Torische Intraokularlinsen
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Torische Intraokularlinsen
> C h i r u r g i e Abb.1: Torische Intraokularlinse Torische Intraokularlinsen Die Katarakt-Chirurgie umfasst heutzutage zunehmend auch eine refraktiv- chirurgische Komponente, die im Wesentlichen daraus resultiert, dass die meisten Patienten zumindest für die Ferne Brillenunabhängigkeit wünschen. Von Prim. Univ.-Prof. Dr. Oliver Findl, MBA & Dr. Sophie Tatzreiter E Prim. Univ.-Prof. Dr. Oliver Findl, MBA in häufiger Grund für ein nicht zufriedenstellendes refraktives Ergebnis nach Katarakt-Operation ist ein bereits vor der Operation bestehender kornealer Astigmatismus. Ungefähr ein Drittel der Patienten mit Katarakt haben prä-operativ eine Hornhautverkrümmung von 1 Dioptrie oder mehr.1 Abhängig vom Ausmaß des präoperativen Astigmatismus können verschiedene Maßnahmen zur Astigmatismus-Korrektur zur Anwendung kommen. Zu den chirurgische Techniken zählen z.B. die gegenüberliegende klare KorneaInzision (opposite clear cornea incision – OCCI), die periphere relaxierende Inzision (limbal relaxing incision – LRI), die laser ablativen Verfahren an der Hornhaut (PRK, LASIK usw.) und torische Intraokularlinsen (IOL, siehe Abbildung 1).2 Torische IOL Dr. Sophie Tatzreiter Hanusch-Krankenhaus, Augenabteilung Heinrich-Collin-Str. 30, 1140 Wien Tel.: +43 1 / 910 21-84610 hkh.augen.abt@wgkk.at 6 0 • M e d i c a l N e t w o r k 2 01 2 • Frühere torische IOL-Modelle, wie die Staar Silikon-IOL mit Plattenhaptiken (Staar Surgical) zeigten aber postoperativ häufig Rotationsinstabilität.3 Andere torische IOL-Modelle mit modifiziertem Haptik-Design, wie die drei-stückige MicroSil Toric mit Z-Haptiken (Humanoptics), zeigten größere Sta- S P ECIAL • w w w . a u g e n . c o . a t bilität, waren allerdings aufwendiger zu implantieren. Mit der steigenden Zahl an einstückigen IOL, welche eine gute Rotationsstabilität haben, steht uns heute eine zunehmende Auswahl an torischen Kunstlinsen zur Verfügung. Eine Übersicht über die gängigsten torischen IOL findet sich in Tabelle 1. Auch multifokale torische IOL, wie die LISA toric (Carl Zeiss Meditec AG), die M-flex toric (Rayner), die AcrySof ReSTOR toric (Alcon) und die Mplus toric (Oculentis) sind mittlerweile erhältlich. Prä-operative Messungen Um das Ausmaß und den steilen Meridian des kornealen Astigmatismus zu bestimmen, muss prä-operativ eine Keratometrie durchgeführt werden. Um eine zweite Einschätzung über den steilen Meridian zu erhalten und einen irregulären Astigmatismus, wie zum Beispiel einen subklinischen Keratoconus (Forme fruste), auszuschließen, sollte eine korneale Topographie oder Tomographie durchgeführt werden. Dafür werden Geräte mit Placido-Scheibe oder Scheimpflug-Kamera verwendet. Letztere ermöglichen es außerdem, Informationen über die Krümmung der Hornhautrückfläche zu gewinnen.4 Sind das Ausmaß und der steile Meridian des kornealen Astigmatismus einmal bestimmt, sollten die Möglichkeiten für Astigmatismus-Reduktion mit dem Patienten im Rahmen des Aufklärungsgespräches besprochen werden. In unserer Abteilung bieten wir allen Patienten mit einem Astigmatismus ab 2,5 Dpt. eine torische IOL an. Der Patient sollte allerdings auch den Wunsch nach Brillenunabhängigkeit für die Ferne haben. Die Anwendung von torischen IOL erfordert einen höheren logistischen Aufwand als bei Standard-IOL. Zunächst muss die erforderliche IOL-Stärke – meist mithilfe von Online-Software der Hersteller – ermittelt werden. Dazu müssen die Keratometriewerte, die Achsenlänge und die Vorderkammertiefe eingegeben werden. Die Lieferzeiten für torische IOL variieren zwischen wenigen Tagen und einigen Wochen – letzteres vor allem dann, wenn es sich um „maßgefertigte“ IOL handelt. Auch preislich liegen torische IOL deutlich über Standard-IOL. > C h i r u r g i e Prä-operative Vorbereitung Die Ausrichtung der IOL im Kapselsack ist der Schlüssel zum Erfolg mit torischen IOL. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass Augen beim Hinlegen einer Zyklotorsion unterliegen. Diese Rotation kann nach innen oder außen erfolgen und beträgt im Mittel 3°, in Ausnahmefällen sogar bis zu 17°. Daher sollte das Auge beim aufrecht sitzenden Patienten markiert werden. Prinzipiell können verschiedene präoperative Markierungsmethoden verwendet werden. Die einfachste ist die Markierung an der Spaltlampe mit Verwendung einer Subkutan-Nadel. Der Kopf des Patienten wird auf der Kinnstütze möglichst gerade ausgerichtet, während der Lichtspalt in die horizontale Achse gedreht und möglichst lang, schmal, retrograd und auf die Pupille zentriert eingestellt wird. Mit der Nadel wird der horizontalen Meridian bei 0 und 180° am Limbus markiert und bei Bedarf mit einem Stift angefärbt. An einem normalen Auge entspricht eine Distanz von 1 mm am Limbus bereits einer Abweichung von 10°. Andere Markier-Instrumente, die das Ausrichten am Limbus erleichtern können, sind Marker mit einer Wasserwaage (NuijtsLane Toric Reference Marker, ASICO), Pendelmarker (Pendulum Marker, Geuder) oder Marker die auf die Tonometer-Halterung aufgesetzt werden können (Tomark, Geuder). Die hier aufgezählten Markierungsmethoden wurden im Rahmen einer prospektiven Studie an unserer Abteilung verglichen.5 Alle Markierungsmethoden zeigten nur eine leichte Abweichung von der Referenzachse, wobei mit dem Pendelmarker die geringste Achsenabweichung erzielt wurde. Zwischen den Ergebnissen der Spaltlampenmarkierung und denen des Pendelmarkers konnte kein statistisch signifikanter Unterschied gefunden werden. Der Pendelmarker hatte eine signifikant geringere Abweichung als die Marker mit Wasserwaage und Tonometer (Abbildung 2). Die geringste vertikale Abweichung von der Referenzachse wurde mit der Spaltlampenmarkierung erzielt. Aus diesem Grund wird bei uns derzeit die Spaltlampenmarkierung in der täglichen Routine angewendet. Eine weitere Möglichkeit, die IOL-Ausrichtung auf den Fortsetzung Seite 60 > IOL Modell Sphäre Zylinder Maßgefertigt AA4203TF (Staar) +24.0 bis +28.5 D 2.00 u. 3.50 D – AcrySof IQ Toric (Alcon) +6.0 bis +30.0 D 1.50 D, 2.25 D u. 3.00 D – T-flex (Rayner) +6.0D bis +30.0D +1.00 D bis +6.00 D Sphärisches Äquivalent: -10.00 D bis +35.00 D Zyl.: +1.00 D bis +11.00 D TECNIS® Toric IOL (AMO) +5.0 D bis +34.0 D 1.00 D, 1.50 D, 2.25 D, 3.00 D, 4.00 D – MicroSil Toric (Dr. Schmidt) -30.0 bis +34.0 D 1.00 D bis max. 30.0 D – LENTIS LS-312, -313 (Oculentis) +10.0 D bis +30.0 D 1.50 D, 2.25 D, 3.00 D, 3.75 D, 4.50 D, 5.25 D Sph.: ±0.00 D bis 35.00 D Zyl.: +0.25 D bis +12.00 D AT TORBI® 709M (Carl Zeiss Meditec) -10.0 D bis +32.0 D +1.00 D bis +12.0 D – AF-1 toric IOL (Hoya, noch nicht erhältlich) – 1.50, 2.25, 3.00 D – ® Tabelle 1: Torische IOL-Modelle Abb. 2: Rotations-Abweichung von der Horizontalen (Grad) www.augen.co.at • M e d i c a l N e t w o r k 2 01 2 • S P ECIAL • 6 1 > C h i r u r g i e • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • Torische Intraokularlinsen Kornealer Asti. (D) Inzisionen Torische IOL 0 – 0.5 Temporal / Steiler Meridian X 0.5 – 1 Steiler Meridian X 1 – 1.5 OCCI X 1.5 – 2 LRI mIOL 2 – 2.5 (LRI) ü 2.5 – 3 x ü >3 x ü Tabelle 2: Hanusch-Richtlinie bei prä-operativem Astigmatismus steilen Meridian ohne Markierungen zu erleichtern, ist eine Lösung, bei der mit einer speziellen Software prä-operativ aufgenommene Bilder dazu dienen, die Zielachse für die torische IOL ins Mikroskop einzublenden. Prä-operativ wird während der Bio metrie ein Foto der Bindehautgefäße aufgenommen. Dieses Foto wird entweder über das Netzwerk in den Operationssaal importiert und eine spezielle Software ermöglicht das Überlappen des Fotos mit dem intraoperativen Videobild durch ‚Tracking’. Die Zielachse für die IOL kann dem Chirurgen dann in das rechte Okular des Mikroskops eingeblendet werden (siehe Abbildung 3). Zwei solcher Systeme sind bereits auf dem Markt erhältlich, wovon eines an unserer Abteilung mitentwickelt und geprüft wurde. lang des steilen Hornhautmeridians ab. Eine Fehlausrichtung kann durch ungenaues intra-operatives Positionieren, eine post-operative Rotation der IOL oder einer Kombination von beiden entstehen. Als Faustregel gilt, dass eine Abweichung der IOL vom