Comic in der Kritik
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Comic in der Kritik
Historische Medienkritik Comic in der Kritik von Romy Baumann 1. Einleitung: Bilder erzählen Geschichten Noch bevor es die Schrift überhaupt gab, dienten Bilder den Menschen als Information und Unterhaltung. Man verewigte seine Erlebnisse und Erfahrungen in Höhlen, auf Schmuckstücken, Töpferwaren und andere. Selbst als die Schrift Einzug in die Gesellschaft hielt, wurden für das ungebildete Volk Nachrichten und Informationen mittels Zeichnungen verbreitet. Und auch in Kirchen findet man in den Glasfenstern und Mosaiken mittels Bildern erzählte Geschichten. Hier dienen sie allerdings eher der Information, der Verbreitung von Glauben und von Wissen. Später wurden rein zur Unterhaltung dienende Bilderbogen angefertigt, die auf Jahrmärkten verkauft, als Tauschmittel verwendet oder gar in die neue Welt exportiert wurden. Besonders zu beachten sind hier die Neuruppiner, Nürnberger und Münchner Bilderbogen sowie die vom Verlag Epinal. Hier soll aber darauf hingewiesen werden, dass die Münchner Bilderbogen durchaus auch einen bildenden oder zumindest informatorischen Charakter besaßen, da sie bspw. auch den russisch-türkischen Krieg oder Geschichten aus dem Altertum zum Inhalt hatten (vgl. Baumgärtner 1965, S. 12). In Amerika bildeten sich ab 1895 eigene Formen der Bilderbogen, die Cartoons. Diese Bilderserien dienten in der neuen Welt als Informations- und Unterhaltungsmedium, das alle verstanden. Bilder sind einfacher zu rezipieren als Sprache und das war im New York der damaligen Zeit, in dem fast 70 verschiedene Sprachen gesprochen wurden, sehr wichtig. Viele eigenständige Publikationen konzentrierten sich auf die einfache Bevölkerung und vermittelten in ihren Bilderreihen politische Ereignisse, aber auch karikative und humoristische Inhalte. 2. Verteufelte Bilder deutschen Ursprungs Die bereits erwähnten Münchner Bilderbogen kann man allerdings auch noch mit einer wichtigen Persönlichkeit, die den Weg der Comics mitbereitete, in Verbindung bringen: Wilhelm Busch, der einer der Zeichner dieser Medien war. Jedes Kind kennt die Geschichten von Max und Moritz und den tierischen Helden der zahlreichen anderen Geschichten, die Busch malte und mit einem passenden Text versah. Doch kaum einer weiß, dass aus diesen Geschichten die ersten Comic-Strips entstanden (vgl. Knigge 1985, S. 19f). The Katzenjammer Kids basieren nachweisbar auf den Geschichten der beiden Lausbuben Max und Moritz und bilden neben The Yellow Kid gleichzeitig den sog. Beginn der tatsächlichen, doch so amerikanischen, Comics. 3. Aus Kunst wird Konsum-Schund The Katzenjammer Kids, eine Comic-Serie im New York Journal, war ein billiger Abklatsch der deutschen Vorläufergeschichten um Max und Moritz und inhaltlich sowie graphisch enorm anspruchslos. Aus der Kunst, die Busch, „ein genialer Künstler des Zeichenstifts und ein einzigartiger Jongleur mit der Sprache“ (Baumgärtner 1965, S. 13), geschaffen hatte, wurde ein Konsumartikel für Jedermann. Die Bildfolgen waren lustig, meist auch anzüglich, und dienten zur Unterhaltung und natürlich zur Bindung der Leserschaft. Mit Yellow Kid kam ein neuer Comic auf den Markt, der zunächst nicht aus einer Bildreihe sondern aus einem großen Einzelbild mit vielen Details bestand, das in sich eine ganze Geschichte erzählte. (Klicken Sie hier um ein „Yellow Kid“–Comic zu sehen) Vorläufer dieser Art von Comics waren wohl die satirischen englischen Karikaturen, die schon im 18. Jahrhundert mit Sprechblasen versehen