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Presseheft ANOTHER YEAR Ein Film von MIKE LEIGH mit JIM BROADBENT, LESLEY MANVILLE, RUTH SHEEN u. v. m. Kinostart: 27. Januar 2011 129 Minuten / UK 2010 / Cinemascope / Dolby Digital Material erhältlich unter www.prokino.medianetworx.de VERLEIH PROKINO Widenmayerstr. 38 80538 München FON (089) 21 01 14-0 FAX (089) 21 01 14-11 E-MAIL presse@prokino.de PRESSEBETREUUNG Filmpresse Meuser Niddastrasse 64H 60329 Frankfurt am Main FON (069) 40 58 04-0 FAX (069) 40 58 04-13 E-MAIL info@filmpresse-meuser.de VERMIETUNG Twentieth Century Fox Darmstädter Landstr. 114 60598 Frankfurt am Main FON (069) 60 90 2-0 FAX (069) 60 90 2-63 INHALT BESETZUNG 03 STAB 04 DEUTSCHE SYNCHRONISATION 05 KURZINHALT 06 PRESSENOTIZ 06 LANGINHALT 07 GLÜCK IM ALTER Zum gewandelten Bild älterer Generationen im Kino 10 MIKE LEIGH (Regie & Drehbuch) Interview mit Mike Leigh 13 15 VOR DER KAMERA 22 JIM BROADBENT (Tom) Interview mit Jim Broadbent 22 24 RUTH SHEEN (Gerri) Interview mit Ruth Sheen 27 28 LESLEY MANVILLE (Mary) Interview mit Lesley Manville 33 34 OLIVER MALTMAN (Joe) 39 DAVID BRADLEY (Ronnie) 40 MARTIN SAVAGE (Carl) 41 PETER WIGHT (Ken) 41 KARINA FERNANDEZ (Katie) 42 IMELDA STAUNTON (Janet) 43 PHILIP DAVIS (Jack) 44 HINTER DER KAMERA 46 GEORGINA LOWE (Produzentin) 46 DICK POPE, BSC (Kameramann) 47 JON GREGORY (Schnitt) 48 SIMON BERESFORD (Szenenbild) 49 GARY YERSHON (Musik) 50 JACQUELINE DURRAN (Kostüme) 50 CHRISTINE BLUNDELL (Make-up und Frisuren) 52 AUSGEWÄHLTE PRESSESTIMMEN 54 2 BESETZUNG Die Familie von Tom und Gerri: TOM, Ehemann von Gerri Jim Broadbent GERRI, Ehefrau von Tom Ruth Sheen JOE, Tom und Gerris Sohn Oliver Maltman RONNIE, Toms Bruder David Bradley CARL, Neffe von Tom und Gerri Martin Savage Die Freunde von Tom und Gerri: MARY, Gerris Freundin und Arbeitskollegin Lesley Manville KEN, Freund von Tom und Gerri Peter Wight KATIE, Joes Freundin Karina Fernandez JANET, Gerris Patientin Imelda Staunton TANYA, Gerris Arbeitskollegin Michele Austin JACK, Freund von Tom und Gerri Philip Davis 3 STAB Regie & Drehbuch Mike Leigh Produktion Thin Man Films Simon Channing Williams Production FILM4 Untitled 09 Limited in Zusammenarbeit mit UK Film Council Produzentin Georgina Lowe Ausführende Produzenten Gail Egan Tessa Ross Kamera Dick Pope, BSC Schnitt Jon Gregory, ACE Szenenbild Simon Beresford Kostüme Jaqueline Durran Musik Gary Yershon Make-up und Frisur Christine Blundell Casting Nina Gold 4 DEUTSCHE SYNCHRONISATION Produktion TaunusFilm GmbH Synchron Berlin Buch & Regie Beate Klöckner Übersetzung Margit Webb Aufnahmeleitung Ursula Weber Schnitt Mark Meyer Aufnahmetonmeister Reinhard Kunow Masteringtonmeister Manfred Arbter Mischtonmeister Ekkehard Strauhß Sprecher: Tom (Jim Broadbent) Roland Hemmo Gerri (Ruth Sheen) Monica Bielenstein Joe (Oliver Maltman) Sebastian Schulz Ronnie (David Bradley) Bert Franzke Carl (Martin Savage) Michael Iwannek Mary (Lesley Manville) Christin Marquitan Ken (Peter Wight) Axel Lutter Katie (Karina Fernandez) Maria Koschny Janet (Imelda Staunton) Marie Gruber Jack (Philip Davis) Peter Reinhardt 5 KURZINHALT Frühling, Sommer, Herbst, Winter … Ein Jahr im Leben von Tom und Gerri. Beide um die sechzig und seit vielen Jahren glücklich verheiratet. Ein Jahr voller Alltag und Gartenarbeit, Abendessen, Grillpartys, Freundes- und Familienkrisen. Mit Charme und Herzenswärme und seinem besonderen Gespür für die Komik und Tragik des Alltäglichen lässt Mike Leigh den Vorruhestand optimistische Funken schlagen