Antiphospholipidsyndrom WS 2010
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Antiphospholipidsyndrom WS 2010
Antiphospholipidsyndrom Rheumatologie Vorlesung / Wintersemester 2010/11 Sektion Rheumatologie und Klinische Immunologie der Medizinischen Klinik D Universitätsklinikum Münster Ausflug in die Klinik Taubheitsgefühl im linken Arm, 3/6 Systolikum über der Aortenklappe mit Fortleitung in die Carotiden • 18-jährige Patientin, 23. SSW • Vor 1,5 Jahren, rez. Störungen der Sensibilität und Motorik der Extremitäten damals V.a. MS bei unspezifischen Veränderungen im c-MRT • • • • • • • Thrombozytopenie 85 Tsd./µl Proteinurie 5g/Tag RR: 180/100mmHg LDH 465U/l Hb 11,7g/l, normozytäre Anämie Transaminasen normal Kreatinin 1,4 mg/dl TEE c-MRT Zusammenfassung der Befunde • Schwangerschaft • arterielle Hypertonie • kompensierte Hämolyse, Coombs-negativ • Thrombozytopenie • akutes Nierenversagen/ Proteinurie • frische sensible und motorische Defizite, multiple cerebrale Infarkte • thrombotische Vegetationen der Aorten- und Mitralklappe wegweisende Hinweise aus der Vorgeschichte und der Klinik: • transiente neurologische Ausfälle, unspezifische MS- ähnliche Veränderungen im MRT • Livedo reticularis Differentialdiagnosen? HUS TTP SLE Endokarditis mit Sepsis APS Präeklampsie Weitere Befunde • keine Fragmentozyten • keine differenzierbaren ANA • CRP 2.8 mg/dl • Procalcitonin nicht erhöht • Leukozytenzahl normal • PTT-Verlängerung • Komplementverbrauch • Nachweis von Lupus Antikoagulans und Anti-Phospholipid-Antikörpern Diagnose ? HUS SLE Endokarditis mit Sepsis APS Präeklampsie TTP Präeklampsie und Plazentainsuffizienz auf dem Boden eines Antiphospholipidsyndroms • Sectio, 480g, schweres Mädchen • Plasmapherese und i.v. Gabe hoch dosierter Glukokortikoide • Antikoagulation • Proteinurie und Kreatinin darunter rasch fallend und bald komplett normalisiert • Blutdruck rasch normalisiert • kein Anhalt für weitere cerebrale Infarkte Ausflug in die Klinik Herzinsuffizienz und Nierenversagen • 32-jährige Patientin • • • • einmalig tiefe Beinvenenthrombose gehabt, die für 5 Monate mit Marcumar behandelt wurde, Nikotinabusus nie internistische Vorerkrankungen nie Hautveränderungen oder Gelenkbeschwerden • • • • • • • • Thrombozytopenie 30 Tsd./µl Proteinurie <500mg/Tag Vereinzelt Erythrozyten in Urin Kreatinin steigt in 2-3 Tagen bis auf 4mg/dl Echokardiographie: LVEF 30%, Troponin erhöht (1,04 ng/ml) PTT verlängert CRP erhöht Differenzialdiagnostik • keine Fragmentozyten • keine differenzierbaren ANA, dsDNA-Antikörper aber grenzwertig • p- und c- ANCA negativ • PTT-Verlängerung • Komplementverbrauch • Nachweis von Lupus Antikoagulans und Anti-Phospholipid-Antikörpern • Nierenbiopsie: kein Hinweis auf Glomerulonephritis thrombotische Mikroangiopathie HUS TTP SLE Vaskulitis mit Herz- und Nierenbeteiligung APS APS - ein Buch mit sieben Siegeln? Betroffene unter sich: „Mein Problem ist, dass mein Hausarzt nicht die geringste Ahnung von der Krankheit hat, wenn es ganz schlimm ist, dann schickt er mich zu den Rheumatologen ins Rotes Kreuz Krankenhaus hier in .....