergbau führte jedoch in den 1980er
und 1990er Jahren zu erheblichen Krisen – immerhin war die Eisenhütte
Heintzmann zu Beginn der 1990er Jahre noch zu 90% abhängig vom Nachfragevolumen des Bergbaus. Der entscheidende Einschnitt geschah 1992, als die damalige
Ruhrkohle Bergbau AG (RBAG) beschloss, nur noch Stützmittel und nicht mehr in
die Strebtechnik der Bochumer Eisenhütte Heintzmann zu investieren. Um den
Rückgang der Nachfrage abzufedern, versuchte das Unternehmen gemäß den
Empfehlungen
des
Konzerns,
sich
auf
seine
Kernkompetenz
der
Stützprofileherstellung zu konzentrieren. Der Rückgang der Nachfrage führte 1996
dazu, dass die Eisenhütte ihre Beschäftigtenzahl von ehemals 650 Mitarbeitern auf
nur noch 160 Mitarbeiter reduzieren musste. Zwar war die Eisenhütte noch bis 2002
ein reiner Bergbauzulieferer, aber schon Ende der 1990er Jahre erkannten Betriebsrat und Geschäftsleitung, dass die Auftragsrückgänge letztlich das Aus für das Unternehmen bedeutet hätte. Also musste nach Alternativen gesucht werden. „Wir
waren uns immer einig, dass wir nur nach vorne marschieren können“, so Benno
BARGMANN, der Betriebsratsvorsitzende der Eisenhütte.658 Um Neuorientierung
und Umstrukturierung leisten zu können, wurde ein Arbeitskreis „Neue Produkte und
Innovation“ gebildet, in dem gemeinsam mit der Geschäftsleitung, die strategischen
Potenziale eruiert wurden.659 (BARGMANN 2005)
Aufgrund der gewachsenen Erfahrung in der Stahlvergütung lag es nahe, auf diesem Wege voranzuschreiten und neue Methoden und Techniken der Wärmebehandlung zu entwickeln.660 Denn qualitativ hochbelastbares Material findet in einem
breiten Spektrum industrieller Anwendungen Verwendung. Allerdings wollte sich die
Eisenhütte nicht wieder von einem Großkunden abhängig machen, sondern strebte
mit Erfolg einen differenzierten Kundenkreis an. Entscheidend für die Realisierung
dieses neuen Geschäftsfeldes war zum einen die enge Kooperation von Betriebrat
und Geschäftsleitung und im Hinblick auf die Kundengewinnung die Unterstützung
des Unternehmens mit Hilfe der Technologieberatungsstelle beim DGB661 in NRW
und der Ruhr-Universität Bochum.
Neben der wissenschaftlichen Beratung im Hinblick auf die Gewinnung von Markttransparenz, möglichen Absatzmärkten und Kundenwünschen bezüglich der Produktbeschaffenheit, war es aber ebenso erforderlich, organisatorische Veränderungen vorzunehmen. Zum einen musste die Produktion optimiert und Prozessabläufe
658
IGM Bezirk NRW (Hrsg.) 2005
BARGAMMN, Betriebsratsvorsitzender Bochumer Eisenhütte Heintzmann zitiert nach
IGM Bezirk NRW (Hrsg.) 2005 auf der Dialogveranstaltung für Betriebsräte der Bergbautechnik am 9.11.2005 in Hamm..
660
Siehe WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU (Hrsg.) 2006 im Report zu den Bergbauzulieferbertrieben von 28.03.2006.
661
Die TBS wurde von Gewerkschaften sowie dem ehemaligen Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) gegründet. Zentrales Ziel der TBS die Gestaltung und Förderung eines arbeitsorientierten und sozialverträglichen Strukturwandels in NRW.
659
209
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
neu organisiert werden, um die Präzision bei den Produkten (kleinere Toleranzen)
erheblich zu verbessern, zum anderen wurden erhöhte Anforderungen an die Mitarbeiter bezüglich der Erhöhung der Qualität der Produkte gestellt. Dieses erforderliche Qualifikationsprofil wurde durch die Einführung von internen Schulungsprogrammen und Weiterbildungsmaßnahmen unterstützt. Hierfür bürgt der gemeinsame Dialog mit der Geschäftsleitung. Angesichts des Erfolges in dem Geschäftsfeld Materialveredelung, das – angeschoben vom Betriebsrat – 40% des Gesamtumsatzes der Eisenhütte Heintzmann ausmacht und dem Beschäftigungszuwachs
auf mittlerweile 250 Beschäftigten, sind die Mitarbeiter bereit, sich flexibel auf die
neuen Arbeitsbedingungen einzustellen, sich um- und weiterbilden zu lassen und
auch auf neue Arbeitsplätze zu wechseln. Insofern können die Restrukturierungsprozesse bei der Bochumer Eisenhütte als paradigmatisch für ein – auf einer beteiligungsorientierten Unternehmenskultur basierendes – erfolgreiches Change Management betrachtet werden.662 Es zeigt sich, dass der eingeschlagene Weg der Diversifikation den Akteuren recht zu geben scheint, die Ausbildungsquote konnte auf
10% angehoben werden, die Umsatzzahlen steigen, es werden neue Kunden akquiriert und es wird zur nachhaltigen Unternehmenssicherung verstärkt in Produktionsanlagen und Weiterbildung investiert.663
6.4.6 SMT Scharf AG
Wie das nächste Fallbeispiel zeigt, ist ein weiteres Kennzeichen der Hauptsparten
der industriellen Bergbauzulieferbetriebe Bergbautechnik und Maschinenherstellung
ihre enge Verflechtung mit den innovativen High-Tech Branchen ihrer Vorleistungsindustrien. Ebenso wichtig wie die Vorleistungsstufen im Bereich der Metallverarbeitenden Industrie, sind die der Chemie und der Kunststoffverarbeitung. Aufgrund des
ständigen Austausches von Forschungs- und Entwicklungs-Know-how lassen sich
gemeinsame Wertschöpfungsprozesse organisieren. Insofern lässt sich zwischen
Bergbau, Zulieferindustrie und High-Tech Branchen ein Vernetzungsgrad konstatieren, der durchaus – wenn auch nicht unbedingt räumlich eng lokalisiert – Clustereigenschaften aufweist. Dies im Hinblick auf die Bildung direkter mehrwerterhöhender
strategischer Allianzen, als auch hinsichtlich der Kompetenzerweiterung durch Synergien die sich bei der Kooperation bilden. Der Maschinenbau ist nicht nur selbst
ein großer Cluster, er integriert auch die Ergebnisse anderer Clusterbereiche, wie
zum Beispiel Nano-, Mikro- und Umwelttechnologien, in marktfähige Produkte und
Anlagen.664
662
Siehe dazu GERSTLBERGER 2007, S. 225.f
Dazu SUSTAIN CONSULT 2005, S. 17-23
664
FESTGE, Reinhold, Vorsitzender des Vorstandes zitiert nach HANDGE 2007, S. 2
663
210
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Trotz der hohen Fertigungstiefe, die im Maschinen- und Anlagebau üblich ist, sind
die Unternehmen dieser Branche, insbesondere die der Sparte Bergbautechnik,
strategisch genötigt (wie z.B. Eickhoff belegt), auf die Informations- und Kommunikationstechnologien und das produktbezogene Know-how der mit ihnen vernetzten
Spezialisten zurückzugreifen.665 Denn ihr Leistungsangebot, dass sich in zunehmendem Maße auf Komplettlösungen konzentriert, verlangt nach stetig wachsender
Akquisition wissensbasierter Dienstleistungen. „Vertikale Innovationsnetzwerke charakterisieren sich (…) als eine auf Prozess und Vermarktung koordinierte und kooperative Zusammenarbeit von mindestens drei Unternehmen die untereinander in
einem Zulieferverhältnis stehen“ 666 (FESTGE 2007). Ebenso relevant ist der Input
an Kompetenzen aus dem F&E Bereich der Forschung und die Einbeziehung von
Know-how der Kunden. Hierzu ein Beispiel aus dem Geschäftsbereich des deutschen Spezialmaschinenbauers und Weltmarktführers im Produktsegment entgleisungssicherer Bahnsysteme, der SMT Scharf AG.667
Das Unternehmensprofil zeigt die Konzentration des operativen Geschäftes auf den
Untertagebergbau. Die SMT Scharf Gruppe entwickelt, baut und wartet entgleisungssichere Bahnsysteme für den Bergbau und den Einsatz in Tunneln.668 Die
Bahnen werden weltweit vor allem in Steinkohlebergwerken, in Goldminen sowie
beim Abbau von Platin, Diamanten, Kupfer und Nickel unter Tage eingesetzt. Sie
transportieren dort Material und Personal bis zu einer Nutzlast von 35t. Entgleisungssichere Bahnen sind die einzigen, mit denen untertage in verzweigten Strecken Steigungen von mehr als 13 Grad bewältigt werden können. Die SMT Scharf
Gruppe verfügt über eigene Gesellschaften in Deutschland, Polen, Südafrika, China
und Russland sowie weltweite Handelsvertretungen. Die von SMT Scharf entwickelten Bahnen zeichnen sich vor allem durch leistungsstarke Motoren, große erreichbare Transportleistungen sowie geringe Betriebs- und Wartungskosten aus. Mehr
als 70% der Umsätze erzielt SMT Scharf in den rasch wachsenden Auslandsmärkten, wie beispielsweise Russland, China und Südafrika. Das Ersatzteil- und Reparaturgeschäft trägt rund 50% zum Umsatz bei. Durch die fortschreitende Ausbeutung
von Lagerstätten werden wegen zunehmend schwieriger Verhältnisse hochtechnologische Transportlösungen im Bergbau benötigt. Der Markt für die gesamte untertägige Transporttechnik umfasst nach Unternehmensschätzungen 5 Mrd. bis 7 Mrd.
EUR pro Jahr.669
Damit die Unternehmensstrategie aufgeht, ist es allerdings erforderlich, zum einen
durch Übernahme von regionalen Marktführern sich deren Kernkompetenzen und
665
Siehe FISCHER, HUBER 2005, S. 243ff.
Ebenda S. 244
667
Siehe HANDELSBLATT (Hrsg.) 2007 mit dem Artikel „Potenzial unter Tage“ vom
19.12.2007
668
Siehe MINING-REPORTER (Hrsg.) vom 07.06.2009
669
SMT Scharf AG (Hrsg.) 2007, Pressemitteilung vom 08.03.2007
666
211
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Absatzmärkte zu sichern, wie jüngst bei der Übernahme des südafrikanischen
Bergbauzulieferers Sareco Engineering CC, der Marktführer im Segment von Sesselliften für den Bergbau im südlichen Afrika ist. Zum anderen legt SMT großen
Wert auf die Kooperation mit dem heimischen Bergbau und mit hochspezialisierten
Unternehmen beispielsweise der Informations- und Kommunikationstechnologie,
Forschungsinstituten, die den erforderlichen wissenschaftlichem Entwicklungsinput
aus dem Forschungsbereich gewährleisten unter Einbeziehung eigener Kompetenzen. So beispielsweise beim Bau einer automatisierten Dieselkatze.670 Daran waren
nach Auskunft des Unternehmens und der RAG neben DSK-Mitarbeitern, das
Fraunhofer-Institut sowie die Unternehmen Embigence und SMT Scharf selbst beteiligt. Wobei Embigence, als ein Pionier der WLAN-Technologie im Kohlebergbau,
Lösungen für die Untertagekommunikation und den Betrieb von Bergbaumaschinen
auf der Grundlage einer drahtlosen Performance anbietet, mit der ferngesteuerte
und autonome Maschinen betrieben werden können.671 Das Beispiel der SMT
Scharf AG zeigt, dass eine systematische Vernetzung mit den Kooperationspartnern
in Form einer strategischen Allianz zur Entwicklung neuer Produkte unabdingbar ist,
um sich an alten wie neuen Märkten erfolgreich positionieren zu können. Ein diesbezüglich vielfältiges und umfangreiches Leistungsportfolio lässt sich nur im Rahmen verstärkter Vernetzung mit anderen Branchen entwickeln. Zugleich aber zeigt
sich an dieser Entwicklung des Maschinen- und Anlagebaus, dass eine solche strategische Ausrichtung der Geschäftsfelder zwar global überaus erfolgreich ist, jedoch
den Unternehmen selbst einen erhöhten Entwicklungs- Organisations- und administrativen Aufwand abverlangt. Dies führt zwangsläufig dazu, dass kleinere Unternehmen dies nicht mehr leisten können.672 673 Im Hinblick auf eine solche Vernetzungsqualität wird auch deutlich, dass sich die rückläufigen Auftragsvolumina bei den Zulieferern der ersten Ebene der Zulieferer- / Wertschöpfungspyramide, wie der Bergbautechnik auf allen nachgeordneten Ebenen ebenfalls auswirkt, sofern diese ihre
Wertschöpfungsprofile nicht anders ausrichten.
6.5
Bewertung und Identifizierung von Erfolgsfaktoren
Die durchgeführten Recherchen zeigen, dass es Unternehmen, die bei bestehenden
eine gemeinsame Aufarbeitung der Probleme leisten, in der Regel gelingen kann,
die vorhandenen strategischen Potenziale zu erkennen und auf potenzielle Absatzmärkte hin abzubilden. Damit ist ein erster Schritt für die strategische und operative
670
Siehe Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ-Net) (Hrsg.) 2007 „Bahntechnikanbieter SMT
Scharf AG günstig bewertet“ vom 23.07.2007
671
RAG (Hrsg.) 2007, Pressenews vom 05.10.2007
672
Deutschen Steinkohle AG (Hrsg.) 2006. „Befürchtungen des Mittelstands. Mittelstand
setzt auf den Bergbau“ - Durchblick vor Ort für das Bergwerk Lippe
673
Siehe HANDELSBLATT.COM (Hrsg.) 2008 „Bergbauzulieferer leiden heftig“. Vom
11.12.2008
212
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Antizipation der sich einstellenden Herausforderungen getan, zumal dann, wenn die
Notwendigkeit von organisatorischen Veränderungen im Verlauf des Aufbaus neuer
Geschäftsfelder nachvollziehbar reflektiert und deren möglicher Erfolg im Unternehmen kommunizierbar ist. Dies schafft die erforderliche Motivation, um sinnvolle
und überzeugende Restrukturierungsprozesse zu initiieren.674
Denn Umstrukturierungen und Auslagerungen ganzer Geschäftsfelder betreffen
Mitarbeiter und ihre Qualifikationen substanziell, so dass hierbei einvernehmliche
Regelungen und unter Wahrung der jeweiligen Interessenlage gemeinsame Strategien zu entwickeln sind. Insbesondere geht es hierbei um die Möglichkeit von Einflussnahmen auf der Basis eines ständigen Dialoges, in dessen Verlauf Trends in
den vorhandenen oder auch anzuzielenden Geschäftsfeldern zu antizipieren und die
Förderung von innovativen Technologien, hochwertigen Arbeitsplätzen sowie die
Kompetenzentwicklung pro-aktiv voranzutreiben sind. Häufig jedoch scheitert insbesondere bei Kleinunternehmen eine solche Beteiligung von Arbeitnehmern an nicht
vorhandenen betriebsbezogenen Strukturen der Interessenvertretung, da oftmals
die Mitwirkung der Beschäftigten in eher informeller Weise und auf persönlichen
Beziehungen basierend organisiert ist. Bei mittelgroßen Unternehmen, wie etwa der
Eickhoff Maschinenbaufabrik oder auch inhabergeführten Unternehmen, sofern sie
durch eine partnerschaftliche Unternehmenskultur geprägt sind, stützt und fördert
die institutionalisierte Interessenvertretung die aktive Einbeziehung und Mitwirkung
der Beschäftigten.675 Dies bedeutet hinsichtlich der Problemlösungsorientierung ein
neues Selbstverständnis zu erlangen und Kompetenzen in diese Richtung ständig
auszubauen. Mit einer solchen Ausrichtung kann es u. U. KMU gelingen – bei allen
Problemen, wie etwa der Zeitdauer der Umstellungsprozesse, die eine Diversifizierung oftmals benötigt und der Vorfinanzierung eines solchen Change Management
im Rahmen einer Restrukturierung – sich neu aufzustellen.676 Unter solchen Voraussetzungen – begleitet von intensiven Qualifizierungsprozessen, einer fundierten
Innovationskultur, und einer ausgeprägten Kundenorientierung – kann der Wandel
nachhaltig gelingen und ehemaligen Bergbauzulieferbetrieben eine neue zukunftsfähige Marktplattform bieten. Diese Rahmenbedingungen wurden durch Politik und
RAG/DSK mit induziert, denn „…bisher verlief der Rückgang der Kohle recht sanft,
die Unternehmen konnten sich darauf einstellen“ so die RAG/DSK (2006). 677
Das Beispiel der SMT Scharf AG zeigt, dass eine systematische Vernetzung mit den
Kooperationspartnern in Form einer strategischen Allianz zur Entwicklung neuer
Produkte unabdingbar ist, um sich an alten wie neuen Märkten erfolgreich positio-
674
Siehe BLUME und GERSTLBERGER 2007, S. 223
Siehe BEHRENS und KÄDTLER 2006, S. 33
676
Siehe etwa das Beispiel der Franzmann GmbH, Näheres bei KIESELBACH und KNUTH
2009, S. 100ff.
677
Siehe DEUTSCHE STEINKOHLE AG (Hrsg.) 2006 „Mittelstand setzt auf den Bergbau“
Durchblick vor Ort: Bergwerk Lippe, Frühjahrsausgabe
675
213
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
nieren zu können. Ein diesbezüglich vielfältiges und umfangreiches Leistungsportfolio lässt sich nur im Rahmen verstärkter Vernetzung mit anderen Branchen entwickeln. Zugleich aber zeigt sich an dieser Entwicklung des Maschinen- und Anlagenbaus, dass eine solche strategische Ausrichtung der Geschäftsfelder zwar global
überaus erfolgreich ist, jedoch den Unternehmen selbst einen erhöhten Entwicklungs-, Organisations- und administrativen Aufwand abverlangt. Dies führt zwangsläufig dazu, dass kleinere Unternehmen dies nicht mehr leisten können. Im Hinblick
auf eine solche Vernetzungsqualität wird auch deutlich, dass sich die rückläufigen
Auftragsvolumina bei den Zulieferern der ersten Ebene der Zulieferer/Wertschöpfungspyramide, wie der Bergbautechnik, auf allen nachgeordneten
Ebenen ebenfalls auswirken, sofern diese ihre Wertschöpfungsprofile nicht anders
ausrichten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Entwicklung gravierendere
Konsequenzen bei Unternehmen hervorruft, die keine internationale Ausrichtung
ihrer Aktivitäten vorgenommen haben oder vornehmen.678 Unternehmen, die mit
ihren Geschäftsfeldern hauptsächlich den heimischen Markt fokussieren, dürften bis
2018 ohne eine antizipative Neuorientierung ihres Produktportfolios und eine Neuausrichtung auf andere Absatzmärkte den Wettbewerb verlieren. An den gezeigten
Beispielen der Marktführer lassen sich die entscheidenden Faktoren einer erfolgreichen Marktpositionierung zusammenfassend wie folgt aufzeigen:
¾ Jahrzehnte lange Erfahrung im Kerngeschäft
¾ eine schlanke Unternehmensorganisation, die in der Lage ist, auf veränderte
Marktbedingungen schnell zu reagieren
¾ kurze Entscheidungswege, die die Leistung für den Kunden optimiert
¾ stetiges Bemühen sich mit Serviceleistungen am Markt zu differenzieren
¾ eine enge Kundenorientierung, die auch darin zum Ausdruck gelangt, dass
die Betreuung international durch Dependancen oder Partner vor Ort erfolgt
¾ technologische Alleinstellungsmerkmale aufgrund intensiver Innovationen
¾ Vernetzungsqualitäten um externes Wissen und qualifiziertes Personal zu integrieren
¾ eine extensive Weiterbildungs- und Qualifizierungskultur
678
So auch die Einschätzung in den Gesprächen vom Vertreter des VDMA und dem Vertreter der Landesinitiative Bergbautechnik. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen unterstützt die Aktivitäten der Bergbauzulieferunternehmen über die Landesinitiative Bergbautechnik, in der sich insbesondere Unternehmen und Verbände engagieren. Zu den Maßnahmen der Landesinitiative gehören unter anderem Delegationsreisen in Bergbauschlüsselländer. Beteiligungen an Bergbaumessen sowie die Veranstaltung von Fachsymposien.
214
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
¾ eine ausgeprägte beteiligungsorientierte, partnerschaftliche Unternehmenskultur hinsichtlich der strategischen Neuorientierung und Restrukturierung
des Unternehmens
6.6
Hemmnisse bei der Neuausrichtung und ihre Bewältigungsstrategien
Angesichts der dargestellten Beispiele ist jedoch einschränkend zu sehen, dass
andere KMU im Zulieferersegment des Bergbaus nicht über ausgeprägten Stärken
hinsichtlich
¾ der Kapitalausstattung
¾ einer Vernetzung mit internationalem Profil
¾ Alleinstellungsmerkmalen die Differenzierungen im Wettbewerb erlauben
und auf andere Märkte hin ausbaufähig wären
¾ einem breit angelegten technologischen Potenzial
¾ oder auch einer ausgeprägten partnerschaftlichen Unternehmenskultur mit
entsprechender Institutionalisierung verfügen.
Auch zeigt sich, dass je enger die produktbezogene Ausrichtung eines Unternehmens auf einen einzigen Kunden ist, es umso schwieriger wird, sich andere Absatzmärkte zu erschließen und andere Produkte zu entwickeln. Ein Beispiel dafür
sind die Bergbau-Spezialanbieter. Bei der Bergbau-Spezialarbeit handelt es sich um
eine Sparte der Zulieferindustrie mit etwa 2.500 Beschäftigten, die sich vom regulären Bergbau dadurch unterscheidet, dass die Bergbauspezialfirmen für die untertage Infrastruktur sorgen, während der übliche Bergbau Kohle fördert. Wie schwierig
die Situation für Unternehmen in diesem Segment ist, darauf verweist der VRS Jahresbericht 2007. So hat sich mit dem Rückgang der heimischen Steinkohlengewinnung im Inland die Auftragslage für die Mitglieder der Vereinigung der BergbauSpezialgesellschaften e.V. (VBS) überproportional reduziert und „zu einer Verringerung der VBS-Beschäftigten in den verbleibenden Gesellschaften geführt.“679 Schon
von 2001-2003 hatte sich die Beschäftigtensituation der tarifgebundenen Unternehmen in der VBS dahingehend geändert, dass diese 25% ihrer Beschäftigten abbauen mussten. Als Grund führt der Jahresbericht Bergbau des Bundeswirtschaftministeriums das veränderte Anfrage- und Vergabeverhalten des Bergbaus auf.680
679
Zitiert aus VEREININGUNG ROHSTOFFE UND BERGBAU - im Bundesverband Deutscher Industrie (Hrsg.) Jahresbericht 2007, S. 23
680
BMWI (Hrsg.) 2004, Anlage 4. S. 13
215
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
6.6.1 Thyssen Schachtbau GmbH und die Probleme einer Neuaufstellung
An der Thyssen Schachtbau GmbH lassen sich beispielhaft die Probleme aufzeigen,
mit denen die Unternehmen dieser Branche der Vorleistungs-/Zulieferindustrie zu
kämpfen haben, wenn sie als Konsequenz aus der rückläufigen Auftragslage der
DSK, sich neu aufstellen müssen.