wurden. Doch auch der sozialkritische und sehr realistische Yellow Kid-Comic, der in den Slums spielte, wurde bald Opfer der Strips und des auf Konsum ausgesetzten, wenig detaillierten Erzählstils der Unterhaltungscomics. Langes Verweilen des Auges und Nachdenken mussten somit dem gedankenlosen Überfliegen der Bilder weichen. Schon in dieser Zeit ließen Pädagogen und Bildungsbürger Empörung über den oft rüden und vulgären Humor der Serien verlauten und lösten damit so etwas wie eine erste „Anti-ComicKampagne“ aus (Knigge 2000, S. 17), was an dieser Stelle aber nicht weiter erwähnenswert erscheint. 4. Von Superhelden, Sex und Gruselmonstern (vgl. Knigge 2004, S. 57, S. 90ff, S. 138ff, S. 168ff) Bald reichten die Strips mit ihren kurzen Handlungen nicht mehr aus und ganze Heftchen der bunten Bilder wurden veröffentlicht, die nun längeren Erzählungen enthielten. Geschichten von Abenteurern und Detektiven, Westernhelden und sprechenden Tieren hielten Einzug in die Welt der großen und kleinen Fans. Doch auch das stellte die Leser nicht zufrieden und neuer Stoff musste her. Bereits zu Beginn der Weltwirtschaftskrise entwickelte sich ein ganz eigenes Genre der Comics – die Eight Pagers. Diese kleinen, achtseitigen Heftchen enthielten das, was Männerherzen höher schlagen ließ: Sex, Sex und nochmals Sex. Hier trieben es die Helden aus den bekannten Comic-Books, wie Popeye, Blondie, Dick Tracey und andere, berühmte Schauspieler und fiktive Personen hemmungslos in allen Variationen und Stellungen, ein wahres Freudenhaus auf Papier. Diese Porno-Comics waren natürlich nicht frei verkäuflich sondern nur unterm Ladentisch zu erstehen. Die Handlung war denkbar einfach gehalten: nach einer zweiseitigen Einführung wurden auf den nächsten fünf Seiten akrobatische Akte vollzogen, die, auf der letzten Seite, von einem Gag gekrönt wurden. Die Autoren dieser Heftchen blieben weitestgehend anonym, es wird aber vermutet, dass auch namhafte Zeichner ihren Teil zur Aufklärung und Unterhaltung des US-amerikanischen Volkes beigetragen haben. Die sog. Tijuana Bibles zelebrierten nicht nur heterosexuelle Geschlechtsakte, es wurden auch freizügig homosexuelle Handlungen dargestellt. Das prüde Amerika wurde bis in die 1960er-Jahre hinein von den Spielchen der Comic-Figuren berauscht, bis die Strips vom Playboy abgelöst wurden. Das Jahr 1938 ist die kommerzielle Geburtsstunde des Mannes, der die Welt immer und immer wieder retten kann: Superman. Vier Jahre lang hatten seine Erfinder Jerry Siegel und Joe Shuster schon Zeichnungen des Superhelden parat, aber keine Interessenten, da den Verlegern die Geschichte zu unglaubwürdig erschien. In der Publikation Action-Comics sollte er nur Seitenfüller sein, doch bereits ein Jahr später bekommt der Kryptonier sein eigens Comic-Book, dass mit einer Auflage von 1,25 Mio. Exemplaren unglaubliche Dimensionen erlangt. Schon bald folgen weitere Superhelden den Spuren Supermans. So gibt auch Batman neben vielen anderen, auch weiblichen Heldinnen, sein Debüt. Die Handlung der meisten dieser Heldencomics unterscheidet sich kaum. Vor allem geht es darum, die Welt vom Bösen zu erlösen, seinen Erzfeinden ein Schnippchen zu schlagen und hauptsächlich auch seine wahre Identität zu verheimlichen, denn jeder der schönen Muskelpakete ist im bürgerlichen Leben eher schwach und unansehnlich, wie Clark Kent alias Superman, gar blind, behindert oder haben psychische Probleme, wie z.B. Spiderman. Und gerade diese Makel machen die Comics für die Leserschaft so interessant, kann man sich doch leichter mit der „normalen