Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? Sami Frashëri1
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Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? Sami Frashëri1
Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) besten Söhne Albaniens schon lange mit Plänen befasst haben, wie ihrem geliebten Vaterlande eine schöne Zukunft gesichert werden könnte. Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? Gedanken und Betrachtungen über die unser geheiligtes Vaterland Albanien bedrohenden Gefahren und deren Abwendung. Sami Frashëri1 Vorwort des Übersetzers. Das vorliegende Werkchen ist von Sami Bey Frascheri, einem glühenden albanesischen Patrioten, der einer der vornehmsten Familien des Landes entstammt, in albanesischer Sprache verfasst, zur Zeit des Prisrender Kongresses (1899) gedruckt und von Schahin Bey Colonia ins Türkische übersetzt worden. Aus diesem wurde es ins Deutsche übertragen. Der deutsche Übersetzer ist sich zwar der Mängel dieser doppelten Übertragung bewusst, glaubt aber, dass es hierauf nicht so sehr ankomme. Was er wünscht, ist lediglich, die vorliegende Studie eines hervorragenden Arnauten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Beweist diese Studie doch, dass sich die 1 Known in Turkish as Şenseddin Sami, Sami Frashëri (1850-1904) wrote novels and plays in Turkish and was closely associated with laicist Turkish nationalism. Nonetheless, this tract (published anonymously in the original Albanian in Bucharest, 1899), takes a firmly anti-Ottoman and antiTurkish stance in vindicating Albanian independence. [SPIN note] Jetzt, wo die Zukunft dieses uralten Volkes gesichert ist, scheint es dem Übersetzer der Studie Sami Bey Frascheris von Interesse, zu zeigen, wie sich dieser hervorragende Arnaute die Selbstverwaltung seines Heimatlandes vorgestellt hat. Wien, im März 1913. Der Übersetzer: A. Traxler. I. Kapitel. Was war Albanien? 1. Abschnitt. Das von den Albanesen bewohnte Gebiet heißt Albanien. Die Albanesen sind das älteste Volk Europas. Sie sind vor den anderen Nationen Europas nach dem europäischen Kontinente gekommen und haben als die ersten auf diesem Festlande sich mit dem Bau von Mauern und Häusern, der Felderbestellung, dem Ackerbau, dem Säen und Ernten befasst. Denn diejenigen Völker, welche sich vor dem Erscheinen der Albanesen in Europa befanden und ohne Hinterlassung von Spuren verschwunden sind, hatten im Zustande der Wildheit in Wäldern und Felsenhöhlen gelebt und sich von der Jagd ernährt. Daher kommt es, dass die alten Albanesen, welche unsere Vorfahren waren, ‘arben’, ‘arban’ genannt werden. Aus diesem Worte haben die südlichen Albanesen (Tosken), da sie ’n’ wie ‘r’ aussprechen, ‘arber’ gemacht. So alt ist dieses Volk, welches bis jetzt ‘arben’, ‘arban’ heißt, welches Wort ‘Felder bebauende’, also ‘Ackerbauer’ bedeutet. Denn ‘ara’ heißt im Albanesischen ‘Feld’ und ‘ben’ ‘bebauen’. Später machten dann die Römer ‘alban’ daraus Indem sie nämlich ‘r’ wie ‘l’ aussprachen und den Namen in dieser Weise veränderten, nannten sie die Albanesen ‘albani" und ihr Land ‘albania’. Und bis heute bezeichnen die Europäer die Albanesen und Albanien mit SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) diesen Namen. Später haben dann die Griechen aus ‘alban’ ‘arwanijt’ gemacht, indem sie das ‘l’ wieder in ‘r’ verwandelten. Was die Türken anbelangt, so haben sie die griechische Bezeichnung ‘arwanijt’ abermals geändert und daraus ‘arnaut’ gebildet. Daher heißen wir im Inlande ‘Arnauten’. Doch ist diese Bezeichnung nur bei einem einzigen Stamme unseres Volkes, dem der ‘Lapi’ üblich. Die Arnauten nennen ihre ganze Nation ‘Schkipetar’ und Albanien offiziell ‘Schkiperi’. Dieser Name ist aus ‘Schkip", welches Wort ‘Adler’ bedeutet und aus ‘tar’ zusammengesetzt, welches eine Handlung oder einen Besitz anzeigt. Im Vulgär-Türkischen bedeutet es ‘kartalli’ oder ‘kartal ßahibi’2). Da der Adler das Lieblingstier des von den alten Arnauten verehrten, ‘Sot’ oder ‘Hoi’ genannten Hauptgottes (Jupiter) war, so haben ihn auch die Arnauten heilig gehalten und sein Bild auf ihren Feldzeichen angebracht. Der Name Schkipetar ist von altersher allgemein gebraucht worden. (Es heißt, dass schon zu Pyrrhus’3 Zeiten der Name algemeine Verbreitung gefunden habe.) Die Arnauten Italiens und Griechenlands, die unsere Stammesgenossen sind, gebrauchen diesen Namen aber nicht, sondern nennen sich auch heute noch ‘Arban’. Von den übrigen Völkern wurden unsere Vorfahren ‘Pelasger’ genannt. Dieses Wort ist noch in den Ausdrücken ‘plak’ und ‘plek’, welche ‘der Alte’, ‘die Alten’ bedeuten, in etwas veränderter Form erhalten geblieben. Dieses so alte und geschichtlich so interessante und wichtige Volk war sehr zahlreich und sehr kräftig. Der Südosten von Europa, die ganze Balkanhalbinsel und die Donauländer, also das heutige Rumänien und Ungarn, die Inseln des Mittelländischen Meeres und Kleinasien, d.i. Anatolien, war von den alten Arnauten bewohnt. Ein Teil der Pelasger, der an das Adriatische Meer 2 d. i. ‘Adler-Träger’ oder ‘Besitzer des Adlers’. 3 Pyrrhus, König von Epirus, 318 bis 272 v. Chr. gelangte, kam auch nach Italien herüber. Von ihnen stammen die Etrusker, die Latiner und andere ab. Später erschien ein kleines Volk, die Hellenen oder Griechen, im jetzigen Griechenland und auf den umliegenden Inseln und vermischte sich mit pelasgischen Stämmen, die an Stelle der nach Italien abgezogenen dort eingewandert waren. Es hat also auch zwischen den Griechen und den Pelasgern verwandtschaftliche und sprachliche Beziehungen und Analogien gegeben. Da überhaupt die Pelasger, Kelten, Gallier, Germanen, Slaven, Perser, Inder und andere, genau genommen zu einer Familie gehörig sind, so wurde ihrer Gesamtheit die Bezeichnung ‘Arier’ oder ‘Indo-Europäer" gegeben. Aber die Romanen stehen den Arnauten noch näher als die anderen; daher kommt es, dass unsere Sprache der lateinischen in einigen Belangen sehr ähnlich ist. Die Religion und die religiösen Gebräuche der alten Arnauten waren sehr schön und poesievoll. Sie haben allen Naturerscheinungen und den Himmelskörpern göttliche Eigenschaften zugeschrieben und glaubten an die Sonne, den Mond, die großen Sterne, den Himmel, die Wolken, die Winde, das Meer und anderes, und erwiesen ihnen göttliche Ehren. Auch der Sonnenaufgang, der Blitz und alle anderen Naturerscheinungen wurden geheiligt. Speziell das Feuer wurde göttlich verehrt und an bestimmten Orten niemals ausgehen gelassen. Nun soll es ja eine Herrschergewalt geben, auch eine Religion soll sein; aber die Pelasger haben sich damit nicht begnügt. Mochte die Personifizierung der unbedingten Einheit welche immer sein, so mochten sie doch nicht unter ihrer alleinigen Herrschaft stehen. Sie wollten also nicht einem einzigen Gotte Untertan sein, sondern schufen sich zahlreiche Götter, an die sie sich um Rat wandten und die einander das Gleichgewicht halten sollten. Die alten Griechen und Römer haben diese SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) religiösen Anschauungen, die heutzutage Mythologie genannt werden, noch mehr erweitert und ausgeschmückt, und wieviel Religionen und erhabene Glaubensbekenntnisse auch immer an ihre Stelle getreten sein mögen (Judentum, Christentum, Islam), so hat die Mythologie dennoch nichts von ihrer Wertschätzung verloren, sondern wird noch heute von den zivilisierten Nationen als eine poesievolle Religion geachtet und geschätzt. (Denn sobald die Religionen und die erhabenen Glaubensbekenntnisse so trocken und reizlos geworden sind, wie die Orte, an denen sie entstanden, dann können die süßzungigen Poeten an ihnen keinen Geschmack und keine Schönheit mehr finden.) Den von ihnen bewohnten Gegenden entsprechend, zerfielen die Pelasger in viele Stämme. Die größten und berühmtesten dieser Stämme sind: die Illyrier, das heißt ‘die Freien’ (albanesisch: ‘illire’ = ‘frei’, ‘unabhängig’) und die Epiroten, nämlich die ‘Obenbefindlichen’ (albanesisch: ‘eper’, ‘siper’ = ‘oben’) dann die Makedonier (‘makedonia’ bedeutet im Albanesischen ‘weites Land’), ferner die Thraker (d. i. ‘die Groben’, ‘trasch’ = ‘grob’), dann die Phrygier, das heißt ‘die Furchtsamen’ (‘frik’ bedeutet im Albanesischen ‘Furcht’) und andere. Von diesen Stämmen saßen die Illyrier in Oberalbanien, Montenegro, Bosnien, Herzegowina, Kroatien und Dalmatien, dann bis zur Küste des Adriatischen Meeres, und bis zum Ufer des Flusses Sawe. Die Makedonier und die Thraker lebten in jenen Gegenden, die noch heute nach ihnen benannt sind. Was die Phrygier anbelangt, so waren sie in Kleinasien ansäßig, und zwar in dem heute Kizil-irmak genannten Gebiete, reichend von der Meeresküste bis zum Flusse Elis, also in den Wilajeten Smyrna, Konia, Angora und Siwas. Es wird behauptet, dass im Altertum die Illyrier, die Epiroten, die Makedonier, die Thraker und die Phrygier einander sehr nahe gestanden hätten, als eine einzige Nation betrachtet wurden und ihre Sprachen untereinander verstanden hätten. Bis zum Erscheinen der Römer haben alle diese Stämme ein starkes Reich gebildet. Dieses Reich war zur Zeit Philipps 4 noch gewachsen und hatte an Kraft gewonnen. Was Alexander den Großen, Philipps Sohn, anbelangt, so hatte er den größten Teil der damals bekannten Welt unter seine Herrschaft gebracht. Er eroberte Griechenland, Thrakien, Kleinasien, Persien, Indien, Ägypten und anderes. Illyrien und Epirus, das jetzige Albanien, unterjochte er jedoch nicht. Obwohl nun nach dem Tode Alexanders des Großen die ihm nachfolgenden makedonischen Arnauten-Fürsten in Asien, Afrika und Europa eine Reihe von Staaten gründeten, so hatten diese doch keinen langen Bestand, da sie sich in steter Uneinigkeit und Zwistigkeit befanden und sich gegenseitig bekämpften. Bald darauf gingen diese Reiche auch in den Besitz der mit großer Kraft vordringenden Römer über. Was die Thraker und die Phrygier anbelangt, so gingen sie teils in den vielen Kriegen mit den benachbarten fremden Völkern, teils durch Vermischung mit ihnen, zur Zeit der Römer zugrunde. Die Makedonier konnten sich noch eine Zeit lang erhalten, haben sich aber dann doch auch mit fremden Völkern vermischt. Im ersten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung drangen slawische Völker, wie die Serben, Kroaten und andere, etwas später tatarische Stämme, wie die Bulgaren u.s.w. in die Balkanhalbinsel ein und besetzten den größten Teil von Makedonien; indem nun ein Teil der Pelasger von den neu Angekommenen verdrängt wurde, der andere Teil sich mit ihnen vermischte, verschwanden sie langsam, langsam vom Schau-platze. Auf diese Weise sind die thrakischen und phrygischen Arnauten, welche die Vorfahren der heutigen 4 Chr. Philipp II. von Makedonien, geboren 382, König von 359 bis 336 v. SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Makedonier bilden, verschwunden, und von ihren Wohnplätzen haben Bulgaren, Serben und andere, Besitz ergriffen. Nur die Illyrier und die Epiroten blieben von jeder Vermischung frei, und von ihnen stammen die Ghegen und die Tosken ab, die somit unsere direkten Ahnen sind. 2. Abschnitt. Illyrier und Epiroten. Die Grenzen des jetzigen Albanien decken sich nicht mit jenen des alten Illyrien. Denn dessen Grenzen griffen von Süden her nicht über den Jusa-Fluß hinüber. Dagegen dehnten sie sich nach Norden hin weit über diejenigen des jetzigen Albanien hinaus. Denn wie wir schon oben gesagt haben, erstreckten sich die Grenzen Illyriens bis zum Gestade des Adriatischen Meeres und zum Ufer des Sawe-Flusses. Illyrien umfasste auch das heutige Montenegro, Bosnien und anderes. Das Gebiet vom Jusa-Fluß bis zum Golf von Armbrak – es ist dies ein Teil des heutigen Toskenlandes – hieß Epirus. Das Wort ‘eper’ ist albanesisch ; ‘eper’, ‘siper’ heißt ‘oben’. Dies kommt daher, weil dieses Land vom Standpunkte der südlich davon wohnhaften Arnauten ‘oben’ ist. Daraus nun haben die des Handels wegen ins Land kommenden Griechen, welche diese Bezeichnung von den Arnauten hörten, ‘Epiros’ gemacht. Die Lander Illyrien und Epirus waren nicht zusammengehörig. Weder Illyrien noch Epirus besaßen ein autokratisches Regierungssystem. Sie zerfielen in zahlreiche Stämme, die von gewählten Delegierten, welche sich an bestimmten Orten versammelten, regiert wurden Diese Versammlungen, welche auch heute noch üblich sind, hießen ‘pleksi’ oder ‘plakuni’, das ist ‘Rat der Alten’. Im Hinblick auf die sozialen Verhältnisse des Altertums waren also die Staaten Illyrien und Epirus sehr modern eingerichtet und besaßen eine kräftige und glänzende Verfassung. Pyrrhus, welcher ein König von Epirus war (der Name stammt vom albanesischen Worte ‘pyr’, welches einen ‘jugendlichen Mann’ bedeutet), hat die Römer in Italien besiegt und Griechenland erobert. Die berühhmte Königin der Illyrier, Teuta 5 und ihr Sohn Kenco haben den Römern heftigen Widerstand geleistet. Nach den Berichten der Historiker und Schriftsteller des alten Griechenland sprachen die Illyrier und Epiroten eine und dieselbe Sprache und waren auch ihre Sitten und Gebräuche die gleichen. Aus ihrer Sprache und aus ihren Sitten entwickelten sich sodann diejenigen der heutigen Albanesen. 3. Abschnitt. Die Albanesen unter römischer Herrschaft. Nachdem die Illyrier und die Epiroten den Römern eine Zeitlang standgehalten hatten, vermochten sie deren Überzahl und Kraft nicht mehr zu widerstehen und wurden unterworfen. Die Länder Makedonien und Epirus, die sich damals verbündet hatten, führten lange, blutige Kriege mit den Römern, in welchen diese sehr viele Soldaten verloren. Daher ließ der kriegstüchtige römische Feldherr Paulus Aemilius achtzig befest-igte Plätze im Toskenlande dem Erdboden gleichmachen und einige tausend Gefangene nach Rom bringen. Auf diese Weise ging die Unabhängigkeit der Illyrier und der Epiroten verloren und kamen sie unter die Herrschaft Roms. Obgleich nun die Arnauten von den Römern besiegt worden waren, so wurden sie dennoch nicht von ihnen geknechtet. Vielmehr wurden ihnen die von ihnen geforderte persönliche 5 Gemahlin des Königs Agron. Diese unter dem Namen ‘Illyrischer oder Seeräuber-Krieg’ bekannten langwierigen Kämpfe endeten 228 v. Ch mit einem für Teuta sehr ungünstigen Frieden. Ihren Sohn nennen die Römer Pineus. SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Freiheit und die innere Unabhängigkeit, also das Recht der Selbstverwaltung belassen. Die römische Herrschaft war bloß eine rein nominelle und um sie erhalten zu können, schickten die Römer eine große Zahl von Kolonisten, die in festen Plätzen im Innern des Landes angesiedelt wurden. Die noch heute hie und da vorfindlichen Walachen oder Zinzaren sind die Überreste dieser Kolonisten. Von Dratsch (Durazzo) bis Saloniki bauten sie eine lange, ordentliche Straße zu militärischen und Handels-Zwecken, die nach dem arnautischen Worte ‘ozekjata’, welches ‘lange Straße', bedeutet, ‘egnazios’6 genannt wurde. Die Erhaltung dieser Straße bereitete ihnen viele Mühe und Sorgen. Obwohl an die Stelle der illyrischen und der epirotischen Regierung die rômische getreten war, so haben sich dennoch, die Arnauten vermittelst ihrer Versammlungen der Alten selbst regiert. Zur Zeit der römischen Herrschaft waren also Albanien und die Albanesen in dieser Weise regiert worden; bei der Zweiteilung des römischen Reiches kam Albanien zum oströmischen Kaisertum. Aber zur Zeit der byzantinischen Kaiser wurden die Arnauten alsbald frei und unabhängig; indem sie sich wieder selbst regierten, gelangten sie neuerdings in den freien Besitz ihres Landes. Sie waren durchaus keine Besiegten und Gefangenen mehr. Damals fand das Christentum Eingang in Albanien und binnen kurzer Zeit waren alle Albanesen Christen. Nur die alten Sitten und ursprünglichen Anlagen erfuhren durchaus keine Veränderung. In dem Maße, als die Kraft der oströmischen Kaiser nachließ, nahm die Unabhängigkeit der Arnauten zu, aber im ersten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung kamen die Bulgaren und Slawen Ameisen gleich von Nordosten und Norden daher und fielen nolens volens in das Land der oströmischen Kaiser ein; die Serben setzten sich im Norden illyriens, nämlich in Bosnien, der Herzegowina, in Dalmatien und Montenegro und Serbien fest und 6 Die Römer nannten sie ‘Via Egnacia’. die dem Tatarenstamme angehörenden Bulgaren schloßen sich ihnen an und gelangten bis Makedonien. Die Arnauten, welche die Ureinwohner Makedoniens sind, wurden gezwun-gen nach Norden und Westen auszuweichen und in die Berge Albaniens zu ziehen. Der größte Teil der in Illyrien befind-lichen Arnauten hatte zwar seine Wohnsitze nicht verlassen, doch vermengten sie sich derart mit den Slawen, dass sie nach einiger Zeit ihre Sprache vergaßen und slawisch zu sprechen begannen. Gestützt darauf können wir sagen, dass die Bosnier und Dalmatiner, speziell aber die Montenegriner, mehr Arnauten als Slawen sind. In ihren Adern fließt sehr viel arnautisches Blut. Ihre organischen Formen, ihr Körperbau, ihre Sitten, Gesänge und Horatänze ähneln denen der Arnauten sehr. Bei den übrigen slawischen Stämmen zeigen sich diese Formen und Qualitäten nicht. Da nun aber die von ihnen gesprochene Sprache die serbische ist, so gelten sie eben als Slawen. Denn die Sprache ist nun einmal in erster Linie das Kennzeichen der nationalen Zugehörigkeit. Auf diese Weise sind also ein großer Teil von Illyrien und die Hälfte von Makedonien von Albanien losgerissen und slawisiert worden. Das eigentliche Albanien bestand nur mehr aus einem Teile des südlichen Illyrien, aus dem westlichen und nördlichen Makedonien und aus ganz Epirus. Zur Zeit der Römer und Byzantiner haben Illyrien, Makedonien und Epirus ihre Namen eingebüßt und die von den Arnauten bewohnt bleibenden Gegenden wurden nach dem arnantischen Worte ‘Arban’ ‘Albanien’ genannt. Seit jener Zeit haben Albaniens Grenzen keine Veränderung mehr erfahren. Auch heute sind sie noch dieselben. Nur wurden durch den Berliner Vertrag Wranja, Leskovac, Kurschumlje, Olgun (Dulcigno), und andere Orte zu Serbien und zu Montenegro geschlagen, die früher zu Albanien gehört hatten. Die Albanesen aus diesen Orten haben, indem sie ihre SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Urheimat verließen und den Slawen einräumten, einen großen Fehler begangen. Olgun ist noch ganz arnautisch und es ist zweifellos, dass es dereinst mit Albanien wieder wird vereinigt werden. 4. Abschnitt. Die kleinen Fürstentümer Albaniens. Als das byzantinische Reich in der letzten Zeit seines Bestandes ganz schwach geworden war, besaß es weder die Kraft, seine Provinzen zu regieren, noch auch die Fähigkeit, seinen Feinden Widerstand zu leisten. Es entstanden nun, so wie in den anderen Teilen dieses Reiches, auch in Albanien eine Art kleiner Dynastien. Die in der Nähe des Meeres gelegenen Gebiete aber kamen unter die Herrschaft der Venezianer. Was die in Albanien enstandenen Dynastien anbelangt, so waren einige davon arnautischer Abkunft, andere wieder waren fremden Blutes und albanisiert worden. Die Al Necib Kastriotas, die im Paradiese weilenden Ahnen Skander Begs, und die Familie der Topia aus Arta, waren autochthone Arnauten. Die Familie der Dukakin aus der Malissia von Skutari, diejenige der Musaka aus der Ebene von Musaka kamen aus der Fremde und wurden albanisiert. Wir können nicht allen diesen zahlreichen, kleinen Reichen den Rang unabhängiger Staaten zuerkennen. Den größten von ihnen kann wohl diese Bezeichnung gegeben werden; was die anderen Dynastien anbelangt, so wurden sie von Stammeshäuptlingen und Bojaren gegründet, die die Schwäche des oströmischen Reiches benützten, um sich von ihm loszumachen. Unter diesen kleinen Reichen mangelte es niemals an Zwistigkeiten und inneren Kriegen. Als die Türken von Asien nach Europa kamen und anfingen, sich der Balkanhalbinsel nach und nach zu bemächtigen, wurde ganz Albanien von derlei kleinen Dynastien und unabhängigen Stammeschefs regiert. Die Türken griffen diese der Reihe nach an, besiegten sie, vertrieben die einen und ließen die anderen, welche sich unterwarfen, unter türkischer Oberhoheit weiter bestehen. Da auch der Fürst von Kroja (Aktschehissar), Kastriota, einsah, dass es sehr schwierig sein würde, den Türken Widerstand zu leisten, so schloss er mit Sultan Murad II. 7 einen Freundschaftsvertrag ab, war aber gezwungen, dem Sultan seine vier geliebten Kinder, als Geisel auszuliefern. Das jüngste von diesen war Alan Kerk Kastriota, der nachmalige Skander Beg. 5. Abschnitt. Albanien zur Zeit Skander Begs. Skander Beg, welcher in Mut und soldatischer Tapferkeit, in der Kriegskunst, in der übernatürlichen Kraft seines Körpers und seines Verstandes, in Rechtlichkeit und Edelmut, sowie in allen menschlichen Tugenden und Tälenten ein Wunder an Vollkommenheit war, wie es die Weltgeschichte nicht mehr aufzuweisen hat, Skander Beg, welcher die Arnauten und ihren Namen groß machte und ihnen einen Ruhm schuf, der diese Nation für immer zum Gegenstande des Glanzes und der Größe machen wird, Skander Beg, dieser Held ohne Gleichen, war, als er in die Gewalt der Türken kam, ein engelgleiches Kind. Er wuchs im Palast des Sultans Murad auf und brachte es schon in jungen Jahren zuwege, dass die ihn umgebenden Türken angesichts seines außergewöhnlichen Mutes und seiner Geschicklichkeiten ‘den Finger vor Staunen im Munde stecken ließen’. Wohin immer er kam, überall siegte er und nie wurde er besiegt. Es gab bald niemanden mehr, der sich ihm entgegenzustellen wagte. Als er von einem siegreichen Feldzuge in Syrien zurückkehrte, erfuhr er aus Sultan Murads eigenem Munde, dass inzwischen sein Vater in Kroja und seine drei Brüder im kaiserlichen Palaste gestorben seien, was ihn tief erschütterte. 7 Sultan Murad II, 1421 bis 1451, unterjochte die Walachei, Serbien und den Peloponnes, schlug die Christen am 10. November 1444 bei Varna, 18. bis 20. Oktober 1448 auf dem Amselfelde. SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Er verhehlte sich jedoch nicht, dass es ein seltsames Vorkommnis gewesen wäre, wenn sein Vater und seine drei Brüder binnen so kurzer Zeit eines natürlichen Todes gestorben sein sollten und glaubte nicht daran. Da er aber seine Existenz und diejenige Albaniens, die ihm noch mehr als die seinige am Herzen lag, nicht gefährden wollte, so unterließ er es, Aufklärungen zu verlangen, auf welche Weise seine Brüder ihr Ende gefunden hatten (die jedenfalls im Kaiserpalaste das Opfer tückischer, jesidischer 8 Dolche geworden wären, wie ‘El Aba’,9 Denn er fühlte gar wohl, dass derlei Erkundigungen auch ihn in eine schwere Gefahr bringen konnten. In der Tat ist Skander Begs Beseitigung auch die feste Absicht des Sultans, seines Oberherrn, gewesen. Skander Beg begnügte sich damit, die Erfüllung derjenigen Vertragsbestimmung zu verlangen, laut welcher die Geiseln nach dem Tode des Vaters nach Kroja zurückgesendet werden sollten. Von da an sandte er den Türken ein Geschlecht von bärengleichen Helden entgegen, die mit ihnen außerordentlich schwere und gefährliche Kriege führten. Da Seine Hoheit Skander Beg durch seine Tapferkeit und seine übergewaltigen Fähigkeiten auch die Achtung und Ehrfurcht der türkischen Truppen errungen hatte, so vermochte Sultan Murad nicht, seinen Soldaten, welche in den sicheren Tod geschickt zu werden fürchteten, Mut einzuflößen. Es dauerte nicht lange, so fand Seine Hoheit Skander Beg den von ihm gesuchten geeigneten Zeitpunkt, um sich nach der Residenzstadt seiner erhabenen Ahnen, Aktschehissar, zu begeben. Dort angekommen, verjagte er die türkische Besatzung und nun 8 Jesid, Sohn Moawijas, des Gründers der Omajjaden-Dynastiee, ließ die Familie des Chalifen Ali ausrotten und ist daher der muslimische Judas Ischariot. 