Konfirmationsgottesdienstpredigt 2009 der Realklasse

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Konfirmationsgottesdienstpredigt 2009 der Realklasse
Konfirmationspredigt 2009
Thema: Leben
Text: Lukas 15,11-32
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden
Liebe Gemeinde
Man hat das Gleichnis vom verlorenen Sohn als die berühmteste
Kurzgeschichte der Welt bezeichnet. Jesus erzählt von einem jungen
Mann, der sein eigenes Leben leben wollte, wie viele junge Menschen,
wenn sie die obligatorische Schulzeit abgeschlossen haben und
konfirmiert sind. Sagt sich da nicht mancher: Jetzt beginnt das Leben.
Jetzt muss ich nicht mehr zur Schule und nicht mehr in den kirchlichen
Unterricht. Jetzt mache ich, was ich will. Ich lerne den Beruf, den ich will.
Ich verbringe die Freizeit, wie ich will. Ich gehe so lange in den Ausgang,
wie ich will. Ich unternehme mit den Kollegen, was ich will. Ich bin
niemand Rechenschaft schuldig. Jetzt bin ich erwachsen. Und die KUW
ist endlich vorbei. Jetzt habe ich keine kirchlichen Termine und
Verpflichtungen mehr. Für Gott kann ich mich später einmal
interessieren, im Moment brauche ich ihn nicht. Ganz ähnlich tönte es
beim jüngeren Sohn im Gleichnis. Er und sein Bruder stehen für uns
Menschen, der Vater im Gleichnis steht für Gott.
So kommt also der jüngere Sohn zum Vater und verlangt von ihm sein
Erbteil, das ihm nach dem Tod des Vaters zusteht. Der jüngere Sohn will
es jetzt haben, nicht erst später. Er meint damit: Ich lasse mir keine
Vorschriften machen. Ich bestimme, wie ich mein Leben lebe. Ich bin
erwachsen und selbständig. Jetzt will ich mein eigenes Leben leben. Ich
will das Leben in vollen Zügen geniessen. Gott brauche ich nicht. Ich will
unabhängig sein und nicht in einer Beziehung mit Gott leben. So bricht
er die Beziehung zum Vater ab. Er sagt sich von Gott los. Der Vater gibt
dem Sohn, was er verlangt. Er lässt ihn gehen, wie Gott auch uns gehen
lässt.
Jetzt hat der jüngere Sohn, was er will. Er kann sein eigenes Leben
leben. Er verlässt das Vaterhaus. Er befreit sich von seiner Autorität. Mit
anderen Worten: Er emanzipiert sich von Gott. Was sind die
Konsequenzen?
Er geniesst das Leben in vollen Zügen. Er holt alles aus dem Leben
heraus. Mit Vorliebe hält er sich im Las Vegas der Antike auf in
Nachtclubs und Spielhöllen. Er führt ein zügelloses Leben und
verschleudert sein Geld. Es zerrinnt nur so zwischen seinen Fingern,
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und bald steht er mit leeren Händen da. Wie er sein Geld verschleudert,
verspielt er sein Leben. (Vers 13) Das ist die erste Konsequenz der
Emanzipation. Er verliert sein Leben, ja sein Heil. Er landet in äusserster
Armut. Und die äussere Armut ist nur ein Symbol der inneren.
Die zweite Konsequenz ist: Es geht ihm sehr schlecht. (Vers 14)
Ausserhalb des Vaterhauses in seinem Leben ohne Gott kommt ein
Gefühl der Leere auf. Er hat nun nichts mehr. Es geht ihm schlecht und
er weiss nicht mehr weiter. Er hatte sich getäuscht. Er wollte Spitze sein,
fortschrittlich und modern sein, aber in Wirklichkeit liegt er weit hinter
dem zurück, was im Leben möglich ist. Er hat nicht erfasst, was wichtig
ist. So hat er sich von der Gemeinschaft mit Gott ausgeschlossen und ist
bald auch isoliert von der echten mitmenschlichen Gemeinschaft.
Emanzipation von Gott endet im Mangel, Isolation und Not. Der jüngere
Sohn suchte den Aufstieg, wählte aber den Abstieg.
Die dritte Folge der Emanzipation von Gott ist die Abhängigkeit von
Menschen. Der Sohn suchte die Freiheit, gerät aber in die Sklaverei.
(Vers 15) Er landet bei den Schweinen, obwohl es einem Juden verboten
ist, sich mit diesen unreinen Tieren zu beschäftigen.
Die vierte und fünfte Konsequenz sind Erniedrigung und Hunger. Der
Sohn eines reichen Grossgrundbesitzers muss um Schweinefutter
betteln, so plagt ihn der Hunger. Aber nicht einmal davon erhält er etwas.
Sein körperlicher Hunger symbolisiert den geistlichen Hunger, den er in
sich spürt, weil er nicht in einer Beziehung mit Gott lebt. Dieser innere
Hunger lässt sich nur durch eine liebevolle, dauerhafte Beziehung mit
Gott stillen.