Das Beispiel Thyssen Schachtbau ist deshalb so informativ, da es in evidenter Weise deutlich macht, welche Schwierigkeiten selbst für einen leistungsstarken Konzern
internationaler Prägung zu bewältigen sind. Noch 2002 wies die gesamte Schachtbaugruppe über 4000 Mitarbeiter in allen Geschäftsbereichen auf.681 Im Herbst 2008
beschäftigte die Thyssen Schachtbau GmbH insgesamt allerdings nur noch 760
Mitarbeiter. Das Volumen der DSK-Aufträge an die Bergbauspezialgesellschaften
ging merklich zurück 2004: 390 Mio., 2005: 210 Mio. und 2006 170 Mio. Euro. 682
Allerdings lässt sich der Beschäftigungs- und Umsatzverlust nicht nur monokausal
auf den heimischen Anpassungsbergbau mit seinen Subventionskürzungen zurückführen. Vielmehr spielt auch – so wie bei Deilmann-Haniel – die veränderte Geschäftspolitik der DSK eine ausschlaggebende Rolle, Aufträge an ausländische Anbieter von Bergbauleistungen zu vergeben. Mit der etwa seit 2002 vollzogenen Öffnung für ausländische Anbieter von Bergbauleistungen im heimischen Bergbau gerieten beide Unternehmen Deilmann-Haniel, wie auch Thyssen Schachtbau, unter
erheblichen Konkurrenzdruck. Die Billiganbieter waren in der Lage, ihre Leistungen
zu weitaus niedrigeren Preisen als Thyssen Schachtbau und andere deutsche Unternehmen anbieten zu können, nämlich zu günstigeren Konditionen von 20-30%
pro Schicht. Überdies bestehen aufgrund der Zugehörigkeit zur VBS-Vereinigung
sog. „Altlasten“ (Pensions- und Deputatsverpflichtungen), die derzeit bei Thyssen
Schachtbau über den laufenden Geschäftsbetrieb im vertikalen Bereich gedeckt
werden müssen.683 Die tarifliche Schutzfunktion für die Mitarbeiter wurde so systematisch durch die DSK zum Nachteil der deutschen Konkurrenz ausgehebelt.684
Allerdings hat sich aktuell die Wettbewerbssituation entspannt, da diese Konkurrenten aus dem Ausland erhebliche Probleme haben, Personal nach Deutschland zu
holen, da deren Löhne gemessen an den Lebenshaltungskosten in Deutschland viel
zu gering sind. Dennoch zeigt sich an dieser durch einen Wechsel der Geschäftspolitik des Hauptnachfragers induzierten gravierenden Markt Veränderung mit ihrem
681
Siehe THYSSEN SCHACHTBAU GRUPPE (Hrsg.) Jahresreport 2008. Deilmann-Haniel
gehörte mit Thyssen Schachtbau, zu den sog. Bergbauspezialgesellschaften, die im Auftrag
der RBAG bzw. später DSK auf eigene Rechnung besondere hoch spezialisierte Arbeiten
wie das Abteufen und Ausbauen von Schächten und das Auffahren von Strecken durchführte.
682
Siehe WDR 2006 (Hrsg.) in der Reportage „Die HDH-Insolvenz“
683
INTERVIEW ZULIEFERER II
684
Ebenda
216
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
rückläufigen Auftragsvolumen, in welcher Weise sich eine solche Abhängigkeit auszuwirken vermag und zu welchen erheblichen Belastungen des Unternehmens sie
führen kann. Das sind Belastungen, die im Falle Deilmann-Haniel, zur Insolvenz
führten, von der über 1000 Beschäftigte des Unternehmens betroffen waren, deren
kleinster noch beschäftigter Teil, ca. 260 Mitarbeiter vorerst von Thyssen Schachtbau weiterbeschäftigt werden.685
In allen demnächst von Personalabbau und Schließung noch betroffenen Bergwerken werden zuerst – wie sich am bereits erwähnten Beispiel der Schachtanlage
Walsum zeigte, mit dem Auslaufen des Streckenvorbaus, die Fremdfirmen zuerst
betroffen sein, da im eigenen Geschäftsinteresse der DSK und der Arbeitnehmervertretung der noch verbleibenden Schachtanlagen bei einem Personalüberhang
von 2.500 Beschäftigten eine Substitution durch die eigenen Mitarbeiter erfolgen
wird. Darüber hinaus wird nach Einschätzung des Gesprächpartners der Auslaufprozess auch den eigenen Personalbestand des horizontalen Bereichs (also dem
Bergbau mit den Tätigkeitsfeldern Auffahrung von Strecken und der Herstellung von
Untertagegroßräumen aller Art) von Thyssen Schachtbau treffen. So ist für Geschäftsleitung und Betriebsrat absehbar, dass der Prozess unaufhaltsam dazu führen wird, dass eine Reduzierung des Personalbestandes vorgenommen werden
muss, wenngleich dies auch nicht – sofern möglich – über betriebsbedingte Kündigungen erfolgen soll. Erste Anzeichen hierfür sind zum einen die Forderung von
Thyssen Schachtbau, dass zur Sicherung der Konkurrenzfähigkeit die Belegschaft
auf Lohn verzichten müsse. So postuliert auf der Betriebsversammlung vom 3. Juni
2008, wobei als beispielhaft auf den Lohnverzicht der ehemaligen Beschäftigten die
bei dem Bergbauzulieferer Induberg untergekommen sind, hingewiesen wurde. Inwieweit dies jedoch die Krise entschärfen dürfte, blieb hierbei offen.686 Zum anderen
zeigt die Antragsstellung des Berufsverbandes Vereinigung der Bergbauspezialgesellschaften und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) auf
Aufnahme von Bergbauspezialfirmen ins Entsendegesetz, wie bedrohlich die Situation am heimischen Steinkohlemarkt gerade auch aufgrund der Billigkonkurrenz
ist.687 Angesichts des erheblichen Schrumpfungsprozesses in der Sparte Bergbauspezialfirmen, wobei neben einigen kleineren Unternehmen einzig Thyssen
Schachtbau – auch im internationalen Maßstab – noch als größeres spartenspezifisches Unternehmen fungiert, werden die Marktbedingungen auch für Thyssen
Schachtbau im inländischen Steinkohlebergbau zunehmend härter.
685
WAZ NEWMEDIA (Hrsg.) 2008. Bericht in WAZ vom 04.03.2008
INTERNATIONAL COAL MINERS (Hrsg.) 2008 - „Thyssen-Schachtbau fordert Lohnverzicht von Kumpels“. Vom 03.06 2008.
687
Mit nur 2500 Beschäftigten (2008) ist die Bergbauspezialarbeit die kleinste Branche, die
den Mindestlohn bekommen könnte. Siehe DER SPIELGEL ONLINE (Hrsg.) 2008. Ausgabe
vom 31.03.2008
686
217
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Da das Ende des Auslaufbergbaus zusehends absehbarer wurde, hat Thyssen
Schachtbau schon vor Jahren damit begonnen, Flexibilität durch eine neue Organisationsstruktur zu schaffen um sich neu auf internationale Märkte hin auszurichten.
Getragen vom weltweiten Rohstoffboom, versuchte Thyssen Schachtbau sich ein
Standbein in den international attraktiven Märkten zu verschaffen. Die ersten Kontakte in die neuen Bundesländer und in die Schweiz erfolgten vor ca.10 Jahren, vor
ca. 8 Jahren die ersten Kontakte zum russischen Markt. Gerade mit dem
Geschäftbereich Schachtbau und Bohren konnte Thyssen Schachtbau anspruchsvolle Großprojekte (zum Beispiel Schacht Sedrun beim Gotthard-Basistunnel) abwickeln. Zugleich mussten dafür sowohl die technischen als auch die personellen Kapazitäten in diesem Geschäftsbereich erhöht werden.688 Als neuer Markt bot sich
zudem Russland aufgrund seiner hohen Rohstoffressourcen an. Förderlich war zudem, dass auf dem russischen Markt keine eigene Schachtbaugesellschaft bestand,
so dass über 15-20 Jahre keine neuen Lagerstätten mehr erschlossen worden waren. Hier konnte sich die Thyssen Schachtbau GmbH nach fünfjähriger Anlaufzeit
mit entsprechenden Anfangsinvestitionen mit ihrem Leistungsportfolio gut positionieren. Dies verdankt sie zum einen den hohen technologischen Standards mit denen
sie sich am Markt gegenüber dem Wettbewerb differenzieren kann und der schon
immer – wenn auch in geringerem Umfange – vorhandenen Ausrichtung des Unternehmens auf internationale Märkte in Kanada, USA, Mittel- und Südamerika sowie
Indonesien und Kasachstan.689 Nach Einschätzung von Thyssen Schachtbau stellt
Russland überhaupt einen wachsenden Markt für weitere Zulieferer gerade auch der
Sparte Bergbautechnik, also für Global Player wie die Firmen Eickhoff, Minova,
Simac, Siemens Steuerungstechnik etc. dar.690
Das Beispiel Thyssen Schachtbau zeigt, dass eine Neuausrichtung verstärkter Anstrengungen und eines erheblichen Potenzials an Kapital, Information, personellen
Ressourcen, Netzwerkressourcen und technologischen Ressourcen bedarf. Zugleich wird an den Schwierigkeiten und Vorlaufzeiten, die Thyssen Schachtbau zu
bewältigen hatte, ebenso deutlich, dass es den weniger gut aufgestellten KMU unter
den Zulieferbetrieben – denen es an Kapital, Information, Netzwerken etc. mangelt –
schwieriger gelingen dürfte, eine Diversifikation oder Internationalisierung ihrer
Kerngeschäfte ohne externe Unterstützung (wie etwa durch die Landesinitiative
Bergbautechnik) erfolgreich zu vollziehen. Angesichts eines zunehmend kleineren
Zeitfensters, das durch den Auslaufprozess des heimischen Bergbaus bestimmt
wird, dürfte eine Neuausrichtung auch zunehmend problematischer werden.
688
THYSSEN SCHACHTBAU (Hrsg.) Report 2002
THYSSEN SCHACHTBAU (Hrsg.) Reporte 2004 und 2005
690
INTERVIEW ZULIEFERER II und THYSSEN SCHACHTBAU (Hrsg.) Report 2008
689
218
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
6.6.2 Schwierigkeiten kleinerer Zulieferbetriebe und Bewältigungsstrategien
Angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Branche Bergbautechnik, zu 90% um
mittelständisch strukturierte Unternehmen handelt, wobei das Hauptspektrum der
KMU von 30 bis ca. 250 Beschäftigten reicht, ist offensichtlich, dass Restrukturierungsversuche schwierig sind.691 Da die Nachfrageeinbußen aus dem heimischen
Bergbau zunehmen werden, liegen die zukünftigen Herausforderungen weniger an
der Flexibilität der Unternehmen, als daran,
¾ dass die Entwicklung neuer Geschäftsfelder,
¾ einer zunehmenden Differenzierung vor den Wettbewerbern
¾ und das Vordringen in neue Märkte
ein zeit- und kostenintensives Unterfangen ist. Hinzu kommen mitunter hohe Transaktionskosten für
¾ die Akquisition neuer Kunden,
¾ die Positionierung von Kernkompetenzen auf neuen Märkten,
¾ den Ausbau des Leistungsspektrums im Bereich neuer, nicht bergbauspezifischer Produkte,
¾ die mitunter erforderlichen Kooperationen mit Partnern, um den Kunden ein
breiteres Leistungsspektrum anbieten zu können.
So machte das Gespräch mit dem Vertreter der Thyssen Schachtbau GmbH deutlich, dass die Neuausrichtung und Markterschließung – in diesem Falle der Lagerstätten Russlands – gut fünf Jahre in Anspruch nahmen und sehr kostenintensiv
waren, bevor das operative Geschäft aufgenommen werden konnte. Zudem verläuft
die Entwicklung neuer Geschäftsfelder oftmals in einem mehrphasigen Modell. Einer
Erprobungsphase folgen Wachstums- und Integrationsphasen. Dies bedeutet bei
Scheitern der Erprobungsphase, dass die finanziellen Spielräume erheblich enger
werden und damit zusätzlich Marktchancen verloren gehen.692
Einerseits weisen zwar gerade KMU jene Flexibilität auf, die es Ihnen – gegenüber
größeren betrieblichen Organisationseinheiten – erlaubt, schnell in neue Märkte
vorzudringen. Sie zeigen sich häufig gegenüber sich verändernden Rahmenbedingungen flexibler und anpassungsfähiger als Großunternehmen (Eickhoff bietet hierfür ein überzeugendes Beispiel); allerdings existieren auch klare Nachteile gegenüber den Großunternehmen. So beispielsweise im Hinblick auf
¾ externe Unterstützungsmechanismen
691
692
SUSTAIN CONSULT 2005, S. 10f.
Näheres dazu bei GAUSEMEINER 2001, S. 23ff.
219
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
¾ finanzielle Ressourcen
¾ und bei Hilfen zur Anpassung an den Wandel.693
Andererseits bedarf es einer bestimmten Kapitalausstattung und damit Umsatzstärke sowie Beschäftigtenzahl um Diversifikationsprozesse und Differenzierungen im
Markt überhaupt zu leisten. Dies bedeutet, dass weniger kapitalstarke Unternehmen, ohne
¾ externe finanzielle Unterstützung
¾ vergünstigte Kreditbedingungen
¾ oder anderweitige Hilfestellungen, wie etwa der kostengünstigen Beschaffung betriebswirtschaftlichen, administrativen wie technischen Know-hows
über Unterstützungsnetzwerke
ihre Innovationskraft oft nicht ausschöpfen können.694
Hinzu kommt noch ein weiteres Moment, dass Diversifikation oder Differenzierung
des Leistungsprofils oftmals erheblich erschwert. Zulieferunternehmen der Sparten
Bergbautechnik, Maschinen- und Anlagebau, weisen neben ihrem gewachsenen
Kernpotenzial auch ein erhebliches strategisches Potenzial auf. Damit sind jene
Stärken gemeint, die latent vorhanden sind, aber nicht systematisch genutzt werden.695 Es handelt sich hierbei um Potenziale, die aufgrund des Agierens in den
angestammten, systematisch entwickelten Marktsegmenten oftmals übersehen oder
gar nicht registriert werden. Solche Potenziale können sich kostengünstig am besten unter der Voraussetzung entwickeln, dass sie – wie bereits dargestellt – möglichst eng mit den schon vorhandenen Produkten und Märkten verzahnt werden.
Denn dadurch lassen sich möglichst umfassend Ressourcen an vorhandenem
Know-how des Unternehmens in F&E, Fertigung, aber auch hinsichtlich von vorhandenen Vertriebskanälen, Kundenkontakten und in anderen Bereichen nutzen –
ansonsten würden die hohen Transaktionskosten den Erfolg systematischer Entwicklung von Potenzialen konterkarieren.696 So bildet etwa Eickhoff seine Erfahrungen im Bau von Spezialgetrieben auf den Bau von Spezialgetrieben für die Windkrafttechnologie ab.
Diese Potenziale müssen allerdings erst erkannt und dann systematisch entwickelt
werden. Hierzu fehlen häufig die entsprechenden Ressourcen, insbesondere die
Marktinformationen, die einen Abgleich von vorhandenen Produkten und Dienstleistungen, der betrieblichen Produktionsorganisation, dem Mitarbeiterpotenzial und der
693
Vgl. hierzu EUROPÄISCHE KOMMISSION 2007, S. 10.ff.
Siehe dazu FRAUNHOFER INSTITUT für Systemforschung 2006, S. 2
695
Ebenda S. 3
696
Siehe FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 2004. S. 4. Der Stellenwert der betrieblichen Innovationsförderung kann oftmals erst in Netzwerken erkannt und ausgebaut werden.
694
220
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Ausrichtung auf die Fertigung möglicher marktgängiger alternativer Produkte ermöglichen würde. Hierfür wäre externes Know-how erforderlich, dass Perspektiven einer
Neuorientierung ermitteln und die Positionierung neuer Geschäftsfelder flankieren
könnte. Häufig jedoch existieren für solche unterstützenden Maßnahmen weder die
zeitlichen, noch die finanziellen Ressourcen der vor allem kleinen Unternehmen, so
dass sie auf ihr operatives Geschäft verwiesen bleiben.697 Obgleich sie um die Notwendigkeit strategischer Neuausrichtung wissen, sehen sie unter den derzeitigen
Bedingungen von Kostenbelastung und Preisverfall für ihre Produkte, jedoch kaum
einen Spielraum zur Neuorientierung.698 So taucht im Fokus der Interviews und Recherchen ein nicht minder bedeutsamer Zusammenhang von Unternehmensgröße
und Positionierung eines Unternehmens in der Wertschöpfungskette auf, sowie eines damit korrelierenden Beschäftigungstrends, bei Bestehen der invarianten Bedingung zunehmender Auftragsreduzierung, bedingt durch den Anpassungsbergbau. Damit korrelieren die Beschäftigungsentwicklungen auf der regionalen Ebene.
6.7
Ambivalenz strategischer Neuorientierung in regionaler Hinsicht
Die bisherige Erörterung der wirtschaftlichen Lage der Bergbauzulieferer verdeutlichte, dass sie sich aufgrund ihrer mitunter hochgradigen Vernetzung mit der heimischen Steinkohleförderung in einer durchaus ambivalenten Situation befinden. Zum
einen büßten sie im Laufe der Jahre im inländischen Bergbau wichtige Absatzmärkte ein, wobei mit dem Auslaufszenario für den deutschen Steinkohlebergbau bis
2018 sich diese Situation noch zunehmend verschärfen dürfte, und zum anderen
bildet der heimische Steinkohlebergbau die erforderliche Kompetenzbasis der Bergbauzulieferbetriebe.699
Denn der deutsche Bergbau hat sich über die letzten 60 Jahre als Technologie- und
Innovationsmotor für die Entwicklung der Bergbautechnik erwiesen, wovon die
Bergbauzulieferindustrie im Hinblick auf ihre internationale Vormachtstellung profitierte. So sind sich Bernd TÖNJES (2007), Vorsitzender des Vorstandes der DSK
und Vorstandsmitglied des GVSt, und Peter JOCHUMS (2007), Geschäftsführer der
Hauhinco Maschinenfabrik und Vorsitzender des Fachverbandes Bergbaumaschinen im VDMA, einig darüber, dass der deutsche Steinkohlenbergbau nicht nur eine
der Säulen sicherer Energie- und Stromversorgung in Deutschland ist, sondern
auch Motor für maßgebliche Innovationen. „Stetig wird geforscht und entwickelt, um
die Arbeit unter Tage noch sicherer zu machen und gleichzeitig die Produktivität zu
steigern. So hat sich die deutsche Bergbautechnik einen Ruf erarbeitet, der weltweit
Bedeutung hat“. Kooperationen mit den Herstellern sorgen für mehr Produktivität im
697
Siehe AREND und ZIMMERMANN 2008, S. 5ff.
INTERVIEW ZULIEFERER III ähnlich MINISTERIUMSVERTRETER II
699
INTERVIEW VERBANDSVERTETER IV
698
221
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
heimischen Bergbau und schaffen Produkte, die sich in der ganzen Welt erfolgreich
vermarkten lassen.“ (VDMA, DSK, GVST 2007, S. 4)
Bei einem Gesamtumsatz von rund 3,6 Mrd. Euro im Jahr 2008 konnte die Branche
ihren Exportanteil in der letzten Dekade von 35 auf über 80 Prozent steigern. Im
Inland sind von der Sparte Bergbaumaschinen und Anlagenbau im Jahr 2008 in
allen Bergbauzweigen rund 400 Mio. Euro umgesetzt worden. Das sind allerdings
35 Mio. weniger als noch in 2006. Der Umsatz mit Exporten lag 2008 bei den Bergbaumaschinen im Wert von rund 2,95 Mrd. Euro.700 Angesichts des ansteigenden
Bedarfs an Rohstoffen, vor allem der fossilen Energieträger im Bereich der Energieerzeugung, sind unter Berücksichtigung der beeindruckenden Technologieführerschaft die wirtschaftlichen Aussichten für die Global Player als sehr gut einzustufen.
So ist davon auszugehen, dass bis 2030 ein Investitionsbedarf von gut 4000 Mrd.
US $ global zu realisieren sein wird.701
Insbesondere birgt der Technologietransfer nach China, Indien, Russland, aber
auch in die USA und nach Lateinamerika noch große Potenziale. Dies sowohl für
die Marktführer, als auch für Unternehmen, die als Spezialisten ihre Alleinstellung
bislang an heimischen Märkten behaupten konnten.702 Hans-Jürgen ALT, Geschäftsführer beim Landesverband Nordrhein-Westfalen im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA NRW), weiß aus seiner langjährigen Erfahrung,
dass von den Unternehmen, die früher die deutsche Stahlindustrie und den Bergbau
beliefert haben, heute vor allem diejenigen noch im Geschäft sind, die früh angefangen haben, weltweit zu exportieren und sich den Kundenwünschen in den Lieferländern anzupassen. Etliche dieser Unternehmen aus NRW sind sogar zu Weltmarktführern emporgestiegen. Dies gilt nicht nur für komplette Stahlwerke oder Chemieanlagen, sondern ebenso auch für spezielle Komponenten und Bausteine von kleinen Zulieferern.703
So sieht auch der VDMA für die Sparte Bergbautechnik hervorragende Chancen
sich weiter international zu etablieren. „Bei den Produktinnovationen sind wir Rekordhalter, durch unternehmensinterne Prozessinnovationen kann der Abstand zum
Weltmarkt noch vergrößert werden“, so Ralph WIECHERS, Chefvolkswirt des
VDMA (2007). 704 So ist Detlef WETZEL, ehemaliger Bezirksleiter der IG Metall in
NRW, durchaus zuzustimmen, wenn er davon spricht, dass die Bergbauzulieferer,
700
Siehe GVSt Jahresbericht 2006 , S. 45 dazu auch Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand
und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen 2008 und VDMA 2009
701
INTERNATIONALE ENERGIE AGENTUR (Hrsg.) 2008
702
KOWALSKI 1992, S. 629f.
703
MASCHINEHANDEL (Hrsg.) 2007 im Industrienewsletter Mai 2007
704
Gemeinschaftsbroschüre VDMA, DSK, GVSt (Hrsg.) 2007, S. 5
222
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
insbesondere die Sparte Bergbautechnik, „richtige Talentschuppen des Strukturwandels“ sind.705
Diese führende Position auf dem Weltmarkt ist auf Rahmenbedingungen, welche die
Kompetenz der deutschen Bergbautechnik forderten und förderten, zurückzuführen.
So resultiert der hohe technologische Standard der Produkte und Dienstleistungen
der Maschinen- und Anlagenbauer aus dem jahrzehntelangen Problemlösungsprozess, den die Zulieferer hinsichtlich der Optimierung der Steinkohleförderung in
deutschen Zechen zu bewältigen hatten. Gerade der Abbau in großen Teufen unter
schwierigsten Bedingungen musste technologisch so gestaltet und organisiert werden, dass er wirtschaftlich, effizient und vor allem sicher erfolgt. Die Erfahrungen die
hierbei gesammelt wurden, sind den Produkten inhärent und induzieren aufgrund
permanent neuer Herausforderungen eine regelrechte Innovationskultur. Die Verbesserungen und Fortschritte hinsichtlich der Arbeitssicherheit, der Fördereffizienz
und bei der Erschließung neuer Abbaugebiete kommen nicht nur dem heimischen
Bergbau zugute, sondern auch der Exportorientierung der Bergbauzulieferindustrie.
Insofern ist ein weiterer Faktor für den Erfolg der Zulieferunternehmen ausschlaggebend, nämlich die enge Anbindung an den heimischen Bergbau. Denn die Weiterentwicklung des technologischen Standards ist davon abhängig, dass ein authentischer Bergbau existiert, der zwangsläufig mit realen Problemen beim Abbau konfrontiert wird.
Ein Ausstieg aus dem Untertage-Bergbau würde auf Dauer die Innovationsprozesse
wie auch die technologischen Standards konterkarieren. Hierzu MARTENS (2007),
Leiter des Instituts für Bergbaukunde an der RWTH Aachen: „Wenn man einmal aus
Vorzeigeprojekten ausgestiegen ist, wird es schwieriger, Kunden von den eigenen
Produkten zu überzeugen. Es wird für die deutsche Zulieferindustrie für den Untertage-Bergbau schwieriger werden, ihre Produkte zu erproben.“706
Vor dem Hintergrund der zunehmenden, weltweit zu beobachtenden Verlagerung
des Abbaus vom Tagebau hin zum Steinkohlentiefbau zeigen sich die entscheidenden Erfolgstreiber der heimischen Bergbauzulieferindustrie. Diese Verlagerungstendenz liegt darin begründet, dass sich die für den Tagebau geeigneten Lagerstätten
allmählich erschöpfen. Dies bedeutet, dass sich der Bergbau weltweit hin zum technisch anspruchsvolleren Steinkohlentiefbau wandeln wird. Dies mit all jenen Problemen, die seit Jahrzehnten den Abbau aus den tiefsten Lagerstätten der Welt begleiten. Im Ruhrbergbau und bei seinen Bergbauzulieferern haben sich erhebliche
Erfahrungen mit geologischen Schwierigkeiten, wetter- und klimatechnischen Anforderungen sowie deren technischer Lösung angesammelt.
705
WETZEL zitiert nach IG METALL NRW (Hrsg.) 2008. Pressemitteilung vom 28.03.2008:
„Bergbauzulieferer zwischen Boom und Sorgen“
706
MARTENS zitiert nach WDR (Hrsg.) 2007: „Deutsche Bergbautechnik auch ohne Steinkohle. Gute Zeiten für Bergbau-Ingenieure“
223
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Stichworte hierfür sind High-Tech Technologien:
¾ Kontroll- und Steuerungsnetzwerke der Kommunikationsinfrastruktur, die die
Auswertung von Datenmengen zur Steuerung und Wartung von Maschinen
erlaubt
¾ neueste Walzenladergeneration, die den Abbau in unbemannten Streben
ermöglichen
¾ sich selbst regulierende Systeme im Bereich der Vortriebstechnik (automatisierte Bohrwagen)
¾ Untertage Logistik, IT-gestützte Transportsysteme
¾ Prüf- und Messtechnik, Verfahren, die der Sicherheit in den Bergbaubetrieben und einer wirtschaftlichen Verwertung von Zusatzprodukten dienen (z.B.