9 ‘El Aba’, eigentlich der Mantel, unter dem Mohammed Fatima, Ali, Hassan und Hussein zu schlafen pflegten. Die vier Letztgenannten sind eben Alis Familie, die Jesid ausrotten ließ. erhoben sich die Arnauten, welche Skander Beg als den gesetzlichen Erben seines ruhmvollen Vaters anerkannten. Kaum hatten sie die Nachricht von Skander Begs Ankunft vernommen, so eilten alle Stammeschefs und die Notablen der arnautischen Nation nach Kroja. Sie traten dort zu einer gemeinsamen Beratung zusammen und schlössen sodann eine ‘Bessa’ ab, für die Verteidigung des Vaterlandes und die Freiheit bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen und Skander Beg als ihr Oberhaupt und ihren Oberfeldherrn anzuerkennen. Auch wurden ihm die Versicherungen der Ehrfurcht und Ergebenheit dargebracht und die Zeremonie der Inthronisation vollzogen. Auf diese Weise geschah es zum ersten Male, dass das ganze arnautische Volk zu einer Monarchie vereinigt wurde und unter eine rechtmäßige Regierung kam. Um Albanien neuerdings zu erobern, beeilten sich die Türken, große Truppenkörper, ja ganze Armeen zu schicken. Aber Skander Beg und die Arnauten warfen sich ihnen entgegen und leisteten mannhaften Widerstand. Mit wenig zahlreichen Kampfgenossen griff er die ungeheuren, unzähligen Scharen der türkischen Truppen an. Einzig durch seine Tapferkeit zersprengte er die Türken und zwang durch die Kraft seines Armes, die von ihm geschlagenen Truppen Sultan Murad II. und dessen Sohnes Mahmud überall und jederzeit zum Rückzuge. Selbst die Mutigsten unter den Türken gerieten in Furcht und Schrecken. In dieser Weise wehrten sich Skander Beg und die Arnauten während eines Zeitraumes von mehr als dreißig Jahren, vernichteten ihre Feinde, schufen Albanien Ruhm und Ehre und erhielten ihm die volle Unabhängigkeit. Damals erwarteten alle europäischen Staaten von Skander Beg ihr Heil, von den Arnauten die Errettung aus Türkennot. Denn jene waren furchtsam und armselig. Die Magyaren und der Papst selbst schickten Skander Beg einige Male ins Feuer, die selbst aber SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) blieben daheim und sahen von weitem zu. Auch hier war seine Hoheit Skander Beg Sieger über die Türken und solange er lebte, bewahrte Albanien seinen Ruhm und Glanz, und seine Unabhängigkeit. Nach dem Tode Seiner Hoheit Skander Begs jedoch fiel Albanien in die Händer der Türken. 6. Abschnitt. Die Arnauten unter türkischer Herrschaft. Von welch blutigen und furchtbaren Kämpfen auch die Zeit Skander Begs, dieses glorreichen Helden, erfüllt war, so sind diese Tage doch schöne und geheiligte für unser Vaterland gewesen. Denn damals war das arnautische Volk frei, stand unter einer nationalen Regierung, war von ganz Europa gefürchtet, und hatte durch seine den Osmanen gegenüber bewiesene übergewaltige Tapferkeit großen Ruhm und Ehre gewonnen. Nach dem Verscheiden dieses muteinflößenden Helden aber wurde, wie wir berichten müssen, Albanien ein Bestandteil des ottomanischen Reiches. Die wegen ihres Mutes und ihrer Tapferkeit berühmten Arnauten pflegten, da sie zu Kampf und Krieg viele Neigung haben, diesen als Daseinszweck und Existenzmittel zu betrachten. Seit dem Altertum gingen sie nach allen Ländern Europas, um in deren Dienste zu treten und deren Kriege zu führen, wobei sie sich sehr nützlich erwiesen. (In Frankreich bildeten sie die leichte Reiterei.) Auch war es eine alte Gepflogenheit, nach Anatolien zu ziehen, um dort in die Dienste der ottomanischen Regierung zu treten, wobei sie sich sehr brauchbar zeigten. Schon viele Jahre, bevor sich die Türken Albaniens bemächtigten, gelangten viele Arnauten im türkischen Staatsdienste zum Range von Großwürdenträgern des Reiches. Bajesid Pascha, der im Kriege gegen Tamerlan den gefangenen Sultan Mehmed aus der Mitte des feindlichen Heeres herausholte und ihn unter tausend Schwierigkeiten und Gefahren in der Verkleidung eines Bettlers rettete, soll ein ungemein kühner und schlauer Arnaute gewesen sein. Noch bevor Albanien in die Gewalt der Türken kam, begannen die Arnauten den Glauben der Türken anzunehmen und Muslims zu werden. Aber nachdem Albanien in die Hände der Türken gefallen war, breitete sich der Islam noch weiter aus, nach dem Grundsatze: ‘Wo das Schwert ist, dort ist auch die Religion’. Da es aber im Charakter der Arnauten liegt, eines Glaubens rasch müde zu werden, ihn aufzugeben und einen anderen anzunehmen, so wendeten sie sich bald wieder von der Religion der Osmanen ab, als sie bemerkten, dass die Türken jene verachteten, die nicht Muslims geworden waren. Dennoch wurden jene Arnauten, die, unter die Herrschaft der Türken geratend, Christen geblieben waren, nicht so wie die übrigen christlichen Nationen geknechtet und zu Rajahs gemacht, sondern blieben gleich ihren mohammedanischen Stammesbrüdern frei und im Besitze ihrer Waffen. Sie blieben auch gleich den Muslims in den türkischen Armeekorps und kämpften die Kriege gegen die Feinde der Türkei mit. Der Nationalcharakter der Arnauten war genau so, Wie ihn sich die türkische Regierung wünschen mochte. Dem Kämpfen, Reiten, kriegerischen Spielen, dem Stechen und Hauen und ähnlichen Beschäftigungen, wie sie die Türken liebten, waren auch die Arnauten sehr ergeben. Demzufolge fanden die Türken in den Arnauten treue und mutige Kampfgenossen, während die Arnauten bei den Türken eine Regierung fanden, die ganz nach ihrem Geschmacke war. In der Türkenzeit war Albanien reicher und blühender geworden; denn die Arnauten zogen mit den Türken zusammen überallhin in den Krieg, und kehrten mit reicher Beute beladen, mit Gold, Silber, kostbaren Waffen und Pferden aus Arabien, Kurdistan und Ungarn nach Albanien zurück. Da die Arnauten den Türken geistig und körperlich, hinsichtlich der Intelligenz und des Mutes, überlegen sind, so nahmen sie die höchsten Stellen ein und wurden auf den SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) wichtigsten Posten ver-wendet; sie wurden sogar höher geachtet und geschätzt, als die hohen Beamten türkischer Abkunft. So gab es gegen 25 Größ-vezire, die Arnauten waren, und das waren gerade die größten und mächtigsten jener Persönlichkeiten, die diesen Posten bekleideten. In Albanien dagegen konnte kein Fremder irgend eine Anstellung erlangen; sämtliche Posten, größe und geringe, wurden stets von Arnauten innegehabt. Wir können sagen, dass Albanien ausschließlich nach albanesischen, lokalen und nationalen Grundsätzen regiert wurde, während diejenigen der türkischen Oberherrschaft durchaus nicht maßgabend waren. Auch sind den Arnauten, abgesehen von ihrem Blute, das sie, Muslims wie Christen, in den Kriegen vergossen, keinerlei Steuern auferlegt worden. Aus diesen Gründen befanden sich die Arnauten und die Osmanen in der Verbindung, die sie miteinander eingegangen waren, sehr wohl. Denn dasjenige, was die Arnauten liebten: Reichtum, Achtung, Waffen, Pferde, Beute und die ihnen unentbehrliche Freiheit, fanden sie bei den Türken; und dasjenige, was die Türken verlangten: Tapferkeit, Treue, Todesverachtung, fanden sie bei den Arnauten. Bis zur Zeit der ‘Tansimat’10 waren ihre Beschäftigungen solcher Art; die nach jenen bis heute eingetretenen Veränderungen werden in einem besonderen Kapitel besprochen werden. 7. Abschnitt. Das arnautische Volk und seine Sprache. Die Arnauten sprechen eine der ältesten und schönsten Sprachen der Welt. Alle Idiome, welche mit dem Albanischen von gleichem Alter waren, sind vor einigen tausend Jahren verschwunden, und ‘Tansimat’ (Reformen) heißen die durch den kaiserlichen Hatt-i scherif (Handschreiben) vom Jahre 1839 oktroyierten einschneidenden Reformen. 10 werden nirgends auf Erden mehr gesprochen. An ihre Stelle sind einige neue Sprachen getreten, die aus jenen hervorgingen. Mit dem Albanesischen von gleichem Alter sind: das Altgriechische, das die Sprache der alten Inder darstellende Sanskrit, das Altpersische, die Zendspräche, die keltische, also die Sprache der alten Franken, das Teutonische, das ist die Sprache der alten Germanen und andere. Alle vorerwähnten Sprachen, von welchen einige ebenso alt, andere jünger wie das Albanesische sind, werden zu den toten Sprachen gerechnet und, abgesehen von den Gelehrten, nirgends mehr verstanden. Unsere Sprache aber, die albanesische, welche noch älter ist als jene, ist noch so, wie sie zur Zeit der Pelasger war und lebt noch immer. Es ist zweifellos, dass die Pelasger das älteste der Urvölker Europas sind. Es lassen sich sehr viele Beweise dafür erbringen, dass unsere Sprache dieselbe ist, welche schon die uns mythisch erscheinenden Pelasger gesprochen haben. Es werden noch heute im Albanesischen die aus dem Kultus der Pelasger und aus der altgriechischen Mythologie stammenden Namen der Gottheiten und in den alten Sagen vorkommende Wörter gebraucht. Daraus ergibt sich klar, dass die vor so vielen Jahren von den Pelasgern gesprochene Sprache dasselbe Albanesisch ist, dessen wir uns heute bedienen. Wenn auch ein geringfügiger Unterschied vorhanden sein mag, so dürfte diese Differenz doch so unbedeutend sein, dass wir – angenommen, wir stünden einem alten Pelasger gegenüber – uns mit ihm verständigen könnten, ob wir nun ein Ghege, Toske, Tschama oder Gorar sind. Wenn man die Feinheiten der Albanesischen Grammatik und Syntax, die zahlreichen Deklinationsformen der Substantive, der Artikel und Fürwörter ins Auge faßt – Feinheiten, die nicht einmal moderne Sprachen aufzuweisen haben – und bedenkt, dass schon die alte Sprache so kunstvoll und ausgebildet war, SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) so ergibt sich daraus, wie ungemein alt und unverändert eine Sprache sein muss, die schon in den mythischen Zeiten so vollendet war. Das Kennzeichen der Nationalität ist die Sprache. Jedes Volk besitzt sein eigenes Idiom. Ein Volk, das seine Sprache vergisst oder die Muttersprache aufgibt, um sich eines anderen Idioms zu bedienen, verliert im Laufe der Zeit auch sein ursprüngliches Volkstum und wird ein Bestandteil desjenigen Volkes, dessen Sprache es gebraucht. Wir wollen damit nicht etwa sagen, dass all diese vielen Nationen ausgestorben oder ausgerottet worden seien. Nein, dem ist nicht so. Wir meinen nur, dass sie in jenen Völkern aufgingen, mit denen sie sich vermischten und deren Sprache sie annahmen. So vermengten sich die Makedonier, die Thraker, die Phrygier, die nördlichen Illyrier und andere zu den Pelasgern gehörende Völker, Stämme also, die wie wir zu den Albanesen zählten, mit anderen Völkerschaften, büßten ihre Sprache ein und verschwanden auf diese Art. Nur die Arnauten jener Gebiete, die heute Albanien bilden, mischten sich mit fremden Völkern nicht, hielten ihre Sprache fest, und so ist die heute in Albanien und unter den Arnauten gebräuchliche Sprache dieselbe, welche schon von den uns mythisch anmutenden Pelasgern gesprochen wurde. Wie konnten nun die Arnauten, die doch mitten unter fremden lind wilden Völkerschaften lebten, ihre alte Sprache unversehrt und unverändert erhalten? Es gab doch so viele alte Sprachen, es gab ihre Schriften, ihre Bücher, ja ihre vollständige Literatur, und sie gingen dennoch entweder zugrunde oder erlitten so viele Veränderungen, dass die aus ihnen hervorgegangenen neuen Idiome ganz andere Sprachen sind. Wieso ging nun nicht auch die Sprache der Arnauten zugrunde, wieso erlitt gerade sie keine Veränderungen? Diese Frage zu beantworten ist sehr leicht: die Albanesen bewahrten sich ihre Sprache nicht durch die Literatur, die Wissenschaften, die Zivilisation, sondern einzig und allein durch die Freiheit. Das heißt dadurch, dass sie sich stets selbst regierten, jede Vermischung mit den anderen Völkern vermieden, in ihre Gebiete die Fremden (Türken und andere) nicht hineinließen und den Fremden keinerlei Einmengung in ihre internen Angelegenheiten gestatteten, vermochten sie ihre Nationalität und ihre alte Sprache zu erhalten. Indem sie sich von der ganzen Welt absonderten, von der Wissenschaft und dem Handel fernhielten, auf den Bergen und an schwer zugänglichen Orten isoliert lebten, konnte bis heute die alte Sprache und das Volkstum der Arnauten rein erhalten werden Dachten nun aber die Albanesen niemals daran, ihre Sprache zu lesen und zu schreiben? Das ist allerdings eine wunderliche Sache. Die Mehrzahl der in den Bergen sozusagen im Zustande der Wildheit lebenden Pelasger-Stämme mochte allerdings in dieser Beziehung keine Nötigung empfinden und hatte es wohl nicht nötig, eine Schriftsprache einzuführen. Wieso kommt es aber, dass die Makedonier, welche doch ein großes und mächtiges Reich, gegründet hatten, dass das Reich des Pyrrhus von Epirus, dass der Staat der Teuta von Illyrien nicht das Bedürfnis fühlten, ihre Sprachen zu schreiben? Warum hat sich Philipp von Makedonien, der sich doch um die Wohlfahrt seines Landes und Griechenlands bemühte, nicht damit befaßt, das Albanesische ebenso wie das Griechische lesen und schreiben zu lassen? Leider müssen wir sagen, dass auch Alexander der Große hierzu keine Zeit gefunden hat. Warum haben aber auch die Ptolemäer, die in Alexandrien für die Künste und Wissenschaften und für das Griechische so viel getan haben, nicht an ihre Muttersprache gedacht, warum haben sie für das Albanesische nicht ein eigenes Alphabet geschaffen, wo sie doch in den umliegenden Ländern Asiens und Afrikas Völker vor Augen hatten, die ihre Sprache lesen und schreiben konnten? Auch die Römer haben ja zuerst die altgriechische Sprache gelernt und in dieser Sprache Philosophie und die Wissenschaften studiert; dennoch haben sie auch ein eigenes Alphabet SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) für die lateinische Sprache geschaffen und diese Sprache gelesen und geschrieben 8. Abschnitt. Die Arnauten muhten sich stets für andere Völker und arbeiteten nie für sich selbst. Der berühmte deutsche Philologe Dr. Hahn, der zur Erforschung Albaniens viel beigetragen hat, entdeckte auf einigen in Albanien gefundenen Grabsteinen eingravierte Inschriften, deren Lettern den Phönikiscben sehr ähnlich, und deren Texte arnautische waren. Daraus würde sich ergeben, dass die Arnauten in ihrer Sprache schreiben konnten. Nur konnten solche Inschriften sonst nirgends mehr aufgefunden werden und andere Spuren und Beweise dafür, dass die Arnauten sich derartiger Buchstaben bedienten, gibt es außer jenen Grabsteinen nicht. Wie wir schon oben sagten, haben die Arnauten, indem sie ihr Blut vergossen, jederzeit viel Treue und Nützlichkeit gezeigt; aber von dem Blute, das die Arnauten verspritzten, haben immer nur Andere Nutzen gezogen, Albanien hat von diesem Blute keinerlei Vorteil gehabt Sehr viele und hervorragend große Taten sind von Arnauten vollbracht worden; stets aber brüsteten sich die fremden Völker mit diesen berühmten Männern, und brüsten sich noch jetzt damit. Pyrrhus und Alexander den Großen zählen die Griechen zu den Ihren! Wohl wurden auch in Kleinasien, in der Umgebung von Angora, einige Grabsteine mit griechischen Lettern, ferner in der italienischen Provinz Etrurien solche mit lateinischen Lettern aufgefunden, deren Texte weder griechisch noch lateinisch waren, und von denen vermutet wird, dass sie albanesisch seien und aus der Zeit der pelasgischen Stämme der Phrygier und Etrusker stammen; doch sind diese Beweise nicht klar genug und zu wenig überzeugend. Immerhin scheint daraus soviel hervorzugehen, dass die Arnauten hie und da albanesische Texte mit Benützung von phönikischen, griechischen und lateinischen Buchstaben geschrieben haben. Auch sind ja einige solche Dichtungen und Erzählungen, die im griechischen, lateinischen und arabischen Alphabete geschrieben sind, gegenwärtig noch erhalten. Aber das sind keine wertvollen Sachen; wohl aber ist die albanesische Sprache wichtig, und doch haben die Arnauten nicht daran gedacht, ihre eigene Sprache mit einem nationalen Alphabete zu schreiben, und so ist eben unsere Sprache bis zum heutigen Tage ungeschrieben geblieben. Die Makedonier, welche in so kurzer Zeit große Eroberer wurden, taten für ihr Vaterland und für das Arnautische, das ihre Muttersprache war, nichts; wohl aber haben die Griechen, die ihre Feinde waren und unter ihre Botmäßigkeit gerieten, aus dem vergossenen Blute Vorteil gezogen; denn nicht die Sprache der Makedonier fand in die von ihnen eroberten Gebiete Eingang, sondern vielmehr die Sprache und Gesittung der Griechen; darum wurden jene Länder als griechisch betrachtet. Und doch konnte offenbar der Sprache und Gesittung der zu Makedoniern gewordenen alten Griechen dieses Recht nicht zustehen und sie hätten eigentlich untergehen müssen. Statt dessen aber machte die griechische Sprache und Sitte zur Zeit der Ptolemäer in Alexandrien große Fortschritte und gewann an Ausbreitung. Die Ptolemäer stammten aus der Provinz Tschamiri des jetzigen Albanien, und auch die Makedonier waren echte Arnauten; dennoch haben sie sich, ihre eigene Sprache, das Arnautische, zur Seite schiebend, in den Dienst der Sprache der Griechen gestellt, und die von Demosthenes gegen sie - die Makedonier - gehaltenen heftigen Reden vergessen! Nach den Griechen kamen die Römer an die Reihe. Auch diese haben von den Arnauten sehr viel Nutzen gezogen. Die SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Tapferkeit und Intelligenz der Albanesen hat viel zum Wachsen der römischen Macht und des römischen Prestiges beigetragen; auch in der Römerzeit gingen aus den Reihen der Arnauten viele gewaltige Männer hervor, die aber als Römer angesehen wurden. Nach den Römern kamen die Türken an die Reihe. Nach der Vereinigung der Arnauten mit den Türken kämpften sie in jedem Kriege Schulter an Schulter und die Arnauten waren es, die die größte Tapferkeit und Geschicklichkeit ah den Tag legten. Was hilft das aber, wenn der Ruhm stets den Türken zufiel und die Arnauten als Türken galten! Die größten und besten Vezire der Türken waren Albanesen. Der Eroberer Jemens, Sinan Pascha, welcher die türkische Flagge bis zum Indischen Ozean trug, Köprülü¸, welcher, nachdem er das türkische Reich vom sicheren Untergange gerettet hatte, Wien belagerte, und noch viele andere Persönlichkeiten, die sich als Stützen des Reiches bewährt hatten, waren Söhne Albaniens. Die Türkei hatte von diesen Männern sehr viele Vorteile, Albanien aber, ihr Vaterland, hatte von ihnen keinerlei Nutzen. In den letzten Zeiten haben mohammedanische Arnauten für die Türken, und christliche Albanesen für die Griechen ihr Blut vergossen und vergießen es noch. Die Türken sowohl wie die Griechen, statt die ihnen geleisteten Dienste zu belohnen, arbeiten im Gegenteil an der Vernichtung der arnautischen Sprache und des albanesischen Volkstums. Die Arnauten haben das meiste dazu beigetragen, dass das jetzige Griechenland geschaffen werden konnte; fast alle ihre Helden: Botsari, Tschawela, Majoli und andere, waren Albanesen; gebürtige Griechen waren es nicht, und doch zogen nur diese aus dem Mute jener Vorteil. Was Albanien anbelangt so erntete es keinen Nutzen, sondern nur Schaden ein. Außerlich betrachtet, haben Türken mit Griechen Krieg geführt, tatsächlich aber haben mohammedanische Albanesen mit christlichen Arnauten gekämpft. Wenn die christlichen Arnauten siegten, kam dies den Griechen zugute, siegten die mohammedanischen Albanesen, so hatten die Türken den Gewinn davon. Das auf beiden Seiten vergossene Blut aber war arnautisches. Die Arnauten metzelten einander nieder, und den Nutzen davon hatten die anderen! Die Arnauten haben ihr eigenes Blut schonungslos, aber auch nutzlos verspritzt; denn niemals kam dieses Blut irgendwie Albanien zugute. Jederzeit profitierten und profitieren die Fremden, und meistens die Feinde von dem Blute, das die Arnauten ohne Überlegung vergießen. Nicht nur mit dem Schwerte allein, auch mit der Feder leisteten die Albanesen den Fremden Dienste. Da sie ihre eigene Sprache nicht schreiben konnten, so waren sie gezwungen, in griechischer, lateinischer, türkischer, arabischer Sprache zu schreiben, und so schufen sie mit arnautischen Talenten nicht sich, sondern den Herren dieser Sprachen Ruhm und Ehre. Obendrein wurden dann noch die Albanesen als ungebildet und blutdürstig betrachtet und mit dem Spotte ‘sie hätten ihre Bücher verschluckt’, verhöhnt. Und doch war der größte Philosoph des alten Griechenland, Aristoteles, kein Grieche sondern Albanese. Wohl waren nach Stagora, dem im Wilajete Salonik gelegenen Geburtsorte des Aristoteles, Griechen aus der Fremde eingewandert. Es ist aber aus den Gesichtszügen, die seine Statue zeigt, dann aus gewissen Eigentümlichkeiten in seinen griechisch geschriebenen Werken, aus seinen herzlichen Beziehungen zu Philipp von Makedonien, der ja Griechenlands größter Feind war, und aus anderen Umständen zu schließen, dass jener große Philosoph, der in der makedonischen Kasba (Marktflecken) Stagora lebte, nicht dem griechischen Volksstamme, sondern den dortigen Ureinwohnern Makedoniens angehört hatte, mithin Arnaute war. Auch in der Türkenzeit haben sehr viele Albanesen türkische und arabische Bücher und Dichtungen verfasst, besonders die SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) türkische Poesie wurde von ihnen gepflegt. Der unter den türkischen Dichtern eine hervorragende Stellung einnehmende Jahy Bey war ein Arnaute. Die Albanesen haben jederzeit, sei es mit dem Schwerte, sei es mit der Feder und dem Verstande, Beweise ihrer Fähigkeiten geliefert, keiner von ihnen aber hat jemals für Albanien gewirkt; stets haben sich nur andere Nationen mit den Leistungen arnautischer Söhne gebrüstet und von ihnen Nutzen gezogen. Zur Wiedererweckung Ägyptens war ein Arnaute fähig; Mehmed Ali, ein Albanese, der weder lesen noch schreiben konnte, verstand es, ein mächtiges und blühendes Reich zu schaffen; aber Albanien hat niemand einen solchen Dienst geleistet. Indem wir diese Zeilen beendigen, müssen wir daher mit Bedauern sagen, dass die Albanesen jederzeit für die fremden Völker arbeiteten, niemals aber für ihre eigene Sprache und ihr Vaterland sich bemühten. Für Albanien arbeitete einzig und allein: Skander Beg. Dieser unvergleichliche Held allein ist in Wahrheit Albaniens und der albanesischen Nation geheiligte Inkarnation und das Zenith ihres Ruhmes. II. Kapitel. Was ist Albanien? 