Nicht zuletzt leidet der jüngere Sohn jetzt unter Einsamkeit. Als er noch
reich war, hatte er viele Freunde. Diese falschen Freunde verlassen ihn
aber, als sein Geld aufgebraucht ist. Es ist ihnen egal, wie es ihm jetzt
geht. Der Sohn ist am Tiefpunkt seines Lebens angelangt. Er wollte das
Leben in vollen Zügen geniessen, doch jetzt hat er alles verloren: das
Vaterhaus, Geld, Freunde und Existenz. Da sitzt er im tiefsten Elend.
Aber der Tiefpunkt wird zum Wendepunkt. Da kommt der jüngere Sohn
zur Besinnung. (Vers 17) Er schaltet seinen Verstand wieder ein und
erkennt, dass es ihm zu Hause besser ergangen war. Die Erinnerung an
das Vaterhaus bewegt ihn dazu, die Weichen neu zu stellen. Er sieht ein:
Ein Leben mit Gott ist weit besser, als sein eigenes Leben zu leben. Und
so nimmt er sich vor, sein Leben zu verändern. Natürlich ist es hart, sich
einzugestehen, dass man im Unrecht ist. Aber er entscheidet sich, zum
Vater heimzukehren. Seine Schuld ist ihm voll bewusst. Er hat dem
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Vater wehgetan, das ist Unrecht. Trotzdem setzt er seinen Entschluss in
die Tat um. Er bricht auf und geht zu seinem Vater zurück. Zum Glauben
gehört eine Entscheidung. Sie ist ein Akt des Willens auf der Grundlage
des Wissens.
Wie wird ihm der Vater begegnen? Der Sohn hatte den Vater vergessen,
nicht aber der Vater den Sohn. Tag für Tag hält er Ausschau, wartet und
hofft. Als er ihn erblickt, hat er Mitleid. (Vers 20b) Er läuft seinem Sohn
entgegen, fällt ihm um den Hals und küsst ihn immer wieder. Es fällt kein
vorwurfsvolles Wort. Im Gegenteil, er kleidet ihn ein und gibt ihm einen
Ring als Zeichen des Vertrauens und der Würde. Er gibt ihm Schuhe.
Sklaven und sogar Gäste trugen zu jener Zeit keine Schuhe, nur der
Herr und seine Söhne. Sie sind ein Zeichen der Vergebung und der
Wiederherstellung des Sohnesrechts. Der verlorene Sohn ist wieder voll
in die Familie aufgenommen. Der Vater lässt das Mastkalb schlachten
und veranstaltet ein frohes Fest mit Tanz. Das ist ein Bild für das Leben
als Christ.
Doch da ist noch der ältere Sohn. Er ist zu Hause geblieben, hat aber an
der Beziehung mit dem Vater offenbar nie Freude gehabt. Er kann nicht
einsehen, dass solche Umstände gemacht werden, wenn der jüngere
Sohn heimkehrt. Aber auch er ist eingeladen. Der Vater lädt ihn ein, sich
über die Vergebung und die wiederhergestellte Beziehung zu freuen.
Und er darf das erfüllte Leben beim Vater genauso geniessen wie der
jüngere Sohn.
Liebe Gemeindeglieder
Vielleicht finden Sie sich im älteren Sohn wieder. Sie haben Gott nicht
den Rücken gekehrt. Sie sind immer im Vaterhaus geblieben. Sie haben
eine Beziehung mit Gott. Aber irgendwie fehlt Ihnen die Freude. Das
Leben mit Gott ist mehr Last als Lust. Sie verstehen sich als Diener des
Herrn, nicht als sein geliebtes Kind. Dann lädt Gott auch Sie zum Fest
ein. Er möchte Sie genauso dabeihaben wie den jüngeren Sohn. Sie
gehören zu seiner Familie. Sie sind zur Teilnahme an seinem
Freudenfest bestimmt.
In welchem der beiden Söhne Sie sich auch wieder finden: Es geht
darum, in eine liebevolle, dauerhafte Beziehung mit Gott zu gelangen
und am Freudenfest dabei zu sein. Wenn Sie das Vaterhaus verlassen
haben, können Sie heute nach Hause kommen. So finden Sie das
Leben. Kommen Sie zu Gott als Ihrem Vater und fangen Sie an, seine
Liebe und Gnade zu geniessen. Getrennt von Gott, dem Vater war der
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Sohn geistlich tot, weil er in unvergebener Sünde lebte. Durch die
Heimkehr zum Vater wählte er das Leben.
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden
Wer sein eigenes Leben leben will, verliert das Leben. Kehrt, wenn ihr
konfirmiert seid, Gott nicht den Rücken. Kommt nach Hause ins
Vaterhaus. So findet ihr das Leben. Gott gibt euch die höchste
Lebensqualität. Probiert es aus.
Amen
7-6-2009, Madeleine Koch-Stoll, Pfrn., Adelboden
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