Grundlagen der Tourismuswirtschaft, Kurseinheit I
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Grundlagen der Tourismuswirtschaft, Kurseinheit I
MBA-Fernstudienprogramm Modul A 06/I Grundlagen der Tourismuswirtschaft Tourismusmanagement Knut Scherhag Prof. Dr. Knut Scherhag Professor für Destinationsmanagement an der Fachhochschule Worms, Fachbereich Touristik / Verkehrswesen Schwerpunkte in der Lehre: • • • Markenbildung touristischer Destinationen Destinationsmanagement als Kooperationsmanagement Marktforschung Schwerpunkte in der Forschung: • • Profilbildung für touristische Destinationen Struktur- und Organisationsentwicklung Scherhag, Knut: Grundlagen der Tourismuswirtschaft; Tourismusmanagement; Fernstudienprogrammes, Modul A06/I; Koblenz 2014 Schriften des MBA- 2014 Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen – ZFH 1. Auflage 2014 / D1.14 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung und des Nachdrucks, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Text, Abbildung und Programme wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet. Das MBA-Fernstudienprogramm und die Autorinnen und Autoren können jedoch für eventuell verbleibende fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische noch irgendeine andere Haftung übernehmen. Herausgeber: MBA-Fernstudienprogramm Prof. Dr. Thomas Mühlencoert / Prof. Dr. Rüdiger Falk (Studiengangsleitung) Fachbereich Betriebs- und Sozialwirtschaft Hochschule Koblenz, RheinAhrCampus Joseph-Rovan-Allee 2 • 53424 Remagen Vertrieb: Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen - ZFH - Koblenz Leiter: Prof. Dr. Ralf Haderlein Anschrift: Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen - ZFH Konrad-Zuse-Straße 1 • 56075 Koblenz • Tel.: 0261/91538-0 Titelgestaltung: MBA-Fernstudienprogramm Einleitung I Einleitung Die Tourismuswirtschaft wird dem tertiären Sektor, dem Dienstleistungssektor, zugerechnet. Die Bruttowertschöpfung der Tourismuswirtschaft in Deutschland betrug im Jahr 2012 rund 97 Milliarden Euro, was einem Anteil an der gesamten Wertschöpfung der deutschen Volkswirtschaft von 4,4 % entspricht (direkter Effekt). Dieser Wert ist vergleichbar mit dem Baugewerbe (4,3 %) oder dem Erziehungs- und Unterrichtswesen (je ca. 4,6 %) und deutlich höher als die Anteile von Automobilindustrie (2,3 %) oder Finanzwirtschaft (2,5 %). Rechnet man die induzierte Wertschöpfung – Effekte durch die Verausgabung der 97 Milliarden Euro in Deutschland – hinzu, ergibt sich eine Summe von ca. 214 Milliarden Euro, die der Bruttowertschöpfung in Deutschland durch den Tourismus zugerechnet werden kann, was wiederum einem Anteil von 9,7 % an der Bruttowertschöpfung in der Bundesrepublik Deutschland entspricht. 1 Diese Leistungen werden von rund 2,9 Millionen Erwerbstätigen erbracht, was einem Anteil von 7 % der Erwerbstätigen in Deutschland entspricht. Rechnet man die Beschäftigten bei den inländischen Anbietern touristischer Vorleistungen hinzu, wird ein Anteil von 12 % (ca. 4,9 Millionen Erwerbstätige) an der Gesamtbeschäftigung in Deutschland erreicht. 2 Vor diesem Hintergrund sind ein entsprechendes Fachverständnis und eine entsprechende Ausbildung notwendig, damit adäquat auf die Anforderungen und Bedürfnisse der Konsumenten – im Jahr 2012 ca. 54 Millionen Urlaubsreisende 3 – reagiert werden kann. In diesem Lehrbrief werden die einzelnen Branchensegmente vorgestellt und ihre Bedeutung innerhalb der Tourismusbranche Herausgestellt. Darüber hinaus werden Interdependenzen zwischen den Branchensegmenten verdeutlicht. 1 2 3 vgl. BMWi 2012: 4 ebenda vgl. Schrader/Sonntag 2013 Lernziele III Lernziele Nach dem Studium dieses Moduls sollen Sie - wissen, was Tourismus ist, und die Marktstrukturen in der Tourismuswirtschaft kennen. - einen Überblick über die Angebotsseite der Tourismuswirtschaft haben. - einen Überblick über die unterschiedlichen Marktteilnehmer haben. - das Zusammenwirken einzelner Branchenelemente und die Vielschichtigkeit in der touristischen Angebotsgestaltung verstehen. - einen Einblick in die Tourismuspolitik in Deutschland haben. 1.1 Erklärungsgegenstand des Tourismus 1 1 Grundlagen des Tourismus In diesem Kapitel erhalten Sie einen grundlegenden Überblick über die Merkmale des Tourismus und seiner Bestandteile. Es werden die konstituierenden Merkmale der touristischen Leistung dargestellt, die in den weiteren Kapiteln vertieft wird. 1.1 Erklärungsgegenstand des Tourismus Als Erklärungsgegenstand des Tourismus wird die Reise angesehen. