Cartoony Character Setup - Online-Archiv für Diplomarbeiten und
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Cartoony Character Setup – zweidimensionale Bildästhetik in der dritten Dimension Nadja Kapeller DIPLOMARBEIT 05/1/0305/012 eingereicht am Fachhochschul-Masterstudiengang Digitale Medien in Hagenberg im November 2007 c Copyright 2007 Nadja Kapeller Alle Rechte vorbehalten ii Erklärung Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und die aus anderen Quellen entnommenen Stellen als solche gekennzeichnet habe. Hagenberg, am 16. November 2007 Nadja Kapeller iii Inhaltsverzeichnis Erklärung iii Kurzfassung vi Abstract vii 1 Einleitung 1.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 5 2 Problemstellung Cartoony Rig 2.1 2D Cartoon vs. 3D Cartoon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Principles of Animation und deren Anforderungen an den Riggingprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Übertreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Klarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Weitere Problemstellungen der Cartoon Sprache . . . . . . . 2.3.1 Rubberhose Stil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Freie Verformung in andere Gegenstände . . . . . . . . 2.3.3 Teilen des Körpers / Abtrennen von Gliedmaßen . . . 2.4 Animation von Teilobjekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Cloth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Hair . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 7 8 9 12 15 16 16 16 16 17 18 3 Lösungsansätze Cartoony Rig 3.1 Filmanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Analyseleitfaden und Ergebnisse . . . . . . . . 3.2 Entwicklungsstand Cartoony Character Setup . . . . . 3.3 Lösungsansätze zu den erarbeiteten Problemstellungen 3.3.1 Solid Drawing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Rubberhose und Verformung in andere Objekte 3.3.3 Teilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Cloth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Hair . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 19 19 20 21 21 24 25 26 27 iv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . INHALTSVERZEICHNIS v 4 Umsetzung Cartoony Rig (Autodesk Maya) 4.1 Herkömmliche Pipeline vs. Cartoon Pipeline . . . . 4.2 Anforderungsanalyse nach Produktionsbereichen . 4.2.1 Character-Design . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Visual Development . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Storyboard / Story Reel . . . . . . . . . . . 4.2.4 Animation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Anforderungen im Überblick . . . . . . . . 4.3 Implementierung Cartoony Body Rig . . . . . . . . 4.3.1 Stretchy Broken Base Rig . . . . . . . . . . 4.3.2 Deformable Rig . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Squash & Stretch Control . . . . . . . . . . 4.3.4 Teilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Scaleability . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Implementierung Cartoony Facial Rig . . . . . . . 4.5 Implementierung Hair und Cloth Setup . . . . . . 4.6 Implementierung Righandling und Animation GUI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 29 32 34 35 36 37 37 37 39 48 55 59 65 68 71 72 5 Schlussbemerkungen 76 5.1 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 5.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 A Inhalt der CD-ROM A.1 Diplomarbeit . . . A.2 Data . . . . . . . . A.3 Literatur . . . . . . A.4 Bilder . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 81 81 81 82 83 Kurzfassung Im Bereich der 3D Computeranimation gehen die Bestrebungen in den letzten Jahren in Richtung analoger Ästhetik. Dies trifft nicht nur auf die Texturierung, das Shading und das Rendering zu, sondern findet auch in Form einer nicht realistisch orientierten Animation Ausdruck. Der 3D Cartoon nimmt in Folge dessen die Erkenntnisse des klassischen Zeichentricks zum Vorbild. Die Besinnung auf die kreative Bewegungsfreiheit von 2D Cartoon Charakteren bringt jedoch einige technische Schwierigkeiten mit sich, die es gilt in Form eines Character Setups zu lösen. In der vorliegenden Arbeit werden diese Problemstellungen erörtert, Lösungsansätze aufgezeigt und eine konkrete Umsetzung vorgestellt. vi Abstract In the last few years a lot of effort in the field of 3D computer animation has gone into achieving an analogous look. This holds true not only for texturing, shading and rendering but is also expressed by a non-realistically oriented animation. As a consequence the 3D cartoon is created on the model of the 2D cartoon. However, the aspect of the creative freedom of movement of 2D cartoon characters entails some technical difficulties. These difficulties require a solution in the form of a character setup. This thesis points out these problems, describes possible solutions and presents a concrete implementation. vii Kapitel 1 Einleitung 1.1 Motivation Seit einem Jahrzehnt zeichnet sich ein Trend vom 2D Cartoon (klassischer Zeichentrick) hin zum 3D Cartoon ab. Die seit ca. hundert Jahren existierende, und bis dato populärste Animationsform wird von seinem dreidimensionalen Pendant zunehmend abgelöst. So heißt es in [12, S. 15]: DreamWorks and Disney, the two largest animation studios in Hollywood, have shut down their traditional animation units for theatrical release, no longer accept traditional portfolios, and have dedicated all of their efforts to making CG films. In the 10year period between the unbelievable success of The Lion King and the release of Shrek 2, 2D production has literally dwindled to nothing. Abbildung 1.1 visualisiert den Rückgang des traditionellen Zeichentricks hinsichtlich der Anzahl an Produktionen und erspielten Einnahmen. Die beiden Statistiken werfen die Frage auf, warum die neue Animationsform der 3D Computeranimation den Zeichentrick ersetzt, anstatt neben diesem zu existieren. Angie Jones und Jamie Oliff nennen in ihrem Buch Bridging the Gap Between 2D and CG [12, S. 4] folgende drei Faktoren für dieses Phänomen: 1. Änderung des ästhetischen Empfindens der Rezipienten durch CG Visual Effects Filme 2. Erweiterung der Zielgruppe durch CG Visual Effects Filme 3. Schlechte Plots in Zeichentrickfilmen Einerseits wurde der Zuschauer durch Visual Effects lastige Filme wie Jurassic Park, aber auch durch den Konsum von 3D-Computer- und Konsolenspielen, an eine dreidimensionale Animationsästhetik gewöhnt. Andererseits 1 KAPITEL 1. EINLEITUNG 2 waren diese Filme für Erwachsene als auch für Kinder von Interesse. 3D Cartoon Features konnten in weiterer Folge ebenfalls diese erweiterte Zielgruppe ansprechen – zuletzt auch wegen eines bewussten Anlegens des Plots auf zwei Ebenen. Der Zeichentrick zielte abgesehen von wenigen Ausnahmen weiterhin auf ein ausschließlich infantiles Publikum ab, und konnte mit schlecht ausgearbeiteten Plots nur wenig überzeugen. Doch bereits vor dem ersten 3D Cartoon in Spielfilmlänge (Toy Story, 1995) spielte die 3D-Computeranimation im zweidimensionalen Zeichentrick eine große Rolle. Seit dem Disney Film The Black Cauldron 1985 findet der Einsatz von CG im 2D Cartoon vermehrten Anklang. Einerseits bringt dies Vorteile in Bezug auf den Produktionsaufwand indem z. B. Hintergrundelemente oder natürliche Phänomene wie Nebel, Wasser und Regen nicht mehr per Hand gezeichnet werden müssen. Andererseits stellt sich dadurch auch eine Bereicherung der visuellen Ästhetik ein. So werden z. B. Kamerafahrten im dreidimensionalen Raum, durch den Einsatz von 3D Szenen mit Modeldummies als Vorlage, möglich. Der Einsatz von CGI im Zeichentrick beschränkt sich jedoch bis heute auf Hintergrundelemente oder Effekte. Charaktere werden nur in den seltensten Fällen in CGI umgesetzt (siehe [6, S. 4]). Auch wenn durch die schwindende Anzahl an Zeichentrickproduktionen und dem Einsatz von 3D-Computeranimation im Zeichentrick der Eindruck entsteht, dass der 2D Cartoon vom Aussterben bedroht ist, spielen doch die Erfahrungen aus dem klassischen Zeichentrick in der 3D-Computeranimation mehr den je eine Rolle, und leben so in dieser Animationsform weiter. Relevanz des Zeichentricks für den 3D Cartoon Die Anfänge des 3D Cartoons waren vom Aspekt der technischen Machbarkeit geprägt. Cartoonartige 3D Charaktermodelle zu erstellen ist technisch gesehen keine große Herausforderung, da sich diese durch den minimierten Detailgrad viel leichter als realistische Charaktere umsetzen lassen. Diese jedoch cartoonartig zu animieren bzw. deformieren stellt hingegen ein größeres Problem dar. Die Frage der Technik schränkte in dieser Phase die kreative Ausdruckskraft entscheidend ein. Nicht ohne Grund wählte man in den erten 3D Cartoon Spielfilmen Spielzeug (Toy Story und Toy Story 2 ), oder Insekten (A Bug‘s Life, Antz ) als Hauptcharaktere. Durch ihre rigide Natur sollte von fehlenden Deformationsmöglichkeiten abgelenkt werden. Ein weiterer Grund für die technische Orientierung zu dieser Zeit war das vorwiegend technisch ausgebildete Personal. Um im Bereich der 3DComputeranimation arbeiten zu können, wurde keine traditionelle Animationsausbildung gefordert. So wundert sich Pixars Vize-Chef John Lasseter in [16, S. 1] darüber wie wenige 3D Animatoren in den achtziger Jahren über traditionelle Animationsprinzipien Bescheid wussten. Erst mit dem Schließen vieler Zeichentrickproduktionshäuser um die Jahr- KAPITEL 1. EINLEITUNG 3 (a) (b) Abbildung 1.1: Anzahl der 2D und 3D Cartoon Produktionen von 1990 – 2006 (Berücksichtigt wurden nur Produktionen über einem Bruttogewinn von 1.000.000 USD) (a). Prozentueller Anteil am Bruttogewinn (= Einnahmen aus 2D und 3D zusammen) (b). Die dargestellten Werte beziehen sich ausschließlich auf US Releases. Quelle der Daten für die Erstellung der Statistiken: http://www.boxofficemojo.com. Die recherchierten Daten befinden sich auf der beigelegten CD. KAPITEL 1. EINLEITUNG 4 tausendwende, und dem Wechsel der Produktionstätten von 2D auf 3D drängten immer mehr arbeitslose 2D Cartoon Spezialisten in die boomende 3D Cartoon Branche. Animationshäuser die ausschließlich auf 3D spezialisiert waren erkannten ebenfalls den Wert einer Kooperation mit traditionellen Animatoren, und somit stieg zunehmend die Zahl an Personal mit 2D Background. Die steigende Anzahl an 2D-Animatoren führte zu einem Umdenken im Produktionsprozess. Diese forderten Möglichkeiten die erlernten 2D-Animationsprinzipien auch in 3D umzusetzen. In einem Interview erklärt der traditionell ausgebildete Pixar Animator Andrew Schmidt, dass der Animator üblicherweise bevor er mit der Animation am Computer beginnt, Zeichnungen anfertigt, die die wichtigsten Posen der geplanten Animation abdecken. Anschließend wird versucht diese Posen mittels 3D Modell nachzuempfinden, was oft durch eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten nicht möglich ist. Diese Einschränkungen werden in den seltensten Fällen hingenommen, sondern erfordern Änderungen oder Erweiterungen an Rig und Modell [28]. Um in 3D einen Charakter animieren zu können ist ein so genanntes Character Setup (Rig) nötig. Über dieses kann mittels Kontrollobjekten1 die Geometrie verformt werden. Somit entscheidet der Prozess des Riggings über die Möglichkeit einer cartoonartigen Animation. Kevin Geiger – Character TD Lead bei Walt Disney Feature Animation – fragt sich in [7]: Your pencil has no limits, so why does your rig? Es stellt sich die Frage warum sich das Einführen solcher Controls als schwierig herausstellt. Das folgende Zitat aus [19, S. 20] veranschaulicht die Problematik einer Transformation vom 2D Cartoon zum 3D Cartoon treffend: A fundamental, driving aspect of the look of traditional 2D films is the appeal of the drawings created by animators through various artistic cheats“. In 3D, an animator‘s ability to incorporate ” these cheats“ into his or her scenes has largely been restrained ” by rigs that adhere to more realistic, physical limitations. One element that 3D animators use is posing characters simply by rotating joints, but that doesn‘t allow for traditionally clear silhouettes. For example, an arm may be rotated up to a straight horizontal position, but due to the physical reaction of how the surfaces of the 3D model that are driven by the joint being rotated, this may cause a lump or other similar break in the line extending from the base of the neck out to the wrist. If this was being drawn, the animator would draw a clean line, unrestrained 1 Die Begriffe Controls und Controller werden in der vorliegenden Arbeit synonym zum Begriff Kontrollobjekte verwendet. KAPITEL 1. EINLEITUNG 5 by any physical limitations. This gives the characters a designed, caricatured feel rather than a solid, realistic feel. Zwei Aspekte werden aus dieser Textpassage ersichtlich, die es schwierig machen eine Ästhetik – wie sie aus dem Zeichentrick bekannt ist – in der 3D-Computeranimation umzusetzen: 1. Unterschiedliche Basis: gezeichneter Strich vs. Geometrie 2. Character Rigs die an realistischen und physikalischen Beschränkungen festhalten Der Strich als Basis lenkt die Animation des 2D Cartoons in eine gestalterische, stilisierte Richtung ohne Anspruch auf absolute dreidimensionale Korrektheit. Solange der Charakter glaubhaft bleibt, ist alles möglich. Der Fokus liegt auf der Erstellung eines klaren und ansprechenden Einzelbilds. In der 3D-Computeranimation hingegen liegt der Fokus beim Animieren auf der Rotation von Joints. Die 3D Geometrie als Basis lenkt die Produktion in eine technische, realistische und physikalisch korrekte Richtung. Eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit, wie sie in der Natur vorzufinden ist, wird meist zum Vorbild für die Kontrollmöglichkeiten (z. B. Bewegungsapparat des Menschen). Der technische Mehraufwand zum Erreichen eines Abweichens von einer realistischen Animation schränkt die kreative Ausdruckskraft ein. Verglichen mit einem realistisch orientierten Rig erfüllt ein Cartoon Rig vor allem 2 Aufgaben: 1. Ermöglichung des definierten graphischen Stils 2. Ermöglichung des definierten Animationsstils Verschiedene Definitionen des Begriffs Rigging beschreiben meist nur den Aspekt des animierbar machens“. Dass das Rig die Aufgabe hat einen ” bestimmten Animationsstil zu gewährleisten bzw. Einfluss auf das resultierende Einzelbild (graphischer Stil) hat, wird in den seltensten Fällen in Erwägung gezogen. 1.2 Inhalte In der nachfolgenden Diplomschrift werden alle relevanten Informationen zum Thema Cartoony Character Setup erarbeitet. Der Begriff Cartoony“ ” bezieht sich dabei auf den klassischen amerikanischen Zeichentrick. In Abschnitt 2 werden alle Problemstellungen erarbeitet, die sich ergeben, will man eine Zeichentrickästhetik mittels 3D-Computeranimation umsetzen. Daraufhin wird in Kapitel 3 der State of the Art im Bereich des KAPITEL 1. EINLEITUNG 6 Cartoon Riggings beschrieben. Die konkrete Umsetzung eines Cartoony Character Setups in Autodesk Maya folgt in Kapitel 4. In der vorliegenden Arbeit werden bestimmte Fachbegriffe aus dem Englischen nicht übersetzt. Dies soll der besseren Verständlichkeit dienen, da diese Begriffe auch in weiterführender Literatur in englischer Form verwendet werden. Des Weiteren werden Grundbegriffe der Computergraphik und des Character Setups vorausgesetzt, und somit im Rahmen dieser Arbeit nicht abgehandelt. Kapitel 2 Problemstellung Cartoony Rig Dieses Kapitel dient der Erörterung aller Anforderungen, die sich bei der Umsetzung eines cartoonartigen Animationsstils in Bezug auf den Riggingprozess ergeben. Vorab werden die Differenzen zwischen 2D und 3D Cartoon erarbeitet, welche in weiterer Folge für die Problemstellungen relevant sind. Anschließend werden alle Aspekte des Zeichentricks erläutert, die auf das Cartoony Character Setup Einfluss haben können. 2.1 2D Cartoon vs. 3D Cartoon Eine glaubhafte Umsetzung eines Zeichentrickcharakters in 3D, sodass er von seinem zweidimensionalen Vorbild nicht mehr zu unterscheiden ist, hängt von folgenden Faktoren ab: 1. Aussehen (Modeling, Shading/Texturing, Rendering) 2. Bewegung (Rigging, Animation) Ein wesentlicher Unterschied zwischen 2D und 3D Cartoon ist der Faktor des Aussehens“. Im Zeichentrick ist man auf einen stark reduzierten Detailgrad ” des Charakters angewiesen, um ein Projekt zeitlich bewältigbar zu machen. In der 3D-Computeranimation ist man in dieser Hinsicht nicht limitiert, da das ursprüngliche Zeichnen durch den Prozess des Renderns ersetzt wurde. Das Rendering selbst nimmt zwar auch sehr viel Zeit in Anspruch, ist nach dem Setzen der richtigen Parameter jedoch alleinig Aufgabe des Computers. Das Wegfallen dieser Einschränkung macht neben der Umsetzung einer exakten Kopie auch einen Mix aus cartoonartiger Animation und photorealistischem Aussehen möglich. Diese Mischung ist unter den Begriffen Cartoon Realm oder realistic Cartoon bekannt (siehe [1, S. 9]). In Abbildung 2.1 sind Abstufungen möglicher Mischverhältnisse illustriert. 7 KAPITEL 2. PROBLEMSTELLUNG CARTOONY RIG 8 Abbildung 2.1: Vom flatshaded Toon mit Outlines zum hyper-realistischen Cartoon Charakter – von links nach rechts: 3D Version des Charakters Bender aus Futurama; Lemming aus der 3D Version des Spieleklassikers; 3D Toon von Richard Rosenman mit semirealistischen Zügen; Jim Carry in The Mask – ein Realbildfilm mit Cartoonanimation im Tex Avery Stil. Abbildung 2.2: Für den Riggingprozess relevante, traditionelle Animationsprinzipien. Die Kombination eines cartoonartigen Animationsstils mit photorealistischen Elementen bringt zwar keinen unbewältigbaren Mehraufwand mit sich, wirkt sich jedoch entscheidend auf die Anzahl der Anforderungen an die verschiedenen Produktionsbereiche aus. Issac Kerlow beschreibt in [13, S. 282] dass z. B. das Verwenden einer detaillierten Textur für die Haut eine höhere Komplexität des Rigs, der Animation und einen erhöhten Detailgrad des 3D Modells mit sich bringt. Nachfolgend werden Aspekte des Zeichentricks vorgestellt, die mögliche Anforderungen an den Riggingprozess darstellen. Zu jedem dieser Teilbereiche wird ergänzt, welche zusätzlichen Problemstellungen sich ergeben, entschließt man sich für die Umsetzung eines realistic Cartoons. 2.2 Principles of Animation und deren Anforderungen an den Riggingprozess Nicht alle der 12 traditionellen Animationsprinzipien [29, S. 47 ff] sind für den Cartoon-Riggingprozess relevant. Lediglich fünf sind von tatsächlicher Bedeutung, indem sie Problemstellungen für den Riggingprozess darstellen. KAPITEL 2. PROBLEMSTELLUNG CARTOONY RIG 9 In Abbildung 2.2 sieht man die Einteilung dieser fünf Prinzipien in zwei übergeordnete Kategorien. Diese beiden Kategorien sind grundlegende Elemente des Cartoons. Das Element der Übertreibung“ garantiert den Unter” haltungswert des Cartoons und lässt die Animation lebendiger wirken, und das Element der Klarheit“ sorgt für eine leichte Verständlichkeit der prä” sentieren Inhalte. Alle 12 Animationsprinzipien sind bis zu einem gewissen Grad auch mit Hilfe eines realistisch orientierten Character Setups umsetzbar, erst die beiden Aspekte der Übertreibung“ und Klarheit“ erfordern ” ” die Umsetzung neuer Kontrollmöglichkeiten. Die vorgenommene Untereilung in diese beiden Teilbereiche wird durch die nachfolgende, konkrete Abhandlung der fünf Prinzipien verständlicher. 