Seite“ der Helden identifizieren und sich in eine Welt träumen, in der man selbst zum stählernen Held wird. Neben den beiden genannten Comic-Genres entstand noch eine dritte, sehr beliebte Art der Bilderserien: Horror-Comics. Nach dem Vorbild der Radioshows und Zeitungs-Strips, wo Totengräber, verrottenden Leichen und Zombies bereits ihr Unwesen trieben, entwickelten Bill Gaines, ein Verleger, und Al Feldstein, ein Zeichner, die Comic-Book-Serien namens Tales from the Crypt, The Vault of Horror und anderen, die heute schlicht als EC-HorrorComics, nach dem Verlag EC-Comics, bezeichnet werden. 1950 gaben sie ihr Debüt. Zwar waren sie nicht die ersten Grusel-Comics, aber qualitativ sehr hochwertig und mit einer gewissen Art von Humor ausgestattet. Die Comics wurden ein großer Publikumserfolg. Schon in den 1940er-Jahren kritisierte die Öffentlichkeit, dass Comics zu viel Gewalt und Sex beinhalteten. Hier standen vor allem die Superhelden-Comics vor dem Pranger, da die weiblichen Protagonisten der Serie zunehmend freizügig auf den Bildern zu sehen waren und die männlichen zu sehr ihre Fäuste und andere, sehr brutale Waffen verwendeten, um ihre Feinde zu vernichten. Mit dem Aufkommen der Horror-Comics wurden die Heftchen noch mehr kritisiert und für Dinge wie Jugendkriminalität und -gewalt, verantwortlich gemacht, die sich die braven Amerikaner nicht anders erklären konnten. 5. Werthams Welt des Bösen Mitte der 1940er-Jahre begann ein unbedeutender Psychologe deutscher Herkunft Studien an seinen jungen Patienten durchzuführen und mit ihnen eine Massenhysterie auszulösen. Die Rede ist von Frederic Wertham, einem der ersten wahren Kritiker der Comics. Der soziale Müll, wie er die Comic-Books nannte, rufe bei den konsumierenden jungen Menschen eine Krankheit namens lineare Dyslexie hervor, eine Krankheit, die er damals entdeckt bzw. erfunden hatte. Wertham war der Meinung, dass der soziale Hintergrund und die populäre Kultur bei Jugendlichen die Ursache für gewalttätige Handlungen sei. Der Konsum von Radio, Film und letztendlich auch Comics solle dazu beitragen, emotional in eine Fantasiewelt abzutauchen und Hemmschwellen abzubauen. Mit seinem Artikel im Readers Digest Magazin von 1948 verteufelte er die Comic-Books als „Verbreiter von Kriminalität unter amerikanischen Kindern“. (vgl. Comic Art and Graffix Gallery) Doch mit seiner Meinung stand er nicht allein. Sterling North, ein Kinderbuchautor, nannte Comics „widerwärtige Sex-Serien“ und Geoffrey Wagner deklarierte in seinem Werk Parade of Pleasure Comic-Zeichner, -Schreiber und –Verleger als heruntergekommen und behauptete, dass „das Personal der beiden größten Verlage aus Homosexuellen bestünde, die aus ihren phallusförmigen Hochhäusern heraus handeln“. (vgl. ebd.) Diese Ereignisse waren Auslöser für einen Senatsausschuss im Bundesstaat New York, der die Comic-Books und andere Medien näher unter die Lupe nahm. Und auch von Seiten religiöser und anderer Gemeinschaften erfuhren die beliebten Hefte Druck, der so weit führte, dass in einigen großen Städten Comics ganz verboten, in 18 Bundesstaaten der Verkauf von Comics gedrosselt, vor Kiosken und Geschäften, die Comics verkauften, demonstriert wurde und die Verlage mit Beschwerden überschwemmt wurden. Und auch öffentliche Verbrennungen von Comics waren keine Seltenheit mehr. Doch damit nicht genug! Werthams Buch Seduction of the Innocent (dt.: Verführung der Unschuldigen), das 1954 veröffentlicht wurde, beinhaltete die Folgen, die Kinder beim Comic-Konsum davontrügen. „Entgegen der Meinung zahlreicher