und zeigt seine beiden Helden als Paradebeispiel für eine ganze Generation unternehmungslustiger und tatkräftiger Menschen in fortgeschrittenen Jahren. Berührend und gleichzeitig humorvoll feiert ANOTHER YEAR das kleine Glück einer intakten Familie in der tiefsten englischen Vorstadttristesse. PRESSENOTIZ Nach „Happy-Go-Lucky“ lief Mike Leighs neue Komödie mit großem Erfolg im diesjährigen Wettbewerbsprogramm in Cannes und galt lange Zeit als Favorit im Rennen um die Goldene Palme. Mike Leighs neuestes Werk ist prominent besetzt mit Leighs Stammpersonal: Oscar®-Gewinner Jim Broadbent („Iris“, „Moulin Rouge“), Ruth Sheen („Lügen und Geheimnisse“), Lesley Manville („Vera Drake“), Philip Davis („Tagebuch eines Skandals“) und Imelda Staunton („Harry Potter“). Statt sich gepflegter Langeweile und zermürbenden Krankheiten und Gebrechen hinzugeben, legen die Senioren bei Mike Leigh einen unverdrossenen Optimismus an den Tag, der auch die Nöte ihrer Freunde und Familienmitglieder überstrahlt und allen Widrigkeiten zum Trotz immer wieder hoffnungsvolle und komische Wendungen zeigt. 6 LANGINHALT Tom (Jim Broadbent) und Gerri (Ruth Sheen) sind ein über die Jahre harmonisch und liebevoll zusammengewachsenes Paar. Sie arbeitet als Therapeutin im Gesundheitsamt, er untersucht als Geologe die Bodenbedingungen für zukünftige Bauprojekte. Ihr Leben verläuft im Rhythmus der Natur, die ihnen die Aufgaben auf ihrem Schrebergartengrundstück vorgibt. Durch ihre Herzenswärme, Gastfreundschaft und Gutmütigkeit wird ihr kleines Londoner Häuschen im Lauf des Jahres zur Zuflucht für Freunde und Familienmitglieder, denen das Schicksal nicht ganz so wohlgesonnen ist wie ihnen. Mit ihrer Menschlichkeit, aber auch mit ihrem typisch britischen Sinn für Humor finden sie auch in scheinbar aussichtlosen Situationen neuen Lebensmut. Im Frühling wecken Tom und Gerri ihren Garten aus dem Winterschlaf. Eines Abends bieten sie Mary (Lesley Manville), einer alleinstehenden Arbeitskollegin von Gerri, ein bisschen Nestwärme und eine liebevoll zubereitete Mahlzeit. Im Laufe des Beisammenseins und unter wachsendem Alkoholeinfluss verliert sich Mary zunehmend in Selbstmitleid über ihr verkorkstes Leben. Dabei tritt vor allem ihre Sehnsucht nach einem Mann an ihrer Seite offen zutage, was Tom und Gerri abends im Bett nachsichtig und mitfühlend kommentieren. Die betrunkene Mary bleibt über Nacht und begegnet am nächsten Morgen verkatert Joe (Oliver Maltman), dem dreißigjährigen Sohn ihrer Gastgeber, für den sie sich ein kleines bisschen zu stark interessiert. Zu seinen Eltern hat der Pflichtanwalt ein offensichtlich freundschaftliches Verhältnis. Auf die behutsame Nachfrage seiner Mutter bekundet er, dass sich bei ihm in Liebesdingen noch keine Neuigkeiten ergeben haben, anders, als es bei seinen Freunden der Fall ist. Im Sommer unternimmt Ken (Peter Wight), der im Arbeitsamt von Hull arbeitet, einen Ausflug nach London, um ein Wochenende mit seinem Jugendfreund Tom und dessen Frau zu verbringen. So wie Mary im Frühling löst auch ihm der Alkohol in einer langen Sommernacht nach einem guten Essen die Zunge, auch er ergießt sich in Selbstmitleid über die Tragik seines Lebens, auch er erhält liebevollen Zuspruch von Tom und Gerri. Am nächsten Tag verbringt Gerri die Sonnenstunden im Schrebergarten, während Tom, Ken, Joe und ein Nachbar eine Golfpartie unter Männern genießen. Zur anschließenden Grillparty erscheint Mary völlig aufgelöst mit 7 dreistündiger Verspätung, sprudelnd vor Glück, aber auch offensichtlich