Methangasverwertung)
¾ Know-how über das Verhalten des Gebirges und den Umgang mit ihm; dieses Wissen lag bisher nur fragmentiert vor und wurde nun in eine selbstlernende Datenbank eingebaut. Insbesondere das Wissen und die Erfahrungen
der letzten 25 Jahre sind dabei weltweit einzigartig und für jeden Tiefenbau
von unschätzbarem Wert.707
Die Entwicklungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Kompetenz der deutschen Bergbauzulieferindustrie einen fast unschlagbaren Wettbewerbsvorteil darstellt. Inwieweit jedoch ein Sockelbergbau hierfür eine ausreichende Bedingung darstellt, mag dahingestellt und durchaus diskutabel sein.708 Er beschreibt lediglich die
conditio sine qua non, die eine längere Standortbindung der Zulieferindustrie ermöglichen würde. Darüber hinaus ist im Hinblick auf die Revisionsklausel für 2012 die
Frage zu stellen, inwieweit die technologisch fortschrittlichsten Verfahren des deutschen Steinkohlenbergbau nicht doch angesichts sich explosionsartig entwickelnder
Weltmarktpreise für fossile Energieträger und unter Berücksichtigung der nationalen
Versorgungssicherheit in Form einer Diversifizierung der Energieträger und verstärkten Unabhängigkeit von Gas und ÖL, kostendeckend und gewinnbringend in
Deutschland Steinkohle zu fördern und somit auch die Bergbauzulieferindustrie
nachhaltig zu sichern. Ein solcher breit aufgestellter Referenzbergbau könnte unter
Umständen ein Instrument sein, weltweit steigende Standards des Umweltschutzes,
der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes zu formulieren.
An dem bisher dargestellten lässt sich belegen, dass Bergbau und Bergbautechnik
existenziell miteinander verzahnt sind. Die Standortfrage und räumliche Agglomerationsvorteile sind nach wie vor entscheidend für die Dynamik der bergbaulichen In707
GVSt (Hrsg.) Jahresbericht 2007, S.13ff.
In dem Workshop der Hans-Böckler-Stiftung haben sich alle Teilnehmer für die Notwendigkeit eines Sockelbergbaus (Referenzbetrieb) für den standortbezogenen Kompetenzerhalt der deutschen Bergbauzulieferer geäußert.
708
224
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
novationsprozesse, denn ohne die Impulse aus dem (zur Zeit noch heimischen)
Steinkohlenbergbau ließe sich der technologische Vorsprung nicht halten.709 Dies
bedeutet im Umkehrschluss, dass zu befürchten ist, dass der Standortvorteil der
Bergbaumaschinenhersteller, mit dem Auslaufen des Bergbaus weg brechen wird.
Es sei denn, dass die Zulieferer ihre Entwicklung und Produktion vorzeitig in jene
Regionen verlagern und dort Direktinvestitionen tätigen, die zu den neuen Bergbaustandorten zählen. Neben den Förderstätten in Russland, Indien und China kämen
hierfür vor allem die ostEuropäischen Standorte infrage, die mittlerweile eine regelrechte Renaissance der Kohleförderung erleben.710 So werden allein in der Ukraine
unter arbeitstechnisch wie produktionstechnisch bedenklichen Bedingungen immerhin 80 Mio. Tonnen Steinkohle jährlich gefördert.711 Ein sicherlich überaus interessanter Markt für die technisch führend aufgestellten deutschen Bergbauindustriezulieferer. Denn aufgrund der weltweiten Preisexplosion auf den internationalen
Kohlemärkten steigt auch die Rentabilität der Europäischen Steinkohleförderung.
Während der deutsche Bergbau politisch als Auslaufmodell gehandelt wird, wird
angesichts steigender Kohlenpreise beispielsweise in Tschechien und Polen mit
privatem Kapital intensiv an der Erschließung neuer Förderstätten gearbeitet.712
Die Ambivalenz von Prosperität der global aufgestellten Bergbauzulieferindustrie
und der Tendenz eines langfristigen Verlustes regionaler Arbeitsplätze
Dies bedeutet also zwangsläufig, dass die deutschen Bergbaumaschinen- und Anlagenhersteller kurzfristig sich weitere Märkte erschließen werden können. Es besteht allerdings auch die Gefahr, dass diese mittel- bis langfristig ihre angestammten Standorte aufgeben bzw. Teile der Produktion verlagern werden. Laut einer Umfrage unter Betriebsräten von Unternehmen der Branche Bergbautechnik der Technologie Beratungsstelle (TBS) NRW 2005 planten schon für das Jahr 2005 17% der
Unternehmen die Verlagerung von Fertigungssegmenten ins Ausland.713 Mittlerweile
hat dieser Prozess bereits begonnen. Denn gerade international operierende Konzerne wie die ehemals zur RAG gehörende traditionsreiche DBT, dem damaligen
Flaggschiff der deutschen Bergbautechnik, haben sich neu aufgestellt. So realisierte
das Unternehmen mit Hauptsitz in Lünen noch vor zehn Jahren achtzig Prozent
seiner Erlöse in Deutschland, mittlerweile ist der Anteil auf 10% geschrumpft. Dennoch arbeitet die nunmehr zum US-Bergbauausrüster Bucyrus International gehörige Bucyrus DBT Europe als weltweiter Anbieter von kompletten Systemlösungen für
den Untertagesteinkohlebergbau und Weltmarktführer im Bereich Strebausrüstun-
709
INTERVIEWS VERBANSVERTRERTER IV und UNTERNEHMENSVERTRETER II
INTERVIEW ZULIEFERER II
711
SAARBRÜCKER ZEITUNG (Hsrg.) 2008, Ausgabe vom 06.07.08
712
EUROPA DEUTSCHLANDFUNK (Hrsg.) 2008. „Renaissance der Kohle. Privatinvestoren bauen neue Bergwerke in Europa“ Deutschlandfunk vom 09.06.2008
713
Siehe dazu TBS NRW (Hrsg.) 2005. Manuskript der Veranstaltung vom 9.11. 2005
710
225
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
gen weiterhin profitabel. Denn wie William TATE, Chef der DBT, auf der Baumaschinenmesse Bauma 2007 in München in einem Interview mit dem Handelsblatt
deutlich machte, wussten wir „was kommt und haben neue Märkte aufgebaut... Unsere Zukunft liegt jenseits von Europa, vor allem in China“.714 Bucyrus DBT Europe
lässt jedoch auch keinen Zweifel daran aufkommen, was die Orientierung auf den
Absatzmarkt China für den deutschen Produktionsstandort bedeutet. Angesichts,
der zu erwartenden Verdoppelung der Kohleförderung in China bis zum Jahr 2020
und dem zunehmenden Mechanisierungsgrad im Untertagesteinkohlebergbau, wird
der nach Strebtechnik-Produkten wie kompletten Systemlösungen gleichermaßen
verlangende Chinesische Markt nicht mehr allein von der Europazentrale und dem
Hauptproduktionsstandort in Lünen aus beliefert werden. Zwar hat sich das Unternehmen verpflichtet, für seine 1.000 Arbeitsplätze in Deutschland in den kommenden drei Jahren eine Beschäftigungsgarantie abzugeben, aber wenn der chinesische Markt richtig „…brummt wird sich für die DBT die Standortfrage neu stellen“, so
William TATE (2007).715
Überdies richtet sich die strategische Orientierung auch auf die Niederlassungen in
OstEuropa. Mit dieser aufstrebenden Zechenlandschaft bieten sich hervorragende
Marktchancen. So produzieren die polnischen und tschechischen Niederlassungen
von Bucyrus DBT passgenaue Techniklösungen und Systeme für polnische und
tschechische Zechen. Im Rahmen dieser Marktetablierung werden zugleich die Beschäftigten an den Standorten im High-Tech Bergbau geschult, was sicherlich dazu
beitragen wird, dass sich Bucyrus DBT an diesen Standorten langfristig als Technologieanbieter vor der Konkurrenz etablieren wird.716
Dies bedeutet allerdings auch, dass Kapazitäten aus Lünen verlagert, wenn nicht
sogar der Lünener Standort irgendwann nach 2018 aufgegeben werden könnte.
Denn nach der Fusion beider Unternehmen unter der Regie von Bucyrus, wird sich
für die Bucyrus DBT Europe eine bedeutende geographische, Produkt- und
Endmarkt-Diversifizierung eröffnen. Tim SULLIVAN (2008), President & Chief Executive Officer von Bucyrus hierzu: „Wir sind bezüglich der langfristigen Grundlagen
für Kohle äußerst optimistisch, und die Kombination wird es uns ermöglichen, 100 %
der abgebauten Kohle auf globaler Grundlage anzugehen.“717 Inwieweit also Bestandsgarantien für die Beschäftigten in Lünen auch noch künftig gelten, wird die
Zukunft zeigen.
Ebenso verhält es sich mit dem Unternehmen Becker Mining Systems aus Friedrichsthal, ebenfalls einer der wichtigsten Global Player. Becker Mining Systems, als
714
Siehe HANDELSBLATT (Hrsg.) 2007. „Deutsche Bergbautechnik findet neue Märkte“
vom 26.04.2007
715
Ebenda
716
Siehe WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU (Hrsg.) 2007: „DBT wird mit Long-Airdox zum
führenden Komplettanbieter“. Vom 28.07.2007
717
PR Newswire Europe Limited (Hrsg.) 2008. vom 18.12.2008
226
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Technologieführer und einer der weltweit führenden Zulieferer des Steinkohlebergbaus im Bereich kompletter Automations-, Energie-, Kommunikations- und Transportinfrastruktur für die Untertagebergbauindustrie, ist in allen relevanten Absatzmärkten für Bergbautechnik weltweit vertreten. Seit Mitte der 80er Jahre verfolgt
Becker Mining Systems eine konsequente Strategie der Internationalisierung und
begegnet so dem rückläufigen Bergbau im Heimatmarkt.718 So gelang es der Becker
– Mining Systems-Gruppe über die letzten 10 Jahre ihre Umsätze kontinuierlich zu
steigern und in 2007 einen konsolidierten Umsatz von über 160 Mio. Euro zu erzielen.719 Die ständig steigende Nachfrage führte auch zu einer Ausweitung der Beschäftigung. Allerdings nicht an den heimischen Produktionsorten. So arbeiten von
den ca. 1.100 Beschäftigten bei Becker Mining nur noch 200 Mitarbeiter an deutschen Standorten. Hierzu Arnold TROKUR (2006), Geschäftsführer von Becker Mining Systems: „Wir erleben durchaus, dass für High Tech made in Germany international ein angemessener Preis erzielt werden kann, wissen aber auch, dass gerade
im Stahl- und Maschinenbau ein lokaler Fertigungsgrad unumgänglich ist, um einen
vernünftigen Mix zu erzielen.“720
Überdies steht zu befürchten, dass bei einem völligen Wegfall des Steinkohlenbergbaus viele Bergbauzulieferer den Standort Deutschland aufgeben könnten.
718
BECKER Mining System (Hrsg.) 2008 „Unsere Philosophie: Innovation aus Tradition“
BECKER Mining System (Hrsg.) Presse Archiv 2008
720
TOKUR zitiert nach DEUTSCHLANDRADIO 2006 (Hrsg.) „Hintergrund Wirtschaft“ vom
16.07.2006
719
227
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
7 Fazit
Restrukturierungen von Unternehmen und in Branchen wirken sich in der Regel auf
mehreren räumlichen Ebenen und auf unterschiedliche Akteure und Betroffene aus.
Wie in Kaptitel 2.3 aufgezeigt, sind die Ursachen und Anlässe von unternehmerischen Restrukturierungen in ihren Erscheinungen und Ausprägungen ebenso vielfältig, wie sie mittlerweile zu einem permanenten Ereignis im wirtschaftlichen Transformationsprozess geworden sind. Die theoriegeleiteten Aspekte im Konzept der
strategischen und operativen Antizipation greifen diese Phänomene auf. Die Antizipation restrukturierungsbedingter Wandlungsprozesse umfasst idealer Weise die
betriebliche, die sektorale und die territoriale Ebene. Dies heißt in Anlehnung an
NEGRELLI und PICHIERRI in der frühzeitigen Wahrnehmung möglicher arbeitsplatz- und beschäftigungswirksamer Veränderungsprozesse,721 in der Diagnose der
möglichen Auswirkungen für Unternehmen, der vor- und nach gelagerte Bereiche
sowie den Arbeitskräftepool. Eine solche Antizipation umfasst auch die intentionale
Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten und die Implementierung von Maßnahmen zur Bewältigung der entstehenden, multiplen Herausforderungen.
Raumdynamische Entwicklungstheorien greifen die Phänomene wirtschaftlicher
Transformationsprozesse auf, setzen sie in einen räumlichen Bezug und leiten Erklärungsmuster ab, die eher technologisch evolutionär geprägt sind oder in denen
Analogien zwischen den institutionellen, gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
sowie ökonomisch-sozialen und raumstrukturellen Entwicklungen hergestellt und
längerfristig geltende „Regulationsregime“ identifiziert werden. Gleichwohl bieten
diese Entwicklungstheorien anschaulichen Erklärungsgehalt für die Prozesse des
strukturellen Wandels. Sie bieten aber keine handlungsorientierten, das heißt anwendungs- und umsetzungsfähige Potentiale für sozio-ökonomische Revitalisierungsstrategien, Maßnahmen zur Gestaltung des Strukturwandels und der Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung. An dieser Stelle haben sich Konzepte, die
dem Regionalisierungsparadigma folgend, aus den Analysen zur „Renaissance der
Region“ entstammen, im politisch-administrativen Raum etabliert. Im Rahmen der
Arbeit konnte dies bestätigt werden. Einerseits sind kooperations- und konsensorientierte Ansätze der regionalisierten Strukturpolitik bis heute nachhaltig, anderseits
hat der Clusteransatz und die als eigenes Politikfeld etablierte Clusterpolitik den
Stellenwert des strukturpolitischen Ausgleichsziels zu Gunsten des Wachstumsziels
verschoben.
Dies ist beispielhaft auf Landesebene festzustellen. Der industriepolitische Dialog
unter starker Beteiligung der Gewerkschaften setzt einerseits auf die Wurzeln der
Kooperationskultur der regionalisierten Strukturpolitik. Andererseits werden in der
Landespolitik Wettbewerbsverfahren zur Bewilligung von Strukturmitteln und clus-
721
Etwa durch Produkt- oder Prozessinnovationen oder geänderte Kundenanforderungen
228
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
terorientierte Wachstumsstrategien etabliert. Das Beispiel der Stadt Bottrop für die
Strategieentwicklung des „Zukunftsstandorts Bottrop“ und ein „Leben nach der Kohle“ dokumentiert diesen Dualismus für die lokale Ebene.
Die sozialen und ökonomischen Effekte von betrieblichen Restrukturierungen,
Standortschließungen und Branchenentwicklungen (im Negativen aber auch im Positiven) haben selten nur eine lokale, sondern darüber hinaus zumeist auch eine
regionale Dimension. Es zeigt sich, dass im Fall von massiven, beschäftigungsrelevanten Restrukturierungen, wie etwa bei den kohlenpolitischen Stilllegungsbeschlüsse, der räumliche Analysefokus zur Identifizierung und der Ableitung von Bewältigungs- und Gestaltungsstrategien auf
¾ den Standort – zu Fragen der Nachnutzung (beispielhaft hierfür die Entwicklungsansätze für den Standort Lohberg oder der Zeche West in KampLinftort),
¾ das Umfeld - zu Fragen der sozialen und ökonomischen Kompensation und
zur Verhinderung städtebaulich kumulierter Downgrading Prozesse (beispielhaft hierfür das interkommunal integrierte Stadtteilentwicklungskonzept
Hassel/Westerholt) und
¾ die Stadt – zu Fragen alternativer Entwicklungsstrategien ohne montanindustriellen Bezug (beispielhaft hierfür die Stadt Bottrop)
zu legen ist. Aufgrund der nach wie vor hohen ökonomischen Bedeutung des Steinkohlenbergbaus und der Beschäftigungseffekte in verbundenen Sektoren ist im vorliegenden Fall des Kohlenausstiegs
¾ die Region, als räumliche Ebene kollektiver Strategieentwicklung (beispielhaft das Konzeptpapier „Wandel als Chance“ der Wirtschaftsförderung Metropoleruhr und der Kommunen) und
¾ das Land, als politisch, monetäre und den Gestaltungsrahmen vorgebende
Ebene (durch strukturpolitische Maßnahmen und das Agenda Setting in den
relevanten Politikfeldern)
in den Analysefokus gerückt.
Als ein wichtiges Ergebnis hat sich herausgestellt, dass ganzheitliche und integrierte, d.h. Handlungs- und Akteurfelder übergreifende Strategien eine Maxime sein
können, um negative Folgen regionalökonomischer Umbrüche und struktureller
Verwerfungen in Folge von betrieblichen Restrukturierungen zu verhindern oder
wenigstens abzufedern.
Die interkommunalen Projekte, wie am Beispiel des durch den Stilllegungsbeschluss
der Zeche Lippe induzierten Handlungsansatzes der Städte Gelsenkirchen und Her229
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
ten sowie die bestehenden Gewerbeflächenkooperationen – hier hauptsächlich die
koordinierten Aktivitäten der Kommunen der Kohlenachfolgeregion und der RAG
Montan Immobilien – sind Indiz, dass in ökonomischen Umbruchphasen Maßnahmen zur Stärkung intraregionaler Kooperationen und koordinierte Projekte wesentliche Elemente einer Revitalisierungsstrategie sein müssen. Wie aufgezeigt, gilt dies
auch für die Aufstellung von integrierten regionalen Entwicklungskonzepten, aus
denen Wirtschafts- und Beschäftigung fördernde Projekte abgleitet werden können.
Daher sollten ggf. förderorientierte Anreize geschaffen und projektfokussierte Maßnahmen entwickelt werden, die helfen, die intraregionale und interkommunale Kooperationen im Ruhrgebiet noch stärker zu fördern. Die Kompetenzen der Akteure,
die sich in ihren jeweiligen Handlungsfeldern in die Gestaltung des strukturellen
Wandels im Sinne der Sicherung von Beschäftigung und Qualifikation, der StandortBranchen- und Regionalentwicklung einbringen, müssen als ein sich ergänzendes
Gefüge angesehen und ggf. im Rahmen von moderierten Netzwerkverbünden aktiviert werden. Eine allein auf den Clusteransatz ausgelegte und moderierte Kooperationsstruktur greift möglicherweise zu kurz.
Da künftige wirtschaftliche Perspektiven für die derzeitigen Bergbaukommunen nicht
ausschließlich an den groß dimensionierten Standorten alter Zechen erwartet werden, die unter den spezifischen Anforderungen des Steinkohlebergbaus entwickelt
wurden, müssen nach Auffassung der befragten Experten Prioritäten in der Flächenentwicklung gesetzt werden. Dazu kann es erforderlich sein, Flächen über einen bestimmten Zeitraum ruhen zu lassen und temporäre Nutzung zu ermöglichen.
Ein stärkerer Verwertungsdruck wurde in Bezug zur Schaffung von GI-Flächen identifiziert.
Wie die Gespräche und Recherchen zeigen, mögen die unmittelbaren Auswirkungen der Zechenschließungen durch den hohen Erfahrungsschatz und das Verantwortungsbewusstsein aller beteiligten Akteure (Belegschaften, Führungsebenen und
Gewerkschaften) und die getroffenen Maßnahmen (z.B. Vorruhestand, Arbeitsplatzwechsel an andere RAG/DSK-Standorte, Qualifikation und Vermittlung in andere
Unternehmen) zwar für den Einzelnen belastend sein, für die Beschäftigten aber
nicht Existenz gefährdend. Keiner der befragten Akteure und keine der vom „Auslaufbergbau“ betroffen territorialen Instanzen sahen in den kohlepolitischen Beschlüssen ein ad hoc Risiko.722 Die kompensatorischen Maßnahmen und längerfristigen Strategien in der Strukturpolitik zeugen vom Erfahrungswissen der handelnden
Personen. Strukturwandel und Strukturpolitik sind ein Lernprozess, der im Ruhrgebiet einen hohen Reifegrad erreicht hat.
722
Für den Fall, dass der am 20.07.2010 von der Europäischen Kommission vorgelegte
Vorschlag für eine EU-Ratsverordnung umgesetzt wird, die ein endgültiges Auslaufen von
Betriebsbeihilfen für Steinkohlebergwerke bis zum 15. Oktober 2014 vorsieht, ist diese Aussage zu relativieren.
230
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Allerdings sind die sekundären, längerfristig wirkenden arbeitsmarkt-, sozial- und
wirtschaftspolitischen Effekte durch den Arbeitsplatzabbau in der Montanindustrie
nicht zu übersehen. Wie in Kapitel 4 gezeigt, sind die existenten sozioökonomischen Verwerfungen durch den anhaltenden Strukturwandel im Ruhrgebiet
und die Abkopplungstendenzen der Region, etwa in der Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse im Vergleich zu NRW, dafür ein
Indiz. Die besonders im Stadtraum des nördlichen Ruhrgebiets sichtbaren Folgen
des Strukturwandels und die hohe Sockelarbeitslosigkeit in den Kommunen sind ein
weiterer Beleg. Strukturpolitische Ausgleichsmaßnahmen werden daher von den
befragten Experten als nach wie vor sehr wichtig angesehen. Die noch nicht überwundenen Folgen des zurückliegenden strukturellen Wandels sind ursächlich dafür,
dass das Land Mittel aus dem Europäischen Fonds für Regionalenwicklung (EFRE)
erhält. Der clusterorientierte, auf Wachstum setzende strukturpolitische Ansatz, sollte nach Auffassung einiger Gesprächspartner überdacht und sich die Mittelvergabe
nur auf Regionen in NRW mit unterdurchschnittlicher Wachstumsdynamik beschränken.
Wie in der Grundannahme der Arbeit entwickelt, hat es sich gezeigt, dass durch die
Kohlebeschlüsse ein Zeitfenster geschaffen wurde, das in einigen Fällen (z.B. Bottrop und Kamp-Lintfort) Anstoß und Entwicklungsspielraum für Neuorientierungen
der lokalen und regionalen Potenziale gibt. Die kohlepolitischen Beschlüsse waren
und sind Anlass, aktiv tätig zu werden. Insofern ist die Intention, wie am Beispiel der
Stadt Bottrop gezeigt, frühzeitig und antizipativ darüber nachzudenken, welche Effekte durch Standortschließungen ausgelöst werden, in welchen Feldern und in welcher Weise mögliche Branchen weiterentwickelt und Ersatzarbeitsplätze geschaffen
werden können, ein Beispiel für eine vorausschauende und aktive Kommunalpolitik.
Das durch die Kohlebeschlüsse geschaffene Zeitfenster mit der Benennung der
verschiedenen standortbezogenen Auslaufstadien bis 2012 bietet ein strategisches
Element für alle handelnden Akteure. Dies zeigt sich exemplarisch, wenn auch in
der antizipativ intentionalen Ausrichtung differenzierter, in Ibbenbüren. Hier besteht
aufbauend auf der kleinräumig verorteten, bergbaulich- und energiewirtschaftlichen
Prägung der Stadt ein etabliertes „Kohlebündnis“ über alle Parteigrenzen hinweg,
die IG BCE ist ein gefragter Partner und wirtschafts- und beschäftigungspolitischer
Kompetenzträger in der Stadt. Über die Implementierung alternativer Strategien für
Stadt und Wirtschaft wird nach Überstimmung der verantwortlichen Akteure erst
nach dem Revisionsmoment in 2012 entschieden.
Handlungsdruck und die im Eingang der Arbeit entwickelte Annahme differenzierter
Betroffenheit zeigt sich vielmehr in einem anderen Feld. Als gravierend werden
übereinstimmend die entstehende Ausbildungslücke, die geringer werdenden Perspektiven für die Ausbildungsstätten der RAG-Bildung sowie der sich abzeichnende
Qualitätsverlust der Ausbildung in Bezug zum zukünftigen Fachkräftebedarf und der
Fachkräfteentwicklung in der Region eingeschätzt. Hier müssen nach Auffassung
231
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
aller Gesprächspartner Alternativen entwickelt werden und die bislang „aufnehmenden Unternehmen“ stärker in die Eigenverantwortung gehen.
Im Gegensatz zu anderen, rein unternehmerisch und nicht durch eine politische
Entscheidung induzierten Restrukturierungsfällen und Betriebsstilllegungen müssen
im vorliegenden Fall aber keine ad hoc Maßnahmen, etwa als Auffanglösung für die
Beschäftigten, getroffen werden.723 Eine Ausnahme war das „Lehrstellen Sonderprogramm“ für einen Teil des RAG/DSK Ausbildungsjahrgangs 2007, das mit Unterstützung aus dem MAGS finanziert werden konnte.