1. Abschnitt. Albaniens Grenzen. Wir haben gesehen, welche Ausdehnung im Altertum die von Albanesen bewohnten Gebiete hatten, bis wohin dieses Volk vordrang und wie es sich in Illyrier, Epiroten, Thraker, Phrygier und andere Stämme teilte. Wir haben gesehen, wie zur Römerzeit die Makedonier, Thraker und Phrygier, indem sie sich mit fremden Völkern vermischten, ihre Sprache und ihr Volkstum einbüßten und wie schließlich zur Zeit der Byzantiner die Slawen in die ganze Balkanhalbinsel eindrangen und sich in Thrakien, Makedonien und dem nördlichen Illyrien festsetzten. Seit jener Zeit hat sich Albanien sehr verkleinert. Von den Gegenden, die der Wohnsitz unserer Ahnen, der Pelasger, waren, sind nur das untere oder südliche Illyrien, Epirus und der obere oder nördliche Teil von Makedonien übrig geblieben. Nur sind die Namen Illyrien, Epirus, Makedonien und andere Benennungen heute nicht mehr gebräuchlich und gehören der alten Geographie an. Heute werden die Gegenden, welche von den Arnauten bewohnt sind, in unserer Sprache ‘Schkiperi’ und in den fremden Sprachen ‘Albania’, ‘Arnaudlük’ genannt. Albanien bildet im Südosten von Europa einen Teil der Balkanhalbinsel. Es liegt im Westen der Halbinsel in dessen Mitte und grenzt an das Adriatische und Griechische Meer. Es reicht vom 42. Grad nördlicher Breite bis zum 39. Grad, noch unterhalb des Golfes von Arta. Albaniens Grenzen laufen, sobald es sich vom Meere getrennt hat, Montenegro und Novibasar entlang ein wenig über den 43. Grad hinaus bis zur Grenze von Serbien. Im Süden zieht die Grenze am ArtaFlusse entlang, dann an Griechenland hin bis zum ZygosGebirge. Dann kommen wir zur östlichen Grenze. Sie läuft von der serbischen Grenze in der Gegend von Wranja bis zur griechischen Grenze beim Zygos-Gebirge. Möglich ist es aber auch, wenn man die autochthonen Völker ins Auge fasst, eine andere, durch den Zug der Gebirge, Flüsse und Bäche bestimmbare Trennungslinie zu konstruieren, die Albanien von den übrigen Völkern der Balkanhalbinsel scheiden würde. Auf diese Weise befindet sich Albanien zwischen dem 43. und 39. Grad nördlicher Breite und dem 17. und 19. Grad 24' östlicher Länge. Demzufolge beträgt Albaniens Länge 450 und seine Breite 200 Kilometer, sein Flächeninhalt zirka 80.000 Quadratkilometer. Im Norden Albaniens liegen Montenegro, das unter der Verwaltung österreichs stehende Novibasar oder Bosnien und Serbien, im Osten Makedonien, im Südosten Griechenland. Im SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Westen und Südwesten ist es vom Meere eingeschlossen, welches es von Italien und dem zivilisierten und erleuchteten Europa trennt. 2. Abschnitt. Die albanesischen Landschaften. Das von den im Vorstehenden gekennzeichneten Grenzlinien umschlossene Land ist Albanien, unser geliebtes Vaterland, das zu den schönsten Ländern Europas gehört. Es ist vielleicht nicht besonders reich und fruchtbar, aber es ist über alle Maßen schön. Es ist gebirgig, seine Berge sind hoch und rauh und bieten auch den Anblick gewaltiger Felsmassen. Aber die Bergabhänge sind mit dichten Wäldern bedeckt und voll kalten, schmackhaften Wassers. Sie haben viele Klüfte, in denen während des ganzen Sommers der Schnee liegen bleibt. Sie sind mit schönen Pflanzen geschmückt, von welchen sich die Tierwelt nährt und mit allen Gattungen von Kräutern, die zur Heilung von Krankheiten dienen. Sie sind voll von Metallen, die seit Erschaffung der Weit in ihnen ruhen. Es gibt in Albanien weite und fruchtbare Ebenen, die, wenn die durch sie fließenden Flüsse und Bäche reguliert werden würden, vollständig bewässert werden könnten. Da sich aber heute niemand um sie kümmert, so gerieten sie infolge von Überschwemmungen in sumpfigen Zustand. Wenn die Täler urbar gemacht und bewässert würden, so könnte allein schon die Ebene von Musaka die Ernährung von ganz Albanien auf sich nehmen. Die Ebenen von Kossowo und Monastir, die Umgebungen von Tetowo und Uesküb gehören zu den schönsten der Welt und die aus den dortigen Gegenden stammenden Feldfrüchte sind die besten von allen. Die mit Olivenbäumen bedeckten Hügel der Tschamuria, sowie die Orangen-und Zitronenhaine haben ihresgleichen nicht. Die ganze arnautische Meeresküste entlang ziehen sich schöne Wälder und Olivenpflanzungen. Die Orange wächst auch im Innern Albaniens bis nach Elbassan. Es gibt viele Flüsse und Bäche. Mit nur wenig Mühe könnte sehr viel Boden bewässert werden. Wenn an einigen Stellen Ausbaggerungen vorgenommen würden, so könnten kleine Dampfer und Schiffe von den Mündungen der Flüsse in das Landesinnere verkehren. In Albanien befinden sich die schönsten Seen der Balkanhalbinsel: der Skutari-, Ochrida-, Presba-, Kastoria-, Jania-See und andere Seen, welche voll von Fischen aller Art sind und sämtlich von kleinen Dampfern befahren werden können. Auch viele wertvolle Haustiere werden heute in Albanien gezogen, das Schaf, die Ziege, das Rind, das Pferd und andere. Das Fleisch und die Wolle der in Albanien gezüchteten Hammel wird nach Stambul und anderen Orten der Türkei verfrach-tet. Die Ebene von Musaka vermag sehr viel Pferde zu erzeugen und von welch kleiner Statur auch immer diese Pferde sein mögen, so sind sie doch kräftig und ihre Bewegungen rasch und leicht. Die Albanesen haben Neigung und insbesondere Geschick zu jeder Art von Viehzucht und wenn sich eine Regierung fände, die in dieser Hinsicht den Weg weisen und erleichtern, das heißt die Bevölkerung belehren würde, wie die Viehzucht rationell zu betreiben wäre, so würde sich Albanien durch die Viehzucht allein ernähren können Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Albanien, so klein es auch ist, verschiedene Klimate und Bodengattungen und sehr viele für die Viehzucht nützliche Dinge aufzuweisen hat, so dass es bei guter Wirtschaft emporkommen und selbst das Vierfache seiner Bevölkerung erhalten könnte. SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) 3. Abschnitt. Die Bevölkerung Albaniens, die Arnauten. Innerhalb des durch die im vorletzten Abschnitte beschriebenen Grenzlinien gebildeten Albaniens leben zirka zwei Millionen und vielleicht noch mehr Menschen. Unter diesen sind annähernd hunderttausend Walachen oder Zinzaren, die in den Pend-Bergen und an anderen Orten ansässig sind, und die gleiche Menge Griechen in der Umgebung von Janina, sowie Slawen in Monastir und Kossowo. Es mögen aber auch diese nichts anderes als Arnauten sein, die durch Kirche und Schule gräkisiert, beziehungsweise slawisiert worden sind, und ihre Sprache eingebüßt haben. Viele von diesen hatten weder Haus noch Hof, andere wieder trieben auf ihrem eigenen Grund und Boden Ackerbau und ließen sich Leute von weit her kommen, um ihre Äcker zu bestellen. Denn da sich die Arnauten dazumal mit dem Kriege beschäftigten, so mochten sie die Waffen nicht im Stiche lassen und sich nicht mit Hacken und Graben abgeben. Die übrigen Gebiete Albaniens sind mit echten Arnauten besiedelt, die unter den Namen Ghegen und Tosken, wie wir wissen, zwei große Stämme bilden. Der Fluß Schkumbi trennt die Gebiete der Ghegen von jenen der Tosken; aber auch südlich von dem genann-ten Flusse gibt es etliche Ghegen, die auch die Mundart der Ghegen sprechen. Zwischen Ghegen und Tosken gibt es im Grunde genommen keinen Unterschied; beide Stämme sprechen, mit geringfügigen Variationen, dasselbe Idiom, und sobald die Sprache sich weiterentwickelt haben wird, dürften auch diese Verschiedenheiten bald verschwinden. Was den Glauben anlangt, so spalten sich die Albanesen in Muslims und Christen, und zwar gibt es von den Ersten zwei Drittel, von den Letzten ein Drittel. Von den Christen sind die Hälfte römische und unierte Katholiken, die andere Hälfte Orthodoxe. Auch die Muslims spalten sich in Sunniten und Bektaschis. Aber diese religiösen Verschiedenheiten geben keinen Anlass zu Zwietracht und Uneinigkeit unter den Albanesen. Doch ist das nur bei den orientalischen Völkern nicht der Fall. In den zahlreichen erleuchteten Ländern Europas dagegen sind sie Ursache zu großen Kriegen und fürchterlichen Metzeleien gewesen. In Albanien kennt man Religionskämpfe nicht; zwischen Christen und Muslims, zwischen Katholiken und Orthodoxen, zwischen Sunniten und Bektaschis haben erhebliche Zwistigkeiten nicht stattgefunden, derlei Gehässigkeiten sind in Albanien unbekant. Bevor der Arnaute Christ oder Muslim ist, ist er Arnaute. Was immer die Urreligion der Arnauten – nämlich die Religion der alten Pelasger – gewesen sein mag, bevor sie den christlichen Glauben annahmen, so sind ihre Anschauungen die gleichen geblieben; auch nachdem sich die Albanesen dem Islam zugewendet hatten, blieben diese Anschauungen dieselben. Sein Glaube hat den Arnauten nicht verändert; der Albanese hat niemals den Glauben über sein Volkstum gestellt, er hat immer seine Nation höher gehalten als seine Religion. Vermöge dieser ihrer von Zeitalter zu Zeitalter überlieferten Gesinnung und der heißen Liebe zu ihrer Nation vermochten es die Arnauten, ihr Urvolkstum und ihre Sprache inmitten so vieler Gefahren rein zu erhalten. Was auch die Albanesen vor einigen Jahrtausenden gewesen sein mögen, so sind sie doch, ungeachtet der Veränderungen der religiösen Anschauungen und des Wandels der Zeiten auch heute noch dieselben, die sie waren. Wie immer die Pelasger der mythischen Zeiten, die Illyrier und Makedonier des Altertums, die Epiroten zur Zeit Skander Begs gewesen sein mögen, die heutigen Albanesen sind noch dasselbe alte Volk, das jene in grauer Vorzeit waren. Alles was einer Nation nötig sein mag, besitzen die Albanesen. Sie sind so mutig und stark, dass die Männer und Frauen, da ihrer zwei Millionen sind, im Notfalle 300.000 Krieger ins Feld SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) stellen könnten, vielleicht auch mehr, während schon diese Zahl von Kriegern einer Million Soldaten jedes anderen Volkes das Gleichgewicht hält. Dass die Arnauten große Tapferkeit besitzen und im Kriege gewaltiges Ungestüm an den Tag legen, behaupten nicht nur wir allein, auch unsere Feinde leugnen dies nicht und es wird nirgends bestritten. Da es nun so ist, so leidet es keinen Zweifel, dass die Arnauten in der Lage sind, jeder Gefahr gegenüber ihr Land zu behaupten. Infolgedessen kann Albanien nicht in fremde Hände fallen und würde seine Freiheit stets zu wahren wissen. Da er nun so stark und mutig ist, warum soll der Arnaute nicht selbst der Herr seines Landes sein? Warum soll er sich nicht selbst regieren können? Aber nicht nur mutig und stark ist der Arnaute, er ist auch fähiger und begabter als alle anderen Nationen; in jeder Wissenschaft, in jeder Kunst ragt er über die anderen hinaus und zeichnet sich vor allen aus. Unermüdlich bearbeitet er den Boden, hebt tiefe Kanäle aus, und vermag jede große und geringe Arbeit zu verrichten. In der Eisenindustrie ist der Arnaute ein geschickter Meister, er verfertigt schöne Messer, Scheeren, Waffen u.s.w. Er kann die in europäischen Fabriken mit hochentwickelten Maschinen hergestellten Waffen mit der Hand vermittelst seiner mangelhaften Werkzeuge so trefflich herstellen, dass sie sich von jenen absolut nicht unterscheiden. Die Arnauten können Seide, Wolle, Baumwolle und Flachs verarbeiten; sie erzeugen Leinwand, Serge und anderes. Aus dem Felle der Tiere machen sie Saffian, Leder, Sohlleder und Pelze. Auch mit der Herstellung von Käse, Butter, Olivenöl, Wein und der gebräuchlichsten sonstigen tierischen und pflanzlichen Produkte beschäftigen sich die Albanesen. Die arnautischen Frauen sind ehrbar, schön, süß, reizend, und gleich ihren Männern voll Mutes. Sie bekümmern sich ausschließlich um die häuslichen Angelegenheiten, die Männer bekümmern sich um diese Dinge nicht. Abgesehen davon, dass sie die nationalen Trachten, Schuhzeug und die übrigen für Männer und Frauen nötigen Kleidungsstücke herstellen, sind die Frauen auch in der Werkstatt und beim Stickrahmen sehr geschickt. Sie verstehen es, feine Leinwand, Seide und vortrefflichen Musseline zu erzeugen Kurz, die Arnauten sind mutig, gescheit, arbeitsfreudig und in jeder Tätigkeit Meister. Trotzdem sie verschiedenen Glaubensbekenntnissen angehören, gibt es unter ihnen keine Zwietracht, keine Uneinigkeit, es gibt nur Eintracht und Liebe. Die Arnauten besitzen alles, was ein Volk braucht, um vorwärts zu kommen. 4. Abschnitt. Die in der Fremde lebenden Albanesen. Außer den zwei Millionen in Albanien ansässigen Arnauten, gibt es im Auslande noch mehr als eine halbe Million Albanesen: In Italien, Griechenland, in einigen Gegenden der Türkei, in Montenegro und anderen Ländern. Die meisten dieser Arnauten sind in Griechenland und Italien. Die in Griechenland befindlichen Arnauten haben sich noch vor der Türkenzeit dorthin begeben, als sie in der byzantinischen Epoche aus Furcht vor den von Norden her eindringenden Hunnen und anderen wilden Völkerschaften aus Albanien nach Griechenland geflüchtet waren. Als die Barbaren, überallhin das Chaos bringend, auch nach Albanien kamen, verließen Tausende von Arnauten voll Schrecken ihre Wohnsitze und begaben sich nach den Inseln, nach Morea, Attika und nach anderen Gegenden Griechenlands. Sie fanden die meisten dieser Gebiete menschenleer, konnten aber auch dort, wo das griechische Element vorhanden war, dank ihrer eigenen numerischen Überzahl ihre Sprache, das Arnautische, erhalten und sprechen auch heute noch albanesisch. Hydra, Spetsä, Poros, Kuluri (Salamis), Ägina und andere Inseln sind SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) noch heute von echten Arnauten bewohnt, und eine andere als die albanesische Sprache wird dort nicht gebraucht. Der größte Teil der Bevölkerung der Landschaft Attika besteht aus Arnauten. Bevor Athen die Hauptstadt des jetzigen Griechenlands wurde, war es ein von Arnauten bewohnter kleiner Marktflecken, und außer dem Albanesischen hörte man dort keine andere Sprache. Es heißt, dass auch heute noch ein Drittel der Bevölkerung des heutigen Griechenland (ohne Thessalien) Arnauten seien. Sicher ist aber, dass ein Viertel der Bewohner echte Albanesen sind. Damals haben sich auch nach anderen Gegenden sehr viele Arnauten zerstreut. So sind auf den in der Nähe Konstantinopels liegenden Inseln des Marmara-Meeres, in den Umgebungen Adrianopels und Philippopels einige Ortschaften von unierten Albanesen bewohnt. (Außer den in der Umgebung von Philippopel liegenden Dörfern gibt es auch im nördlichen Bulgarien, bei Tirnowa, viele von Arnauten bewohnte Ortschaften. Abgesehen von einigen nationalen Bräuchen, die sie noch beobachten, haben sie ihre Sprache gänzlich verloren und sind bulgarisiert worden.) Die in Italien befindlichen Arnauten leben in Kalabrien und Sizilien. Auch die dortigen echten Arnauten haben dadurch, dass sie sich in den aus ihnen bestehenden Ansiedelungen von den Italienern abseits hielten, ihre Sprache und ihren Glauben – sie sind Orthodoxe – erhalten können. Dieser Arnauten gibt es mehr als 300.000, und sie alle sprechen albanesisch. Sie sind damals, als nach Skander Begs Tode Albanien in die Hände der Türken fiel, von dort geflüchtet. Damals haben hunderttausende von Albanesen ihr Vaterland verlassen, und sich nach sehr vielen Gegenden Europas zerstreut; aber sie haben, indem sie sich mit den dortigen Einwohnern mischten, im Laufe der Zeit ihre Muttersprache verlernt. Infolgedessen sind einige große Familien verloren gegangen und nur ihr Ruhm ist übrig geblieben. Es hat in Italien solche berühmte Familien gegeben, welche den Künsten und Wissenschaften, dem Wohlstande und dem Ansehen Italiens wertvolle Dienste geleistet haben. Auch ein Papst, Clemens XII.11 ist aus einer solchen Familie hervorgegangen. Von den damals in großer Zahl nach Europa geflüchteten Albanesen konnten nur jene ihre Sprache und ihr Volkstum retten, die nach dem Königreiche Neapel gegangen waren, dem Skander Beg Unterstützung und Wohltaten hatte zuteil werden lassen, und die sich dort beisammen gehalten hatten. Obwohl ihre Sprache, die die toskische Mundart und mithin echt albanesisch ist, einige Veränderungen erlitten hat, indem sie italienische Bestandteile in sich aufnahm, so haben die Arnauten Italiens in ihrer Sprache doch noch uralte Wörter, die wir selbst schon vergessen haben. Viele weise und edle Persönlichkeiten unter den Arnauten Italiens haben ihrer Muttersprache und ihrer Nation viele Dienste und Anhänglichkeit bewiesen. Sie haben alte Gesänge und einige Gedichte gesammelt und drucken lassen, und auch andere Werke herausgegeben. Die Arnauten Italiens haben aber nicht nur mit der Feder, sondern auch mit dem Schwert sich nützlich gemacht, indem sie unter Garibaldi sich durch Mut und Geschick hervortaten. So gibt es denn in und außerhalb Albaniens mehr als zweieinhalb Millionen Arnauten, die die albanesische Sprache sprechen. 5. Abschnitt. Wie geht es den Arnauten heute? Als die Albanesen unter die Oberherrschaft der Türken gerieten, gingen sie – wie wir schon oben sagten – nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, ihrer Freiheiten verlustig und wurden 11 Clemens XII. (Lorenzo Corsini) 1730-1740 SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) sie nicht, gleich den anderen fremden Völkern, zu Sklaven gemacht; sie sind im Gegenteile als Waffengefährten der Türken mit diesen zusammen gegen andere Völker gezogen und sind, nachdem sie ihnen das Fell abgezogen und die Welt gleich einer Zwiebel abgeschält hatten, mit Beute beladen zurückgekehrt und waren frei und unabhängig. So lebten die Arnauten mit den Türken viele hundert Jahre. Leben sie aber auch heute noch so? Nein, jetzt ist es anders. Heute sind die Arnauten Sklaven Sie werden unterdrückt, sie werden mehr unterjocht als alle anderen Völker der Türkei, mehr als die Griechen, die Slawen, die Armenier, ja sogar mehr als die Juden. Die Türkei traut den Albanesen nicht mehr, sie verlässt sich nicht mehr wie ehedem auf sie. Sie sieht sie als Feinde und Verräter an, sie betrachtet sie nicht mehr wie in alten Tagen als Genossen und Brüder. Heute macht die Türkei den Albanesen zum Soldaten, um ihn türkisch zu lehren, sie unterdrückt und demütigt ihn. Heute will der Türke den Arnauten die Kriegskunst lehren, von der er doch selbst nichts versteht! Er bringt sie den Arnauten auch wirklich nicht bei, er erweckt nur ihre Verblüffung und ihren Spott. Der Türke behält die Arnauten drei Jahre, ja zehn Jahre fern von ihren Wohnstätten, von ihrem Vaterlande unter den Waffen und wie? Nackt, hungrig, krank, und elend! Um zwecklos zu sterben, jagt er den Arnauten in den Kampf; der unwissende und feige Türke, der sein Vorgesetzter ist, stellt ihn auf die gefährlichsten Posten; dabei aber soll der bedauernswerte, elende und hungrige Arnaute tapfer kämpfen, seinen Mut und seine Kraft beweisen, und den Türken Ehrerbietung zeigen! Erkennen aber die Türken diese Dienste der Arnauten an? Findet das vergossene Blut seinen Lohn? Keineswegs! Stirbt der Arnaute nicht im Kampfe, dann stirbt er vor Hunger, Elend und Krankheit. Sehr wenige von denen, die ins Heer eintreten, sehen ihre Heimat wieder. Wer aber sind die Kommandanten und Offiziere? Stets Türken. Die Hälfte des ottomanischen Heeres besteht aus Albanesen, aber von den Kommandanten und Offizieren sind kaum ein Prozent Arnauten. Die an Steuern und Abgaben nicht gewöhnten Albanesen sind von so vielen Steuern bedrückt, dass sie das Haupt nicht heben können. Was haben die Türken, die seit fünfhundert Jahren die Herren der Albanesen sind, jemals anderes getan, als die Arnauten in den Krieg geschickt? Sie haben sie weder ein Handwerk, noch Künste und Wissenschaften gelehrt, einzig an Beute haben sie sie gewöhnt. Jetzt plötzlich wollen sie ihnen die Waffen nehmen, und zu ihnen sagen: ‘Zahlt Steuern!’ Sie mögen sie nehmen, wenn sie sie bei uns armen Teufeln finden! Sie werden nichts bekommen. Die Kinder und Enkel jener Arnauten, die in goldstrotzenden Kleidern einhergingen' und mit Silber und Gold eingelegte Waffen trugen, sind arm und elend. Mögen doch die Gendarmen und Steuerbeamten in ihre Wohnhäuser eindringen und, den Stock schwingend, rufen: ‘Zahlt!’ Sie mögen bei uns Unglücklichen finden und nehmen! Längst haben die Arnauten ihre Ochsen, ihre Hammel, ihre Ziegen, ihre Hausgeräte, ja sogar ihre Reliquien verkauft! Wie soll also der Arnaute Steuern zahlen!! O weh, welch’ große Schande, o weh, welch’ großes Unglück! Allah, erbarme dich! Heute befindet sich der größte Teil des Toskalik und des Ghegalik in dieser Lage. Wohl sind einige Gebiete des Ghegalik, die sich gegen die serbischen Berge hinziehen, weniger bedrückt und geben weder Steuern noch Soldaten, aber sie leben auch gleichsam wild. Sie sind arm und herabgekommen, da sie keine geregelte Verwaltung besitzen und in beständigem Kampfe miteinander stehen. Sie haben keinen Broterwerb und die Gegenden können sie nicht ernähren. Obendrein werden sie von der türkischen Regierung fortwährend drangsaliert, die Regierung SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) verlangt die Auslieferung ihrer Waffen, um sie schwächen, unterwerfen und ihnen dann das Fell über die Ohren ziehen zu können! Albanien, das bis gestern von Arnauten verwaltet wurde, wird heute von niedrigen, anmaßenden, ehrlosen Subjekten regiert. Diese Kerle haben ihre Beamtenstellen in Stambul für Geld gekauft, kommen dann nach Albanien und fangen an das Land auszusaugen, um zunächst die von ihnen bezahlten Bestechungsgelder hereinzubekommen und dann für ihre eigene Tasche zu arbeiten! Wir haben beobachtet, dass den orientalischen Völkern sonst stets die Religion höher steht, als die Heimat. Wenn zum Beispiel ein Grieche seinen Glauben ändert, so gibt er auch seine angestammte Nation auf. Wird er Katholik, so sagt er: Ich bin ein Europäer; wird er Muslim, so sagt er: Ich bin ein Türke. Nur dem Arnauten steht sein Glaube erst an zweiter Stelle und seine Nation an der ersten. Mag er Muslim, Orthodoxer oder Katholik sein, immer bleibt er Albanese und sagt: Ich bin ein Arnaute. Wie arm und unwissend auch Albanien sein mag, so hat es sich doch so lange mit Gerechtigkeit und Größe selbst regiert und auch heute würden sehr viele Arnauten fähig sein, ihr Vaterland selbst zu verwalten. Aber diesen Arnauten wird nicht nur kein Amt anvertraut, ja sie dürfen nicht einmal den Fuß in ihr geliebtes Heimatland setzen! Man gibt ihnen ein Stück Brot, um ihnen den Mund zu schließen, und hält sie in den entferntesten Winkeln von Anatolien oder Arabien, Gefangenen gleich! Wenn sie aber Vaterlandsverräter, Elende und Ehrlose werden, dann sind sie geehrt und angesehen! Da nun die Arnauten ihre Nation in solchem Maße lieben und verehren, müssen sie da nicht auch auf die Erhaltung ihres Volkstums bedacht sein? Wodurch kann die Erhaltung der Nation gesichert werden? Vor allen Dingen durch die Sprache, 6. Abschnitt. Das arnautische Volkstum. Es gibt auf Erden nichts kostbareres und wertvolleres als die Heimat. Wie jeder Mensch seine Mutter, seinen Vater, den Ort, wo er geboren und herangewachsen ist, liebt, so liebt er auch sein Volk. Der Mensch, der seine Nation und sein Vaterland nicht liebt, ist ein Verräter und ein Ehrloser, man kann ihn gar nicht einen Menschen nennen. Die Albanesen erweisen ihrer Nation und ihrem Vaterlande mehr Ehrfurcht und Verehrung als jedes andere Volk. Der Arnaute hält seinem Heimatlande geradezu Blutstreue und kann es nicht ertragen, dass es von anderen erniedrigt wurde. Die Religion hat niemals die Albanesen zu entzweien und zu verändern vermocht. Daher kommt es, dass die zwischen den verschiedenen Glaubensbekenntnissen entstehenden Reibungen und die im zivilisierten Europa niemals mangelnden religiösen Kämpfe in Albanien und bei den Arnauten unerhört und unbekannt sind. Wie wir schon oben gesagt haben, ist die Sprache das erste und wichtigste Merkmal der nationalen Zugehörigkeit. Womit kann die Sprache erhalten werden? Durch die Schrift, durch das Schreiben. Eine Sprache, die nicht auch geschrieben und gelesen wird, kann nicht lange existieren, ohne Schaden zu erleiden. Indem sie sich mit anderen Sprachen mischt, wird sie ruiniert. Aber ihr werdet sagen: Unsere Sprache hat, ohne geschrieben zu werden, so viele tausend Jahre existieren können und warum sollte sie ohne Schrift nicht auch noch weiter leben können? Es ist nun richtig, dass sie tausende Jahre, ohne geschrieben zu werden, existiert und keinen Schaden gelitten hat; aber die Arnauten haben eben, ohne mit anderen Nationen in Berührung zu kommen, in ihren Bergen gelebt. Zudem sind SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) ja auch jene Völker, die die Nachbarn der Albanesen sind, roh und ungebildet gewesen. Damals regierte das Schwert, und mit dem Schwerte war der Arnaute ihnen allen überlegen. Und doch sehen wir, dass die Makedonier, trotzdem sie aus eigener Kraft große Eroberer geworden waren, ihre Sprache, das Arnautische, da es keine Schrift besaß, und ihr Volkstum einbüßten und gänzlich verschwanden – nämlich als Griechen betrachtet wurden - als sie mit anderen in der Zivilisation weiter vorgeschrittenen Völkern in Berührung traten. Nur dadurch, dass die Arnauten des jetzigen Albanien sich mit den fremden Nationen nicht vermengten und von der ganzen Welt getrennt, gleichsam wild, lebten, haben sie ihre Sprache und ihr Urvolkstum ohne Schaden bis jetzt erhalten können. Werden aber die Albanesen ihre Sprache und ihr Volkstum auch weiterhin, wie bisher, ohne Schrift und ohne Bildung - sei es in Albanien, sei es in Griechenland oder in Italien - aufrechterhalten können? Nein, niemals! Die Welt hat sich verändert, die Menschen sind erwacht, die Nationen sind vom Lichte der Wissenschaft erleuchtet, jedes Volk bemüht sich, den anderen voranzukommen. Es arbeitet daran, zu wachsen und zu erstarken und verschlingt diejenigen, die klein und schwach sind. Heute muss jedes Volk, um Sprache und Volkstum zu schützen, die Augen offen und den Verstand beisammen halten. Es muss seine Sprache zu entwickeln trachten, es muss scharf auf der Hut sein, um von seinen Nachbarvölkern nicht zerstückelt und vernichtet zu werden. Es gibt unter den Nationen keine Freundschaft wie zwischen guten Kameraden ; jedes Volk kämpft für sich und bemüht sich, das andere zu unterdrücken. Und wehe den Schwachen! 7. Abschnitt. Albanien drohende Gefahren. Bis vor kurzer Zeit war Albanien von lauter Gebieten umschlossen, die der Türkei Untertan waren, und die Grenzen dieses Reiches waren sehr weit von Albanien entfernt. Die Arnauten und die Türken schirmten vereint diese von Albanien selbst so weiten Grenzen des Reiches, ihr eigenes Heimatland aber wussten sie von keiner Gefahr bedroht und waren beruhigt darüber, dass kein Feind an Albanien herankonnte. Heute ist das aber nicht mehr so. Heute liegt Albanien in einem fernen Winkel der Türkei und ist von feindlichen Staaten umgeben. Montenegro, Serbien, Griechenland umgrenzen Albanien, Österreich ist nicht fern. Der Weg von Albanien bis zur Türkei, der zwischen Bulgarien und dem Ägäischen Meere hindurchführt, ist ein gar weiter Weg. Sind einmal die Bulgaren, diese Straße verlegend, bis zum Ägäischen Meere vorgedrungen, dann ist Albanien von der Türkei abgeschnitten und diese kann Albanien auch vom Meere her nicht zu Hilfe kommen. Daher müssen die Arnauten im Falle eines Krieges zwischen Bulgaren und Türken ausschließlich auf die Verteidigung ihres eigenen Vaterlandes bedacht sein. Von dem mit der eigenen Verteidigung beschäftigten, vielleicht geschwächten, verwüsteten und gänzlich ruinierten ottomanischen Reiche dürfen sie nichts erwarten. Doch nicht nur von den Gefahren, die ein ausbrechender Krieg mit sich brächte, ist Albanien bedroht. Auch in Friedenszeiten existieren solche Gefahren, die Albanien ohne Waffengewalt und Blutvergießen zu vernichten drohen. Ja, diese bedeuten einen noch härteren Kampf und eine noch schwerere Gefahr; es ist der Kampf, der mit der Feder und durch die Schule ausgefochten wird, es ist der Nationalitätenstreit. Die Albanien umgebenden Nationen wollen es zerstückeln und unter sich aufteilen. Die Griechen, die Slawen und die anderen Nachbarvölker wünschen keineswegs, die arnautische Nation zu unterrichten, jedes dieser Völker will vielmehr den Arnauten SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) seinen eigenen Glauben zu dem Zwecke aufdrängen, um sie vermittelst des Glaubens auf ihre Seite herüberziehen zu können. Da ist zunächst der Türke, der bald mit List und bald mit Gewalt, mit Fanatismus und Heuchelei vorgeht und die mohammedanischen Albanesen von den christlichen Arnauten, ihren Brüdern, losreißen will. So wünscht die ottomanische Regierung - um die christlichen Arnauten für immer von den mohammedanischen zu scheiden, nicht, dass die ersten sich Arnauten nennen, sondern bezeichnet sie als ‘Rumi’, d.h. Griechen, als Bulgaren, Serben und mit anderen Namen. Was die muslimischen Arnauten anbelangt, so nennt sie sie lediglich ‘Mohammedaner’ und will die Bezeichnung ‘Arnauten’ nicht zugestehen, ja nicht einmal hören. Blinde Türken! Sie haben den Verstand verloren und begreifen nicht, dass sie durch eine solche Vorgangsweise nur die Interessen ihrer eigenen Feinde fördern und sich selbst schaden. Die Griechen, die ihre Freiheit und ihr gegenwärtiges Reich albanesischem Blute, dem Schwerte der Botschari, Tschawela, Maioli und anderer arnautischer Helden verdanken; diese Griechen, welche noch heule die arnautische Tracht, den Fustan,12 den Tscharik,13 die Kaltscha14 tragen, die arnautischen Horatänze und Gesänge haben, diese Griechen sind heute Albaniens grimmigste Feinde. Jedermann kennt die ‘große Idee’ der Griechen. Nun war aber selbst zu Perikles Zeiten, damals also, als Griechenland seine glänzendste Epoche hatte, dieses Reich von geringerem Umfange als heute. Trotzdem sie daher keinen Anspruch darauf erheben können, mehr Land als damals zu besitzen, so maßen sie sich an, auch jene Länder besitzen zu wollen, die Alexander der Große, 12 Der Kittel (Fustanella) 13 Das leichte Schuhwerk der Bauern und Hirten 14 Die halbkugelförmige Mütze beherrscht hat, ja sie träumen sogar von einer Wiederherstellung des byzantinischen Reiches. Dabei aber wollen sie sich nicht erinnern, dass das Reich Alexanders des Großen ein makedonisches - also albanesisches - und das Reich der Byzantiner ein römisches war, und Griechenland beiden Weltreichen Untertan gewesen ist. Da aber trotz Schreien und Weinen jene Länder nun einmal nicht zu haben sind, so bleibt die Hoffnung der Griechen auf Albanien und Makedonien beschränkt. Die Griechen arbeiten daran, die orthodoxen Albanesen – nach einer bestimmten Methode und mit Unterstützung durch die Religion – von ihren Brüdern, den mohammedanischen und katholischen Arnauten, abzuziehen, sie ihre schöne Sprache vergessen zu machen, ihnen dafür die griechische beizubringen, und sie so zu gräkisieren. Die Griechen glauben, dass die orthodoxen Albanesen, sobald sie gräkisiert sein würden, nicht mehr nach den muslimischen Arnauten und nach Europa gravitieren würden, und dass in absehbarer Zeit das südliche Albanien, das Toskalik, Griechenland zufallen wird. Zu diesem Zwecke arbeiten die Griechen von Athen aus Tag und Nacht daran, die orthodoxen Albanesen zu gräkisieren. Sie benützen dazu die Schulen, die Lehrer, die Bücher, die Ärzte und zahlreiche andere Mittel, ja sogar Geld, das ihnen einige alberne, törichte und verräterische Gräkomanen zur Verfügung gestellt haben; sie bedienen sich andererseits des Patriarchates, der Bischöfe, der Priester und drohen mit der Exkommunikation und der Ausstoßung aus der Kirche. Selbst wenn der heilige Jesus ein Grieche gewesen wäre und wenn man, um Christ zu werden, Grieche sein müsste, wäre ein solches Vorgehen nicht am Platze. Die von diesen beiden Stellen - Athen und Patriarchat - gemachten falschen Vorspiegelungen haben den Erfolg, sehr viele orthodoxe Arnauten den Weg der Ignoranz und Finsternis zu führen und sie zu SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) dem Glauben zu bringen, dass man nur dann in Wahrheit ein Christ sei, wenn man Grieche sei. Da nun die Sprache der Orthodoxie ausschließlich die griechische ist, so sind angeblich jene, die sie nicht verstehen, keine wahren Orthodoxen. Es gibt aber sehr wenige orthodoxe Arnauten, die griechisch können; so sehr sie sich auch Mühe geben mögen, so vermögen sie doch nicht, es zu erlernen. Denn das Griechische ist so schwierig, korrumpiert und spröde, dass sogar von den Griechen nur wenige es zu sprechen imstande sind.15 Die auf solche Weise betrogenen orthodoxen Albanesen nennt man Gräkomanen. Sie sind es nicht aus freier Wahl geworden, sondern wurden in das Tal des Verrates gelockt. Doch Allah sei Lob! Seitdem die Gräkomanen albanesisch zu lesen und zu schreiben angefangen haben, sind ihrer weniger geworden. Sie haben die Teufelei der Griechen durchschaut, verlassen sie und stellen sich wieder in den Dienst ihrer eigenen Sprache und Nation. Die orthodoxen Albanesen fürchten weder die griechischen Lehrer, noch die Bischöfe des Patriarchates. Aber es gibt einen mächtigen Bundesgenossen der Griechen, welcher Hand in Hand mit ihnen die albanesische Sprache und Nation zu vernichten strebt. Dieser ‘Bundesgenosse’ der Griechen, der sein Möglichstes tut, um die Griechen und das Patriarchat zu unterstützen, ist der Türke. Die ottomanische Regierung ist eifrig bestrebt, die Interessen der Griechen zu fördern, indem sie der Drucklegung albanesischer Die Türken nennen die Griechen, welche innerhalb des ottomanischen Reiches leben, ‘Rumi’, jene des Königreiches Griechenland ‘Junani’ (in der vorliegenden Broschüre übrigens ausschließlich ‘Grec’). Unter dem ‘Griechischen’, das nur wenige Griechen sprechen können, ist natürlich nicht das neugriechische Idiom zu verstehen, sondern die Sprache der ottomanischen Griechen, das ‘Rumtscha’, welches vom Neugriechischen abweicht, und korrumpierter ist als dieses. 15 Literaturerzeugnisse, der Eröffnung von Schulen und jedwedem Fortschritte der albanesischen Sprache Hindernisse in den Weg legt. Während die Regierung die griechischen Schulen auf jede Art unterstützt, sieht sie der Bedrückung der orthodoxen Albanesen durch die phanariotischen Priester gelassen zu. Nebst den Türken und den Griechen sind auch die Serben und Bulgaren Feinde der Albanesen. Ebenso wie die Griechen im Süden Albaniens arbeiten, so arbeiten jene im Norden und Osten dieses Landes. Auch auf ihrer Seite stehen einige dumme, alberne, orthodoxe Albanesen, die das Opfer von Einflüsterungen der Slawen geworden sind und - indem sie das süßklingende, von ihren Ahnen seit Jahrtausenden gesprochene Idiom verschmähen sich mit der Erlernung slawischer Sprachen befassen. Welch großes Verbrechen! Welche Erbärmlichkeit und Niedertracht! Aber auch den Slawen leiht der Türke seine Unterstützung. Er lässt sie frei schalten und erlaubt ihnen alles. Uns aber bindet er die Hände auf das sorgfältigste. Ihnen stellt er überreichlich Fermans zur Gründung von Schulen Und zum Baue von Kirchen aus, uns aber erlaubt er selbst die kleinste Schule nicht. Denken denn die Türken nie darüber nach, wer eigentlich ihre Freunde sind? Sind es die Griechen und die Slawen oder sind es die Arnauten? Sind es denn nicht die Albanesen, welche für die Türken ihr Blut verspritzt haben und noch heute vergießen? Und doch sind die Türken an der Spitze und mit ihnen im Bunde die Griechen und Slawen die Feinde der Arnauten und Albaniens. Nach besten Kräften und voll Eifer bemühen sie sich, dieses Volkes Sprache und Nation zu vernichten; das heißt, sie wünschen, dass dessen Name verschwinde. Griechenland, Bulgarien und Serbien, jedes dieser Länder arbeitet in jenen Gegenden Albaniens, durch die es sich zu SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) vergrößern wünscht, daran, den christlichen Arnauten die eigene Nationalität aufzudrängen und das albanesische Idiom und Volkstum zu vernichten. Die Türkei unterstützt einerseits diese Bemühungen und sucht andererseits die mohamedamischen Arnauten von ihren christlichen Brüdern loszureißen und zu sich herüberzuziehen. Aber der türkischen Regierung würde daraus kein Nutzen erwachsen. Gelänge selbst diese teuflische Absicht, so würde auch sie zugleich mit den muselmanischen Arnauten in den gefährlichen Abgrund, in das tiefe Loch stürzen, das ihre gemeinsamen Feinde gegraben haben. Das sind die Gefahren für Albanien und die Albanesen. Sie haben sich vor den satanischen Absichten der Türken, Griechen und Slawen zu schützen und müssen trachten, sie zunichte zu machen; sie müssen ihnen gegenüber zusammenhalten. 8. Abschnitt. Albaniens Freunde. So sehr auch die Albanesen von Feinden umringt sind - und gerade diejenigen, welche es am nötigsten hätten, mit den Arnauten befreundet und verbündet zu sein, die Türken und Griechen, diese beiden törichten Völker, sind es, die am eifrigsten von allen an der Vernichtung der albanesischen Nation arbeiten - so wollen wir doch nicht sagen und behaupten, dass die ganze Welt den Albanesen feindlich gesinnt sei. Nein, wir haben auch Freunde, die uns lieben und uns, sobald wir es wünschen, helfen würden. Alle europäischen Nationen, die Fran-zosen, die Italiener, die Deutschen, die Engländer und andere - diese alle lieben uns Arnauten und schätzen unser Volk; sie bewundern den Mut, die Tapferkeit und die vielen vortrefflichen Eigenschaften, die unser Volk aufzuweisen hat. Alle Schriftsteller Europas haben jederzeit sehr schön über uns geschrieben, sie wissen, dass wir tapfere und mutige Männer sind, sie erkennen uns als das älteste und edelste Volk von Europa an, sie beginnen das Albanesische wegen seiner Wichtigkeit vom Standpunkte der Sprachwissenschaften zu studieren. Frankreich hat seit altersher für die Albanesen und speziell für die katholischen Albanesen und die Mirditen Vorliebe gezeigt. In Italien gibt es 300.000 Albanesen, die zur Einigung Italiens mehr beigetragen haben, als die Italiener selbst. Diese wünschen daher die Wohlfahrt Albaniens, als dessen Nachbarn wollen sie nicht, dass dieses von den Griechen und Slawen zerstückelt werde. Was Österreich anbelangt, so wünscht auch dieses absolut nicht, dass die Slawen Serbiens und Bulgariens dadurch erstarken, dass sie bis ins Innere Albaniens vordringen. Es wünscht, einem so mutigen Volke, wie es die Albanesen sind, zu helfen, damit es der Übermacht der Balkanslawen widerstehen könne. Es protegiert aus demselben Grunde auch die Walachen. Englands Wunsch ist es, dass alle Völker in Wohlstand und Freiheit leben und so wird es zweifellos auch den Arnauten wohlwollend gegenüberstehen. Russland, das der Hort nicht nur seiner eigenen Slawen, sondern aller Slawen ist, wird sich trotzdem nicht feindlich gegen die Arnauten verhalten. Es wird ihnen ein gutes Wort nicht verweigern, hat es dieses doch auch den Griechen nicht verweigert, obwohl sie Feinde der Slawen sind. Die Großmächte lieben und schätzen uns also und wir haben somit auch viele Freunde. Soweit wird ihre Freundschaft aber doch nicht gehen, dass auch nur eine von ihnen unsere eigene Arbeit verrichten und uns direkt zu Hilfe eilen würde. Da wir übrigens in drei Glaubensbekenntnisse gespalten und die SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Mehrheit von uns Muslims sind, so werden sie nicht begreifen können, inwiefern wir eine einheitliche Nation bilden und ein einziges Reich aufrichten könnten. Griechen widerstehen, ihre Sprache und Nationalität erhalten, so können sie das nur, wenn sie sich auf die Freundschaft der Arnauten stützen und mit diesen ein Bündnis schließen. Es ist aber zweifellos, dass keine Regierung uns ihre Unterstützung versagen würde, sobald wir ihnen bewiesen haben würden, dass wir für den Einheitsgedanken ersprießliche Arbeit zu leisten imstande sind. Dies weiß auch Rumänien, das der Hort der Walachen ist, sehr gut. Daher hat auch Rumänien für Albanien mehr Freundschaft gezeigt, als jeder andere Staat und hat immer gewünscht, dass sich die Walachen von den Griechen lossagen. Nur ein Volk gibt es unter unseren Nachbarn, das seinen eigenen Vorteil kennt und – da es weiß, dass es ohne uns nicht bestehen kann – unser Freund ist. Dieses Volk sind die in Albanien selbst und in den Albanien benachbarten Gegenden lebenden Walachen. Ein Teil dieses Volkes sind walachisch und albanesisch sprechende Albano-Walachen und der andere Teil walachisch und griechisch redende Gräko-Walachen. Der erste Albanesenklub ist in Rumänien gegründet worden. Die erste albanesische Druckerei wurde dort eröffnet. Die ersten Bücher wurden dort gedruckt. Dieses Wohlwollen Rumäniens wird Albanien niemals vergessen. Zum Danke hiefür wollen wir die in Albanien lebenden Walachen lieben und ihnen gute Behandlung zuteil werden lassen. Ebenso wie sie es mit den orthodoxen Albanesen machten und noch machen, so bemühten und bemühen sich die Griechen, auch diese Walachen mit Hilfe von Kirchen und Schulen zu gräkisieren. Auch diese Walachen unterlagen bis vor kurzem – gerade wie die orthodoxen Albanesen – den trügerischen Vorspiegelungen der Griechen. Sie ließen sich gräkisieren, gaben ihre Sprache auf und nahmen an deren Stelle die griechische an. Allein sie haben vor kurzem doch den hohen Wert des eigenen Volkstums und der Muttersprache erkannt, haben begonnen, ihre eigene Sprache zu lesen und zu schreiben und eigene Schulen zu eröffnen. Diesbezüglich haben die Walachen außer den Arnauten keine Freunde im Lande. Trotz aller Mühe dringen nun die Griechen bei den Walachen, die ihr Idiom und ihr Volkstum zu sehr lieben, mit ihren Absichten nicht mehr durch. Die Walachen sahen auch ein, dass sie es nötig haben, mit den wahren Arnauten, nämlich denjenigen, die ihr Idiom und ihre Nation hochhalten, zusammenzugehen und ihre Freunde zu werden. Wollen die in Albanien und Makedonien lebenden Walachen den satanischen Verführungskünsten der Sobald ein Mensch schwach und energielos sich zeigt, so steigen ihm nicht nur seine Feinde, sondern alle, auch seine Freunde, auf den Rücken. Um sein Ansehen und seine Würde zu wahren, muss man sich dem Feinde und auch dem Freunde gegenüber kraftvoll und tüchtig zeigen. Diese Walachen, die in geringer Zahl und viel später als wir nach Albanien gekommen und hier Fremdlinge sind, halten sich für höher stehend und für tüchtiger als uns. Es hat Walachen gegeben, die Europa beweisen wollten, dass ‘die Walachen die Seele des Landes seien, dass die Arnauten nur die Kriegführung und das Blutvergießen verstünden, die Walachen aber die Verwaltungskunst, weshalb eigentlich diese zum Herrschen berufen seien’! Ja, es gibt auch Walachen, welche behaupten, dass, da es doch ein walachisches Alphabet und walachische Schulen gebe, für eine eigene albanesische Schrift und für albanesische Schulen kein Bedürfnis bestehe! Dieselbe Großmut zeigen auch die Türken und die Griechen uns gegenüber. Sie alle lieben uns so innig, dass sie uns ihr SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) eigenes Alphabet und ihre eigene Sprache zum Geschenk machen und uns in ihre eigenen Schulen aufnehmen wollen. Arnauten sich jedes Verkehres mit den fremden Völkern enthielten und einsam lebten, erhalten werden konnte. Wenn nun auch nicht alle Walachen und auch nicht gerade die verständigsten unter ihnen dieser Meinung sind, so ist es doch nicht nötig, ihnen allzuviel zu trauen. Sei dem nun wie ihm wolle, wir müssen scharf darüber nachdenken, was wir zu tun haben und müssen dies dann und zwar selbst tun. Denn auf dieser Welt schaut jedermann nur auf sich. Wie es im Albanesischen heißt; ‘Den Rock, den der Feind verschmäht hat, nimmt uns der Freund’! Aber nicht nur unser Volk schrieb seine Sprache nicht, in Europa und Asien gibt es viele Völker, die ihre Sprache erst in diesem Jahrhundert zu schreiben angefangen haben. Obwohl das Albanesische seit Tausenden von Jahren erhalten zu werden vermochte, ohne geschrieben zu werden, geht dies jetzt nicht mehr; denn die Zeiten haben sich geändert, jetzt kann kein Volk mehr von den übrigen abgesondert leben. Die Nachbarn sind erwacht, huldigen dem Fortschritte und bemühen sich, uns zu verschlingen. Sie betrachten es als ihre allerwichtigste Aufgabe, uns unsere Sprache vergessen zu machen und uns dafür die ihrige zu lehren. 