2.2.1 Übertreibung Squash & Stretch Das Animationsprinzip Squash & Stretch entspricht dem physikalischen Prinzip der Verformung nicht rigider Objekte bei Krafteinwirkung. Da diesem Prinzip ein natürliches Phänomen zu Grunde liegt, wurden bereits subtile Varianten des Squash & Stretch in realistisch orientierten Character Setups umgesetzt (z. B. Nachempfinden von Muskelkontraktionen oder Druck auf eine fleischige Körperregion). Wie bereits besprochen kommt dieses Phänomen im 3D Cartoon in übertriebener Form zum Einsatz, und erfordert so neue Kontrollmöglichkeiten. Abbildung 2.3 zeigt die Umsetzung des Squash & Stretch Prinzips anhand eines realistischen Character Setups und eines Cartoon Setups. Die Übertreibung erfolgt hinsichtlich zweier Faktoren: 1. Grad der Verformung: Der übersteigerte Grad an Deformation ist in der Abbildung vor allem im Oberkörperbereich zu erkennen. In der realistischen Variante entsteht der Eindruck eines Squashs durch Krümmung der Wirbelsäule. Weiters krümmt sich auch die Halspartie und die Gliedmaßen werden eingezogen. In der Cartoon Setup Variante wird der durch die Krümmung erzielte Squasheffekt übertrieben dargestellt. Der Oberkörperbereich verkürzt sich in einem solchen Ausmaß, dass er kaum noch zu sehen ist. 2. Ausweitung auf Verformung rigider Materialien: Die Kopfpartie ist ein Bereich des Körpers, der sich bei Krafteinwirken nicht verformt. Dies wird durch die dünne Fleischschicht über einer von Knochen dominierten Form bewirkt. Wie in der Abbildung ersichtlich, werden im Cartoon auch Bereiche rigider Natur verformt. Das Prinzip des Squash & Stretch erfordert vom Rig die Möglichkeit bestimmte Bereiche des Körpers bei gleichbleibenden Volumen von einem bestimmten Punkt aus (Punkt der Krafteinwirkung) zu skalieren. KAPITEL 2. PROBLEMSTELLUNG CARTOONY RIG 10 (a) (b) Abbildung 2.3: Squash & Stretch am Beispiel des realtistisch orientierten Charakters Carl Wheezer aus Jimmy Neutron (a). Übertriebenes Squash & Stretch am Beispiel von Chicken Little (b). Problemstellungen Realistic Cartoon: Hier ergeben sich vor allem Probleme bei realistisch simulierter Kleidung und realistisch anmutenden Haaren. Es muss ein Weg gefunden werden diese beiden Elemente mitzuskalieren, ohne dabei artefaktartige Ergebnisse zu erhalten. Squash & Stretch in Bezug auf detaillierte Texturen ist nur dann ein Problem, wenn der Charakter in einem der beiden Zustände für längere Zeit verharrt, und der Rezipient die Möglichkeit bekommt, den Charakter in der verzerrten Form in seinen Einzelheiten wahrzunehmen. Follow Through Unter dem Prinzip Follow Through werden verschiedenste Aspekte gesammelt (z. B. Aktion des Charakters nach der Hauptaktion). In Bezug auf das Rig ist lediglich die Umsetzung des physikalischen Prinzips der Trägheit in wiederum übertriebener Form von Interesse. Diese Übertreibung kann auf zwei Arten erfolgen: 1. Zurückfallen kompletter Körperpartien: Je schneller eine gewisse Aktion ausgeführt wird, umso weiter fallen passive Elemente zurück. Realistisch gesehen können Körperteile jedoch nur soweit zurückfallen, wie ihre maximale Distanz des Skeletts es zulässt. Im Cartoon können Partien beliebig weit zurückfallen. 2. Breaking Joints: Um einen ansprechenden Follow Through Effekt zu KAPITEL 2. PROBLEMSTELLUNG CARTOONY RIG (a) (b) 11 (c) Abbildung 2.4: Richard Williams illustriert in [30] den Follow Through Effekt, der ein anatomisch inkorrektes Abbiegen vorraussetzt (a). Umsetzung der Problemstellung mittels realistischem Riggingansatz am Beispiel von Flick in A Bug‘s Life (b). Umsetzung mittels Cartoon Rig am Beispiel von Chicken Little (c). erlangen, kann es in bestimmten Fällen notwendig sein Gliedmaßen in einer anatomischen inkorrekten Weise abzuwinkeln (siehe [30, S. 231]). Das Prinzip des Follow Through erfordert vom Rig die Möglichkeit Hierarchien zu brechen. Körperteile müssen anatomisch inkorrekt platzierbar sein, und anatomisch korrekte Abwinkelungen müssen gebrochen werden können. Problemstellungen Realistic Cartoon: Bei diesem Prinzip ergeben sich in Bezug auf das Umsetzen von photorealistischen Elementen grundlegend die gleichen Problemstellungen wie zuvor bei dem Squash & Stretch Prinzip. Durch das Zurückfallen von Körperpartien ergibt sich ein Stretching, welches sich in Kombination mit Haaren und Kleidung als problematisch herausstellen kann. Appeal Unter Appeal versteht man das Bestreben einem Charakter so viel Charme wie möglich zu verleihen. Denkt man an das reale Leben, verknüpft man das Wort Appeal vor allem mit Personen, die ein ansprechendes Äußeres aufweisen oder mit Kindern (Kindchenschema). Der Cartoon hat die Aufgabe jeden Charakter anziehend zu gestalten, egal ob ein süßes Kätzchen oder einen brutalen Bösewicht. Reale Charaktere dienen prinzipiell als Vorbild, jedoch in wiederum übertriebener und klischeeartiger Form. Es wird teils auf stereotypisierende Art und Weise versucht die Charaktereigenschaften nach außen hin zu transportieren, um es dem Rezipienten sofort zu ermöglichen Charakteristika der Figur zu erkennen. KAPITEL 2. PROBLEMSTELLUNG CARTOONY RIG 12 In erster Linie bezieht sich das Prinzip des Appeals auf die Phase des Character Designs. Übertriebene Proportionen, Assoziative Elemente oder besondere Fähigkeiten von Charakteren sind Wege zur anziehenden Charaktergestaltung. Diese drei Möglichkeiten auf den Appeal des Charakters Einfluss zu nehmen, stellen Herausforderungen für den Riggingprozess dar: 1. Übertriebene Proportionen: Durch Vergrößerung bzw. Verkleinerung bestimmter Körperregionen werden Charaktereigenschaften transportiert. Dies kann im schlimmsten Fall dazu führen, daß der Charakter nicht mehr in der Lage ist gewisse Aktionen auszuführen, da die Reichweite der Gliedmaßen für diese Bewegung nicht ausreicht. Das Character Setup soll es gewährleisten Einschränkungen durch bestimmte Definitionen des Charakters im Charakter Design wieder auszugleichen. 2. Assoziative Elemente: Um die Charakteristika der Figur nach außen hin zu transportieren, werden bestimmte Körperelemente in einer besonderen Form umgesetzt. Weiters kann auch über eine bestimmte Art sich zu bewegen eine Charaktereigenschaft transportiert werden. Diese assoziativen Elemente bzw. Bewegungsmöglichkeiten können neue Kontrollobjekte des Rigs erfordern (siehe Abb. 2.5). 3. Fähigkeiten von Charakteren: Manchmal sind es besondere Fähigkeiten, die einen Charakter reizvoll machen. Diese Fähigkeiten können ebenfalls mit besonderen oder neuen Verformungen zusammenhängen. Das beste Beispiel hierfür sind die Charaktere der französischjapanischen Zeichentrickserie Barbapapas (1974), die die Fähigkeit besitzen sich in jedes beliebige Objekt zu verformen. Müsste man diese Charaktere in 3D umsetzen, bedürfte es eines ausgefeilten Lösungsansatzes, um diese Deformation vor allem ständig zu ermöglichen, ohne dabei unzählig viele Charaktermodelle pro Folge umsetzen zu müssen. 2.2.2 Klarheit Klarheit ist ein weiterers wichtiges Element des Cartoons. Diese drückt sich in den beiden Animationsprinzipien Staging und Solid Drawing aus. Staging Unter dem Begriff Staging versteht man die Aufgabe die Animation leicht lesbar zu machen. Die Pose ist für den Zeichentrickanimator das Wichtigste. Sie hat den Zweck dem Rezipienten sofort Informationen über die Aktion und den Gefühlszustand des Charakters zu geben. Durch drei Konventionen, die wiederum Problemstellungen für das Character Setup darstellen, wird dieses Ziel erreicht. KAPITEL 2. PROBLEMSTELLUNG CARTOONY RIG (a) (b) 13 (c) Abbildung 2.5: Assoziative Elemente am Beispiel von Charakteren aus Monster Inc. Celias Haare bestehen aus Schlangen (a). Dies unterstreicht einerseits das monsterartige Element, bringt aber auch ihr bissiges“ Naturell ” zum Vorschein. Randall besticht durch seine schlängelnden, blitzschnellen Bewegungen (b). Diese transportieren die falsche Art des Charakters. Viele der Monster haben Gliedmaßen, die sich wie Tentakeln bewegen (c). (a) (b) (c) (d) Abbildung 2.6: Prinzip des Stagings anhand des Schiedsrichter Charakters in Chicken Little (Quelle: [7]). In Abbildung (a) sieht man den geposten Charakter entsprechend der finalen Kameraposition. In (b) wird ersichtlich, dass beide Arme verlängert wurden, damit die angedeutete Zahl Zwei“ in ” Abbildung (a) besser sichtbar wird. In (c) erkennt man, dass auch andere Körperteile inkorrekt platziert wurden, um eine klare Silhouette zu erhalten. (d) veranschaulicht die daraus gewonnene Silhouette (links) und die mögliche Silhouette ohne vornehmen dieser Adjustierungen (rechts). KAPITEL 2. PROBLEMSTELLUNG CARTOONY RIG (a) 14 (b) Abbildung 2.7: Marty aus Dreamworks Madagascar behält seine stilisierte Form auch im animiertem Zustand bei (a). Ein früherer Dreamworks Vierbeiner aus dem Film Shrek lässt hingegen keine graphische Verformung des Charakters zu (b). 1. Klare Silhouette: Körperteile sollen so platziert werden, dass man auf den ersten Blick die Aktion des Charakters erkennt. Weiters werden charakteristische Elemente dreidimensional falsch positioniert um den Charkter als solches sofort erkennbar zu machen. Das wohl bekannteste Beispiel für diese Art der klaren Silhouette ist der Charakter Mickey Mouse, dessen Ohren immer orthogonal zur Kamera ausgerichtet sind. In Abbildung 2.6 wird das Prinzip der klaren Silhouette anhand von 3D Cartoon Charakteren verdeutlicht. 2. Line of Action: Die Haltung des Charakters soll an einer einfachen, klaren Linie ausgerichtet sein. Dies dient einerseits der leichteren Lesbarkeit, der Form als Ganzes, aber auch der leichteren Lesbarkeit des emotionalen Zustand des Charakters. Um die Geometrie an dieser Linie auszurichten, ist es oft von Nöten bestimmte Körperpartien zu verlängern, oder zu verkürzen. Oft ist auch eine nicht realistische Verbiegung einer bestimmten Körperregion erforderlich. 3. Überzeichneter Emotionaler Ausdruck: Dies wird hauptsächlich durch Gesichtsausdrücke, die stark übersteigert sind gewährleistet. Oft wird dies auch über Skalierung bestimmter Körperpartien erreicht. Verletzt sich z. B. ein Charakter an der Hand, wird diese vergrößert dargestellt, um den Schmerz zu visualisieren. Solid Drawing Solid Drawing bezieht sich im klassischen Sinne auf das Erstellen von animierbaren Formen, die einerseits Volumen vermitteln, und dennoch flexibel sind, um nicht steif zu wirken (siehe [29]). Um eine Animierbarkeit zu gewährleisten, werden 2D Cartoon Charaktere aus Grundprimitiven aufgebaut, die beim Einhalten des Volumens behilflich sein sollen. Diese Grundpri- KAPITEL 2. PROBLEMSTELLUNG CARTOONY RIG (a) (b) 15 (c) Abbildung 2.8: Ausschnitt aus dem 2D Cartoon Crazy Town: Der Charakter bindet sich einen Knoten in das Bein, um Unebenheiten des Bodens auszugleichen (a). Ausschnitte aus einem Baby Hue Cartoon: Nachdem der Charakter in einen Kessel mit heißem Wasser gefallen ist, verformt er sich in einen Teekocher (b). Besondere Form der Teilung: Das Fell trennt sich vom Körper des Wolfes ab (c). mitive werden anschließend mit einer besonderen Strichführung (Shape Language) zu einer ansprechenden Zeichnung verbunden. Das Einhalten des Volumens ist in der 3D-Computeranimation einfach zu gewährleisten. Schwieriger ist es dieses Volumen flexibel und nicht steif wirken zu lassen. Die besagte Strichführung ist es, die eine Anforderung an das Rig darstellt. Zuerst wird das Design der Strichführung im Modelsheet definiert (z. B. Straights against Curves 1 , sehr geschwungen, sehr eckig usw.), und anschließend im Modell umgesetzt. Das Character Setup hat die Aufgabe die definierte Strichführung während der Animation zu gewährleisten, um somit das gewünschte Design beizubehalten. 2.3 Weitere Problemstellungen der Cartoon Sprache Neben den genannten Anforderungen aus den traditionellen Animationsprinzipien treten noch weitere Problemstellungen auf, wenn man die Cartoonsprache näher anlysiert. Diese können gesammelt mit dem Leitsatz The ” Advantages of Beeing Boneless and Incomplete“ (vgl. [14, S. 172]) bezeichnet werden. Durch die Analyse von 20 Cartoons aus den Jahren 1920 bis 1960 wurden weitere Aspekte gesammelt, die ein besonderes Rig erfordern, möchte man diese in der 3D-Computeranimation umsetzen. Im nachfolgenden Teil werden alle gefundenen Aspekte näher erläutert. 1 Bei dem Prinzip Straights against Curves wird z. B. ein Arm auf der einen Seite mit einer Gerade und auf der anderen Seite mit einer Kurve umgesetzt. Dies bewirkt eine ansprechende Formsprache. KAPITEL 2. PROBLEMSTELLUNG CARTOONY RIG 2.3.1 16 Rubberhose Stil Unter dem Begriff Rubberhose Stil versteht man einen Character dessen Gliedmaßen gummischlauchartig“ verformbar sind. Es wirkt als wären diese ” Körperpartien komplett knochenlos. So lassen sich Arme und Beine unendlich verlängern, verknoten, oder können sich um andere Gegenstände wickeln. Da der Arm- und Beinbereich beim realistisch orientierten Riggingansatz üblicherweise aus drei Joints besteht, wird ersichtlich, dass eine solche Deformation eine Erweiterung des Character Setups erfordert. 2.3.2 Freie Verformung in andere Gegenstände Nicht selten kommt es im klassischen Cartoon vor, dass sich ein Charakter in einen Gegenstand transformiert, oder die Form eines solchen annimmt. Dies kann einerseits durch Krafteinwirkung geschehen, wenn z. B. eine Figur auf einen gewellten Körper aufschlägt, und andererseits einfach dem satirischen Element des Cartoons dienlich sein. 2.3.3 Teilen des Körpers / Abtrennen von Gliedmaßen 2D Cartoon Charaktere können sich den Kopf abnehmen, Arme und Beine werden abgetrennt, oder der gesamte Körper wird in mehrere Teile zerschnitten. Die Darstellung dieser Szenarien stellen für den traditionellen Animator keine große Herausforderung dar. Wenn es jedoch darum geht eine solche Teilung in 3D umzusetzen, ist dies ein größeres Problem. Durch die zusammenhängende dreidimensionale Geometrie muss ein besonderer Lösungsansatz gefunden werden. 2.4 Animation von Teilobjekten Ein weiterer Unterschied zwischen 2D und 3D Cartoon ist die Tatsache, dass ein Charakter nicht eine zusammenhängende Zeichnung, sondern meist eine Sammlungen von vielen verschiedenen Teilobjekten ist. Wenn z. B. ein Charakter bekleidet ist, Accessoires trägt oder einfach nur Haare am Kopf hat, sind dies seperate Objekte, die wiederum eigene Kontrollmöglichkeiten benötigen bzw. automatisiert animierbar gemacht werden müssen. Im zweidimensionalen Pendant wird zwar ebenfalls darauf geachtet diese Objete physikalisch korrekt darzustellen, aber das grafische Gesamtbild steht hier wiederum über der absolut korrekten und realistischen Darstellung. In der 3D-Computeranimation ist man dazu geneigt, die Darstellung von Kleidung oder Haaren mittels dynamischer Simulation umzusetzen. In vielen Projekten wäre eine Animation dieser Objekte per Hand sogar angesichts des zeitlichen Mehraufwandes nicht realisierbar. Man muss sich also entscheiden, ob mehr Kontrolle über die Form erwünscht ist, was gleichzeitig mehr Arbeit KAPITEL 2. PROBLEMSTELLUNG CARTOONY RIG (a) 17 (b) Abbildung 2.9: Das Kleid der Tänzerin bewegt sich nach dem Follow Through Prinzip (a). Es verliert jedoch während der Animation nicht seine Grundform. Auch die Haare bewegen sich aufgrund des Prinzips der Trägheit mit dem Körper zeitversetzt mit (b). Auf die exakte realistische Nachahmung wird jedoch verzichtet. Die resultierende Form des Haares steht über dem Anspruch der realistischen Simulation (Quelle: [22]). für den Rigging- und Animationsprozess bedeutet, oder ob man den Aufwand in beiden Produktionsphasen verringert, aber dafür auf eine Möglichkeit verzichtet Einfluss auf das Resultat zu nehmen. Wünschenswert wäre für die Umsetzung eines 3D Cartoons die erste Variante. Nachfolgend wird für die Objekte Cloth und Hair nochmals einzeln deren Problematik erörtert. 2.4.1 Cloth Dynamische Simulation: Entscheidet man sich aus Zeit- und Kostengründen für diese Umsetzungsmöglichkeit, muss beachtet werden, dass simulierte Kleidung womöglich die gesamte Körperanimation nach Ansprüchen einer klaren Silhouette obsolet machen kann, da die Kleidung die restliche Animation des Körpers vollständig überdecken kann. In den seltensten Fällen kann bei einer realistisch anmutenden Simulation auf die resultierende Silhouette Einfluss genommen werden. Realistischer Faltenwurf bewirkt zu viele Details, die dem Prinzip der Klarheit widersprechen. Zusätzlich muss gewährleistet sein, dass die Cloth-Simulation mit anderen Konzepten des Cartoon Rigs kombinierbar ist. Hier stellt sich die Frage in wie weit die dynamische Simulation mit Prinzipien wie Squash & Stretch vereinbar ist. Rig basierte Animation: Hier können Kontrollobjekte gesetzt werden, die dem Animator Einfluss über die Form der Kleidung geben. Es muss eine ergonomische Kontrollvariante gefunden werden, um den Animationsaufwand so gering wie möglich zu halten. Diese Vorgehensweise wäre für den 3D Cartoon wünschenswert. KAPITEL 2. PROBLEMSTELLUNG CARTOONY RIG 2.4.2 18 Hair Dynamische Simulation: Die dynamische Simulation von Haar ist weniger kritisch als die der Kleidung, da dieses üblicherweise nicht den gesamten Körper bedeckt. Fell stellt hier wieder eine größere Herausforderung dar. Rig basierte Animation: Diese Variante bezieht sich meist nur auf modelliertes Haar. Bei einer Umsetzung von realistisch anmutenden Haar lässt sich eine Lösung über dynamische Simulation nicht verhindern. Ähnlich wie bei der Kleidung wird versucht möglichst viel Kontrolle über die Form bei geringem Animationsaufwand zu erzielen. Kapitel 3 Lösungsansätze Cartoony Rig Nach der Analyse aller Problemstellungen in Kapitel 2, setzt sich dieser Abschnitt mit dem Auffinden von bereits erarbeiteten Lösungsansätzen auseinander. Diese Lösungsansätze sollen direkt anhand von 3D Cartoons aufgefunden werden. Mit Hilfe der Filmanalyse werden Bewegungen und Verformungen gesucht, die die analysierten Problemstellungen für das Character Setup darstellen. Nach dem Auffinden von 2D Cartoon Elementen wird recherchiert welche Lösungsansätze für die jeweilige Problemstellung verwendet wurden. Durch das Aufzeigen des Entwicklungsprozess des Cartoony Character Setups und dem Beschreiben interessanter Umsetzungsvarianten bietet dieses Kapitel einen Überblick den aktuellen State of the Art. 3.1 Filmanalyse Über die erkenntnisorientierte Filmanalyse (siehe [9, S. 26]) soll die Umsetzung cartoonartiger Verformungen in der 3D-Computeranimation analysiert werden. Als Analysematerial dienen alle 3D Cartoons in Spielfilmlänge von 1995 – März 2007. Zusätzlich werden Life Action Filme in denen 3D Cartoon Charaktere vorkommen (1995 – 2007) und animierte 3D Cartoon Kurzfilme (1984 – 2007) analysiert, um das Ergebnis aussagekräftiger und umfassender zu gestalten. 3.1.1 Analyseleitfaden und Ergebnisse Die erörterten Problemstellungen aus Kapitel 2 dienen als Analyseleitfaden. Jede Produktion wird nach cartoonartigen Deformationen aufgrund der Principles of Animation (Abschnitt 2.2), weiteren Cartoon Elementen (2.3) und cartoonartigen Animationen von Teilobjekten (2.4) untersucht. Die aufgefundenen Verformungen dienen als Informationsquelle zur Erstel19 KAPITEL 3. LÖSUNGSANSÄTZE CARTOONY RIG 20 lung eines chronologischen Entwicklungsnachweises und als Grundlage für weitere Recherche bezüglich der Umsetzung der konkreten Problemstellung. 