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob die Reise aus privaten Gründen durchgeführt wird oder ob es sich um eine beruflich bedingte Reisetätigkeit handelt. Hinsichtlich der mit der Reise verbundenen Bedürfnisse und Reisemotiven sowie den Anforderungen an die touristischen Dienstleister gibt es natürlich eine Reihe von Unterschieden, die in den folgenden Kapiteln betrachtet werden. Nach der Definition der Welttourismusorganisation ist Tourismus… …ein gesellschaftliches, kulturelles und wirtschaftliches Phänomen, welches sich mit der (vorübergehenden) Reise von Menschen in Länder oder Orte außerhalb ihres gewohnten Umfeldes zu privaten oder geschäftlichen Zwecken befasst. 4 Die Reise wird üblicherweise in mehrere Phasen unterteilt. Die wesentlichen sind (vgl. Abbildung 1-1): • • 4 zu Hause: Hier werden Informationen über eine geplante Reise zusammengetragen und Entscheidungen für eine Reiseform, ein Reiseziel usw. getroffen; es wird Reiseausstattung (z. B. Bekleidung, Sportgeräte, Lebensmittel…) gekauft; ebenso gehört hier die Nachbereitung der Reise hin, d. h., die Aufarbeitung und Bewertung des Erlebten sowie das „darüber kommunizieren“, sei es in persönlichen Gesprächen oder über Social-Media-Plattformen. Unterwegs: Unter diesen Punkt fällt die Strecke von zu Hause in das Urlaubsdomizil, also die Nutzung aller Verkehrs- und Transportmittel, Welttourismusorganisation 2013 “Tourism is a social, cultural and economic phenomenon which entails the movement of people to countries or places outside their usual environment for personal or business/professional purposes. These people are called visitors (which may be either tourists or excursionists; residents or non-residents) and tourism has to do with their activities, some of which imply tourism expenditure.” 2 Grundlagen des Tourismus • aber auch die Verpflegung unterwegs (z. B. in Raststätten, bei Zwischenübernachtungen oder im Flugzeug); „Unterwegs“ kann auch als zentraler Inhalt der Reise angesehen werden (z. B. Rundreise; Fahrradtour, Sonderform: Kreuzfahrt…). „die Fremde“: Hier werden alle Erfahrungen und Aspekte zusammengefasst, die am Reiseziel gesammelt bzw. beachtet werden, also die Unterkunft, die Nutzung von Freizeitangeboten usw. Diese Phase ist in der Regel die wichtigste bei der Bewertung des Urlaubes. Abbildung 1-1: Der Erklärungsgegenstand des Tourismus (Quelle Freyer 2011b: 5) Aus dieser groben Beschreibung lassen sich unterschiedliche Reisearten und -formen ableiten, die sich aufgrund der folgenden konstituierenden Merkmale des Tourismus unterscheiden 5: Verlassen des gewöhnlichen Aufenthaltsortes und Rückkehr In dem Begriff „Tourismus“ ist Reise – die Rundreise oder die Hin- und Rückreise – enthalten. Touristische Reisen sind stets mit einer baldigen Rückkehr zum Ausgangspunkt verbunden, in der einfachsten Form das Verlassen des Heimatortes und der vorübergehende Aufenthalt am Urlaubsort oder Reiseziel (die Fremde). Bei der Rundreisen können es auch mehrere Zielorte sein, dann wird die (Rund-)Reise zum eigentlich Zweck. Nicht geklärt ist, ab welcher Entfernung von einer Reise gesprochen werden kann. Anstelle einer präzisen Bestimmung der Entfernung wird allgemein vom „Verlassen des gewöhnlichen Aufenthaltsortes” gesprochen – aber auch hier kann diskutiert werden, was der „gewöhnliche Aufenthaltsort“ ist. Heutzutage arbeiten viele Menschen nicht (mehr) dort, wo ihr(e) Lebenspartner(in) und/oder Kinder leben. Die damit verbundenen Fahrten (bzw. Mobilitäten) zählen nicht zum Kern des Tourismus. 