9. Abschnitt. Die Schrift für die albanesische Sprache. Wie wir schon in früheren Abschnitten gesagt haben, ist das allererste unterscheidende Merkmal der Nationalität und speziell das Mittel zur Einteilung der Völker die Sprache. Eine Sprache aber, die nicht gelesen und geschrieben wird, zählt nicht. Die Provençalen Frankreichs, die Katalonier Spaniens, die Galen Englands und soviele diesen ähnliche Völkerschaften werden, obgleich sie alle ihre eigene Sprache gesprochen haben, denoch nicht als Völker für sich betrachtet, da sie ihre Sprache nicht lasen und schrieben. Gemäß den Sprachen, die sie lesen und schreiben, werden sie dem französischen, spanischen, englischen u.s.w. Volke zugezählt. Demgemäß muss es die wichtigste Aufgabe eines Volkes, das seine Nationalität zu erhalten wünscht, sein, sein Idiom zu lesen und zu schreiben. Daher kommt es, dass andererseits diejenigen, die ein Volk gänzlich zu unterdrücken wünschen, dieses Volk mit aller Macht vom Lesen und Schreiben seiner Sprache abhalten. Wir haben ausführlich besprochen, warum sich die Arnauten nicht mit dem Schreiben ihrer Sprache befasst haben, wieso es kam, dass das Albanesische bis auf unsere Tage nicht geschrieben wurde und wie die Sprache infolge des Umstandes, dass die Nicht nur bei jenen Albanesen, die in Italien und Griechenland leben, nein, auch unter den Arnauten Albaniens gibt es Leute, die das Albanesische nicht sprechen können. Und doch haben ihre Ahnen überhaupt keine andere Sprache gekonnt! Die albanesische Sprache, die sich seit Jahrtausenden zu erhalten gewusst hat, soll nunmehr solcherart aufgegeben werden und binnen kurzer Zeit vergessen und verloren sein. Einige erleuchtete Persönlichkeiten unter den edeldenkenden Albanesen haben aber diese große und furchtbare Gefahr erkannt und die hinsichtlich des Schreibens unserer wohlklingenden Sprache im Herzen jedes denkenden Arnauten schlummernden Wünsche aus dem Stadium des Projektes hervorgezogen und zur Tat werden lassen. Vor zwanzig Jahren (vom Jahre 1899 aus gerechnet, in dem das vorliegende Buch gedruckt wurde), zur Zeit des Prisrender Kongresses, wurde ein besonders vollendetes und genaues Alphabet der albanesischen Sprache verfasst. Als die Arnauten sahen, wie schön sich ihre wohlklingende Sprache schreiben lasse, griffen sie mit beiden Händen zu. Es SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) dauerte nicht lange, so entstand auch in Stambul unter türkischer Patronanz eine Sektion des Arnautenklubs und später wurden auch in Rumänien und in Ägypten von Albanesen solche Vereinigungen gegründet. In Kortscha wurde eine albanesische Schule eröffnet; hier begann man zum ersten Male in unserer Sprache zu unterrichten. Die Schulen vermehrten sich aber allerdings nicht so, wie wir es gewünscht hätten, und kamen nicht recht vorwärts. Wohl aber gelangte unser Alphabet und mit diesem gedruckte Bücher nach allen Gegenden Albaniens. Binnen kurzer Zeit lernten Männer, Frauen, Knaben und Mädchen der Albanesen lesen und schreiben. Innerhalb zwanzig Jahren fasste die albanesische Schrift so stark und tief Wurzel und kräftigte sich so sehr, dass sie nie mehr beseitigt und vernichtet werden kann. Dieser vor zwanzig Jahren gepflanzte Baum blühte und trug schöne Früchte; der Fortschritt, den unsere Schrift macht, bedeutet den Tod der Feinde unseres Volkstums. Freilich haben diese erklärt: Die Sache ist unmöglich. Das Albanesische ist keine Sprache, die geschrieben werden kann. Es ist eine schlechte und verderbte Sprache, seine Grammatik und Syntax taugen nichts. Keine Wissenschaft kann in dieser Sprache gelehrt werden und dergleichen Dinge mehr; leeres Geschwätz, das den Zweck hatte, die Albanesen zu entmutigen und sie von dem Versuche, ihre Sprache zu schreiben, abzubringen. Nun aber, wo die Gegner sehen, wie schön sich das Albanesische schreiben lässt, wie gut man es lesen kann, wie gut sich die grammatikalischen und syntaktischen Regeln erlernen und verwenden lassen; wie die albanesische Sprache sogar besser und schöner ist als alle anderen Idiome, wie sich alle Künste und Wissenschaften in dieser Sprache behandeln und lehren lassen; wie ein Grieche die schwierige, tote Sprache des Homer, Euripides, Plato usw., ein Türke die unendliche und unerschöpfliche Sprache der Araber und Perser jahrelang lernt und doch nicht erlernen kann, so sehr er sich auch bemüht, während andererseits der Albanese sein Idiom binnen kurzer Zeit zu lesen und zu schreiben versteht: - nun lassen unsere Gegner vor Staunen den Finger im Munde stecken. Jetzt, wo unsere Gegner die Vorzüge der albanesischen Sprache erkennen und die Fortschritte beobachten, die die arnautische Schrift macht, jetzt begreifen sie, dass Albanien ihren Händen zu entschlüpfen droht und nun vereinigen sie sich, um der albanesischen Schrift alle möglichen Hindernisse in den Weg zu legen. Türken, Griechen, Slawen gehen trotz der zwischen ihnen lodernden Gehässigkeit und Feindschaft Hand in Hand gegen uns vor. Die Hohe Pforte, der Yildiz-Kiosk, das griechische Patriarchat, die Athener Regierung usw. sind in dieser Sache ein Herz und eine Seele. Der Türke untersagt die albanesischen Schulen und Bücher, er erlaubt nicht einmal den Druck der kleinsten Broschüre, sieht jeden als Feind an, der albanesisch lesen und schreiben will und pflegt diesen als ‘Komitatschi’ zu bezeichnen. Der Grieche begann von Athen aus über unsere Schrift zu jammern und zu schreien, kämpft mit tausenderlei Kniffen und Ränken gegen die ihre Sprache liebenden Albanesen und hat schon viele von ihnen durch die Hand des Türken maßregeln lassen. Das Patriarchat und die Bischöfe begannen ihre Bannflüche zu schleudern, wie einst Jupiter seine Blitzstrahlen, Alle diese Hindernisse sind Ursache, dass in Albanien keine nationalen Schulen errichtet werden und sich die in arnautischer Sprache geschriebenen Bücher und Zeitungen nicht vermehren können. Nichts aber kann die Albanesen hindern, ihre Sprache zu lesen und zu schreiben, denn sie sind ja daran gewöhnt, ohne Schulen und Bücher schreiben zu lernen. Heute ist das Albanesiscbe nicht mehr wie vor zwanzig Jahren eine Sprache ohne SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Schrift, heute ist es eine Sprache, die besser als jede andere geschrieben und gelesen werden kann. Dieser Umstand hat unsere Gegner sehr verstimmt, denn sie sehen, dass sich das Albanesische sehr gut eingewurzelt hat. Sie können demzufolge nicht mehr sagen, dass das Arnautische nicht geschrieben werden könne. 10. Abschnitt. Albaniens Armut und die fehlende geregelte Verwaltung. Bis vor nicht langer Zeit war Albanien ein reiches und blühendes Land. Die Arnauten erhielten als Entschädigung für die geleisteten Kriegsdienste reichen Lohn und erfreuten sich der im Kriege gewonnenen Beute, sie zogen außerdem ihren Nutzen aus den Bodenprodukten und der einheimischen Industrie. Der Steuern, die sie der ottomanischen Regierung zu entrichten hatten, gab es wenige und sie waren nicht drückend. Von dem Gelde, das aus dem Auslande nach Albanien gelangte, kam sehr wenig wieder hinaus. Das meiste blieb im Lande und dieses besaß daher Wohlhabenheit und war in blühendem Zustande. Heute ist das nicht mehr so. Heute werden die Arnauten für den Kriegsdienst nicht mehr belohnt, sondern stehen unter der Wehrpflicht. Sie kehren nicht mehr mit goldgestickten Kleidern, mit Gold, Silber und Waffen aus dem Kriege zurück, sondern nackt, gebrochen und elend. Hausindustrie wird nicht mehr betrieben, denn sie kann mit der europäischen Fabriksware nicht konkurrieren. Auch der größte Teil des in den Besitz der Arnauten gelangenden Bargeldes bleibt nicht bei ihnen, sondern fließt nach Europa ab. Die Steuern der Regierung sind drückend geworden, sie können nur schwer aufgebracht werden. Die alten Einnahmsquellen sind versiegt, neue sind nicht an deren Stelle getreten. Für Straßen zahlen die Albanesen viele Abgaben, doch gibt es keine. Die Flüsse überschwemmen die Ebenen und die aus den Sümpfen entstehenden Fieber erhalten die Bevölkerung schwach und kränklich; sie kann nicht arbeiten und stirbt vor Hunger und Schwäche. So ist denn ganz Albanien in große und traurige Armut gehüllt. Albanien ist für die türkische Regierung nur dazu da, Steuern und Soldaten zu liefern. Wirst du zwanzig Jahre alt, Arnautensohn, dann komm weit fort von der Heimat, um in einer Kaserne grausam Hunger zu leiden! Komm, Arnautensohn, zahl 5 Piaster jährlich für eine Ziege und wenn du auch im Jahre kaum die Hälfte davon an ihr verdienst! Das ist die Leistung des türkischen Beamten, aber eine geregelte Verwaltung gibt es nicht. Nachdem der Gendarm dem Bauer seine Habe und seine Söhne entrissen hat, geht er aus dessen Hütte hinaus und hinter seinem Rücken dringt der Räuber ein und bestiehlt ihn, der Feind kommt und tötet ihn. Den Bauer zu brandschatzen, das verstehen die türkischen Beamten, ihn vor den Dieben und den Feinden zu schützen, das verstehen sie nicht! Armer Arnaute! Um sein Hab und Gut und sein Leben zu schützen, muss er Tag und Nacht mit der Waffe in der Hand bereit stehen, aber nun wollen sie ihm auch noch die Waffen nehmen! Die türkische Regierung, die den Bauer nicht schützen kann, nimmt ihm die Waffen aus den Händen und gibt ihn dann, wehrlos wie er ist, den Räubern und dem Feinde preis. Es ist evident, dass die Beamten der türkischen Regierung, um die ehrlichen Arnauten zu brandschatzen, mit Dieben gemeinschaftliche Sache machen. Verdient eine solche Wirtschaft den Namen einer ‘Verwaltung’? Niemals! Albanien befindet sich unter einem ungemein schlechten Regierungssystem. Ja, es gibt überhaupt kein solches. Die Arnauten haben täglich Streit miteinander und bekämpfen sich gegenseitig. Zwecklos vergießen sie ihr Blut, jenes kostbare Blut, das für eine andere Sache als Albaniens Heil nicht vergossen werden sollte! Armut, Zuchtlosigkeit, Un- SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) wissenheit, Streit, Uneinigkeit und Hass sind die Früchte. Arm, unwissend, uneinig, jeder des anderen Feind, wie die Arnauten sind, kämpft jeder gegen jeden. Zwecklos verspritzen sie ihr Blut, allmählich verkommen sie! Sie sind in einen tiefen und schweren Schlaf verfallen. Ihre Nachbarn aber erwachen von Tag zu Tag mehr, sie machen Fortschritte, sie vermehren sich, sie dringen mit großen Schritten in das Innere Albaniens vor, sie sind dabei, es ganz in Stücke zu reißen! So sieht es in Albanien heute aus! III. Kapitel. Was wird Albanien werden? 1. Abschnitt. Kann Albanien in seiner heutigen Lage bleiben? Albanien ist ein Teil der europäischen Türkei und solange der Status quo eben dauert, bildet die Türkei einen europäischen Staat. Wird aber der Türkei noch ein langes Leben in Europa beschieden sein? Die Antwort auf diese Frage ist nicht leicht. Auf jeden Fall aber fällt sie negativ aus, das heißt, die Türkei hat nicht mehr lange zu leben. Die Türkei hat ja lange in Europa existiert. Man nahm an, dass sie längstens in zehn Jahren nach dem Berliner Vertrage verschwinden werde; indessen sind zwanzig Jahre vergangen und sie lebt noch immer. Man tat nichts und tut nichts, um diesem Reiche eine längere Lebensdauer zu sichern. Wie ein Kranker, der auf den Rat der Ärzte nicht achtet und seinen Körper nicht schont, gerade so tut die Regierung alles, was geeignet ist, ihre Lebenstage abzukürzen. Wie lange der Staat noch in Asien weiterleben könnte, das wissen wir nicht und gehört auch nicht hieher. Aber auf dem europäischen Festlande sind seine Tage gezählt. Was Albanien anbelangt, so ist dieses nicht selbständig fundiert und hat keine eigenen Wurzeln entsendet. Es steht auf dem vermorschten Fundamente der Türkei und zieht seine Nahrung aus denselben Wurzeln wie diese. Beim Zusammenbruch dieser großen Ruine wird auch Albanien mitstürzen und unter dem gewaltigen Schutthaufen mitbegraben werden. Die anderen Völkerschaften der europäischen Türkei arbeiten schon lange daran, sich davor zu schützen, dass sie von der stürzenden türkischen Ruine zerschmettert werden. Die Lage dieser Völkerschaften gleicht derjenigen der Gräser, die unter dem Schnee des Winters sich ernähren und, indem sie unter dieser kalten und schweren Decke ruhen, schnell wachsen und gedeihen. Was die Arnauten anbelangt, deren Schicksal mit dem der Türken seit Jahrhunderten verknüpft ist, so haben sich diese aus dem morschen und gefährlichen türkischen Gebäude nicht geflüchtet, obwohl sie sahen, dass sie an dem Orte nicht gesund bleiben konnten, wo diese ‘Gul jabani’ (Wüstengespenst) haust, sondern vonTag zu Tag mehr herunterkamen. Derselbe ‘Schnee’, der die anderen unter ihm ruhenden Völkerschaften genährt und nicht erstickt hat, versengte Albaniens Wurzeln. Albanien ist in dem langen Winter des starren Absolutismus vertrocknet und verdorrt. Die makedonische Frage wurde auf den grünen Tisch der Diplomatie niedergelegt und wird irgendwie entschieden werden. Rumelien kann nicht in seiner gegenwärtigen Situation verbleiben. Es wird den Türken abgenommen und ihnen so die Möglichkeit entzogen werden, dessen Bevölkerung noch länger zu quälen. Die Schmerzensschreie der Bevölkerung werden gehört und es wird ihnen ihr Recht zuteil werden. Werden dann wohl auch die Albanesen ihre Stimmen erheben? Werden auch sie ihre Rechte fordern? Oder werden sie es dulden, dass die Grausamkeiten und der Absolutismus der Türken bis zur letzten Stunde auf ihnen und den übrigen Völkerschaften SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) lasten bleiben? Das wird sich zeigen. In dem Maße, als die schwarzen türkischen Nebel dichter werden, wachsen auch die Hoffnungen der unter ihnen seufzenden Völker auf Befreiung. Wie wir in früheren Abschnitten auseinandergesetzt haben, sind die Albanesen seinerzeit nicht die Gefangenen der Türken, sondern deren Kameraden gewesen. Heute aber erleiden die Albanesen das schwerste Unrecht. Heute sind sie die Geknechtetsten von Allen. Da dem nun so ist, warum bemühen sich denn all diese Völker nicht, den schweren Alp von sich abzuschütteln, warum wollen die Arnauten noch darunter bleiben? Sehen sie etwa nicht ein, dass sie die Schultern gegen eine Mauer lehnen, die einzustürzen und sie alle unter sich zu begraben droht? Die Arnauten gleichen einem Manne, der in das Meer gefallen, aber ein guter Schwimmer ist. Aber sie wollen nicht nur sich selbst, sondern auch die zugleich ins Meer gestürzten Türken retten, die nicht schwimmen können. Die Verfluchten geben dem des Schwimmens Kundigen den nötigen Spielraum nicht, sondern halten sich mit den Händen an seinen Füßen fest und hindern ihn am Schwimmen. Auf diese Weise sind nicht nur die Türken selbst im Begriffe zu ertrinken, sondern sie ziehen mit sich zugleich auch die Albanesen in die Tiefe des Meeres hinab. Warum reißen sich denn aber die Arnauten, die diese Gefahr mit eigenen Augen sehen und die eigene Existenz zu retten hoffen und wünschen, nicht von dem schlechten und unverständigen Menschen los, der sie in die Tiefe zu ziehen bemüht ist?! Was muss ein Mensch tun, der in eine solche Gefahr geraten ist? Er muss, um sein eigenes Leben zu retten, sich von dem Verräter, der ihn mit sich zugleich zu ertränken droht, zu befreien suchen, indem er ihn mit einem kräftigen Fußtritte in die Tiefe des Meeres hinabstößt. Das ist der Weg zur Rettung, es gibt kein anderes Mittel. Die Türkei wird sodann nicht weiter leben, sie wird nicht weiter leben können, sie wird nicht weiter leben wollen und sie braucht auch nicht weiter zu leben. Wenn sich die Arnauten von den Türken nicht trennen wollen, so werden sie eben mit ihnen zusammen untergehen. Das ist ganz klar. Einen toten Menschen muss man beerdigen, so sehr man ihn auch geliebt haben mag. Von ihm sich nicht trennen wollen, heißt mit ihm zusammen zu Grabe gehen. Die Türkei ist tot, sie wird begraben, wir können sie nicht länger halten, denn die ganze Welt wird durch dieses schlechte Aas beunruhigt. Daher wiederholen wir: So wie Albanien bisher gelebt hat, kann es fürderhin nicht weiterleben. Es ist klar und feststehend, dass Albanien mit der Türkei zusammen nicht weiter existieren kann. Selbst wenn der Türkei eine neue Blütezeit beschieden wäre und sie noch eine Zeitlang leben würde, so könnte Albanien nicht mit ihr vereint leben. Ja, eine neue Blütezeit und eine Verlängerung der Lebensdauer des ottomanischen Reiches wäre sogar Albaniens Tod. Wir haben in den vorangegangenen Abschnitten gesehen, wie die Türken dadurch, dass sie den Albanesen Hände und Füße banden, es ermöglichten, dass Griechen, Slawen und andere sie bedrängen und bedrücken. Wohl hat Albanien bis heute Nation und Sprache zu erhalten gewusst. Wenn jedoch Albanien keine Schulen errichten, Wissenschaften und Künste nicht pflegen darf, so wird dies fürderhin nicht möglich sein. Die Türkei lässt es aber nicht zu, dass die Arnauten Schulen bauen und ihre Sprache entwickeln; dagegen lässt sie die übrigen Völkerschaften, die Albaniens Feinde und ihre eigenen sind, nach Belieben schalten. Wenn also die Türkei noch längere Zeit am Leben bleiben würde, dann wird von Albanien keine Spur mehr übrig bleiben. Dieses Land wird dann zwischen den Griechen und den Slawen aufgeteilt werden. SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) 2. Abschnitt. Sind die Albanesen fähig, sich selbst zu erhalten? Auf dieser Welt sind zweierlei Dinge nötig: das Recht und die Kraft. Das Recht, das sich nicht auf die Kraft stützt, und die Kraft, die nicht vom Recht gestützt wird, sind wie ein einzelner Flügel; mit nur einem Flügel kann kein Vogel fliegen. Die Kraft, die sich nicht auf das Recht stützt, richtet sehr selten etwas aus und auf das Recht, das nicht die Kraft hinter sich hat, wird sehr selten geachtet. Jederzeit verschlingt der große Fisch den kleinen. Zweifellos steht heute den Albanesen das Recht zur Seite. Wie sollte es auch nicht das Recht der Albanesen sein, ihre Sprache zu lesen und zu schreiben? Alle Nationen, selbst die ärmsten und schwächsten, besitzen dieses Recht und niemand macht es ihnen streitig. Eines Rechtes nun, das jedes Volk auf Erden besitzt, sollten die Albanesen beraubt sein? Sie sollen ihre eigene Sprache nicht lernen dürfen, es soll zulässig sein, dass andere Völker aus der Fremde daherkommen, um sie ihre Sprache zu lehren und um ihr Idiom und Volkstum an die Stelle derjenigen der Arnauten zu setzen? Nein! Tausendmal nein! Die Albanesen sind stärker als alle auf der Balkanhalbinsel ansässigen Völker und wenn man die geistigen Fähigkeiten ins Auge fasst, sind sie kräftiger und gesünder als jedes andere Volk des Erdballes. Selbst heute und in ihrer jetzigen Situation ziehen ihrer 500.000 Mann zu den Kriegen aus! Überhaupt sind 200.000 bis 300.000 Krieger jederzeit auf die Beine zu bringen. Diejenigen, welche Albanien gut kennen, werden sich über diese Ziffern nicht wundern. Denn Albanien hat in so vielen Kriegen jederzeit so viele Leute stellen können. Und andererseits ist es auch jedermann bekannt, dass 200.000 Mann albanesischer Truppen 500.000 fremden Soldaten gewachsen sind. Die Mannhaftigkeit der Arnauten wird selbst von ihren Feinden nicht bestritten. Wir haben oben gesehen, wie viel Tapferkeit die Albanesen gezeigt, wie treu sie den Fremden, die ihre Herren oder ihre Waffengefährten waren, gedient und wie sie sie groß gemacht haben. Sollten nun diese Arnauten, die den Fremden, welche ihre Aufopferung nicht zu schätzen wussten, soviel Dienste erwiesen haben, nicht auch fähig sein, ihre Sprache und Nationalität zu schützen? Wie sollten sie dieser legalen Rechte nicht teilhaftig werden, die ihnen doch gebühren? Bis zum heutigen Tage haben die Arnauten jederzeit kraftvoll gekämpft. Niemals aber haben sie für ihre legalen Rechte gestritten. Heute aber ist der Tag, wo sie für ihre nationalen Interessen und für ihre geheiligten Rechte eintreten müssen. Für eine Nation gibt es nichts heiligeres als sein Volkstum und seine Sprache. Der Mensch, welcher Krieg führt, um Beute und Schätze zu gewinnen, wird stets getadelt, aber ein Mensch, der gegen den Räuber seines geheiligten Rechtes kämpft, ist doppelt ein Held. Sein legales Recht verleiht ihm eine Kraft, die niemals besiegt werden kann. Da kann ein Mann zehn Männer überwinden. Wohlan, da nun die Arnauten so tapfer und stark waren, warum blieben sie in dem Zustande der gebundenen Hände? Und warum sind sie im Begriffe, ihr Land von Fremden zerstückeln und für immer vernichten zu lassen, die schwächer sind als sie selbst und sich weder auf die Kraft noch auf das Recht stützen können? Sie blieben im Zustande der gebundenen Hände, weil es der Türke ist, der ihnen die Hände gebunden und sie mit gebundenen Händen den Feinden ausgeliefert hat und mit dessen Hilfe und Unterstützung die fremden Völker im Begriffe sind, die Albanesen zu vernichten! Ist aber der Türke so stark, dass er mit einer Hand die Hände der Arnauten fesseln, und mit der anderen ihren Feinden Hilfe leisten kann? Nein, wir wissen sehr gut, dass der Türke so stark nicht ist, aber er ist ein schlauer Fuchs. Er täuscht die Arnauten SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) durch teuflische und verräterische Intriguen. Aber auch die Albanesen selbst binden ihre Hände, denn sie sind töricht und blind! Heute gleicht Albanien einem Löwen, dessen Füße gefesselt sind und der von Schakalen und Füchsen umringt ist, die im Begriffe sind, ihn in Stücke zu zerreißen. Da gibt es kein anderes Mittel, als sich zu bewegen, sich zu schütteln und mit nur etwas Kraft die an Händen und Fußen befindlichen Ketten zu zersprengen. Sodann werden alle diese Schakale und Füchse entfliehen und nicht mehr wagen, sich auch nur umzudrehen und ihre Gesichter zu zeigen. In erster Linie muss man einmal der Türkei die Zähne weisen und zu ihr sprechen: ‘Bleib fern, zieh dich zurück, misch dich nicht in meine Sachen, denn ich habe gesehen, wie du mir die guten Dienste, die ich dir erwiesen habe, auf erbärmliche Weise durch Schlechtigkeiten gelohnt hast. Seit fünfhundert Jahren erhalte ich dich, du aber hast mir die Hände gebunden und willst, dass die Feinde mich zerstückeln, du willst mich mit dir in den Abgrund reißen, in den du stürzen wirst!’ Was sind die Türken eigentlich? Ein wildes Volk, das mit Bettlerknütteln in den Händen aus Nord- und Mittelasien dahergekommen ist. Nachdem sie durch ihr Ungestüm die schönsten und zivilisiertesten Länder der Welt in ihre Gewalt bekommen hatten, haben sie sie gebrandschatzt und geplündert, dann angezündet und zerstört. Bis heute halten sie sie in Armut, Elend und Finsternis fest, zur Empörung der ganzen Menschheit. Eines dieser Länder, die seit Jahrhunderten unter furchtbaren Grausamkeiten schmachten, ist das arme Albanien, dessen Einwohner mehr als alle anderen Völker den Druck empfinden. Die Türken gehören zu den Völkern, die wie Sintflut und Hagelwetter über die Erde dahingezogen sind Mit Sengen, Brennen und Blutvergießen haben sie die halbe Welt heimgesucht Aber diese Hunnen, Vandalen, Mongolen, Avaren, Gothen und so viele andere wilde Völker, wo sind sie nun? Auch die Türken, die von gleicher Wesensart sind, wie diese wilden Völkerschaften, haben keinen Anspruch darauf, länger zu leben als diese; übrigens sind sie ja ohnedies alt geworden. Noch länger zu leben haben sie kein Recht und weiterhin können sie weder leben noch wollen sie es; denn sie haben bis jetzt weder einen zivilisierten Staat wie die übrigen Nationen zu bilden, noch eine ordentliche Verwaltung einzuführen vermocht. Sie wollen für immer in Unkultur leben. Sie werden und müssen zugrunde gehen, damit die Menschheit von ihnen erlöst werde. Was aber haben wir den Türken getan, dass sie auch uns mit sich in den Abgrund ziehen wollen? Was haben wir mit den Türken zu schaffen? Müssen wir mit den Türken zusammen gehen? Niemals! Wir sind keine Türken und stammen auch nicht von asiatischen Völkern her. Wir sind Europas älteste Nation. Wir haben mehr als jedes andere Volk Anspruch auf europäische Erde. Die Albanesen sind berechtigt, dieses heilige Recht zu fordern und in Anspruch zu nehmen. Wenn Recht und Kraft vereint sind, so entsteht daraus eine Gewalt, der nichts zu widerstehen vermag. Gestützt auf diese, sind die Arnauten befähigt, ihre Rechte, das ist: ihre Nation, ihre Sprache und ihr Vaterland jedem Fremden gegenüber zu verteidigen; sie brauchen es nur zu wollen. 