3.2 Entwicklungsstand Cartoony Character Setup Der 1984 enstandene Kurzfilm The Adventures of Andrè and Wally B. von Lucasfilm stellt die Geburt des CG Cartoon dar. Die Präsentation des Animationsfilms bei der jährlichen Siggraph Convention löste Begeisterungsstürme aus. Nicht nur wegen den zwei neuen technischen Errungenschaften Motion Blur und Particles, sondern vor allem wegen der zuvor noch nie erreichten glaubwürdigen und lebendigen Charakteranimation (siehe [20]). Bereits dieser erste 3D Cartoon zeigte Verformungen nach den Principles of Animation auf. Squash & Stretch und Follow Through Effekte wurden umgesetzt (siehe [15]). Lucasfilm heuerte für die Animation des Kurzfilms den 2D Animator John Lasseter an. Somit entstand eine enge Kooperation aus vier Technikern und dem traditionell ausgebildeten Animator. Aufgrund des fehlenden technischen Backgrounds Lasseters forderte dieser unbeirrt die Umsetzung des Gelernten, was sich in der Animation wiederspiegelt. Es kann hier jedoch nicht die Rede von der Umsetzung eines Cartoon Rigs sein. Zu dieser Zeit musste man noch den aus einzelnen Grundprimitiven zusammengestellten Charakter per Hand programmieren, um ihn zum Leben zu erwecken. Auch in darauffolgenden Projekten der Pixar Group – wie sich das Kollektiv rund um Lasseter später nannte – wurde zwar das Prinzip des Squash & Stretch in übertriebener Form angewandt, doch auch dieses wurde wiederum per Hand programmiert. In den späten achtziger und frühen neunziger Jahren setzte man sich vor allem mit dem Nachempfinden der realen Welt auseinander. Das Kreieren von realistischen, menschlichen Charaktern war die größte Herausforderung, die es zu meistern galt. Parallel dazu entwickelte sich auch die Verwendung von Character Setups, um die Geometrie über Kontrollobjekte komfortabler ansteuerbar zu machen. Der angestrebte Realismus dieser Zeit spiegelt sich im Riggingprozess wieder. Schon die Grundelemente eines Rigs Joints (Gelenke) und Bones (Knochen) erinnern an die Funktionsweise eines Skeletts realer Lebewesen. Erst Anfang des neuen Jahrtausends war die Technik soweit entwickelt, dass man sich wieder auf kreative Ansprüche konzentrierte. 2001 wurde in der Produktion Monster Inc. erstmals ein kreatives Character Design umgesetzt, dass es erforderlich machte spezielle Rigs für verschiedene Charaktere zu entwerfen. Der erste Versuch ein cartoonartiges Squash & Stretch für einen Charakter standardmäßig umzusetzen, ist in dem Blur Studio Cartoon Ice Age (2002) zu sehen. Der Charakter Scrat entwickelte sich während der Produktion mehr und mehr zu einer stark cartoonlastigen Figur. Um die Bandbreite der Animationsmöglichkeiten zu erhöhen, erschuf man KAPITEL 3. LÖSUNGSANSÄTZE CARTOONY RIG 21 neue Controls. So konnten die Arme mittels Skalierung der Bones verlängert werden. Aber auch die Augäpfel waren vergrößerbar, um einen Squash & Stretch Effekt in einer bestimmten Szene umzusetzen. Ein cartoonartiges Squash & Stretch ist seit diesem Zeitpunkt in nahezu jeder Produktion zu finden. Die Jahre 2004 – 2007 stellen bis jetzt den Höhepunkt der Entwicklungen im Bereich Cartoony Character Setups dar. Größere 3D Produktionshäuser erweiterten ihre Technologien, um Charaktere cartoonartig deformieren zu können. Dabei wurden bereits für alle erörterten Problemstellungen aus Kapitel 2 Lösungsansätze gefunden, welche im nachfolgenden Teil exemplarisch vorgestellt werden. Die Beispiele zur Illustration möglicher Lösungsansätze wurden in den vergangenen drei Jahren umgesetzt, und zeigen somit die aktuellen Entwicklungen in den einzelnen Bereichen auf. 3.3 Lösungsansätze zu den erarbeiteten Problemstellungen Für die Animationsprinzipien Squash & Stretch, Follow Through, und Staging wurden bereits standardisierte Umsetzungsvarianten gefunden. In den einzelnen Produktionen weichen diese nur gering voneinander ab. Das Kapitel 4 gibt einen Einblick über die konkrete Umsetzung dieser Prinzipien. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle auf das Aufzeigen von Lösungsmöglichkeiten dieser Art verzichtet. Lösungsansätze für das Animationsprinzip Appeal lassen sich nur schwer umfassend beschreiben. Umsetzungsmöglichkeiten, die sich aus dem Aspekt der übertriebenen Proportionen ableiten lassen, werden ebenfalls in Kapitel 4 behandelt. Die beiden anderen Aspekte lassen eine Vielzahl an verschiedenen Problemstellungen zu, die eine große Bandbreite an Lösungsansätzen erfordern, welches ein überblickartiges Abhandeln von Lösungsansätzen dieser Art nicht möglich macht. Im nachfolgenden Abschnitt werden alle übrigen analysierten Problemstellungen detailliert behandelt. 3.3.1 Solid Drawing Bisher sind es drei Produktionen die sich mit der Umsetzung einer besonderen Shape Language auseinandergesetzt haben. Zwei davon – Dreamworks‘ Madagascar (2005) und Sony Pictures Open Season (2006) – entwickelten Möglichkeiten eine Straights against Curves Strichführung zu erzielen. Die dritte Produktion – Disney‘s Chicken Little – brachte ein Toolkit hervor, dass es erlaubt Gesichtsausdrücke mit einer ansprechenden Strichführung und einem klaren Profil zu versehen. Im nachfolgenden Teil sollen die Technologien hinter den verschiedenen Produktionen kurz vorgestellt werden, KAPITEL 3. LÖSUNGSANSÄTZE CARTOONY RIG 22 Abbildung 3.1: Das Prinzip der Geraden gegen Kurven wird anhand der Concept Drawings zu den Madagascar Charakteren ersichtlich. bevor abschließend gemeinsame Aspekte und Vor- und Nachteile der verschiedenen Methoden besprochen werden. Curves und Icons in Madagascar : Madagascar ist der erste Dreamworks 3D Film, der sehr stilisiert ist, und nicht wie seine Vorgänger versucht die Realität zu emuliern. Diese graphische Orientierung wirkt sich auf alle Produktionsbereiche aus, und somit auch auf den Riggingprozess. Das gewählte Character Design von Craig Kellman entspricht einem zweidimensional orienterten Stil mit vorherschendem Geraden gegen Kurven Element, das zuvor noch nie in einer 3D Produktion umgesetzt wurde (siehe Abb. 3.1). Es ist schwer exakte Informationen zu den Technologien hinter den Kulissen von Madagascar zu bekommen, da diese einen entscheidenden Fortschritt in punkto Cartoon Rigging gebracht haben (siehe [24]). Auf die wenigen zugänglichen Detailinformationen soll an dieser Stelle eingegangen werden. Anstatt der üblichen Deformation der Geometrie durch Rotieren, wurden in Madagascar die Joints und Bones durch Icons und Kurven angesteuert. Die Icons befinden sich an Stellen wo in der realistisch orientierten Riggingvariante ein Abwinkeln möglich ist. Das Setzen der Kurve bewirkt die Änderung einer darunterliegenden Jointchain. Prinzipiell wurde versucht eine hohe Anzahl an Joints, über wenige Controller ansteuerbar zu machen. So besteht z.B. der Schwanz von Alex aus 48 Joints, die über 6 Controller ansteuerbar sind. Ein ähnliches Konzept wurde für den Hals der Giraffe verwendet. Zusätzlich wurde ein spezielles Skinningsystem entwickelt, welches eine weiche Silhouette von Joint zu Joint garantiert, egal wie weit Körperpartien gezerrt oder gequetscht wurden (siehe [21]). Shape Deformers bei Open Season: Für das Erzielen einer klaren Silhouette, die dem Straights against Curves Prinzip entspricht, wurden für Open Season so genannte Shape Deformers umgesetzt (siehe Abb. 3.2). Mehrere Slices ermöglichen es den Arm regional zu positionieren, um eine ansprechende Kurve zu bekommen. Anschließend können einzelne Punkte dieser Slices noch einmal separat positioniert werden, um die andere Seite KAPITEL 3. LÖSUNGSANSÄTZE CARTOONY RIG 23 Abbildung 3.2: Shape Deformers am Beispiel des Charakters Elliot aus Open Season. Der Arm kann über mehrere Slices positioniert werden. Kontrollpunkte zu den einzelnen Slices geben noch feinere Adjustierungsmöglichkeiten. (Quelle: [19]) des Arms gestalterisch entgegenzulenken [26]. ChickenWire für Chicken Little: Das im Jahr 2002 entwickelte Toolset Chicken Wire bietet die Möglichkeit eine relativ geringe Anzahl an Facial Expressions individuell zu erweitern, und gewährleistet gleichzeitig geschwungene, fließende Linien und ein ansprechendes und klares Profil. Dieses Autodesk Maya basierende System besteht aus drei Basiskomponenten [7]: 1. ChickWire: Über einen Wiredeformer können bestimmte Teile der Geometrie verformt werden. Die SplineBasis gewährleistet eine geschwungene Linie. 2. BlendWire: Besteht aus einem Blendshapedeformer (Morphing Target), der Splinecurves verwendet um das Blending zu definieren. 3. BlendRegion: Blendshapes, die über einen Punkt und Radius eine bestimmte Region der Geometrie verformen. Diskussion Solid Drawing in 3D Die Umsetzung einer besonderen Strichführung verlangt eine beträchtliche Erweiterung an Adjustierungsmöglichkeiten. Grundsätzlich halten alle drei Varianten an einem realistisch orientierten Setup fest, um eine Basisanimation zu gewährleisten, und setzen auf dieses ein Highlevel Setup auf, um genug Einfluss auf die Form der Figur zu bekommen. Die Verwendung von Kurven erweist sich hierbei als sehr praktikabel. Durch diese kann über wenig Animationsaufwand eine flüssig Strichführung erreicht werden. Weniger komfortabel ist meines Erachtens, die Umsetzungsvariante in Open Season. Um eine einfache Krümmung zu erlangen müssen alle 7 – 8 Slices für den Arm gesetzt werden. Des weiteren müssen für die Adjustierung der anderen Seite des Arms wiederum bis zu acht einzelne Kontrollpunkte gesetzt werden. Verglichen mit dem Zeitaufwand den ein 2D Animator betreibt, um einen Arm mit Hilfe von zwei gestalteten Strichen umzusetzen, wird ersichtlich, KAPITEL 3. LÖSUNGSANSÄTZE CARTOONY RIG 24 (a) (b) Abbildung 3.3: Das Baby Jack-Jack verformt sich in ein Monster (a). Helen kann durch ihre elastischen Superkräfte Gliedmaßen im Rubberhosestil verformen, und verwandelt sich in nützliche Objekte (b). dass die Anforderung einer ansprechenden Strichführung nur schwer in der 3D Computeranimation zu erzielen ist. 3.3.2 Rubberhose und Verformung in andere Objekte Der Grund für das Zusammenfassen dieser beiden Aspekte ist die Tatsache, dass entscheidenende Fortschritte im Bereich dieser Problemstellung anhand einer einzigen 3D Cartoon Figur ausmachbar sind. Helen aus dem Film The Incredibles stellt einen Meilenstein in der Riggingvariante für Rubberhose Effekte und Verformung in andere Gegenstände dar. Da die entwickelten Technologien patentiert wurden, findet man keine konkreten Erklärungen über die genaue Funktionsweise. Im Nachfolgenen Teil werden alle recherchierten Informationen so detailliert wie möglich besprochen (siehe [25]). Splinebased Deformer für Rubberhose Gliedmaßen: Das Technologiedepartment von Pixar experimentierte mit einer Splinecurve gebundenen Geometrie und mit Spline-Ik Handles, bis es feststellen mußte, dass beide Varianten nicht das gewünschte Ergebnis erzielten. Sobald die Gliedmaßen eine Art Looping formen sollten, fiel die gesamte Geometrie auseinander. Aus diesem Grund wurde ein eigenes Toolkit namens Splinebased Deformer´ kreiert. Dieses System funktioniert über die Krümmungswerte einer Kurve. Mehrere Controller machen es möglich die Geometrie zu deformieren. Des weiteren können die Kontrollobjekte auf Gegenstände fixiert werden. KAPITEL 3. LÖSUNGSANSÄTZE CARTOONY RIG 25 Abbildung 3.4: Abtrennprozess des Arms in der Animation After You“ ” von Christopher Cordingley. Verformung mittels Oberflächen und Kurven: Die Szene in der sich Helen in einen Fallschirm verformt hätte laut Technologiedepartment auch mit zwei verschiedenen Geometrien gelöst werden können, die geschickt miteinander ausgetauscht werden. Da Regisseur Brad Bird jedoch in der Verformung darstellen wollte, wie schwer es Helen fällt ihre Kräfte einzusetzen, musste die komplette Szene ohne Schnitt animierbar sein. Das Team experimentierte mit Oberflächen, die mittels Kurven verformbar sind, welche sich wiederum auf die Geometrie der Figur auswirken. In dem Film findet auch noch eine weitere Verformung eines Charakters statt. Die Transformation des Babies Jack-Jack in ein Monster wurde hingegen mittels zwei verschiedener Geometrien und einem Morphing zwischen den beiden Zuständen gelöst. Diskussion Rubberhose und Verformungen in 3D Pixar beweist mit ihrer sechsten Animation in Spielfilmlänge, das ein extremer Rubberhosestil in der 3D Computeranimation möglich ist. In anderen Produktionen wurden bisher nur eingeschränkte Varianten des Rubberhosestils umgesetzt. Fraglich bleibt es jedoch wie komfortabel das Animieren solcher Verformungen tatsächlich ist. Auch die Möglichkeit der Verformung in andere Gegenstände wurde mit dieser Produktion bewiesen. Anzuzweifeln ist jedoch, dass durch die umgesetzte Riggingvariante ein Verformen des Charakters Helen in jede erdenkliche Form möglich ist. Wie am Beispiel von Jack-Jack ersichtlich, ist der einfachste Weg jener, zwei bzw. mehrere Geometrien zu erstellen und diese zu überblenden. Dies hat jedoch einen erheblichen Arbeitsaufwand zur Folge. Ein möglicher Ansatz wäre es eine Art Bibliothek an Gegenständen anzubieten, die sich der variablen Topologie des zu verformenden Charakters anpasst. So hätte man die Möglichkeit – insofern diese Bibliothek mit vielen Geometrien ausgestattet ist – den Charakter auf schnelle und einfache Weise in verschiedenste Geometrien zu verformen. 3.3.3 Teilungen Zwei der recherchierten Beispiele beinhalten Lösungsansätze für die Problemstellung der Teilung. Im Kurzfilm After You von Christopher Cor- KAPITEL 3. LÖSUNGSANSÄTZE CARTOONY RIG 26 dingley, und dem deutschen Realspielfilm mit CG Elementen Hui Bui sind Teilungen im Armbereich und das Abtrennen des Kopfes zu sehen. Auf Anfrage hin wie diese Teilungen umgesetzt wurden, bekam ich nur von Christopher Cordingley eine Antwort. Er beschreibt, dass die in 3.4 abgebildete Teilung über eine Duplikation der Geometrie erfolgte. Für die duplizierte Geometrie erstellte er in Maya einen Blendshape, um die Verformung der Abtrennung animierbar zu machen, und fixierte den Arm an der Schulter. Während der Blendshape für die Abtrennung animiert wurde, skalierte er die Joints des originalen Arms so weit bis die Geometrie nicht mehr sichtbar war. Somit wurde der Arm nicht wirklich von der bereits bestehenden Geometrie abgelöst, sondern durch eine duplizierte Geometrie im Moment des Abtrennens ersetzt (vgl. [5]). Da dies die praktikabelste Lösung ist, wenn Trennungen nur einmal bzw. wenige Male vorkommen, gehe ich davon aus, dass bei dem Film Hui Buh“ ein ähnlicher Lösungsansatz verwendet wurde. ” Diskussion Teilungen“ in 3D ” Wie bereits bei der Problemstellung der Verformung in andere Gegenstände, ist auch hier der einfachste Lösungsansatz jener, verschiedene Geometrien zu erstellen, und diese je nach Wunsch einzublenden. Weiters muss hier für jede neu erstellte Geometrie ein eigenes Riggingsetup zur Verfügung gestellt werden. In Kapitel 4.3.4 wird versucht eine alternative Umsetzungsmöglichkeit über das Rig zu finden. An dieser Stelle wird nochmals detaillierter auf die Problemstellung eingegangen. 3.3.4 Cloth Für die Problemstellung der Umsetzung von cartoonartiger Kleidung werden anhand von zwei Produktionen die Bestrebungen einer geringen Produktionszeit bei maximalen Einfluss über die Geometrie aufgezeigt. Cloth in Open Season: Bei den menschlichen Charakteren in Open Season wurde vor allem darauf geachtet, dass die charakteristische Form der Kleidung während der Simulation erhalten bleibt. Üblicherweise verliert die Kleidung während einer typischen Simulation seine ursprüngliche Form. Die visuelle Definition des Charakters baute jedoch sehr stark auf die charakteristische Form der Kleidung auf. Über ein Targetingsystem wurde ein Mischen zwischen dem Erhalten der Form durch bestimmte Targets aus der Animation und einer realistischen Simulation gewährleistet. Des weiteren wurden Lösungsmöglichkeiten gesucht die Kleidung mit den Squash & Stretch Verformungen mitzubewegen. Dies erforderte die Anwendung von Deformern, die ein Stretching der Kleidung ermöglichten (siehe [17]). KAPITEL 3. LÖSUNGSANSÄTZE CARTOONY RIG 27 Shar-Pei für Cloth Animation in Meet the Robinsons: Die verkürzte Produktionszeit von Disney‘s Meet the Robinsons machte es erforderlich effizient zu arbeiten. Man verzichtete aus diesem Grund auf die Simulation der Kleidung bei allen Charakteren. Stattdessen wurde ein System namens Shar-Pei entwickelt, das die Animation der Kleidung über das Rig ermöglicht. Hierfür wurden die Charaktere vom Cloth-Animation Team in verschiedenen Posen auf Papier gedruckt, woraufhin die Animatoren Falten auf die Kleidung in der bestimmten Pose zeichneten. Anschließend erstellten Modellierer und Rigger gemeinsam Displacement Maps, die die vorgezeichneten Kleidungsfalten ermöglichen sollten. Animatoren konnten daraufhin über Kontrollobjekte die entsprechenden Falten je nach Abwinkelung animieren. Sobald eine Kleidungsfalte angesteuert wird, erhöht sich die Auflösung der Geometrie und der Animator bekommt direktes Feedback zur finalen Cloth-Animation (vgl. [27]). Diskussion cartoonartige Cloth-Animation“ in 3D ” Im Bereich der Cloth-Animation werden Umsetzungsmöglichkeiten erprobt, die den Animationsaufwand minimieren, jedoch gleichzeitig die Möglichkeit bieten, auf die erhaltene Form Einfluss zu nehmen. Weiters werden Möglichkeiten gesucht simulierte Animationen mit Deformationen anderer Cartoon Prinzipien in Einklang zu bringen. 3.3.5 Hair Stretchy Hair in Madagascar : Erwähnenswert ist die Methode wie die Haarsimulation an die Umsetzung eines überzeichneten Squash & Stretch Effekts angepasst wird. Um eine flexible Anpassung an die Deformation zu erziehlen werden die Density Werte des Haarsystems verändert (siehe [21]). Hair in Meet the Robinsons: Die Animatoren konnten so genannte Volume Shapes, die eine vereinfachte Geometrie der geplanten Haarfrisur darstellen, animieren. Die Animation dieser Geometrien wurde anschließend für die Ansteuerung der Kontrollhaare verwendet, um somit ein vom Animator gestaltetes, erwünschtes Endergebnis zu erhalten. Frisuren, deren Aufbau komplexer ist, werden nicht über eine Geometrie angesteuert, sondern über animierte Kurven, die die Silhouette der Haare definieren. Diskussion cartoonartige Hair-Animation in 3D Ähnlich wie bei der Clothanimation wird versucht den Animationsaufwand zu minimieren, ohne dabei den Einfluss auf die Deformation zu verlieren. Das Steuern der Simulation durch den Animator und das visuelle Feedback über die finale Form der Simulation haben oberste Priorität. Des Weiteren KAPITEL 3. LÖSUNGSANSÄTZE CARTOONY RIG 28 werden ebenfalls Möglichkeiten erprobt, die die Kombination mit anderen klassischen Animationsprinzipien gewährleistet. Kapitel 4 Umsetzung eines Cartoony Rig in Autodesk Maya Im folgenden Kapitel wird anhand des Projekts Dancin‘ Mrs. Fritz detailliert beschrieben wie ein Cartoony Character Setup unter Verwendung von Autodesk Maya umgesetzt werden kann. Es wird versucht die Informationen allgemein und softwarunabhängig zu gestalten, um diese auch für weitere Projekte in anderen Entwicklungsumgebungen anwendbar zu machen. In Abschnitten die in die Tiefe gehen, lässt sich jedoch eine konkrete Abhandlung des Erarbeiteten nicht vermeiden. Aus diesem Grund werden für das Verständnis dieser Textpassagen grundlegende Kenntnisse der Software Autodesk Maya, als auch grundlegende Kenntnisse im Bereich des Character Setups und MEL Scripting vorausgesetzt. Vor dem eigentlichen Beschreiben des Umsetzungsprozesses wird ein Überblick zu den Unterschieden einer 3D-Cartoon-Pipeline im Vergleich zu einer herkömmlichen Pipeline gegeben. Die Informationen sind entscheidend für die Qualität und den zeitlichen Aufwand der Produktion, und zeigen interessante Aspekte für den Rigging Prozess auf. Daraufhin werden in Abschnitt 4.2 alle Anforderungen, die aus relevanten Produktionsbereichen in Bezug auf das Character Setup resultieren, beschrieben. Nach der Definition aller Anforderungen die es umzusetzen gilt, wird die Implementierung dieser im Detail besprochen. Im letzen Abschnitt wird auf den Evaluierungsprozess des erstellten Rigs eingegangen, und etwaige Modifikationen erläutert. 