Die „Wahre Liebe“ im Konflikt mit sozialen Normen. Zur Affektpoetik
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Die „Wahre Liebe“ im Konflikt mit sozialen Normen. Zur Affektpoetik
Nastasja S. Dresler (2014): „Wahre Liebe“ im Konflikt mit sozialen Normen. In: Helikon. A Multidisciplinary Online Journal, 3. S. 152–172. www.helikon-online.de mitmachen[youknowit]helikon-online.de detail „Wahre Liebe“ im Konflikt mit sozialen Normen: Zur Affektpoetik des Melodrams in Rainer Werner Fassbinders Angst essen Seele auf und seine Rezeption von Douglas Sirks All That Heaven Allows Nastasja S. Dresler Abstract The debate about human emotionality, unreasonableness and weakness is a traditional motif of producing art. An especial impressive and convincing demonstration of affective states from fear to happiness achieves the medium of the film. As coefficients of that medial strength are considered the options of a dynamic image, the close-up of the facial expression as quiet as the point-of-view-shot, which puts the viewer in the point of view of the protagonist. Referring to the genre of the melodrama, which deals exemplary with the actor’s emotional world, this analysis seeks to make clear the specific generation of affective images provided by the medium of the film. The works Angst essen Seele auf by Rainer Werner Fassbinder and All That Heaven Allows by Douglas Sirk are building the centre at this junction. In his melodramas Sirk reflects on the bourgeoisie stamped by double standard and illustrates the gender and generation conflict on the wealthy outskirts as well as the lack of familial stability and racist tendencies in order to create a Hollywood production with emphatic social critical traits. How this concept influences the apparently contrary producing of Fassbinder should be shown in the following. As cult figure of the 60’s generation and the women´s liberation he portrays a damaged society ruled by technology and utilitarism, dreaming of love and happiness. A closer look at the affective poetics of Fassbinder and Sirk and their connection is to be carried out after a try to define the melodramatic genre in general. Here the central motif and its medial realization are presented to explain the coherence between narrative content and aesthetic means. FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 152 Zusammenfassung Die Auseinandersetzung mit menschlicher Emotionalität, Unvernunft und Schwäche ist ein traditionelles Motiv des Kunstschaffens. Eine besonders eindrückliche und überzeugende Wiedergabe von affektiven Zuständen von Angst bis Freude leistet das Medium des Films. Als Faktoren dieser medialen Stärke gelten dabei die Möglichkeiten der Bilddynamik, der Großaufnahme der Gesichtsmimik sowie die Bildeinstellung, welche den Zuschauer in die Perspektive des Protagonisten versetzt. Anhand des Genres des Melodrams, das die Gefühlswelt seiner Akteure beispielhaft verarbeitet, soll die eigentümliche filmische Erzeugung von Affektbildern evident werden. Die Werke Angst essen Seele auf von Rainer Werner Fassbinder und All That Heaven Allows von Douglas Sirk stehen dabei im Mittelpunkt der folgenden Darstellung. Sirk reflektiert in seinen Melodramen die Doppelmoral des Bürgertums. Er illustriert die Geschlechter- und Generationenkonflikte in der reichen Vorstadt sowie die familiäre Instabilität als auch vorherrschende rassistische Tendenzen und kreiert damit ein sozialkritisches Stück im Hollywoodgewand. Wie sich diese Konzepte auf die scheinbar konträre Schaffenswelt Fassbinders niederschlagen, ist aufzuzeigen. Als Kultfigur der Emanzipationsbewegung der 68er Jahre porträtiert er eine beschädigte Gesellschaft, beherrscht durch die Technisierung ihrer Lebenswelt und das Utilitätsprinzip, während ihre Mitglieder zugleich die Sehnsucht nach wahrem Glück und Liebe verspüren. Die nähere Betrachtung einer Affektpoetik bei Sirk und Fassbinder erfolgt im Anschluss an einen allgemeinen Bestimmungsversuch des melodramatischen Genres. Hierbei werden jeweils das zentrale Motiv und seine mediale Umsetzung präsentiert, um die Kohärenz zwischen narrativem Gehalt und ästhetischem Mittel ersichtlich zu machen. FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 153 Einführung Die Verhandlung von Gefühlen, menschlicher Fallibilität und Unvernunft hat in den Künsten Tradition. Als ein besonders affektives Medium gilt seit seinen Anfängen der Film. Emotionale Erschütterungen wie Angst, Wut, Freude und Trauer vermag dieses Medium in seinen Darstellungen besonders eindrücklich zu transportieren. Bertolt Brecht reflektiert diesen Umstand mit seiner Aussage, jeder Kinobesucher habe an der Kasse das Recht, bei der Vorstellung in seinen niedrigsten Instinkten angesprochen zu werden.1 Der bemerkenswerte Effekt der Vermittlung affektiv aufgeladener Erfahrung gründet sich dabei auf die grundsätzliche Bewegtheit des Bildes.2 Der amerikanische Philosoph Noël Carroll benennt zwei weitere visuelle Merkmale, welche die Affekte von ihrer Repräsentation zum Erlebnis transferieren: Zum einen wird jene Übertragung durch die Großaufnahme des Gesichts, das Close-Up, befördert. Zum anderen leistet dies der point-of-view-shot, d.h. die Einstellung, welche den Zuschauer in die subjektive Perspektive einer Figur versetzt und unweigerlich mit anderen aus diesem Blickwinkel kommunizieren und seine Rolle unvermittelter erfahren lässt. Durch diese Mittel der nahen Aufnahme und Subjektivierung wird die Distanz zu den Emotionen der Darsteller verringert und der Affekttransfer begünstigt.3 Dabei sind jene Affektbilder immer in eine Narration eingebettet und durch diese vorbereitet bzw. eingeleitet.4 Allerdings sind nicht alle Gattungen gleichermaßen auf die Verarbeitung von Gefühlen ausgerichtet. Die Genese von Affektbildern soll im Folgenden anhand eines Genres untersucht werden, welches das Operieren mit emotionalen Zuständen und deren Visualisierung als Kernstrategie wählt. Melodramen von Rainer Werner Fassbinder und Douglas Sirk – Werke, die in völlig unterschiedlichen Entstehungskontexten zu betrachten sind – sollen die Besonderheit ihrer Art sowie ihres Mediums im Allgemeinen illustrieren. Das Melodram von Fassbinder wird zeigen, wie die Affektgesten als soziale Gesten zu verstehen sind. Sie haben keine psychologische oder ästhetische, sondern eine gesellschaftliche Bedeutung und sind durch das Milieu bedingt. Der augenscheinliche Kontrast zu Sirks Produktionen soll, durch das Aufzeigen seiner Elemente als Inspirationsquelle, aufgehoben werden. Das melodramatische Genre als Paradigma für Affektbilder Vor der eingehenderen Auseinandersetzung mit den benannten Werken seien zunächst auch allgemeinere Merkmale des Melodrams sowie deren geschichtliche Voraussetzung näher bestimmt. Als Mittelklassenstück thematisiert das Melodram traditionell Weltanschauung und Werte des Kleinbürgertums und dessen patriarchalische Ordnung, wie auch an den späteren Beispielen belegt werden soll. Im Zentrum der Handlung steht häufig eine heroische Frauengestalt mit ihren Lieben und Leiden, das kleine private Glück als Refugium vor den Widrigkeiten des Alltags oder auch das Verhältnis von Moralität und Sentimentalität.5 Offengelegt wird die Prägung der täglichen sozialen Interaktion durch die Zwänge der bürgerlichen Ideologie und ihre Autorität über das Denken, Fühlen und Handeln ihrer Koch, Getrud: Zu Tränen gerührt. Zur Erschütterung im Kino. In: Herding, Klaus und Bernhard Stumpfhaus (Hg..): Pathos, Affekt, Gefühl. Die Emotionen in den Künsten, Berlin 2004, S. 563. 2 Vgl. Elsaesser, Thomas: Melodrama: Genre, Gefühl oder Weltanschauung? In: Frölich, Margrit et al. (Hg.): Das Gefühl der Gefühle. Zum Kinomelodram, Marburg 2008, S. 11–35, hier S. 11. 3 Vgl. Koch 2004, S. 568f. 4 Vgl. Ebd., S. 569. 5 Vgl. Faulstich, Werner: Grundkurs Filmanalyse, 2. Aufl. Paderborn 2008, S. 37. 