3. Abschnitt. Albaniens Heil oder sein Untergang liegt in den Händen der Arnauten. Heute steht Albanien am Rande eines sehr tiefen und gefährlichen Abgrundes. Am Rande eines solchen Abgrundes darf man aber nicht lange stehen bleiben. Wenn man an einem solchen Orte bleibt, so läuft man Gefahr, in die Tiefe zu rollen und dort in tausend Stücke zu zerschellen. Wenn man in Sicherheit bleiben will, so muss man sich an einem ebenen und SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) gefahrlosen Orte aufhalten. Sobald einmal Albanien sich aus den es umgebenden Gefahren befreit und sich auf den Weg des Heiles und Fortschrittes begeben haben wird, dann wird es eines der besten und schönsten Länder Europas werden. Ist Albanien auch nicht groß, so ist es doch auch nicht viel kleiner als manche andere Länder, die selbständige Staatswesen darstellen, wie Griechenland, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Dänemark, Belgien, Holland und andere. Es grenzt an Europa und ist Italiens und Österreichs Nachbar. Es würde rasch zur Zivilisation gelangen und sich gut in Europa einfügen. Wie wir schon oben gesehen haben, besitzen die Arnauten alles, was sie hiezu brauchen. Sie sind aufgeweckt und verständig, für die Zivilisation und jede Art von Kunst und Wissenschaft empfänglich und zahlreich. Sie sind sehr tapfere und berühmte Krieger. Unser geliebtes Vaterland kann in seinem gegenwärtigen Zustande nicht mehr lange verharren. Es wird für immer verloren sein und weder die Albanesen noch Albanien werden mehr sein, oder es wird sich in einer Weise umbilden, die in der Welt einzig dastehen und den Neid aller Völker hervorrufen soll. Albaniens Heil oder sein Untergang liegen in den Händen der Arnauten selbst. Wenn wir wollen, können wir gerettet, wenn wir wollen, können wir verloren sein. Es ist nicht nötig, dass wir gleich den anderen Völkern vorgehen, um unsere Freiheit zu gewinnen. Wir können es anders machen; wir brauchen nicht zu den Waffen zu eilen, wir brauchen uns nicht in unsere Berge und Schluchten zu werfen, um uns dort töten und vernichten zu lassen. Die Arnauten mögen es so machen, dass sie einander den Abschluss eines Bundes versprechen, dass sie einander in mannhafter Weise die Bessa geben und die Bessa abnehmen, von Europa und der Türkei ihre Rechte zu fordern, und auf diesem Entschlusse treu beharren. Die Türkei wird dann kaum vernommen haben, was wir wünschen, so wird sie es auch schon geben Ebenso wie die Arnauten den anderen Völkern Europas Hilfe geleistet haben, so werden auch diese den Albanesen beistehen und auf die Türkei einen Druck ausüben. 4. Abschnitt. Bessa und Bund der Albanesen. Die ‘Bessa’ der Arnauten ist schon seit dem Altertum bekannt und heute auf der ganzen Welt berühmt. Der Arnaute tritt von einer abgeschlossenen Bessa niemals zurück, er bricht sie nicht, er hält sie bis zum letzten Atemzuge. Bis zum heutigen Tage hält der Arnaute die Bessa heilig und sie ist es auch, die ihn von den ihn umgebenden Gefahren retten wird. Was die Albanesen vor allem anderen tun müssen, ist der Abschluss einer auf ganz Albanien sich erstreckenden, großen und allgemeinen Bessa. Jeder Arnaute muss in dieser Bessa und im Bündnisse inbegriffen sein. Die Blutsverwandten müssen von der Durchführung der bis zum heutigen Tage noch nicht erledigten Blutprozesse abstehen und sie der Vergessenheit anheimgeben. Wer Blut vergossen hat, muss amnestiert werden. Das arnautische Blut ist sehr kostbar, wozu es nutzlos verspritzen? Wozu sollen wir einander töten, da doch unser kostbares Blut im Kampfe gegen die Feinde unseres Vaterlandes vergossen werden muss? Sobald sich die Arnauten zu einer solchen starken Bessa, zu einem Bunde vereinigt haben werden, werden sie wie ein ungemein starker Mann sein, der sich in den Dienst eines Zweckes, einer Absicht, einer Idee gestellt hat. Wer kann sich dann Albanien und den Arnauten gegenüber zu stellen wagen? Wer würde heute, sobald die Einigkeit hergestellt ist, es noch so wie damals, wo sie fehlte, wagen, den Arnauten ihre geheiligten Rechte zu entreißen, und sie unter die Füße zu treten? SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Auf, Ihr Heldensöhne, Ihr Heldenarnauten! Schließt die Bessa, den Bund, seid einig! Das wird euch retten! Anders werdet Ihr euch nicht retten können, sondern werdet vernichtet werden! geschlossen werden, sie muss vom Momente des Abschlusses so lange gelten, bis das Heil Albaniens gesichert ist, und muss unverbrüchlich von allen Beteiligten gehalten werden. Schaut nicht auf die Religionen, die Glaubensbekenntnisse. Muslims, Katholiken, Orthodoxe, alle Arnauten sind Brüder, was immer und wo immer sie sein mögen. Alle Arnauten müssen sich unter Albaniens geheiligter Fahne sammeln! Wer es mit den Türken hält, sich von den Arnauten absondert oder aus religiösen Gründen mit den Feinden Albaniens zusammengeht, ist ein arnautischer Verräter, ein Feind unseres Vaterlandes und unserer Nation Solche Leute kann man nicht Arnauten nennen. Man darf sie nicht als Arnauten, man muss sie als Feinde ansehen. Bis zu jenem Tage muss der Bund halten und in ganz Albanien Geltung haben. Denn die türkische Verwaltung ist keine solche, die einer Besserung fähig wäre, sie neigt vielmehr nur zur Verschlechterung. Die türkische Regierung gibt Albanien nicht frei, sie will es vernichten. Es muss daher der albanesische Bund in den Fragen, die auf unser Volkstum und unsere Rechte sich beziehen, an die Stelle jener Regierung treten. Was nötig ist, müssen die Albanesen selbst tun, oder die Türken mit Gewalt dazu zwingen, es geschehen zu lassen. Auf diese Weise müssen wir unser Idiom und Volkstum, sowie die Rechte der arnautischen Nation schützen und verteidigen. Allah sei Lob! Albaniens Einigung macht Fortschritte. Die Bessa ist dabei, an Kraft zuzunehmen. Albaniens Einigung, die an einer Stelle Albaniens ihren Anfang genommen hat, wird sich rasch nach allen Gegenden Albaniens ausbreiten. Anfangs wurde der Hauptzweck dieses Bundes von den Albanesen verschieden beurteilt und auch nicht ernst genommen; allmählig wurde das aber anders. Es war unerlässlich, schon von Anfang an dem Bunde diesen Zweck zu geben und die Urheber des Bündnisgedankens haben dies auch gewollt, weil es eben nicht anders ging. Man ließ auch nicht locker und nun, wo die Fundamente des Bundes einmal feststehen, gewinnt er langsam an Kraft Der Zweck des Bundes wird unbedingt erreicht werden und was dazu nötig ist, wird geschehen. Bei der zweiten oder dritten Zusammenkunft wird man sich darüber verständigen. Wir müssen glauben und hoffen, dass dieser Bund, der in Albanien in der Bildung begriffen ist, diese Vereinigung, diese Bessa, die Ursache zu Albaniens Heil werden wird. Denn alle Arnauten wissen, dass Albanien in Gefahr und sehen, wo sein Heil zu finden ist. Diese Bessa gleicht den vergangenen Bessas nicht, sie ist eine Bessa auf Leben und Tod. Diese Bessa darf nicht auf kurze Zeit In jedem Sandschak Albaniens wird der Bund eine Sektion und er wird auch eine Zentrale haben. In jeder dieser Sektionen wird ein Ausschuss gebildet werden, der sich jede Woche zu versammeln haben wird. Was den Hauptausschuss anbelangt, so wird er im Jahre eine, und nach Maßgabe des Bedarfes weitere Sitzungen abhalten. Jede Sektion wird aus einem Präsidenten, einem Schriftführer, einem Kassier, und aus vier bis fünf Mitgliedern bestehen. Auch diese werden im Bedarfsfalle Einladungen zu Sitzungen ergehen lassen und mit dem in der Zentrale befindlichen großen allgemeinen Ausschusse den Gedankenaustausch zu pflegen haben. 5. Abschnitt. Albaniens Ziele. Albaniens einzige Ziele sind seine Befreiung von der Fremdherrschaft, die Erhaltung des eigenen Idioms und Volkstums, das Standhalten gegenüber den Intriguen der Feinde und die Verhinderung einer weiteren Ausbreitung der Sprachen der Griechen und Slawen, endlich die Durchkreuzung der Köde- SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) rungsabsichten dieser Nationen, die Albanien und dem Arnautentum die Wurzeln abgraben wollen. Zielen dient und die nötigen Qualitäten besitzt, eine Verwaltung mit offenen Augen. Alles was diesen Absichten der Arnauten entgegenstrebt, jede Gegenaktion wird von allen wahren Albanesen und dem ‘AlbanerBunde’ bekämpft und niedergerungen werden. Dagegen werden alle Mittel, welche den Zielen der Arnauten förderlich sind, angewendet werden. Dies sind die Ziele der Arnauten, mag man sie nun wie immer beurteilen. In allererster Linie steht die Sprache. Albanien kann ohne die Arnauten, die Arnauten können ohne das Albanesische, dieses kann ohne eigenes Alphabet und ohne Schulen nicht bestehen. Daher muss zu allererst die Sprache geschützt werden. Auf die Türkei muss der nötige Druck ausgeübt werden, damit sie ihren ablehnenden Standpunkt gegenüber der albanesischen Sprache aufgebe. Die Türkei muss gezwungen werden, die Eröffnung albanesischer Schulen, den Druck albanesischer Bücher und Zeitungen zuzulassen. Die im verflossenen Abschnitte erwähnte Änderung der Verwaltung brauchen die Albanesen so notwendig wie das Brot, das sie essen, und das Wasser, das sie trinken. Bekommen sie eine solche Verwaltung nicht, dann können sie weder ihrer Sprache zur Entwicklung und Ausbreitung verhelfen, noch ihre Nationalität schützen. So rasch als möglich muss Albanien seine Lostrennung betreiben, die Vorgangsweise hiebei studieren und seine neue Stellung kennen lernen. Auch Europa muss sich darum kümmern. Jeder Arnaute hat zuförderst das Albanesische lesen und schreiben zu lernen und darf erst dann - wenn er es für nützlich hält - sich mit den fremden Sprachen befassen. Die Albanesen müssen ihre Sprache durch Kunst und Wissenschaft schmücken und verbessern. Alle müssen sich zusammentun und zeigen, dass sie einen einheitlichen Körper, eine einzige Nation bilden und sie müssen derselben Rechte teilhaftig werden, die alle anderen Völker auf dem Erdballe besitzen. Das Zweite ist die Kirche. Die Albanesen müssen aus der Abhängigkeit von der griechischen, bulgarischen und serbischen Kirche befreit werden; es müssen eigene nationale, christliche Kirchen mit albanesischen Priestern und einer albanesischen Liturgie geschaffen werden. Denn der heilige Jesus war weder Grieche noch Slawe. Damit all das geschehen kann, muss die derzeitige Verwaltung beseitigt und durch eine solche ersetzt werden, die den arnautischen nationalen Bedürfnissen und Interessen angepasst ist und die das Vaterland und die Nation schützt. Sie darf nicht, wie die jetzige Verwaltung, uns fremd und blind gegenüberstehen, sondern muss eine albanesische Verwaltung sein, die unseren 6. Abschnitt. Die kommende Verwaltung. Wenn auf der Balkanhalbinsel eine Umwälzung stattfinden und die Türkei untergehen wird, wird Albanien auf sich selbst angewiesen sein. Denkt niemand daran, was dann aus Albanien werden wird ? Es wird niemand den Gedanken zu nähren wagen können, sich ein Stück Albaniens anzueignen. Auch wenn Albanien eine autonome Verwaltung besitzt, wird es unter türkischer Oberhoheit verbleiben. Die Arnauten sehen, dass die Türkei daran arbeitet, die arnautische Nation von den Nachbarvölkern, die deren Feinde und ihre eigenen sind, aufsaugen zu lassen. Dennoch haben die SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Arnauten, die seit 500 Jahren für jenes Staatswesen ihr Blut vergießen, ihm niemals den Untergang gewünscht. Ebenso wie sie ihre mit der türkischen Regierung abgeschlossenen Verträge bis jetzt gewissenhaft gehalten haben, gedenken sie das auch ferner zu tun und wollen auch weiterhin ihr Blut opfern. Ja, die Albanesen würden der Türkei noch bessere Dienste leisten können, wenn sie die von uns besprochene eigene, autonome Verwaltung bekämen und wenn sie, wie es die Notwendigkeit erheischt, ihre eigenen Kräfte steigern. Wenn aber die Türkei, wie gewöhnlich, ihr eigenes Heil nicht will, es vorzieht, ihren Weg fortzusetzen und geradeaus in den Abgrund zu rollen, so werden die Albanesen sich eben darauf beschränken, sich selbst zu retten und die ganze Welt wissen lassen, dass sie ihr Heil in die eigene Hand genommen haben und nicht willens sind, sich selbst zu töten und mit ‘Madschnun’16 zugleich zu Grunde zu gehen. So wird sich denn die von uns beschriebene albanesische Verwaltung unter türkischer Oberhoheit befinden. Aber nicht in der Weise, wie sich die Türken das vorstellen mögen, wird Albanien mit ihnen zusammengehen. Sondern Albanien soll wieder so selbständig werden, wie es dies einstens war. Falls die Türkei gesunden sollte, darf sie doch nicht wieder in den Stand gesetzt werden, Albanien zu verderben und zu unterdrücken- Sie soll nicht mehr, wie sie es bis jetzt getan hat, Gelegenheit finden, intrigant und korrumpierend vorzugehen und wie zur Zeit des Elends Albanien mit sich zusammen ins Grab reißen zu können. Wie wird aber Albanien eine solche Verwaltung bekommen? Wir wissen sehr wohl, dass die Türkei aus freiem Antriebe und in Güte nichts gewährt. Es ist ja bekannt, dass die Türkei kein guter Hirte Madschnun (‘der vom bösen Geiste Besessene’) ist der sehr popu-läre Held eines großen arabischen Romans. 16 ist, der seine Schäflein zur Ernährung auf fette Weiden führt und sie hegt und pflegt. Sie ist im Gegenteil ein Wolf, der die Schäflein erst verlässt, nachdem er ihr Fleisch aufgefressen und ihre Knochen zermalmt hat. Statt Albanien eine menschliche und geordnete Verwaltung zu geben, statt es zu unterrichten und zu belehren, wünscht die Türkei, dass Albanien unter dessen Feinde aufgeteilt werde. Das haben die Türken überall und jederzeit getan. Sie haben so viele Länder verloren, die sie sich durch Einführung einer menschlichen Verwaltung für immer hätten erhalten können. Denn die Türken sagen so: Was tun wir mit Ländern, in denen wir nicht töten, schlagen, stechen, vernichten, brennen, sengen und morden können? Es ist besser, wir geben ein solches Land auf, wir brauchen es nicht, mag es nehmen wer will. Von diesem Standpunkte ausgehend, hat sich die Türkei vor kaum zwanzig Jahren in dem auf dem Berliner Kongresse abzuschließenden Vertrage auch nicht dazu verstehen wollen, für Rumelien und Anatolien Reformen zuzugestehen, und Europa, das doch mitunter vor Pressionen nicht zurückscheut, lieh den Unterdrückten dennoch sein Ohr nicht. Seitdem bereitet sich die Türkei ohne Unterlass zum Kriege vor, der sie bei dieser Sachlage doch schließlich selbst vernichten wird. Man kann demzufolge wohl sagen, dass die Türkei den Albanesen aus freien Stücken nichts geben wird. Was Albanien braucht, muss es den Türken mit Gewalt abringen. Zunächst mag es das allerdings auf friedliche Weise fordern, muss aber schon seine Gewehre schußbereit halten. Wir glauben allerdings nicht, dass die Türkei dumm genug sein wird, es auf einen Krieg ankommen zu lassen. Denn die Zeiten sind vorbei, wo sie die Tosken auf die Ghegen loslassen und die Ghegen auf die Tosken hetzen konnte. Heute würden vielleicht nicht einmal die Türken, speziell die Türken Rume- SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) liens, auf die Albanesen schießen können. Würden denn, während sich die Türken mit den Albanesen herumschlagen, die übrigen Völker der Balkanhalbinsel fernstehende Zuschauer bleiben? Würden nicht auch sie sich erheben und ihre Ansprüche geltend zu machen wünschen? Mit Rücksicht auf diese schwerwiegenden Bedenken werden die Türken nicht wagen dürfen, die Arnauten mit Krieg zu überziehen. Aber auch einige von den Großmächten, denen ja eine Umwälzung auf der Balkanhalbinsel höchst unerwünscht wäre, würden sich einmengen und auf die Türkei im Sinne der Gewährung der albanesischen Wünsche einen Druck ausüben. Wenn aber weder die Türkei noch Europa die Forderungen der Albanesen beachten wollten, so würden diese ihnen drohend zurufen: ‘Wir sind bereit, im Bunde mit unseren kleinen Nachbarn die Türkei unter uns aufzuteilen und unser Albanien anderen Staaten zu überlassen." Mag das nun werden wie es wolle, jedenfalls wird man auf unsere Stimme hören und uns unsere Rechte geben. Man wird Albanien kennen lernen und es wird seine autonome Regierung bekommen. Wir wünschen, solange die europäische Türkei besteht, unter ihrer Souveränität zu bleiben und insolange sie nicht vernichtet und verjagt ist, wollen wir keineswegs und niemals von ihr getrennt werden. Aber alle Anzeichen sprechen dafür, dass die Türkei auf dem von ihr eingeschlagenen Wege nicht mehr weit kommen wird. Es ist klar, dass ihre Lebenstage als europäischer Staat gezählt sind. Was wird dann aus Albanien werden? Wird es auf eigenen Füßen stehen? Gut, aber auf welche Weise? Wie wird seine Autonomie aussehen ? sein oder wer dann ihr Staatsoberhaupt sein werde. Soll ein Arnaute es werden, so sind sämtliche Albanesen der Meinung, dass keine Familie im Lande so ehrwürdig und hochstehend sei, dass aus ihr das Oberhaupt entnommen werden könnte. Soll es ein Ghege sein, so wären die Tosken dagegen. Soll es ein Toske werden, so würden die Ghegen dies nicht zugeben. Käme ein Muslim in Betracht, so würden ihn die Christen nicht mit freundlichen Augen ansehen. Würde es ein Christ, so wären die Muslims nicht einverstanden. Käme ein Fremder aus Europa daher, so würde er Bälle, Theater und andere europäische Einrichtungen nach Albanien verpflanzen wollen, die nicht nur den arnautischen Muslims, sondern auch den Christen unsympathisch sind. Käme ein mohamedanischer Fürst ins Land, so brächte er einen Tross von Dienern, Sklavinnen und schwarzen Negern mit, welche zu ernähren und zu erhalten der Arnaute keine Lust hast. Wozu braucht Albanien an der Spitze seiner Regierung einen solchen Mann? Wozu sollen wir unserem Lande all die Kosten auferlegen, die ein solcher Fürst oder Padischah verursachen würde? Zudem würde er dadurch, dass er einzelne von uns bevorzugen und mit Ehren überhäufen würde, die übrigen beleidigen und ihre Charaktere verderben. Der große antike Historiker Strabo sagte vor 2000 Jahren bei Besprechung unserer Länder Folgendes: ‘Obwohl es hie und da einige Monarchien der Makedonien Illyrier und Epiroten gibt, so sind doch meistens ihre tatsächlichen Beherrscher und Grundpfeiler ihrer Verwaltungen die ‘Plakuni’ 17 genannten Ratsversammlungen der Alten; diese Körperschaften sind es, die in jenen Ländern die Regierungsgewalt innehaben.’ 7. Abschnitt. Albaniens Staatsoberhaupt. Die Fremden denken zuweilen und die Arnauten denken stets daran, wer nach Einführung der Autonomie ihr Fürst oder König 17 Pelagonen. SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Warum sollten wir nun diese so viele Jahrtausende alte, schöne Gepflogenheit aufgeben und einen fremden Mann suchen, der die Hälfte der Einkünfte Albaniens absorbieren und die vortrefflichen Charaktereigenschaften der Albanesen korrumpieren würde? Solch einen Mann brauchen wir doch nicht. Wir sollten vielmehr von jenen ‘Plakunis’ Strabos niemals abgehen. Diese ‘Pleksia’, die Ratsversammlungen der Alten, müssen wir beibehalten. Albaniens Oberhaupt soll die ‘Pleksia’ sein ; die ‘Pleksia’ soll für immer die Regierungsgewalt ausüben. 8. Abschnitt. Albaniens Einteilung. Da Albanien gegen Osten hin Gegenden aufweist, die auch von anderen Nationen bewohnt sind und wir nicht wissen, welche dieser Nationalitäten sich uns anschließen würden und welche nicht, so können wir derzeit noch nicht bestimmen, wie weit sich das autonome Albanien erstrecken, wieviele Sandschaks es umfassen und nach welchem Schlüssel die Einteilung in Sektionen vorgenommen zu werden hätte Immerhin können wir unserer Ansicht dahin Ausdruck geben, dass Albanien in 15 Sandschaks geteilt werden könnte, deren Namen folgende sind: Skutari, lpek, Prisren, Prischtina, Uesküb, Monastir, Dibre, Elbassan, Tirana, Berat, Kortscha, Kostur (Kastoria), Janina, Ergeri (Argyrokastro), Prevesa. Jedes dieser Sandschaks kann in 3 bis 4 Kazas geteilt und vom Mutessarif des Sandschaks verwaltet werden, die Kazas – abgesehen von dem Zentral-Kaza – durch die Kaimakams. Auf diese Weise wird es in Albanien 15 Mutessarifs und zirka 60 Kaimakams geben. Albaniens Zentrale, nämlich seine Hauptstadt, wird eine der in der Mitte Albaniens liegenden Kasbas werden. Am besten wäre es, im Mittelpunkte Albaniens, in klimatisch gesunder Lage an einem schönen Platze eine neue Kasba zu gründen. Diese Kasba, die wir ‘Skander Begas’ nennen könnten, wird nach einem schönen Plane mit breiten geraden Straßen, ordentlichen Gebäuden, Plätzen, Gärten und anderen nützlichen Dingen geschmückt werden. Binnen kurzem würde sie emporwachsen und gedeihen. Denn ganz Albaniens Reichtum und Gelehrsamkeit würde dort zusammenströmen und Lust bekommen, sich dort anzusiedeln. Diese neue Kasba wird auch für die alten Kasbas eine besondere Mission zu erfüllen haben. Da nämlich ihre Einwohnerschaft ein Mosaik sämtlicher Stämme Albaniens darstellen wird, so wird auch die dort gesprochene Sprache die Eigenheiten und Formen der Idiome aller Gegenden Albaniens zeigen und für die Sprache und Literatur des Landes das Vorbild und Muster abgeben. Diese Kasba und ihre Umgebung wird abgesondert und gleich einem Kaza verwaltet werden. 