4.1 Herkömmliche Pipeline vs. Cartoon Pipeline Zu einem großen Teil gleichen sich Standard Pipeline und Cartoon Pipeline. Es gibt jedoch einige Faktoren, die mit der Qualität des finalen Produktes und mit der Dauer der Herstellung eng verknüpft sind. Diese Aspekte gilt es zu beachten, um möglichst effizient ein qualitativ hochwertiges Endprodukt zu erzielen. 29 KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 30 Standard-Production-Pipeline Cartoon-Production-Pipeline Scriptwriting Scriptwriting Character Design and Visual Development Character Design and Visual Development Storyboarding and Story Reel Paint and Scan Textures Model Charcters Storyboarding and Story Reel 6. Model Charcters Rigging Paint and Scan Textures 4. Character Setup / Rigging Model Sets and Props Animate Characters Write Shaders Character Setup / Rigging 5. 2. Model Sets and Props Setup Camera Write Shaders Animate Characters 3. 1. Capture Motion on Live Set Animate Effects Capture Motion on Live Set Animate Effects Shoot Live Action Light the Scene Shoot Live Action Light the Scene Rotoscope and Match Camera Move Layout Scene and Setup Camera Rotoscope and Match Camera Move Layout Scene Final Rendering Final Rendering Compositing Compositing Postprocessing Postprocessing Final Output and Release Final Output and Release (a) (b) Abbildung 4.1: Eine herkömmliche Production-Pipeline mit möglicher Verwendung von Motion-Capture und Live Action Szenen (a) (Abbildung aus [13, S. 54]). Eine 3D-Cartoon-Pipeline (b). Es wurden die Differenzen zur herkömmlichen Pipeline hervorgehoben. In Abbildung 4.1 werden eine herkömmliche und eine Cartoon Pipeline visualisiert. Die einzelnen Teilaufgaben der Produktion, ihre chronologische Abhängigkeit und die Kommunikation unter den einzelnen Produktionsabteilungen werden aufgezeigt. Bei näherer Betrachtung der Abbildung werden folgende sechs Unterschiede ersichtlich: 1. Verzicht auf Motion Capture: Ein Cartoon Character sollte nicht nur visuell einen cartoonartigen Stil verfolgen. Der Animationsstil sollte dem visuellen Genre angepasst werden, um die Qualität des Projekts zu steigern. Nicht selten wird aus Kostengründen die Verwendung von Motion Capture Daten in Erwägung gezogen. Dies bringt jedoch eine nicht zu verachtende Einschränkung der kreativen Ausdruckskraft mit sich, da die Charakteranimation somit auf die Bewegungsmöglichkei- KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 31 ten des menschlichen Bewegungsapparates limitiert ist. 2. Camera Setup vor Character Animation: Beim herkömmlichen Produktionsprozess wird zuerst animiert und anschließend die exakte Kameraeinstellung bzw. -bewegung definiert. Diese Vorgehensweise kann bei einem 3D Cartoon die Produktion zum Scheitern bringen bzw. verursacht einen enormen Mehraufwand. Adjustiert man die Silhouette eines Charakters, ist diese genau aus einem Blickwinkel ansprechend. Schon bei leichter Änderung der Kameraposition entspricht die Silhouette bereits nicht mehr dem gewünschten Ergebnis bzw. man erkennt, dass manche Körperteile ungewöhnlich lange oder nicht an der anatomisch richtigen Position sind. Um zeitliche Verzögerungen zu vermeiden, sollte bereits vor dem Animationsprozess die fixe Kameraposition definiert werden. Das Layout Department muss die Animatoren über mögliche Veränderungen sofort informieren. 3. Austausch zwischen Character Animation Department und Effects Animation Department: Entscheidet man sich für eine dynamische Simulation von Kleidung und Haaren ist eine Kommunikation zwischen Charakter- und Effektanimationsabteilung unabdingbar. Einerseits kann die Simulation Körperteile verdecken und somit eine ansprechend adjustierte Silhouette obsolet machen, und andererseits besteht die Gefahr, dass sich die Simulation schlecht in das Gesamtbild einfügt. Man hat zwei Möglichkeiten dieser Problematik entgegenzuwirken. Eine Möglichkeit ist es dem Animator ein Tool zur Verfügung zu stellen, dass es ermöglicht eine schnelle Vorschau über die resultierende Simulation zu erlangen, um folglich bestimmte Posen darauf abzustimmen (vgl. Open Season). Eine andere Möglichkeit ist das Vor- und Zurückreichen der Animation bis ein ansprechendes Ergebnis erzielt wird (vgl. The Incredibles). Weiters können Verzerrungen der Körpergeometrie ein artefaktartiges oder unansprechendes Ergebnis erzeugen (z. B. Squash & Stretch einer behaarten Körperpartie. In diesen Fällen wird die Animation des Charakters ebenfalls zurückgereicht, um die Charakteranimation für das simulierte Ergebnis besser vorzubereiten. 4. Rigging Prozess parallel zum Modeling Prozess: Die Umsetzung eines Cartooncharakters erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Modeling- und Riggingprozess. Aus diesem Grund finden diese Produktionsbereiche nicht sequentiell sondern parallel statt. Ziel ist es ein flexibles Modell zu erstellen, dass durch den Riggingprozess vervollständigt wird. Es gilt für den Modeler so neutral wie möglich zu arbeiten. Dieser erstellt die Grundform des Charakters von der aus flexible Deformationen möglich sind. Der Rigger erstellt Controls, um diese Grundform gestalterisch zu erweitern. Modelliert man zum Beispiel KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 32 den Charakter mit einer Ausbuchtung in der Ellebogengegend, und ist gleichzeitig eine rubberhoseartige Verformung des Arms erwünscht, würde eine Ausbuchtung bei dieser Art von Deformation stören. Der Charakter wird somit ohne Ellebogen modeliert, und über das Rig ist eine Ausbuchtung ein- und auszublenden. 5. Animatoren in den Rigging Prozess involviert: Man ist bestrebt Aufgaben, die ursprünglich Herausforderungen für den Animator darstellten, auch wieder in die Hand des Animators zu geben. In [8] wird dies an der Umsetzung von Facial Expressions ersichtlich. Im Zeichentrick entscheidet der Animator über den konkreten Gesichtsausdruck des Charakters bzw. darüber wie von einem Ausdruck in den anderen überblendet wird. In der 3D-Computeranimation ist üblicherweise der Modellierer für das Erstellen von Morphing Targets zuständig. Der Rigger hat die Aufgabe dem Animator Precontrols zur Verfügung zu stellen,womit dieser anschließend eine kurze Animation erstellt, die vom neutralen Gesicht in einen bestimmten Gesichtsausdruck überblendet. Diese Animation wird an den Rigger zurückgereicht, der daraus einen nicht linearen Blendshape erstellt. 6. Austausch zwischen Rigging und Texture Department: Bestimmte Deformationen machen es nötig, dass auch ein Austausch zwischen Rigging und Texture Department stattfindet. Das Character Setup Team teilt den Texture Artists mit in welchen Regionen mehr Auflösung in der Textur benötigt wird, bzw. ob eine veränderbare Textur, die über die Deformation mitgesteuert wird, benötigt wird. Wie bereits in Kapitel 1 erwähnt, hat das Cartoony Rig Einfluss auf den visuellen Stil der Animation und des Charakters. Dieser Aspekt wird aus der engen Kooperation mit Departments, die für gestalterische Produktionsbereiche zuständig sind, ersichtlich. 4.2 Anforderungsanalyse nach Produktionsbereichen Jede Produktion hat ihre eigenen Bedürfnisse. Ein Cartoon Rig kann daher in seiner Funktionalität variieren. Die Anforderungen ergeben sich aus dem Projekt selbst. Trotz umfassender Ausarbeitung möglicher Problemstellungen in Kapitel 2, wäre es aus folgenden beiden Gründen nicht zielführend standardmäßig alle analysierten Anforderungen für die Umsetzung unseres Rigs in Betracht zu ziehen: 1. Jedes Rig soll grundsätzlich folgenden Anforderungen genüge tun (vgl. [2, S. 19]): KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 33 Abbildung 4.2: Die Anforderungen an den Riggingprozess ergeben sich aus den vier illustrierten Departments. • Einfachheit, Schnelligkeit und Stabilität Würden alle analysierten Anforderungen für die Umsetzung in Betracht gezogen, wären die ersten beiden Punkte nur schwer realisierbar. Jedes Rig soll auf die erforderlichen Aspekte abgestimmt sein, und keine unnötigen Zusatzfunktionalitäten aufweisen. Da ein Cartoon Rig dem Animator so viele Freiheiten wie möglich bieten sollte, ist es schwer das Rig gleichzeitig einfach bzw. übersichtlich und schnell zu gestalten (more control != more controls [7]). 2. Oft ergeben sich aus einem konkreten Projekt Anforderungen, die prinzipiell mit Hilfe eines Cartoon Rigs lösbar wären, jedoch ist hier abzuschätzen, ob der Aufwand zur Erstellung eines eigenen Riggingansatzes gerechtfertigt ist. Oft existieren alternative Lösungsmöglichkeiten, die schneller und leichter das erwünschte Ergebnis liefern. Im Besonderen sind es vier Produktionsbereiche auf die es gilt als Rigger Acht zu geben. Aus den Prozessen Character Design, Visual Development, Storyboard und Story Reel und Character Animation lassen sich alle erforderlichen Anforderungen an den Riggingprozess ableiten (siehe Abb. 4.2). Welche Anforderungen sich im Detail aus diesen Produktionsbereichen ergeben können, wird in den nächsten Teilabschnitten erläutert. Zum besseren Verständnis der aufgestellten Anforderungen wird an dieser Stelle der Plot der angestrebten Animation illustriert: Eine gebrechliche alte Frau geht langsamen Schrittes von links nach rechts durchs Bild. Sie bleibt stehen, atmet durch, blickt Richtung Kamera und dann nach links und rechts. Vergewissert, dass sie niemand beobachtet verlässt sie die verkrampft-gebückte Haltung und setzt ein verschmitztes Grinsen auf. Sie lässt ihre Handtasche abrupt zu Boden fallen, und schiebt sie mit dem Fuß zur Seite. Sie klopft mit dem Stock zweimal auf den Boden woraufhin sich ihr Rock zu einer Art Tütü formt, und nimmt eine tänzerische Anfangspose ein. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 34 Abbildung 4.3: Der Charakter Mrs. Fritz in der Front, Side und Perspective View Darauf folgt ein wilder Tanz bei dem sie sich fortwährend auf die Kamera zu bewegt, und diese sich von ihr wegbewegt. Der Tanz wird dadurch beendet, dass die alte Frau nach einiger Zeit über ihre eigene Handtasche stolpert die sich auf einmal wieder im Bild befindet. Sie steht auf, bückt sich mühsam nach der Tasche, und setzt langsamen Schrittes ihren Weg von links nach rechts fort. 4.2.1 Character-Design Hier kommen vor allem die erarbeiteten Problemstellungen aus dem Prinzipien Appeal und Staging aus Kapitel 2 zum tragen. Anhand des Charakters Mrs. Fritz werden alle resultierenden Anforderungen an den Riggingprozess erarbeitet. Betrachtet man die Vorder-, Seiten- und 3/4-Ansicht des Charakters (Abb. 4.3) werden folgende Anforderungen ersichtlich. 1. Extreme Proportionen • Kurze Gliedmaßen: Arme und Beine von Mrs. Fritz wurden proportional verkürzt, um die eingeschränkte Bewegunsmöglichkeit einer alten Frau zum Ausdruck zu bringen. In gewissen Posen wird es nötig sein, diese Gliedmaßen zu verlängern, um Aktionen besser zum Ausdruck zu bringen oder überhaupt erst zu ermöglichen. • Vergrößerter Nasenbereich: Ein weiteres Charakteristikum älterer Menschen ist das einer großen Nase. Da der Nasenbereich sehr viel Platz einnimmt, wird es oft nötig sein die Nasenpartie unabhängig vom restlichen Kopf zu verschieben, um die Augen sichtbar zu machen. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 35 Abbildung 4.4: Der übertriebene Gesichtsausdruck beim Hinfallen des Charakters (ganz rechts), und die unabhängige Ausrichtung und Skalierung der Pupillen stellen zusätzliche Anforderungen an das Rig dar. 2. Klare Silhouette • Dut: Die Frisur des Charakters ist ein markantes Element und dient somit der sofortigen Erkennbarkeit des Charakters. Es soll gewährleistet sein, dass unabhängig vom Blickwinkel dieser Haarknoten immer zu sehen ist. Zusätzlich zur grundlegenden Definition des Charkters werden im Character Design mögliche Gesichtsausdrücke definiert. Da in dieser Animation der Fokus auf der Performance des Körpers liegt und keine Dialogsequenzen geplant sind, wird auf ein ausgereiftes Definieren verschiedener Gesichtsausdrücke verzichtet. Neben dem emotionalen Ausdruck Glücklich“ und Trau” ” rig“ soll für die Szene in der Mrs. Fritz hinfällt eine übertriebene Öffnung des Mundes möglich sein. Um das verrückte und wilde Element des Tanzes zu unterstreichen sollen die Augäpfel einzeln in verschiedene Richtungen schauen können und die Pupillen sollen unabhängig von einander skalierbar sein (siehe Abb. 4.4). 4.2.2 Visual Development In der Phase des Visual Developments wird der visuelle Stil des Charakters und der Animation definiert. Durch Concept Art Drawings, Textur- und Animationsbeispielen wird veranschaulicht in welche gestalterische Richtung sich das Projekt entwickeln soll. Durch Abbildung 4.5 werden folgende Anforderungen an den Riggingprozess ersichtlich: 1. Strichführung: Die geschwungene Strichführung in den Concept Art Drawings weist auf eine Umsetzung von vermehrten Kontrollmöglichkeiten hin. An Stellen wo sonst nur ein einfaches Abbiegen möglich ist (wie Arme und Beine) soll die Möglichkeit bestehen die Form der Gliedmaßen rund und fließend zu gestalten. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 36 Abbildung 4.5: Die Strichführung, mögliche Einschränkungen durch die Textur, und Umsetzung von Hair und Cloth werden aus den Abbildungen ersichtlich. 2. Textur: Durch die wenig detailreiche und stilisierte Textur wird ersichtlich, dass sich keine Einschränkungen bezüglich Grad des Squash & Stretch und möglicher anderer Verzerrungen ergeben. 3. Cloth / Hair: Der geringe Detailgrad lässt sich in weiterer Folge auf die Umsetzung von Haaren und Kleidung umlegen. Der Haarknoten des Charakters soll modelliert, und die gesamte Haarbereich über eine Textur definiert werden. Für die Kleidung wird auf eine dynamische Simulation verzichtet. Das Rig soll die Möglichkeit bieten die Animation des Kleides an die Line of Action und die geschwungene Strichführung anzupassen. Der Animationsstil lehnt sich an die übertriebene Stilistik von Tex Avery Animationen an. Somit wird neben dem Grundprinzip des Stagings die Möglichkeit einer überzeichneten Form des Squash & Stretch, und Follow Through Prinzips vom Rig erwartet. 4.2.3 Storyboard / Story Reel Die Bilder des Storyboards bzw. Story Reels geben Aufschluss darüber welche konkreten Bewegungsmöglichkeiten für den Charakter umgesetzt werden müssen. Durch das Visual Development ist bereits definiert welcher Animationsstil verfolgt wird. Daraus ergeben sich Basisanforderungen die den Principles of Animation entsprechen. Diese Anforderungen werden an dieser Stelle nicht mehr hervorgehoben. Es wird nach Bewegungsmöglichkeiten gesucht, die über diese Prinzipien hinausgehen. In Abbildung 4.6 sind Auszüge aus dem Storyboard zu Dancin‘ Mrs. Fritz abgebildet. Diese Einzelbilder zeigen zusätzliche Anforderungen für den Riggingprozess auf. Eine Teilung der Geometrie an verschiedenen Stellen, und das Vergrößern bzw. Verkleinern von einzelnen Körperpartien ist erforderlich. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 37 Abbildung 4.6: Im Zuge des Tanzes teilt sich der Charakter mehrere Male an verschiedenen Stellen und einzelne Körperpartien werden vergrößert oder verkleinert. 4.2.4 Animation Durch die Fülle an zusätzlichen Cartoony Controls ist es erforderlich dem Animator einen übersichtlichen Animationsprozess zu ermöglichen. Prinzipiell wird der 3D Cartoon Animationsprozess in mehrere Stufen eingeteilt (siehe [4]). Zuerst wird die Animation mit den herkömmlichen Kontrollmöglichkeiten grob ausgearbeitet, erst in weiteren Animationsdurchgängen werden Verformungen durch die zusätzlichen Cartoon Controls vorgenommen. Um diese Vorgehensweise noch übersichtlicher zu gestalten, wäre ein Einund Ausblenden der verschiedenen Feinheitsgrade an Controls wünschenswert. Alle anderen Controls sollen der bereits besprochenen Anforderungen einfach, schnell und stabil“ entsprechen. ” 4.2.5 Anforderungen im Überblick In Abbildung 4.7 werden alle erörterten Anforderungen aufgelistet, und mit den dafür vorgesehenen Lösungsansatzen, die im nachfolgenden Kapitel detailliert beschrieben werden, ergänzt. 4.3 Implementierung Cartoony Body Rig In diesem Abschnitt wird die Umsetzung eines Cartoony Character Setups für den Körper besprochen. Dies erfordert die Implementierung von fünf Teilkonzepten. Für jedes Konzept wird zunächst eine klare Zielsetzung definiert, verschiedene gängige Umsetzungsalternativen werden vorgestellt, und deren Vor- und Nachteile werden ausgearbeitet. Daraufhin wird die Implementierung des Konzepts, welches für das Projekt Dancin‘ Mrs. Fritz am besten erscheint, im Detail beschrieben. Bevor die einzelnen Konzepte vorge- KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 38 Abbildung 4.7: Aus den analysierten Anforderungen ergeben sich folgende Konzepte für das Character Setup. stellt werden, sind folgende zwei Punkte zur allgemeinen Produktionsweise abzuklären. 1. Verwendung von Utility Nodes statt Expressions: In Autodesk Maya hat man die Möglichkeit über zwei verschiedene Arten Befehle auszuführen. • Expression: Expressions sind MEL Script Befehle die durch die Änderung eines Attributes ausgeführt werden. In jedem Frame in der sich ein mit einer Expression verknüpftes Attribut ändert, muss das Script interpretiert werden. Die Verwendung mehrerer Expressions zur Gewährleistung bestimmter Riggingansätze bringt aus diesem Grund Performance-Einbußen mit sich. • Utility Node: Utility Nodes sind Konstrukte über die grundlegende arithmetische Operationen und Programmlogik ausführbar sind. Sie wurden von den Machern von Maya zur Erstellung von KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 39 Abbildung 4.8: Verlängerbare Gliedmaßen am Beispiel des Arms, und freie Positionierbarkeit von Körperteilen am Beispiel des Kopfs. Shading Netzwerken erdacht und implementiert. Man kann diese jedoch für die Phase des Character Setups zweckentfremden. Utility Nodes müssen nicht in jedem Frame neu compiliert werden, und bringen daher eine bessere Performance mit sich. Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Operationen ist jedoch im Vergleich zu den Expressions limitiert. Durch die entstehenden Performance-Vorteile werden für die Umsetzung Utility Nodes preferiert. 2. Anwendung eines prozeduralen Rigging Prozesses: Das Character Setup soll nicht per Hand erstellt werden, sondern über ein MEL Script. Die prozedurale Erarbeitung des Rigs bringt zwei Vorteile mit sich. Einerseits kann das Rig nachträglich modifiziert werden, ohne dabei Gefahr zu laufen das bestehende Rig zu zerstören, und andererseits kann mittels MEL Script das Rig jederzeit beliebig oft in variierter Form vervielfältigt werden, und so auch Dritten dienlich sein. Zur benutzerfreundlichen Ansteuerung der Prozeduren des MEL Scripts wurde ein Cartoony Rig GUI erstellt. Auf die Umsetzung dieses GUIs wird in der nachfolgenden Beschreibung nicht eingegangen, da es den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. 