“ „Was das APS angeht, habe ich bis jetzt keine Therapie, weil ich noch keinen richtigen Arzt gefunden habe.“ „Habe nach meinem HELLP Ursachenforschung betrieben und weiß jetzt, dass ich das Antiphospholipid-Syndrom habe“ „auch ich bin APS Patientin. Das ist eine Autoimmunerkrankung. Von den Symptomen musst du es dir etwas wie Rheuma vorstellen. Ich habe einen sehr guten Rheumatologen der mich betreut, habe allerdings lang gesucht bis ich einen gefunden hatte der sich damit auskennt.“ „...habe davon bis zu meiner ersten Schwangerschaft nichts gemerkt und in der Schwangerschaft dann ein ein Hellp entwickelt. Nach der Ursachenforschung wurde dann, wie bei Dir das APS festgestellt. War anfangs bei versch. Ärzten, weil sich leider nur wenige richtig damit auskennen.“ 4 : : 1 Antiphospholipidsyndrom Systemische Autoimmunerkrankung Mit Thrombophilie und/oder geburtshilflichen Komplikationen Bei Anwesenheit von Anti-Phospholipid-Antikörpern Synonym: Hughes-Syndrom , 1983 Graham Hughes, London teilweise erfasst von Sneddon und 1965 beschrieben als Sneddon Syndrom (Apoplex und Livedo racemosa) Antikörper gegen Phospholipide Vorkommen: Gesamtbevölkerung 2-5% SLE-Patienten 40% davon haben 40% APS Frauen mit rez. Aborten jede 4. Präeklampsie jede 4. Männer <45 mit Apoplex jeder 5. Männer <45 mit Myokardinfarkt jeder 10. (Antonijevic N et al, Florence 2007) Patienten mit Thrombose 24% RIETE-registry (Roldan, V, Thromb Res.2009) Frauen unter 35 mit Myokardinfarkt jede 3. (Antonijevic N et al, Florence 2007) Kinder mit „idiopathischer Epilepsie jedes 3. (Cimaz et al 2002) Sapporo-Klassifikationskriterien des APS 1999 publiziert und 2004 revidiert Wilson et al. AR1999. 42:1309-11 Miyakis S et al. J Thromb Haemost 2006, 4:295-306 Klinische Kriterien: • Thromboembolien: Eine oder mehrere Episoden einer bestätigten arteriellen oder venösen Thrombose jedweder Lokalisation • Schwangerschaftskomplikationen/Fehlgeburten: a) ≥ 1 unerklärbarer Abort in/nach der 10. SSW* b) ≥ 1 Frühgeburt vor der 34. SSW bei Frauen mit schwerer Präeklampsie, Eklampsie, HELLPSyndrom oder schwerer Plazentainsuffizienz c) ≥ 3 Spontanaborte vor der 10. SSW* * anatomische, hormonelle und chromosomale Störungen ausgeschlossen bzw. normale fetale Morhologie Labordiagnostische Kriterien: • Lupus Antikoagulans * • Cardiolipin-Antikörper (IgG und/oder IgM) *# • ß2-Glycoprotein I-Antikörper (IgG und/oder IgM) *# * über mindestens 12 Wochen # mit mittlerem bis hohen Titer Häufige Manifestationen (>20%) Livedo reticularis/Livedo racemosa Reguläre Kreise Livedo reticularis Unterbrochene Kreise Livedo racemosa Persistiert bei Erwärmung Thrombose der Hautgefäße Venöse Thrombosen Tiefe Beinvenenthrombose und auch mit ungewöhnlicher Lokalisation (beispielsweise Sinus cavernosus, Jugularvenen, Milz-, Mesenterial- und Nierenvenen, Pfortader) Geburtshilfliche Komplikationen des APS n Euro-Phospholipid-Projekt, Ann Rheum Dis. 2009 Sep;68(9):1428-32. % Embolische Hirninfarkte Apoplex Häufige Symptome im Zusammenhang mit der cerebralen Minderperfusion • • • • • Kopfschmerzen