Dennoch unterscheidet sich der prozessorientierte „Auslaufbergbau“ von den meisten anderen Restrukturierungsfällen, auf die im Kapitel 2.3 eingegangen wurde.
Wie ebenfalls in Kapitel 2 aufgezeigt, ist das Konzept der Antizipation des Wandels
besonders dem Phänomen zunehmender Restrukturierungsereignisse als Begleiterscheinung wirtschaftlicher Transformationen in Zeiten der Globalisierung und der
Gestaltung der wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Herausforderungen im
Rahmen der EU-Lissabonstrategie geschuldet. Dieses Konzept stellt insbesondere
die frühzeitige Wahrnehmung (durch Informationsweitergabe der verantwortlichen
Entscheidungsträger an betroffene Akteure in Betrieb und Region oder durch Eigenreflexion von Veränderungserscheinungen und Konsequenzanalyse) sowie die sozialverträgliche Begleitung der Folgen betrieblicher Restrukturierungen in den Mittelpunkt. Wie aufgezeigt, bleibt es allerdings vage in der Umsetzungsrelevanz und
besticht eher durch seinen appellativen Charakter als verantwortungs- und gestaltungsorientierte Handlungsoption unter dem Primat (vermeintlicher?) ökonomischer
Zwänge.
Die Prämissen, die diesem Konzept zu Grunde liegen, unterscheiden sich im vorliegenden Fall erheblich.
¾ Die Restrukturierung bzw. Standortschließung der Bergwerke ist als politischer Entschlusslage Zeitraum nicht Zeitpunkt orientiert. Das Restrukturierungsereignis tritt nicht unerwartet ein und steht im Kontext des lang anhaltenden montanindustriellen Wandlungsprozesses im Ruhrgebiet. Die Revisionsklausel ist für die RAG/DSK und alle anderen betroffenen Akteure gleichermaßen Chance und Herausforderung.724
¾ Die Informationspolitik durch RAG/DSK, der politischen Akteure und der Arbeitnehmervertretungen in Bezug zu den Standortplänen können im Kontext
anderer Restrukturierungsfälle als vorbildlich bewertet werden. Dies betrifft
723
Ein diesbezügliches Finanzierungsinstrument stellt beispielsweise der EUGlobalisierungsfonds dar. Siehe Kapitel 2, Abb. 4
724
vgl. die Strategie am Standort Ibbenbüren, die Aussagen des VDMA für die Zulieferindustrie oder die Erfordernisse der Personalbewirtschaftung bei der RAG/DSK und der RAGBildung
232
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
auch Initiativen wie die „Landesinitiative Bergbauzulieferindustrie“, die die
Branche bei der Erschleißung internationaler Geschäftsfelder unterstützt.
¾ Die Maßnahmen zur Beschäftigungsanpassung sind über lange Jahre hinweg im Konsens mit den Arbeitnehmervertretern erfolgreich etabliert worden.
Wie in Kapitel 6.1. aufgezeigt besteht ein ganzes Set an Eingliederungs- und
Qualifizierungsmaßnahmen. Die Finanzierung der Instrumente wird z.T. aus
den Subventionsmitteln geleistet. Ein unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht zu vergleichendes Moment mit anderen Restrukturierungsfällen und den dort finanzierten und praktizierten Vorgehensweisen.
¾ Kooperation und Informationsaustausch zwischen den handelenden Akteuren des Unternehmens, der Politik, der Arbeitnehmervertreter und der Kommunen müssen nicht initiiert werden, sondern sind z.T. gelebte Erfahrungswelt im Ruhrgebiet, besonders im heimischen Steinkohlenbergbau. Auf diesen Ansätzen baute auch die regionalisierte Strukturpolitik auf.
Damit erfüllen die Phänomene und Begleiterscheinungen des „Auslaufbergbaus“ auf
scheinbar geradezu paradigmatische Weise die Intentionen des vorab erörterten
Antizipationskonzeptes. Gerade weil die Prämissen im vorliegenden Untersuchungskontext völlig anders gelagert sind, ist eine Übertragung als Good-Practice
auf andere Restrukturierungsfälle nur eingeschränkt möglich.725
Dennoch zeigt sich exemplarisch, dass sofern Entwicklungsdiskurse angestoßen,
„Zukünfte gedacht“ und Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hierin eingebunden werden, sich Interessen, Ideen und Projekte ggf. konstruktiv koordinieren
lassen. Die Beispiele Konzept Ruhr, Zukunft Ruhr 2030 oder der industriepolitische
Dialog sind dafür ein Indiz. Die integrativen und akteursübergreifenden Konzepte
belegen, dass die „Phase des Jammerns im Revier“ (HEINZE 2006b, S. 10) vorbei
zu sein scheint. Die synergetische Einbettung von Maßnahmen und Projekten in
verschiedene Offensiven zur Stärkung von Wirtschaft und Beschäftigung, der Wettbewerbsfähigkeit und der regionalen Kooperationskultur sollte vorangetrieben werden. Gerade weil man im Revier nicht mehr darauf vertrauen kann, dass im großen
Umfang betriebliche Neuansiedlungen die beschäftigungspolitischen Probleme lösen werden, sollten die synergetischen Potentiale der Wirtschaft und Wissenschaft,
der Verbände und Gewerkschaften, der Politik, Verwaltung und Wirtschaftsförderungseinrichtungen noch intensiver mobilisiert und projektorientiert umgesetzt werden.
725
Ein Beispiel möge das erläutern. Der Stilllegungsbeschluss von ELECTROLUX für das
AEG Stammwerk in Nürnberg wurde mit einem Jahr Vorlauf verkündet - grundsätzlich positiv
im Sinne des Antizipationskonzeptes zu bewerten. Die Folge war ein langer und massiver
Arbeitskampf. Es stellt sich die Frage, ob andere Unternehmen, daraus Lehren ziehen und
standortbedingte Entscheidungen erst so spät wie möglich verkünden, wie etwa NOKIA in
Bochum?
233
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Die verschiedenen Beispiele auf den unterschiedlichen räumlichen Handlungsebenen zeigen, dass regionale, kommunale und lokale Entwicklungsvorhaben generell
an originären Stärken und Potenzialen ansetzen. Gleichwohl wurde in den Gesprächen vermerkt, Wirtschafts- und Beschäftigung fördernde Strategien auch in Nischen und kleineren Segmenten jenseits der gängigen Clusterdebatte zu entwickeln. Um die Herausforderungen im anhaltenden Strukturwandel zu bewältigen
kann es Ziel sein, Kompetenz- und Wissensströme in der Region stärker zu aktivieren. Die nachlassende Stärke des montanindustriellen Komplexes bedeutet nicht,
dass im industriellen Sektor zukünftig kein Wirtschafts- und Beschäftigungspotential
liegt. Für das Ruhrgebiet sollte es daher gelingen, den Standort vor allem als Industriestandort weiterzuentwickeln, zu profilieren und somit Arbeitsplätze in Gewerbe
und Industrie zu schaffen.
Das kann nach Ansicht der Gesprächspartner insbesondere in industriebezogenen
Clustern, wie Energie, Chemie oder Werkstofftechnik und Logistik als nach gelagertem Bereich geschehen. Im Rahmen der problemzentrierten Interviews wurde der
Bedarf an alternativen Arbeitsplätzen im Falle der Bergwerksschließungen sehr
deutlich heraus gestellt. Eine Voraussetzung für eine zukunftsfähige Regionalentwicklung kann zudem in der Stärkung der Kooperationen zwischen Unternehmen
und Hochschulen sowie anderen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, der
Ausbau des ingenieurwissenschaftlichen Bereichs sowie in der Weiterentwicklung
der industrienahen Dienstleistungen gesehen werden. Eine solche strukturpolitische
Ausrichtung ist kompatibel mit Erkenntnissen aus der regionalen Innovationsforschung, in denen herausgestellt wird, dass es nicht isolierte Branchen und Technologien sind, die Wohlstand und Arbeitsplätze schaffen, sondern es mehr um die
Verknüpfung in Kompetenznetzen gehen muss.726 Dies zeigt sich exemplarisch
auch für Betriebe der Zulieferindustrie.
Die Diskussion der aufgezeigten Beispiele der Zulieferindustrie belegt, dass die Situation der Bergbauzulieferbetriebe angesichts des auslaufenden Bergbaus und
eines zu befürchtenden vollständigen Ausstiegs bis 2018 sehr vielschichtig ist. Die
Situation korrespondiert mit Heterogenität des Wirtschaftszweiges. Dementsprechend differenzieren auch die jeweiligen Markt- und Produktstrategien der Unternehmen.
Global operierende Konzerne sind in der Regel in der Lage, ihr Kerngeschäft –
ständig innovierend – international mit großem Erfolg voranzutreiben. Sie verfügen
über ausreichend Eigenkapital, Wirtschaftinformationen, Technologiepotenzial und
qualifizierte Mitarbeiter um in neue Absatzmärkte vorzudringen und sich aufgrund
ihrer erworbenen und im globalen Geschäft weiter ausgebauten Technologieführerschaft profitabel zu positionieren. Dies stabilisiert wenigstens partiell das Beschäftigungsvolumen an den deutschen Standorten, denn das weltweite Marktpotential
726
Siehe etwa JANSEN 2006, S. 77, HEEG 2008, S. 233ff.
234
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
wird durch die Global Player unter den Bergbauzulieferern in heimische Wachstums- und Beschäftigungsimpulse umgesetzt. Allerdings zeigen sich mit zunehmender Reduktion des inländischen Absatzmarktes bei gleichzeitigem und verstärkten
Aufbau von Geschäftsfeldern im Ausland, auch Tendenzen von Arbeitsplatzverlagerungen und damit von lokalen Beschäftigungsverlusten.
Ohne Bergbau versiegen möglicherweise technologische Innovationen und Entwicklungskompetenzen. Das Know-how verlagert sich in andere Regionen, um dort
Wertschöpfungsprozesse zu initiieren, die für den Wirtschaftstandort Deutschland
ebenso relevant wären, wie für die Beschäftigungssituation vor Ort, im Ruhrgebiet
und in den einzelnen derzeitigen Bergbaustandorten und ihrem ökonomischen Umfeld. Kleinere Unternehmenseinheiten, die für die regionale Ökonomie von großer
Bedeutung sind, sind im Rahmen ihrer Reorganisationsprozesse in der Regel nur
schwer in der Lage ohne externe Supports, ihr Produktionssystem auf ein differenzierteres Nachfrageverhalten neu zu justieren. Dies erfordert von Unternehmen
¾ eine genaue, umfassende und global ausgerichtete Marktbeobachtung um
Bedarfe auch in anderen Absatzmärkten zu ermitteln,
¾ ausreichendes Kapital um die Fähigkeit zu erlangen, die Produktionssysteme möglichst schnell und effektiv neu zu ordnen und
¾ die Fähigkeit und Flexibilität die neu ermittelten und unterschiedlichen Produkte rasch auf den Markt zu bringen.
Die finanziellen, personellen und materiellen Ressourcen, die mit einer Markterschließung sowie der damit verbundenen Umstrukturierung des Produktionssystems
verbunden sind, übersteigen ggf. die Kapazität eines einzelnen Unternehmens. Die
Konsequenz hieraus kann als Empfehlung lauten, sich frühzeitig um regionale und
internationale Kooperationsbeziehungen zu bemühen. Strategische Allianzen könnten zur Erschließung von neuen Absatzmärkten ausgerichtet werden und bieten ggf.
eine Möglichkeit, Größennachteile zu kompensieren. Die Überlebenschance der
Bergbauzulieferer hängt davon, dass sie mit dem Auslaufen des Steinkohlebergbaus in Deutschland die Erfahrungen aus dem Montancluster in neue Vernetzungen
mit technologisch führenden Unternehmen des Kraftwerkbaus, der Energietechnik,
der Hüttentechnik, des Maschinenbaus und der chemischen Industrie einbringen,
um in diesen erweiterten Netzwerken ihre Kompetenzen neu zu justieren, so dass in
einem solchen Cluster gemeinsame Marktchancen entwickelt werden können.
235
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Aufbauend auf den Untersuchungen und den Ergebnisse der Arbeit können folgende Annahmen weiterentwickelt werden.
Bestehende Grundlagen für die strategische Antizipation auf regionaler Ebene sind
vorhanden
Um eine strategische Antizipation, der sich (wie aufgezeigt) weiterhin einstellenden
Herausforderungen im sozio-ökonomischen Wandel im Ruhrgebiet leisten zu können, ist die Erfassung, permanente Beobachtung und Analyse der strukturellen Gegebenheiten und sich abzeichnender Entwicklungspfade (z.B. Demographie und
Fachkräftemangel) elementar. Durch das ausgesprochen gute Dokumentations- und
Berichtswesen in der Region, durch die wissenschaftliche Begleitforschung von
Veränderungen in Wirtschaft, Sozialem und Stadt- und Regionalentwicklung und
durch die regionalen Adaptionsleistungen und der Konzeptionalisierung von möglichen Entwicklungsstrategien für die Region (Cluster, kreative Ökonomie,
Kompetenznetwerke etc.) sind wichtigen Voraussetzungen erfüllt, potentielle Entwicklungen zu erkennen und darauf intentional zu reagieren. Damit ist eine wichtige
Informationsgrundlage geschaffen, um zu den akteursübergreifenden „shared diagnosis“ in der strategischen Antizipation des regionalen und lokalen Wandels zu
kommen. Entscheidend für den erfolgreichen Strukturwandel auf regionaler, kommunaler und lokaler Ebene scheint die gegenseitige Bereitstellung spezifischen
Wissens innerhalb von institutionellen Kooperationen und Netzwerken zu sein. Regionale Innovationen und Netzwerke können aber weder verordnet werden, noch
reichen finanzielle Anreize zur Initiierung von Zusammenarbeit aus. Die Kooperationen im Ruhrgebiet wie im industriepolitischen Dialog, dem Konzept Ruhr2030 oder
dem Papier „Wandel als Chance“ der Kommunen in der „Kohlenachfolgeregion“
bieten für die akteursübergreifende und intraregionale Zusammenarbeit eine verbesserte Ausgangslage. Denn nach FÜRST sind Regionen umso leistungsfähiger,
je besser sie in der Lage sind, kollektives Handeln zu organisieren.727
Impact Analyse und Evaluationen zu Restrukturierungen erhöhen den Wissenstand
für den zukünftigen Umgang mit regionalen Krisen
Der wissenschaftliche Erkenntnisstand zu den kurz- und mittelfristigen Auswirkungen betrieblicher Restrukturierungen auf Beschäftigung, Stadt und Region ist nicht
ausreichend. Zu selten werden „Impact-Analysen“ über die zu erwartenden Auswirkungen von Restrukturierungen erstellt und daraus Handlungserfordernisse für zukunftsfähige Beschäftigungs- und Qualifikationserfordernisse in der Region abgeleitet oder Stilllegungskonsequenzen analysiert. Dies gilt besonders für die lokale
Ebene bzw. die lokale Ökonomie, auf die Standortschließungen massive Auswir-
727
Siehe FÜRST 2007, S. 362
236
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
kungen haben. Fundierte methodische Analysen und Fallbeispiele der durch Restrukturierungen eingetretenen sozialen und ökonomischen Folgen können helfen,
den Wissensstand zu erhöhen, um konkrete Maßnahmen entwickeln und implementieren zu können. Der Strukturwandel wird in der wissenschaftlichen Literatur bislang sehr stark aus der Raumwirtschafslehre theoriegeleitet erörtert und orientiert
sich weniger an betrieblichen Entwicklungen. An dieser Stelle kann die relationale
Wirtschaftsgeographie Zugänge eröffnen. Unternehmen rücken nach HAAS und
NEUMAIR stärker in die analytische Betrachtung, da entsprechend der Annahmen
im relationalen Ansatz die Handlungen auf Unternehmensseite die Entwicklung einer Region beeinflussen.728
Durch die Stilllegungsbeschlüsse droht ein regionaler Kompetenzverlust
Der Bergbau wurde als wichtiger Wirtschaftszweig identifiziert, um auch Synergieeffekte mit anderen Industrien (z.B. Chemie), Unternehmen und Ingenieurbüros zu
nutzen.729 Dies bezeugt u.a. die besonders hohe Anzahl an Zulieferern und industrienaher Dienstleistungsunternehmen, die sich in Marl angesiedelt haben. Gerade
die Ballung von innovativen, weltweit agierenden Unternehmen im
Bergbauzuliefererbereich in den nördlichen Teilräumen des Ruhrgebietes zeigt, wie
relevant der Erhalt des Steinkohlebergbaus für die Zulieferindustrie ist. Denn obgleich die Unternehmen vor Ort in starkem Maße global positioniert sind und ihre
Wertschöpfung hauptsächlich international generieren, bedürfen sie zur Entwicklung
und Erprobung ihrer Produkte eines Referenzbergbaus.730 Es steht zu befürchten,
dass ohne das eingespielte Kompetenznetzwerk aus Steinkohlenbergbau, Zulieferund Chemieindustrie ein tief greifender Kompetenzverlust mit erhöhtem regionalen
Arbeitsplatzrisiko droht, da viele innovative Aspekte des Bergbaus in die Chemieindustrie einfließen und deren Innovationen mit sicherstellen, wegfallen würden. Der
Verlust des Steinkohlebergbaus könnte eine beschäftigungsreduzierende Verlagerungsdynamik in Gang setzen.731 Es wäre anzunehmen, dass bei vollständigem
Wegfall des Steinkohlenbergbaus in Deutschland die Zulieferunternehmen einen
Referenzbergbau in Kundennähe suchen würden. Sofern dies eintritt, sind Standortverlagerungen nicht ausgeschlossen. Damit wären besonders im Ruhrgebiet weitere
Arbeitsplätze gefährdet.
728
Siehe HAAS und NEUMAIR 2007, S. 32
Siehe zusammenfassend für die Zulieferindustrie RIECHMANN 2002, S. 305ff.
730
In den Gesprächen wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass aufgrund verschiedener Förderbedingungen und entsprechend eingesetzter Technologien der Erhalt von zwei
bis drei Standorten sinnvoll sei. INTERVIEWS UNTERNEHMENSVERTRETER II,
GEWERKSCHAFTSVERTRETER VIII, sowie ZULIEFERER II und III
731
Siehe GVSt (Hrsg.) Jahresbericht 2007, S.13ff.
729
237
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
8 Literatur- und Internetverzeichnis
ADRAIN, Luise (2003): Regionale Netzwerke als Handlungskonzept. Erfolg versprechender Weg einer innovationsorientierten Regionalentwicklung? Berlin
AGILETTA, Michel (1997): A Theory of Capitalist Regulation. The US Experience.
London
AGIPLAN (Hrsg.) (2007): ZIKON – Zukunftsinitiative Kompetenzregion Niederrhein.
Mülheim
ANSOFF, Hans (1980): Strategic Issue Management. In: Strategic Management
Journal, Vol. 1, S. 131-148
AREND, Jessica, ZIMMERMANN, Volker (2008): Innovationshemmnisse bei KMU.
(=Mittelstand- und Strukturpolitik. Schriftenreihe der KfW-Bank, Band 43) 2008
BADE, Franz-Josef (1998): Möglichkeiten und Grenzen der Regionalisierung der
regionalen Strukturpolitik. In: Raumforschung und Raumordnung, Band 56, Heft 1,
S. 3-8
BAITSCH, Christoph; MÜLLER Bernhard (Hrsg.) (2001): Moderation in regionalen
Netzwerken. München
BARTELS, Ralf (2005): Arbeit und Innovation in NRW: Handlungsfelder mitgliederorientierter Strukturpolitik. In: Hans-Böckler-Stiftung. Mitbestimmungs-, Forschungs-,
und Studienförderungswerk des DGB (Hrsg.): WSI-Mitteilungen H. 3. Düsseldorf.
S.168-175
BATHELT, Harald; GLUCKLER Johannes (2000): Netzwerke, Lernen und evolutionäre Regionalentwicklung. In: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie, Jg. 44; H. 3/4,
S. 167-182
BATHELT, Harald; GLUCKLER Johannes (2002a): Wirtschaftsgeographie in relationaler Perspektive. In: Geographische Zeitschrift, Jg. 90; H.1 S. 20-39
BATHELT, Harald; GLÜCKLER Johannes (2002b): Wirtschaftsgeographie. Ökonomische Beziehungen in räumlicher Perspektive. Stuttgart
BATTUT, Mireille; DUCHAMP, Phillipe (2006): Conditions pour l´anticipation des
changements. Bericht für das EU-Projekt AgirE - Anticiper pour une gestion
innovante des restructurations en Europe. Paris
BAUER-WOLF, Stefan; PAYER, Harald ; SCHEER, Günter (Hrsg.) (2008): Erfolgreich durch Netzwerkkompetenz. Handbuch für Regionalentwicklung. Wien
BECK, Rufus; HEINZE, Rolf; SCHMID, Josef (Hrsg.) (2009): Strategische Wirtschaftsförderung und die Gestaltung von HighTech Clustern. Wiesbaden
BECK, Ulrich (1993): Die Erfindung des Politischen. Frankfurt a.M.
BECK, Ulrich (Hrsg.) (2000): Die Zukunft von Arbeit und Demokratie. Ulm
BECKER MINING SYSTEMS AG (Hrsg.) o.J.: Unsere Philosophie: Innovation aus
Tradition. http://www.becker-mining.com/runtime/cms.run/doc/Deutsch/18/ Unternehmen.html [20.05.08]
BECKER, Heide (2003): Besonderer Entwicklungsbedarf - die Programmgebiete der
Sozialen Stadt. In: Deutsches Institut für Urbanistik im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg): Strategien für die Soziale Stadt.
Berlin. S. 56-73
BECKER, Helmut (2006): Das Toyota Phänomen. Wiesbaden
238
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
BECKER, Thomas; DAMMER, Ingo; HOWALDT Jürgen et al. (2007): Netzwerke –
praktikabel und zukunftsfähig. Aus: BECKER, Thomas; DAMMER, Ingo;
HOWALDT, Jürgen et al. (Hrsg.): Netzwerkmanagement: Mit Kooperation zum Unternehmenserfolg. Berlin. S. 3-11
BEHRENS, Martina (2004): Globalisierung als politische Herausforderung. Wiesbaden
BEHRENS, Martina; KÄDTLER, Jürgen (2006): Die Rolle des Managements bei
der betrieblichen Restrukturierung. In: WSI-Mitteilungen, 11/2006. S. 32-45
BENDER, Gerd (2005): Innovation in Low-Tech Companies. Aus: HIRSCHKREINEN, Peter; et.al. (Hrsg): Low-tech Innovation in the Knowledge Economy.
Frankfurt a.M. S. 85-89
BERGSTRÖM, Ola; DIETRICH, Andreas (2006): European Corporate Social Responsibility and Restructuring. Report im Rahmen des EU-Projektes MIRE
(Monitoring Innovative Restructuring in Europe, (Hrsg. von SYNDEX, Paris). Brüssel, Paris, Göteborg
BERLIN-INSTITUT FÜR BEVÖLKERUNG UND ENTWICKLUNG (Hrsg.) (2006): Die
demographische Lage der Nation. Wie zukunftsfähig sind Deutschlands Regionen?
Berlin
BEYER, Jürgen (2006): Vom kooperativen Kapitalismus zum Finanzmarktkapitalismus. Aus: BRINKMANN, Ulrich; et al. (Hrsg.): Endspiel des kooperativen Kapitalismus? Institutioneller Wandel unter den Bedingungen des marktzentrierten Paradigmas. Wiesbaden. S.35-57
BLADT, Michael; ZDROWOMYSLAW, Norbert (2009): Regionalwirtschaft. Global
denken, lokal und regional handeln. Gernsbach
BLEIDICK, Dietmar; WEBER, Wolfhard (1999): Die Entwicklung der BergbauZuliefererindustrie nach 1945. In: Der Anschnitt, Heft 51 / 1999, S.94-108.
BLÖCKER, Antje; et al. (2005): Gewerkschaftliche Herausforderungen bei der Mitgestaltung des „Niedersachsen-Projektes“. Aus: DÖRRE, Klaus; RÖTTER, Bernd
(Hrsg.) a.a.O. S. 153-167
BLOTEVOGEL, Hans Heinrich (1996): Auf dem Weg zu einer „Theorie der
Regionalität“: Die Region als Forschungsobjekt der Geographie. In: BRUNN, G.