4.3.1 Stretchy Broken Base Rig Zielsetzung Stretchy Broken Base Rig Das Ziel des Stretchy Broken Base Rig Konzepts ist die Erweiterung eines Standard Character Setups um die Möglichkeit Gliedmaßen über eine Stretchy IK zu verlängern, und Körperteile durch die Broken Hierarchie unabhängig voneinander positionieren zu können (siehe Abbildung 4.8). Das Stretchy Broken Base Rig kann somit in drei Teilkonzepte aufgesplittet werden: KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 40 1. Base Rig Der Vollständigkeit wegen sei erwähnt, dass das Standard Character Setup folgende Basisfunktionalität bietet: • IK/FK Switch • Reverse Foot Setup • No Flip Knee Diese Konzepte werden an dieser Stelle nicht näher vorgestellt, da sie in jeder einführenden Rigging Literatur behandelt werden (siehe [23]). Der einzige Punkt, der von einem herkömmlichen Rig abweicht, ist die gerade Orientierung der Joints. Dies gewährleistet in Kombination mit einem gleichmäßig und gerade modellierten Charakter eine flexible Verformung in alle Richtungen. In Abbildung 4.9 wird diese Problematik veranschaulicht. Es muss beachtet werden, dass vor dem Setzten eines Inverse Kinematik Handles definiert werden muss, in welche Richtung sich die Jointkette abbiegen soll. 2. Broken Hierarchie Das Konzept der Broken Hierarchie beschreibt lediglich den Verzicht auf eine hierarchische Verlinkung der einzelnen Controls, wie es bei einem Standard Rig üblich ist. Transliert oder rotiert man z. B. die Hüfte geht man prinzipiell davon aus, dass sich der Brustbereich, Kopf und Arme mitbewegen, da dies real gesehen der Fall sein müsste. Bei einem Cartoony Rig möchte man dies verhindern, damit das Staging und Follow Through Prinzip animierbar wird. Die Positionierung jedes einzelnen Körperteils ist jedoch sehr aufwendig, wenn es darum geht Posen zu realisieren, die keine Broken Hierarchie vorraussetzen. Aus diesem Grund wird jeweils zusätzlich zum Hip- und Chest-Control ein Override Control umgesetzt, der die entsprechenden Körperteile hierarchisch mitbewegt. Da dies einer ergonomischen Modifikation des Rigs entspricht, wird die detaillierte Umsetzung dieser Controls im Kapitel 4.6 behandelt. 3. Stretchy IK Die Umsetzung verlängerbarer Gliedmaßen erfordert einenen größeren Umsetzungsaufwand, und wird daher folgend im Detail abgehandelt. Umsetzungsalternativen der Stretchy IK im Vergleich Vergleicht man verschiedene Umsetzungsvarianten verlängerbarer Gliedmaßen, findet man nur wenige Abweichungen zwischen den einzelnen Alternativen. Grundsätzlich werden bei allen Methoden folgende Schritte durchgeführt (siehe Abb. 4.10, am Beispiel einer Stretchy IK für das Bein): KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 41 (a) (b) Abbildung 4.9: Bei der Rotation in beide Richtungen wird das unterschiedliche Endergebnis ersichtlich. Nur die gerade Variante bringt eine Deformation, die in beide Richtungen ident ist. Abbildung 4.10: Die vier Basisschritte für die Erstellung eines StretchyIK-Konstrukts KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 42 1. Erstellen eines IK-Handle (von der Hüfte bis zum Knöchel) 2. Ermitteln der Jointchainlänge (Distanz von der Hüfte bis zum Knöchel bei komplett durchgestrecktem Bein) 3. Ermitteln der variablen Distanz zwischen Startjoint und IK-Handle 4. Verlängerung der Joints bei Überschreiten der originalen Jointchainlänge Die einzelnen Varianten unterscheiden sich lediglich in der Art wie verschiedene Teilaufgaben gelöst werden bzw. ob zusätzliche Funktionalität implementiert wird. Nachfolgend werden die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale beschrieben: 1. Einmaliges Ermitteln der Jointchainlänge • Measure Tool: Über ein Werkzeug, das die Distanz zwischen zwei Punkten im dreidimensionalen Raum misst, kann die gesamte Länge der Jointchain ermittelt werden (in Maya: Distance Tool oder Distance Between Node). Zum Zeitpunkt des Messens muss jedoch gewährleistet sein, dass die Gliedmaße (Jointchain) komplett durchgestreckt ist. • Berechnen der Länge: Für jeden Joint der Jointchain wird die Distanz zum Nachfolgenden berechnet (beim Bein: vom Hüftgelenk bis zum Sprunggelenk) und aufsummiert. Dies macht es ebenfalls bei einem abgewinkeltem Bein möglich die Gesamtlänge zu erhalten. Aus diesem Grund ist diese Methode für den prozeduralen Ansatz besser geeignet. 2. Messen der Distanz zwischen Startjoint und IK-Handle zur Laufzeit • Measure Tool: siehe Punkt 1. • Berechnen der Distanz: siehe Punkt 1. • Hilfsobjekte: Über zwei Hilfsobjekte kann ebenfalls die Distanz ermittelt werden. Diese werden jeweils an den zwei Punkten, zwischen denen die Distanz gemessen werden soll, fixiert. Durch Transformieren des einen Objekts in das Objektkoordinatensystem des anderen (Parent), und die Ausrichtung des Parentobjekts in Richtung seines Childs, kann über das translateX Attribut des Childobjekts die Distanz ausgelesen werden. (siehe [2]) 3. Verlängerung der Jointchain: KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 43 • Skalierung der Joints: Jeder Joint der Jointchain vom ersten bis zum vorletzten wird um den Skalierungsfaktor in Richtung der Twistingachse skaliert. • Translation der Joints: Für jeden Joint der Jointchain vom zweiten bis zum letzten wird der Translationswert der Twistingachse transliert. 4. Zusätzliche Funktionalität • Stretchyness über Attribut ein- und ausschaltbar: In manchen Animationen ist es nicht erwünscht, dass die Verlängerung der Gliedmaßen immer zur Verfügung steht. Aus diesem Grund kann ein Attribut eingefügt werden, dass das Ein- und Ausschalten gewährleistet. • Berücksichtigen eines konstanten Volumens: Die Verlängerung der Gliedmaßen kann einerseits ein Staging gewährleisten, ist aber auch für die Umsetzung eines Squash & Stretch konzipiert. Im zweiten Fall muss ein konstantes Körpervolumen berücksichtigt werden. Aus diesem Grund kann ein Blendshape linear zur Skalierung angesteuert werden, der das Bein bei Stretching ausdünnt. Falls diese Volumenskorrektur erwünscht ist, sollte ein Schalter eingeführt werden, der auch eine Verlängerung ohne Volumenskorrektur zulässt, damit weiterhin eine unsichtbare Verlängerung für das Staging ermöglicht wird (siehe [23]). • Abwinkelung bei verlängerter Gliedmaße: Im verlängerten Zustand der Gliedmaße gibt es keine Möglichkeit ein Abbiegen des Ellebogens bzw. Knies zu erzielen. Aus diesem Grund kann ein Attribut erstellt werden, welches die Joints der Jointkette bei gleichbleibenden IK-Handle skaliert. Diese Skalierung bewirkt ein abwinkeln der Jointchain (siehe [18]). • Änderung des proportionalen Verhältnis der Jointchainglieder : Die Anforderung des Stagings kann es oft erfordern, dass z. B. das proportionale Verhältnis zwischen Ober- und Unterarm verändert werden muss, um die Verlängerung nicht visuell sichtbar zu machen. Diese Änderung kann wiederum über ein Attribut angesteuert werden (siehe [3, S. 11 ff]). Vor- und Nachteile im Überblick In der nachfolgenden Tabelle 4.3.1 wurden nochmals übersichtlich alle Umsetzungsalternativen zusammengetragen, und protokolliert, welche Vor- bzw. Nachteile diese in Bezug auf das zu realisierende Projekt haben. Die für das Projekt Dancin‘ Mrs. Fritz bestgeeignetsten Methoden wurden blau unterlegt, und deren konkrete Umsetzung wird im anschließenden Implementierungsteil erläutert. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 44 Distanz Startjoint / IK-Handle Länge Jointchain Methode PRO Weniger Aufwand Es muss gewährleistet sein, dass die Jointchain komplett durchgestreckt ist; muss nach einmaligem Messen und Speichern der Distanz wieder gelöscht werden. Berechnen Die Jointchain kann sich auch in einem abgewinkelten Zustand befinden, kein Erstellen von Objekten, die anschließend wieder gelöscht werden müssen Mehr Aufwand, eignet sich nur für den prozeduralen Erstellungsprozess Measure Tool (Distance Between Node) Utility Node bringt im Vergleich zur „Berechnungsmethode“ Performancevorteile und ist leichter für dritte nachvollziehbar als die Methode über Hilfsobjekte - Berechnen - Da es sich hier um ein Messen einer zur Laufzeit variablen Distanz handelt, müsste für die Berechnung eine Expression erstellt werden; Performancenachteile Hilfsobjekte Keine zusätzlichen Tools oder Berechnungen notwendig Da das Script an Dritte weitergeben werden soll, ist diese Variante ohne Erklärung nicht leicht nachvollziehbar Skalieren Verlängerung - Zusatzfunktionalität CON Measure Tools Durch andere Konzepte werden öfters die Skalierungswerte der Jointchain angesprochen. Jede weitere Skalierung macht die Utilitynodekette komplexer, aus diesem Grund wäre eine Lösung über die Translation besser gewesen, wurde jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht berücksicht. Translieren - - Stretchyness einund ausschaltbar - Erfordert das zusätzliche Animieren des Ein- und Ausschaltens, Ein Sperren ist für die geplante Animation nicht unbedingt notwendig Berücksichtigen konstantes Volumen - Die Verlängerung der Gliedmaßen ist im Fall dieser Animation vorwiegend für das Umsetzen des Stagings gedacht. Aus diesem Grund wird auf eine Volumenskorrektur verzichtet Abwinkelung verlängerter Gliedmaßen Die Anforderung des Stagings macht diese Funktionalität unabdingbar - Proportionale Veränderung der Jointchainglieder Die Anforderung des Stagings macht diese Funktionalität unabdingbar - Abbildung 4.11: Vor- und Nachteile der verschiedenen Umsetzungsalternativen bezogen auf das Projekt Dancin‘ Mrs. Fritz. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 45 Implementierung Stretchy Ik Für die Erstellung einer Stretchy IK wurde die MEL Script Datei Cartoony ” Rig“ um die Prozedur makeIKStretchy(IkHandle, side, limb) erweitert. Vorrausgesetzt wird, dass bereits im Standardsetup ein IK-Handle erstellt wurde. Dieser, die zu bearbeitende Seite (left, right) und die zu bearbeitende Gliedmaße (leg, arm) werden an die Prozedur übergeben. Nachfolgend werden die einzelnen Teilschritte zur Erstellung des Stretchy-IK Konstrukts sequentiell beschrieben. Auffinden des Start- und Endjoints: Mittels übergebenen Ik-Handle können Start- und Endjoint ermittelt werden, die dazu benötigt werden die Gesamtlänge der Jointchain zu errechnen. Folgendes Codefragment zeigt auf wie man auf die beiden Joints mittels übergebenen IK-Handle zugreifen kann. $endJoint [0] = ‘ ikHandle -q - endEffector $ikHandle ‘; select $endJoint [0]; $endJoint = ‘ pickWalk -d up ‘; $endJoint = ‘ pickWalk -d down ‘; $startJoint [0] = ‘ ikHandle -q - startJoint $ikHandle ‘; Über die ikHandle Funktion kann man den endEffector des Ik-Handels abfragen. Dieser wird selektiert, um mittels PickWalk up auf das Parentobjekt (vorletzter Joint in Jointchain) zu springen. Wenn man nun in der Hierarchie wieder einen Schritt nach unten geht (PickWalk down) erhält man den Endjoint. Der Startjoint kann direkt über die ikHandle Funktion abgefragt werden. Default Länge der Jointchain berechnen: In einer Schleife werden die absoluten Positionen (Weltkoordinatensystem) zweier aufeinanderfolgender Joints – angefangen beim Startjoint – abgefragt, der Vektor zwischen den beiden Punkten wird ermittelt und dessen Länge berechnet. Die resultierenden Längenwerte der einzelnen Joints werden abschließend aufsummiert. $jointPos [ $counter ] = ‘ joint -q -p -a $currentJoint ‘; $btwPointsVector = ( $jointPos [ $counter -1]) ( $jointPos [( $counter ) ]) ; $distBtwJoints = mag ( $btwPointsVector ) ; $totalDistance = ( $totalDistance + $distBtwJoints ) ; Konstrukt zur Längenberechnung zwischen Startjoint und IK-Handle bilden: Zwei Null-Groups (Start- und Endpoint) und ein Locator werden erstellt. Der Locator dient zum Ansteuern des IK-Handles, dieser kann KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 46 somit auch gleichzeitig als Kontrollobjekt für das Bein oder den Arm dienlich sein. Die beiden Null-Groups dienen als Messpunkte für die Ermittlung der Distanz. Der IK-Handle wird dem Locator hierarchisch untergeordnet, und die beiden Nullgroups werden jeweils auf den Startjoint und die andere auf den Locator fixiert (Pointconstraint). Anschließend wird ein DistanceBetween Utility-Node erstellt, und dessen Eingangswerte mit den Translationswerten der beiden Null-Groups gefüllt. string $startPoint = ‘ group - empty ‘; string $endPoint = ‘ group - empty ‘; string $endPointLoc = ‘ spaceLocator ‘; parent ( $legSide + " LegIk ") $endPointLoc ; pointConstraint $startJoint [0] $startPoint ; pointConstraint $endPointLoc $endPoint ; string $distanceNode = ‘ shadingNode - asUtility distanceBe tween ‘; connectAttr ( $startPoint + ". translate ") ( $distanceNode + ". point1 ") ; connectAttr ( $endPoint + ". translate ") ( $distanceNode + ". point2 ") ; Es ist zu beachten, dass das direkte Fixieren der Null-Group auf dem IKHandle vermieden wird, da dies sonst zu einem Redundancy Cycle führt. Condition Utility-Node für Längenvergleich erstellen: Ein Condition Node wird erstellt, der überprüfen soll, ob die variable Distanz zwischen Startjoint und IK-Handle, die Länge der Jointkette übersteigt. Trifft ein Überschreiten zu, wird die variable Distanz weitergegeben. Anderenfalls wird die Default-Distanz weitergereicht. string $conditionNode = ‘ shadingNode - asUtility condition ‘; setAttr ( $conditionNode + ". operation ") 3; // 3 = ( >=) setAttr ( $conditionNode + ". firstTerm ") $totalDistance ; connectAttr ( $distanceNode + ". distance ") ( $conditionNode + ". secondTerm ") ; setAttr ( $conditionNode + ". colorIfTrueR ") $totalDistanc e ; connectAttr ( $distanceNode + ". distance ") ( $conditionNode + ". colorIfFalseR ") ; MultiplyDivide Utility-Node für Skalierungsfaktor erstellen: Ein MultiplyDivide-Node wird erstellt, und dessen Funktion auf Divide gestellt. Als Divisor wird die berechnete Jointchainlänge eingetragen. Das Ergebnis des Condition-Nodes wird mit den Divident-Input verknüpft. Entspricht der Ausgangswert des Condition-Nodes der originalen Jointchainlänge ergibt die Division immer 1, somit findet in diesem Fall keine Verlängerung statt. Andernfalls resultiert aus der Division der Skalierungsfaktor. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 47 Abbildung 4.12: Über das Proportions-Attribut kann der Skalierungsfaktor s1 des ersten Joints x1 eingestellt werden. Aus diesem wird ein ensprechender Skalierungsfaktor s2 für den zweiten Joint x2 der Chain errechnet um die Gesamtlänge der Jointchain nicht zu verändern. Bend-Attribut hinzufügen: Um das Abwinkeln bei verlängerter Jointchainkette zu gewährleisten, wird der entsprechende Controller um ein Attribut Bend“ erweitert. Über dieses Attribut ist ein Skalierungsfaktor ein” stellbar, der die Abwinkelung durch Skalierung der Joints bei gleichbleibenden IK-Handle erzielt. Der ansteuerbare Skalierungsfaktor wird über einen MultiplyDivide-Node mit dem zuvor erhaltenen Skalierungsfaktor multipliziert. Proportion-Attribut hinzufügen: Um das Verhältnis der Jointchainmitglieder zueinander zu ändern, wird dem entsprechenden Controller ein weiteres Attribut namens Prop“ hinzugefügt. Wird dieses Attribut z. B. auf ” den Skalierungsfaktor s1 = 0.7 eingestellt, bedeutet dies, dass der erste Joint x1 der Jointchain um diesen Faktor skaliert wird. Um eine gleichbleibende Gesamtlänge L der Jointchain zu gewährleisten, muss der Skalierungsfak1 x1 tor s2 für den zweiten Joint x2 der Jointchain über die Formel s2 = L−s L−x1 berechnet werden. Durch die Skalierung des zweiten Joints mit dem errechneten Skalierungsfaktor s2 behält die Jointchain bei Veränderung des Attributs Prop“ die gleiche Länge (vgl. Abbildung 4.12). ” In Abbildung 4.13 wird die resultierende Utility-Node-Kette ohne Bend- und Proportion Attribut aufgezeigt, und mittels Flussdiagramm deren Funktionsweise erläutert. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 48 Abbildung 4.13: Stretchy IK Utility-Node-Kette mit erklärendem Flussdiagramm. Abbildung 4.14: Eine einfache Abwinkelung soll um die Möglichkeit einer geschwungenen Adjustierung erweitert werden. 4.3.2 Deformable Rig Zielsetzung Deformable Rig Das Deformable Rig soll es ermöglichen eine geschwungene Linienführung bzw. eine störungsfreie Silhouette animierbar zu machen. Weiters hat man mit Hilfe diesen Konzepts mehr Einfluss auf Follow Through Effekte. An Stellen wo sonst nur ein einfaches Abwinkeln möglich ist (z. B. Arm, Bein), soll mehr Adjustierungsmöglichkeit geboten werden (siehe Abb. 4.14). Ziel ist es durch eine hohe Anzahl an Joints so viel Kontrolle wie möglich über die Geometrie zur Verfügung zu stellen, diese sollen jedoch durch ein Layersystem über so wenige Controls wie möglich ansteuerbar sein. Zusätzlich wird versucht auch in Regionen wie der Wirbelsäule und dem Hals flexiblere, weniger störungsanfällige Kontrollmöglichkeiten zu schaffen. Es muss beachtet werden, dass sich das Konstrukt mit dem Stretchy Broken Base Rig flexibel mitbewegen lässt. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 49 Umsetzungsalternativen des Deformable Rig im Vergleich Durch die Zielsetzung der geschwungenen Linienführung, wird die Verwendung von Konstrukten die auf eine Curve oder ein Nurbsobjekt aufbauen offensichtlich. Im folgenden Abschnitt werden drei splinebasierende, alternative Umsetzungsmöglichkeiten besprochen. 1. Stretchy Spline IK: Dieses Konzept ist wohl das bekannteste der vorgestellten drei Alternativen. Eine Spline IK wird typischerweise für das Setup der Wirbelsäule oder des Halses verwendet. Diese an einer Curve orientierten IK-Variante wird um die Fähigkeit der Stretchyness erweitert, um sie der Flexibilität des Broken Base Rigs anzupassen. Die Umsetzung einer Dehnbarkeit ist kongruent zur Stretchy IK, nur dass für die Längenberechnung über den Befehl arclen -ch; ein CurveInfo Node erstellt werden muss, mit dessen Hilfe die Länge einer Curve ermittelbar ist (siehe [11]). 2. Curvecontrolled Joints: Aufgrund resultierender Nachteile der Stretchy Spline IK wurde versucht händisch einzelne Joints an einer Curve zu fixieren. Diese Fixierung kann über Animationspfade (Motion Paths) erfolgen. In Maya wird nach Fixieren des Joints über einen Motion Path, dieser abhängig von der Zeit entlang der Kurve bewegt. Diese Verbindung des U Value (definiert die Position des Joints entlang der Curve) mit den Animationsframes ist nicht erwünscht, und wird daher gebrochen. Das U Value Attribut kann anschließend händisch gesetzt werden (siehe [2]). 3. Nurbsplane mit Follicles: Dieses Konzept verwendet als Basis eine Nurbssurface, die mit Follicles (Haarwurzeln) versehen wird. Über diese Follicles bekommt man auf einfache Art und Weise die Orientierung bzw. die Normalen der Fläche. Auf diese können anschließend einzelne Joints fixiert werden (siehe [4]). Im nachfolgenden Teil sollen die vorgestellten Konzepte miteinander verglichen werden. Zur Illustration der Differenzen wurde jeweils eine Curve bzw. Nurbssurface mit einer Unterteilungen erstellt. Dadurch entsteht eine Controlvertexreihe in der Mitte. Transliert man diese über einen Controller, erhält man bereits mit einem geringen Animationsaufwand eine ansprechende und gleichmäßige Krümmung. Auf diesem Konstrukt wurden jeweils 5 Joints positioniert und diese mit identen Polygonmeshes versehen, um die Varianten vergleichbar zu machen. Die drei Alternativen lassen sich anhand von drei Faktoren unterscheiden. 1. Übertragen der Translation und Orientierung: Um eine korrekte Deformation der Geometrie zu erhalten, müssen die Translations- und KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 50 Abbildung 4.15: Wünschenswert ist das Übertragen der Translation und Rotation der Splinebasis. Orientierungswerte der Splinebasis auf die Joints übertragen werden. In Abbildung 4.15 wird ersichtlich, dass Methode 1 und 3 diese Anforderung erfüllen. Bei der Curvecontrolled Joints Methode ist die Übertragung der Orientierung nicht möglich. Im Unterschied zur Spline IK wird durch die fehlende Verlinkung der einzelnen Joints keine Orientierung zum Folgejoint erzielt. Bei der dritten Variante erhält man die Orientierung über die Follicles. 