5 vgl. Freyer 2011b: 3f. 1.1 Erklärungsgegenstand des Tourismus 3 Vorübergehend Der Zeitaspekt ist für die Reise von großer Bedeutung. Es geht um das vorübergehende Verlassen des gewöhnlichen Aufenthaltsortes. Die übliche Zeitspanne bewegt sich zwischen einem Tag und einem Jahr 6. Reisen ohne Übernachtung werden als Ausflugsverkehr, Reisen mit ein bis drei Übernachtungen als Kurzreisen bezeichnet. Reisemotive Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts 7 wurde das Reisen zu einer Freizeitbeschäftigung, zunächst mit Erholungs- zunehmend auch mit Vergnügungscharakter. Da sich mit der daraus entstehenden Nachfrage rentable Geschäfte machen lassen, hat sich hierfür ein eigener Wirtschaftsbereich, die Tourismuswirtschaft, entwickelt. Zum modernen Tourismus werden neben der Freizeit- und Vergnügungsreise ebenfalls die geschäftlich motivierte Reise – die über eine deutlich längere Tradition (z. B. Handelsreisen der Römer, Phönizier oder im Mittelalter) verfügt – sowie Kuraufenthalte und Verwandten- und Bekanntenbesuche gezählt. Letztere sind statistisch schwer erfassbar, da sehr häufig die Gastfreundschaft der Besuchten in Anspruch genommen wird. Hinsichtlich der Art der Reise überwiegt die privat motivierte Reise mit 79 % aller Reisen in Deutschland deutlich gegenüber der beruflich induzierten Reise. 8 Allerdings sind Geschäftsreisende in der Regel häufiger, wenn auch kürzer als der Urlaubsreisende unterwegs. So sind beruflich motivierte Reisen sowohl für Reiseveranstalter und -mittler als auch für Beherbergungs- und Verkehrsunternehmen wirtschaftlich von Bedeutung, da diese Unternehmen mit gezielten Angeboten und Geschäftsmodellen auf die Bedürfnisse von Geschäftsreisenden eingehen können. Abzugrenzen von touristischen Aktivitäten sind jene der Einwohner innerhalb ihres Gemeinde-/städtischen Umfeldes zu Freizeitzwecken, da sie sich nicht außerhalb ihres gewohnten Arbeits-/Wohnumfeldes bewegen. Bspw. gehört der Besuch des Zoos in der eigenen Stadt oder ein Einkaufsbummel nicht zum Tourismus (vgl. Abbildung 1-2). Eine Unterscheidung zwischen Tourismus und Freizeitaktivitäten ist insofern von Bedeutung, da es zunehmend zu einer gemischten Nutzung der Infrastruktureinrichtungen kommt und eine Diskussion auf kommunaler Ebene über die Kostenträgerschaft entsteht. Andererseits kann die touristische Infrastruktur zur Steigerung der Lebensqualität in den Tourismusorten beitragen. 6 7 8 vgl. Welttourismusorganisation 1993 Seit 1873 wurden im Deutschen Reich Urlaubsregelungen für Staatsbeamte und in der Privatwirtschaft geschaffen. So gewährte bspw. Siemens seinen höheren Angestellten bereits 1873 zwei Wochen Urlaub im Jahr. Ca. 2/3 der Angestellten und fast alle Beamte erhalten bereits vor dem 1. Weltkrieg einen Urlaub von ein bis zwei Wochen im Jahr. – vgl. Schneider 2001: 37 vgl. BMWi 2012: 4 4 Grundlagen des Tourismus Abbildung 1-2: Abgrenzung des Tourismusbegriffs (Quelle Bieger 2010: 35) Aus ökonomischer Sicht kann der Erklärungsgegenstand des Tourismus grob in drei Bereiche aufgeteilt werden, die letztendlich aber nicht völlig Überschneidungsfrei sind: • • • Tourismus/Reise als Konsum: hierunter sind alle freizeitmotivierten Reisen und Reisebestandteile (z. B. Buchung eines Flugtickets, Hotelübernachtung…) zu subsumieren. In diesem Bereich kann eine vielschichtige Betrachtung aufgrund unterschiedlicher Reiseanlässe/-inhalte oder -motivationen erfolgen: so unterscheiden sich Kurreisen deutlich von einer Skireise oder der Verwandtenbesuch von einer Erholungsreise. Reisen als Investition: hierunter werden alle Bestandteile einer Reise/der Reiseorganisation verstanden, die dazu dienen, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, also mit einer Erwerbstätigkeit verbunden sind. Während die beiden erstgenannten Bereiche die Perspektive der Nachfrager betrifft, beschäftigt sich der dritte Bereich mit der Anbieterseite im Tourismus, also allen Unternehmen, Betrieben und Organisationen, die entsprechende Dienstleistungen zur Verfügung stellen und in der Regel an die Nachfrage der Reisenden verkaufen. Betrachtet man die Vielzahl an Einflussfaktoren auf den Tourismus wird häufig von einem System „Tourismus“ gesprochen. Es soll verdeutlichen, dass Tourismus bzw. die Tourismuswirtschaft von unterschiedlichen Bereichen beeinflusst wird, diese sich aber auch gegenseitig beeinflussen können. Das touristische Angebot kann dann auch als Reaktion auf wirtschaftliche, soziale, gesell- 1.1 Erklärungsgegenstand des Tourismus 5 schaftspolitische Einflüsse verstanden werden (vgl. Abbildung 1-3). Demzufolge kann die Angebotsgestaltung im Tourismus als Reaktion auf den Wohlstand einer Gesellschaft, ihres politischen Grundverständnisses, die Einstellung der Gesellschaft gegenüber den verschiedenen Reiseformen, den Bedürfnissen des Individuums, welche es mit Reisen verbindet, interpretiert werden. Touristisches Grundmodell Abbildung 1-3: Das touristische