überfordert von ihrem frisch erworbenen roten Gebrauchtwagen und völlig blind und taub für andere Menschen. Während sich Ken in rührender Vergeblichkeit um Marys Aufmerksamkeit bemüht, gilt deren ganzes Interesse dem erheblich jüngeren Joe, woraus sich einige verzweifelt komische Situationen ergeben. Im Herbst ist Erntezeit im Schrebergarten. Als Tom und Gerri erschöpft und zufrieden zu Hause ankommen, wartet ihr Sohn Joe mit einer freudigen Überraschung: Hinter der Tür hat er seine neue Freundin Katie (Karina Fernandez) versteckt, die ähnlich wie Gerri als Therapeutin arbeitet und die Herzen des Elternpaares mit ihrer natürlichen Herzlichkeit im Sturm erobert. Misstöne und Unruhe kommen in den friedlichen Familiennachmittag, als Mary wie verabredet zum Tee erscheint und ausgesprochen eifersüchtig und offen feindselig auf Katie reagiert. Das Verständnis, das Tom und Gerri für Marys Nöte hegen, gerät spürbar an ihre Grenzen, als diese zur Bedrohung für den Familienfrieden wird. Nach der Verabschiedung bleibt im Heim der gutmütigen Eheleute ein schlechter Nachgeschmack zurück. Im Winter fahren Gerri, Tom und Joe nach Derby, um Toms älterem Bruder Ronny (David Bradley) bei der Beerdigung seiner plötzlich verstorbenen Frau Linda beizustehen. Ihr entfremdeter Sohn Carl (Martin Savage) erscheint erst im Krematorium, als die Zeremonie gerade zu Ende ist. Nach der Rückkehr der kleinen Trauergesellschaft in Ronnys Haus attackiert der hereinstürmende Carl seinen trauernden Vater mit wüsten Tiraden und treibt Lindas Nachbarn und Arbeitskollegen zum übereilten Rückzug. Wie schon so oft haben Tom und Gerri auch jetzt ein offenes Herz für Freunde und Familie in Not, sie nehmen Ronnie für ein paar Tage mit zu sich nach London. Während sie ihren Garten winterfest machen, taucht Mary unangekündigt und in desolatem Zustand vor ihrem Haus auf und überzeugt den zunächst widerwilligen Ronnie, sie einzulassen. Bei einer Tasse heißem Tee und einer Zigarette im Vorgarten knüpft die verletzlich und kleinlaut wirkende Mary zarte Bande zu dem wortkargen Witwer. Als Tom und Gerri von der Gartenarbeit zurückkehren, können sie ihren Unmut über das unangekündigte Auftauchen der in Ungnade gefallenen Mary nur mühsam unterdrücken, zumal sie auch Joe und Katie erwarten. Nach einer rührenden Entschuldigung bringen sie es jedoch nicht übers 8 Herz, die offensichtlich bekümmerte Frau vor die Tür zu setzen. Mary wird also wieder in den Kreis der Familie aufgenommen. Beim anschließenden gemeinsamen Essen erinnern sich Gerri und Tom an ihre Jugendzeit als Rucksackweltreisende, während Katie und Joe die Vorfreude auf ihre anstehende Parisreise schüren und Ronnie und Mary zurückhaltend lauschen. Einer langsamen Kamerafahrt über die Gesichter aller am Tisch Versammelten schließt sich ein langer Blick auf Mary an, deren Gesicht eine ungeheure Verletzlichkeit spiegelt, aber auch den Schimmer eines sanft erwachenden Lebensmutes zeigt. 9 GLÜCK IM ALTER Zum gewandelten Bild älterer Generationen im Kino Wenn man sich das Alter jenseits des siebzigsten Lebensjahres vorstellt, denkt man in der Regel an Menschen mit gebeugtem Gang, röchelndem Atem und müdem Blick. An Menschen in unförmigen Kleidungsstücken, die sich in dunklen Wohnungen verkriechen. Doch das Bild der Alten erlebt derzeit einen kräftigen Wandel. Immer häufiger kann man auf der Leinwand dabei zusehen, wie sich verhuschte graue Großmütter in begehrte Frauen verwandeln, wie ein Funkeln in ihre Augen zurückkehrt und ein Glanz auf ihre Wangen: etwa in