Experten und Bürgerrechtler beharrte Wertham darauf, dass nahezu jedes Panel eines Comics versteckte sexuelle Symbole enthielt, die Kinder und Jugendliche in Kriminelle, Perverse und Sadisten verwandeln sollten, indem sie gewalttätige Verbrechen verherrlichten, körperliche Liebe mit Missbrauch verbanden, Analphabetismus förderten und zur Nachahmung anregten. Eine Reihe von Strafanzeigen untermauerte seine Behauptung, dass die Jugendkriminalität auf dem Vormarsch sei, und laut Wertham standen diese tatsächlichen Verbrechen - bis hin zum Mord - in direktem Zusammenhang mit Comics.“ (Splashpages, Kapitel 1). Des Weiteren sollen Comics durch ihre stereotypische Darstellungsweise Rassismus fördern, der wiederum zu Gewalt führe. Ein Zitat, dass Wertham während einer Zeugenaussage bei den Kefauver-Hearings (Anm.: Die Kefauver-Hearings sind nach dem Senator Estes Kefauver benannt, der 1954 die Leitung des Subkomitees des amerikanischen Senats zur Untersuchung von Jugendkriminalität in den USA übernahm. Im selben Jahr ging er in Anhörungen, zu denen auch Vertreter der ComicZeichner und -Verleger geladen wurden, Werthams Theorien zur Gefährdung der Jugend durch Comics nach. Diese Anhörungen, die auch im Fernsehen übertragen wurden, nennt man Kefauver-Hearings. Siehe dazu: Splashpages, Kapitel 1) von sich gab, soll an dieser Stelle seine Einstellung zu Comics und deren Herausgeber noch einmal verdeutlichen: „Verglichen mit den Comic-Verlegern war Hitler ein Anfänger. Wäre es meine Aufgabe, aus Kindern Verbrecher zu machen, ihnen beizubringen, wie man Mädchen vergewaltigt, Menschen verletzt, in Läden einbricht, wie man betrügt, prügelt oder jedes andere bekannte Verbrechen begeht, dann würde ich Comic-Verleger werden. Ein Junge wird nicht homosexuell, ohne dass man ihn verführt, und so ist es auch mit der Kriminalität. Solange wir die Verleger gewähren lassen, ist keine amerikanische Familie mehr sicher.“ (zitiert in: Knigge 2004, S. 139) Somit wurde in Comics etwas gesehen, was so nicht stehen gelassen werden konnte. Denn tatsächlich, und das war Wertham sicher auch bekannt, waren die Tijuana Bibles, Superhelden- und Horror-Comics für Erwachsene und nicht für die Kinder und Jugendlichen gedacht. Die Antwort und Erklärung, die darauf hin der Schöpfer der Tales from the Crypt, Bill Gaines, gab, waren zwar zutreffend, hatten aber keinerlei Wirkung auf die inquisitorischen Entwicklungen, die die Hexenjagd gegen die Comics annahm. „Dr. Wertham die Harmlosigkeit einer Horror-Story begreiflich zu machen, wäre ebenso hoffnungslos, wie einer alten Jungfer die Freuden der Sexualität erklären zu wollen. Die Wahrheit ist, dass Kriminalität das Resultat einer Umwelt ist, in der ein Kind lebt, und nicht das seiner Lektüre.“ (Knigge 2004, S. 140) Nichts desto trotz wurden die Comics nun als Feind der braven Bevölkerung angesehen und mussten ausgemerzt werden – waren sie doch die Wurzel allen Übels, wie Wertham eindrucksvoll und überzeugend von sich geben konnte. Der Erfolg dieser Publikation und der Kefauver-Hearings führte dazu, dass Ende desselben Jahres fast dreiviertel der ComicVerleger bankrott waren. Die EC-Horror-Comics wurden auch eingestellt und Gaines wechselte zum bekannten Magazin MAD, das noch heute als Kult gilt. 6. Das Böse wird ausgerottet Nach den zahlreichen Übergriffen der Bevölkerung auf die Comics wurde es für die USAmerikanische Regierung Zeit, eine offizielle Regelung für die Inhalte der Comics zu schaffen. Bei den spektakulären Kefauver-Hearings, die selbst im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt wurden, lieferten sich Comic-Verleger, Comic-Kritiker und Senator Estes Kefauver heftige Auseinandersetzungen. Die Standards of the Comics Code Authority wurden ins Leben gerufen. Diese Regeln, nach denen die Comics nun gestaltet werden mussten, waren denkbar schlecht für die Entwicklung der einzelnen Genres der Comics. So durften z.B. keine gewaltverherrlichenden oder Horror-Szenen mehr gezeigt werden, die Comic-Books in ihrem Namen nicht mehr die Wörter „Horror“ oder „Terror“ enthalten, und selbst die Werbung innerhalb der Comic-Books wurde vorgeschrieben. Auch soziale Aspekte, wie bspw. eine Scheidung, durften nicht mehr belustigend dargestellt werden. Der Comics-Code wurde später neu formuliert und etwas gelockert. (Für eine ausführliche Besprechung der Comic-Kritik und des Comic-Codes in den USA klicken Sie hier). 7. Die Pest in den Kinderzimmern Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen mit den Besatzungstruppen, und hier vor allem durch die USA, amerikanische Waren nach Deutschland. Diese Waren beschränkten sich nicht nur auf Kaugummi und Lucky Strike-Zigaretten, sondern reichten bis hin zu den Unterhaltungsmedien. Comics in all ihren Formen und Ausmaßen stürmten schnell die Kinderzimmer der Deutschen – zum Leid der Erwachsenen. „Minderwertiges zu vernichten, sobald es die Umstände erlauben, halte ich für das beste, worin man sich mit seinen Freunden üben sollte“, sagte einst Hans Meyers (Grünewald 2000, S. 77). Mit dem Import der US-amerikanischen Comics wurde auch die Kritik Werthams importiert. Ein kleiner Unterschied aber war, dass die Deutschen nicht nur die Horror- und Gewalt-Comics verteufelten. Für sie war jeder Comic, gleich welchen Inhalts, ein Werk des Bösen, der ihre Kinder verpestet. Comics führten, so glaubte man zumindest, zu Analphabetismus, zu Bildidiotismus, zur Abtötung der Fantasie und zur Verstümmelung der deutschen Sprache. Auch Werthams Theorie, dass Comics zu Gewalt führen, wurde gerne aufgegriffen, so seien Comics Literatur für „intellektuell Zurückgebliebene und potenzielle Kriminelle“ (Grünewald 2000, S. 77). Die Kinder mussten vor diesen Heften geschützt werden! Es kam so weit, dass Comics in Bibliotheken gegen „gute Jugendliteratur“ eingetauscht wurden und die abgelieferten Comics öffentlich vergraben oder gar verbrannt wurden. Bei der deutschen Vergangenheit fragt man sich da, was die Menschen wohl dazu getrieben haben könnte, solche Aktionen wie Verbrennungen durchzuführen. Vielleicht hatten sie nur Angst vor „einer kulturellen Überfremdung“ und hatten „Skepsis gegenüber bloßer Unterhaltung“ (Grünewald 2000, S. 77). Diese Angst führte bald dazu, dass ein Gesetz in Kraft trat, dass den Comics ein wenig Einhalt gebot. 1953 wurden die Comics mit dem GjS, dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften, und 1954 mit der Bundesprüfstelle in die Schranken gewiesen. „Schriften, die geeignet sind, Jugendliche sittlich zu gefährden“ (§1 GjS) durften von da an nach einer Prüfung nicht mehr vom Handel beworben und öffentlich sichtbar angeboten werden. „Allerdings verneinte … der Bundesgerichtshof eine sittliche Gefährdung schwerer Art durch Comics schlechthin und forderte die konkrete Prüfung der jeweiligen Darstellungen und Inhalte“ (Grünewald 2000. S. 78). Die Indizierung wurde weniger drastisch als erhofft. Durch die Gründung der Freiwilligen Selbstkontrolle für Serienbilder (FSS) durch die Verleger hielten beanstandete Inhalte gar nicht erst Einzug in die Comic-Literatur und bereits vorhandene Comics Panel, die sexuelle Darstellungen