Grundmodell nach Freyer (Wabenmodell) (Quelle. Freyer 2011a: 46) Gleichzeitig ist festzuhalten, dass das Wabenmodell in Abbildung 1-3 „erweiterungsfähig“ ist. So können weitere für die Entwicklung des Tourismus bzw. touristischer Produkte bedeutsame Waben ergänzt werden. Bspw. spielt die Europäische Union für die europäische Tourismusentwicklung eine wesentliche Rolle (einheitliche EU-Gesetzgebung). Aber auch technologische Neuerungen können die Branche wesentlich beeinflussen. So hat sich die Branchenlogik aufgrund der sozialen Netzwerke und der Bewertungsplattformen stark verändert. Das sich daraus ergebenden Kommunikationsverhalten muss berücksichtigt werden, es ist eine deutlich schnellere Reaktion bspw. auf Kundenbeschwerden notwendig. Der systemische Kontext wird durch verschiedene Darstellungsformen zum Ausdruck gebracht. Dabei spielt auch die Perspektive des jeweils im Vordergrund stehenden Branchensegments eine Rolle. So werden die Faktoren aus Sicht von Beherbergungsbetrieben oder Reiseveranstaltern unterschiedlich bewertet. Nachfolgend (Abbildung 1-4) wird das System Tourismus nach Kaspar, einem der Pioniere der tourismuswissenschaftlichen Forschung, kurz erläutert. Dieses Modell stellt den Tourismusort als Kristallisationspunkt der touristi- 6 Grundlagen des Tourismus schen Nachfrage 9 in den Mittelpunkt der Betrachtung. Das örtliche Angebot ist demnach ausschlaggebend für die Reiseentscheidung, die touristische Produktentwicklung richtet sich nach diesem (ursprünglichen) Angebot 10 sowie den Bedürfnissen der Reisenden. Das sich daraus ergebende Subsystem Fremdenverkehr wird von externen Faktoren, ähnlich den im Modell nach Freyer dargestellten Elementen, beeinflusst. Abbildung 1-4: Struktur des Fremdenverkehr nach Kaspar (Quelle Kaspar 1996: 12) Im Strukturmodell wird statt Tourismus der Begriff „Fremdenverkehr“ verwendet. Letzterer ist ein spezifisches deutschsprachiges Wort und wurde seit Beginn des 19. Jahrhunderts verwendet. Beide Begriffe werden heute synonym verwendet 11, vor allem vor dem Hintergrund, dass es keinen äquivalenten englischen Begriff gibt. Ein weiterer spezifischer deutschsprachiger Begriff ist Touristik, der ebenfalls seit dem Ende des 19. Jahrhundert verwendet wurde. Auch hier gibt es kein englischsprachiges Äquivalent. Die ursprüngliche Wortbedeutung lag darin, dass Touristik als die geschäftsmäßige Beschäftigung mit dem Thema Reisen durch Reiseveranstalter und -mittler, in erster Linie durch die Pauschalreisen, verstanden wurde. Heute ist dieser Begriff ebenfalls durch Tourismus ersetzt worden. 9 10 11 vgl. Kaspar 1996: 70 vgl. Abbildung 2-1 z. B. Freyer 2011a: 7 f. 1.1 Erklärungsgegenstand des Tourismus 7 Ein weiterer grundlegender Bestandteil des Tourismus ist die Auseinandersetzung mit fremden Kulturen im Sinne von Berücksichtigung der fremden Kulturen. Der Fokus liegt dabei einerseits auf den Bereisten, also den fremden Kulturen, die während der Reise besucht werden. Auf der anderen Seite werden die fremden Kulturen aus der Gastgebersicht betrachtet, da Gäste mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund unterschiedliche Reisemotive und Ansprüche an die touristischen Dienstleister haben. Als weitere Dimension wird von einer Urlaubskultur gesprochen, die sich sehr vielschichtig ausdrücken kann: Hintergrund dieses Begriffs ist, dass sich das Verhalten der Reisenden in der Fremde zum Teil deutlich von dem Verhalten im gewohnten Kulturkreis/Umfeld unterschiedet (z. B. höheres Anspruchsdenken, höhere Ausgabebereitschaft, ausgeprägtere Wegwerfmentalität…). In Abbildung 1-5 ist der Zusammenhang der unterschiedlichen Kulturen skizziert. Es wird verdeutlicht, dass die Kultur aus der Quellregion derjenigen der Zielregion gegenübersteht, wobei es durchaus Überschneidungen geben kann. Diese beiden Aspekte werden von der Dienstleistungskultur in beiden Regionen unterstützt. Daraus kann sich eine unterschiedliche Erwartungshaltung ergeben: Der Reisende erwartet die von zu Hause gewohnten Standards, obwohl die Servicementalität in der Zielregion eine andere ist; der Dienstleister im Zielgebiet dagegen ist der Ansicht, einen hervorragenden Service geleistet zu haben. Die Ferienkultur steht dafür, dass die beteiligten Kulturen, in erster Linie aber die der Reisenden, sich während der Reise gegenüber dem Gewohnten