1 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 154 Angehörigen, Konformismus und Gehorsam, Ablehnung von Andersartigem, stereotypes Urteilen sowie Tugendideale von Pflicht und Ordnung.6 Es gibt dabei nur ein EntwederOder, keine Schattierungen oder Kompromisse bei der Wahl zwischen Gut und Böse, Richtigem und Falschem. Die Tugend des Einzelnen wird durch Konfrontation mit scheinbar aussichtslosen Dilemmata auf die Probe gestellt.7 Die Positionierung des Melodrams zu diesen Umständen ist jedoch nicht eindeutig: Das Genre kann als ein Plädoyer für die Privatsphäre gegenüber dem Interesse der Öffentlichkeit gelesen werden.8 Es stellt einerseits gesellschaftliche Normen an den Pranger und stärkt die individuelle Erfüllung – insbesondere für die Frau. Andererseits mystifiziert es aber auch die patriarchalische Ordnung in ihrer Schicksalshaftigkeit, indem es auf eine ausgleichende Gerechtigkeit mit Belohnung des Guten und Bestrafung des Bösen referiert und so die Welt in ihrer Erscheinung legitimiert.9 Die gesellschaftlichen Zwänge werden als aktuell unüberwindbar präsentiert,10 der Frau zum Trost eine Identifikationsbrücke angeboten.11 Die meist weibliche Betrachterin12 baut so eine intimere Beziehung zum Werk auf, indem sie mit Situationen konfrontiert wird, welche sie mit ihrem persönlichen Leben vergleicht und in die sie sich einfühlen kann.13 Die Empathie ist jedoch nochmals in ihrer Funktionalität zu differenzieren: Das psychische Moment der mitleidvollen Traurigkeit ist zu unterscheiden von dessen sentimentalem Genuss. Während ersteres Phänomen ein Produkt natürlicher zwischenmenschlicher Solidarität ist und auch bei der Präsentation fiktiver Figuren aktiviert werden kann, hat letzteres eine ästhetische Bedeutung im Rahmen der Unterhaltungsintention.14 Der dargestellte gesellschaftliche Zwang, dem die weibliche Protagonistin im Melodram unterliegt, stärkt ihre Handlungsoption dem lustvoll Verwerflichen nachzugehen, um der Enge ihres Lebens zu entfliehen, wenn auch durch das Überschreiten von gesellschaftlichen Grenzen. Der Konflikt, der aus der Entscheidung zwischen Gefühl und Selbstverwirklichung einerseits, und gesellschaftlicher Norm und Anerkennung andererseits erwächst, bringt die Protagonistin in ein moralisches und emotionales Dilemma, das der Betrachter empathisch nachvollziehen kann.15 Die Familie dient als Ort der Sublimierung der Krisen. Der Widerstreit zwischen Gesellschaft und fühlendem Individuum wird hier verhandelt. Die in die Konfliktsituationen involvierten Figuren befinden sich dabei stets in der Opferrolle, das Böse existiert nicht im Individuum, sondern ist als gesellschaftssystemischer Effekt zu betrachten.16 Seit den 1980er und 90er Jahren behandeln die melodramatischen Produktio Vgl. Faulstich 2008, S. 38. Vgl. Elsaesser 2008, S. 12. 8 Vgl. Ebd. 2008, S. 14. 9 Vgl. Faulstich 2008, S. 38. 10 Vgl. Firaza, Joanna: Die Ästhetik des Dramenwerks von Rainer Werner Fassbinder. Die Struktur der Doppelheit, Frankfurt am Main 2002, S. 63. 11 Vgl. Lange, Sigrid: Einführung in die Filmwissenschaft, Darmstadt 2007, S. 95. 12 Vgl. Faulstich 2008, S. 36. 13 Vgl. Kleinhans, Chuck: Melodrama and the Family under Capitalism. In: Marcia Landy (Hg.): Imitations of Life. A reader on Film & Television Melodrama, Detroit 1991, S. 200. 14 Vgl. Kappelhoff, Hermann: Tränenseligkeit. In: Brütsch, Matthias et al. (Hg.): Kinogefühle. Emotionalität und Film, Marburg 2005, S. 40. 15 Vgl. Lange 2007, S. 93f. 16 Vgl. Cargnelli, Christian: Sirk, Freud, Marx und die Frauen. Überlegungen zum Melodram. Ein Überblick. In: Ders. u. Palm, Michael (Hg.): Und immer wieder geht die Sonne auf. Texte zum Melodramatischen im Film, Wien 1994, S. 14. 6 7 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 155 nen jedoch nicht mehr vordergründig gesellschaftliche Außenseiter: Mit den dramatischen und emotionalen Instrumenten des Melodrams ausstaffiert wurden schließlich die Darstellungen historischer Ereignisse und Katastrophen.17 Das genuin Melodramatische ist demnach also, so lässt sich zusammenfassen, traurig wie leidenschaftlich, und widersetzt sich im Kampf für die Gefühle den, unter Umständen von Männern beherrschten, sozialen Konventionen.18 Im pejorativen Sinne wird das Melodram oft mit einer Unwahrscheinlichkeit der Handlung, einer Überspitzung seiner dramatischen Ironien und fehlender Authentizität des Pathos assoziiert.19 Das Gefühlskino, auch als Liebesfilm bzw. Romanze eingeordnet, verhandelt im Gegensatz zu anderen Genres nicht nur ein anderes Thema, andere Motive und adressiert nicht nur ein anderes Publikum, sondern ist auch gekennzeichnet durch eine eigene Ästhetik:20 Dramatische Konflikte werden in phänomenalen Aspekten wie Farbe, Dekor und Musik symbolisiert, wie auch anhand der anstehend zu diskutierenden Affektbilder exemplifiziert werden soll.21 Die Handlung des Melodrams hat hingegen eine recht einfache Struktur. Häufig wird eine Frau aus den Händen eines Bösewichtes gerettet. Modifiziert wird diese Formel durch diverse variable Personenkonstellationen: Die weibliche Hauptfigur muss sich zwischen zwei Männern entscheiden, zwei Frauen kämpfen umgekehrt um einen Mann, eine Tochter versucht sich von ihrem Vater zu emanzipieren etc. Eine beliebte Abwandlung bietet auch der Generationenkonflikt. Gemein ist all diesen Spielarten die angesprochene Fokussierung auf das Schicksal einer Frau und ihrer Liebe in der bürgerlichen Gesellschaft. Die Handlung ist grundsätzlich einsträngig, episodisch und spannungsaufbauend. Typisch ist die 3- bzw. 5-Akt-Struktur. Die Personen unterliegen einer Typisierung. Wichtig für die Inszenierung ist der Ausdruck der in einer Familie herrschenden Intimität. Als Schauplatz dient hierfür häufig der Innenraum.22 Das Happy End ist oft konstruiert mit einem deus ex machina, der die Errettung in letzter Minute erbringt.23 Das Melodram ist kein hermetisches Genre, sondern speist seine Merkmale auch in andere Gattungen wie Western, Krimi oder Musical ein. Es bedienen sich im Grunde fast alle Filmrichtungen melodramatischer Elemente. Diese Tatsache kann wohl auch aus dem allgemeinen Entstehungskontext des Films heraus verstanden werden. Der Stummfilm war darauf angewiesen, mit emotionsgeladenen, visuellen und akustischen Mitteln seinen Plot zu transportieren.24 Eine exakte Gattungsbestimmung über seine Etymologie ist wenig aufschlussreich: mélos bedeutet im Altgriechischen ‚Lied‘, dráma ‚Handlung‘. Die musikalische Begleitung des Plots ist allerdings kein Spezifikum des Melodrams, wenngleich hier der Musik in der Vertiefung der Emotionalität natürlich eine entscheidende Bedeutung zukommt. Diese Bezeichnung für eine besonders rührselige Erzählung blickt jedoch auf eine längere Entwicklung in der Literatur- und Theatergeschichte zurück.25 Vgl. Elsaesser 2008, S. 25. Vgl. Faulstich 2008, S. 37. 19 Vgl. Elsaesser 2008, S. 12. 20 Vgl. Faulstich 2008, S. 36. 21 Vgl. Cargnelli 1994, S. 14. 22 Vgl. Faulstich 2008, S. 37f. 23 Vgl. Elsaesser 2008, S. 12. 24 Vgl. Lange 2007, S. 93. 25 Ebd. 17 18 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 156 Historische Wurzeln In sozialgeschichtlicher Hinsicht können Melodramen als ein Produkt der Zeit nach dem Aufstieg des Bürgertums betrachtet werden. Die Entstehungsgeschichte fällt in eine Phase des Bewusstseins von versäumten Möglichkeiten und zerplatzten Emanzipationsversuchen, in der gesellschaftliche Umstände in ihrer Naturgegebenheit resignativ konsolidiert werden. Das melodramatische Genre kann in diesem Kontext auch als Orientierung für Zu-kurzGekommene gelesen werden, die für die fehlenden realen Chancen mit einer Darbietung emotionaler Ekstase getröstet werden.26 Gemäß der Klassifikation des Filmwissenschaftlers Thomas Elsaesser hat das populärkulturelle, bürgerliche und antifeudale Genre im engeren Sinn seine Wurzel im sentimentalen Roman des 18. Jahrhunderts und im romantischen Drama.27 Die Bindung an die Familie als zentralen Schauplatz und die Austragung des Konflikts „weibliche Neigung versus Sitte“ kennen wir bereits aus dem bürgerlichen Trauerspiel. Als Vorreiter im 19. Jahrhundert sind Charles Dickens, Honoré de Balzac oder Victor Hugo zu nennen.28 Das Vorgehen der sentimentalen Literatur durch das Erwecken