oder übermäßige Gewaltdarstellungen beinhalteten, wurden retuschiert. Diese Maßnahmen führte allerdings dazu, dass die Comics noch beliebter wurden und sich die Qualität der deutschen Produktionen nicht steigerte, da ja mit billig hergestellten Heften genauso gut Geld zu verdienen war, wie mit aufwendigen, anspruchsvollen Comics, wenn nicht sogar noch mehr. Mit Beginn der 1970er und dem Aufschwung neuer Medien kamen die Comics aus der Sparte der sittengefährdenden Medien heraus und nur noch selten werden sie auf den Index gesetzt. Hauptgründe für die Indexierung in der heutigen Zeit sind vor allem Verletzungen des Urheberrechts, also Comics, in denen Lizenzfiguren, wenn auch mit leichten Änderungen, benutzt werden. Hierzu gehören Comics wie Die sexuellen Abenteuer von Fucky Luke, oder auch Tim und Struppi in der Schweiz. Aber auch Comics, die Gewalt und Pornografie zum Inhalt haben, werden teilweise verboten. Band 4 der Manga-Serie Hellsing, die im PaniniVerlag erschien, wurde 2005 auf den Index gesetzt, wahrscheinlich, weil in dieser Folge Polizisten auf brutale Weise ermordet und gepfählt werden. Von der Manga-Serie Vampire Master wurden in den Jahren 2003 und 2005 die Bände 1 und 3 indiziert, da hier die beiden minderjährigen Hauptakteure bei sexuellen Handlungen zu sehen sind, sowie die weibliche Geschlechtsmerkmale und Gewalt in expliziten Darstellungen gezeigt werden. (vgl. Wikipedia) 8. Akzeptanz und Toleranz Comics sind nicht wegzudenken aus den Kinderzimmern. Und auch Erwachsene haben sich zu wahren Liebhabern und Sammlern der Hefte entwickelt. Dennoch werden Comics immer noch nicht als Kunst angesehen und als Kitsch und Massenmedium abgetan, der es nicht wert ist, als Kunst bezeichnet zu werden. Erschwerend kommt hinzu, dass durch die Anteile von Bild und Schrift der Comic weder zur Literatur noch zur Bildenden Kunst gezählt werden kann. Dennoch kann man von Kunst sprechen, eine Kunst, die ihre Ursprünge in der Unterhaltung hat. Unterhaltungskunst, Massenkunst kann man sie nennen, aber das klingt eher abwertend. Ihren hohen Stellenwert unter den Unterhaltungsmedien behalten sie jedoch bei. Einigen wir uns darauf, dass Comics für sich eine eigene Form der Kunst darstellen, die im Wandel der Zeit viele Gesichter angenommen und gezeigt hat, lustige, kritische, anrüchige, laszive, erschreckende und hässliche. In Comics kann eben alles dargestellt werden, was sich das menschliche Gehirn ersinnen kann und das ist das, was sie so attraktiv macht – eine Welt, in der nichts unmöglich ist. 9. Quellenhinweise Literatur: 1. Baumgärtner, Alfred Clemens (1965): Die Welt der Comics. Frankfurt/Main. 2. Grünewald, Dietrich (2000): Comics. Tübingen. 3. Knigge, Andreas C. (2004): 50 Klassiker Comics. Hildesheim. 4. Knigge, Andreas C. (1996): Comics – Vom Massenblatt ins multimediale Abenteuer. Reinbek bei Hamburg. 5. Knigge, Andreas C. (1985): Sex im Comic. Frankfurt/Main. Internet: 6. Comic Art and Graffix Gallery: Biographies. Fredric Wertham M.D. Online unter: http://www.comic-art.com/ biographies/wertham1.htm (Zugriff: 22.03.2007) 7. Splashpages: Comics. Specials. Die Comics Code Authority. Online unter: http://www.splashcomics.de/php/ specials/22 (Zugriff: 22.03.2007) 8. Wikipedia: Verbotenes oder indiziertes Medium. Verbotene, beschlagnahmte oder indizierte Comics in der Bundesrepublik Deutschland. Online unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Verbotenes_oder_indiziertes_ Medium#Verbotene.2C_beschlagnahmte_oder_indizierte_Comics_in_der_Bundesrepublik_Deutschland (Zugriff: 22.03.2007)