Filmen wie „Die Mutter – The Mother“ („The Mother“, 2003) und „Wolke 9“ (2008), um nur wenige zu nennen. Statt sich zu verstecken, treten die modernen Alten in gleißendem Rampenlicht auf die Bühne, und statt sich den Mund verbieten zu lassen, singen sie aus vollem Halse, so wie die britische Rentnerband „The Zimmers“, die gerade ihr erstes Album aufgenommen hat. Oder wie der 1982 gegründete Seniorenchor „Young@Heart“, dem nach vielen Auftritten in Amerika und Europa ein gleichnamiger Dokumentarfilm gewidmet wurde. Man könnte, analog zur Studentenbewegung der Jungen, von einem „Aufstand der Alten“ reden, und tatsächlich bekommen Songs wie „Should I Stay or Should I Go?“, „Forever Young“, „Staying Alive“ oder „I Feel Good!“ eine ganz neue Bedeutung, wenn sie nicht von feurigen Rockstars, sondern von betagten Chorsängern intoniert werden. Statt ein jugendliches Lebensgefühl zu beschwören, mobilisieren sie die Rebellion gegen Krankheit und Siechtum, gegen Gebrechlichkeit und Tod. Es ist noch nicht allzu lange her, dass das Alter eine eher trübsinnige Angelegenheit war, vor allem im amerikanischen Kino mit seiner Leidenschaft für makellose Schönheit und unbefleckte Jugend. Mit fortschreitendem Alter schwinden die Energien, der Ehrgeiz, die Eitelkeit, die Ansprüche – jedenfalls meinte man das noch bis vor Kurzem. Doch inzwischen regt sich etwas in den festgefahrenen Bildern von der älteren Generation. Das hat vor allem damit zu tun, dass die heutigen Alten bewusster leben, dass sie aktiver und sportlicher sind und deshalb auch attraktiver. Vor zwanzig Jahren bedeutete es noch etwas ganz anderes als heute, vierzig, fünfzig, sechzig oder gar achtzig zu sein. Entsprechend dauert das Alter auch viel zu lang, um es achtlos vergehen zu lassen. Auf fade Vergnügungen wie Kaffeekränzchen und Butterfahrt wollen sich die modernen Senioren jedenfalls nicht 10 länger beschränken, sie wollen die Welt nicht mehr nur vom Fenster oder von der Parkbank aus sehen. Das Pensionsalter ist heutzutage kein Grund mehr, sich unförmig zu kleiden, triste Kittelschürzen zu tragen und sich in abgedunkelten Räumen zu verstecken, um dort auf einen Gnadenbesuch der Kinder oder in der Kneipe nebenan auf den nächsten Weinbrand zu warten. Resignation und Langeweile sind out, die neuen Alten wagen Experimente, sie verlieben sich, sie ziehen in die Welt hinaus, erkunden und genießen ihre Wunder. So beispielweise Jack Nicholson, der sich in Alexander Paynes „About Schmidt“ (2002) im Wohnmobil auf eine Art Initiationsreise quer durch Amerika begibt, oder Horst Krause in „Schultze Gets the Blues“ (2003), der sich in einer schlaflosen Nacht von ungewohnten Zydeco-Klängen zu einer Reise in den amerikanischen Süden verlocken lässt. Oder Fritz Wepper, der sich in Doris Dörries „Kirschblüten – Hanami“ (2008) zu einem Aufbruch nach Japan entschließt. Hollywood hat die Best Ager entdeckt und zeigt sie so, wie sie sind: Voller Lebensund Liebeslust, aktiv, attraktiv, selbstbewusst und selbstbestimmt. Alternde Schauspieler wie Clint Eastwood oder Jack Nicholson setzen sich geradezu systematisch und durchaus augenzwinkernd mit ihrer eigenen Vergänglichkeit auseinander. In Filmen wie „Besser geht‟s nicht“ („As Good as It Gets“, 1997),, „Was das Herz begehrt“ („Something's Gotta Give“, 2003), „About Schmidt“ (2002) und „Das Beste kommt zum Schluss“ („The Bucket List“, 2007) oder „Erbarmungslos“ („Unforgiven“, 1992), „Space Cowboys“ (2000) oder „Blood Work“ (2002) loten sie mit selbstironischer Komik nicht nur die