Gedächtnisstörungen Sehstörungen Sensibilitätsstörungen Motorische Defizite Weitere Manifestationen (10-20%) • Thrombotische Vegetationen der Aorten- oder Mitralklappe • Präeklampsie/ Eklampsie • Frühgeburt • Hämolytische Anämie • thrombembolische Komplikationen im Bereich der Koronarien Koronararterienthrombose oder Embolie mit typischem Myokardinfarkt zusätzlich thrombotische Mikroangiopathie auch im Bereich des Myokards möglich mit Ischämiezeichen im EKG und Anstieg der Herzenzyme können bei normalem Koronarangiogramm Vorliegen! Thrombotische Vegetationen der Mitraloder Aortenklappe Seltenere Manifestationen (1-10%) • • • • • • • • • • • Epilepsie Chorea vaskuläre Demenz Amaurosis fugax pulmonal-arterielle Hypertonie Gangrän Ulzera Osteonekrosen APS-Nephropathie Mesenteriale Ischämie Retinalarterien oder Venenthrombose Aterielle Thrombosen und Infarkte … Truncus coeliacus-Stenosen … 57 Fälle Sangle et al Lupus Unit, 2006 Osteonekrosen Intern Med. 2009;48(9):737-8. Epub 2009 May 1. Osteonecrosis and antiphospholipid antibodies. Sciascia S, Bertero MT. APS-Nephropathie vs. Lupus Nephritis C1q Fibrinogen IgG zum Vergleich Ig-Deposits bei Lupus-Nephritis Thrombotische Mikroangiopathie, chronische Niereninsuffizienz, arterielle Hypertonie ParadoxonAnti-Phospholipid-Antikörper • Bindung an Enzym-Co-Faktor-Substrat- Komplexe der Gerinnungskaskade Enzym CoFkt. PL Ca++ Beispiele: Prothrombin (ase) Faktor XII Faktor XI Substrat In vitro Inhibition des Gerinnungsprozesses - z.B. PTT-Verlängerung In vivo aber: Endothel GerinnungsfaktorPhospholipid-Komplex Thrombozyt MNCs TF TNFα TLR-4 C5aR + _ Komplement-Aktivierung APC, Protein S tPA, Annexin V Entzündung + Gerinnung = Thrombophilie Relevante Antikörper zur Diagnostik des APS wiederholt nachgewiesen: • Anti-Cardiolipin IgG und IgM • Anti-β2-Glykoprotein IgG und IgM • Lupusantikoagulans (15% sind nur Lupus Antikoagulans positiv, 25% nur Anti-Phospholipid-AK) • Befundkontrolle nach 12 Wochen nötig!!! Zusätzlich finden sich sehr oft eine verlängerte PTT und eine Thrombozytopenie!!! oft auch ein Komlementverbrauch und D-Dimere. Therapie des APS 1) Thrombose-Risikofaktoren ausschalten 2) Frauen nach geburtshilf. APS-Manifestation ASS100 (Alarcon-Segovia, 2003) 3) Prophylaxe von Rezidiven nach arteriellen oder venösen Thrombosen orale Antikoagulation INR 2-3, egal ob mit oder ohne SLE, falls darunter Rezidiv INR 34 oder bei primäre APS auch Kombination mit ASS 4) Sekundärprophylaxe von thrombotischen Verschlüssen und geburtshilflichen Komplikationen in der Schwangerschaft ASS100 und Heparin (Bertsias et. Al. 2007 und Expertenkonsens) 5) SLE-Patienten mit APLA oder LA ASS100 (Bertsias et al. (2007), Ann Rheum Dis) 6) Patienten mit SLE und Nachweis von APLAoder LA, Hydroxychloroquin (Quensyl) (Petri M. Curr Rheumatol Rep. 2011 Feb;13(1):77-80.) Cave: die Funktion der Thrombozyten von APS-Patienten ist gut, da es sich um junge Thrombozyten handelt (hoher Verbrauch) Dennoch muss bei deutlicher Thrombozytopenie individuell über die Therapie entschieden werden in Abhängigkeit vom Thromboseund Blutungsrisiko