verändert. Der Reisende hat oft einen höheren Anspruch, da er ja bezahlt. Andererseits sind die Reisenden oft großzügiger im Umgang mit Geld. Auf der anderen Seite versuchen die Dienstleister ihr Verhalten auf die Serviceerwartung der Reisen anzupassen, u. a. in der Hoffnung auf großzügigere Trinkgelder. Dieses Verhalten führt dann oft dazu, dass auf Klischees zurückgegriffen wird, da keine substantiellen Kenntnisse über die Erwartungen der Anderen bestehen. Abbildung 1-5: Vier-Kulturen-Modell im Tourismus (Quelle Thiem 1994) 8 Grundlagen des Tourismus 1.2 Erscheinungsformen des Tourismus Generell werden die Erscheinungsformen des Tourismus im Zusammenhang mit der Reisedauer, den Reisezielen und auch den Reiseinhalten abgegrenzt. Unstrittig werden dem Tourismus der vorübergehende Ortswechsel mit Übernachtung(en) zugeschrieben, unabhängig davon, ob es sich um Geschäftsreisen oder privat motivierte Reise handelt. Zur Bewertung entsprechender Pauschalreisen dient als gesetzliche Grundlage der „Reiserechtparagraph“ §651 BGB. 12 Bei den Übernachtungsreisen wird folgende Unterscheidung getroffen: • Eine Kurzreise hat die Dauer von 2-4 Tagen. • Die Kurzreise zeichnet sich durch eine Dauer von 2-4 Tagen (= 1-3 Übernachtungen) aus. Als Sonderform wird in diesem Zusammenhang oft noch die Wochenendreise genannt, die gegenüber der Kurzreise noch weiter verkürzt ist (1-3 Tage, bzw. 1-2 Übernachtungen). Demgegenüber weist die Urlaubsreise mindestens eine Dauer von fünf Tagen/vier Übernachtungen auf. Derzeit liegt die durchschnittliche Dauer der Urlaubsreise der deutschsprachigen Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland bei 12,6 Tagen, Inlandsreisen sind durchschnittlich etwas kürzer, Auslandsreisen dementsprechend länger. 13 Ebenfalls zum Tourismus werden Tagesreisen (= Reisen ohne Übernachtungen) gezählt, wobei hier die Abgrenzung zum Freizeitverkehr nicht immer möglich ist. Geschäftsreise können von der Reisedauer her in alle drei Kategorien eingeordnet werden, als wesentlicher Unterschied gilt hier, wie bereits erwähnt, die Reisemotivation, bzw. der Reiseanlass. domestic tourism outgoing tourism incoming tourism Eine weitere Unterscheidung bei den Erscheinungsformen des Tourismus ergibt sich aus der Herkunft der Reisenden bzw. den Reisezielen. So wird zunächst zwischen nationalem und internationalem Tourismus unterschieden. Der nationale Tourismus wird dann wiederum in Inlandstourismus – also Reisen im eigenen Land (auch domestic tourism) – und Auslandsreisen der Inländer (outgoing tourism) unterschieden. Letztere sind in der Schnittmenge zum internationalen Tourismus zu finden, zu dem ergänzend die Reisen der Ausländer in das Inland (incoming tourism) gerechnet werden (vgl. Abbildung 1-6). Alle drei großen Reisendengruppen haben einen Einfluss auf die Volkswirtschaft. Darüber hinaus sind im internationalen Tourismus noch eine Vielzahl von Akteuren – sowohl auf der Anbieter- als auch Nachfragerseite – vorhanden, die auf die nationale Volkswirtschaft keinen Einfluss haben. Trotzdem sind auch diese Akteure von Bedeutung, wobei das Branchensegment hier eine wesentliche Rolle spielt. So können ausländische Unternehmen eine Verschärfung des Wettbewerbes im Inland bedeuten (z. B. Reiseveranstalter, Hotelketten, Fluggesellschaft…), wenn neue Konkurrenten in den Markt eintreten. Auf der ande12 13 Siehe hierzu ausführlich Kapitel 5.2.3, S. 92 Schrader/Sonntag 2013 1.2 Erscheinungsformen des Tourismus 9 ren Seite können bisher nicht betrachtete Märkte im Zuge der Marktentwicklung für inländische Unternehmen an Relevanz gewinnen. Hier ist Potenzial für eine internationale Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen der Tourismusproduzenten. Werden neue Zielgebiete erschlossen, sind diese ebenfalls für die Reisenden von Interesse. Abbildung 1-6: Abgrenzung nationaler und internationaler Tourismus mit Einfluss auf die Volkswirtschaft (Quelle Mundt 2013: 7 nach WTO 1994) Bei der Reisemotivation wird häufig zwischen der Weg-von- sowie der Hinzu-Motivation gesprochen. Krippendorf hat festgestellt, dass der reisende Mensch eine „Mischfigur“ ist, die je nach Stimmung unterschiedliche Reisemotive und -anlässe als wichtig oder unwichtig in der aktuellen Entscheidungssituation ansieht. 