9. Abschnitt. Der Rat der Alten (Senat). Einer der aus jedem Sandschak hervorgehenden ‘Alten; wird in den Senatoren-Medžlis gewählt werden. Dieser aus 15 Senatoren bestehende Medžlis wird sich am Sitze der Zentralregierung versammeln und aus seiner Mitte einen 1. und 2. Präsidenten wählen. Der 1. Präsident wird sodann die Würde eines Fürsten oder Padischah in Albanien bekleiden. Er wird die den Herrschern zustehenden Funktionen ausüben; er wird die Anordnungen des Kabinettes, das ist des Minister-Rates, sanktionieren; der Präsident des Medžlis wird, sobald er es an der Zeit findet, eine ihm genehme Person zu sich bitten und sie mit der Bildung eines neuen Medžlis-Kabinettes betrauen. Er wird die Abgeordnetenversammlung eröffnen und die Eröffnungsrede halten. Überhaupt werden diejenigen Staatsaktionen, die in den anderen Staaten von den Herrschern ausgeübt werden, in Albanien dem Medžlis-Präsidenten zufallen. Nur wird er diese Aktionen nicht durchführen dürfen, ohne sich zuvor mit dem Medžlis ins Einvernehmen gesetzt und dessen Zustimmung eingeholt zu haben. Denn ein einzelner Mann SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) kann irren und einen Fehler begehen, aber 15 erfahrene Männer, die die Sache prüfen, werden nicht alle zusammen einen solchen Fehler machen. Wenn auch dem Medžlis-Präsidenten die dem Staatsoberhaupte gebührende Ehrfurcht und Ehrerbietung erwiesen werden wird, so werden doch nur jene seiner Staatsaktionen Rechtskraft besitzen, die vom ganzen Medžlis votiert und angeordnet werden. Wenn der 1. Präsident krank oder abwesend ist, so hat der 2. Präsident an seine Stelle zu treten und die Geschäfte zu führen. Die Mitglieder des Medžlis und die Präsidenten werden auf vier Jahre gewählt und alle zwei Jahre wird die Hälfte von ihnen ausscheiden. Dei 1. Präsident wird mit einem Teile und der 2. Präsident mit dem anderen Teile zugleich abtreten. Auf diese Weise wird der Medžlis niemals ohne Oberhaupt bleiben. Sollte der 2. Präsident zum 1. Präsidenten gewählt werden und er daher die Stelle des 2. Präsidenten nicht mehr bekleiden können, so wird für zwei Jahre ein anderer zum 2. Präsidenten gewählt werden. Jedem Senator wird ein Sekretär beigegeben werden und der Sekretär des 1. Präsidenten wird den Posten eines Chefsekretärs bekleiden. Die Sekretäre werden nicht zugleich mit den Senatoren ausgewechselt werden. Jedes Sandschak wird mit dem Senator, den es in den Medžlis entsendet hat, in ständigem Kontakte bleiben. Es wird seine anfälligen Klagen über Regierungsbeamte oder sonstige Beschwerden und anderweitige Anliegen an seinen eigenen Senator gelangen lassen. Die Sekretäre werden die bei ihnen einlangenden Gesuche in Evidenz halten, sie sorgfältig prüfen und dann werden diese Gesuche, nachdem der Senator sie mit seinem Sekretär zusammen studiert hat, dem Medžlis zur Beratung unterbreitet werden. Die vom Medžlis getroffene Entscheidung wird zum Zwecke der Durchführung der nötigen Maßregeln dem Premierminister oder dem kompetenten Ressortministerium zugemittelt werden. So wird zwischen Bevölkerung und Regierung ein Kontakt hergestellt werden, damit der Senatoren-Medžlis zu jeder Angelegenheit in gehöriger Weise Stellung nehme und niemandes Klage unberücksichtigt lasse. Der Senatoren-Medžlis wird sich in der Hauptstadt befinden und jeden Tag Sitzung halten; nur wird es den Senatoren gestattet sein, im Sommer zwei Monate - und zwar je einen Monat der einen Hälfte und einen Monat der anderen Hälfte sich in ihre Heimat zu begeben, teils um der Ruhe und Erholung zu pflegen, teils um an Ort und Stelle die lokalen Bedürfnisse zu studieren. Die in den Senatoren-Medžlis zu wählenden Personen, mögen sie nun lesen und schreiben können oder nicht, sollen die Achtung und Ehrfurcht der Bevölkerung, aus der sie hervorgehen, genießen und über dreißig Jahre alt sein. Der Senatorert-Medžlis wird darauf zu achten haben, dass die Medžlis-Abgeordneten hinsichtlich ihrer Beschlüsse stets die gebotene mäßigung beobachten und er wird auch auf die Erhaltung der völkischen Sitten bedacht sein. Indessen wird der Medžlis doch trachten, einige für die Jetztzeit doch zu rohen und heftigen Eigenheiten der Arnauten bis zu einem gewissen Grade zu mildern und zu zügeln. So oft Neuwahlen der Senatoren stattfinden, wird allen Einwohnern Albaniens, aus denen diese ja hervorgehen, die Möglichkeit geboten sein, in den Senat zu gelangen und die meisten der Senatoren werden ja auch in die Lage kommen, Präsidenten zu werden. Es wird sich also niemand beklagen können. Selbst diejenigen, die nicht lesen und schreiben können und daher unfähig sind, ihre Angelegenheiten selbst zu betreiben, werden in Albaniens höchsten Medžlis gelangen können und ihres Anspruches darauf nicht beraubt sein. SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) 10. Abschnitt. Die Deputierten-Kammer. 11. Abschnitt. Die Minister. Aus jedem Kaza werden zwei Mann zu Deputierten gewählt werden es wird somit auf je 20.000 Einwohner ein Abgeordneter entfallen. Es wird sich eine Deputiertenkammer von etwas über oder etwas unter hundert Mann am Sitze der Regierungsgewalt Albaniens auf einen Monat im Jahre versammeln. Die Gruppe der Minister, die innerhalb ihrer Ressorts Albanien durch Gesetze und lokale Verordnungen verwalten werden, also Albaniens Ministerrat, wird aus sieben Personen bestehen : Dem Minister für innere Angelegenheiten, dem Minister für auswärtige Angelegenheiten, dem Kriegs- und Marineminister, dem Justizminister, dem Finanzminister, dem Unterrichtsminister und dem Minister für öffentliche Arbeiten. Einer dieser Minister wird, sobald einmal Albanien ein autonomer Staat sein wird, als Ministerpräsident fungieren. Sie wird sich mit der Prüfung und Bewilligung des Budgets, sowie den öffentlichen Arbeiten zu befassen haben und über die dem Ministerrate und dem Senate zuzuweisenden Aufgaben beraten. Die Mitglieder der Deputiertenkammer werden auf vier Jahre gewählt und die Hälfte davon wird nach zwei Jahren ausscheiden. Das aktive Wahlrecht haben diejenigen, welche das 20. Lebensjahr erreicht haben, jährlich mindestens 5 Franken Steuer an die Regierung abführen, ein Haus oder sonstigen Besitz haben, oder Schulen absolvierten und lesen und schreiben können. Das passive Wahlrecht kommt jenen zu, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, mindestens 10 Franken im Jahre an Steuern zahlen, ein Haus oder Grund und Boden besitzen und Schulen höheren Grades, allenfalls eine Hochschule absolviert haben. Gesetze und Verordnungen, Steuervorlagen aller Art, Eisenbahnprojekte und andere großzügige Werke werden, nachdem sie im Ministerrate der Beratung unterzogen worden sind, dem Medžlis der Deputierten unterbreitet. Sobald sie im Medžlis der Deputierten approbiert und gebilligt worden sind, kommen sie vor den Medžlis der Senatoren. Sollte auch der Senat sie annehmen, so erhalten sie das Siegel des Präsidenten des Senates und werden an den Ministerrat zurückgeleitet. Sobald sich die Deputiertenkammer versammelt hat, wählt sie aus ihrer Mitte einen 1. und einen 2. Präsidenten. Wenn Albanien eine autonome Provinz der Türkei wird, so wird der aus Stambul für fünf Jahre nach Albanien entsendete. Generalgouverneur die Stelle eines Ministerpräsidenten einnehmen. Die hohe Pforte wird den Namen des Wali, den sie den Albanesen zu schicken willens ist, dem Senate bekanntgeben, welcher sofort die Deputiertenkammer einzuberufen hat. Im Falle diese beiden Medžlisse den Mann nicht akzeptieren, welchen die hohe Pforte den Arnauten senden will, so wird der Senatspräsident dies der hohen Pforte bekanntgeben, damit diese eine andere Persönlichkeit designiere. Jeder von den Ministern wird für die Ausübung der ihm übertragenen Funktionen, der Ministerpräsident oder Generalgouverneur aber wird für die Amtshandlungen sämtlicher Ministerien den Medžlissen der Senatoren und Deputierten gegenüber die Verantwortung zu tragen haben. Die Minister werden in jeder Woche ein- oder zweimal zusammentreten, um über ihre Aktionen zu beraten und jeder Minister wird jene Angelegenheiten, die nicht seiner eigenen Entscheidung zustehen, dem Ministerräte zur Besprechung zu unterbreiten haben. Der Ministerrat selbst wieder wird für gewisse wichtige Materien die Wohlmeinung des Senates einholen und erforderlichen Falles mit diesem gemeinsame Sitzungen halten und mit ihm zusammen beraten. SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) 12. Abschnitt. Militärische Angelegenheiten. Jeder Arnaute wird sich von seinem 20. bis zu seinem 40. Lebensjahre zum Militärdienste bereithalten müssen. Sobald er 20 Jahre alt ist, wird er auf bloß ein Jahr zum aktiven Heeresdienste herangezogen. Er wird in der seiner Heimat nächstgelegenen Kaserne bequartiert werden, Exerzieren und den soldatischen Dienst lernen. Im Falle er sich die notwendigen Kenntnisse schon vor Ablauf des Jahres angeeignet hat, wird er auf ein schriftliches, von seinem Kommandanten befürwortetes Ansuchen hin beurlaubt. Die aus dem aktiven Dienste, dem Nizamstande, Tretenden werden in die Landwehr (Redif) übersetzt. Die Redifs werden in drei Klassen eingeteilt. Die erste Klasse umfasst sieben Jahre, die zweite und dritte je sechs Jahre. Die erste Klasse wird einen Monat im Jahre, die zweite zwei Wochen, die dritte eine Woche in den Hauptort ihres Kaza einrücken und ihre Exerzitien dort zu wiederholen haben. Die Waffen und Monturen jedes Mannes werden in den Kasernen, mit Nummern versehen, aufbewahrt werden. Die Redifs können jederzeit, sobald es sich als notwendig erweist, unter die Waffen gerufen werden. Zunächst wird die erste, sodann die zweite, im Notfalle auch die dritte Klasse dorthin einberufen werden, wo man ihrer bedarf. Vom 40. bis zum 60. Lebensjahre ist jeder Arnaute Landsturmsoldat (Mustahfiz). In Kriegszeiten werden diese einberufen werden und zur Verteidigung des Landes berufen sein. Auf den beschriebenen Grundlagen wird der Heeresstand zu Friedenszeiten vielleicht 20.000 Mann nicht übersteigen, in Kriegszeiten aber wird er eine Heeresmacht von 500.000 Mann ergeben, die in vier Armeekorps eingeteilt sein werden. Das erste Armeekorps wird an der griechischen Grenze stehen, das zweite an der östlichen, das dritte an der nordöstlichen, d.i. serbischen, das vierte an der nordwestlichen, d.i. monte- negrinischen Grenze sich befinden. Janina, Monastir, Prischtina und Skutari werden die Hauptquartiere der Armeekorps sein. In jedem Sandschak wird ein General, d.i. Divisionskommandant, in jedem Kaza ein Bimbaschi, in jeder Nahije werden je nach Bedarf noch Subalternoffiziere sich befinden. Diese Kommandanten haben mit den Nizamtruppen nichts zu schaffen, da sie eigene Offiziere haben. Sie werden die Redifs zu bestimmten Zeiten Manöver abhalten lassen und sie werden darauf sehen, dass die Standeslisten und Register in Ordnung sind. Auch die Gendarmen werden unter ihren Befehlen stehen und wenn diese im Falle eines Aufruhres zur Wiederherstellung der Ordnung nicht ausreichen, so werden die Kommandanten sofort eine Klasse der Redifs oder die Redifs einiger Nahijen einberufen und mit diesen den Tumult dämpfen und die Aufrechterhaltung der Ordnung bewerkstelligen. Es wird auch eine Division Marinetruppen geben und man wird, um ausreichende Exerzitien abhalten zu können, einige Landsoldaten etwas länger bei der Fahne behalten. Auf dieselbe Art wird man auch Reiter und Kanoniere ausbilden. Die Seesoldaten werden auf Kriegsschiffen bequartiert werden und ihre Zentrale wird das bei Valona gelegene Souq Solimani (Paschalimani) werden. Von Olgun (Dulcigno) bis Salahora wird die Küste geschützt werden. 13. Abschnitt. Unterrichts-Verwaltung. Wenn es etwas gibt, auf das die Albanesen ihr ganz besonderes Augenmerk richten müssen, so ist das zweifellos der Unterricht. Es ist eine Notwendigkeit, dass in jedem Dorfe, oder für je 2 bis 3 Nachbardörfer je eine, in jeder Kasba je nach deren Größe auch mehr als eine Iptidaje-(Elementar-)Schule entstehe. SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Vom 7. bis zum 13. Lebensjahre werden die Knaben und Mädchen diese Iptidajé-Schulen besuchen müssen und es werden jene Väter und Mütter, die diesbezüglich gleichgiltig und nachläßig sind, Tadel und Strafe zu gewärtigen haben. Der Elementarunterricht wird unentgeltlich sein und die Unbemittelten werden auch die Bücher, Hefte und sonstigen Schreibmaterialien gratis erhalten. Im Hauptorte jedes Kaza werden sich außer je einer Rüsehdie(Fortbildungs-) Schule für männliche Lehrer und abgesondert für weibliche Lehrkräfte noch Idadie-(Mittel-)Schulen für Knaben und Mädchen befinden. An anderen Orten werden nach Maflßabe des Bedarfes Industrie- und Landwirtschafts-schulen errichtet werden. In der Hauptstadt Albaniens werden sich, abgesehen von Rüschdié- und Idadie-Schulen, auch eine Universität, eine Kriegsschule, eine Forst- und Montanschule und noch viele derartige Anstalten für Künste, Wissenschaften und Industrie befinden. Etwas später werden noch zwei Universitäten, je eine für das nördliche und das südliche Albanien, gegründet werden. Eine Marine-Schule wird sich an einem Orte der Meeresküste erheben, an dem sich Kriegsschiffe befinden, etwa in Dratsch (Durazzo) oder in dem bei Valona gelegenen Hafen Souqsu. Zur Abfassung und Herausgabe der nötigen Lehrbücher und zur Förderung der Entwicklung der Sprache wird in der Hauptstadt Albaniens ein wissenschaftliches Kollegium, eine ‘Akademie’, ins Leben gerufen werden. Es wird eine Staats-druckerei geben, in welcher die für die Schulen nötigen Lehrbücher, die der Verbreitung der Bildung und der Geistes-erleuchtung der Albanesen dienenden Zeitungen, periodischen Druckschriften und andere offizielle Publikationen, gedruckt werden. Mit Unterstützung und unter dem Protektorate des Unterrichtsministeriums werden gelehrte Gesellschaften gegründet werden, die sich mit Albaniens Geographie, seiner Geschichte, Geologie, dem Bergwesen und anderem beschäftigen werden. Jede dieser Gesellschaften wird ein- bis zweimal im Monate Revuen erscheinen lassen, die über Entdeckungen und Erfindungen berichten werden. In der Hauptstadt Albaniens werden noch zwei große Schulen sein: in der einen werden die europäischen Sprachen: Französisch, Englisch, Deutsch, Slawisch, Neugriechisch u.s.w., in der anderen : Altgriechisch, Lateinisch, Arabisch, Persisch, Sanskrit u.s.w. vorgetragen werden. An jeder dieser beiden Schulen wird ein Kollegium sein, das aus Personen bestehen wird, die dieser Sprachen mächtig sind und sie lehren werden; diese Personen werden über die erwähnten Sprachen Bücher verfassen, die dann in der Staatsdruckerei gedruckt werden. In der Staatsdruckerei werden die Lettern aller dieser Sprachen vorrätig sein. Auch ein öffentliches Museum wird sich in der Hauptstadt befinden, in das die Bilder und Statuen von albanesischer Herkunft und aus anderen Ländern, sowie Steininschriften und andere Überbleibsel aus der antiken Zeit Aufnahme finden werden. Die Direktion dieses Museums wird es sich auch angelegen sein lassen, die alten Kasbas zur Vornahme von Ausgrabungen auf ihrem Grund und Boden zu ermuntern und sie dabei unterstützen. Ferner wird ein naturhistorisches Museum geschaffen werden. Die Direktion dieses Museums wird auf die in allen Gegenden Albaniens vorfindlichen Tiere, Pflanzen, Mineralien, Geologie und Enterologie bezügliche Forschungen und Untersuchungen vornehmen. Die Direktionen der beiden Museen werden allmonatlich je eine Broschüre herausgeben, womit die durch solche Forschungen und Untersuchungen gewonnenen Kenntnisse sowie die einschlägigen, in Europa und den anderen Weltteilen SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) verfassten gelehrten Abhandlungen veröffentlicht und kundgetan werden. Man wird auch eine große Bibliothek schaffen, die sehr viele wichtige und nützliche Bücher in allen jenen Sprachen enthalten wird, die man in Albanien versteht. Mit Rücksicht darauf, dass in einigen Gebieten Albaniens außer dem Albanesischen auch noch andere Sprachen, wie das Bulgarische, Griechische, Walachische, gesprochen werden, können diejenigen, die diese Sprachen sprechen, in den Elementarschulen mit dem Albanesischen zusammen auch diese Sprachen lernen. Dagegen werden die Schulen höheren Grades und die Hochschulen rein albanesisch sein. Indessen können die Nicht-Albanesen, falls sie es wünschen, auch einige Schulen haben, in denen in ihrer Sprache gelehrt wird. Nur können diejenigen, die das Albanesische nicht lesen und schreiben können, weder irgend ein Staatsamt erlangen noch zu Medžlis-Mitgliedern gewählt werden. 14. Abschnitt. Öffentliche Arbeiten. Nach dem Unterricht werden die öffentlichen Arbeiten zu jenen größten Bedürfnissen gehören, auf die die Albanesen ihr ganz besonderes Augenmerk zu richten haben. Diese öffentlichen Arbeiten werden Albanien Wohlstand und Reichtum bringen. Straßen, Eisenbahnen, Hafenbauten, Strom- und Flußregulierungen, Bergbau und Forstwirtschaft sind die nötigsten und nutzbringendsten jener Werke, die die Arnauten – sobald sie erst Hände und Füße frei haben werden – schaffen müssen. Albanien könnte heute, wenn es eine geschickte und ehrliche Verwaltung gehabt hätte, im Hinblicke auf die Unmenge Geldes, die es unter dem Titel ‘Wege-Abgaben’ entrichtet hat, Chausseen aus Silber besitzen; nun wird es mit einem viel geringeren Kostenaufwande Straßen erhalten, die von Mensch und Tier gefahrlos und mühelos benützt werden können. Eine Eisenbahn wird – von Monastir ausgehend – nach Kortscha, dort sich gabelnd, einerseits Janina passierend nach Prevesa führen und dort endigen, andererseits über Berat und ‘Skander Bega’, die künftige Hauptstadt Albaniens gehen, dort ebenfalls abzweigen und einerseits nach Valona, andererseits nach Durazzo laufen und eine Trasse nach Elbassan haben. Eine andere Bahn wird ebenfalls von Monastir ihren Ausgang nehmen und nach Ochrida führen, von dort wird sie dem Flußlaufe des Drin folgen und einen Flügel nach Lesch (Alessio) und Skutari entsenden; der andere wird über Prisren gehen und via Ferisovic den Anschluss nach Österreich, via Salonik jenen an das türkische Bahnnetz erreichen. Diese Bahnen und einige Sekundärbahnen werden binnen kurzer Zeit, sei es durch ausländische Gesellschaften, sei es mit Hilfe einer Anleihe durch die albanesische Regierung selbst gebaut werden können und auf diese Weise wird viel Wohlstand und Kultur nach Albanien gelangen. Sodann kommt die Arbeit an die Reihe, die in der Ebene von Musaka vonnöten ist. Würden in dieser Ebene Regulierungen und Verbesserungen vorgenommen werden, so könnte sie nicht nur ganz Albanien ernähren, sondern außerdem noch für das Ausland eine Kornkammer darstellen. Die Verbesserungen in dieser Ebene aber hängen von der Regulierung der sie durchfließenden Wasserläufe des Semen, Berat, Devoli u.s.w. und von derjenigen der Flüsse Vojusa und Schkumbi ab. Die Flussbetten müssen ausgebaggert und an bestimmten Stellen müssen Stauwehren und Schleusen gebaut werden. An anderen Stellen wieder müssen Kanäle mit Schleusen angelegt werden, durch die die ganze Ebene bewässert werden kann. Derzeit nimmt die Musakija im; Winter infolge des Austretens ihrer Flüsse die Form eines riesigen Sees an, während sie sich im Sommer voll von Sümpfen und Tümpeln präsentiert. Würde die Ebene aber in der Weise, wie wir es beschrieben haben, SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) reguliert und verbessert, so wäre sie ein weites und breites Ackerland mit einem vortrefflichen Klima. Ihre Fruchtbarkeit ist so überaus groß, dass die Musakija, wenn sie entsprechend bewässert würde, ein zweites Ägypten werden könnte. Die Hügel der Musakjja können zu Gärten und Olivenhainen gestaltet werden; auf ihren Wiesen könnte soviel Vieh, Pferde, Rinder und Schafe ernährt werden, dass, nachdem Albanien damit versorgt ist, eine große Menge nach Europa ausgeführt werden könnte. Auch der Hafen von Durazzo – den Sultan Mahmud aus dem von seiner Ignoranz eingegebenen Beweggrunde, dass die Schiffe Venedigs nicht hineingehen sollten, sperren ließ – dieser schöne und geräumige Hafen Von Durazzo könnte durch Ausbaggerungsarbeiten ebenso wie Triest und Saloniki zu einem bedeutenden Handelsplatze gemacht werden. Außer diesem könnte auch noch das an der Küste des Adriatischen Meeres gelegene Butorino und ähnliche andere Häfen eröffnet und binnen kurzer Zeit emporgebracht werden. Es könnte eine Dampfschiffahrtsgesellschaft ins Leben gerufen werden, die von den Häfen Albaniens aus bis nach Triest, Italien und Griechenland fährt. Auf dem Skutari-, Ochrida- und PresbaSee und auf einigen noch zu regulierenden Flüssen; könnten kleine Dampfer und Schiffe verkehren. Das Ministerium für öffentliche Arbeiten wird auf diese Angelegenheiten, sowie auf Forstwirtschaft und Bergwesen sein Augenmerk zu richten haben. Die Waldparzellen werden nacheinander, partienweise, abgeholzt werden; in dem Jahre, wo die letzte Waldparzelle abgestockt wird, ist die zuerst niedergeschlagene wieder nachgewachsen. Auf diese Weise werden die Wälder stets in Ordnung, und groß sein. Nach den überall in Albanien vorhandenen Metallen wird geschürft werden. Ackerbau, Goldschmiedekunst und andere Handwerke werden vom Ministerium für öffentliche Arbeiten stets aufmerksam im Auge behalten und gefördert werden und es wird zu den obersten und wichtigsten Obliegenheiten dieses Ministeriums gehören, für die Schaffung und das Emporkommen von Industrieorten zu sorgen. Wolle, Baumwolle, Seide, Eisen, Nutzholz und andere im Inlande vorhandene Rohmaterialien sollen auch im Inlande verarbeitet und so soll das Bedürfnis verringert werden, die einschlägigen Waren aus dem Ausland einzuführen. 