(Hrsg.): Region und Regionsbildung in Europa. Konzeptionen der Forschung und
empirische Befunde. (= Schriftenreihe des Instituts für Europäische Regionalforschungen, Bd. 1). Baden-Baden, S. 44-68
BLOTEVOGEL, Hans-Heinrich (2006): Metropolregion Rhein-Ruhr. In: Geographische Rundschau, Heft 1, S. 28-36
BLUME, Lorenz; GERSTLBERGER, Wolfgang: Determinanten betrieblicher Innovation: Partizipation von Beschäftigten als vernachlässigter Einflussfaktor.- In: Industrielle Beziehungen; Heft 3/2007.- S. 223-225
BOCHUMER EISENHÜTTE HEINTZMANN GMBH & CO. KG (Hrsg.) 2007: Produkt-Übersicht.
http://www.beheico.de/fileadmin/Dateien_Unternehmen/BE/PDF/GesamtuebersichtBE.pdf [30.09.08]
BOHNSACK, Ralf (2000): Gruppendiskussion. Aus: FLICK, Uwe; KARDOFF, Ernst
von; STEINELE, Ines (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbeck. S.
118-135
BOLDT, Kai-William; GELHAR, Martina (2008): Das Ruhrgebiet - Landschaft, Industrie und Kultur. Darmstadt
239
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
BONI, Guido (2008): The new territorial dialogue. Vortrag und Paper im Rahmen
des EU AgirE-Projektes und des Seminars in Madrid vom 19. April 2008. Florenz
und Madrid
BONI, Guido (2009): Corporate Restructuring and Employment Protection – Towards a new territorial social dialogue. Aus: MOREAU, Marie-Ange (Hrsg.): a.a.O.
S. 131-170
BORTZ, Jürgen; DÖRING, Nicola (2002): Forschungsmethoden und Evaluation für
Human- und Sozialwissenschaftler. 3. Auflage. Berlin, Heidelberg
BOSCH, Gerhard (2005): Beschäftigung und Innovation in Nordrhein-Westfalen. In:
Rhein-Ruhr-Magazin. Heft 4/2005, S. 122-125
BOUNCKEN, Ricarda (2000): Organisationen: Theorie, Design und Wandel. London
BRANDSTÄTTER, Regina (2007): Territoriale Beschäftigungspakte - Regionale
Innovation gefördert vom Europäischen Sozialfonds. Aus: Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit der Republik Österreich: Der Europäische Sozialfonds. Innovativer Impulsgeber für den österreichischen Arbeitsmarkt. Wien. S. 63-73.
BRENNER, Thomas; FORNAHL, Dirk (2006): Lokale Cluster – Theorie, empirische
Erkenntnisse und politische Implikationen. Aus: REITH, Reinhold et al. (Hrsg.): Innovationskultur in historischer und ökonomischer Perspektive. Innsbruck. S. 185210
BRUCH-KRUMBEIN, Waltraud (2008): Die Indienstnahme des regionalpolitischen
Ausgleichinstruments durch polarisierende Clusterpolitik. Aus: KRUMBEIN, Werner
et al.: Kritische Regionalwissenschaften. Gesellschaft, Politik, Raum - Theorie und
Konzepte im Überblick. Münster. S. 279-300
BRUCH-KRUMBEIN, Waltraud; HOCHMUTH, Elke (2000): Cluster und Clusterpolitik. Begriffliche Grundlagen und empirische Fallbeispiele aus Ostdeutschland.
Marburg
BRUYNINCKX, Hans (1997): The closure of Vilvorde. Dublin
BULLMANN, Udo; HEINZE, Rolf: (Hrsg.) (1997): Regionale Modernisierungspolitik –
Nationale und internationale Perspektiven. Opladen
BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT (Hrsg.): (2007) Arbeitslosenquoten – Landkarten
und Eckwerte. Monatsberichte 01-12 2008. Nürnberg
BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT (Hrsg.): (2008) Arbeitslosenquoten – Landkarten
und Eckwerte. Monatsberichte 01-12 2007. Nürnberg
BUNDESMINISTERIM FÜR VERKEHR, BAU, STADTENTWICKLUNG (Hrsg.)
(2008): Bundestransferstelle Soziale Stadt: Statusbericht zum Programm Soziale
Stadt 2008. Berlin
BUNDESMINISTERIUM für BILDUNG und FORSCHUNG (Hrsg.) (2002): SpinOffGründungen aus der öffentlichen Forschung in Deutschland. Bonn
BURMEISTER, Klaus; et al. (2002): Zukunftsforschung und Unternehmen. Praxis,
Methoden und Perspektiven. Essen
BÜTTNER, Susanne (2006): Nutzungswandel der Zeche Westerholt. Diplomarbeit
TU München, Lehrstuhl Prof. Latz. München
BUTZIN, Bernhard (2000): Netzwerke, Kreative Milieus und Lernende Regionen:
Perspektiven für die regionale Entwicklungsplanung? In: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie, H. 3/4 2006. S. 149-166
240
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
BUTZIN, Bernhard; FRANZ, Martin; NOLL, Hans-Peter (2006): Strukturwandel im
Ruhrgebiet unter Schrumpfungsbedingungen. Patchwork-Management als Herausforderung. In: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie, Heft 3-4 /2006. S. 258-276
CASPERS, Rolf; BICKHOFF, Nils; BIEGERER, Thomas (2005): Interorganisatorische Wissensnetzwerke – mit Kooperation zum Erfolg. Heidelberg
CASTELLS, Manuel (2000): The Rise of the Network Society. The Information Age:
Economy, Society and Culture. 2. Aufl., Oxford
CATTERO, Bruno (2009): Restructuring versus industrial change. A framework for
decisions. Vortrag und Handout auf der Konferenz des European Trade Union Institute: “Sustainable strategies for the future” vom 16. März 2009. Brüssel
CENTER FOR REGIONAL AND ECONOMIC SOCIAL RESEARCH at the Hallam
University Sheffield (Hrsg.) (2005): Has the economy of the coalfields recovered?
Sheffield
CHEMSITEINITIATIVE (Hrsg.) 2008: Überblick über die Aktivitäten.
www.chemsite.de/de/presse/broschueren/pdf/Chemiestandorte_für_zukunftsorientie
rte_Investitionen_[30.09.08]
CLEMENT, Wolfgang (2002): Zukunft der Kohle. Manuskript der Rede vom
03.07.2002 auf dem Kohlentag 2002. Essen. Auch als Download unter
http://www.ragsteinkohle.org/news.php?newsid=54
CROUCH, Colin; LE GALES, Patrick et al. (Hrsg.) (2004): Changing governance of
local economies. Oxford
DANIELZYK, Rainer (2003): Stadtentwicklung in Nordrhein-Westfalen zwischen
Wachstum und Schrumpfung - eine Einführung in das Thema. In: ILS (Institut für
Landes- und Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen des Landes NordrheinWestfalen) (Hrsg.): Stadt-Entwicklung zwischen Wachstum und Schrumpfung.
Werkstattgespräche. Dortmund. S. 9 - 12
DANIELZYK, Rainer (2005): Strukturwandel und Reorganisation der Metropolregion
Rhein-Ruhr. Aus: KUJATH, Hans-Joachim (Hrsg.): Knoten im Netz. Zur neuen Rolle
der Metropolregionen in der Dienstleistungsgesellschaft und Wissensökonomie (=
Stadt- und Regionalwissenschaften) Bd.4. Münster, S. 481-500
DANIELZYK, Rainer; KNAPP, Wolfgang; SCHULZE, Kati (2008): „metropoleruhr“
oder „TripleMetropolis RheinRuhr“? In: Informationen zur Raumentwicklung. Heft
9/10 2008. S. 549-562
DENNINGER, Heinrich (2007): Wir haben die Krise in der Bergbautechnik gemeistert. IG Metall (Hrsg.) Informationsbroschüre: Arbeit durch Innovation.
DER SPIEGEL (Hrsg.) 2005: Bergbau - Konkurrenz in der Grube. Reportage von:
Diehl, Jörg; Udo Ludwig; Schmid, Barbara.
http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?titel=Konkurrenz+in+der+
Grube [11.04.05]
DER SPIEGEL (Hrsg.) 2007: Der Ruhrpott erfindet sich neu. Reportage von Bigalke,
Silke. http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,521945,00.html. [11.12.07]
DETJE, Richard; et al. (2008): Auseinandersetzungen um Betriebsschließungen eine Bestandsaufnahme: Abschlussbericht eines Forschungsberichtes für die HansBöckler-Stiftung. Hamburg, München
DEUTSCHE BANK RESEARCH (Hrsg.) (2007): Deutscher Maschinenbau – Chancen in globalen Wachstumsclustern. Frankfurt a.M.
DEUTSCHE STEINKOHLE AG (Hrsg.) (2006): Durchblick vor Ort - Bergwerk Lippe
(4/2006)
241
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
DEUTSCHE STEINKOHLE AG (Hrsg.) (2007): Durchblick vor Ort (6/2007)
DEUTSCHER BUNDESTAG (Hrsg.) (2007a): Ausschussdrucksache 16(9)672 16.
Wahlperiode, 11.November 2007. Ausschuss für Wirtschaft und Technologie: Beschlussempfehlung und Bericht
DEUTSCHER BUNDESTAG (Hrsg.) (2007b): Ausschussdrucksache 16(9)821 16.
Wahlperiode, 16. Oktober 2007 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie: Stellungnahme von Bernd Tönjes – Vorsitzender des Vorstandes Deutsche Steinkohle
AG – Steinkohlefinanzierungsgesetz Öffentliche Anhörung am 22. Oktober 2007
DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND (Hrsg.) (1997): Ruhrmemorandum. Zu
Lage und Perspektiven der Ruhrwirtschaft. Düsseldorf
DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND – REGION ÖSTLICHES RUHRGEBIET
(Hrsg.) (2006): Stellungnahme zu den Eckpunkten des MWME NRW vom
17.01.2006 für die Aufstellung eines Operationellen Programms (EFRE) im Rahmen
eines neuen NRW-EU-Ziel 2-Programms 2007-2013. Recklinghausen
DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND - BEZIRK NORDRHEIN-WESTFALEN
(Hrsg.) (2007): Industrie- und innovationspolitischer Dialog NRW 2008. Ein Vorschlag des DGB NRW an den Ministerpräsidenten des Landes NRW - an den Präsidenten der Landesvereinigung der Arbeitgeber NRW. Düsseldorf. (nicht veröffentlicht)
DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND - BEZIRK NORDRHEIN-WESTFALEN
(Hrsg.) (2008a): Pressemitteilung zum strukturellen Wandel. 06.06.08
DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND - BEZIRK NORDRHEIN-WESTFALEN
(Hrsg.) (2008b): DGB NRW unterstützt Forderung nach „Kohlegipfel"
http://www.nrw.dgb.de/presse/pressemeldungen/pmdb/pressemeldung_single?pmid
=805 [15.11.08]
DEUTSCHES INSTITUT FÜR URBANISTIK GMBH (Hrsg.) 2009: Integriertes Handlungskonzept. Steuerungs- und Koordinierungsinstrument für die soziale Stadtteilentwicklung. http://www.sozialestadt.de/veroeffentlichungen/newsletter/integrierteshandlungskonzept.shtml [11.05.09]
DEUTSCHLANDRADIO (Hrsg.) 2006: Hintergrund Wirtschaft - Politikum Kohle. Von
Koch, Tonia; Wagener, Volker.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/889304. [16.07.06]
DEUTSCHLANDRADIO (Hrsg.) 2007a: Aus dem Schacht in die Höhe. Bochumer
Unternehmen nutzt Bergbautechnik für Windkraftanlagen. Von Deuse, Klaus.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/firmen/610706/ [08.07.07]
DEUTSCHLANDRADIO (Hrsg.) 2007b: Paul Rheinländer im Gespräch mit Klaus
Deuse. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/firmen/610706 [31.03.07]
DEUTSCHLANDRADIO (Hrsg.) 2008: Renaissance der Kohle: Privatinvestoren
bauen neue Bergwerke. Von Lautsch, Peter.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/798375/ [09.06.08]
DIECKMANN, Andreas: Methoden der Sozialforschung. In: Kölner Zeitschrift für
Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderausgabe 44/2002
DILLER, Christian (2003): Regionalentwicklung durch neue Kooperationen - von
wem und für wen? In: Standort - Zeitschrift für angewandte Geographie. Heft
2/2003, S. 79-84
DÖRRE, Klaus; RÖTTGER, Bernd (Hrsg.) (2005a): Die erschöpfte Region. Münster
242
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
DÖRRE, Klaus, RÖTTGER, Bernd (2005b): Auf die Defense kommt es an! Globalisierung, Region und gewerkschaftliche Beteiligung. Bilanz und Ausblick. Aus:
DÖRRE, Klaus; RÖTTGER, Bernd (Hrsg.): Die erschöpfte Region. S. 214-234,
Münster
DRANGFELD, Egbert; LEHMANN, Daniel (2007): Temporäre Nutzungen als Bestandteil des modernen Baulandmanagements. In: Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Forum Baulandmanagement NRW
Dortmund
DREHER, Eva; DREHER, Michael (1994): Gruppendiskussion. Aus: HUBER, Günter; MANDI, Heinz (Hrsg.): Verbale Daten. Eine Einführung in die Grundlagen und
Methoden der Sozialforschung. S. 243-258
DYBE, Georg (2003): Regionaler Wirtschaftlicher Wandel. Münster
DYK, Irene Josefa (1981): Gesellschaftspolitische Aspekte der Planung: Zielgenese
und –transformation. Solingen
ECKEY, Hans-Friedrich (2008): Regionalökonomie. Wiesbaden
EICHENER, Volker, SCHULTE, Frank, WEINGARTEN, Jörg (2000): Erfolgsfaktoren
für Biotechnologie-Regionen. Edition der Hans-Böckler-Stiftung, Nr. 46. Düsseldorf
EKSTEDT, Eskil; et al. (1999): Neo-Industrial Organising: Renewal by Action and
Knowledge Formation in a Project-Intensive Economy. New York
ELFES, Horst (2003): Abstimmung mit dem Möbelwagen. In: Transfer 3/2003, S. 810
ELLER, Elke; BOFINGER, Peter; et al. (Hrsg.) (2007): Mehr und bessere Arbeitsplätze durch Europa. Hamburg.
ELTKES, Markus (2008): Das Ruhrgebiet – Eine regionalwirtschaftliche Analyse. In:
Informationen zur Raumentwicklung. Heft 9/10 2008. S. 535-547
ERDMENGER, Katharina; ZIEGLER, Astrid (2004): Strukturpolitik nach 2006. Der
Vorschlag der Europäischen Kommission. In: HANS-BÖCKLER-STIFTUNG. Mitbestimmungs-, Forschungs-, und Studienförderungswerk des DGB (Hrsg.): WSIMitteilungen, H. 6. S. 321-325
ESSENER WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG (Hrsg.) 2007: Essener Industrieunternehmen auf Zukunftskurs. http://www.unternehmenssicherungessen.de/index.php?id=5 [12.10.07]
EUROFOUND - EUROPEAN FOUNDATION FOR THE IMPROVEMENT OF
LIVING AND WORKING CONDITIONS (Hrsg.) (1997):
http://www.Eurofound.Europa.eu/eiro/1997/03/feature/be9703202f.htm [03.03.08]
EUROFOUND - EUROPEAN FOUNDATION FOR THE IMPROVEMENT OF
LIVING AND WORKING CONDITIONS (Hrsg.) (2005): Industrial restructuring.
http://www.Eurofound.eu.int/areas/industrialchange/restructure.htm#5 [13.05.07]
EUROFOUND - EUROPEAN FOUNDATION FOR THE IMPROVEMENT OF
LIVING AND WORKING CONDITIONS (Hrsg.) (2001): Understanding, Anticipating
and managing change. The European Monitoring Centre of Change. Brüssel
EUROFOUND - EUROPEAN FOUNDATION FOR THE IMPROVEMENT OF
LIVING AND WORKING CONDITIONS (Hrsg.) (2008): Industrial Change and Restructuring. http://www.Eurofound.Europa.eu/pubdocs/2003/48/en/1/ef0348en.pdf
[03.03.08]
243
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
EUROPÄISCHE GEMEINSCHAFTEN (Hrsg.) (2009): RICHTLINIE 2009/38/EG
DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES http://eurlex.Europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:122:0028:0044:DE:PDF
[10.05.09]
EUROPÄISCHE KOMMISSION (Hrsg.) (2002): Anticipating and managing chance:
a dynamic approach to the social aspects of corporate restructuring. Brüssel
EUROPÄISCHE KOMMISSION (Hrsg.) (2004): Den Strukturwandel begleiten. Eine
Industriepolitik für ein erweitertes Europa. Brüssel. Auch als Download unter:
http://eur-lex.Europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2004/com2004_0274de01.pdf
EUROPÄISCHE KOMMISSION (Hrsg.) (2005a): Kommunikee Restructuring and
Employment. Auch als Download unter:
http://www.eu2005.lu/en/actualites/documents_travail/2005/04/05epscocom/Commu
nication-EN-FINAL.pdf
EUROPÄISCHE KOMMISSION (Hrsg.) (2005b): Integrated guidelines for growth
and jobs. Brüssel Auch als Download unter:
http://ec.Europa.eu/growthandjobs/pdf/integrated_guidelines_en.pdf
EUROPÄISCHE SOZIALPARTNER (Hrsg.) (2004): – Erste Anhörung: Antizipierung
und Bewältigung des Wandels. Ein dynamisches Herangehen an die sozialen Aspekten von Restrukturierungen. Brüssel
EUROPÄISCHER RAT (Hrsg.) (2000): Schlussfolgerungen des Vorsitzes vom 23.
und 24. März 2000. Lissabon. Auch als Download unter
http://www.consilium.Europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/pressdata/de/ec/00100r1.d0.htm
EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS der Kommission
für den industriellen Wandel (Hrsg.) (2006): Informationsbericht vom 6. September
2006, Berichterstatter: IRESEL CHAMBON. Brüssel
EUROPÄISCHES PARLAMENT (Hrsg.) (2006): European Parliament resolution on
the economic and social consequences of industrial restructuring in Europe. Dokument B6-0389/2006 vom 03.07.2006. Straßburg
EUROPEAN METALWORKER FEDERATION – EMF (Hrsg.) (2005a): EMF Policy
approach towards socially responsible restructuring. Brüssel und Luxemburg
EUROPEAN METALWORKER FEDERATION – EMF (Hrsg.) (2005b): EMF Comment on the EU Commission Communication 120. Brüssel und Luxemburg
EUROPEAN TRADE UNION FEDERATION (Hrsg.) (2006): Trade Unions Anticipating Change in Europe (The TRACE Project – piloted by Valeria Pulignano) – A
handbook on restructuring. Brüssel
FISCHER, Bettina; HUBER, Frank (2005): Innovationserfolg durch vertikale Vernetzung. Aus: STAHL, Friedrich (Hrsg.): Wirkungsvolles Agieren in Zeiten des Wandels. Wiesbaden. S. 243-264
FLENDER AG (Hrsg.) (2008a): Unternehmensporträt. http://www.winergyag.com/_upload/20081027___PM_Winergy_Pr_fstand_8_5MW.pdf. [30.05.08]
FLENDER AG (Hrsg.) (2008b): Unternehmensprüfung.
http://www.presseportal.de/pm/16180/a_friedrich_flender_ag. [10.10.08]
FOCUS-ONLINE (Hrsg.) (2009): Konzerne planen Konsortium für Solar-Großprojekt
in der Sahara. http://www.focus.de/panorama/vermischtes/deutschland-konzerneplanen-konsortium-fuer-solar grossprojekt-in-der-sahara_aid_408643.html
[17.06.2009]
244
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
FÖRDERVEREIN BERGBAUTECHNIK (Hrsg.) (2007): Newsletter.
http://www.foerderverein-bergbauzulieferer.de/aktuell. [ 12.12.08]
FORUM MITTELSTAND (Hrsg.) (2007): Nominierungen für den Mittelstandspreis
2007. http://www.mittelstandspreis.com/singlenewsmeldung/datum/2007/11/01/finalisten-2007-aus-nordrhein westfalen.html.
[11.01.09]
FORUM UMSTRUKTURIERUNG (Hrsg.) (2007) : Anpassung der KMU an den
Wandel. (26.–27. November 2007): Struktureller Wandel, betriebliche Restrukturierung und Antizipation von Wandel in kleinen und mittleren Unternehmen in Europa.
Brüssel
FOX, Katia, HEINZE, Rolf (2004): Von regionalen Netzwerken zum regionalen
Standortmanagement. (=InWIS Bericht Nr. 31) Bochum
FRANKE, Reimund; ZERRES, Michael (1999) Planungstechniken. Instrumente für
eine erfolgreiche Unternehmensführung im Wettbewerb. Frankfurt a.M.
FRAUNHOFER INSTITUT für Systemforschung (2006): Innovation in KMU – Der
ganzheitliche Innovationsansatz und die Bedeutung von Routinen für den Innovationsprozess. Karlsruhe
FREEMAN, R. Edward (2004): The Stakeholder Approach Revisited. In: Zeitschrift
für Wirtschafts- und Unternehmensethik (zfwu). 3/5/2004, S. 228-241
FREVEL, Bernhard; DIETZ Bertold (2004): Sozialpolitik kompakt. München
FREY, René; ZIMMERMANN, Horst (2005):Neue Rahmenbedingungen für die
Raumordnung als Chance für marktwirtschaftliche Instrumente. In: disP 161, H. 2
FRIERDRICH EBERT STIFTUNG (Hrsg.) (2004): KMU und Innovation. Arbeitspapier des VDI-Technologiezentrums für den Arbeitskreis Mittelstand der Friedrich
Ebert Stiftung. Bonn 2004.
FRÖHLICH, Stefan (2007): Die Europäische Union als globaler Akteur. Wiesbaden
FRONDEL, Manuel; KAMBECK, Reiner; SCHMIDT, Christoph (2006): Kohlesubventionen um jeden Preis? Eine Streitschrift zu den Positionen des GVSt. (= RWIMaterialien) Band 25
FUNDER, Maria (1996): Industrielle Beziehungen und regionaler Strukturwandel.
Das Beispiel Ruhrgebiet im Spiegel der Literatur. In: Arbeit, Heft 1/1996, S. 40-61
FÜRST, Dietrich (2003): Steuerung auf regionaler Ebene versus Regional
Governance. In: Informationen zur Raumentwicklung. Heft 8/9.2003, S. 441-450
FÜRST, Dietrich (2007): Regional Governance. Aus: BENZ, Arthur; LÜTZ, Susanne;
SCHIMANK, Uwe; et a.: Handbuch Governance. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder. S. 325-338. Wiesbaden
GÄRTNER, Stefan (2004): Integrierte Wirtschaftsförderung. Regionalökonomische
Ansätze und Konzepte. In: WIDMAIER, Brigitta et al. (Hrsg.): Wege zu einer integrierten Wirtschaftsförderung. Baden-Baden, S. 13-74
GATZWEILER, Hans-Peter; MILBERT, Antonia (2006): Regionale Disparitäten in
den Erwerbsmöglichkeiten. Grund genug für eine ausgleichsorientierte Raumordnungspolitik. In: Informationen zur Raumentwicklung Heft 6/7 2006, S. 317-324
GAUSEMEINER, Jürgen (2001): Produktinnovation. Strategische Planung und Entwicklung der Produkte von morgen. München
GEBR. EICKHOFF MASCHINENFABRIK UND EISENGIESSEREI GMBH (Hrsg.)
(2008): Die Eickhoff-Gruppe. http://www.eickhoff-bochum.de/de/download/EickhoffGruppe_D.pdf [31.03.08]
245
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
GERSTLBERGER, Wolfgang (2007): Determinanten betrieblicher Innovation: Partizipation von Beschäftigten als vernachlässigter Einflussfaktor.- In: Industrielle Beziehungen; Heft 3/2007, S. 223 – 244
GESAMTVERBAND STEINKOHLE (Hrsg.) (2007a): Deutsche Steinkohle 2007.
Optionen für die Zukunft. Steinkohle Jahresbericht 2007. Auch als Download
http://www.gvst.de/site/chronik/chronik_2000_heute.htm
GESAMTVERBAND STEINKOHLE (Hrsg.) (2007b): Deutsche Steinkohle – Auslaufbergbau oder noch eine Option für die Zukunft? Essen
GESAMTVERBAND STEINKOHLE (Hrsg.) (2007c): Steinkohle Jahresbericht 2007.
Essen
GESAMTVERBAND STEINKOHLE E.V. (Hrsg.) (2007d): Chronik ... Von den Anfängen bis heute http://www.gvst.de/site/chronik/chronik_2000_heute.htm
[30.01.07]
GESAMTVERBAND STEINKOHLE E.V. (Hrsg.) (2009): Personal- und sozialpolitische Anpassungsinstrumente.
http://www.gvst.de/site/steinkohle/anpassungsinstrumente.htm [11.05.09]
GILDA, Ben (2003): Early Warning: Using Competitive Intelligence to Anticipate
Market Shifts, Control Risk, and Create Powerful Strategies. New York
GLASSMANN, Ulrich; VOELZKOW, Helmut (2004): Restructuring Duisburg: A new
local production system substitutes an old steel plant. Aus: CROUCH, Colin et al.