von Gefühlen moralisches Handeln und Denken zu beeinflussen, war für den melodramatischen Film vorbildhaft. Ihre Erzählformen wecken mit den ästhetischen Effekten im Betrachter emotionale Regungen und verhelfen so mit der Paarung von Aktion und Pathos zum Entschlüsseln der im Stück angelegten moralischen Qualitäten. Mit den verschiedenen Affektqualitäten werden Wertkonflikte ausgetragen. Der Text ist Instrument der Regulierung und intendiert die Realisierung moralischer Weisungen mittels der Fiktion. Zentrales Moment des Konflikts im Roman des 19. Jahrhunderts ist vor dem Hintergrund der demokratischen Revolutionen das Gefühl sozialer Ungerechtigkeit. Die melodramatische Struktur hat somit die demokratischen Normen zu stärken.29 Die starke emotionale Färbung ist als melodramatisches Merkmal nicht nur in entsprechenden Roman- und Lyrikformen im England und Frankreich des 18. Jahrhunderts, sondern auch im populären Musiktheater angelegt. Körperlichkeit wird gemeinhin unterstrichen durch pantomimische Aktionen. Dank der Überzeichnung und somit Intensivierung von Charakterzügen und Konfliktsituationen werden moralische und unmoralische Kräfte polarisiert und konturiert. Moralische Bestrebungen werden dabei eng mit den Affekten verknüpft. Diese drei Eigenschaften von Körperlichkeit, Typisierung der Narration sowie Engführung von Moral und Gefühl haben dann auch im Spielfilm des 20. Jahrhundert ihre Anwendung gefunden. Bei dem Versuch des frühen Melodrams, den Verlust traditioneller moralischer Werte mit der Etablierung demokratischer Grundsätze zu kompensieren, gibt es keine Referenz mehr auf eine versöhnende kosmische, göttliche Ordnung wie in der Tragödie. Im Melodram werden (profane) individuelle und (system-)immanente Probleme verhandelt. Die demokratisch organisierte Gesellschaft konstituiert sich im Hier und Jetzt ohne transzendente Bezüge. Mit der Befreiung aus sakralen Legitimationen und Hierarchien wird Lange 2007, S. 93f. Vgl. Cargnelli 1994, S. 13f. 28 Lange 2007, S. 93f. 29 Vgl. Decker, Christof: Hollywoods kritischer Blick: Das soziale Melodrama in der amerikanischen Kultur 1840- 1950, Frankfurt am Main/New York 2003, S. 9–14. 26 27 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 157 die Innerlichkeit neu bewertet. Emotionaler Überschwang ist auch ohne metaphysische Behaftung möglich. Der Gefühlshaushalt erhält die Autorität zur Rechtfertigung sozialer Normen. Die metaphysische Bindungskraft wird durch eine affektive Fundierung der Moral substituiert,30 wie es bereits durch die moral-sense-Theorie postuliert worden war. Diese beinhaltete die Vorstellung, richtiges Handeln erzeuge ein moralisches Gefühl.31 Es mag schon paradox klingen, dass der geistes- und kulturgeschichtliche Hintergrund dieses Genres eine Begründung der Norm durch einen menschlichen Sinn verlangt, der jedoch zugleich zum Konfliktauslöser wird. Denn der Maßstab richtet sich danach, was sich gesellschaftlich schickt und was nicht und gerade nicht nach dem, was ihre Mitglieder ihrem Empfinden nach wollen und wünschen. Das Melodram hat aber auch Elemente der Tragödie aufgenommen. Die Narration kreist um Schuld und Schicksal, menschliche Verfehlung und Größe, als auch Entsagung und Erfüllung. Ethische und psychologische Dichte der Werke spiegeln sich hier genauso in der ästhetischen Überfrachtung.32 Der Unterschied zwischen Tragödie und Melodram ist jedoch der, dass der Tragödienheld sich seines Schicksals bewusst ist und droht zwischen den konfligierenden Kräften zerrieben zu werden. Die leidenden Charaktere im Melodram hingegen haben kein Wissen von diesem Umstand und seinem sozialen Ursprung. In der Tragödie spielt sich der Konflikt im Menschen ab, im Melodram zwischen Menschen bzw. zwischen Menschen und Dingen. Die Tragödie befasst sich mit der Natur des Menschen, wohingegen das Melodram sich mit ihren Gewohnheiten und Sitten auseinandersetzt.33 Zuletzt sei angeführt, dass im Gegensatz zu den Tragödienhelden die Opfer des Melodrams, abgesehen von ihrer Hilflosigkeit, makellos sind. Beiden ist aber wiederum gemein, dass die entscheidende Erkenntnis zu spät kommt.34 Das melodramatische Genre und seine beschriebenen Wurzeln sind maßgeblich für die gesamte Filmgeschichte. Der Anfang des mehraktigen Erzählkinos seit Mitte der 1910er Jahre ist grundsätzlich bestimmt durch die Orientierung am bürgerlichen Drama bzw. Melodram. Es behandelte das hierfür spezifische Sujet der (scheiternden) Lossagung der Frau von den Zwängen der Gesellschaft. Das Gefühlskino pendelt zwischen Gehorsam und Befreiung, Unschuld und Begierde, Gut und Böse.35 Schauspielerinnen, wie der dänische Filmstar Asta Nielsen, verkörperten beispielhaft, was Frauen ersehnten: Selbstbestimmung – auch im Umgang mit ihren Leidenschaften und Triebwünschen, die jedoch mit den sozialen Normen des bürgerlichen Milieus bis dato kollidiert war. Das Filmmelodram wurde daher auch mit großer Skepsis betrachtet. Zur Bewahrung der gesellschaftlichen Moral wurden zensierende Maßnahmen ergriffen.36 Nach diesen allgemeinen Gattungsspezifika und ihren historischen Bedingungen soll nun anhand zweier thematisch eng verknüpfter Werke auf einen Konflikt eingegangen werden, der für das Melodram typisch und das Untersuchungsvorhaben einer Affektpoetik mustergültig ist. Decker 2003., S. 34f. Elsaesser 2008, S. 12. 32 Vgl. Lange 2007, S. 94. 33 Vgl. Mulvey 1987, S. 77. 34 Vgl. Elsaesser 2008, S. 13. 35 Vgl. Faulstich, Werner: Filmgeschichte, Paderborn 2005, S.43. 36 Vgl. dazu Faulstich 2005, S. 42–44. 30 31 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 158 All That Heaven Allows (1955): Affektpoetik bei Douglas Sirk Douglas Sirk wird gemeinhin als ein politisch linksorientierter von Bertolt Brecht beeinflusster Filmemacher betrachtet, der das Amerika unter Eisenhower und die Paradoxien des Bürgertums enthüllte.37 Seine Filme reflektieren die amerikanische weiße Gesellschaft in einer Phase des Kalten Kriegs einerseits und des Wirtschaftsbooms andererseits. Er beleuchtet Geschlechter- und Generationenkonflikte in der reichen Vorstadt und entlarvt das klaustrophobische Moment der sozialen Welt mit ihrer Doppelmoral, familiären Instabilitäten und rassistischen Tendenzen.38 Er ist hiermit repräsentativ für eine häufig festzustellende Tendenz der 1950er Jahre neurotische Familien zu thematisieren, die in und an der Pracht der Eigenheime und ihrem zu hoch gegriffenen Wunsch nach Selbstverwirklichung zerbrochen waren. Vor dem Hintergrund des Sieges im Zweiten Weltkrieg und des Aufschwungs produzierte die amerikanische Filmindustrie nun paradoxerweise Geschichten von psychischem Elend.39 Starken Einfluss erfährt das Werk auch durch die im Amerika der 1950er Jahre beliebte Psychoanalyse.40 Die Verhandlung der Rolle der Frau erlebt ihre Blüte durch zeitgleiche in diesem Kontext zu verstehende feministische Ansätze, welche die Funktion des Melodrams als Verarbeitung weiblicher Desillusionierung und Verbitterung erforschen und auch für das Verständnis von Sirks Werk von Relevanz sind. Dargestellt wird nach deren Lesart gemeinhin, wie das Männliche in seiner Kriegslust in die politikferne Familie eindringt und das harmoniebedürftige Weibliche unterdrückt. Zum Überleben der Familie und des häuslichen Refugiums, so lautet der hypothetische Lösungsansatz, muss der Mann zur Besinnung gebracht werden und es müssen Kompromisse geschlossen werden. Die Wiederherstellung der familiären Ordnung kann nur durch eine Vaterfigur geleistet werden. Die phallozentrische, gewalttätige Kultur steht aber durchwegs im Konflikt mit dem Ideal des intakten Familienlebens. Die einzige hieraus hervorgehende Einsicht kann in der Unversöhnlichkeit der Widersprüche liegen. Die Wirkung des Unbewussten im Mann ist unüberwindbar: Seine Kastrationsangst, mit den Worten Sigmund Freuds gesprochen, als Angst vor dem Verlust der Männlichkeit, bleibt eine natürliche Determination des Geschehens.41 Inwiefern ein solcher Interpretationsansatz allerdings auf das vorliegende Werk anwendbar ist, bleibt nicht nur aufgrund der abweichenden Personen- und Handlungskonstellation fragwürdig. Dass Sirk mit seiner Erzählung den feministischen Forschungen jedoch ein ertragreiches Analysebeispiel bietet, steht außer Frage. Auch er präsentiert uns eine Protagonistin, deren persönliche Wünsche mit den – eben mitunter patriarchalisch geprägten – gesellschaftlichen Erwartungen nicht konform gehen. Wie aus der Schilderung seiner geschichtlichen Umstände hervorgehen sollte, bediente sich der Filmemacher hier eines Genres, welches auf eine lange Tradition der Sozialkritik zurückblicken darf. Neben der distanzlosen Gefühlsbetontheit baut das für das HollywoodKino fruchtbar gemachte Melodram auf eine lineare Narration und nicht auf epische oder anti-aristotelische Grundsätze und entfernt sich somit von der Avantgarde. Mit seinem ästhetischen Spektakel in Form einer professionellen Besetzung, künstlicher Bilder mit Vgl. dazu Cargnelli 1994, S. 11–13. Vgl. Lange 2007, S. 95. 