Ausflug in die Klinik • Abort um die 10. SSW • 22 jährige Patientin mit SLE und APS ED mit 15 • mit 14 tiefe Beinvenenthrombose, • mit 18 Media-Infarkt • V.a. ZNS-Beteiligung im Rahmen des SLE/DD APS-assoziierter MediaInfarkt • Hautveränderungen • ANA-positiv (dsDNA und La), • LA-, ACLA- und β2GP- (jeweils IgM und IgG) stark positiv • im Vorfeld MMF und Ciclosporin genommen, wegen Kinderwunsch selbst beendet, Marcumar zu Beginn der SS auf NMH umgestellt Verlauf • • • • • Hydroxychloroquin und niedrig dosiertes Prednisolon Verordnung von NMH und ASS100 Anstieg der Thrombozytenzahl von 50 auf 100 Tsd./µl Knapp 3 Monate später ist die Patientin wieder in der 7. SSW mit diesmal gutem Verlauf steigen die Thrombozyten auf 130Tsd/µl an, Blutdruck normal, Urinbefunde normal bis etwa zur 28. SSW • • • dann Abfall der Thrombozyten auf 80 Tsd/µl, leichte Blutungen ab der 30. SSW leichte Proteinurie, die im Verlauf zunahm 32. SSW 1,6g/24h, leichter Anstieg der LDH, kein Nachweis von Fragmentozyten, Hb-Wert stabil In der 35. SSW lag die Proteinurie bei 2,8g/Tag und der Blutdruck bei >160/90mmHg PRÄEKLAMPSIE • Sectio – gesundes Mädchen • Postpartal spontane Normalisierung der Thrombozytenzahl, der Eiweißausscheidung und des Blutdrucks • Differenzialdiagnosen • Sepsis mit DIC • Bakterielle Endocarditis • Vaskulitiden • SLE • pAVK • Migräne • verschiedene neurologische Krankheitsbilder • Cholesterinembolien • Akrale Ulzerationen bei Sklerodermie • Thrombotische Mikroangiopathie anderer Genese • Thrombangitis obliterans u.v.m. Thrombotische Mikroangiopathie • gemeinsamer pathologischer Endpunkt, dem eine überschießende Endothel- und Thrombozytenaktivierung, sowie Thrombozyten- und Fibrinakkumulation zugrunde liegt Beispiele: hämolytisch urämisches Syndrom (HUS) Thrombotisch thrombozytopenische Purpura (TTP) Pathogenese: variabel, genetische Defekte, Antikörper, Toxine, Medikamente u.v.m. Thrombotisch - thrombozytopenische Purpura M. Moschcowitz Selten: 5/1Mio/Jahr Eli Moschcowitz, Pathologe im Mount Sianai Hospital in NY beschrieb die TTP erstmals 1924 bei einer jungen Frau Thrombozyten Endothel vWF ADAMTS13 Erst seit Mitte der 90er weiß man - Auslöser sind Antikörper gegen ADAMTS13 Die TTP tritt häufig auf bei Patienten mit Kollagenosen. Plasmapherese senkt Sterblichkeit auf 20%. Hämolyse, Fragmentozyten Thrombozytopenie (Purpura) Neurologische Symptomatik (Nierenversagen, Fieber) Thrombangitis obliterans (Morbus Winiwarter-Buerger) Lokalisation: segmentale multilokuläre Vaskulitis der kleinen und mittleren Arterien und Venen der Extremitäten, distal von Knien oder Ellbogen Epidemiologie: junge Raucher (auch Mitraucher), 1-3% aller pAVK- Patientengutes Pathogenese: Unklar Klinik: Schmerzen, Zyanose, Kältegefühl in Zehen, seltener in Fingern Nekrose/Gangrän der Zehen/ Phlebitis Therapie: Einstellen des Rauchens und Mitrauchens, Amputation Für Wissensdurstige noch ein druckfrischer Review zum Thema AntiphospholipidSyndrom Antiphospholipid syndrome. Ruiz-Irastorza G, Crowther M, Branch W, Khamashta MA. Lancet. 2010 Oct 30;376(9751):1498-509.