(Hrsg.): Changing Governance of local Economies. Oxford, S. 139-159
GOCH, Stefan (Hrsg.) (2004a): Strukturwandel und Strukturpolitik in NordrheinWestfalen. Sonderausgabe der Landeszentrale für politische Bildung NRW. Münster
GOCH, Stefan (2004b) : Und jetzt? Strukturpolitik bleibt eine Daueraufgabe. Aus
GOCH, Stefan (Hrsg.) a.a.O., S.379-389
GÖKE, Daniel (2002): Die Entwicklung der beratenden Funktion: Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss und Beratender Ausschuss der EGKS. Brüssel
GOODIJK, Riienk (2009): Corporate Governance, Labour Management and Industrial Relations. A Theoretical Paper on Structures of Corporate Governance, Management Decision-making and Actors' Dynamics. Aus: MOREAU, Marie-Ange
(Hrsg.) a.a.O; S. 73-86
GRABHER, Gernot (1993): Wachstums-Koalitionen und Verhinderungs-Allianzen,
Entwicklungsimpulse und –blockierungen durch regionale Netzwerke. In: Informationen zur Raumentwicklung Heft11/1993, S. 749-758
GRANOVETTER, Mark (1973): The strength of weak ties: In: The American Journal
of Sociology. Nr. 6/1973. S. 1360-1380
GRANOVETTER, Mark (1985): Economic Action and Social Structure. The Problem
of Embeddedness. In: American Journal of Scociology 91. Jg. Heft 3. S. 481-510
GROSSEKEMPER, Hans-Jürgen; SCHULENBERG, F.; SCHMIDT, B. (1994):
Bergbaunahe Betriebe haben Qualifizierungsbedarf. In: Glückauf, Jg. 130, Heft 4,
S. 245-250.
HAAS, Hans-Dieter; NEUMAIR, Simon-Martin (2007): Wirtschaftsgeographie. Darmstadt
HANDELSBLATT (Hrsg.) (2006): Bergbauzulieferer könnten bis zu 15.000 Stellen
streichen. http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/bergbau-zuliefererkoennten-15-000-stellen streichen;1045519 [07.03.06]
246
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
HANDELSBLATT (Hrsg.) (2007a): Auf jeder Zeche ein Arbeitsamt.
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/Auf-jeder-zeche-ein-arbeitsamt.
1254942 [16.04.07]
HANDELSBLATT (Hrsg.) (2007b): Deilmann-Haniel reicht Insolvenzantrag ein.
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/deilmann-haniel-reichtinsolvenzantrag-ein;1254942 [16.04.07]
HANDGE, Lothar (2007): Maschinenbauer und die Neuorientierung der Zulieferer in
NRW. Velbert
HANDWERKSKAMMER DÜSSELDORF (Hrsg.) (2008): Pressemitteilung des
Nordrhein Westfälischen Handwerktages: PRESSE-INFORMATION Nr. 3 / 2008
vom 15. Januar 2008. Handwerk signalisiert Unterstützung für Papke-Initiative.
NWHT: Beschäftigungspotenzial für Bergleute im Handwerk jedoch nicht überschätzen . http://www.hwk-duesseldorf.de/nwht/dokumente/presse/press0308.html
[03.06.08]
HARMES-LIEDTKE, Ulrich; HOPPE, Andrea; KREMER, Uwe (2004): Perspektiven
einer aktiven Strukturpolitik für Nordrhein-Westfalen. Aus: GERLACH, Frank;
ZIEGLER, Astrid (Hrsg.): Neuere Herausforderungen der Strukturpolitik. Marburg.
S.300-324
HAUNSCHILD, Lothar; et al. (2009): Entwicklung des Gründungs- und Liquidationsgeschehens in NRW - Im Zeitraum 1997 bis 2007 - Untersuchung im Auftrag der
NRW.Bank. In: Institut für Mittelstandsforschung Bonn (Hrsg.): (=IfM-Materialien Nr.
185) Bonn.
HAUPT, Marie (2008): Die Lissabonstrategie für Wachstum und Beschäftigung:
Entwicklung und bisherige Bilanz der Strategie. München
HEBEKEUSER, Kim (2008): Duisburg ohne Kohle? Die Konsequenzen der Stilllegung der Zeche Walsum. Diplomarbeit am Geographischen Institut der RuhrUniversität Bochum
HEEG, Susanne (2008): Die Debatte um regionale Innovationssysteme vor dem
Hintergrund wirtschaftsglobaler Herausforderungen. Aus: KRUMBEIN, Werner; et al.
(Hrsg.).: Kritische Regionalwissenschaften. Gesellschaft, Politik, Raum - Theorie
und Konzepte im Überblick. Münster. S. 228-247
HEINZE, Rolf (2006a): Wandel wider Willen. Deutschland auf der Suche nach neuer
Prosperität. Wiesbaden
HEINZE, Rolf (2006b) : Das Ruhrgebiet im Standortwettbewerb – Modellregion für
Innovationen? Vortrag vom 24.Mai 2006 bei der RAG / MGG Immobilien
HEINZE, Rolf; HILBERT, Josef et al. (1996): Strukturpolitik zwischen Tradition und
Innovation. NRW im Wandel. Opladen
HEINZE, Rolf; VOELZKOW, Helmut (1997): Regionalisierung der Strukturpolitik in
Nordrhein-Westfalen. Opladen
HERFERT, Günter (2007): Von der Suburbanisierung zur Reurbanisierung? Leibnitz
Institut für Länderkunde. Vortrag für das Raumwissenschaftliche Netzwerk am
06.12.2007 Download unter: www.demographie-online.de/downl/herfert_dgdbbr_061207.pdf
HERMANN, Wilhelm; HERMANN, Gertrude (2007): Die alten Zechen an der Ruhr Vergangenheit und Zukunft einer Schlüsseltechnologie. 6. Auflage. Langewiesche
HEUSER, Thomas (2008): Stärkung der Wirtschaftskraft von Regionen. Aus:
KIESE, Matthias; SCHÄTZL, Ludwig (Hrsg.) a.a.O. S .99-110
247
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
HILBERT, Josef et al. (1996): Strukturpolitik zwischen Tradition und Innovation.
Nordrhein-Westfalen im Wandel. Opladen 1996
HILBERT, Ulrich; THIERSE, Wolfgang (1997): Deindustrialisierung in den neuen
Bundesländern und Probleme bei der innovativen Restrukturierung. Aus:
BULLMANN/HEINZE a.a.O. S. 299 – 316
HÖBEL, Oliver (2007): Unsere Anforderungen an die EU-Strukturpolitik. Aus:
PETERS, Jürgen (Hrsg.): Mehr und bessere Arbeitsplätze in Europa. Hamburg. S.
124-131
HOFFMANN, Jürgen (2005): Deutschland – eine „Basarökonomie“? Globalisierung,
das „Modell Deutschland“ und die Region als produktiver Anker. Aus: DÖRRE,
Klaus; RÖTTGER, Bernd (Hrsg.) a.a.O. S. 70-89
HÖFKES, Uwe (2002): Arbeit in regionalen Wirtschaftsräumen. In: G.I.B. Info, Heft
4, 2002. S. 8-11
HOMBACH, Bodo (2008): Ein Revier für die Kultur. Aus: Marjan, Marie-Luise
(Hrsg.) Ruhr 2010 – Kulturhauptstadt Europas. S. 26-29 Köln
HOPF, Christel (1991): Qualitative Interviews in der Sozialforschung. Ein Überblick.
Aus: FLICK, Uwe et al: (Hrsg.), Handbuch Qualitative Sozialforschung. München.
S.177-182
HOWALDT, Jürgen; KOPP, Ralf ;FLOCKEN, Peter (Hrsg.) (2001): Kooperationsverbünde und regionale Modernisierung. Theorie und Praxis der Netzwerkarbeit.
Wiesbaden
HUMMELSBRUNNER, Richard; LUKESCH, Robert; BAUMFELD, Leo (2002): Systemische Instrumente für die Regionalentwicklung. Graz
IG BCE (Hrsg.) (2008) – Informationsdienst von 31.07.2008. Tarifvertrag Saar –
Keiner fällt ins Bergfreie. o.O
IG METALL (Hrsg.) (2009a): Mit Früherkennung und Innovation in die Offensive. (=
Arbeit und Innovation 01_2009)
IG METALL (Hrsg.) (2009b): Initiative Arbeit durch Innovation. www.arbeit-durchinnovation.de/index.php?url=44,0,46,0,1 [03.06.09]
IG METALL BEZIRK NRW (Hrsg.) (2005): Dokumentation Strukturwandel Bergbautechnik – Zukunft von Unternehmen und Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen? Die
Dialogveranstaltung für Betriebsräte der Branche Bergbautechnik. Dokumentation
der Veranstaltung vom 09.11.2005 in Hamm
ILS - Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes NordrheinWestfalen Dortmund (Hrsg.) (2000): AUSTERMANN, Klaus; ZIEMER-HEEGMANN,
Ralf: Analyse der Umsetzung des integrierten Handlungsprogramms für Stadtteile
mit besonderem Erneuerungsbedarf. Dortmund (=ILS-Schriften; 166)
INDUBERG-GUPPE (Hrsg.) (2007): Pressemitteilung vom 21.Dezember 2007
INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER NORD WESTFALEN (Hrsg.) (2007): Kurzprofil Stadt Bottrop. Münster
INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER NORD WESTFALEN (Hrsg.) (2008): Deutliche Abkühlung der Konjunktur. Konjunkturbericht Spätsommer 2008. Münster
INDUSTRIE UND HANDELSKAMMER NRW (Hrsg.) (2008): Ruhrwirtschaft.
82.Konjunkturbericht.
http://www.ihknrw.de/fileadmin/user_upload/IHK/IHKs_Ruhrgebiet/Ruhrlagebericht/
Ruhrwirtschaf sbericht_LR.pdf. [30.11.08]
248
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER ZU DORTMUND (Hrsg.) (2008): Ruhrwirtschaft. 81. Konjunkturbericht Herbst 2008. Dortmund
INTERNATIONAL COAL MINER (Hrsg.) (2008): Thyssen-Schachtbau fordert Lohnverzicht von den Kumpels. Dokumentationsschrift vom 03 Juni 2008. o.O.
INTERNATIONAL ORGANIZING COMMITTEE FOR THE WORLD MINING
CONGRESSES und BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND ARBEIT
ÖSTERREICH (Hrsg.) (2008): World-Mining Data, Volume 23 - Mineral Production.
Wien
INTERNATIONALE ENERGIE AGENTUR (Hrsg.) (2007): World Energy Outlook
2007. China and India Insight. Paris
IR / Initiativkreis Ruhrgebiet (Hrsg.) (2007): Zukunft Ruhr 2030. Das Strategiepapier.
Essen
IR / Initiativkreis Ruhr (Hrsg.) (2008): Zukunft Ruhr 2030. Essen
ISOPLAN (Hrsg.) (2002): Gutachten zur regionalwirtschaftlichen Bedeutung des
Steinkohlenbergbaus im Saarland im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft des
Saarlandes. Saarbrücken
IVANISIN, Marko (2006): Regionalentwicklung im Spannungsfeld von Nachhaltigkeit
und Identität. Wiesbaden
JANSEN, Dorothea (2006): Innovation durch Organisationen, Märkte oder Netzwerke? Aus: REITH, Reinhold et al. (Hrsg.) a.a.O. S. 77-100
JASPER, Karl; SCHOLZ, Carola (2008): Stadtentwicklung in der Städteregion Ruhr.
In: Informationen zur Raumentwicklung. Heft 9/10. S. 627-638
JELICH, Franz-Josef (2004): Strukturkonservatismus und Innovation. Neue Handlungsansätze der Strukturpolitik in den 1980er und 1990er Jahren. Aus: GOCH, Stefan (Hrsg.) a.a.O. S. 200-216
JENTGENS, Barbara; KAMP, Lothar (2004): Betriebliches Verbesserungsvorschlagswesen. Analyse und Handlungsempfehlungen. Frankfurt a.M.
JESCHKE, Markus. A. (2007): Stadt und Umland im Ruhrgebiet. Muster und Prozesse der Bevölkerungsentwicklung und politisch-planerische Reaktionen. Dortmund: (= Metropolis und Region, Band 2 des Stadt- und regionalwissenschaftlichen
Forschungsnetzwerks Ruhr / SURF)
JOCHUMS, Peter. (1996): Die deutsche Bergmaschinen-Industrie: Traditionsreich
und hochmodern. In: Glückauf, Jg. 132, Nr. 8, S. 454-456.
KEIM, Karl-Dieter (2003): Das Fenster zum Raum. Traktat über die Erforschung
sozialräumlicher Transformationen. Opladen
KIESE, Matthias (2008): Stand und Perspektiven der regionalen Clusterforschung.
Aus: KIESE, Matthias, SCHÄTZL, Ludwig (Hrsg.) a.a.O. S. 9- 50
KIESE, Matthias (2009): Policy-Transfer und institutionelle Lernprozesse in der
Clusterpolitik. Aus: SCHMID, Josef; HEINZE, Rolf; BECK, Rasmus (Hrsg.): Strategische Wirtschaftsförderung und die Gestaltung von High-Tech-Clustern. S. 40- 58
KIESE, Matthias; SCHÄTZL, Ludwig (Hrsg.) (2008): Cluster und Regionalentwicklung. Theorie, Beratung und praktische Umsetzung. Dortmund
KIESELBACH, Thomas; MADER, Sabine (2005): Umgang mit beruflichen Transitionen. Einige Ergebnisse eines Europäischen Forschungsprojektes. In: Journal für
Psychologie, Jg.13. Heft 1/2. S. 87-103
249
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
KIESELBACH, Thomas (2008): Health in restructuring – Approaches and policy
recommendations. Bremen. Auch als Download unter: http://www.ipg.unibremen.de/research/hires/DGEMPL_ReportOnRestructuring_Kieselbach.pdf
KIESELBACH, Thomas; KNUTH, Matthias et.al. (Hrsg.) (2009): Innovative Restrukturierung von Unternehmen: Fallstudien und Analysen. München
KILPER, Heiderose (1998): Regionalisierung. Prinzipielle Überlegungen und Denkanstöße aus der internationalen Bauausstellung Emscher Park. In: Institut für Arbeit
und Technik. Jahrbuch 1997/98. Gelsenkirchen. S. 140-147
KLAHN, Holger (2006): Vom Fordismus zum Postfordismus. Eine Betrachtung aus
regulationstheoretischer Sicht unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung in
Deutschland. München
KNILL, Christoph (2000): Policy Netzwerke. Analytisches Konzept und Erscheinungsform moderner Politiksteuerung. Aus: WEYER, Johannes (Hrsg.): Soziale
Netzwerke. München. S. 111-133
KNUTH, Mathias (2007): Leaflet Germany: Negotiated Restructuring. Schriftlicher
Beitrag für das MIRE-Projekt und die Konferenz Brüssel. Brüssel und Gelsenkirchen. Auch als Download unter: http://www.mire-restructuring.eu/
KÖBERNICK, Wolfang (2008): Vom Personaltransfer zur Personalentwicklung. Aus:
KOST, Klaus (Hrsg.) a.a.O. S.254 – 266
KÖLLMANN, Wolfgang et al. (Hrsg.) (1990): Das Ruhrgebiet im Industriezeitalter.
Band 1. Kevelar
KOPP, Ralf; LANGENHOFF, Georg; SCHRÖDER, Antonius (Hrsg.) (2000): Methodenhandbuch. Angewandte empirische Methoden: Erfahrungen aus der Praxis. Sozialforschungsstelle Dortmund. Dortmund.
KOSCHATZKY, Knut: (2003): Innovative Impulse für die Region - Aktuelle Tendenzen und Entwicklungsstrategien. Stuttgart
KOST, Klaus (Hrsg.) (2004a): Wir retten was zu retten ist. Marburg
KOST, Klaus (2004b): Belegschaften als Frühwarnsysteme. Aus: KOST, Klaus
(2004) a.a.O. S. 71-102.
KOST, Klaus (Hrsg.) (2008): Beratung anders. Consulting für Betriebsräte und Gewerkschaften. Marburg
KRÄTKE, Stefan (1995): Stadt Raum Ökonomie. Basel, Boston, Berlin
KREIDEL, Norbert (2005): Lange Wellen der wirtschaftlichen Entwicklung. Empirische Analysen, bestehende Erklärungsmodelle und Neumodellierung. Münster
KREMER, Uwe; HARMES-LIEDTKE, Ulrich; KORFLÜR, Ingar (2000): Regionalwirtschaftliche Kooperation und arbeitsorientierte Strukturpolitik in Nordrhein-Westfalen
(REKON). Marburg
KRÖCHER, Uwe: Der New Regionalsims: Aufstieg und Fall(stricke) einer regionalwissenschaftlichen Alternative zur Neoklassik. Aus: KRUMBEICH, Wolfgang; et
al.(Hrsg.): a.a.O. S. 192 - 214
KRÜGER, Doreen (2006): Veränderungsprozesse in der Arbeits- und Personalpolitik vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung. Kassel
KRUSE, Heinz (1992): Strukturpolitik in Nordrhein-Westfalen. Aus: INSTITUT FÜR
LANDES- und STADTENTWICKLUNGSFORSCHUNG (Hrsg.): Regionale Politik
und regionales Handeln. Dortmund. S. 11-30
250
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
KRYSTEK, Ulrich (2006): Handbuch Krisen- und Restrukturierungsmanagement.
Berlin
KUGELMANN, Lothar (1986): Antizipation – Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung. Tübingen
KULKE, Elmar (2008): Wirtschaftsgeographie. Grundriss Allgemeine Geographie. 3.
Auflage, Paderborn 2008
LACKMANN, Gregor (2008): Raumwirksame Mittel und ihre Bedeutung für das
Ruhrgebiet. In: Informationen zur Raumentwicklung. Heft 9/10 2008. S. 583-607
LAGEMANN, Bernhard; BAUER, Thomas; DÜRIG, Wolfgang et al. (2005): Strukturwandel ohne Ende? Aktuelle Vorschläge zur Revitalisierung des Ruhrgebiets und
ihre Bewertung. In: RHEINISCH-WESTFÄLISCHES INSTITUT FÜR
WIRTSCHAFTSFORSCHUNG (Hrsg.): (=RWI Materialien) Heft 20. Essen.
LAMNECK, Siegfried (2005): Qualitative Sozialforschung – Lehrbuch. (3. Aufl.)
Weinheim
LAMPE, Peter (2008a): Initiativkreis Ruhrgebiet. Zukunft Ruhr2030. Die Strategie
des Initiativkreises Ruhrgebiet. Präsentation beim Dortmunder Dialog 51. „Metropole
Ruhe - innovativ und kreativ?“ Dortmund, 28. Mai 2008
LAMPE, Peter (2008b): Zukunft Ruhr 2030 - eine Strategie für die Metropole Ruhr".
Vortrag bei der Arbeitsgemeinschaft Kommunale Wirtschaftsförderung in NordrheinWestfalen am 4.Sept. 2008 in Düsseldorf. Als Downlaod im Internet:
http://www.Staedtetagnrw.de/imperia/md/content/stnrw(internet/2_fachinformatonen/2008/agkwnrw_lampe
.pdf
LANDESAMT FÜR DATENVERARBEITUNG UND STATISTIK (Hrsg.) (2008a): Daten zu Einkommensdisparitäten in NRW.
http://www.lds.nrw.de/presse/pressemitteilungen/2008/pdf/120_08.pdf [12.10.08]
LANDESAMT FÜR DATENVERARBEITUNG UND STATISTIK (Hrsg.) (2008b): Daten zur Bevölkerungsentwicklung in NRW.
http://www.lds.nrw.de/presse/pressemitteilungen/2008/pdf/118_08.pdf [12.10.08]
LANDESBETRIEB INFORMATION UND TECHNIK NORDRHEIN-WESTFALEN
(IT.NRW) (Hrsg.) 2009a: Vorausberechnung der Bevölkerung 2008 bis 2030/2050 in
NRW. http://www.it.nrw.de/statistik/a/daten/eckdaten/r311prog.html [12.06.09]
LANDESBETRIEB INFORMATION UND TECHNIK NORDRHEIN-WESTFALEN
(IT.NRW) (Hrsg.) 2009b: Einwohnerzahl und Bevölkerungsdichte in NRW.
http://www.it.nrw.de/statistik/a/daten/eckdaten/r311dichte.html [12.06.09]
LANDESBETRIEB INFORMATION UND TECHNIK NORDRHEIN-WESTFALEN
(IT.NRW) (Hrsg.) 2009c: Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung in NRW.
http://www.it.nrw.de/statistik/b/daten/eckdaten/r314mz_erwerb1.html [12.06.09]
LANDESBETRIEB INFORMATION UND TECHNIK NORDRHEIN-WESTFALEN
(IT.NRW) (Hrsg.) 2009d: Messzahlen der vierteljährlichen Handwerksberichterstattung über Beschäftigte und Umsatz
http://www.it.nrw.de/statistik/o/daten/eckdaten/r321handwerk.html [12.06.09]
LANDTAG INTERN: Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen. Der Präsident des Landtages Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): 37. Jahrgang, Ausgabe 4 vom
15.03.2006. Düsseldorf
LÄPPLE, Dieter (1991): Thesen zum Zusammenhang von ökonomischtechnologischem Strukturwandel und regionaler Entwicklung. Aus: BUKHOLD, Stef-
251
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
fen; THINNES, Petra (Hrsg.): Boomtown oder Gloomtown. Strukturwandel einer
deutschen Metropole: Hamburg. Berlin. S. 15-27
LÄPPLE, Dieter (1994): Die Teilökonomie einer Großstadt in einer neuen Phase
struktureller Umbrüche – Das Beispiel Hamburg. Aus: BLIEN, Uwe; HERMANN,
Hermann.; KOLLER, Martin (Hrsg.): Regionalentwicklung und regionale Arbeitsmarktpolitik. Konzepte zur Lösung regionaler Arbeitsmarktprobleme. Nürnberg. S.
106-133
LÄPPLE, Dieter (2000): Städte im Spannungsfeld zwischen globaler und lokaler
Entwicklungsdynamik. Lokale sozio-ökonomische Strategien in Stadtteilen mit besonderem Erneuerungsbedarf. (= ILS-Schriften) Bd. 168. Dortmund
LAUTSCH, Peter (2008): Renaissance der Kohle. Privatinvestoren bauen neue
Bergwerke. In: Europa Deutschlandfunk. Dokumentation vom 09.06.2008
LEBURN, François (2008): Managing Chance. Präsentation und Handout im Rahmen des EU Projektes ANCOBEST (Antizipative und kooperative Bewältigung des
Strukturwandels) am 18.11.2008. Brüssel
LEHNER, Franz; NORDHAUSE-JANZ, Jürgen; SCHUBERT, Klaus (1988): Probleme und Perspektiven des Strukturwandels der Bergbau-Zulieferindustrie. Abschlußbericht einer Studie im Auftrag der Ruhrkohle AG. Bochum
LINDER, Erik (2009): Corporate Governance in multinationalen Unternehmen. München
LÖTSCHER, Lienhard (2005): Shrinking East German Cities? In: Geographia Polonica Bd. 78, H. 1, S. 79-98
LÖTSCHER, Lienhard; WIESSNER Reinhard (2008): Zukunftsperspektiven urbaner
Brachflächen. Kann weniger mehr sein? In: Berichte zur deutschen Landeskunde
Bd. 82, H.3, S. 204-214
MAASS, Frank; DEMEGENSKI, Caroline (2004): Standortverlagerungen von Unternehmen: Verbreitung, Hintergründe und wirtschaftliche Auswirkungen am Beispiel
Nordrhein-Westfalens. Wiesbaden
MAGER, Udo; RÖLLINGHOFF, Stefan (2009): Regionale Disparitäten und strategische kommunale Wirtschaftsförderung – aktuelle Herausforderungen und Handlungsansätze am Beispiel der Stadt Dortmund. Aus: SCHMID, Josef; HEINZE, Rolf
G.; BECK, Rasmus C. (Hrsg.): Strategische Wirtschaftsförderung und die Gestaltung von High-Tech-Clustern. Baden-Baden, S. 71-98
MARETZKE, Steffen (2008): Das Ruhrgebiet – ein homogener Raum?. In: Informationen zur Raumentwicklung. Heft. 9/10, S.563-581
MARR, Rainer; STEINER, Karin (2003): Personalabbau in deutschen Unternehmen: Empirische Ergebnisse zu Ursachen, Instrumenten und Folgewirkungen
MARTINS, Erko et al. (2007): Innovationen durch beteiligungsorientierte Unternehmenskultur – partizipative Umsetzung innovativer Produktionskonzepte und Arbeitsstrukturen am Beispiel eines mittelständischen Büromöbelherstellers. In: RAUSCH,
Karl (Hrsg.). Organisation gestalten – Struktur mit Kultur versöhnen. Lengerich. S.