14 Er bestätigt bei seinen Betrachtungen als grundlegende Reisemotive die Hin-zu- sowie die Weg-von-Motivation, wobei er die empirisch gestützte Meinung vertritt, dass letztere bei weitem überwiegt. Der Hin-zu-Motivation – dem expliziten Wunsch, eine neue Kultur, ein neues Land kennen zu lernen und sich bereits im Voraus auf die dort zu erwartende Kultur vorzubereiten – wird eine deutlich geringere Bedeutung beigemessen, als der Weg-von Motivation: 15 Das Interesse, den gewohnten Alltag zu verlassen, hat einen höheren Einfluss auf die Reiseentscheidung als das Interesse an den besuchten Regionen und den Menschen, die dort wohnen. Ergänzt wird diese Haltung durch die Ich-Betonung („Ich möchte mich erholen“, „Ich möchte jetzt was erleben“, …). Gerade in der heutigen Zeit mit zunehmendem Stress im Alltag, im Berufsleben usw. ist die Suche nach dem Gegenalltag – also der 14 15 vgl. Krippendorf 1996: 52 ff. vgl. Hahn/Hartmann 1973: 6 Weg-vonReisemotivation Hin-zuReisemotivation 10 Grundlagen des Tourismus Suche nach dem nicht üblichen, im Gegensatz zu dem was man täglich erlebt – stark ausgeprägt. Der Reisende sucht im Urlaub oft das, was er im Alltag nicht hat. 1.3 Tourismus-Produzenten Betrachtet man die Anbieterseite im Tourismus, ist schnell ersichtlich, dass es sich nicht um einen einheitlichen Wirtschaftsbereich handelt. Vielmehr entstammen die Produzenten der touristischen Leistungen unterschiedlichen Branchen, teilweise sind deren Leistungen nicht unmittelbar zur Befriedigung der touristischen Nachfrage entstanden. Vor diesem Hintergrund lassen sich nach Freyer drei Dimensionen der tourismusabhängigen Leistungserstellung abgrenzen, im Wesentlichen sind hier die Ausrichtung des Produzenten sowie die Nachfragerseite von Bedeutung (vgl. Abbildung 1-7): 16 • • • Typische Tourismuswirtschaft oder Tourismuswirtschaft im engeren Sinne (i. e. S.). Er umfasst all Betriebe und Organisationen, die typische Tourismusleistungen erbringen, also Leistungen, die in direktem Zusammenhang mit der Reise stehen und daher für Reisende unmittelbar erstellt werden. Ergänzende Tourismuswirtschaft: Fast ausschließlich Betriebe, die in ihrer Gesamtheit nicht dem Tourismus, sondern den verschiedensten anderen Wirtschaftsbereichen zugerechnet werden, sich aber auf Tourismusleistungen spezialisiert haben. Neben der touristischen Produktion werden von diesen Betrieben weitere Produkte und Dienstleistungen hergestellt, die nichts mit dem Tourismus direkt zu tun haben. Touristische Randwirtschaft (Folgewirtschaft, untypische oder mittelbare Tourismuswirtschaft): Betriebe, deren Produkte bzw. Dienstleistungen nach Art der Produktion keine (typischen) Tourismusleistungen darstellen. Ihr Absatz ist grundsätzlich an alle Nachfrager, egal ob Reisende oder nicht, gerichtet. Der Absatz erfolgt in einem wesentlichen Umfang an Touristen; häufig sind diese Betriebe vom Tourismusaufkommen abhängig. Bspw. gibt es in Tourismusorten häufig mehr Bäcker/Bäckereien, als zur Versorgung der Einwohner notwendig wären. Betrachtet man die Wertschöpfungskette im Tourismus (siehe Abbildung 1-8), können in Bezug auf die direkte Wertschöpfung vier Branchensegmente unterschieden werden, die jeweils eigenen Regeln und Gesetzen unterliegen. Während Reisemittler ihre Kernkompetenz in der Vermittlung von durch Reiseveranstalter erstellten Pauschalreisen und Einzelleistungen von Leistungsträgern – hier vor allem Tickets der Beförderungsunternehmen, Hotelleistungen, zuneh16 vgl. Freyer 2011a: 126 ff. 1.3 Tourismus-Produzenten 11 mend auch Versicherungsleistungen rund um das Reisen – an den Touristen sehen, ist die Kernkompetenz des Reiseveranstalters, die reiserelevanten Einzelleistungen zu einem Gesamtpaket zu bündeln und dieses dem Endverbraucher anzubieten. 17 Die Verkehrsträger verkaufen ihre Platzkontingente an Reiseveranstalter oder an den Individualreisenden und führen die Beförderung durch. 