39 Vgl. Elsaesser 2008, S. 22. 40 Vgl. Cargnelli 1994, S. 14. 41 Vgl. Mulvey 1987, S. 76f. 37 38 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 159 außerordentlich sinnlichen Oberflächen, Studioaufnahmen oder der romantischen Musik hatte auch Sirk sich schließlich vom anfänglich maßgeblichen Brecht‘schen Realismus als auch vom Neorealismus abgewandt.42 Trotz dieser populärkulturellen Elemente wird Sirk jedoch allseits attestiert, substanzielle Filme im Rahmen der Hollywood-Konventionen geschaffen43 und überhaupt dem Genre des Melodrams dazu verholfen zu haben, für wissenschaftliche Analysen attraktiver zu werden und akademischen Respekt zu verdienen.44 Sirks Melodramen karikieren sogar ihr eigenes Genre: Die Plots der Hollywood-Produktionen werden durch parodistische Elemente und stilistischen Exzess, wie der Inszenierung durch Farbe und Musik, in ihrem stereotypen Charakter kritisiert. Mittel der Distanzierung bescheinigen Sirks Werken subversives Potential. Deutlich werden wird dies noch an späterer Stelle der Beispielanalyse. Individuelle Gefühle und persönliches Glück im Konflikt mit sozialen Normen: Regulierung des Gefühlshaushalts als zentrales Sujet in Sirks All That Heaven Allows Nach dem Tod ihres Mannes verspürt Cary Scott (Jane Wyman) weiterhin das Bedürfnis nach einer Partnerschaft und ein sexuelles Verlangen. Zwar erwartet die Gesellschaft nicht mehr die traditionelle Solidarität einer Witwe von ihr, doch werden Vorstellungen von sexueller Zügelung im Alter, speziell bei Frauen, an sie herangetragen. Als sie eine Liaison mit ihrem wesentlich jüngeren Gärtner Ron Kirby (Rock Hudson) beginnt, wird ihr gemeinsames Auftreten nicht nur aufgrund des Altersunterschiedes, sondern auch seines niedrigeren sozialen Status’ wegen abgelehnt. Da Ron handwerklich arbeitet, zählt seine Schuldbildung wenig, zumal er nicht wohlhabend ist und keine Aufstiegschancen ins bürgerliche Milieu hat. Carys beste Freundin Sara sorgt sich um ihr Glück, welches sie nicht außerhalb der oberen Mittelschicht und ihrer sozioökonomischen Umwelt realisiert sehen kann.45 Cary ist allerdings nicht weiter interessiert an anderweitigen Bekanntschaften, wie mit dem farblosen hypochondrischen alten Harvey oder dem unangenehm zudringlichen Howard. Ersterer kann ihr zwar materielle Sicherheit bieten, doch erschöpft sich hierin nicht ihre Erwartung an ein erfülltes Leben. Mit Ron erfährt sie wirkliche Liebe, Zärtlichkeit und Zuneigung, mag sie auch unter dem Druck ihres Umfelds leiden, das sich über ihre Verletzung von Klassenschranken empört. In seinem für sie hergerichteten Mühlenhaus auf dem Land finden Ron und Cary fernab des vornehmen Wohnens zueinander. Im Gegensatz zu der in der Stadt herrschenden Oberflächlichkeit, trifft sie hier auf warmherzige Freunde. In seiner Ablehnung der gemeinschaftlichen Erwartungen hat Ron den Charakter eines Helden im romantischen Roman. Er ist frei von Standesdünkel und sucht einfach die Bindung zu einer Frau, die er lieben und der er Geborgenheit schenken kann. Schließlich macht Ron seiner Angebeteten einen Heiratsantrag. Nachdem das Paar jedoch auf einer Feier bittere Sticheleien erfahren muss, der Sohn Ned seiner Mutter droht, von weiterem Kontakt mit ihr abzusehen und die Tochter Kay auf die gesellschaftliche Ächtung mit einem Tränenausbruch reagiert, beschließt Cary ihre Beziehung zu beenden. Als die Tochter dann an Weihnachten ihre eigene Verlobung kund tut und ihr Sohn erklärt Vgl. Elsaesser 2008, S. 16. Klinger, Barbara: Melodrama and Meaning. History, Culture, and the Films of Douglas Sirk, Bloomington/ Indianapolis 1994, S. 11. 44 Vgl. Klinger 1994, S. 12. 45 Vgl. Byars, Jackie: All that Hollywood allows. Re- eading Gender in 1950s Melodrama, London 1991, S. 150f. 42 43 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 160 für ein in Aussicht gestelltes Stipendium nach Paris gehen zu wollen, bereut sie ihre Entscheidung und fürchtet die drohende Vereinsamung. Carys Arzt diagnostiziert sodann psychosomatische Beschwerden und versucht sie zu einer Aussöhnung mit Ron zu motivieren. Als Cary während Rons Abwesenheit zur Mühle fährt und unverrichteter Dinge umkehrt, sieht dieser, von der Jagd zurückkehrend, noch ihren Abgang und stürzt bei dem Versuch ihr hinterher zu eilen einen Hang hinab. Cary wird über den Unfall verständigt und besucht ihn umgehend. Der Arzt stellt eine Gehirnerschütterung des Bewusstlosen fest. Cary wird seine Pflege übernehmen und schmiegt sich in der letzten Szene an die Seite des Erwachenden mit den Worten, sie sei nun zu Hause angekommen. Wenn die Protagonistin schließlich doch eine Entscheidung zwischen zwei Männern treffen muss – zwischen ihrem verstorbenen Mann bzw. einem adäquaten Ersatz und dem Gärtner, zwischen dem Leben als Witwe oder Gesellschafterin und dem Leben in erneuter Blüte – dann muss sie sich für eine Lebensform und Gesellschaft entscheiden. Die „richtige“ Entscheidung soll sie erst nach einer schicksalhaften Wendung treffen, die zur Hilfsbedürftigkeit Rons führt. Hiermit untergräbt Sirk das glückliche Ende: Nur ein willkürlicher, beliebiger Vorfall in der Logik der Erzählung ermöglicht der Heldin aus der zugeordneten Rolle auszubrechen.46 Die Ironie des Schicksals verhindert dazu ein wirkliches Happy End, denn Rons Unfall vereint das Paar zwar schlussendlich, doch der Unfall wirft einen Schatten auf die vermeintlich akzeptierte Liebe. Mit Rons Einschränkung wird die Überwindung sexueller Tabus in einer Zivilisation erst recht unmöglich. Das Objekt ihres Begehrens wird auf die kindliche Abhängigkeit von ihrer Pflege herabgesetzt.47 Diese ausstehende Erfüllung des Happy Ends illustriert beispielhaft den subversiven Zug im Werke Sirks.48 Welch starke Beeinträchtigung der glückliche Ausgang tatsächlich erfährt, soll bei der Diskussion von Fassbinders Anlehnung deutlich werden. Sirks Vorgehen zur Realisierung des Primärmotivs: Korrespondenz zwischen farblicher Gestaltung und narrativem Gehalt Intention und Aussage der Erzählung werden durch ästhetische Mittel entsprechend kommuniziert. Eine zentrale Rolle für die Darstellung der Gemütserregungen und Gestaltung von Affektbildern spielt in All That Heaven Allows der Farbeinsatz. Er macht semantische Implikationen lesbar. Besonders Carys Kampf gegen die Ideologien der Gesellschaft und ihre Emotionen wird durch den Farbeinsatz Ausdruck verliehen, wenngleich dieser bisweilen auch unnatürliche Züge annimmt.49 Sirks Umgang mit Farbe entspricht dabei nicht der gängigen Filmpraxis in Hollywood. Üblicherweise erfüllt die Farbe zwei Funktionen: Entweder schafft sie einen Realismus und ermöglicht die Verständigung von Handlung und Charakteren oder sie dient einer spektakulären Ästhetik, welche sich die Narration unterordnet (beispielweise in Fantasy-, Abenteuer- oder Historienfilmen), was im Konflikt mit dem Anspruch eines realistischen Dramas steht. All That Heaven Allows bricht mit den üblichen Regeln des narrativen Primats, Vgl. Schatz, Thomas: The Family Melodrama. In: Landy, Marcia (Hg.): Imitations of Life. A reader on Film & Television Melodrama, Detroit 1991, S. 159. 