2. Twisting: Durch die fehlende Orientierungsmöglichkeit ist auch ein Twisting bei Variante 2 nicht möglich (siehe Abb. 4.16). Mit Variante 1 und 3 kann hingegen eine Drehung um die Hauptachse realsiert werden. Hier sind jedoch Unterschiede zwischen den beiden Alternativen ausmachbar. Die Stretchy Spline IK ermöglicht eine Rotation lediglich an den Enden, wohingegen bei der Nurbsplanevariante auch an allen anderen Kontrollpunkten eine Rotation möglich ist. Weiters flippt Variante 1 bei 180 Grad, während Variante 3 erst bei 360 Grad auf 0 Grad zurückspringt. 3. Stretching: Durch die Verlinkung der einzelnen Joints untereinander kann es bei Variante 1 zu einer Skalierung des letzten Joints über den Endpunkt der Jointkette hinaus kommen (siehe Abb. 4.17). Dies kann zu artefaktartigen Deformationen der Geometrie führen. Die anderen beiden Varianten gewährleisten einen exakte Positionierung der Joints an dem Start- und Endpunkt. Vor- und Nachteile im Vergleich In der nachfolgenden Tabelle 4.18 werden die Differenzen der drei behandelten Umsetzungsalternativen in Form von Vor- und Nachteilen gesammelt illustriert. Die blau unterlegte Variante ist aufgrund der dominierenden Vorteile die bestgeeignetste für das Projekt Dancin‘ Mrs. Fritz. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 51 Abbildung 4.16: Wünschenswert ist eine Rotation um die Hauptachse, die an jeder beliebigen Stelle funktioniert, und kein frühzeitiges flipping auslöst. Abbildung 4.17: Wünschenswert ist die Fixierung der Joints an den Endpunkten. Methode PRO CON Stretchy Spline Ik Translation und Orientierung Twisting an den Enden Kein Twisting in der Mitte Flipping schon bei 180 Grad Curvecontrolled Joints Translation Keine Stretchingprobleme Keine Orientierung Kein Twisting an den Enden Kein Twisting in der Mitte Nurbssurface mit Follicles Translation und Orientierung Twisting an den Enden Twisting in der Mitte Flipping erst bei 360 Grad Keine Stretchingprobleme - Abbildung 4.18: Vor- und Nachteile der Deformable Rig Varianten KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 52 (a) (b) Abbildung 4.19: Der erste Layer ermöglicht maximal eine Krümmung (Feinheitsgrad 1) (a); Ein Layer mit zwei Unterteilungen entspricht maximal zwei Krümmungen (Feinheitsgrad 2) (b). Vor der konkreten Implementierung des Nurbssurfaces mit Follicles Konzepts werden zuvor noch die Teilaufgaben zur Erstellung des Konstrukts und dessen genauer Aufbau beschrieben. In den nachfolgenden Textpassagen wird die gewählte Umsetzungsalternative der Einfachheit wegen mit dem Begriff Deformable Rig behandelt. Aufbau und Teilaufgaben Deformable Rig Aus den Vergleichsillustrationen ist ersichtlich, dass über ein einziges Kontrollobjekt die Möglichkeit geschaffen wurde eine gleichmäßige Krümmung zu erzielen. Um dem Animator noch feinere Adjustierungen zu erlauben, kann das System durch mehrere Layers erweitert werden. So ist es weiterhin möglich über einen Controller eine grobe Krümmung zu erreichen, aber auch über zwei oder mehrere Controller dementsprechend zwei oder mehrere Krümmungen zu erzielen. Würde man auf ein Layersystem verzichten, und nur eine Nurbssurface mit z. B. fünf Unterteilungen erstellen, müssten fünf Kontrollobjekte positioniert werden, um eine gleichmäßige Krümmung zu erzielen. In Abbildung 4.19 sieht man die verschiedenen Adjustierungsmöglichkeiten je nach Anzahl von verwendeten Layers. Der genaue Aufbau eines Deformable Rigs mit Feinheitsgrad 2 wird nachfolgend anhand von vier Teilschritten ersichtlich: 1. Erstellen der Nurbssurfaceses: Für ein störungsfreies Mitbewegen des Konstrukts muss vor den Feinheitsgrad Layers ein Transportation Layer angelegt werden. Dieser besitzt keine Unterteilungen. Aufbauend darauf wird ein Layer mit einer Unterteilung (2 Spans) und ein Layer mit zwei Unterteilungen (3 Spans) erstellt. Es ist darauf zu achten, dass die Spans in V-Richtung erstellt werden, da es sonst zu einer nicht erwünschten Deformation kommt. 2. Setzen der Follicle: Auf den einzelnen Nurbssurfaces werden Fol- KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 53 Abbildung 4.20: Aufbau eines Deformable Rigs unter Verwendung von Nurbsplanes und Follicles. licles platziert. Bei den ersten beiden Layers entspricht die Anzahl und Poitionierung der Follicle den Unterteilungen des übergeordneten Layers. Die Follicle des letzten Layers sind in weiterer Folge für die Anbringung der Deformable Joints zuständig. Neben der Platzierung eines Follicles pro Controlvertexreihe wird auch in den Zwischenräumen der Unterteilungen jeweils ein Follicle platziert. Diese zusätzlichen Joints gewährleisten eine flüssige Deformation der Geometrie. 3. Clustern der Controlvertexreihen: Alle Vertexreihen der einzelnen Layers werden gesammelt ansprechbar gemacht (Cluster). Und auf die Follicle (bzw. Basejoints) des untergeordneten Layers fixiert (Parent). Für jeden Cluster der Feinheitsgradlayers werden, wird ein Kontrollobjekt erstellt, um die Animierbarkeit des Konstrukts zu gewährleisten. Es ist ratsam die Größe der einzelnen Controller dem Level des Layers anzupassen, um optisch sofort erkenntlich zu machen um welchen Feinheitsgrad es sich handelt. 4. Anbringen der Deformable Rig Joints: Entsprechend der Anzahl an Follicles des letzten Layers werden einzelne, unzusammenhängende Joints erstellt und auf die Follicles fixiert (Parent). Das vorgestellte Konstrukt kann prinzipiell noch feiner adjustiert werden, indem weitere Layers hinzugefügt werden. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 54 Implementierung eines Deformable Rigs über Nurbsplanes mit Follicles Für die Erstellung eines Deformable Rigs wurde das MEL Script Datei Car” toony Rig“ um die Prozedur stBuildDefRig (startJoint, endJoint, axis, parentType, amount, ctrlScale, prefix, defRigCtrlAxis) erweitert. Start- und Endjoint definieren die zuvor besprochenen Basejoints auf die das Deformable Rig aufbaut. Der übergebene Parameter axis beschreibt die Ausrichtung der Nurbsplanes, parentType gibt an, ob es sich um eine Gliedmaße, oder um einen Wirbelsäulen- bzw. Halsbereich handelt und amount bestimmt die variable Anzahl an Layers (Einstellung des Feinheitsgrades). Hinzu kommen noch die Parameter für die Größe der Controlobjekte (ctrlScale, der Prefix für alle zu erstellenden Objekte und die Achse an der die Controlobjekte ausgerichtet sind (defRigCtrlAxis). Die einzelnen Teilschritte der Prozedur werden nachfolgend sequentiell abgehandelt. Erstellen der einzelnen Nurbsplanelayers mit Clusters und Follicles: In einer Schleife werden je nach variablem Feinheitsgrad die entsprechenden Nurbssurfaces mit Clustern und Follicle erstellt. Um die Nurbssurfaces der Position und Größe der Basejointchain anzupassen werden zuerst zwei Kurven entlang der übergebenen Surfaceachse erstellt, und anschließend zu einer Oberfläche verbunden (Loft). Die entstandene Nurbssurface wird anschließend umkonstruiert, um die erforderlichen Unterteilungen je Layer zu erhalten. Anschließend werden die einzelnen Controlvertexreihen jeweils über einen Cluster gesammelt ansprechbar gemacht. Über den Befehl createHair können anschließend Follicle erstellt werden. Der zweite Übergabeparameter entspricht der Anzahl an Unterteilungsflächen (Unterteilung + 1). Nach löschen des zugehörigen Hairsystems müssen noch die beiden äußeren Follicle platziert werden. Man muss beachten, dass Follicle nicht exakt an den Kanten positioniert werden, da ansonsten keine Normaleninformation zur Verfügung steht. Aus diesem Grund werden die beiden Endfollicle auf den Wert 0.01 und 0.99 gesetzt. Die Follicle des obersten Layers werden erst später umgesetzt, da diese eine unterschiedliche Anzahl aufweisen im Vergleich zu den anderen Layern aufweisen. float $jointPos [] = ‘ xform -q - ws -t $joint ‘; $startcurve = ‘ curve -d 1 -p ( $jointPos [0] - 1) $jointPos [1] $jointPos [2] -p ( $jointPos [0] + 1) $jointPos [1] $jointPos [2] ‘; $endcurve = ... ... string $surface [] = ‘ loft - ch 0 -u 1 - rn 0 - po 0 - rsn true $startCurve $endCurve ‘; rebuildSurface - ch 0 - rpo 1 - end 1 - kr 0 - kc 0 - su 1 - sv ( $i +1) $topSurface ; KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 55 for ( $j =0; $j <( ‘ size $u ‘) ; $j ++) { string $currentCluster [] = ‘ cluster - envelope 1 ( $surface + ". cv [" + $u [ $j ] + "][" + $v [ $j ] + "]") ‘; } createHair 1 ( $i +3) 10 0 0 0 0 5 0 1 1 1; Variables Verknüpfen des Transportationlayers: Ausgehend davon ob es sich um ein Konstrukt für eine Gliedmaße- oder einem Wirbelsäulenbereichs handelt wird der Transportationlayer unterschiedlich auf den Basejoints fixiert. Bei einer Gliedmaße werden beide Cluster des Transportationlayers hierarchisch dem ersten der beiden Basejoints untergeordnet, da z. B. die Rotation des Ellebogenjoints keinen Effekt auf die Rotation des Transportationlayers haben soll. Bei der Wirbelsäule wird der erste Cluster auf den ersten und der zweite Cluster auf den zweiten Joint fixiert. switch ( $parentType ) { case " limb ": parent $baseClusters [0] $baseClusters [1] $startJoint ; break ; case " spine ": parent $baseClusters [0] $startJoint ; parent $baseClusters [1] $endJoint ; break ; Anbringen der Follicle und Joints auf dem Toplayer: Aus den zwei Unterteilungen des Toplayers ergeben sich vier Controlvertexreihen mit den Follicles der Zwischenräume (bei zwei Unterteilungen ergeben sich 3 Zwischenräume) sind insgesamt 7 Follicles gleichmäßig zu platzieren. Die gleiche Anzahl an Joints wird erstellt, auf die Position der Follicles gebracht und mittels Parent auf den entsprechenden Follicle fixiert. Erstellen von Controls: Entsprechend der Übergabeparameter werden die Controls erstellt. Die übergebene Größe wird für die Controls des obersten Layers verwendet. Für alle weiteren Layers wird der Wert um einen geringen Faktor vergrößert, damit der Animator auf dem ersten Blick erkennen kann um welchen Feinheitsgrad es sich bei dem entsprechenden Kontrollobjekt handelt. 4.3.3 Squash & Stretch Control Zielsetzung Squash & Stretch Das Konzept des Squash & Stretch soll es ermöglichen ausgehend von einem bestimmten Punkt Körperpartien in die Länge zu ziehen und zu Stauchen. Ein konstantes Körpervolumen soll gewährleistet werden (siehe Abb. 4.21). KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 56 Abbildung 4.21: Eine Squash & Stretch Deformation, angewandt auf die gesamte Kopfpartie. Abbildung 4.22: Die vier Basisschritte zur Erstellung eines Squash & Stretch Controls Umsetzungsalternativen des Squash & Stretch im Vergleich Für das Erzielen eines Squash & Stretch Effekts müssen prinzipiell folgende vier Teilschritte realisiert werden. 1. Definieren des zu verformenden Bereichs: 2. Definieren des Ursprungs der Deformation 3. Wählen einer Squash & Stretch Achse: 4. Gewährleisten eines konstanten Volumens: Squash & Stretch Konzepte unterscheiden sich grundlegend in zwei Punkten: Einerseits dahingehend über welche Objekte die zu stauchenden und verlän- KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 57 gerbaren Bereiche angesprochen werden. Und andererseits in der Umsetzung der Volumenserhaltung. 1. Objekte zum Ansteuern von Körperpartien • Joints: Durch Skalierung von Joints kann grundlegend ein Squash & Stretch realisiert werden. Hierbei ist man jedoch auf die Körperpartien begrenzt die einzeln von Joints ansprechbar sind. Sollte man dieses Konzept auf eine gesamte Jointchain anwenden wollen ist aufgrund der möglichen unterschiedlichen Orientierung fraglich, ob die resultierende Verformung dem gewünschten Ergebnis entspricht. • Deformer: Der Vorteil von Deformerobjekten gegenüber Joints ist jener, dass man nicht auf Regionen, die von Joints definiert werden, reduziert ist. Zusätzlich kann der Ursprungspunkt des Deformers an jede beliebige Stelle gesetzt werden, was einen besseren Einfluss auf die Verformung bietet. Mögliche Deformerobjekte in Maya wären ein Cluster oder eine Lattice. Es ist zu beachten, dass der Deformer vor dem Skinning erstellt werden muss. 2. Volumenserhaltung • Blend Shape: Wie bereits beim Beispiel der Stretchy IK besprochen, kann linear zur Skalierung eine Ansteuerung eines Blend Shapes erfolgen. Vorteil ist die bessere Kontrolle über die Volumenskorrektur. • Inverse Skalierung: Wird ein Squash & Stretch Objekt in eine Achse um den Faktor s1 Skaliert, werden die beiden anderen Achsen um den Faktor s2 = k1 skaliert. Dies entspricht einer Annäherung einer physikalisch korrekten Volumenskorrektur, und gibt dem Rezipienten das Gefühl einer korrekten Volumenskorrektur. • Anwendung einer Primitivformel: Hier wird die Formel eines Grundprimitves“ herangezogen, um eine mathematisch korrekte ” Verformung zu erzielen. Die Volumensformel eines Kubus mit inkludieren Skalierungsfaktoren lautet V = (a × s1 ) × (b × s2 ) × (c × s2 ). Der Skalierungsfaktor s1 wird vom Animator eingestellt. Die beiden anderen Achsen sollen sich gleichmäßig um den Faktor s2 mitskalieren. Da man davon ausgehen kann, dass alle Skalierungsfaktoren zusammen 1 ergeben (s1 × s22 = 1) kommt man auf die Formel für den Skalierungsfaktor der beiden anderen Achsen s2 = √1x . KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 58 Volumenserhaltung Objekte Methode PRO CON Joints Keine zusätzlichen Objekte müssen erstellt werden Ausschließlich auf durch Joints ansteuerbare Regionen anwendbar Deformer (Cluster) Ansteuern beliebiger Körperregionen möglich Muss extra erstellt werden. Funktioniert nur wenn vor dem Skinning erstellt wird Blendshape Bessere Kontrolle über erhaltene Form Kann bei falscher Ansteuerung eine vom Rezipienten wahrnehmbare, falsche Volumenskorrektur hervorbringen Inverse Skalierung Kann mit einem Utility Node umgesetzt werden, leichtes Konstrukt Mathematisch inkorrekt, wird jedoch nicht vom Rezipienten wahrgenommen Anwendung Primitivformel Mathematisch korrekt Muss durch die Wurzeloperation über eine performancelastige Expression umgesetzt werden Abbildung 4.23: Vor- und Nachteile der einzelnen Squash & Stretch Umsetzungsalternativen bezogen auf das Projekt Dancin‘ Mrs. Fritz Vor- und Nachteile im Vergleich In Tabelle 4.23 sind alle Vor- und Nachteile der verschiedenen Umsetzungsmöglichkeiten in Bezug auf das Projekt Dancin‘ Mrs. Fritz aufgelistet. Implementierung des Squash & Stretch Für die Erstellung von Squash & Stretch Controls wurde die MEL Script Datei Cartoony Rig“ um die Prozedur createSquashStretch() erweitert. ” Das Auswählen der Vertices, die durch den Control angesteuert werden, und die Positionierung des Pivot Points (Ursprung der Verformung) wird durch das Cartoony Rig GUI gewährleistet. Folgende beiden Teilschritte werden über die soeben erwähnte Prozedur gelöst: Volumenserhaltung: Der Skalierungswert der gewünschten Squash & Stretch Achse wird als Divisor in einen MultiplyDivide-Node geleitet. Der Divident wird auf 1 gesetzt und das Ergebnis mit den beiden anderen Skalierungswerten des Clusters verbunden. string $stMultiDivi = ‘ createNode multiplyDivide ‘; setAttr ( $stMultiDivi +". operation ") 2; // 2 = Divide setAttr ( $stMultiDivi + ". input1X ") 1; connectAttr ( $name + ". scale " + $snsAxis [0]) ( $stMultiDivi + ". input2X ") ; connectAttr ( $stMultiDivi + ". outputX ") ( $name + ". scale " + $snsAxis [1]) ; connectAttr ( $stMultiDivi + ". outputX ") ( $name + ". scale " + $snsAxis [2]) ; KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 59 Abbildung 4.24: Teilung des Charaktermeshes in der Kopf-, Bauch und Armregion – drei von insgesamt neuen Teilungsmöglichkeiten Ansteuerung über Kontrollobjekt: Am entsprechenden Controller wird ein Attribut mit einem Minimalwert von 0.1 (verhindert eine Division durch 0) erstellt. Das Attribut kann direkt mit dem entsprechenden Skalierungswert des Clusters verbunden werden. addAttr - ln SnS - at double - min 0.1 - dv 1 $Controller ; connectAttr -f ( $Controller + ". SnS ") snsCluster . scaleY ; 4.3.4 Teilungen Zielsetzung Teilungen Ziel ist es Teilungen anhand der bereits bestehenden Geometrie an unterschiedlichen Stellen des Körpers zu realisieren (siehe 4.24). Die sich durch die Teilung ergebenden Löcher in der Geometrie sollen geschlossen werden und die separierten Teile über das Rig ansteuerbar sein. Umsetzungsalternativen Teilungen Die Problemstellung der Teilung ist eine klassische One Off‘s“ Anforderung. ” Dies bedeutet, dass üblicherweise das Vorkommen einer Teilung auf einmal bzw. wenige Male beschränkt ist. Aus diesem Grund sucht man üblicherweise nach Umsetzungsalternativen, die vom Aufwand her der Häufigkeit angepasst sind. Wie bereits in Kapitel 3 erläutert, ist ein möglicher Ansatz der über den Modelingprozess. Konkret bedeutet diese Umsetzungsalternative, dass für jede gewünschte Teilung zwei zusätzliche Geometrien zur Originalen erforderlich sind. Ist eine Animation des abgetrennten Teils erwünscht, muss man ein eigenes Setup für diesen realisieren. Für das Projekt Dancin‘ Mrs. Fritz waren neun animierbare Teilungen des Charakters an unterschiedlichen Stellen vorgesehen. Eine Umsetzung dieser über den Modelingprozess würde 18 zusätzlichen Geometrien und 9 KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 60 Abbildung 4.25: Die vier Basisschritte zum Erstellen von Teilungscontrols. separate Setups erfordern. Aus diesem Grund wurde stattdessen versucht einen allgemeinen Lösungsweg über das Rig zu finden, der es erlauben würde den Umsetzungsaufwand für beliebige Teilungen möglichst gering zu halten. Will man Teilungen über lediglich ein Mesh und ein Rig realisieren sind folgende vier Teilaufgaben zu lösen: 1. Trennen der Geometrie ohne sichtbare Schnittkante: Wird eine geschlossene Geometrie zweigeteilt, kann es zu einer, durch die Beleuchtung sichtbaren Schnittkante kommen (siehe Abbildung 4.25). Dieses Problem ist bei einer Lösung über den Modelingprozess irrelevant, da die abgetrennten Geometrien erst im Moment des Ablösens eingeblendet werden. Bei der Variante über den Riggingprozess sind die abgetrennten Teile (zusammenhängend positioniert) während der gesamten Animation sichtbar. Daher muss ein Weg gefunden werden der diese sichtbaren Schnittkanten vermeidet. 2. Schließen der entstandenen Schnittlöcher: Bei der Teilung eines Körpers ergeben sich Öffnungen in der Geometrie entlang der Schnittkanten. Diese sollen geschlossen werden (siehe Abbildung 4.25). Wurde der Charakter bereits texturiert muss eine Lösung gefunden werden, wie mit der Textur verfahren wird. 3. Erstellen eines Controls für den abgetrennten Teil: Der Ursprungspunkt des abgetrennten Teils befindet sich nach der Trennung an der gleichen Stelle wie der Ursprungspunkt der Geometrie von der KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 61 Methode PRO CON Lösung über den Modelingprozess Leichtere Kontrolle über Art und Form der Trennung Unübersichtliche Anzahl an Geometrien, Aus- und Einblenden der relevanten Geometrien erschwert den Übergang zwischen normaler und Teilungsanimation Lösung über den Riggingprozess Bessere Überschaubarkeit, fließender Übergang zwischen Animation des gesamten Körpers und Animation der separierten Teile Erhöhter Aufwand in der Riggingphase Abbildung 4.26: Vor- und Nachteile der zwei verschiedenen Umsetzungsalternativen. Abbildung 4.27: Für das Ausführen der Teilung ist eine Selektion an Faces erforderlich. abgetrennt wurde. Dieser muss daher nach der Trennung neu gesetzt werden. Daraufhin kann ein Controller erstellt werden, der lediglich den abgetrennten Teil ansteuert. 