Tücken, sondern vor allem die Möglichkeiten des Alters aus. So spielt Jack Nicholson in „Was das Herz begehrt“ einen alten Schürzenjäger mit schnell wechselnden, hyperjungen Liebschaften, der nach einem Herzinfarkt Unterschlupf im Haus der Mutter seines aktuellen Liebchens findet. Während sein junger Arzt (Keanu Reeves) ein Auge auf die attraktive Schriftstellerin in den Sechzigern wirft, entdeckt auch der betagte Casanova zunehmend ihr erotisches Potenzial. Vorbei sind die Zeiten, in denen nur alternden Männern blutjunge Liebschaften gestattet waren, längst dürfen auch reife Frauen wie Meryl Streep und Diane Keaton solche Vergnügungen genießen, und zwar nicht nur auf der Leinwand, sondern auch im echten Leben. So wie Demi Moore es uns vorlebt, die mit dem sehr viel jüngeren und sehr attraktiven Ashton Kutcher langfristiges 11 Glück teilt. Und immer häufiger zeigen auch reife Damen wie Diane Keaton oder Charlotte Rampling – beide Jahrgang 1946 –, dass sie sich auch ohne Rundumerneuerungen, wie eine Cher es bevorzugt, durchaus hüllenlos sehen lassen können. Das beweisen sie in „Was das Herz begehrt“ oder der französischen Boulevardkomödie „Wir verstehen uns wunderbar“ („Désaccord parfait“, 2006), wo sie so schön und erotisch, so sexy und verführerisch sein dürfen, dass sie mühelos neue und verflossene Eroberungen gleichermaßen aus der Ruhe bringen. Und die betagte Hausfrau und Witwe, die Marianne Faithful in „Irina Palm“ (2007) spielt, stürzt sich in ein ganz neues Leben im Rotlichtbezirk von London und trotzt den Widrigkeiten ihres neuen Jobs mit demselben anpackenden Pragmatismus, mit dem sie als Hausfrau daheim in der Küche waltet. Der neue Job, den sie angenommen hat, um ihrem Enkel eine lebensrettende Operation zu ermöglichen, mag anrüchig sein, doch er verleiht ihr bald ein bisher noch nie erfahrenes Selbstbewusstsein. Die graue Maggie aus der öden Vorstadt verwandelt sich in die aufregende Irina Palm der schillernden Metropole, das unscheinbare Aschenputtel in eine stolze Königin der Nacht, und dieses Selbstbewusstsein können ihr weder die scheinheiligen Dorfbewohner noch der prüde Sohn wieder nehmen, und wenn sie sie noch so sehr als Hure beschimpfen. All die mutigen, abenteuerlustigen, neugierigen, sinnlichen Damen und Herren dieser Filme verbreiten eine geradezu ansteckende Lebenslust. Und dabei eröffnen sie tröstliche Aussichten auf die Zeit nach der Pensionierung: Nach und nach verliert das Alter seinen bitteren Nachgeschmack, statt Sackgassen eröffnen sich unzählige Möglichkeiten. Das gilt auf sehr irdische und reale Weise auch für die Helden von Mike Leighs neuem Film ANOTHER YEAR, für das kleine Glück, das sich das Ehepaar in seinem Londoner Häuschen gebaut hat, egal ob es aktiv in seinem Schrebergarten werkelt oder Grillpartys und Dinnergesellschaften für Familie und Freunde ausrichtet. Und wenn die beiden am Ende von den Reisen ihrer Jugendjahre erzählen, kann man sich gut vorstellen, dass sie sich bald wieder gemeinsam auf den Weg machen. Versauern werden sie jedenfalls nicht. 