15 Abschnitt. Kultus. Albaniens Kultus-Angelegenheiten werden dem Unterrichtsoder dem Justiz-Ministerium unterstellt sein. Die Muslims werden einen Groß-Mufti, die orthodoxen Christen einen Exarchen, die Katholiken einen Erzbischof haben. Diese drei geistlichen Chefs werden sich mit den Kultusfragen der drei in Albanien vertretenen Konfessionen zu beschäftigen haben. Moscheen, Kirchen, Tekes,18 Klöster, Muftis, Imams, Priester, kurz alle geistlichen Personen und die kirchlichen Domänen und frommen Stiftungen der drei Glaubensbekenntnisse werden unter der Aufsicht der drei Chefs stehen und durch je zwei von den Chefs abhängige Medžlisse ordnungsmäßig administriert werden. Wenn auch die Rechnungsgebarung der religiösen Gemeinschaften der Überwachung und Kontrolle des Ministeriums unterstehen wird, so wird sich dieses dennoch nicht in die rein kirchlichen Dinge einmengen; die religiösen Angelegenheiten werden ausschließlich Sache der erwähnten Medžlisse sein. Das eine der jedem geistlichen Chef unterstehenden Medžlisse wird nur aus geistlichen Personen, wie Muftis, Ulemas, 18 ’Teke’ ist ein mohammedanisches Kloster. SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Müderissen 19 ), Derwischen, Bischöfen, Priestern und anderen Leuten zusammengesetzt sein, der andere wird gemischt sein und aus geistlichen und weltlichen Elementen bestehen. Die erste Kommission wird sich mit den rein kirchlichen Angelegenheiten und der frommen Literatur befassen, die zweite, nämlich die gemischte Kommission, mit der Verwaltung der Moscheen, Kirchen, der frommen Stiftungen u.s.w. und der Rechnungsgebärung abgeben. Ein Teil der Mitglieder dieser beiden Medžlisse wird von den respektiven geistlichen Oberhäuptern ausgewählt und vom Kultusministerium bestätigt werden, den anderen Teil wird die Bevölkerung zu wählen haben. Obwohl den geistlichen Chefs, also dem Ober-Mufti, dem Exarchen und dem Erzbischof, die größte Achtung und Verehrung gezollt werden wird, so wird es ihnen doch nicht gestattet sein, sich in andere Dinge als ihre religiösen Angelegenheiten einzumengen. Die Ulemas, Derwische und Priester werden in den Moscheen, geistlichen Seminarien und Kirchen ihre Predigten abhalten und dort den Religions-unterricht erteilen dürfen, sie werden sich aber jeder Ingerenz auf den Schulunterricht zu enthalten haben. Die sich ausschließlich in Albanien vorfindenden Bektaschis 20 werden einen an einem bestimmten Orte Albaniens residierenden Chef-Baba bekommen. Dieser Chef-Baba wird von den anderen Babas gewählt und eingesetzt werden. Ihm wird ein Medžlis unterstehen, der aus den anderen Babas und Derwischen 19 ’Müderis’ ist ein Professor der muslimischen Theologie 20 Bektaschis sind eine von Hadschi Bektasch in der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts gegründete muslimische Sekte mit etwas freieren Ansichten - als die der Strenggläubigen. Ihre Priester heißen ‘Baba’ (Vater). zusammengesetzt sein und sich mit den Angelegenheiten der Tekes und religiösen Orden befassen wird. Sämtliche sonstigen Glaubensbekenntnisse werden in Albanien volle Religionsfreiheit genießen. Die Juden. Protestanten u.s.w. werden gleichfalls ein der Oberaufsicht des Kultusministeriums unterstehendes geistliches Oberhaupt haben. Religion und Glaube sind jedes Menschen: Gewissensache; niemals darf ein Mensch sieh das Recht anmaßen, einen anderen Menschen zu zwingen, an eine Religion zu glauben oder eine religiöse Handlung zu vollziehen. Die geistlichen Beamten, Ulemas und Priester, dürfen ausschließlich durch Worte und gute Werke das Volk auf den richtigen Weg führen und auch das nur innerhalb der Moscheen, Tekes und der Kirchen; außerhalb dieser wird es ihnen, verboten sein, für Religion und Glauben zu agitieren. Niemand darf gezwungen werden, für religiöse Werke und heilige Stätten Geld zu geben; jedermann soll nur das geben, was er eben aus freien Stücken geben will. 10. Abschnitt. Finanz-Ministerium. Abgesehen von dem, was gestohlen und geraubt wird oder sonstwie nutzlos verloren geht, zieht die türkische Regierung heute aus den vier Wilajeten, die Albanien bilden, in der Form von Steuern nahe an drei Millionen Pfund heraus. Es ist kein Zweifel, dass die meisten dieser Steuern drückend sind. Die Schafsteuer und einige andere drückende und ungerechtfertigte Steuern müssten notwendigerweise ermäßigt werden. Dagegen gibt es viele andere Dinge, die heute 'nutzlos und brach liegen, Wälder, Bergwerke und andere Quellen des Reichtums, die nach gehöriger Exploitierung große Staatseinnahmen ermöglichen würden. Wenn sich eine gerechte und geordnete Verwaltung ihrer annehmen wollte, so könnte sie ganz gut eine noch SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) höhere Summe als die oben erwähnte als Albaniens Jahreseinkünfte erzielen. Wie die Sachen heute stehen, müssen wir aber jenen Betrag, nämlich die Jahreseinnahmen von drei Millionen französischer Goldstücke, als Leistungs maximum betrachten. Wenn einmal Albanien auf eigenen Fußen steht, wird es als allererstes nötig haben, schöne Münzen zu prägen, das heißt ordentliches Geld herzustellen. Eine Goldlira wird in zwanzig Teile – die Franken – und ein Stück davon in hundert Teile – Centimes – geteilt werden. Es wird auch Halbe, Viertel, Achtel und Zehntel von Goldliras geben. Die Franken werden aus Silber sein, ebenso die Zweieinhalb- und Fünffrankstücke. Die halben und Viertelfranken, also die 50-und 25-Centimesstücke, werden gleichfalls aus Silber sein, die 5-, 10- und 20-Centimesstücke werden aus Nickel geprägt. Aus diesen Münzsorten wird Albaniens Geld bestehen. Die Grundlage des Münzwesens und sein Wertmesser bleibt die Goldlira. Mit Silber- und Nickelgeld werden kleinere Beträge gezahlt werden und um mit dem Werte der Goldlira die Proportion nicht zu stören, wird dessen Menge eine beschränkte sein. Was die Türkei anbelangt, so kann der Kurs des SilberMedschidiés im Verhältnis zur Goldlira mit Rücksicht auf dessen übergroße Häufigkeit nicht gehalten werden. In der Hauptstadt Albaniens wird eine Nationalbank gegründet werden. Diejenigen, welche nicht wissen, wo und wie sie ihr Geld verstecken sollen, und es, abgesehen davon, dass es keine Zinsen trägt, auch meistens einbüßen, werden ihr vorhandenes Bargeld dieser Bank, die unter Garantie des Staates von diesem geleitet wird, mit vollster Sicherheit anvertrauen. Die von der Regierung eingehobenen Steuern werden gleichfalls, statt in entlegenen Depots verwahrt zu werden, sofort an die Bank abgeführt werden. Die Nationalbank wird in jedem Sandschak und, wenn nötig, in jedem Kaza eine Filiale haben und auf diese Weise wird überall in Albanien eine Bank vorhanden sein und niemand sich der Mühe unterziehen müssen, sein Geld in der Tasche oder im Portefeuille mit sich herumzutragen. Die Bank wird jedermanns Kassier sein. Die Bank wird, indem sie das vom Staate und von der Bevölkerung übernommene Geld nutzbringend verwertet, dem Nationalwohlstande und der Staatswohlfahrt gute Dienste leisten. Sie wird das in Empfang genommene Bargeld aufbewahren und dafür Papiergeld, nämlich Banknoten, ausgeben und das Kapital wird nicht unfruchtbar und zinsenlos bleiben. Oftmals wird die Beamtenschaft eines Staates durch zwei Dinge verdorben: durch zu hohen Gehalt, der dem Übermut und dem Laster die Tore öffnet, und durch zu geringen Gehalt, der zu Diebstahl und Bestechlichkeit verleitet. Daher sollen in Albanien die Gehälter weder zu hoch noch zu niedrig sein. Eine beiläufige Vorstellung von der Höhe der Monatsbezüge der Beamten kann man sich nach der Tabelle machen, die wir hier als Beispiel eingeschaltet haben. Auf diese Weise wird der ganze jährliche Kostenaufwand zwei Millionen Pfund nicht übersteigen und es wird nahezu eine Million Pfund übrig bleiben, welcher Betrag für Eisenbahnen und Chausseen, Hafenbauten und andere öffentliche Arbeiten und für den Bau von Kriegsschiffen und Handelsdampfern wird verwendet werden können. In dem Maße, als diese öffentlichen Arbeiten ihren Fortgang nehmen, werden auch von Jahr zu Jahr die Einkünfte Albaniens steigen und es wird der Tag kommen, wo die Regierung allein mit den Zolleinnahmen und den indirekten Steuern ihr Auslangen finden und wo der bedauernswerte Bauer für seine Person, sein Vieh, seine Äcker und Häuser von den drückenden Steuern befreit werden und erleichtert aufatmen wird. Dann werden die SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Arnauten gleich den heutigen Amerikanern wie im Paradiese und glücklich leben. Die albanesischen Münzen werden auf der Aversseite einen Adler mit halb ausgebreiteten Flügeln, unter ihm einen Stern als Albaniens Symbol, an den Seiten des Vogels den Namen Albaniens und unter den Füßen des Vogels die Jahreszahl eingeprägt tragen; auf der Reversseite der Münzen wird innerhalb eines Kranzes von Zweigen und Blüten der Betrag und die Benennung der Münzsorte eingraviert sein. 17. Abschnitt. Albaniens Munizipien. Die glücklichsten Länder der Welt sind diejenigen, welche die Hand der Regierung, nämlich deren Einmischung, am wenigsten fühlen. So weit es irgend möglich ist, muss die Regierung vermeiden, in direkte Berührung mit dem Volke zu kommen. Daher muss es gute, geordnete Munizipien geben. Eine andere Art der Verwaltung soll man in Albanien nicht kennen. Die Munizipien sollen das Bindeglied zwischen Regierung und Volk sein. Die Munizipien werden die Steuern einheben und sie an die Regierung abführen. Kleinere Rechtssachen werden die Munizipien zu entscheiden haben. Sie werden die Verbindungsstraßen zwischen den Dörfern bauen, sie werden die Gassen der Kasbas in Ordnung halten. Die Elementarschulen, Jahrmärkte und ständigen Märkte, die Lieferungsarbeiten für Dörfer und Marktflecken, die Forste, öffentlichen Gärten und Gemeindewiesen werden unter der Oberaufsicht der Munizipien stehen. In jeder kleinen Kasba wird sich eine, in den großen Kasbas werden sich zwei oder auch mehr Munizipal-Sektionen befinden. Einige Ortschaften, die einander sehr nahe liegen, werden ein gemeinsames Munizipium bilden und auf diese Weise wird jedes Kaza in lauter Munizipien zerfallen. Jedes Munizipium wird einen Gemeinderat haben. Diese Körperschaften werden aus Leuten bestehen, die das zwanzigste Lebensjahr erreicht haben, jährlich mindestens fünf Franken Steuer an den Staat entrichten, Grundbesitz haben oder lesen und schreiben können. Dieser Gemeinderat wird einmal im Jahre zusammentreten und ein Oberhaupt des Munizipiums oder einen Müdir der Nahije, einen Vorstand-Stellvertreter oder Reis-i müawen und drei Mitglieder für einen Munizipal-Ausschuß, ferner einen Vorsitzenden, einen 2. Vorsitzenden und drei Mitglieder für ein Friedensgericht wählen. Die Namen der Gewählten werden dem Kaimakam des Kaza bekanntgegeben werden, welcher, sie sogleich an den Mutessarif des Sandschaks weiterleiten wird, der sie zu bestätigen und zurückzusenden hat. Unter der Aufsicht des Munizipalitätschefs werden die Waldund Straßen-aufseher, die Steuereinnehmer und Gendarmen der Nahijen stehen. Die Steuern der Einwohner werden von den Munizipien vermittelst der Steuerbeamten und wenn nötig unter Gehdarmerieassistenz eingehoben und an die Sahdschakzentrale abgeführt werden. Kleine Rechtssachen, bei denen es sieh entweder um Streitigkeiten beim Handelsbetriebe oder um Übertretungen handelt, werden von den Friedensgerichten der Munizipalsektionen entschieden, die aber mit Zustimmung beider Streitteile auch größere Rechtshändel schlichten werden. Auf diese Weise werden die Munizipien sich mit allen Arbeiten befassen. Die Bevölkerung wird eine andere Verwaltung als die durch von ihr selbst gewählte Munizipien gar nicht kennen. Was die Regierung anbelangt, so wird sie sich um andere Dinge als die großen, der Allgemeinheit zugute kommenden Werke nicht zu kümmern haben. Die Munizipien wieder werden jene Arbeiten, die sie nicht selbst durchführen, den Kaza-Zentralen überweisen SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Die Munizipien werden von den Gebäuden, den Äckern, den Gärten, den Forsten, den Märkten, dem Handel und Wandel und anderen Dingen Spezialsteuern einheben. Diese Steuergelder werden eine spezielle Verwendung finden, aus ihnen werden die Kosten der Munizipal-Verwaltungen bestritten, die Feldhüter u.s.w. bezahlt werden. Rückblick. Aus all dem von uns Gesagten lässt sich sehr gut erkennen, auf welche Weise Albanien verwaltet werden kann und welch herrliches Land es unter einer solchen Verwaltung werden könnte! Innerhalb einer kurzen Zeit kann es eines der schönsten Länder Europas und der ganzen Welt werden. Mit dieser Regierungsform wird Albanien binnen kurzer Frist das aufgeweckteste und zivilisierteste Volk des Erdballes sein und all diese Arnauten, die seit Jahrhunderten in Knechtschaft, Armut und Elend schmachten, werden wie reiche und glückliche Menschen leben können! Was muss diese bedauernswerte Nation tun, um aus dem Unglück, in das sie verstrickt ist, herauszukommen und sich von den Gefahren, die sie umringen, zu befreien? Sehr wenig ist dazu nötig: nur Entschlossenheit und fester Wille! Unser Wollen genügt; wenn wir es wollen werden, so brauchen wir nur so vorzugehen, wie wir es beschrieben haben und wir werden Albanien aus den Gefahren und dem Unglück erretten. Es ist in unsere Hand gegeben, Albanien zu retten oder zu vernichten; und da wir Arnauten das eben in der Hand haben, müssen wir bedenken, dass es ein sehr großer Fehler wäre, die Hände in den Schoß zu legen und nichts zu tun! Wir würden unser Vaterland mit eigener Hand töten; denn es retten können und nicht retten, heißt: es mit eigener Hand töten. Da dem nun so ist, was müssen wir tun? Jeder Arnaute muss Tag und Nacht, jederzeit, das Heil Albaniens und den Fortschritt seiner Nation im Geiste und im Herzen tragen. Wodurch geschieht das? Es geschieht so, dass jeder Arnaute wünscht, dass die Albanesen in Einigkeit und Eintracht leben. Alle Arnauten sind Brüder; in ihren Adern fließt das gleiche Blut. Es gibt nicht Muslims und Christen, es gibt nur Arnauten. Sie alle sind Arnauten, mögen ihre Glaubensbekenntnisse welche immer sein. Sie müssen einander als Brüder ansehen, einander von Herzen und von ganzer Seele lieben. Die Albanesen waren Arnauten, bevor sie Christen und Muslims wurden; daher wird jeder Arnaute, der aufrichtig und ehrlich Albaniens Heil wünscht, jederzeit sein Volkstum über seinen Glauben stellen, denn seine Brüder sind nicht seine Glaubensgenossen sondern seine Stammesgenossen. Die wahren Arnauten sind in anderer Art Brüder untereinander. Ihre Brüderlichkeit soll so innig und stark sein, dass nichts sie entzweien und keinerlei Zwietracht zwischen ihnen platzgreifen kann. Wenn es zwischen Freimaurern und Bektaschis Brüderlichkeit gibt, so müssen sich auch die Arnauten ihrer befleißen. Jeder, der von Arnauten abstammt und albanesisch spricht, ist ein Arnaute. Ein wahrer Arnaute aber ist jener, der mit dem Verstande und dem Herzen ein Arnaute ist. Diese Arnauten, die wir als die wahren Arnauten bezeichnet haben, sind in Wahrheit echte Albanesen; sie lieben ihre Sprache und ihr Volkstum und arbeiten für das Heil ihres Vaterlandes. Wenn alle Arnauten oder die meisten solche echten Arnauten sein werden, dann wird man sagen können, dass Albanien so gereift und seinen Gefahren entronnen sein wird, wie wir es wünschen. Daher muss jeder Arnaute zunächst selbst ein ‘echter Arnaute’ sein oder sich selbst zu einem echten Arnauten machen; sodann muss er die anderen auf den rechten Weg führen und so nach und nach einer den anderen zu ‘arnautisieren’ und zu echten Arnauten zu machen sich bemühen. SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Heute gibt es sehr viele Arnauten, man kann sagen, neunzig vom Hundert, die weder im Verstande noch im Herzen Albanesen sind; denn sie wollen von ihrer Nation nichts wissen und sprechen ihre Sprache nicht. Sie lesen und schreiben ihre Sprache nicht, ja, einige schämen sich sogar, das Arnautische zu sprechen. Wenn es aber solche Elenden gibt, die sich schämen, Albanien ihre Mutter zu nennen, so wird sich Albanien noch mehr schämen zu zeigen, dass es solche Kinder besitzt! Das albanesische Volk ist kein solches, dem anzugehören man sich schämen müsste. Es ist im Gegenteil eine große Ehre, einem Volke anzugehören, das so mutig und klug ist Wenn unser Volk zurückgeblieben ist, so liegt der Fehler nicht in ihm, sondern in uns. Wenn unsere Sprache bis jetzt ohne Schrift sich behelfen musste, so ist nicht etwa ihre Untauglichkeit oder Mangel an Wohlklang daran schuld, sondern unsere Indolenz und Saumseligkeit. Nicht in unserem Volkstum und Idiom liegt der Fehler, sondern in uns. Wir sind Europas ältestes, tapferstes und klügstes Volk. Wir sind vom Stämme der Arban, sprechen die älteste und schönste Sprache. Diejenigen sind törichte und dumme Verräter, die nicht Sprache und Volkstum voranstellen, denen ihre eigene Sprache nicht gefällt und die sich nicht scheuen, als ihre Umgangssprache die türkische, griechische, slawische und andere zu bezeichnen. Das Vorhandensein solcher Leute ist für Albanien und das arnautische Volk ein großer Schandfleck. Welch große Schmach für einen Arnauten, in dessen Adern das Blut Skander Begs und seiner Gefährten rollt, seine eigene Nation und Sprache zu verachten, eine fremde Sprache vorzuziehen und sich zu bemühen, sie an die Stelle des Arnautischen zu setzen! Diese Leute sehen darauf, dass ihre eigenen Kinder und Enkel nicht albanesisch reden lernen und sich ja nicht als Arnauten bezeichnen. Es ist eine große Schande für Albanien, dass eine solche verhängnisvolle Nachkommenschaft entsteht. Es ist eine Schmach, dass es auf Erden solche Menschen gibt! Ist ein solcher Mensch minder schlecht und erbärmlich, wie jemand, der seiner Mutter nicht Liebe und Ehrfurcht erweist, sie in eine Ecke stößt und sich schämt, sich als ihr Sohn zu bekennen? Solcher Leute Existenz ist für unser Vaterland ein gewaltiger Schandfleck! Nirgends auf Erden außer in Albanien gibt es solche giftige Früchte! So viele reiche Albanesen geben ihr ganzes Vermögen für den Fortschritt fremder Nationen her, die die Feinde ihres eigenen Volkes sind; sie haben Millionen geopfert, um ihre eigenen Stammesgenossen und Nachkommen das Albanesische vergessen zu machen und sie dahin zu bringen, dass sie sich nicht Arnauten nennen! Diese sind keine Feinde; sie sind um vieles schlimmer als solche. Die Sprache hat kein Wort dafür, um diese verfluchten und schmutzigen Verräter zu kennzeichnen. Arnauten sind sie nicht, eine andere Nation sind sie auch nicht. Einige sind Jezids (Verräter), sie sagen, die Arnauten seien Türken; andere sind verworfen, sie sagen, die Albanesen seien Griechen; noch andere wieder sagen, die Arnauten seien Slawen! O, welch schweres Wort ist das doch für die Zunge des Arnauten! O, wie können sie ein solches Wort nur aussprechen! Solche Leute sollte es in Albanien nicht geben und auch nicht auf Erden! Solche Verräter sind zu schwer für den Boden und der Boden kann sie nicht tragen. Weg mit ihnen, sie sollen nicht sein! Es ist nötig, dass jeder wahre Arnaute darauf sehe, dass diese Verfluchten bei keinem Arnauten eine Heimstätte finden, denn solche Leute bringen Albanien und den Arnauten Schaden und Schande! Kurzum, jeder Albanese muss zunächst aus sich selbst einen echten Arnauten machen und sodann nach besten Kräften trachten, die anderen aufzuklären. Er muss darauf sehen und darnach trachten, dass die albanesische Sprache SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) vorwärtskomme und sich ausbreite, das heißt, dass das Lesen und Schreiben unserer Sprache und mit dieser Kunst und Wissenschaft verallgemeinert werden. Er muss daran arbeiten, dass sein Volk eines der zivilisiertesten und erleuchtetsten Völker werde. Wenn wir alle uns dieser Arbeit eifrig unterziehen, so wird, da ja unser Volk von Natur aus klug und aufgeweckt ist, es binnen kurzer Zeit zu Europas zivilisiertesten und erleuchtetsten Völkern gehören. Welche Nation könnte sich auch mit einem Volke messen, das ein altes Volk, Europas ältestes Volk ist, mit einem Volke, das in Jahrtausende alten Traditionen beharrte, die aus den Zeiten der mythischen Pelasger stammen, mit einem Volke, das, trotzdem es so alt ist, jetzt doch ein junges Volk wird, da es nun erst anfängt, in die Zivilisation einzutreten, mit einem so klugen und fähigen Volke, einem Volke, das einen so vollendeten Kopf, einen so regelmäßigen Körperbau besitzt, wie ihn keine andere Nation aufzuweisen hat, mit einem Volke, das eine so reiche, volltönende, schöne und leichte Sprache besitzt, die es von seinen Müttern erlernt hat? Auf, Arnautenhelden, arbeiten wir! Wenn wir es wollen, wenn wir, uns Mühe geben, so werden wir eines von Europas besten und erleuchtetsten Völkern werden und alle glücklich sein können. Vorwärts! Lässt uns nicht im Schlummer des Elends und der Unwissenheit verbleiben! Denn wenn wir darin bleiben, so gehen wir zugrunde. O weh, welch große Sünde, welch schwerer Fehler! Heute noch würden wir durch ihn verloren sein! Heute, wo selbst die schwächsten Völker erwachen und Fortschritte machen, heute sollten die Albanesen, die seit soviel Jahrhunderten so furchtbare und wüste Zeiten durchgemacht haben, untergehen ? Ein Volk, das soviel Verstand und eine so schöne Sprache besitzt, sollte dadurch in Unwissenheit verbleiben, dass es diese Sprache nicht schreibt? Ein so tapferes und sein Blut durchaus nicht schonendes Volk soll von schwachen und furchtsamen Völkern zerstückelt werden? Wir haben Verstand, wir haben Mut, wir haben eine süße und leichte Sprache und sollten von diesen Mitteln keinen Gebrauch machen oder keinen Gebrauch zu machen verstehen? Wir sollten mit gebundenen Armen dastehen oder – und das wäre das fürchterlichste – selbst an unserer Vernichtung arbeiten und gleich den Blinden durch unsere Unwissenheit unsere Nation in die Grube reißen? Sind wir nicht Arnauten? Unsere Religion, unser Glaube unsere Aufmerksamkeit, unsere Wünsche, unser Verstand, unsere Gedanken; alles muss einzig auf das Heil Albaniens und der Arnauten gerichtet sein. Wir müssen unsere Sprache vorwärts bringen, ihr Verbreitung schaffen, sie verschönern; die Schrift mit Kunst und feiner Sitte schmücken! Wir müssen Schulen eröffnen, wir müssen Unterricht erteilen, es darf keinen ungebildeten Arnauten geben, er soll lesen und schreiben können. Die fremden Schulen müssen wir aufheben und unser Vaterland mit albanesischen Schulen füllen. Unsere Kinder müssen wir binnen kurzer Zeit lesen und schreiben und das Nötigste in den Künsten und Wissenschaften lehren. Sobald sie die Sprache können, lernen sie in kurzer Zeit lesen und schreiben und auf diese Weise wird für das Kind auch die Zeit kommen, wo es Künste und Wissenschaften erlernen kann. Die Hirten, Bauern und Handwerker werden nicht unwissend bleiben. Wir haben ein Recht auf diese Dinge und man hat uns unsere geheiligten Rechte entrissen, indem man uns hindert, diesen Weg des Rechtes zu gehen und auf ihm zu arbeiten. Nun ist es unsere Pflicht, mit dem Worte und der Tat, mit dem Munde, der Hand, der Feder und dem Schwerte zu trachten, uns dieser tyrannischen Faust zu entwinden, die uns unserer geheiligten Rechte beraubt hat. SPIN source text on the history of cultural nationalism in Europe www.spinnet.eu Source: Sami Bey Frascheri, Was war Albanien, was ist es, was wird es werden? (trl. A Traxler; Wien: Hölder, 1913) Wir wünschen nicht, fremden Besitz anzutasten, wir wollen nur nicht, dass uns unser eigener Besitz und unser klares Recht gewaltsam vorenthalten werden. Für unser Recht, für unser Volk, für die Wohlfahrt unserer Nation wollen wir kämpfen. Diejenigen, welche uns auf unserem geheiligten Wege aufhalten und uns hindern wollen, ihn zu wandeln, werden wir vernichten, erdrücken, zermalmen und beiseiteschieben. Das sind unsere Ziele! Das sind unsere Wünsche! Das ist unsere Religion unser Glaube! Alle Jene, die sich dem Dienste unserer Bestrebungen widmen, sind unsere Brüder! Unter den wahren Arnauten gibt es keine Spaltung keine Zwietracht, keine Heuchelei, keinen Unterschied! Alle sind Brüder, alle haben einen Körper, einen Geist, eine Seele, einen Glauben! Wir wollen unsere Stimmen erheben, wir wollen rufen; auch die zivilisierten Völker sollen uns hören, sie sollen uns helfen, das ‘geheiligte Recht’, das wir wünschen, von dem Räuber zu erlangen. Wir fürchten uns vor nichts. Wir werden kämpfen, bis wir erreicht haben, was wir anstreben. Wir wollen nicht schweigen. Wir sind aufrichtig, Allah ist stets der Helfer der Aufrichtigen. ‘Allah selbst ist die Aufrichtigkeit.’ Holla, arnautische Brüder! Wir wollen nicht wie jene wilden Völker sein, die von Europäern, welche sich in die Einöden Australiens und Afrikas begeben, mit einigen aus Blech, Glas und dergleichen Stoffen angefertigten Kinderspielzeugen betrogen und denen dafür ihre Ländereien aus den Händen gerissen werden. Wir lassen uns nicht wie diese mit ähnlichen Dingen, wie derlei Blechund Glassachen betrügen. Wir lassen die klaren Rechte unseres Vaterlandes und unserer Nation nicht in den Händen der Fremden und der Feinde. Wir wollen das Joch zerbrechen, das seit Jahrhunderten schwer auf uns lastet. Wir wollen die Ketten zerreißen, die unsere Füße umschließen. Wir wollen den ‘Alp’ von uns abschütteln, der uns niederdrückt, zerquetscht und nicht Atem schöpfen lässt. Wir wollen nicht träge und untätig bleiben. Wir wollen unsere Hände und Füße rühren, wir wollen uns bewegen, wir wollen uns schütteln. Mit Gott und dem Recht wollen wir frei unseren Weg gehen. Gott, das Recht, das Volk, die Sprache, Albanien, das Arnautentum! 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