47 Vgl. Mulvey 1987, S. 78f. 48 Vgl. Elsaesser 2008, S. 17. 49 Vgl. Haralovich, Mary Beth: All That Heaven Allows: Color, Narrative Space, and Melodrama. In: Lehman, Peter (Hg.): Close Viewings. An Anthology of New Film Criticism, Tallahassee 1990, S. 57f. 46 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 161 ohne jedoch diesen Anspruch aufzugeben.50 Sirks Melodram operiert jenseits stilistischer Schranken. Es macht zwar mitunter auf orthodoxe Weise Ideen und Weltanschauungen sichtbar, nutzt aber auch die Fähigkeiten der Farbe für sich selbst zu wirken und sich von der Dominanz der Erzählung abzukoppeln.51 Der symbolisch aufgeladene Einsatz der Farbe vollzieht sich unter anderem durch die Lichtdramaturgie. Diese illustriert den emotionalen Aufruhr von Cary. Ihre Welt ist geteilt in die Welt der Einsamkeit, Kälte und Gängelung in Blau und Gelb und in die Welt des warmen, weichen Orange und Rot von Hoffnung, emotionaler Freiheit und sexueller Befriedigung. Das Licht changiert demnach abhängig von der Situation. Innen- und Außenraumlicht mit kühler und warmer Tönung konkurrieren auch oft innerhalb von Räumen um die Aufmerksamkeit des Zuschauers. Sie stiften in ihrer Unverträglichkeit Verwirrung und können als Andeutungen auf Carys psychische und emotionale Probleme gelesen werden.52 Nicht nur die Lichtinszenierung, sondern auch die Requisiten setzen die Andeutungen um. Carys Haus ist in kühlem, geschmackvollem Grau eingerichtet, während die Möbel bei Ron aus warmen Holz sind. Carys rotes Kleid kann als Symbol für ihr sexuelles Interesse stehen. Als Kay ihrer Mutter an Weihnachten berichtet, dass sie heiraten wird, trägt sie auch ein rotes Kleid. Das Rot symbolisiert auch hier wieder den Eros. Cary selbst hingegen trägt nun schwarz und sieht sich am Ausleben ihrer Wünsche gehindert. 53 Da das Rot aber nicht nur eine akzentuierende Funktion hat, sondern auch anderweitig in ihrer zufälligen, natürlichen Gegebenheit, beispielsweise in Kleidungsstücken anderer Figuren, auftaucht, wird mit der Konvention des symbolischen Farbeinsatzes gebrochen.54 Angst essen Seele auf (1973/74): Affektpoetik bei Rainer Werner Fassbinder Fassbinders Wirken ist untrennbar mit den Bewegungen des Neuen Deutschen Films der 1960er Jahre verknüpft. Als die Konkurrenz des Fernsehens eine Flaute des deutschen Kinomarktes und die Forcierung des in politischer und ästhetischer Hinsicht anspruchslosen kommerziellen Serienfilms bewirkt hatte, rief auf den Oberhausener Kurzfilmtagen 1962 eine Gruppe junger Filmemacher den Neuanfang des Kinos aus. Dieser sollte in einer Substitution des populären Genrekinos durch ein Autorenkino mit neuen ästhetischen Akzenten erfolgen, wobei die Tradition gelungener deutscher Produktionen bewahrt werden sollte. Das Spektrum der Sujets reichte von der Erfassung der kapitalistischen Lebenswelt über Betrachtungen von Rassismus und Holocaust bis hin zu Literaturverfilmungen. Die sich als sozialkritisch verstehende neue Kunstfilmschmiede wirkte sich auch in den 70er Jahren auf Fassbinders Schaffen aus.55 Dieser kam ursprünglich aus der Theaterszene, belegte jedoch seine Vielseitigkeit nicht nur als Verfasser von Bühnenstücken, Hörspielen und Drehbüchern, sondern auch als Schauspieler. Dabei scheute er auch nicht den Kontakt mit dem Fernsehen.56 Als besonders prägend erwiesen sich das realistische Theater einer seits und das Ritualtheater andererseits – bis hin zu experimentellen und avantgardistischen Vgl. Haralovich 1990, S. 61f. Vgl. Ebd., S. 70f. 52 Vgl. Haralovich 1990, S. 67f. oder Mulvey 1987, S. 78. 53 Vgl. Byars 1991, S. 202f. 54 Vgl. Haralovich 1990, S. 67f. 55 Vgl. Faulstich 2005, S.176f. 56 Vgl. Faulstich 2005., S. 178. 50 51 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 162 Formen.57 Im engeren Sinne rezipierte er Brechts episches Theater, Artauds Theater der Grausamkeit und Fleißers Milieu-Theater.58 Die Gründung des sogenannten antitheaters in seiner frühen Schaffensphase beruhte zunächst auf dem Anliegen, Akzente gegenüber dem Film zu setzen und kippte dann um in den Plan, selbst Filme zu gestalten, wie sie bis dato nicht anzutreffen waren.59 Fassbinders Schaffensgrundsätze deuten auf seine Qualifikation, affektive Regungen illustrieren zu können, hin. Trotz der unbestreitbaren Nähe zu Brecht empfand er dessen künstlerische Grundsätze zeitweise zu kopflastig. Der Zuschauer sollte bei der Betrachtung des Werks hingegen Gefühle entwickeln und diese aus dem Kino mit auf die Straße nehmen. Auch das Ende der Geschichte solle der Rezipient, laut Fassbinders Meinung, selbst erfinden. Er selbst bietet keine Antworten, sondern stellt Frage auf Frage.60 Sein Anspruch war es, dass der Film nicht nur Film ist, nicht nur eine Geschichte, sondern dass er lebendig werden und den Zuschauer dazu anregen sollte über sein Leben und über das soziale Umfeld nachzudenken.61 Porträtiert wird eine Gesellschaft, die durch ihre Beherrschung durch Technisierung und das Utilitätsprinzip beschädigt ist, in der massenmediale Quantität über kultureller Qualität steht und deren Mitglieder, von Verbrechern und Terroristen über Geschäftsmänner bis zu Hausfrauen, gleichermaßen an unerfüllten Träumen und Sehnsüchten hängen.62 Er verzichtete jedoch darauf, sich alter Klischees der Kulturindustrie zu bedienen. In all seinen Themen internalisieren die Opfer ihre Unterdrückung, indem sie sich falschen, gesellschaftlich vorgegebenen Vorstellungen anschließen oder sich eine Führungsperson wünschen, die das Richtige an ihrer Stelle tut. Die meisten Menschen wollen nach seiner Auffassung gesagt bekommen, was sie denken sollen, wie sie fühlen sollen, wollen sich geliebt wissen und träumen vom guten Leben und Macht.63 Den Unterdrückenden kommt dabei allerdings auch oft eine Opferrolle zu, wenn auch nicht, wie mit einem Vorgriff festzustellen ist, in diesem Stück: Während die Hauptfiguren in Angst essen Seele auf stets die Zuneigung des Betrachters für sich gewinnen, bleiben die übrigen Personen unverbesserlich.64 Nach Fassbinder scheint das Leben also sprichwörtlich die Hölle zu sein – ohne glückliche Familien, Beziehungen und Freundschaften. Allerdings entspricht seine Welt auch nicht uneingeschränkt der Wirklichkeit. Sie wirkt immer etwas aufgebauscht und befremdlich. Seine Szenen sind Darstellungen des schlimmsten Falls. In unserer Welt mag es also mehr Liebe geben als in der Fassbinders, aber immer noch nicht genügend. Er kann und will die bessere Gesellschaft nicht benennen, sondern nur die Wichtigkeit einer Vorstellung von ihrer Notwendigkeit betonen. Das Werk Angst essen Seele auf ist ein Beispiel für Fassbinders Wirklichkeitsbezug. Es hat dabei auch einen märchenhaften, unrealistischen Zug: Es soll die Zuschauer in ihre eigene, innere Realität befördern und sie diese erleben lassen.65 Vgl. Firaza 2002, S.7. Vgl. Ebd., S. 66f. 59 Vgl. Ebd., S. 11. 60 Vgl. McCormick, Ruth: Fassbinder´s Reality. In: Landy, Marcia (Hg.): Imitations of Life. A reader on Film & Television Melodrama, Detroit 1991, S. 585. 61 Vgl. Rauscher, Andreas: Angst essen Seele auf. In: Thomas Koebner (Hg.): Filmklassiker. Beschreibungen und Kommentare, 3. Durchges. und erw. Aufl. Ditzingen 2003, S. 422. 62 Vgl. McCormick 1991, S. 580. 63 Vgl. Ebd., S. 580. 64 Vgl. Rauscher 2003, S. 421. 65 Vgl. Wiegand, Wilfried: „Ich weiß über nichts als über den Menschen Bescheid“. Rainer Werner Fassbinder über sich und seine ersten zwanzig Filme. In: Fischer 2004, S. 294. 