4. Einfügen des Seperation Controls in das gesamte Rig: Der Handle für den abgetrennten Part muss so in das gesamte Rig eingefügt werden, dass ein nahtloser Übergang zwischen der Animation des gesamten Rigs und der des abgetrennten Teils gewährleistet werden kann. Vor- und Nachteile im Überblick Vergleich einer Teilung über den Rigging- und über den Modelingprozess in Bezug auf das Projekt Dancin‘ Mrs. Fritz. Implementierung Teilungen Für die Umsetzung der Teilungsproblematik wurde das Mel-Script Car” toony Rig“ um die Prozedur separatePart() erweitert. Diese gewährleistet die korrekte Trennung der Geometrie und das Erstellen der nötigen Controls. Voraussetzung hierfür ist eine Selektion von Faces, die den abzutrennenden Teil definiert. Der Benutzer wird hierbei durch das Cartoony Rig GUI unterstützt (siehe Abbildung 4.27). Entspricht die Selektion dem abzutrennenden Teil wird durch Betätigen des Separate Part-Buttons die separatePart() KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 62 (a) (b) Abbildung 4.28: Zwei ident aufgebaute Geometrien. Der mittlere Vertex besteht aus vier Vertexfaces (entsprechend der Anzahl an angrenzenden Flächen). Jede der vier Vertexfacenormalen entspricht der jeweiligen Facenormale (a). Dies führt zu harten Kanten. Durch Setzen der Vertexfacenormalen auf den Durchschnitt der vier angrenzenden Facenormalen entsteht eine weiche Kante (b). Prozedur aufgerufen. Im Folgenden wird die Implementierung dieser detailliert anhand der zuvor beschriebenen Teilschritte erläutert. Trennen ohne Schnittkante: Die visuell wahrnehmbare Schnittkante entsteht durch die Änderung der Vertexfacenormalen bei Änderung der Geometrie. Ein Vertex beteht aus so vielen Vertexfaces wie Faces angrenzen. Die einzelnen Normalen der Vertexfaces entsprechen entweder der jeweiligen Facenormale – dann spricht man von einer harten Kante – oder sie entsprechen dem Durchschnitt aller (oder mehrerer) angrenzenden Facenormalen – dann spricht man von einer weichen Kante (siehe Abbildung 4.28). Werden weiche Kanten verwendet und man löscht Teile der Geometrie so entstehen an den Rändern neue Werte für die Vertexfacenormalen, da sich der Durchschnitt durch die fehlenden Faces ändert. Um eine Modifikation zu verhindern, muss man vor dem Löschen bzw. Trennen der Geometrie die relevanten Vertexfaces sperren. In dem abgebildeten Programmfragment 4.3.4 wird aufgezeigt, wie man von den selektierten Faces ($facesSeparation) über die Vertices am Rand der Selektion, zu deren Vertexfaces gelangt. Durch die Funktion polyListCom ponentConversion() hat man die Möglichkeit zwischen einzelnen Polygonkomponenten zu transformieren (-ff -tv = fromFace toVertex; -fv -tvf = fromVertex toVertexFaces). Mit dem Flag -bo bekommt man nur die Komponenten die sich am Rand der Selektion befinden. Sind die entsprechenden Vertexfaces selektiert, werden diese mit dem Befehl polyNormalPerVertex KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 63 -freezenormal true gesperrt. Nach dem Sperren können die vom Benutzer selektierten Faces vom Rest der Geometrie mittels polyChipOff Befehl abgetrennt werden. // get border vertices string $borderVertices [] = ‘ p o l y L i s t C o m p o n e n t C o n v e r s i on - ff - tv - bo $facesSeparation ‘; // get border vertexFaces string $borderVertexFaces [] = ‘ p o l y L i s t C o m p o n e n t C o n v e rs i o n - fv - tvf $borderVertices ‘; // freeze vertex normals select $borderVertexFaces ; p o l y N o r m a l P e r V e r t e x - fn true ; // extract the selected faces polyChipOff - dup 0 $facesSeparation ; Schließen der Schnittöffnungen: Nach Trennung der Geometrie gilt es die entstandenen Schnittlöcher zu schließen. Das Erstellen einer Kappe für den ursprünglichen Teil der Geometrie stellt sich als trivial heraus. Über die Randvertices, die im vorangegangenen Schritt ermittelt wurden, wird der Befehl polyCloseBorder aufgerufen. Dieser erstellt ein neues Face anstelle des Lochs. Das Schließen des Lochs bei der abgetrennten Geometrie stellt sich hingegen als ungleich komplexer heraus. Durch den Abtrennungsprozess haben sich die Vertexindices der Geometrie geändert. Daher kann mit der gespeicherten Randvertexselektion hier nicht gearbeitet werden. Um dennoch die Geometrie schließen zu können wurde ein Workaround entwickelt. Für diesen wird zuerst die gerade erstellte Kappe für den ursprünglichen Teil der Geometrie ermittelt. Hierzu werden die Vertices an der Schnittkante erneut mittels der polyListComponentConversion() Funktion in Faces konvertiert. In Verbindung mit dem -in Parameter – welcher garantiert, dass nur vollständig durch die Ausgangskomponenten umschlossene Zielkomponenten zurückgegeben werden – liefert diese die Kappe. Diese wird im nächsten Schritt dupliziert und abgetrennt. Mittels der polySeparate() Funktion wird anschließend für alle nicht mit dem Mesh verbundenen Teile ein neues Objekt erstellt. Dies betrifft somit den abgetrennten Teil des Mesh sowie die duplizierte Kappe. Nach der Abtrennung vom ursprünglichen Objekt weisen die neuen Objekte nach wie vor eine ungewünschte hierarchische Verknüpfung zum ursprünglichen Teil der Geometrie auf. Diese wird durch Aufruf von parent -w aufgelöst. Anschließend werden die neuen Objekte mittels polyunite() zu einem einzigen, abgetrennten Objekt kombiniert. Diese Vorgehensweise garantiert, dass nur die durch das Trennen der Geometrien entstandenen Löcher – und keine beabsichtigten Löcher – wie z. B. für die Augen – in der abgetrennten Geometrie geschlossen werden. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 64 // get the name of the created cap face string $capFace [] = ‘ p o l y L i s t C o m p o n e n t C o n v e r s i o n - fv - tf - in $borderVertices ‘; // duplicate the cap face polyChipOff - dup 1 $capFace [0]; // stores the names of the newly created polygons string $newPolys ; // create new objects for the extracted faces and the duplicated cap face string $newNodes [] = ‘ polySeparate $meshSeparation ‘; int $numNodes = size ( $newNodes ) ; // discard first an last entry ( original mesh + created node ) for ( $i = 1; $i < $numNodes - 1; $i ++) { // append the name of the new polygon $newPolys += $newNodes [ $i ] + " "; // unparent the new polygon parent -w $newNodes [ $i ]; } // combine all polygons into a single mesh string $uniteCommand = " polyUnite " + $newPolys ; eval ( $uniteCommand ) ; Erstellen des Separationcontrols: Der Pivotpoint wird händisch an die Stelle gesetzt, von der aus der abgetrennte Part rotiert und transliert werden soll. Ein Handle wird erstellt, entsprechend positioniert und dessen Transformationswerte eingefroren. Die Translations- und Rotationsattribute sollen direkt mit den Attributen des abgetrennten Parts verknüpft werden. Würde man die Abhängigkeit über ein Constraint oder Parent lösen hätte dies nach dem Skinning Prozess eine Verdoppelung der Transformation für die abgetrennten Teile zur Folge. Die Platzierung des Placementcontrol würde sich durch das Skinning auf den separierten Part auswirken, gleichzeitig wird durch den Placementcontrol der Separationhandle mitbewegt, und diese Bewegung würde sich ein weiteres Mal auf den abgetrennten Teil auswirken. Die einzige Lösung besteht daher über die direkte Verknüfung der Attribute. Da der Handle sich im Objektkoordinatensystem des Placement befindet (Child), bleiben die Attribute des Handles trotz Transformation des Placements auf 0. Erst durch die Transformation des Handles selbst, werden die Attribute verändert und wirken sich somit auf den abgetrennten Körperteil aus. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 65 Abbildung 4.29: Um den Charakter nicht über einen Offset animieren zu müssen, werden neue Controls erstellt, die sich mit dem abgetrennten Teil mitbewegen und die Attribute des originalen Controls ansteuern. Hier am Beispiel des rechten Armhandles. Einfügen Control in gesamtes Rig: Der im letzten Schritt erstellte Separationhandle wird dem nähesten Kontrollobjekt hierarchisch untergeordnet (parent). Dies gewährleistet die Einbindung in das gesamte Rig. Bewegt man nun den abgetrennten Teil über den Separationcontrol erkennt man, dass alle anderen Controls an ihrer Stelle bleiben, und der abgetrennte Part nur über einen Offset animiert werden kann (siehe Abb. 4.29). Um das Animieren der abgetrennten Teile zu erleichtern, werden alle Controls die in den Bereich des abgetrennten Parts fallen dupliziert, dem jeweiligen Separationcontrol untergeordnet und dessen Attribute werden mit den Attributen des Originalcontrols verknüpft. Werden nun noch die ursprünglichen Controls unsichtbar gemacht, hat man eine übersichtliche Möglichkeit geschaffen Teilungen zu animieren. 4.3.5 Scaleability Zielsetzung Scaleability Das Konzept der Scaleability soll es einerseits ermöglichen Körperpartien getrennt voneinander zu skalieren, und andererseits die Möglichkeit bieten den Charakter als Ganzes zu skalieren (siehe Abb. 4.30). Umsetzungsalternativen der Scaleability im Vergleich Die Scaleability ist nicht als Konzept als solches zu verstehen. Vielmehr werden Möglichkeiten gesucht, die erstellten Konstrukte aus den vorangegangenen Kapiteln einzeln und gesammelt skalierbar zu machen. Die Vergrößerung bzw. Verkleinerung des gesamten Charakters stellt sich als trivial KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 66 Abbildung 4.30: Verschiedene Körperteile können separat skaliert werden, aber auch die Skalierung des gesamten Charakters ist möglich. heraus. Beim herkömmlichen Riggingansatz werden üblicherweise alle Skalierungsattribute der Controls gesperrt und unsichtbar gemacht, da man bei einem anatomisch korrekten Ansatz verhindern will, dass Veränderungen dieser Art möglich sind. Hierzu reicht es also aus die Scale Attribute der Controls nicht zu sperren. Will man jedoch einzelne Körperpartien skalieren, oder Körperregionen mit einer hohen Jointdichte, sieht die Umsetzung bereits weitaus komplexer aus. In Bezug auf das bisher erstellte Body Setup müssen drei verschiedene Lösungsansätze angewandt werden, um das erwünschte Ziel zu erreichen. Diese Umsetzungsalternativen werden in Abbildung 4.31 zum besseren Verständnis illustriert und nachfolgend erklärt. 1. Skalierung über hierarchische Verknüpfung: Kontrollobjekte werden üblicherweise hierarchisch mit den anzusteuernden Joints verknüpft (Parent). Wird nun der Controller skaliert, bewirkt dies eine Skalierung der gesamten Jointchain ab dem angesprochenen Joint. 2. Skalierung durch direkte Veränderung der Attribute: Die Skalierungsattribute des Kontrollobjekts können direkt mit den Attributen des Joints verbunden werden (z.B. Constraint). Dies bewirkt eine ausschließliche Skalierung dieses Joints. Alle weiteren Objekte der Jointhierarchie bleiben unverändert. 3. Gewichtete Skalierung bei hoher Jointdichte: Die hohe Anzahl an Joints, wie sie beim Deformable Rig auftritt, erfordert eine spezielle Lösung (siehe [2]). Das Ansteuern eines einzelnen Joints über einen Controller würde eine ungleichmäßige Skalierung zur Folgen haben. Aus diesem Grund werden die umliegenden Joints gewichtet mitskaliert. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 67 (a) (b) (c) Abbildung 4.31: Die drei verwendeten Methoden im Überblick: Skalierung der gesamten Jointchain (a). Skalierung eines einzelnen Joints oder eines bestimmten Jointchainabschnitts (b). Gewichtete Skalierung bei hoher Jointdichte (Deformable Rig) (c). Die Alternativen 1 und 2 sind von der Umsetzung her trivial und werden an dieser Stelle nich näher erläutert. Die gewichtete Skalierung erweist sich hingegen als komplexer und soll im Folgenden detaillierter abgehandelt werden. Implementierung der gewichteten Skalierung Beim Deformable Rig existiert in der höchsten Feinheitsstufe für jeden zweiten Joint ein Controller. Aus diesem Grund wäre es wünschenswert, dass sich die Skalierung eines Kontrollobjekts nicht nur auf den entsprechenden Joint, sondern auch auf die beiden angrenzenden Joints auswirkt. Es muss berücksichtigt werden, dass angrenzende Controller ebenfalls auf diese Joints Einfluss haben. Nachfolgend wird in einzelnen Teilschritten das Konstrukt zur gewichteten Skalierung erklärt. Gruppieren der einzelnen Joints: Prinzipiell ist es nicht möglich einzelne Joints, die sich nicht in einer zusammenhängenden Jointchain befinden, zu skalieren. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass für jeden Joint eine übergeordnete Gruppe erstellt wird, in der sich nur dieser eine Joint befindet. Die Skalierung wird nachfolgend auf diese Gruppe angewandt, welche sich durch die hierarchische Verknüpfung auf den Joint auswirkt. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 68 (a) (b) Abbildung 4.32: Gewichtete Skalierung des mittleren Joints bei Abändern der Skalierungswerte der angrenzenden Kontrollobjekte (a) und die resultierende Utility-Node-Kette (b). Aufsummieren der Skalierungswerte: Um den gewichteten Skalierungsfaktor für die Zwischenjoints zu erhalten, müssen in einem ersten Schritt die beiden Skalierungswerte der angrenzenden Controller aufsummert werden. Hierfür wird für jede Achse ein PlusMinusAverage Utility-Node erstellt. Summe der Skalierungsfaktoren gewichten: Die resultierenden Summen aus den einzelnen PlusMinusAverage Utility-Nodes werden anschließend über einen MultiplyDivide-Node mit dem Faktor 0.5 gewichtet. Dies bewirkt die Berücksichtigung der Skalierungsfaktoren der angrenzenden zwei Kontrollobjekten jeweils zu 50%. Der resultierende Wert wird mit dem entsprechenden Skalierungswert der jeweiligen Jointgruppe verknüpft. Abschließend werden die beiden Skalierungswerte der Kontrollobjekte direkt mit den entsprechenden Joints verknüpft. In Abbildung 4.32 wurde der Controller1 um den Faktor 0.5 und der Controller2 um den Faktor 2 skaliert. Der Joint in der Mitte wurde aufgrund der erstellten Utility-Node-Kette automatisch um den aus beiden Faktoren gewichteten Wert 1.25 skaliert. Weiters wird die resultierende Utility-NodeKette zur besseren Übersicht illustriert. 4.4 Implementierung Cartoony Facial Rig Zielsetzung Cartoony Facial Rig Durch die körperbetonte Animation des Projekts Dancin‘ Mrs. Fritz ist die Umsetzung eines sehr detaillierten und umfassenden Facial Rigs nicht erforderlich. Kontrollmöglichkeiten für Lippensynchronisation fallen wegen der fehlenden Dialogsequenzen komplett weg. Die Bandbreite der emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten ist ebenfalls stark reduziert. Umzusetzen sind die unabhängige Positionierbarkeit von Nase, Kinn und Ohren. Die sechs verschiedenen Gesichtsausdrücke sollen lebendig und asymetrisch animierbar KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 69 Abbildung 4.33: Asymetrische Blendshapes, ein cartoonartiges Augensetup und eine Broken Hierarchie sind die Anforderungen an das Facial Setup. sein, und weiters ist es erforderlich die Pupillen der Augen einzeln positionieren und skalieren zu können. Umsetzungsalternativen Cartoony Facial Rig Die Umsetzung eines Cartoony Facial Rigs kann sich als genauso komplex und zeitaufwendig wie die Erstellung des gesamten Bodyrigs erweisen. Da die im Projekt Dancin‘ Mrs. Fritz angestrebte Gesichtsanimation nur ein rudimentäres Cartoony Facial Setup erfordert, spiegelt sich darin der typische Aufbau eines Cartoony Facial Setups nur in einigen Teilen wieder. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle ein Überblick zu den grundlegenden Einzelkomponenten eines cartoonartigen Facial Setups gegeben (siehe [10] und [8]). 1. Broken Hierarchie: Genauso wie für das Body Setup ist die freie Postionierbarkeit von bestimmten Bereichen des Gesichts auch beim Facial Setup erwünscht. Dies ermöglicht das Freilegen bestimmter Bereiche zur besseren Lesbarkeit der Gesichtsanimation und bietet die Möglichkeit Follow Through Effekte zu realisieren. 2. Vordefinierte Einstellungsmöglichkeiten: Cartoon Charaktere verfügen über eine breite Palette an emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten. Verschiedene Abstufungen einzelner Emotionen sind erwünscht (z.B. subtiles Lächeln bis übertriebenes Lachen). Es wäre ein zu hoher Aufwand für jede Abstufung an emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten ein eigenes Morphing Target zu erstellen. Aus diesem Grund werden üblicherweise vordefinierte Basisdeformationen zur Verfügung gestellt, die in einem weiteren Schritt vom Animator über direkte Manipulation abgewandelt werden können. KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 70 3. Variable Adjustierungen: Die vordefinierten Deformationsmöglichkeiten sollen über die direkte Manipulation der Geometrie erweiterbar sein. Dies erlaubt es dem Animator je nach Situation variable Adjustierungen vorzunehmen. Über einzelne Joints oder Deformer (Cluster, Wire Deformer) werden kleine Bereiche des Gesichts direkt ansteuerbar gemacht. 4. Cartoony Eye Setup: Um die Gesichtsanimation zu vervollständigen fehlt noch die Möglichkeit die Augen in einem cartoonartigen Stil animieren zu können. Dazu gehört die Skalierbarkeit und unabhängige Positionierbarkeit dieser, sowie die Möglichkeit die Pupillen einzeln vergrößern und verkleinern zu können. Durch die eingeschränkten Anforderungen für das Facial Setup in Dancin‘ Mrs. Fritz fällt der Bereich der variablen Adjustierungsmöglichkeiten“ weg. ” Im folgenden Abschnitt soll daher die Umsetzung der verbleibenden drei Komponenten kurz abgehandelt werden. Es sei darauf verwiesen, dass für das Cartoony Facial Setup kein prozeduraler Riggingansatz verwendet wurde, da das Facial Setup viel stärker an den jeweiligen Charakter angepasst werden muss, als es beim Body Setup der Fall ist. Aus diesem Grund hätte eine standardisierte, prozedurale Erstellung des Face Rigs nur wenig Sinn ergeben. Implementierung Broken Facial Setup Für die Bereiche Nase, Kinn und Ohren werden eigene Joints erstellt. Um eine fließende Deformation zu gewährleisten ist darauf Acht zu geben, mehrere Joints für diese Region zur Verfügung zu stellen. Für die einzelnen Joints werden Kontrollobjekte erstellt über die die einzelnen Bereiche unabhängig voneinander translier-, rotier- und skalierbar gemacht werden. Implementierung Cartoony Facial Expressions Für die Umsetzung der geplanten Mimik in der Animation Dancin‘ Mrs. Fritz werden lediglich sechs Morphing Targets benötigt (siehe Kapitel 4.2.1 Abb. 4.4). Die Gesichtsgeometrie wird hierfür sechs Mal dupliziert und entsprechend abgeändert. Obwohl der Aspekt der Asymetrie betont wurde, muss nicht für jede Seite einzeln eine veränderte Geometrie erstellt werden. Die getrennte Ansteuerung der beiden Seiten erfolgt über das Blendshape Paint Tool. Für jede modifizierte Geometrie werden zwei Blendshapes erstellt. Die Gewichtungen der Blendshapes werden dahingehend modifiziert, dass einmal die linke und einmal die rechte Seite angesprochen wird. Eine Möglichkeit um die Transformation von einem Ausdruck in den anderen lebendiger zu gestalten, besteht darin die linearen Morphings durch nicht lineare zu ersetzten. Hierfür müsste die originale Gesichtsgeometrie mit direkten Manipulationsmöglichkeiten ausgestattet werden, um eine kurze KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 71 Blendshape-Animation erstellen zu können. Die einzelnen Frames der Animation werden anschließend als Zwischenschritte für die Erstellung eines Blendshapes herangezogen. Implementierung Cartoony Eye Setup Da beide Augen getrennt voneinander ansteuerbar sein sollen, aber auch die gemeinsame Animierbarkeit gewünscht ist, werden insgesamt drei Controls für das Cartoony Eye Setup erstellt. Wie es auch im herkömmlichen Riggingansatz üblich ist, wird für jedes Auge ein Joint erstellt, der über ein rigides Skinning mit der jeweiligen Augapfelgeometrie verbunden wird. Ein Constraint (Aim) gewährleistet die Orientierung des Joints in Richtung der Controls. Anschließend werden die beiden einzelnen Controls hierarchisch unter den Sammelcontrol gesetzt, um eine gemeinsame Animierbarkeit zu gewährleisten. Die Rotationsattribute und das ScaleY Attribut des Parentcontrols werden gesperrt und unsichtbar gemacht. Über das ScaleX Attribut kann schnell ein Überkreuzen der Augen animiert werden, daher wird dieses nicht gesperrt. Das ScaleZ Attribut soll in weiterer Folge einen Bulging Effekt der Augen bewirken. Dafür müssen zuvor die ScaleZ Attribute der Einzelcontrols direkt mit den ScaleZ Attributen der einzelnen Augäpfel verbunden werden. Für die Einzeljoints werden ebenfalls die Rotationsattribute gesperrt und unsichtbar gemacht. Die verbleibenden ScaleX und -Y Attribute werden für das Skalieren der Pupillen verwendet. Die ScaleXY Attribute der einzelnen Controls werden mit den Horizontal- und VertikalSweep-Attributen des Textureplacement-Nodes der Pupillentextur verbunden. In diese Kette wird ein Multiply-Divide-Node eingefügt, der das Setzen des Anfangswertes gewährleistet. 