545-553
MASCHINENHANDEL (Hrsg.) (2007): Branchennews: Codelco setzt auf deutsche
Technik. http://www.maschinen-handel.de/branchennews-WeltgroessterKupferkonzern-Codelco-setzt-auf deutsche-Technik [10.07.07]
MASCHINENMARKT (Hrsg.) (2007a): Interview mit ALT vom VDAM. Maschinenbauer und Neuorientierung der Zulieferer in NRW.
http://www.maschinenmarktonline.de/index [03.06.07]
252
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
MASCHINENMARKT (Hrsg.) (2007b): Sonneck, Martin zu Innovationsleistungen der
Bergbauzulieferer. http://www.maschinenmarktonline.de/index. [03.06.07]
MASUTH, Markus (2006): Infoveranstaltung der GfW Duisburg und der RAG. In:
Durchblick – Dialog und Serviceinitiative des Bergwerk Walsum. Ausgabe Frühjahr
2006, S. 4
MAYR, Alois; TEMLITZ, Klaus (2006): NRW – ein landeskundlicher Überblick. In:
Geographische Rundschau, Heft 1, S. 4-10
MERIAN, Kristina (2007): Dialogveranstaltung für Betriebsräte: Betriebliches Vorschlagswesen. Attendorn
MEYER, Christian; ZIMMER-HEGMANN, Ralf (2007): Sozialräumliche Polarisierung
in schrumpfenden Städten. In: ILS / Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Demographischer
Wandel in Nordrhein-Westfalen. (=ILS NRW Schriften 203). S. 49 - 57
MEYER-KRAHMER, Frieder (1995): Antizipation des industriellen Wandels: Fragen,
Methoden, Ergebnisse. Aus: EUROPÄISCHE KOMMISSION,
BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALORDNUNG (Hrsg.) Runder
Tisch – Antizipation des industriellen Wandels. Berlin. S.49-54
MEYER-STAMER, Jörg (2009): Moderne Industriepolitik oder postmoderne Industriepolitiken. In: Friedrich Ebert Stiftung (Hrsg.): (=Schriftenreihe moderne Industriepolitik) Band 1/2009. Berlin
MEYER-STAMER, Jörg; MAGGI, Claudio (2004): Grundrisse der Mesopolitik in
NRW. Aus: MEYER-STAMER, Jörg; MAGGI, Claudio; GIESE, Michael (Hrsg.)
(2004): Die Strukturkrise der Strukturpolitik. Tendenzen der Mesopolitik in
Nordrhein-Westfalen. Wiesbaden. S. 16-44
MICIC, Pero (1993): Strategische Früherkennung statt Management by Rückspiegel. In: Office Management Nr. 10/1993. S. 76-83
MICIC, Pero (2006): Das Zukunftsradar. Offenbach
MICIC, Pero (2007): Die fünf Zukunftsbrillen. Offenbach
MINISTERIUM FÜR ARBEIT, GESUNDHEIT UND SOZIALES DES LANDES
NORDRHEIN-WESTFALEN (Hrsg.) (2008): Arbeitsminister Karl-Josef Laumann:
205 Jugendliche erhalten die Chance, beruflich zu starten. Land fördert Lehrstellen
an Kohlestandorten.
http://www.mags.nrw.de/06_Service/001_Presse/001_Pressemitteilungen/pm2008/0
80215/index.html [17.03.08]
MINISTERIUM FÜR ARBEIT, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des
Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (1998): Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf - Ressortübergreifendes Handlungsprogramm der Landesregierung
Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf
MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, MITTELSTAND UND ENERGIE DES LANDES
NORDRHEIN-WESTFALEN (Hrsg.) (2008a): Industriepolitisches Spitzengespräch:
Unternehmen, Gewerkschaften und Politik verabreden breiten gesellschaftlichen
Dialog zur Bedeutung des Industriestandorts Nordrhein-Westfalen.
http://www.wirtschaft.nrw.de/2000/2100/2120/200809/080911/index.php [20.11.08]
MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, MITTELSTAND UND ENERGIE DES LANDES
NORDRHEIN-WESTFALEN (Hrsg.) (2008b): Wirtschaft in NRW 2008. Konjunkturbericht Nordrhein-Westfalen 2008. Düsseldorf
MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, MITTELSTAND UND ENERGIE DES LANDES
NORDRHEIN-WESTFALEN (Hrsg.) (2009a): Düsseldorfer Erklärung - Allianz pro
253
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Industrie. http://www.allianz-pro indurie.nrw.de/duesseldorfer_erklaerung/index.php.
[10.06.09]
MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, MITTELSTAND UND ENERGIE DES LANDES
NORDRHEIN-WESTFALEN (Hrsg.) (2009b): Gründeraktivitäten in NRW.
http://www.wirtschaft.nrw.de/200/index.php.[ 20.02.09]
MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, MITTELSTAND UND ENERGIE DES LANDES
NORDRHEIN-WESTFALEN (Hrsg.) (2009c): Projektaufruf "Stärkung der regionalen
Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit durch Regionale Strategiekonzepte, Regionalmanagements und Regionalbudgets". http://www.fz juelich.de/etn/datapool/Artikel/RWP.pdf [20.02.09]
MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, MITTELSTAND UND TECHNOLOGIE DES
LANDES NORDRHEIN-WESTFAlEN (Hrsg.) (1995): Fortentwicklung der
regionalisierten Strukturpolitik. Beschluss vom 14.03.1995. Düsseldorf
MÖLLMANN, Katja (2001): Zur Krisenanfälligkeit kleiner und mittlerer Bauunternehmen. Münster
MOREAU, Marie-Ange (2008): Theoretical Framework, Definition and Typology on
Restructuring. Aus: MOREAU, Marie-Ange, GROUPE ALPHA CONSULT (Hrsg.):
AgirE-Project: Final Report for the European Commission. GD Employment. S. 138178. Brüssel, Paris, Florenz
MOREAU, Marie-Ange (Hrsg.) (2009): Building antizipation on restructuring in Europe. Bern
MORLEY, John; WARD, Terry (2009): Good practice in company restructuring.
Dublin
MOSIG, Ivo (2008): Entstehungs- und Wachstumspfade von Clustern. Konzeptionelle Ansätze und empirische Beispiele. Aus: KIESE, Matthias, SCHÄTZL, Ludwig,
(Hrsg.): a.a.O; S. 51-66
MULITZE, Christoph (2005): Selbstbewusste Produzenten. In: Mitbestimmung –
Magazin der Hans-Böckler-Stiftung. Heft 11/2005. S. 35-41
MULITZE, Christoph (2008): Voller Einsatz für die Region, In: Mitbestimmung –
Magazin der Hans-Böckler-Stiftung. Heft 11/2008. S. 10-15
MÜLLER, Wolfang; STRÄTER, Detlev: Raumplanung und regionale Förderpolitik
Aus: KRUMBEIN, Wolfgang et al. (Hrsg.) (2008): a.a.O. S. 248-278
MÜLLER-JENTSCH, Walther (2007): Strukturwandel der industriellen Beziehungen.
'Industrial Citizenship' zwischen Markt und Regulierung. Wiesbaden
NATZMER, Wulfheinrich von (2007): Regionale Wachstumskonzepte: Eine Methode
des Clustermanagements für die Praxis. Aus: KIESE, Matthias; SCHÄTZL, Ludwig
(Hrsg.): a.a.O. S. 183-198
NEGRELLI, Serafino (2008): Restructuring Anticipation Aus: MOREAU, Marie-Ange,
GROUPE ALPHA CONSULT (Hrsg.): AgirE-Project: Final Report for the European
Commission. GD Employment. S. 179-210. Brüssel, Paris, Florenz
NEGRELLI, Serafino; PICHIERRI, Angelo (2007a): Anticipation and Governance of
restructuring on the territory: Vortrag und Paper im Rahmen des AgirE-Seminars in
Madrid vom 19. April 2007. Turin und Madrid
NEGRELLI, Serafino; PICHIERRI, Angelo (2007b): Conditions for Anticipation. Aus:
AgirE-Project: (Hrsg.) MOREAU, Marie-Ange; GROUPE ALPHA CONSULT. Final
254
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Report for the European Commission. GD Employment. Brüssel, Paris, Florenz. S.
191-220
NEGRELLI, Serafino; PICHIERRI, Angelo (2009): Anticipation and Governance of
Restructuring. Aus: MOREAU, Marie-Ange (Hrsg.): a.a.O. S. 131-170
NERDINGER, Friedmann W.; WILKE, Peter: (Hrsg.) (2008): Erfolgsfaktor Beteiligungskultur. Ergebnisse aus dem Projekt TiM - Transfer innovativer Unternehmensmilieus. München & Mering
NOLL, Wulf (2004): Kompetenzfelder - Mittelstand - Innovation - Bildung. NRW heute. Aus: GOCH, Stefan (Hrsg.): a.a.O. S. 242-259
NONN, Christoph (1994): Gegen den Ballungsraum. Anfänge der Strukturpolitik
1946-1966. Aus: GOCH, Stefan (Hrsg.): a.a.O. S. 81-104
NRW CLUSTERSEKRETARIAT (Hrsg.) 2009: Branchendialog „Ressourceneffizienz
von Aluminiumprodukten“ von IG Metall und GDA.
http://www.exzellenz.nrw.de/nanomikrowerkstoffe/noth/clusterinfo/news/view/data/4
716/backpid/11 [19.05.09]
OSTERHOFF, Frank: Zukunft Ruhr 2030. Regionalstrategien der Wirtschaft in einer
Europäischen Metropolregion. In: Standort, Zeitschrift für angewandte Geographie,
Heft 4/2007, S. 179-183
PALMIERI, Stefano (2002): Mergers & Acquisitions in the European Union. Observations for Trade Unions in Europe. Dublin
PANKOKE, Eckhart (1993): Regionalkultur? Muster und Werte regionaler Identität
im Ruhrgebiet. In: Informationen zur Raumentwicklung. Heft 11/1993. S. 759-767
PARIS, Jean Jacques (2002): Anticipating and managing chance: A dynamic approach to the social aspects of corporate restructurings. Report für die EUKommission. VC 2002/0153. Paris
PCG-PROJECT CONSULT GmbH (2005): Perspektiven der Metallwirtschaft der
Region Velbert/Niederberg. Bericht für die Hans Böckler Stiftung. Essen/Düsseldorf
PERLIK, Manfred; MESSERLI, Paul (2001): Neuere Ansätze der Regionalentwicklung und ihre Implementierung in nationalen und internationalen Entwicklungsprogrammen. Studie zuhanden des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), "Gruppe
80" - Flankierende regionalpolitische Massnahmen. Bern
PETERS, Sibylle; REINHARDT, Kai; SEIDEL, Holger (2006): Wissen verlagern:
Risiken und Potenziale von Standortverlagerungen. Wiesbaden
PETZINA, Dietmar (2004): Krise und Aufbruch: Wirtschaft und Staat im Jahrzehnt
der Reformen 1965-1975. Aus: GOCH, Stefan, a.a.O. S. 105-135
PEZZULO, Giovanni; et al. (2008): The Challenge of Anticipation. Berlin. Heidelberg
PFADENHAUER, Michaela (2002): Auf gleicher Augenhöhe reden – das Experteninterview ein Gespräch zwischen Experten und Quasi-Experte. Aus: BOGNER,
Thomas; LITTICH, Edtih; WENZ, Christian (Hrsg.) Das Experteninterview: Theorie,
Methode, Anwendung. Opladen. S.113-130
PICHOT, Eveylin (2008): Managing Chance. Vortrag und Handout im Rahmen des
EU Projektes TRACE (Trade Unions Anticipating Change) am 18.11.2008. Brüssel
PINIEK, Sonia; PREY, Gisela (2005): Schrumpfen als Chance? Potentiale zivilgesellschaftlichen Engagements. In: Standort, Heft 3, S. 156-160
PIXA, Tim; WEINGARTEN, Jörg (2006): Perspektiven einer sozial gerechten und
innovativen Industriepolitik in der Metropolregion Ruhr, Projektbericht. Gefördert von
der Hans-Böckler-Stiftung. Düsseldorf
255
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
PIZZERA, Judith (2008): Innovationsprozesse in ehemaligen Bergbauregionen.
Saarbrücken.
PLESCHAK, Franz (Hrsg.) (2003): Wachstum durch Innovation. Wiesbaden
PORTER, Michael (1999): Wettbewerbsstrategie. Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten. Frankfurt am Main, 11. Auflage
PR Newswire Europe Limited (Hrsg.) (2008): Buycarus übernimmt DBT GmbH
unter: http://www.prnewswire.co.uk/cgi/news/release?id=186904 vom 18.12.2008
[01.02.09]
PROGNOS AG (2007): Regionalökonomische Auswirkungen des Steinkohlenbergbaus in Nordrhein-Westfalen. Endbericht. Studie im Auftrag des GVSt. Berlin, Bremen
QUICKELS, Wolfgang (1997): Erst stirbt die Zeche, dann die Stadt. Herten
RAG / DEUTSCHE STEINKOHLE AG (Hrsg.) (2002): "Zukunft der Kohle – Perspektiven moderner Energietechnologien" (Rede von Wolfang Clement)
http://www.ragsteinkohle.org/news.php?newsid=54 [05.07.09]
RAG / DEUTSCHE STEINKOHLE (Hrsg.) (2006): Durchblick - Dialog und Serviceinitiative Bergwerk Walsum, Ausgabe Frühjahr 2006
RAG / DEUTSCHE STEINKOHLE (Hrsg.) (2007): Ausbildung: Perspektive für junge
Menschen. http://www.rag-deutsche-steinkohle.de/news.php?newsid=2157
[06.06.07]
RAG / DEUTSCHE STEINKOHLE (Hrsg.) (2008a): Fördereinstellung auf dem
Bergwerk Walsum. http://www.rag-deutsche steinkohle.de/news.php?newsid=2231&id=&lang=de&sq1=wasserhaltung&sq2=&sq3
[26.06.08
RAG / DEUTSCHE STEINKOHLE (Hrsg.) (2008b): Bericht „Zukunft braucht Kohle“
gemeinsam mit dem GVSt. http://www.rag-deutsche-steinkohle.de/medien/pdf/T1170329454.pdf. [02.05.08]
RAG / DEUTSCHE STEINKOHLE (Hrsg.) (2008c): Bergwerk Walsum: Präsentation
zur Stilllegung des Bergwerkes- Stand: 01.05.2008. Unveröffentlicht
RAG-MONTAN IMMOBILIEN (Hrsg.) o.J.: „Raum für neue Werte“ Unternehmensbroschüre
RAG-BILDUNG (Hrsg.) 2008: Pressearchiv 2008.
http://www.ragbildung.de/index.php?id=670. [02.02.09]
RAG-STIFTUNG (Hrsg.) (2008): Präsentation zu Zielen und Aufgaben der RAGStiftung im Kontext der kohlepolitischen Beschlusslage. Vortrag von Hans-Theo
Köster und Handout im Rahmen der Veranstaltung der Hans-Böckler-Stiftung am
23.06.2008 in Düsseldorf. Essen
RASCH, Manfred; DÜWELL, Kurt (Hrsg.) (2007): Anfänge und Auswirkungen der
Montanunion auf Europa. Die Stahlindustrie in Politik und Wirtschaft. Essen
RAT FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG (Hrsg.) 2002: Energie und Klimaschutz.
http://www.nachhaltigkeitsrat.de/de/der-rat/strategie/strategie2002/dialogforen/energie-und klimaschutz [03.11.02]
RAT FÜR NACHHALTIGKEIT (Hrsg.) (2002): Perspektiven für Deutschland. Unsere
Strategie für eine nachhaltige Entwicklung. Berlin. Auch als Download unter
http://www.nachhaltigkeitsrat.de/de/der-rat/strategie/strategie2002/dialogforen/energie-und-klimaschutz
RAUSCHENBACH, Brigitte (1972): Antizipation und Prognose. Frankfurt a.M.
256
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
RECKLINGHÄUSER ZEITUNG ONLINE (Hrsg.) (2007): Schloemer gewinnt
Vestischen Unternehmerpreis. http://www.recklinghaeuser-zeitung.de [12.07.07]
REGIONALAGENTUR Westfälisches Ruhrgebiet (Hrsg.) (2007): Strategiepapier
2007/2008. Unna
REGIONALVERBAND RUHR (Hrsg.) (2003): STRUKTUREN DER
ARBEITSLOSIGKEIT IM RUHRGEBIET 2002.In: Regionalinformation Ruhrgebiet
5/2003. http://www.rvr-online.de/wirtschaft/images/bindata
2/ABM_strukturanalyse.pdf [07.06.08]
REGIONALVERBAND RUHR (Hrsg.) (2006): Struktur und Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Ruhrgebiet 1980 bis 2004. Essen
REGIONALVERBAND RUHR (Hrsg.) (2007a): Kleiner Zahlenspiegel der Metropole
Ruhr. 3. Auflage. Essen
REGIONALVERBAND RUHR (Hrsg.) (2007b): Innovationsbericht Ruhr 2006. Neue
Ansätze einer innovationsorientierten Regionalpolitik. Essen und Bochum
REGIONALVERBAND RUHR (Hrsg.) (2008): Zahlenspiegel Metropole Ruhr. Essen
REGIONALVERBAND RUHRGEBIET(Hrsg.) (2008a): Ruhrgebiet Regionalkunde.
http://www.ruhrgebiet regionalkunde.de/homeregionalkunde/MM_15/home02.php3.
[30.11.08]
REGIONALVERBAND RUHRGEBIET (Hrsg.) (2008b): Statistik zur Bevölkerungsentwicklung. http://www.rvronline.de/publikationen/statistik/archiv_2007/Archiv_BevEnt_06.php. [12.06.08]
REGIONALVERBAND RUHRGEBIET (Hrsg.) (2008c): Strukturanalyse Ruhr.
http://www.rvr-online.de/wirtschaft/images/bindata-2/ABM_strukturanalyse.pdf.
[12.06.08]
REHFELD, Dieter (2005a): Know how vor Ort: Regionalisierung der Strukturpolitik
seit den 1980er Jahren. Aus: GOCH, Stefan (Hrsg.): a.a.O. S. 217-241
REHFELD, Dieter (2005b): Perspektiven der Strukturpolitik nach 2006. In: Institut für
Arbeit und Technik (Hrsg.): Jahrbuch 2005. o.O.
REHFELD, Dieter (2009): Was kann Clustermanagement leisten? Erwartungen,
Zwischenergebnisse und offene Fragen. Aus: SCHMID, Josef; HEINZE, Rolf G.;
BECK, Rasmus C. (Hrsg.): Strategische Wirtschaftsförderung und die Gestaltung
von High-Tech-Clustern. Baden-Baden, S. 173-193
REICHEL, Wolfgang: Nachruf auf die EGKS. In: Glückauf 1/2 2004 Heft 140, S. 4345
REMI - Regional Economic Models Inc. (Hrsg.) (2005): The economic impact of the
closure of the Portsmouth naval shipyard on New Hampshire. New York
REPPEL, Rolf (2001): Von der Montanmitbestimmung lernen. In: Mitbestimmung.
Magazin der Hans-Böckler-Stiftung. Ausgabe 05/2001, S. 15-19
RHEINISCH-WESTFÄLISCHES INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG
(Hrsg.) (2006): Innovationsbericht 2006. Für Leistungsfähigkeit des Landes
Nordrhein-Westfalen in Wissenschaft, Forschung und Technologie. Essen
RIECHMANN, Volkhard (2002): Perspektiven der Zulieferindustrie. In: Glückauf
6/2002, S. 305-308
RINGEL, Johannes (2006): Entwicklung eines Früherkennung und Kontrollsystems
zur flexiblen Stadtplanung. (=Schriften des Instituts für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft an der Universität Leipzig) Band 15
257
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
RÖCKEN, Bernd (1995): Internationale Bergbaumärkte. Auslandmarktbericht; Analysen, Chancen, Strategien. Herne.
RÖHRIG, Reinhard, WEINGARTEN, Jörg: (2008) Altes Eisen - Altindustrie? Ein
Thesenpapier zum Stellenwert der Industrie im Ruhrgebiet. Vortrag für die Wirtschaftsförderung Mülheim am 19.06.2008. Unveröffentlicht
RÖHRS, Hans (2003): Der Ibbenbürener Bergbau des 20. Jahrhunderts. Münster
RÖLLINGHOFF, Stefan (2009): Clusterpolitik im Strukturwandel. Das dortmund project. Aus: KIESE, Matthias; SCHÄTZL, Ludwig (Hrsg.): a.a.O. S. 157-182
RÖTTER, Bernd (2003):Produktionsmodell und Gesellschaftsform. Fortgeschrittene
Globalisierung und Korridore des Regulationsprozesses. Aus: DÖRRE, Klaus;
RÖTTGER, Bernd: Das neue Marktregime. Hamburg 2003. S.95-100
RUHRKOHLE AG (Hrsg.) Jahresbericht 2002. Essen, Herne
RUNTE, Thomas (2007): Kondratieffzyklus und diskontinuierliche Innovationen.
München
SAARBRÜCKER ZEITUNG (Hrsg.) (2008): 18.06.2008 „1700 Bergleute müssen
aus dem Land“ http://www.saarbruecker-zeitung.de [12.06.08]
SABEL, Charles .F. (2006): Learning by monitoring. Cambridge
SACK, Detlef (2005): Regional Governance als grenzüberschreitende Steuerungsmodi von Staat, Markt und Gesellschaft auf regionaler Ebene. Wiesbaden
SATTES, Ingrid (1998): Erfolg in kleinen und mittleren Unternehmen. Zürich
SCHAMP, Eike. W. (2000): Vernetzte Produktion. Industriegeographie aus institutioneller Perspektive. Darmstadt
SCHÄTZL, Ludwig (2003): Wirtschaftsgeographie 1 – Theorie – 9. Auflage, Paderborn
SCHERRER, Walter (2006): Elemente eines regionalen Innovationssystems. Das
Beispiel Salzburg. Aus: REITH, Reinhold et al. 2006 a.a.O, S. 211-228
SCHEUPLEIN, Christop (2008): Die Regulationstheorie in der deutschsprachigen
Wirtschaftsgeographie: Bilanz und Perspektiven. Aus: KRUMBEIN, Wolfgang et al.
(Hrsg.) (2008): a.a.O. S. 151-167
SCHLOMER GMBH (Hrsg.) (2008a): Unternehmensporträt.
www.schloemer24.de/Geschichte.html. [20.10.08]
SCHLOMER GMBH (Hrsg.) (2008b): Zahlen und Fakten.
www.schloemer24.de/Daten und Zahlen.htm. [20.10.08]
SCHMIDT, Burghard (1983): Seminar - Zur Philosophie Ernst Blochs. Frankfurt a.M.
SCHMODLT, Hubertus (2002): 50 Jahre Montanunion – 50 Jahre sektorale Strukturpolitik im sozialen Dialog. Aus: EUROPÄISCHE GEMEINSCHAFT (Hrsg.): EGKS
1952 – 2002. S. 229-236
SCHNITZMEIER, Jürgen (2005): Industriestandort Mülheim an der Ruhr. In:
Mülheim Business Journal. Ausgabe März 2005. S. 4-8
SCHÖMANN, Ingo et al. (2006): Information and Consultation of workers in the European Community. Implementation report of Directive 2002/14/EC. (= Report 97
des ETUI-REHS) Brüssel
SCHRUMPF, Heinz (2004): Regionalpolitik. Deutschland am Beginn einer neuen
Phase? Aus: GERLACH, Frank; ZIEGLER, Astrid (Hrsg.): Neue Herausforderungen
der Strukturpolitik. Marburg. S. 96-120
258
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
SEIPEL, Christian; RIEKER, Peter (2003): Integrative Sozialforschung. Konzepte
und Methoden der qualitativen und quantitativen empirischen Forschung. Leipzig,
Hildesheim
SPD DUISBURG (Hrsg.) (2008): Entwurf für einen Duisburg-Plan 2009–2014. Duisburg
SPD WALSUM (Hrsg.) (2008 ): Neues aus der Fraktion. o.O.
SPECHT, Dieter; LUTZ, Markus (2008): Outsourcing von F&E und die Möglichkeiten
von Innovationsprozessen bei KMU. Aus: SPECHT, Dieter (Hrsg.): Produktions- und
Prozessinnovationen in Wertschöpfungsketten. Wiesbaden. S. 33-55
SPINDLER, Manuela (2005): Regionalismus im Wandel: Die neue Logik der Region
in einer globalen Ökonomie. Wiesbaden
SPITZLEY, Thomas (1992): Handeln wider besseren Wissens. Eine Diskussion
klassischer Positionen. Berlin
STADT BOTTROP (Hrsg.) (2006): Statistisches Jahrbuch. Bottrop
STADT BOTTROP (Hrsg.) (2007): Entschließung des Rates der Stadt Bottrop zu
den Kohlebeschlüssen. Sitzung des Rates vom 20. März 2007. Bottrop.