steilen Meridian von 1° in einer 3 %-igen Reduktion des Astigmatismus-korrigierenden Effekts resultiert. Eine Abweichung von 10° vermindert den Effekt der Astigmatismuskorrektion um ungefähr 33 %, eine Abweichung von 30° oder mehr führt zum „Achsenflip“ und keiner Korrektur der Zylinders. Einige intra-operative Maßnahmen können das präzise Ausrichten der IOL erleichtern: Die Kapsulorhexis sollte gut zentriert sein und den gesamten Rand der IOL-Optik überdecken. Nach Implantation der IOL und grober Angleichung entlang des Zielmeridians sollte das Viskoelastikum komplett – auch hinter der IOL – entfernt werden, um einer Rotation der IOL auf dem Viskoelastikum-Polster in den ersten Stunden nach der OP vorzubeugen. Die Feinabstimmung der IOL-Ausrichtung sollte mit einer dünnen Kanüle nach Auffüllen der Vorderkammer und unter Anwendung eines Mendez-Rings, welcher die Achseneinteilung anzeigt, erfolgen. Wir konnten in mehreren Studien zeigen, dass die meisten torischen IOL-Modelle im post-operativen Verlauf rotationsstabil sind.6,7 Intra-operatives Ausrichten der IOL Post-operative Nachsorge Ein gutes Ergebnis torischer IOL hängt maßgeblich vom präzisen Ausrichten der IOL ent- Bestimmung des unkorrigierten Visus, eine möglichst genaue Refraktionsbestimmung, Abb. 3: Markierungsloses intra-operatives IOL-Ausrichtungssystem 6 2 • M e d i c a l N e t w o r k 2 01 2 • S P ECIAL • w w w . a u g e n . c o . a t sowie eine Messung der IOL-Achsenlage sollten bei der ersten Kontrolle innerhalb weniger Tage durchgeführt werden. Letztere kann an der Spaltlampe durch Angleichen des Lichtspaltes an die IOL-Achsenmarkierung (entweder kleine strich- oder punkt-förmige Markierungen am Rand der Optik) und Ablesen des Spaltwinkels an der Spaltlampe überprüft werden. Sollte eine Korrektur der IOL-Position notwendig sein, sollte dieser Eingriff idealerweise innerhalb der ersten 10 Tage nach der Operation durchgeführt werden, wenn der Kapselsack leicht wiedereröffnet werden kann und sich die Kapselfibrose erst auszubilden beginnt. Zusammenfassung Torische IOL sind eine effektive, stabile und gut vorhersehbare Methode in der Behandlung eines Hornhaut-Astigmatismus bei Kataraktpatienten. Voraussetzung ist eine gründliche Vermessung der Hornhaut vor der Operation und eine genaue Ausrichtung der IOL. Für Patienten mit weniger stark ausgeprägtem Astigmatismus (unter 2 Dpt.) sind korrigierende Schnitttechniken eine kostengünstige und effektive Alternative. Unser aktueller Zugang für Patienten mit Astigmatismus ist in Tabelle 2 zusammengefasst. Derzeit wenden wir bei 4 % unserer Kataraktoperationen torische IOL, und bei weiteren 12 % eine der oben angeführten Astigmatismus-reduzierenden Schnitt-Techniken an. k Referenzen 1 Hoffmann, P. C., Hutz, W. W. Analysis of biometry and prevalence data for corneal astigmatism in 23,239 eyes. J Cataract Refract Surg 36, 1479-1485 (2010). 2 Findl, O. Toric Intraocular Lenses. CML-Ophthalmology 22 (2012). 3Ruhswurm, I., Scholz, U., Zehetmayer, M., Hanselmayer, G., Vass, C., Skorpik, C. Astigmatism correction with a foldable toric intraocular lens in cataract patients. J Cataract Refract Surg 26, 1022-1027 (2000). 4 Hirnschall, N., Gangwani, V., Crnej, A., Nishi, Y., Tatzreiter, S., Chen, Y., Findl., O. Influence of the posterior corneal surface on the refractive outcome after implantation of toric intraocular lenses. Free paper presentation, XXIX. Congress of the ESCRS 2011, Vienna (2011). 5 Popp, N., Hirnschall, N., Tatzreiter, S., Chen, Y. & Findl, O. Evaluation of three different cornea marking devices. Free paper presentation, XXIX. Congress of the ESCRS 2011, Vienna (2011). 6 Koshy, J. J., Nishi, Y., Hirnschall, N., Crnej, A., Gangwani, V., Maurino, V., Findl, O. Rotational stability of a single-piece toric acrylic intraocular lens. J Cataract Refract Surg 36, 1665-1670 (2010). 7 Prinz, A., Neumayer, T., Buehl, W., Vock, L., Menapace, R., Findl, O., Georgopoulus, M. Rotational stability and posterior capsule opacification of a plate-haptic and an open-loop-haptic intraocular lens. J Cataract Refract Surg 37, 251-257 (2011).