18 Typische Tourismuswirtschaft (Tourismuswirtschaft im engeren Sinne) Ergänzende Tourismuswirtschaft Touristische Randwirtschaft (Folgewirtschaft, untypische oder mittelbare Tourismuswirtschaft) Typische Tourismusbetriebe, die typische touristische Leistungen anbieten, welche ausschließlich von Touristen nachgefragt werden. Untypische Tourismusbetriebe haben sich mit typischen touristischen Leistungen auf die Nachfragergruppe der Touristen spezialisiert. Beispiel: - Beherbergungsbetriebe - Reiseveranstalter - Reisemittler - Tourismusorganisationen - Incoming-Agenturen -… Beispiel: - Verlage Reiseführer - Fahrzeugbau Spezialfahrzeuge (Wohnmobile, Caravans…) - Eventorganisationen Veranstaltungen für Touristen -… Untypische Tourismusbetriebe haben sich mit untypischen touristischen Leistungen auf die Nachfragergruppe der Touristen spezialisiert. Beispiel: - Bäcker im Zielgebiet - Sportlehrer/Trainer Kurse für Touristen in Zielgebieten - Gastronomie in Zielgebieten -… Abbildung 1-7: Die Tourismuswirtschaft (Quelle vgl. Freyer 2011a: 131) Das Zielgebiet setzt sich wiederum aus einem ursprünglichen und einem abgeleiteten Angebot zusammen. 19 Während das ursprüngliche Angebot all diejenigen Faktoren umfasst, die zur Ausstattung der jeweiligen Region – und somit des Zielgebietes – gehören, um dort leben zu können, umfasst das abgeleitete Angebot vor allem Infrastruktur- und Angebotselemente die erstellt und entwickelt wurden, um Touristen vor Ort bedürfnisorientierte Beschäftigung während ihres vorübergehenden Aufenthaltes zu ermöglichen. 20 17 18 19 20 vgl. Kapitel 5.2, S. 89 vgl. Kapitel 4.2, S. 71 vgl. Freyer 2011: 123, Scherhag 2013b vgl. Kapitel 2.1, S. 27 12 Grundlagen des Tourismus Reisemittler • Reisebüro • Online-Vertrieb Abbildung 1-8: Reiseveranstalter (auch Incoming Agentur) Verkehrsträger • Luft • Schiene • Straße • Wasser Zielgebiet Ursprüng- Abgeliches leitetes Angebot Angebot Wertschöpfungskette im Tourismus (Quelle. Scherhag 2013a: 27) Aus Sicht des Reisenden bestehen ebenfalls unterschiedliche Anforderungen an diese Segmente der Wertschöpfungskette. So wird vom Reisemittler eine kompetente Beratung erwartet, die in einer oder mehreren Empfehlung(en) mündet, wo der Kunde den Urlaub seiner Vorstellung auch erleben kann. Hierzu gehört auch die Unterstützung eines geeigneten Reiseveranstalters. Vom Reiseveranstalter wird eine pannenfreie und der versprochenen Qualität entsprechende Reisedurchführung/-organisation erwartet. Die Verkehrsunternehmen sollen den Reisenden sicher (mit seinem Gepäck) transportieren – dieser Aspekt wird bei der Pauschalreise nicht explizit nachgefragt, da er Bestandteil des Reisepaketes ist. Das Zielgebiet soll möglichst alle notwendigen Einrichtungen und Angebote bereitstellen, die der potenzielle Gast ggf. nutzen möchte. Hierzu gehört vor allem die Bereitstellung geeigneter Unterkunftsangebote, die bei der Pauschalreise allerdings Bestandteil des Reisepaketes sind. Ein weiterer relevanter Aspekt des Tourismus ist die Organisationsform der Reisen. Dabei wird zwischen organisierten und selbst arrangierten Reisen unterschieden. In Abbildung 1-9 ist die Verteilung zusammengefasst. Anzumerken ist zu dieser Abbildung, dass die Kategorisierung nicht ganz trennscharf ist: So spricht man von Bausteinreise bereits, wenn Buchungen einer Leistung über eine Buchungsstelle erfolgen. Inhaltlich kann diese Reisebuchung aber auch der selbst arrangierten Reise zugesprochen werden, die eine Einzelleistung, bspw. ein Flugticket oder auch eine Hotelübernachtung sein kann. Wäre dies der Fall, wäre das Verhältnis von organisierter Reise zu selbst arrangierter Reise 46,4 % (30,2 Mio. Reisen) zu 53,6 % (34,8 Mio. Reisen). Hinsichtlich der Veränderung im Buchungsverhalten ist erkennbar, dass sowohl der Bereich der Pauschalreise als auch das Segment der Reisenden, die ohne vorausgebuchte Leistungen den Urlaub antreten, rückläufig sind. Die Buchung von Einzelleistungen – sei es direkt oder über eine Buchungsstelle – hat demgegenüber zugenommen. Dies deutet bereits auf ein sich veränderndes Buchungsverhalten hin. Im Kapitel zur Reiseveranstaltung wird die Bedeutung der Bausteinreisen ausführlicher behandelt. 1.4 Dienstleistungscharakter des touristischen Produktes Abbildung 1-9: 1.4 13 Organisationsformen von Reisen (Quelle. von Dörnberg/Freyer/Sülberg 2013: 42) Dienstleistungscharakter des touristischen Produktes Touristische Produkte werden aufgrund ihrer charakteristischen Beschaffenheit den Dienstleistungen zugerechnet. Viele der mit Dienstleistungen verbundenen konstituierenden Merkmale sind ebenfalls ein Merkmal der touristischen Produkte. 