57 58 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 163 Die Figuren im Film sind entwurzelt, sie erfahren in ihren amourösen Beziehungen Gewalt und Unterdrückung, und ihre individuellen Visionen zerbrechen an den einengenden sozialen Umständen. Mit diesen narrativen Motiven bemüht Fassbinder besonders typische Merkmale des Melodrams. Lange Zeit als Hausfrauengenre missachtet, wird das Melodram in den 1970er Jahren zunehmend von neomarxistischen angelsächsischen Filmwissenschaftlern und auch von Fassbinder wiederentdeckt und in den filmästhetischen Diskurs eingereiht.66 Die Tradition des Genres, von den Opfern der Geschichte und gesellschaftlichen Irrläufen zu berichten, fügt sich auch in Fassbinders grundsätzliche Skepsis gegenüber teleologischen Konzeptionen.67 Eine weitere Rechtfertigung für die melodramatische Struktur seiner Filme ergibt sich auch aus deren Leitmotiv: Fassbinder verhandelt Lebensgeschichten mit Beziehungsgeflechten, welche – zugespitzt formuliert – per se Melodramen sind.68 Er stellt den sadomasochistischen Zug des sozialen Miteinanders heraus, indem er Schmerz und Liebe untrennbar verbindet. Das Melodram verhandelt das Leben als Qual und Fassbinder zieht aus dieser Identifizierung den Umkehrschluss: Solange die Qual ist, ist man noch am Leben.69 Bei seiner Realisierung affektpoetischer Konzeptionen im Rahmen melodramatischer Werke hat sich Fassbinder maßgeblich durch Sirk inspirieren lassen. Er begründet sein Gefallen an dessen Produktionen und am Hollywood-Kino im weiteren Sinne damit, dass die Geschichten simpel, geradlinig und spannungsgeladen seien. 70 Die Filme verhandelten Sorgen und Sorgenfreiheit. Es sei keine Kunst, aber unterhaltsam und dies, so Fassbinder, fehle dem deutschen Film. Er schätze die Natürlichkeit und Trivialität der Erzählungen und die Abwesenheit von Konstruktion und Firlefanz. Sirks Filme zeichnen sich dadurch aus, dass man, anders als bei deutschen Filmemachern, seine Menschenliebe spüre. Da sein Vorbild dabei aber seinen Protagonisten gegenüber nicht kritiklos ist, könne das Werk auch nicht als Kitsch verschmäht werden. Sollte es als solcher kategorisiert werden können, wie Fassbinder sagt, so vermöge es nichtsdestoweniger mehr Wahrheit zu transportieren als die offizielle Kunst mit ihren vermeintlich glaubwürdigen Anliegen, Wirklichkeit auszudrücken.71 Sirk vermochte es alle Möglichkeiten, die die Hollywood-Produktionen bieten, auszuschöpfen und dabei gleichzeitig deren Propaganda, Glück durch Konsum und Materialismus zu erlangen, zu unterlaufen. Dies geschah auf eine sehr subtile, ungreifbare Art. Es gibt zwar ein Happy End, doch die Menschen sind trotzdem nicht glücklich, wie das Beispiel von All That Heaven Allows zeigt. Die Aussichtslosigkeit der utopischen Wünsche der Individuen steht dabei von vornherein fest. Bei der Präsentation der unrealistischen Sehnsüchte seiner Figuren geht er jedoch sehr sensibel vor ohne sie zu entblößen. Fassbinder ist berührt von all dieser Enttäuschung und Desillusionierung, der Ambivalenz und Zweifel der gebrochenen Vgl. Cargnelli 1994, S. 11–13. Vgl. Firaza 2002, S. 63. 68 Vgl. Sparrow, Norbert: „Ich lasse die Zuschauer fühlen und denken“. Rainer Werner Fassbinder über Douglas Sirk, Jerry Lewis und Jean- Luc Godard. In: Fischer, S. 405. 69 Vgl. Firaza 2002, S. 63. 70 Nach Thomsen, Christian Braad: „Hollywoods Geschichten sind mir lieber als Kunstfilme“. Rainer Werner Fassbinder über naives Kino und Politik im Film. In: Fischer 2004, S. 233f. Im Folgenden abgekürzt: Thomsen (1). 71 Vgl. dazu Wiegand 2004, S. 284- 288. 66 67 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 164 Charaktere.72 Sie veranlassen ihn zu der Aussage, Sirk habe die zärtlichsten ihm bekannten Filme mit Tränen, Blut und Liebe gemacht.73 Er versuchte sich an der Naivität des Hollywood-Regisseurs zu orientieren, an welcher es dem europäischen verkopften Kunstfilmemachers mangelte. Dabei wollte Fassbinder sein Vorbild nicht kopieren, sondern seinen Film als etwas Eigenständiges etablieren.74 Er strebte, laut Wiegand, einen deutschen Hollywood-Film an, der schön und wunderbar und trotzdem nicht bestätigend, sondern kritisch sei. Dieser wäre dann nicht als Kunstfilm, sondern als eine Art Volkskunst einzuordnen.75 Während das amerikanische Melodram sich auf die Vermittlung von Gefühlen beschränkte, wollte Fassbinder hingegen, wie bereits angeklungen ist, den Zuschauer darüber hinaus zum Reflektieren eigener Gefühle bewegen.76 Mit den Deutschlandporträts sollte demnach auch bewiesen werden, dass Hollywoodstil und Autorenkino sich nicht gegenseitig ausschließen.77 Bei allem Pessimismus bleibt zuletzt auch bei ihm der Funken Hoffnung, den er bei Sirk so schätzte, und Momente des Humors und der Zärtlichkeit, die verlauten lassen, dass noch nicht alles verloren ist.78 Für Angst essen Seele auf nutzt Fassbinder nach dem Vorbild von Sirk das Melodram als Plattform sozialer Kritik. Den Verstoß gegen Alters- und Klassengrenzen, wie er bei Sirk präsentiert wurde, spitzte dieser noch durch ethnische Differenzen zu.79 Mit der Übersetzung von Sirks melodramatischen Motiven in den Kontext der deprimierenden Münchener Vorstadt Anfang der 1970er Jahre gelingt Fassbinder die Verbindung von privaten, intimen Aspekten einer außergewöhnlichen Liebe mit den sozialen Umständen der Gesellschaft. Das melodramatische Sujet einer grenzüberschreitenden Liebe wird hier in ein realistisches Setting der ‚kleinen Leute‘ transferiert und mit Elementen einer Milieustudie gekoppelt.80 Während Sirk allgemein versucht die Spießigkeit einer amerikanischen Kleinstadt freizulegen, verweist Fassbinder allerdings konkret auf die gesellschaftlichen Ursachen der Voreingenommenheit.81 Aus einer streng katholischen, großbürgerlichen Familie stammend fühlte sich Fassbinder vom Proletariat – den von ihm als ‚Unterprivilegierte‘ Bezeichneten – und ihren Problemen angezogen. Während die meisten das Proletariat aus einer bürgerlich gefärbten Perspektive betrachten, wollte er eine authentischere Wiedergabe des Proletarischen liefern und aufzeigen, was bei den kleinen Leuten wirklich passiert.82 Besonders mit der Präsentation von Menschen aus dem Arbeitermilieu meinte er die Mechanismen ergründen zu können, welche das alltägliche Zusammenleben der Menschen bestimmten. In diesem Umfeld agieren die Menschen weniger kopfgesteuert, sondern natürlicher.83 Oftmals wird Vgl. Firaza 2002, S. 63. Nach Cargnelli 1994, S. 12. 74 Vgl. dazu Thomsen (1) 2004, S. 233- 235. 75 Wiegand 2004, S. 297. 76 Vgl. Sparrow 2004, S. 405. 77 Vgl. Lange 2007, S. 95. 78 Vgl. McCormick 1991, S. 580. 79 Vgl. Elsaesser, Thomas: Rainer Werner Fassbinder, Berlin 2001, S. 445. 80 Vgl. Rauscher 2003, S. 420ff. 81 Vgl. Jansen, Peter W. und Schütte, Wolfram (Hg.) in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutsche Kinemathek: Rainer Werner Fassbinder, Frankfurt am Main 1992, S. 166. 82 Vgl. Grant, Jacques: Der Sinn der Realität. Rainer Werner Fassbinder über Händler der vier Jahreszeiten, Die bitteren Tränen der Petra von Kant und Angst essen Seele auf. In: Fischer, S. 313f. 83 Vgl. Spaich, Herbert: Rainer Werner Fassbinder. Leben und Werk, Weinheim 1992, S. 238. 72 73 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 165 dem Produzenten vorgehalten, seine proletarischen Melodramen hätten einen fatalistischen Charakter. Die Entwicklung eines Klassenbewusstseins des Helden bringt keine Lösung der Situation. Allerdings werden gerade durch diesen unbefriedigenden schicksalhaften Ausgang beim Publikum umwälzende Gedanken geweckt. Die Grundzüge der Geschichte aus Angst essen Seele auf finden sich bereits in einem anderen Werk angelegt. In Der amerikanische Soldat (1970/71) erzählt das später aus Liebeskummer Suizid begehende Zimmermädchen: Das Glück ist nicht immer lustig. In Hamburg gab‘s ‘ne Putzfrau, die hieß Emmi und war schon so 60 oder 65, und eines Tages fing‘s auf ihrem Heimweg unheimlich zu regnen an, und da geht sie in ‘ne Kneipe, und das ist so ‘ne Gastarbeiterkneipe, und sie setzt sich hin und trinkt ‘ne Cola. Und plötzlich fordert sie einer auf, mit ihr zu tanzen. Und der ist unheimlich groß und hat wahnsinnig breite Schultern. Und sie findet ihn schön und tanzt halt mit ihm. Und dann setzt er sich zu ihr und redet mit ihr. Und er sagt, daß er keine Wohnung hat, und da bietet ihm Emmi an, daß er mit zu ihr kommt. Ja, und zu Hause dann, da hat er mit ihr geschlafen und ‘n paar Tage später hat er gesagt, sie soll‘n heiraten. Und da ham sie halt geheiratet. Und plötzlich wurde Emmi ganz jung, von hinten sah sie aus wie 30 oder so, und ein halbes Jahr ham die gelebt wie wahnsinnig und warn unheimlich glücklich. Ham