STADT BOTTROP (Hrsg.) (2008): Projekt "Zukunftsstandort Bottrop" ist gestartet.
http://www.bottrop.de/wirtschaft/Zukunft_Bottrop/081201_zukunftbottrop.php
[02.12.08]
STADT DINSLAKEN (Hrsg.) (2005): Beschlussvorlage Nr. 296. Leitlinien der zukünftigen Entwicklung des Geländes Zeche Lohberg/Osterfeld. Öffentliche
Ratsitzung vom 08.08.2005. Dinslaken
STADT DINSLAKEN (Hrsg.) (2006): Dokumentation: Runder Tisch Lohberg. Dinslaken
STADT DINSLAKEN (Hrsg.) (2007): Perspektiven für Dinslaken-Lohberg. Dinslaken
STADT DINSLAKEN (Hrsg.) (2009): Perspektiven der Zeche Lohberg.
www:dinslaken.de/Zechenentwicklung Lohberg. [20.03.09]
STADT GELSENKIRCHEN (Hrsg.) (2007): Bericht zur Stadterneuerung in Gelsenkirchen
2007.http://stadtplanung.gelsenkirchen.de/05_Stadterneuerung/Bericht_Stadterneue
rung_2007.pdf [21.01.08]
STADT GELSENKIRCHEN (Hrsg.) (2008): Amtsblatt Nr. 27/2008. Gelsenkirchen
STAECK, Nicola (2000): Strukturpolitik. Aus: HOLTMANN, Everhard (Hrsg.) (2000):
Politiklexikon. 3. Auflage, München. S. 677-680
STAHL, Thomas; SCHREIBER, Reiner (1998): Die lernende Region. Lokale Netzwerke als Quelle von Innovationen. Regensburg
STATISTIK DER KOHLENWIRTSCHAFT e.V. (Hrsg.) (2007): Der Kohlenbergbau in
der Energiewirtschaft der Bundesrepublik Deutschland. Essen
STEDEN, Philip; SCHLESINGER, Marc (2008): Regionalwirtschaftliche Bedeutung
des Ruhrbergbaus - Ergebnisse einer Modellrechnung. (= Energiewirtschaftliche
Tagesfragen. Energiewirtschaft, Recht, Technik und Umwelt Nr. 58) Essen
STEINKOHLE DIREKT (2005a): Informationsdienst für Politik und Wirtschaft. Ausgabe 3/2005
STEINKOHLE DIREKT. (2005b): Informationsdienst für Politik und Wirtschaft. Ausgabe 4/2005
259
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
STEPHAN, Maud; WEINGARTEN, Jörg (2008): Les conditione de mise en oevure
d´une revitalisation sur un territoire, In: Semaine Sociale Lamy Supplement Nr.
1376. S. 75-83
STORPER, Michael C.; WALKER, Richard (1989): The capitalist imperative: Territory, Technology and industrial Growth. New York, Oxford
STORRIE, Donald; WARD, Terry (2007): Restructuring and Employment in the EU.
The impact of globalisation. Report für EUROEPAN RESTRUCTURING MONITOR
2007. Dublin
STROHMEIER, Klaus-Peter (2002): Bevölkerungsentwicklung und Sozialraumstruktur im Ruhrgebiet. Essen
SUSTAIN CONSULT - Beratungsgesellschaft für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung mbH (2005): Bergbautechnik NRW - Profil und Marktentwicklung. Studie. Erstellt im Auftrag der IG Metall NRW. Dortmund
SYNDEX et al. (Hrsg.) (2006): MIRE-Report: Monitoring Innovative Restructuring
EUROPE 2006. Brüssel, Paris. Auch als Download unter: http://www.mirerestructuring.eu/
TBS - TECHNOLGIEBERATUNGSSTELLE NRW (2005): Die Interviews mit Betriebsräten von Bergbauzulieferern . Aufbereitet und durchgeführt von SATZER,
Angelika. Manuskript anlässlich der IG Metall Veranstaltung „Arbeit durch Innovation“ vom 9.11.2005 in Hamm
TECHNOLOGIE und Gründerzentren NRW e.V. (Hrsg.) (2008): Jahresbericht 2008.
http://tgz-nrw.de/uploads/media/TGZ_NRW-Druckfassung30-1-2009.pdf [ 06.07.08]
TENFELDE, Klaus (1990): Soziale Schichtung und soziale Konflikte. In:
KÖLLMANN, Wolfgang; KORTE, Hermann; PETZINA, Dietmar; WEBER, Wolfhard
(Hrsg.) Das Ruhrgebiet im Industriezeitalter, Band 2. Düsseldorf. S.121-218
THOBEN, Christa (2007): Grußwort für das Land Nordrhein-Westfalen durch die
Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen,
Düsseldorf, anlässlich des Deutschen Steinkohletages 2007, In: Glückauf 143
(2007) Nr. 12, S. 2
TICHY, Gunther (2001): Regionale Kompetenzzyklen – Zur Bedeutung von Produktions – und Clusteransätzen im regionalen Kontext. In: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie, Nr. 3-4 2001, S. 181-201
TÖMMEL, Ingeborg (2008): Die Europäische Union: governance und policy making.
Heidelberg
TÖNJES, Bernd (2007): Stellungnahme vom Vorsitzenden des Vorstandes Deutsche Steinkohle AG; Steinkohlefinanzierungsgesetz Öffentliche Anhörung am 22.
Oktober 2007. In: Deutscher Bundestag. Ausschussdrucksache 16(9)821 16. Wahlperiode 16. Oktober 2007 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie. Berlin
TRÄGER, Sebastian (2008): Wettbewerbsmanagement. Göttingen
TRIOMPHE, Claude Emmanuel (2006): European restructuring and policies. Beitrag
für das EU-Projekt MIRE (Monitoring Innovative Restructuring in Europe). Paris
TRIPPL, Michaela (2004): Innovative Cluster in alten Industriegebieten. Wien
TWELE, Cord; LESCH, Matthias; BULL, Andreas (2005): Innovative Regionalentwicklung. Köln
UNIVERSITÄT DORTMUND (Hrsg.) (2006): Wissenschaftsatlas. Dortmund
VAHLPAHL, Tobias (2007): Europäische Sozialpolitik: Institutionalisierung, Leitideen
und Organisationsprinzipien. Heidelberg
260
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
VDMA (Hrsg.) (2008): Pressekonferenz 2008. www.allaboutsourcing.de/de/keinetalfahrt-bei-bergbaumaschinen/ [20.11.08]
VDMA (Hrsg.) (2009): Branchenbarometer 2008/2009.
www.vdma.org/wps/portal/Home/de/Branchen/B/BBM/Wirtschaft/Int_Maerkte_und_
Konjunktur. [02.05.09]
VDMA, DSK, GVSt GEMEINSCHAFTSBROSCHÜRE (Hrsg.) (2007): Motor für Wirtschaft und Wohlergehen. Essen
VDMA, DSK, GVSt GEMEINSCHAFTSBROSCHÜRE (Hrsg.) (2008): „Erfolg
braucht Erfahrung - Bergbautechnik aus Deutschland – Kooperation bringt Vorsprung. Essen
VERBAND DEUTSCHER MASCHINEN UND ANLAGENHERSTELLER VDMA
(Hrsg.) (2008a): Branchenportrait Bergbaumaschinen. Frankfurt a.M.
VERBAND DEUTSCHER MASCHINEN UND ANLAGENHERSTELLER VDMA
(Hrsg.) (2008b): Maschinenbau in NRW. Daten und Fakten. Düsseldorf
VERBAND DEUTSCHER MASCHINEN UND ANLAGENHERSTELLER VDMA
(Hrsg.) (2008c): Handbuch der Investitionsgüterindustrie 2008. Frankfurt a.M.
VEREINIGUNG BERGBAU UND ROHSTOFFE e.V. (Hrsg.) (2007): Jahresbericht
2007, Positionen und Perspektiven. Berlin
VEREINIGUNG ROHSTOFFE UND BERGBAU e.V. (Hrsg.) (2008): Jahresbericht
2007, Berlin
VEREINIGUNG ROHSTOFFE UND BERGBAU e.V. (Hrsg.) (2009): Jahresbericht
2008, Berlin
VIEREGGE, Peter; DAMMER, Ingo (2007): EU-Cluster und Strukturpolitik 2007 –
2013: Ein Ausblick am Beispiel NRW. Aus: BECKER, Thomas; DAMMER, Ingo;
HOWALDT, Jürgen et al. (Hrsg.): Netzwerkmanagement: Mit Kooperation zum Unternehmenserfolg. Berlin. S. 23-33
VOELZKOW, Helmut (2007): Jenseits nationaler Produktionsmodelle. Die
Governance regionaler Wirtschaftscluster. Internationale vergleichende Analyse.
Marburg
WAGNER, Lothar (1995): Die Entwicklung der Bergbau-Zulieferindustrie von ihren
Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges unter besonderer Berücksichtigung der Produkte und deren Hersteller für die Vortriebe des deutschen Steinkohlenbergbaus. Clausthal
WALLIS, W. Allen; ROBERTS, Harry V. (1975): Methoden der Statistik. Anwendungsbereiche, 400 Beispiele, Verfahrenstechniken. Freiburg i. Br.
WALTROPER ZEITUNG (Hrsg.) (2007): Immer höher, immer schneller.
http://www.waltroper-zeitung.de/serien_7376.php. [12.05.07]
WARD, Terry (2007): Qualitive Trends in Restructuring in large Enterprises. Aus:
MOREAU, Marie-Ange; GROUPE ALPHA CONSULT (Hrsg.) : AgirE-Project: Final
Report for the European Commission. GD Employment. Brüssel, Paris, Florenz. S.
65-105
WAZ NEWMEDIA GMBH & CO. KG (Hrsg.) (2006): Unternehmensporträit Eickhoff.
Von Michael Weeke.
http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/bochum/2009/1/2/news102094114/detail.html [28.09.06]
261
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
WAZ NEWMEDIA GMBH & CO. KG (Hrsg.) (2008a): Theorie in Praxis umgesetzt.
Kooperationen der Fachhochschule Wirtschaft mit Unternehmen
http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/recklinghausen/2008/10/3/news80982392/detail.html [28.09.06]
WAZ NEWMEDIA GMBH & CO. KG (Hrsg.) (2008b): 380000 Euro für die Erneuerung. http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/gelsenkirchenbuer/2008/10/29/news 86988761/detail.html [1.11.08]
WAZ NEWMEDIA GMBH & CO. KG (Hrsg.) (2008c): Das Revier muss seine Kräfte
bündeln. http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/wirtschaft/2008/12/4/news95699012/detail.html [05.12.08]
WAZ NEWMEDIA GMBH & CO. KG (Hrsg.) (2008d): Wenn das Bergwerk Lippe
schließt.
http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/gelsenkirchen/2008/10/29/news
86936518/detail.html [1.11.08]
WEBER, Eberhard (2004): Herausforderungen des strukturellen Wandels. Dargestellt am Beispiel Dortmund. Aus: GOCH, Stefan (Hrsg.) a.a.O. S. 277-283.
WELSCH, Johann (2000): Globalisierung, neue Technologien und regionale Qualifizierungspolitik. Welche Regionen sind die “Gewinner” der Informationsgesellschaft?
Marburg
WESTDEUTSCHER RUNDFUNK (Hrsg.) (2006): Wie gehen Bergbauzulieferer mit
den Zechenschließungen um? Keine Kohle mehr mit Steinkohle. Von Flocke, Janine. http://www.wdr5.de/fileadmin/user_upload/Sendungen/Dok5_das_FeatureWDR
5. [06.12.07]
WESTDEUTSCHER RUNDFUNK (Hrsg.) (2007): Deutsche Bergbautechnik auch
ohne Steinkohle. Gute Zeiten für Bergbau-Ingenieure. Von Taxacher, Gregor.
http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsbranche/steinkohle/interview_marten
s.jhtml?rubrikenstyle=wirtschaft. [29.01 07]
WESTDEUTSCHE ZEITUNG (Hrsg.) (2008a): „Für die Kumpel ist Schicht“. Mit dem
Bergwerk Walsum stellt die erste von noch acht deutschen Steinkohlezechen ihre
Förderung ein. Von Dahlmann, Wolfgang. http://www.wz-newsline.de/index.php.
[27.06.08]
WESTDEUTSCHER RUNDFUNK (Hrsg.) (2008b):.300 betriebsbedingte Kündigungen bei früherem Ausstieg? Von Stegers, Fiete.
http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsbranche/steinkohle/070202_stellena
bbau.jhtml [30.04.08]
WILMS, Falko (Hrsg.) (2006): Szenariotechnik. Vom Umgang mit der Zukunft. Bern
WINGE, Susanne (2005): Antizipation und Lernen in KMU und MU. Halle
WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG METROPOLERUHR (Hrsg.) (2008a): Wandel als
Chance. Positionspapier der Metropole Ruhr und des Kreis Steinfurt aus Anlass
einer Bewertung der Kohlebeschlüsse. Essen
WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG METROPOLERUHR (Hrsg.) (2008b): Konzept
Ruhr. Gemeinsame Strategie der Städte und Kreise zur nachhaltigen Stadt- und
Regionalentwicklung in der Metropole Ruhr. Mülheim an der Ruhr
WISSEN, Markus (2005): Standortbündnisse und Modernisierungskoalitionen. Die
Regualtion ungleicher Entwicklungen im post-montanindustriellen Strukturwandel.
Aus: DÖREE, Klaus; RÖTTGER, Bernd (Hrsg.) a.a.O, S.116-132
WISSENSCHAFTSPARK GELSENKIRCHEN GMBH (Hrsg.) (2008): Kompetenzen.
www.ruhrenergy.de/kompetenzatlas [19.10.08]
262
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
WODOPIA, Franz-Josef (2008): Die Prognos-Studie: Regionalökonomische Auswirkungen des Steinkohlenbergbaus in NRW. Vortrag vom 23.11. 2008. Essen
WUPPERTAL INSTITUT für Klima, Umwelt, Energie und INSTITUT ARBEIT und
TECHNIK (2003): IAT-Report 2002/03: Das industrielle Herz schlägt nicht mehr im
Ruhrgebiet – Veränderung der Beschäftigungsstrukturen in Nordrhein-Westfalen.
Wuppertal und Gelsenkirchen
WUSCHANSKY, Bernd (2007): Integrierte Stadtentwicklungskonzepte. In: ILS / Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und Bauswesen des Landes
Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Demographischer Wandel in Nordrhein-Westfalen, S.
97 - 105 (=ILS NRW Schriften 203)
ZEIT ONLINE (Hrsg.) (2008): Konsens in Gefahr. Nordrhein Westfalen muss für die
Republik der Hort der sozialen Demokratie bleiben. Von Rudolf, Karsten. In: die Zeit
45/1999. http://www.zeit.de/1999/45/Konsens_in_Gefahr [23.03.08]
ZIEGLER, Astrid (2009): Strukturpolitik in der Krise – Mehr als Standortwettbewerb
und Innovationsförderung. In: WSI-Mitteilungen, Heft 6, S. 260-267
ZIEGLER, Astrid (2008): Europas Regionen zwischen Wachstum und Ausgleich.
Aus: KRUMBEIN, Wolfgang; et.al. (Hrsg.): a.a.O. S. 301-327
ZILLINGER, Sylvia (1997): Regionalwirtschaftlicher Strukturwandel und individuelle
Arbeitsplatzproblematik. Untersucht am Beispiel der Region Heinsberg und der Zeche Sophia-Jacoba. Aachen 1997 (=Informationen und Materialien zur Euregio
Maas-Rhein, Band 14)
ZUKUNFTSINITIATIVE RHEINLAND-PFALZ (ZIRP) e.V. (Hrsg.) (2009): Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz. http://www.zirp.de/index.php [03.04.09]
263
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Abkürzungsverzeichnis
a.a.O.
Æ an anderem Ort
AgirE
Æ Anticiper pour une Gestion Innovante des Restructuration
APG
Æ Anpassungsgeld
BR
Æ Betriebsrat
BW
Æ Bergwerk
EBR
Æ Europäische Betriebsräte
EFRE
Æ Europäischer Fonds für regionale Entwicklung
EGB
Æ Europäischer Gewerkschaftsbund
EGKS
Æ Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
ELP
Æ Emscher Landschaftspark
EMCC
Æ European Monitoring Centre of Change.
EMF
Æ European Metalworker Federation
ERM
Æ European Restructuring Monitor
ESF
Æ Europäischer Sozialfonds
ETUI
Æ European Trade Union Institute
EU
Æ Europäische Union
F&E
Æ Forschung und Entwicklung
Ggf.
Æ gegebenenfalls
GVSt
Æ Gesamtverband Steinkohle
GI-Flächen
Æ Gewerbe- und Industrieflächen
Hrsg.
Æ Herausgeber
IBA
Æ Internationale Bauausstellung Emscher Park
IHK
Æ Industrie- und Handelskammer
IIHK
Æ Interkommunales integratives Handlungskonzept
264
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
IR
Æ Initiativkreis Ruhrgebiet
IG BCE
Æ Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie
KAT
Æ Kompetenzzentrum Automobiltechnik
KMU
Æ Kleine und mittlere Unternehmen
LDS
Æ Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik
MA
Æ Mitarbeiter
MGG
Æ Montan-Grundstücksgesellschaft mbH
MIRE
Æ Monitoring Innovative Restructuring in Europe
MR
Æ Metropole Ruhr
NWHT
Æ Nordrhein Westfälischer Handwerkskammertag
MWME
Æ Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie
NRW
Æ Nordrhein-Westfalen
OP
Æ Operationelles Programm
PSA
Æ Persönliche Schutzausrüstung
RAG/DSK
Æ RAG (Ruhrkohle AG) Deutsche Steinkohle
RBBK
Æ RAG-Bildung Berufskolleg GmbH
REK
Æ Regionales Entwicklungskonzept
Revisioab.
Æ Revisionsabhängig
RVR
Æ Regionalverband Ruhr
RWI
Æ Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung
TRACE
Æ Trade Unions Anticipating Change in Europe
wmr
Æ Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH
VBS
Æ Vereinigung Bergbauspezialgesellschaften
VDMA
Æ Verband deutscher Maschinen und Anlagenhersteller
z.B.
Æ zum Beispiel
265
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
z.V.
Æ zur Verfügung
ZIM
Æ Zukunftsinitiative Montanregionen
ZIN
Æ Zukunftsinitiative für die Regionen Nordrhein-Westfalens
266
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Anhang
Verzeichnis aller Gesprächspartner der Arbeit und eines von der Hans-BöcklerStiftung geförderten Projektes zum Thema „Förderung von Revitalisierungen an
Bergbaustandorten“ an dem Autor im Ramern der Forschungsarbeiten und Interviews beteiligt war sowie die Auflistung aller Teilnehmer an den Gruppendiskussionen
Explorative Gespräche
Herr Hans Bansner
IG BCE NRW
19.03.2008
Herr Dr. Dieter Rehfeld
Institut Arbeit und Technik
20.03.2008
Herr Wulf Noll
MWME
25.03.2008
Herr Prof. Dr. Stefan Goch
Institut für Stadtgeschichte
26.03.2008
Herr Harald Schartau
MdL NRW
04.04.2008
Herr Stefan Pfeifer
DGB NRW
14.04.2008
Herr Prof. Dr. Hans Peter Noll
RAG Montan Immobilien
18.04.2008
Herr Hanns-Ludwig Brauser
WMR, Mülheim
26.04.2008
Herr Peter Schrimpf
RAG/DSK
30.05.2008
Herr Holger Ellerbrock
MdL NRW
28.05.2008
Herr Andreas Mentz
Stadt Hamm
10.05.2008
Herr Klaus Brenscheidt
IHK zu Dortmund
19.05.2008
Herr Jörg Esser
IG BCE Moers
19.05.2008
Herr Reiner Goppold
Stadt Bottrop
27.05.2008
Frau Sabine Wissmann
Stadt Bottrop
27.05.2008
Herr Dr. Eckhard Göske
IHK Nord Westfalen
05.06.2008
Herr Dieter Hillebrand
DGB MEO-Region
05.06.2008
Herr Peter Wind
IG BCE Ibbenbühren
09.06.2008
Herr Dr. Harald Schoelen
IHK Niederrhein
13.06.2008
Herr Friedhelm Hundertmark
IG BCE Duisburg
22.06.2008
Herr Dr. Marc Schlette
IG Metall, Düsseldorf
22.06.2008
Herr Dr. Manfred Gehrke
Stadt Marl
05.06.2008
Herr Andreas Iland
Stadt Kamp-Lintfort
05.06.2008
Herr Heinz Steingröver
Bürgermeister Ibbenbüren
02.06.2008
Herr Norbert Handke
Thyssen Schachtbau GmbH
06.07.2008
Frau Renate Orywa
GfW Duisburg
09.07.2008
Herr Hans-Theo Köster
RAG-Stiftung
12.07.2008
Herr Klaus Stöckmann
VDMA Frankfurt
10.09.2008
Problemzentrierte Gespräche
267
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Herr Theo Weigert
Krampe GmbH
04.12.2008
Anonymisiert
Zulieferer DSK BW Walsum
04.12.2008
Herr Michael Schwarze-Rodrian
WMR, Mülheim
29.08.2008
Herr Manfred Freitag
IGBCE Hamm
29.08.2008
Herr Eberhard Weber
DGB Östliches Ruhrgebiet
03.09.2008
Herr Frank Hager
Landesinitiative Bergbauzulieferer 13.09.2008
Herr Klaus Papendieck
RAG/DSK Bergwerk Prosper
14.09.2008
Frau Ruth Reuter
Stadt Dinslaken
16.09.2008
Herr Michael Hörning
BR vom Bergwerk Walsum
16.09.2008
Herr Dr. Ralf Bartels
IGBCE Hannover
20.09.2008
Workshop und Gruppendiskussion am 10. April 2008 beim DGB Östliches Ruhrgebiet zum Thema:
„Mögliche Arbeitsplatz sichernde und Arbeitsplatz schaffende Strukturmaßnahmen
sowie wirtschaftspolitische Aktivitäten in den Kohlerückzugsgebieten“
Teilnehmer:
Eberhard Weber
DGB Östliches Ruhrgebiet
Stefan Pfeifer
DGB NRW
Manfred Freitag
IGBCE Hamm
Tim Pixa
Hans-Böckler-Stiftung - Promotionsstipendiat
Hanns-Ludwig-Brauser
Wirtschaftförderung Metropole Ruhr GmbH
Reinhard Röhrig
PCG-Project Consult GmbH
Phillipe Duchamp
Groupe Alpha Consult
Jörg Weingarten
Autor der Arbeit
Workshop und Gruppendiskussion Am 23. Juni 2008, von 09.30 Uhr – 13.30 Uhr in
den Räumlichkeiten der Hans-Böckler-Stiftung Düsseldorf zu Entwicklungsperspektiven von Bergbaustandorten – Veranstaltet von der Hans Böckler-Stiftung im Rahmen des Projektes:
„Förderung von Revitalisierungen an Bergbaustandorten“
Teilnehmer:
Burkhard Beyersdorf
Stadt Duisburg
Viola Denecke
IG BCE NRW
Ricarda Dyga
RAG
Janine Feldmann
Stadt Gelsenkirchen
Dr. Manfred Gehrke
Stadt Marl
Dr. Frank Gerlach
HBS
Michael Gotschke
DSK
268
- ANTIZIPATION DES WANDELS -
Jürgen Grunwald
IG BCE
Marc Herter
Stadt Hamm
Udo Höderrath
Regionalagentur Emscher-Lippe
Josef Hülsdünker
DGB
Andreas Iland
Stadt Kamp-Lintfort
Hans Theo Köster
RAG-Stiftung
Uwe Kochanetzki
DSK
Martin Landwehr
IG BCE
Frank Lue
RAG
Andreas Metz
Stadt Hamm
Klaus Müller
Stadt Bottrop
Klaus Peter Mülller
NUREG Duisburg
Peter Obramski
IG BCE
Stefan Pfeifer
DGB
Georg Salomon
DSK
Dr. Marc Schlette
IGM NRW
Wolfgang Seckler
Stadt Marl
Uwe Speckenwirth
Verdi
Heinz Steingröver
Stadt Ibbenbüren
Markus Stimler
IHK Nord Westfalen
Dr. Jens Stuhldreier
Regionalagentur NiederRhein
Charlotte Vennemann
Regionalagentur Münsterland
Uwe Verwohl
IGBCE
Eberhard Weber
DGB NRW
Jörg Weingarten
Autor der Arbeit
Manfred Westphal
Stadt Hamm
Sabine Wissmann
Stadt Bottrop
Ulf Wollrath
IHK Dortmund
Moderation
Frank Gerlach
Hans-Böckler-Stiftung
Reinhard Röhrig
PCG-Project Consult GmbH
269