4.5 Implementierung Hair und Cloth Setup Haar und Kleidungssetups, die auf eine dynamische Simulation verzichten, werden meist über broken Jointchains bzw. über das Konzept der StretchySpline-IK realisiert (vgl. [3]). Im Fall von Dancin‘ Mrs. Fritz werden spezielle, an die Anforderungen angepasste Lösungsmöglichkeiten umgesetzt, die von dieser Standardmethode leicht abweichen. Aufgrund der spezialisierten Umsetzung wurde auf die prozedurale Erstellung des Setups verzichtet. Zielsetzung Hair Control Mit einem Haircontroller sollte die Möglichkeit geboten werden, den Haarknoten links und rechts entlang der Kopfgeometrie zu bewegen. Diese Bewegungsmöglichkeit soll eine stilisierte Art des Follow Through Prinzips ermöglichen. Weiters soll der Haarknoten entlang der Y-Achse translierbar KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 72 sein, damit der Haarknoten unabhängig von der Kameraeinstellung immer sichtbar gemacht werden kann. Implementierung Hair Control Für das Sliding entlang der Kopfgeometrie wurde diese lebendig gemacht“ ” (Make Live), um darauf eine Kurve zeichnen zu können. Diese Kurve wird zum Schluss zusammen mit der Kopfgeometrie geskinnt und bewegt sich dadurch flexibel mit dieser mit. Über einen Motion Path wird der Haarknoten mit der Kurve verbunden. Wie im Beispiel der Curvecontrolled Joints in Kapitel 4.3.2 wird die Verbindung zwischen dem U-Value und der Zeit gebrochen. Der U-Value wird anschließend über das TranslationX -Attribut des Haircontroller angesteuert. Hierfür muss das Attribut auf den Wertebereich des U-Values gebracht werden. Dies wird über drei Utility Nodes (Clamp-, PlusMinusAverage und MultiplyDivide-Node) realisiert. Der erstere begrenzt die variablen Werte des Controllers auf den Wertebereich −2 bis +2. Anschließend wird der Wert mit 2 addiert und durch 4 dividiert, somit ergibt sich ein Wertebereich zwischen 0 und 1 des U-Values. Das TranslationY Attribut des Haircontroller wird direkt mit dem TranslationY -Attribut der Kurve verbunden. Dies gewährleistet die Translation des Haarknotens in der Y-Achse. Zielsetzung Cloth Control Das Kleid von Mrs. Fritz soll nach den Ansprüchen einer klaren Silhouette animierbar sein. Implementierung Cloth Control Für das Setup des Kleides wird das bereits umgesetzte Deformable Rig Konzept angewandt. Das Kleid besteht aus einem Nurbszylinder. Für jede Sektion des Zylinders wird ein Deformable Rig Konstrukt gesetzt. Somit erhält man die Möglichkeit die Wellungen des Kleides einzeln zu animieren. 4.6 Implementierung Righandling und Animation GUI In der abschließenden Phase des Riggingprozesses wird versucht das Rig so benutzerfreundlich wie möglich zu gestalten. Im Fall von Dancin‘ Mrs. Fritz wurden zwei Aspekte verfolgt, um dem Animator ein effizientes Animieren zu ermöglichen. 1. Hip Override / Chest Override: Wie bereits in Abschnitt 4.3.1 angesprochen, kann sich das Animieren eines Broken Rigs als sehr KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 73 (a) (b) Abbildung 4.34: Die Translation des Hip-Override-Controls bewirkt ein Verschieben der Hüfte inklusive Oberkörperregion (a). Hingegen wirkt sich die Translation des Hip-Controllers nur auf die Hüfte selbst aus (Broken Hierarchie) (b). aufwendig herausstellen. Die beiden zusätzlichen Controls sollen es ermöglichen Szenen, die keine Broken Hierarchie erfordern, schneller umsetzbar zu machen. 2. Animation GUI: Ziel ist es den gesamten Charakter über ein User Interface ansteuerbar zu machen. Hierzu dient das Animation GUI Shelf Control aus [7] als Vorbild. Eine ikonische Darstellung des Charakters mit der Möglichkeit auf alle Controls des Charakters Einfluss zu nehmen vereinfacht den Animationsprozess. Weiters ist die Möglichkeit Kontrollobjekte je nach Animationsdurchgang ein- und auszublenden erwünscht. Das GUI selbst soll über das Rig des Charkters aufrufbar sein. Die Umsetzung der beiden Konzepte wird nachfolgend abgehandelt. Implementierung Hip- und Chest Override Die beiden bestehenden Kontrollobjekte Hip und Chest werden dupliziert, skaliert und in ihrer Form leicht verändert, damit sie sich vom Originalcontrol besser unterscheiden lassen. Den neuen Kontrollobjekten werden die Controller der anzusteuernden Bereiche hierarchisch untergeordnet. Somit werden der Head-Control und die beiden Arm-Controls dem Chest OverrideController untergeordnet, und dieser wird wiederum dem Hip OverrideController untergeordnet. Anschließend werden die beiden Originalcontrols Hip und Chest den entsprechenden Override-Controls hierarchisch untergeordnet. Durch dieses Konstrukt lassen sich Körperberreiche gesammelt aber auch unabhängig positionieren (siehe Abb. 4.34). KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 74 Abbildung 4.35: Das Animations GUI ist über einen Schalter am Placement Node aufrufbar. Die Buttons 1 – 3 geben die Möglichkeit Controls nach ihrem Feinheitsgrad sichtbar oder unsichtbar zu machen. Implementierung Animation GUI Das Animation GUI konnte bisher nur in einer limitierten Form umgesetzt werden. Die Zielsetzung der Sichtbarkeit der Controls nach Feinheitsgrad und das Aufrufen des Animation GUI über das Rig selbst wurden erfüllt. Die Möglichkeit das gesamte Rig über das User Interface anzusteuern ist ausständig. Nachfolgend werden die beiden bereits umgesetzten Aspekte kurz abgehandelt. 1. Aufrufen des GUIs über das Rig: Am Placement-Control des Charakters wurde ein Schalter angebracht, der bei Translation das Animation GUI Fenster öffnet. Das Erstellen des Fensters wurde über eine Expression, die über das Translationsattribut des Schalters aufgerufen wird, umgesetzt. 2. Sichtbarkeit der Controls: Die einzelnen Kontrollobjekte des Rigs wurden über Namenskonventionen und nach Feinheitsgrad in unterschiedliche Layer eingeteilt. Somit befinden sich alle Basiskontrollobjekte in Layer 1, Cartoony Controls in Layer 2, und Deformable Rig Controls (Fineness 2) und Seperationcontrols in Layer 3. Über das Animation GUI hat man die Möglichkeit per Button die verschiedenen Controllayer ein- und auszublenden (siehe Abb. 4.35). Mit Abschluss des Animation GUIs wurden alle Anforderungen an den Riggingprozess für die Animation Dancin‘ Mrs. Fritz abgehandelt. Im nachfolgenden Kapitel wird der aktuelle Stand des umgesetzten Cartoony Cha- KAPITEL 4. UMSETZUNG CARTOONY RIG (AUTODESK MAYA) 75 racter Setups besprochen und geplante Verbesserungen bzw. Erweiterungen besprochen. Kapitel 5 Schlussbemerkungen Die Inhalte der vorangegangenen Arbeit werden nachfolgend durch persönliche Erfahrungen, Probleme bei der Umsetzung und angedachte Verbesserungsmöglichkeiten ergänzt. Ein Ausblick soll Aufschluss über die mögliche zukünftige Entwicklungen im Bereich des Cartoony Character Setups geben. 5.1 Resümee Da ich vor Durchführung dieses Projekts nur über rudimentäre Kenntnisse im Bereich des Riggings und auch MEL Scriptings verfügte, erforderte die Umsetzung des Vorprojekts zur Diplomarbeit eine lange Einarbeitungsphase. Riggingansätze, die sich nicht an den Gegebenheiten des menschlichen Skeletts orientieren, waren mir bis zu diesem Zeitpunkt fremd. Aus diesem Grund brauchte es einige Zeit bis die angestrebten Konzepte verstanden wurden. Im Nachhinein würde ich auf eine prozedurale Erarbeitung des Cartoon Rigs verzichten. Obwohl ich das gewonnene Wissen nicht missen möchte, hätte das Wegfallen der Einarbeitunsphase in MEL und der Verzicht einer Erstellung des Cartoony Rig GUIs über welches das MEL Script ergonomisch ansteuerbar gemacht wurde, wertvolle Zeit gebracht, noch tiefer in die Thematik Cartoon Rigging einzutauchen. So hätte z.B. im Bereich Facial, Hair und Cloth Setup besser recherchiert und experimentiert werden können. Weiters hätte die gewonnene Zeit ein Durchführen von ausführlichen Evaluierungstests möglich gemacht. Grundsätzlich deckt das finale Rig alle gestellten Anforderungen ab. In Folge erster kurzer Animationtests wurde überprüft, ob die umgesetzten Konzepte auch tatsächlich praktikabel sind. Nachfolgend wird auf jedes Konzept einzeln eingegangen, mögliche Fehlfunktionen beschrieben und Lösungsmöglichkeiten für diese aufgezeigt. 1. Stretchy Broken Base Rig: Die freie Positionierbarkeit ist durch das Einfügen der beiden Override Controls praktikabel geworden. Die 76 KAPITEL 5. SCHLUSSBEMERKUNGEN 77 Stretchy IK Gliedmaßen erfüllen ebenfalls die gewünschte Funktionalität. Der erste Teil der Dancin‘ Mrs. Fritz Animation erfordert die Umsetzung eines Walkcycles der keine cartoonartigen Elemente aufweist. Um in dieser Phase nicht vom Modell abzuweichen ist das Einführen eines Attributs geplant, dass das Ein- und Ausschalten der Stretchyness gewährleistet. 2. Deformable Rig: Die Animation des Deformable Rigs erweist sich als besonders praktikabel. Im ersten Moment erscheint es so als müsste durch die hohe Anzahl an Joints und die zusätzlichen Controller ein immenser zusätzlicher Animationsaufwand bewältigt werden. Durch das Layersystem wird jedoch der Animationsaufwand dem entsprechend gewünschten Feinheitsgrad angepasst. So besteht zwar grundsätzlich die Möglichkeit, den gesamten Armbereich mehrere Male zu krümmen, dies heißt jedoch nicht, dass für das bloße Abwinkeln des Arms sechs verschiedene Controller positioniert werden müssen. Dies passiert weiterhin über die Translation des Handcontroller. Will man diese harte Abwinkelung durch einen geschwungenen Bogen ersetzen, müssen lediglich zwei Controler selektiert und transliert werden. Darauf aufbauend können noch feinere Adjustierungen vorgenommen werden. Durch das Umsetzen mehrerer Layer kann bereits eine limitierte Art Rubberhose Stil erzielt werden. Deformationen wie z. B. die Verknotung der Gliedmaßen ist jedoch mit Hilfe dieses Konstrukts nicht möglich. 3. Squash & Stretch Controls: Die Squash & Stretch Controls erweisen sich vor allem in Kombination mit dem Teilungskonzept als praktikabel. Ein Setzen von Kontrollmöglichkeiten an den Rändern des Teilungsschnitts macht es möglich eine Verformung der entsprechenden Teile vor dem tatsächlichen Abtrennen der Geometrie. Somit ist nicht nur ein einfaches Abheben der separierten Körperpartie, sondern eine lebendig wirkende Deformation durch Krafteinwirkung möglich. 4. Teilung: Beim Animieren des Charakters wurde ersichtlich, dass durch das Sperren der Randvertexfacenormalen die Schnittkante bei Deformation des Charakters sichtbar wird. Bei der Umsetzung wurde übersehen, dass durch das Sperren der Normalen lediglich ein Verschwinden der Schnittkante zum Zeitpunkt des Schnitts gewährleistet wird. Durch das Sperren werden die Normalen auf einen Wert fixiert. Dies führt bei Deformation der Vertices zu einem inkorrekten Shading dieser Region. Entsperrt man die Randvertices wird das Shading wieder nach Deformation variable angezeigt, jedoch ist hier durch die Durchschnittsberechnung der angrenzenden Faces ersichtlich, dass die Geometrie nicht zusammenhängt. Um das Problem zu lösen wird versucht, KAPITEL 5. SCHLUSSBEMERKUNGEN 78 die Vertexfacenormalen der ursprünglich angrenzenden Faces abzutragen, um daraus den Durchschnitt zu berechnen. Dieser Lösungsansatz muss erst erprobt werden. 5. Scaleability: Das Konzept der Scaleability bietet einen komfortablen und störungsfreien Animationsprozess. Über die gewichtete Skalierung können auch im Vorhinein nicht angedachte Deformationen realisiert werden. Ein Beispiel hierfür wäre ein cartoonartiges Schlucken. In 2D Cartoons wird oft nach dem Schlucken des Charakters eine Ausbuchtung am Hals und Oberkörper gezeichnet, die sich vom Kopf Richtung Magen bewegt. Mit Hilfe der gewichteten Skalierbarkeit des Deformable Rigs könnte eine solche Deformation auch in 3D umgesetzt werden. 6. Facial Setup: Obwohl das erarbeitete Facial Setup den Anforderungen der Animation entspricht, wäre ein weiteres Experimentieren wünschenswert gewesen. Eine Umsetzung erweiterter Adjustierungsmöglichkeiten über direkte Manipulation hätte sicherlich eine Bereicherung der Gesichtsanimation zur Folge. Das Ansteuern der Blendshapes könnte komfortabler gestaltet werden. Hierbei dient der Blendshape Editor aus [8] als Vorbild. Über diesen kann auf schnellem Weg eine asymmetrische Ansteuerung mehrerer Blendshapes zusammen ermöglicht werden. 7. Hair/Cloth Setup: Vor allem das Cloth Setup müsste über Einführen von weiteren Controllern benutzerfreundlicher gemacht werden. So sollte man die Möglichkeit haben, durch ein einzelnes Kontrollobjekt gesammelt auf die gleichen Controler der einzelnen Wellungen des Kleides, Einfluss zu nehmen. Für das Hair Setup ist geplant mit der Translation der Knotengeometrie nach links und rechts eine Veränderung der restlichen Haartextur zu bewirken. Dieser Lösungsansatz muss jedoch erst erprobt werden. Neben dem Verbessern der soeben aufgezeigten Defizite, ist die Erweiterung dieser beiden Konzepte geplant: 1. Teilung • Schnitt mittels Projektion einer Kurve: Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Teilung nur entlang von bereits in der Geometrie bestehenden Kanten möglich. Es wäre jedoch wünschenswert die Schnittkante über eine Kurve definieren zu können. Diese Kurve könnte auf die Geometrie projiziert werden, um die Topologie der Geometrie zu erweitern, und anschließend könnte anhand dieser eine benutzerdefinierte Teilung realisiert werden. KAPITEL 5. SCHLUSSBEMERKUNGEN 79 • Automatisiertes Erstellen von Squash & Stretch Controls: Um die Verformung beim Abtrennungsprozess zu erleichtern, könnten beim Durchführen der Teilung automatisiert Squash & Stretch Controller eingefügt werden. 2. Animation GUI • Ikonische Ansteuerung: Wie bereits besprochen, soll das Animation GUI um die Möglichkeit den gesamten Charakter über dieses ansprechbar zu machen erweitert werden. 5.2 Ausblick Man ist zur Zeit sehr stark darauf fokussiert eine Ästhetik des Handgemachten in die 3D-Computeranimation miteinfließen zu lassen. Dies soll der steifen und mathematisch korrekten Welt mehr Leben einhauchen. Nicht nur der klassische amerikanische Zeichentrick dient als Vorbild. Produktionen wie Flushed Away orientieren sich an der Stop Motion Animation und es gibt bereits Ansätze wie man Charakter Animation im Stil von japanischen Zeichentrickproduktionen automatisiert erzeugen kann. Auch wenn die vorangegangene Arbeit zeigt, dass es theoretisch möglich ist die zweidimensionale Ästhetik des Zeichentricks zu kopieren, ist man trotzdem durch den technischen Mehraufwand in der kreativen Ausdrucksweise eingeschränkt. Im Zeichentrick werden häufig Verformungen verschiedenster Natur, die in der 3D-Computeranimation schwer zu emulieren sind, in nur einer einzigen Szene eingesetzt. Beim 3D Cartoon stellt sich in solchen Fällen die Frage, ob der Aufwand des animierbar machens“ dieser Verfor” mung gerechtfertigt ist. So kann es öfters passieren, dass die Kreativität dem technischen Mehraufwand untergeordnet wird. Dies ist auch der Grund warum bis heute die Charakteranimation im Zeichentrick nicht durch eine 3D Version ersetzt wird. Doron A. Meir – klassisch ausgebildeter Animator, der nun in der 3D Computeranimation arbeitet – beschreibt in [1] den Nachteil des 3D Cartoons gegenüber dem 2D Cartoon wie folgt: In classic animation, I can do whatever I like. If, all of a sudden, just for a single frame, I want my character to stretch, or completely distort, or turn into a messy scribble or a tomato – anything – and I think it fits the action, I do it like that. In CG animation, by contrast, I am limited to the existing character and to the laws“ made by the rigger – that is, unless I model ” something entirely new, just for that single frame, and also the in-betweens (which is of course not practical, at least for regular commercial projects). This draws us to the conclusion that, compared with classic animation, CG animation is inescapably a restrained medium, KAPITEL 5. SCHLUSSBEMERKUNGEN 80 simply because it‘s harder to distort and exaggerate when you are trapped in a web of software-based constraints and laws that are completely absent in classic animation. Es wird klar welche Einschränkungen sich für die beiden Medien ergeben. 2D Cartoon ist in Bezug auf das Aussehen“ limitiert, da ein zu hoher De” tailgrad einen unbewältigbaren Mehraufwand darstellt. Hingegen ist der 3D Cartoon hinsichtlich der Animation eingeschränkt, da sich die Anzahl außernatürlicher Verformungen drastisch auf die Produktionszeit auswirkt. Ungeachtet dessen, ob nun eine Zeichentrickästhetik zu 100% umgesetzt werden kann, ist meines Erachtens das Orientieren an bereits bestehenden visuellen Konzepten ein erster Schritt dahingehend, sich von einer an realen Gegebenheiten orientierten Animation zu lösen. Dieses Loslösen kann der Beginn neuer visueller Welten sein. Anhang A Inhalt der CD-ROM File System: Joliet Mode: Single-Session (CD-ROM) A.1 Diplomarbeit Pfad: / dm05012 Kapeller Nadja.dvi Diplomarbeit (DVI-File, ohne Grafiken) dm05012 Kapeller Nadja.pdf Diplomarbeit (PDF-File) dm05012 Kapeller Nadja.ps Diplomarbeit (PostScript-File) A.2 Data Pfad: / CartoonyRig.mel . . . . 2DAnalyse list.pdf . . . 3DAnalyse list.pdf . . . statistik.xls . . . . . . . A.3 MEL Script zur prozeduralen Erstellung eines Cartoony Body Setups“ ” Auflistung aller analysierter 2D Cartoons Auflistung aller analysierten 3D Cartoons Recherchierte Daten zum Wandel von 2D zu 3D Literatur Pfad: / Setup ChickenL.mov . . FastForward.pdf . . . . Korr Cordingley.pdf . . SIGGRAPH 2004 Sketch Artikel auf www.cgw.com Email Korrespondenz mit Christopher Cordingley 81 ANHANG A. INHALT DER CD-ROM Madagascar.pdf . . . OpenSeason.pdf . . . OpenSea lurie.mov . . OpenSea mullen.mov pixar Interview.mov . ST Animation.pdf . . ST FacialRigging.pdf ST ModBodyRig.pdf ST2BodyFaceRig.pdf TraditionalIn3D.mov . VFXworld Kerlow.pdf A.4 . . . . . . . . . . . Course Overview SIGGRAPH 2005 Making of Open Season Cloth und Hair bei Open Season Rigging und Animation bei Open Season Interview mit Andrew Schmidt Alias Learning Tool Alias Learning Tool Alias Learning Tool Alias Learning Tool SIGGRAPH 2004 Sketch Artikel auf www.vfxworld.com Bilder Pfad: /images/ *.EPS . . . . . . . . . . alle Bilder der Diplomarbeit (EPS Format) 82 Literaturverzeichnis [1] Anzovin, R. und S. Anzovin: 3D Toons: Creative 3D Design for Cartoonists and Animators. The Ilex Press Limited, 2005. [2] Bernstein, J.: Maya Technique | SuperToon Modeling and Body Rigging. 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