immer Feste gefeiert und so. Und eines Tages war Emmi tot, ermordet. Und an ihrem Hals, da warn so Abdrücke von einem Siegelring. Die Polizei hat ihren Mann verhaftet. Der hieß Ali, und auf dem Ring war ein A. Aber er hat gesagt, er hat noch viele Freunde, die heißen Ali und alle haben einen Siegelring. Da ham sie alle Türken verhört in Hamburg, die Ali heißen. Aber viele warn wieder zurück in die Türkei, und die anderen ham nichts verstanden.84 Fassbinder war zu dieser Geschichte durch eine Zeitungsmeldung angeregt worden. Zur selben Zeit wurde seine Begeisterung für Sirks All that Heaven Allows geweckt. Er konzipierte zunächst ein Remake des Films mit dem Titel Des Menschen Himmelreich. Hier sollte das Verhältnis einer reichen Witwe zu ihrem Chauffeur beschrieben werden. Schlussendlich siegte in diesem Entwurf die konventionsgerechte Vernunft der Witwe gegenüber den Gefühlen, so dass sie der Liebe zu entsagen beschließt. Dieses Ende vertrug sich jedoch nicht mit seiner Anfangsidee, dass der Mann seine Frau schließlich ermorden sollte und so entwickelte er eine Geschichte, die zunächst den Titel Alle Türken heißen Ali tragen sollte,85 mit dem Verweis auf ebendieses deutsche Klischee.86 Der letztlich gewählte Titel des Films Angst essen Seele auf entspringt einem Kommentar Alis zu Emmis Äußerung von Bedenken. In einem Interview aus dem Jahre 1973 erklärte Fassbinder, er plane nun weniger pessimistische Filme zu drehen und habe hierfür folgendes Konzept im Kopf: Es handelt sich um eine ältere deutsche Frau, die um die sechzig ist, und einen jungen türkischen Gastarbeiter. Die heiraten, und eines Tages wird sie ermordet. Man weiß nicht, wer der Mörder ist, ob es ihr Mann war oder einer seiner türkischen Kollegen. Ich hab die Geschichte schon einmal in einem Film verwendet, sie wird nämlich in Der amerikanische Soldat vom Spaich 1992, S. 264. Vgl. Ebd., S. 264- 266. 86 Vgl. Elsaesser 2001, S. 446. 84 85 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 166 Zimmermädchen in einer einzigen langen Einstellung, wo das Mädchen auf dem Bett sitzt, erzählt. Aber ich will die Geschichte nicht so erzählen, wie sie wirklich stattgefunden hat. Ich will dem jungen Türken und der alten Deutschen die Möglichkeit geben zusammenzuleben. […Es geht] mir darum zu zeigen, wie man sich wehren kann und es trotzdem irgendwie schafft. Heute glaub ich eher, dass man, wenn man diese deprimierenden Verhältnisse nur reproduziert, sie damit verstärkt. Deshalb sollte man eher die herrschenden Verhältnisse so durchschaubar darstellen, dass sie bewusst werden, und zeigen, dass sie überwunden werden können.87 Die Geschichte des Zimmermädchens modifizierte Fassbinder noch. Emmis geplante Ermordung sollte darin nicht mehr berücksichtigt werden.88 Während Der amerikanische Soldat eine individuelle Liebestragödie vorstellt, verhandelt Angst essen Seele auf darüber hinaus Alltagserfahrungen wie die Diskriminierung von Minderheiten. Inwiefern Fassbinder dabei eine Überwindung des Pessimismus gelingt, soll sich an späterer Stelle mit der Betrachtung des vermeintlichen, aber immerhin hoffnungsvollen Happy Ends nach dem Vorbild Sirks klären. Individuelle Gefühle und persönliches Glück im Konflikt mit sozialen Normen: Regulierung des Gefühlshaushalts als zentrales Sujet in Fassbinders Adaption Der das Geschehen bestimmenden Not und Verzweiflung wird mit simplen Dialogen Ausdruck verliehen. Ebenso unspektakulär sind die Ereignisse und so verdankt sich die Intensität des Werks primär dem Verständnis, welches der Zuschauer für die Begebenheiten mitbringt.89 Die Geschichte beginnt mit einer Begegnung zwischen Emmi Kurowski (Brigitte Mira) und dem jungen Marokkaner und Automechaniker Ali (El Hedi Ben Salem) in einer hauptsächlich von Ausländern besuchten Kneipe. Nach einem gemeinsamen Tanz bringt er sie nach Hause und verbleibt die Nacht dort. Als Ali wenig später bei Emmi einzieht, drängt der Vermieter wieder auf dessen Auszug, da er keine Untermieter gestattet. Die beiden beschließen darum zu heiraten und sind damit ein untragbarer Skandal in den Augen der Nachbarn und Kolleginnen sowie Emmis Kindern und ihrem Schwiegersohn – gespielt von Fassbinder selbst. Emmi erfährt fortan, ebenso wie die reiche Witwe aus All That Heaven Allows, Ablehnung von ihrer Umgebung. aufgrund ihres Verhältnisses zu Ali. Sie droht bald an der Gehässigkeit zu zerbrechen. Die Beschreibung des Wunschs nach einem bescheidenen Glück ist repräsentativ für Fassbinders Porträtieren gesellschaftlicher Randgruppen.90 Nach Katzelmacher (1969) war Angst essen Seele auf der zweite mit dem Thema des Rassismus befasste Film. Der bornierte Fremdenhass hat seinen Ursprung jedoch nicht nur in Vorurteilen, sondern auch im Neid auf Emmis persönliches, so unkonventionelles Glück.91 Sie erschrickt allerdings zunächst selbst über das, was sie tut, und ist nicht unbefangen, als sie das erste Mal morgens neben Ali aufwacht.92 Das Glück unterprivilegierter Menschen, wie Ausländer aus rassistischer Perspektive, wird hier als Unmöglichkeit abgehandelt – auch nach einer augen Thomsen 2004, S. 263f. Vgl. Elsaesser 2001, S. 446. 89 Vgl. Rauscher 2003, S. 420. 90 Vgl. Jansen/Schütte 1992, S. 165f. 91 Vgl. Spaich 1992, S. 268f. 92 Vgl. Jansen/Schütte 1992, S. 166. 87 88 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 167 scheinlichen Veränderung der Situation. Nach der Rückkehr aus einem Urlaub, mit dem das Paar Abstand gewinnen wollte, scheint das Umfeld wie geläutert. Die scheinbare Sinneswandlung entspringt allerdings reinen Nützlichkeitserwägungen. Der Kaufmann möchte das Paar in Anbetracht der Konkurrenz des Supermarktes nun gerne als Kunden sehen, die Nachbarinnen sind äußerst freundlich, da sie Emmis großen Keller benötigen, ihr Sohn besucht sie, um sie für die Kinderbetreuung zu gewinnen und die Kolleginnen nehmen sie wieder in ihren Pausenkreis auf, nachdem sie ein neues Feindbild in der jugoslawischen Mitarbeiterin aufgetan haben. Mit der äußerlichen Harmonie tritt zwischen Emmi und Ali jedoch plötzlich Fremdheit ein. Ali besucht wieder regelmäßig die Wirtin und ehemalige Geliebte Barbara. Nun wird sichtbar, wie Fassbinder hier die einfache Einschränkung einer Liebe, wie sie auch bei Sirk anzutreffen ist, durch gesellschaftliche Umstände übersteigt und diese zugleich in ihrer Ambivalenz zu einer Bedingung macht. Die Belastbarkeit von Paar-Beziehungen wird besonders dann strapaziert, wenn gerade der äußere Druck weicht. Die Liebe zwischen den beiden lebt vom nötigen Zusammenhalt und so ermöglichen Belastungen erst eine Liebe, obwohl diese den gesellschaftlichen Voraussetzungen nach unmöglich zu sein scheint: Die Ehe zwischen Ali und Emmi ist solange intakt, wie das Paar sich gegen die Vorbehalte und Diskriminierungen seitens ihrer Nachbarn zur Wehr setzen muss. Mit zunehmender Akzeptanz hingegen verschlechtert sich die Bindungskraft in der Beziehung. Hinzu kommt auch, dass durch die enorme seelische Energie, die bislang aufgewendet werden musste, das Paar psychisch wie emotional erschöpft und der neuen Krise nicht mehr gewachsen ist. Ein möglicher Neuanfang wird mit dem Ende offengelassen.93 Zugleich kann der Verlauf der Beziehung aber auch entscheidend durch das nun fehlende Moment der Identitätsstiftung und Selbstkonstituierung durch die Beobachtung von außen motiviert sein. Fassbinders grundsätzliche Haltung könnte aber auch den Schluss nahelegen, dass das anfängliche Harmonieren nur als ein Resultat der Unfähigkeit miteinander zu kommunizieren zu betrachten ist. Diese Annahme würde Fassbinders These bestätigen, emotionale Beziehungen seien per se unharmonisch.94 Das Verbleiben einer kleineren Hoffnung anstelle eines Happy Ends nach dem Vorbild von Sirk wird mit der letzten Szene zum Ausdruck gebracht.95 Bei einem Versöhnungsversuch in Barbaras Kneipe kollabiert Ali. Im Krankenhaus diagnostiziert der Arzt ein durchgebrochenes Magengeschwür, welches symptomatisch für die unter Stress stehenden ausländischen Arbeiter sei. Zwar räumt dieser ein, dass er sich wieder erholen würde, doch eine dauerhafte Heilung stellt er der am Bett stehenden Emmi nicht in Aussicht. Diese beschließt nun jedoch mit neuem Zusammenhalt und Mut der Prognose zu trotzen. Hier geht Fassbinders Planung auf, mit einem offenen Ausgang den Pessimismus zu entschärfen. Im Gegensatz zum Ende von All That Heaven Allows ist hier allerdings von keiner temporären Beeinträchtigung die Rede. Das Stück behält diese Tragik weit über sein Ende hinaus. Fassbinders Happy End ist somit kein eingeschränktes, sondern in seiner Existenz ein etwaiges und so darf auch die Tragweite der Beeinträchtigung des Glücks von Cary und Ron in Frage gestellt werden. Vgl. Spaich 1992, S. 268f. Vgl. Grant 2004, S. 322. 