21 • • 21 Immaterialität: Die touristischen Leistungen sind überwiegend immateriell, d. h. man kann sie weder sehen noch fühlen, sie aber auch nur schwer beschreiben. Eine objektive Überprüfung der Qualität ist im Voraus nicht möglich. Mit der Immaterialität sind weitere Merkmale des touristischen Produktes unmittelbar verbunden. Nichtlagerfähigkeit: Touristische Leistungen können nicht gelagert werden und zu einem späteren Zeitpunkt mit einer höheren Nachfrage verkauft werden. Da die Kapazitäten in der Regel begrenzt sind, ist es für die Anbieter touristischer Leistungen notwendig, in Abhängigkeit Ausführlich hierzu z. B. Freyer 2011b: 64ff.; Bieger: 2007: 11 f. 14 Grundlagen des Tourismus • • • • der zu erwartenden Nachfrage einen möglichst ertragsoptimalen Preis zu kalkulieren. Ein zu einem Zeitpunkt x nicht belegtes Hotelzimmer oder auch nicht genutzter Sitzplatz in einem Zug/Flugzeug kann nicht „eingelagert“ und zu einem späteren Zeitpunkt zusätzlich verkauft werden. Uno-actu-Prinzip: Produktion bzw. Leistungserstellung und Leistungsverwertung (also Konsum der Dienstleistung) fallen zeitlich und örtlich zusammen. Aufgrund der Immaterialität kann die Leistung nicht vorproduziert und verschickt werden, sondern kann in der Regel nur durch Interaktion der Produzenten und Konsumenten erstellt und konsumiert werden. Residenzprinzip: Um eine Reiseleistung in Anspruch nehmen zu können, muss der Konsument zum Leistungserstellungsort des Dienstleisters reisen. Mit anderen Worten erfolgt der „Verbrauch“ der Dienstleistung am Ort der Leistungserstellung. Mitwirkungspflicht des Konsumenten/Integration des externen Faktors: Es besteht während der Leistungserstellung und des -konsums ein unmittelbarer Kontakt zwischen Produzent und Konsument. Insbesondere vor dem Hintergrund der Erwartungserfüllung, aber auch der Qualität ist eine Mitwirkungspflicht des Reisenden an der Reiseausgestaltung und -durchführung notwendig. Ohne die Artikulation seiner Wünsche können diese von den Leistungserstellern auch nicht erfüllt werden. Leistungsbündel: Die Reise setzt sich aus vielen Teilkomponenten zusammen, wobei die Verantwortung für diese Teilleistungen bei den unterschiedlichen Leistungserstellern liegt. Die Qualitätserwartungen müssen in der Regel unternehmens-/betriebsübergreifend erfüllt werden. Wie bereits angesprochen, „entsteht“ eine touristische Leistung durch das Zusammenwirken von Nachfrager und Anbieter. Dies deutet darauf hin, dass dieses Aufeinandertreffen von großer Bedeutung für die Qualität aber auch grundsätzlich für die Erstellung der Dienstleistung ist. Diese so genannten Kundenkontaktpunkte werden auch als „Momente der Wahrheit“ bezeichnet, die in der Dienstleistungsproduktion ein zentraler Bestandteil sind. 22 Mit diesen Kundenkontaktpunkten sind verschiedene Herausforderungen, vor allem für die Mitarbeiter der Dienstleistungsunternehmen, verbunden: 23 • 22 23 Die Qualität der Leistungserstellung hängt von der Qualität der Kommunikation zwischen Kunde und Mitarbeiter des Dienstleistungsunternehmens – des Leistungsträgers – ab. Menschliche Interaktion ist von individuellen Faktoren abhängig: die als positiv bewertete Interaktion zwischen Dienstleister A und Kunde B muss im Falle von Dienstleister vgl. Freyer 2011a: 84 f. und die dort angegebene Literatur. Ausführlich hierzu im Modul „Tourismusmarketing“. 1.5 Kontrollfragen • 15 A und Kunde C bzw. Dienstleister D und Kunde B nicht zum gleichen Ergebnis kommen. Externe Faktoren/situative Einflüsse beeinflussen die Fähigkeit der Leistungserstellung auf beiden Seiten (z. B. Stress). Da am touristischen Produkt in der Regel eine Vielzahl von Leistungsträgern beteiligt ist, ist die Gewährleistung einer durchgehenden Qualität schwierig. In diesen Unternehmen kann darüber hinaus auch eine nicht einheitliche Unternehmensphilosophie zu unterschiedlichem Verhalten in den Momenten der Wahrheit führen. An diesen Stellen muss von Seiten einer Destinationsorganisation oder eines Reiseveranstalters versucht werden, eine durchgängige Kundenphilosophie zu etablieren. 1.5 Kontrollfragen Frage 1: Erläutern Sie die Bestandteile der Reise. Frage 2: Wie unterscheiden sich Kurzreise und Urlaubsreise? Frage 3: Grenzen Sie nationalen und internationalen Tourismus voneinander ab. Frage 4: Was versteht man unter der „typischen Tourismuswirtschaft“? Frage 5: Was wird unter der touristischen Randwirtschaft verstanden? Frage 6: Erklären Sie, warum touristische Leistungen Dienstleistungen sind.