95 Vgl. Jansen/Schütte 1992, S. 166. 93 94 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 168 Fassbinders Vorgehen zur Realisierung des Primärmotivs: Die Unterstützung des narrativen Gehalts durch das Moment des Kamera- und Figurenblickes An die Stelle der, für das Melodrama symptomatischen künstlichen Ästhetik, tritt bei Fassbinder das Festhalten gewöhnlicher alltäglicher Erfahrungen. Die Bildgestaltung ist auf das Wesentliche beschränkt und deckt sich mit der benannten Schlichtheit von Handlung und Kommunikation.96 Bei der Darstellung der Gemütsregungen verwendet Fassbinder gerne distanzierende Mittel wie Spiegeleinstellungen und innere Rahmungen, was ebenfalls durch Sirk inspiriert ist.97 Betont wird zudem oft der Bildvordergrund. Als Ali Barbara besucht, wird er vor dem Bett stehend zusätzlich durch eine Tür gerahmt. Die Symmetrie in der Szene betont Wiederholung und Doppelung und schafft so eine eigentümliche Geometrie mit der möglichen Ankündigung einer Gefahr für die Protagonisten.98 Ebenso nach dem Vorbild von Sirk beweist er hier Taktgefühl und Sensibilität: Er verschont seine Personen in dieser Liebesszene vor Situationen der Peinlichkeit. Die Darstellung ist distanziert und unsentimental. Gerade auch die durch die Entfernung vermittelte Verlorenheit der Personen mag den Eindruck des Unheilvollen verstärken. Das Erdrückende der Welt, in welcher Ali und Emmi gefangen sind, wird durch die Kameraperspektive durch Fenster, Gitter und Türrahmen immer wieder unterstrichen. Beim Hochzeitsessen der beiden in einem Restaurant nimmt die Kamera eine distanzierte Beobachterposition aus dem Nebenraum ein, was die Feierlichkeit stumpf und träge und das Paar auf verlorenem Posten erscheinen lässt. Darüber hinaus stehen den Glücksgefühlen beim Verlassen des Standesamtes der graue Himmel, der Verkehrslärm und eine Baustelle gegenüber.99 Die Kameraperspektive deckt sich dabei stets mit dem Standpunkt der Protagonisten, so dass der Zuschauer sich auf die Handlungshöhe versetzt fühlt und am Schicksal der Figuren zu partizipieren meint. Ein Wechsel der Einstellungen verhindert wiederum eine Einengung des Zuschauers. Mit der Fixierung des Blickes auf den Bildvordergrund fühlt der Zuschauer sich hingegen ausgegrenzt: Als Emmi und Ali nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht das Haus verlassen und sich verabschieden, erfasst die Kamera sie frontal von der gegenüberliegenden Straßenseite aus. Ein Schwenk der Kamera nach oben demonstriert dann die weitere stille Beobachterin der Szene, eine Nachbarin schaut den beiden zu. Kennzeichnend für die Gestaltung ist jedoch nicht nur diese voyeuristische Perspektive, sondern auch das Austauschen von Blicken unter den Figuren, welche die emotionale Aufladung des Bildes beträchtlich erhöhen. Zwischenmenschliche Beziehungen, angefangen beim Kommunizieren über den Körperkontakt bis zu den sozialen Hierarchien, werden über das Sehen und Gesehenwerden transportiert. Dabei herrscht kein Gleichgewicht zwischen diesen: Während eine Macht des Blickes im Film vorwiegend männlichen Figuren zuteilwird, blickt demgegenüber in Angst essen Seele auf Emmi auf einen Mann wie Ali auch als Sexualobjekt. Visuelle Verbindungen substituieren auch körperliche Berührungen, einschließlich Gewalt. Der Augenkontakt vermittelt Aggression ebenso wie Zärtlichkeit, wie Elsaesser konstatiert.100 Vgl. Rauscher 2003, S. 421. Vgl. Klinger 1994, S. 90. 98 Vgl. Elsaesser 2001, S. 90f. 99 Vgl. Rauscher 2003, S. 422. 100 Vgl. Elsaesser 2001, S. 92f. 96 97 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 169 Interessant ist die Rolle des Blickes auch im Zusammenhang mit der Beziehungskrise. An dieser Stelle sei die bereits umrissene Begründung ihrer Entstehung zu vertiefen: Der Konformismus darf nicht nur als der belastende Druck verstanden werden, dem das Paar ausgesetzt ist, sondern muss auch im Sinne eines Wunsches nach Zugehörigkeit und akzeptierten Gesehenwerden begriffen werden. Beide Figuren leiden zwar unter der Diffamierung durch die Mitmenschen, mit Abebben dieser Missbilligung entstehen jedoch interne Konflikte. Der Grund ist der, dass sie diese fremden Blicke brauchen, um ihre gegenseitige Solidarität aufrechtzuerhalten. Wenn sie in Harmonie alleine sind, vermögen die wechselseitigen Blicke keine gemeinsame Identität für das Paar zu stiften. Die Beobachtung durch Fremde jedoch bereitet ein (hier masochistisches) Gefallen. Mit Verlust des Konformitätsdrucks entfällt auch ein Unkonformitätsglück, wenn man so möchte. Somit scheitert das Paar an der fehlenden Balance von sozialer Billigung und Missbilligung. In der Schlussszene hingegen scheint diese wiederhergestellt – das Paradox sogar aufgehoben: Hier beobachtet der gütige Arzt das frisch vereinte Paar. Ausschließlich der Zuschauer sieht diesen Blick im Spiegel. Er wird hier zum gesellschaftlichen Heilmittel: Während zwischen Emmi und Ali eine Mutter-Kind-Beziehung aufgebaut wird, fungiert der beobachtende Arzt als väterlicher Geist.101 Von entscheidender Bedeutung sind die Blicke auch in All That Heaven Allows. Sie geben genauso Aufschluss über Emotionen und Intentionen der Figuren. Die Blicke zwischen Cary und Ron zeigen ihr, noch nicht erloschenes, sexuelles Begehren.102 Der begehrende Blick gegenüber Ron unterscheidet sich auch vom Blick zu Sara, der von Interesse, Enttäuschung bis hin zu Akzeptanz changiert. Mit seiner somit differenzierten Färbung vermag der Blick auch hier den Dialog ersetzen.103 Ausblick Der Bogen zur Veranschaulichung der Repression emotionaler Regungen durch gesellschaftliche Zwänge ließe sich noch weiter spannen bis in die gegenwärtige Filmproduktion. So wurde das dargestellte Sujet auch in Todd Haynes Far From Heaven (2002) aufgegriffen. Auffällig ist hierbei auch in ästhetischer Hinsicht die Ähnlichkeit des Farbeinsatzes zu All That Heaven Allows. Haynes hat einen Film geschaffen, der nicht nur den Schauplatz, sondern auch die Technik der 1950er Jahre wiedergibt und sich einer retrospektiven Affektpoesie bedient. Im Unterschied zu dem Werk von Sirk erzählt er jedoch nicht von einer Witwe, sondern einer verheirateten Frau die nach ihrer Einsicht in die homosexuellen Neigungen ihres Mannes ein neues Glück mit ihrem (afroamerikanischen) Gärtner sucht. MitFassbinders Erzählung hat Far from Heaven die Verhandlung des Rassismus gemein. Der gesellschaftliche Druck lastet hier auch auf beiden Partnern: Die weibliche Protagonistin wird wegen ihres Kontaktes zu einem Farbigen diffamiert. Er muss deshalb fürchten, an den Rand gedrängt zu werden aufgrund seiner doppelten Außenseiterrolle. Ein Happy End gibt es ganz klar nicht, auch nicht in eingeschränkter Form oder unter Vorbehalt. Noch zahlreiche thematisch mehr oder weniger abweichende Beispiele könnten angeführt werden, um die Kompetenz des Melodrams für die Erzeugung von Affektbildern zu Vgl. Ebd., S. 101f. Vgl. Byars 1991, S. 202. 103 Vgl. Ebd., S. 207. 101 102 FILM , VI D EO & N EU E M ED I EN /// F I LM , V I D E O & N E W M E D I A 170 belegen. Die hier getroffene Auswahl ist symptomatisch für ein in sämtlichen Exempeln zu beobachtendes Grundmerkmal, das hier, dank der ästhetischen Reize sowie der in der äußerlichen Gestaltung entsprechend umgesetzten Aussagekraft und Sinndimension, besonders eindrücklich zu Geltung kommen konnte. 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