12 MIKE LEIGH (Regie & Drehbuch) Der Brite Mike Leigh zählt zu den angesehensten Filmregisseuren unserer Zeit, bekannt für seinen ebenso ungeschönt realistischen wie zärtlichen und humorvollen Blick auf die Nöte einfacher Menschen. Dabei dreht er in der Regel ohne ausgearbeitetes Skript. Stattdessen begeben sich Schauspieler und Team in einem ausgedehnten Probenprozess auf die Suche nach ihrer Geschichte. Der am 20. Februar 1943 geborene Mike Leigh begann seine Karriere als Schauspieler. Nach einer Ausbildung an der Londoner Royal Academy of Art und an der London Film School wirkte er zunächst in einigen Bühnenproduktionen mit, bevor er im Alter von neunundzwanzig Jahren mit „Freudlose Augenblicke“ („Bleak Moments“, 1971) seinen ersten Kinofilm drehte, eine Adaption des gleichnamigen Theaterstücks, in dem er zuvor als Darsteller zu sehen war. Da der Film trotz begeisterter Kritiken finanziell floppte, wandte sich Leigh enttäuscht dem Fernsehen zu und realisierte unter anderem die erfolgreichen TV-Filme „Meantime“ (1984) und „Four Days in July“ (1985). Erst 1988 kehrte er mit „Hohe Erwartungen“ („High Hopes“) zum Kino zurück. Der Film, der das Lebensgefühl im England der späten 1980er Jahre einfängt, wurde auf dem Filmfestival von Venedig mit dem KritikerPreis ausgezeichnet. An diesen Erfolg konnte er ein Jahr später mit „Das Leben ist süß“ („Life Is Sweet“) anschließen, der einfühlsam erzählten Lebensgeschichte einer ängstlichen und von Selbstzweifeln geplagten Frau. Der endgültige Durchbruch als Regisseur gelang Leigh 1993 mit dem Film „Nackt“ („Naked“), der auf dem Filmfest in Cannes mit der begehrten Goldenen Palme ausgezeichnet wurde; darüber hinaus ging eine Goldene Palme an die Beste Regie und eine an David Thewlis als Besten Hauptdarsteller. 1996 erzählte Leigh in der mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Tragikomödie „Lügen und Geheimnisse“ („Secrets & Lies“) die bewegende Geschichte einer jungen Frau, die sich nach dem Tod ihrer Adoptiveltern auf die Suche nach ihrer leiblichen Mutter macht. Es folgten „Karriere Girls“ („Carrier Girls“, 1997) und die Musicalkomödie „Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ (1999), die sich im England des späten 19. Jahrhunderts der Lebensgeschichte des Komponistenduos Gilbert und Sullivan widmet. Der opulent ausgestattete Film wurde bei den 72. Academy Awards im Frühjahr 2000 mit zwei Oscars® für die Besten Kostüme und das Beste 13 Make-up ausgezeichnet. In „All or Nothing“ (2002) umkreiste Leigh den tristen Alltag einer Familie in einer heruntergekommenen Hochhaussiedlung am Rande Londons. Leighs nächster Film „Vera Drake“ (2004) spielte im vom Weltkrieg gezeichneten London der 1950er Jahre, wo die einfache Hausfrau Vera neben der harten Arbeit als Haushälterin der Reichen heimlich als ‚Engelmacherin„ illegale Abtreibungen vornimmt. Für ihre berührende Darstellung der Titelrolle wurde Imelda Staunton unter anderem für den Oscar® als Beste Hauptdarstellerin nominiert. Mit der farbenfrohen und beschwingten Komödie „Happy-Go-Lucky“ schlug Mike Leigh nach vier Jahren Pause ungewohnt optimistische Töne an und begeisterte auf der Berlinale Publikum und Kritiker gleichermaßen. In der Zwischenzeit entdeckte er die hinreißend charmante und eigenwillige Komikerin Sally Hawkins fürs Kino. Sein jüngster Film ANOTHER YEAR feierte seine Premiere auf dem Filmfestival in Cannes. Für ANOTHER YEAR ist Mike Leigh als Bester Regisseur für den British Independent Film Award nominiert. Filmografie (Auswahl): 1971 Freudlose Augenblicke (Bleak Moments) Mit: Anne Raitt, Sarah Stephenson, Eric Allan 1988 Hohe Erwartungen (High Hopes) Mit: Philip Davis, Ruth Sheen, Edna Doré 1990 Das Leben ist süß (Life Is Sweet) Mit: Alison Steadman, Jim Broadbent, Claire Skinner 1993 Nackt (Naked) Mit: David Thewlis, Lesley Sharp, Katrin Cartlidge 1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies) Mit: Brenda Blethyn, Marianne Jean-Babtiste, Timothy Spall 1997 Karriere Girls (Career Girls) Mit: Katrin Cartlidge, Lynda Steadman, Kate Byers 1999 Topsy-Turvy (Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt) Mit: Allan Corduner, Jim Broadbent, Timothy Spall 2002 All or Nothing Mit: Timothy Spall, Lesley Manville, Alison Garland 2004 Vera Drake Mit: Imelda Staunton, Richard Graham, Eddie Marsan 2008 Happy-Go-Lucky Mit: Sally Hawkins, Alexis Zegerman, Andrea Riseborough 2010 ANOTHER YEAR Mit: Jim Broadbent, Lesley Manville, Ruth Sheen Nominiert für den British Independent Film Award 2010 als Bester Regisseur 14 INTERVIEW MIT MIKE LEIGH Immer wieder aufs Neue erforscht Mike Leigh in seinen Filmen die Feinheiten und Komplexitäten des Familienlebens, von Fernseharbeiten wie „Grown-Ups“ über Filme wie „Life is Sweet“ und „All or Nothing“. Auch in seinem elften Spielfilm ANOTHER YEAR schöpft er erneut aus diesem fruchtbaren Boden und liefert eine meisterliche Etüde über Leben, Liebe und Einsamkeit. Der Film, der sich im Lauf der Jahreszeiten entfaltet, vereint den Regisseur erneut mit einigen seiner treuesten Mitarbeiter. Was stand am Anfang von ANOTHER YEAR? Ein Gefühl oder ein Thema? Darauf gibt es keine einfache Antwort, denn dieser Film handelt von so vielen Dingen, dass es geradezu unmöglich ist, sich auf einen Punkt festzulegen. Natürlich geht es um das Leben, aber wenn man das so sagt, ist das nicht besonders hilfreich und klingt dazu auch noch prätentiös. Doch genau das sind meine Filme überhaupt nicht. Man kann aber durchaus sagen, dass der Film damit zu tun hat, dass ich jetzt 67 Jahre alt bin. Es geht um all die Gedanken, die man sich um das Alter macht, wie wir damit umgehen und wie es dann im Leben weitergeht. Es geht um viele Dinge, die wir alle erleben. Das ist ein ziemlicher Kontrast zu den Helden aus „Happy-Go-Lucky“, die um die dreißig waren. In der Tat wollte ich jetzt mal einen Film über Menschen in meinem Alter machen, das stimmt. Ich habe eine Menge Freunde, und nur die Hälfte davon ist so alt wie ich. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich in die Welt des Alters zurückziehen, ich hänge sogar mit meinen Söhnen rum, die in den späten Zwanzigern und frühen Dreißigern sind. Und ich habe ein gutes Verhältnis zu ihnen, ganz ähnlich wie Tom und Gerri zu ihrem Sohn Joe im Film. Genauso verbringe ich aber auch Zeit mit sehr alten Freunden aus den 1960ern, und ich hatte Lust, das in einem Film zu thematisieren, auch wenn es nicht ausschließlich darum geht. Es ist selten, dass man eine so positive Eltern-Kind-Beziehung im Kino zu sehen bekommt wie die zwischen Tom und Gerri und ihrem Sohn Joe. Das mag schon richtig sein, doch mir geht es darum, alle möglichen Menschen in allen möglichen Verhältnissen zu zeigen, das schließt die, denen es gut geht, ebenso ein wie die, denen es nicht so gut geht. 15 Ist Tom ein Alter Ego von Ihnen? Das würde ich gerne so sehen! Vielleicht ein bisschen. Er ist ein guter Mensch, aber er ist auch nicht im Showbusiness. Er hat es leicht, er muss sich nur um Steine, Erde und Tunnel sorgen. Er muss keine Filme machen, was sehr viel schwerer ist und einen sehr viel stärker beansprucht. Er hat es wirklich gut! Würden Sie sagen, dass er der Held des Films ist? Nein, er ist die zentrale Figur, aber nicht der Held. Meine Filme handeln nicht von Helden. Diese beiden haben sich wohl in sehr jungen Jahren gefunden, sie haben aneinander, was sie brauchen, sie vertrauen einander, sie haben eine angenehme Welt für sich erschaffen, in der sie ehrlich zueinander sein und sich natürlich bewegen können. Manchen Menschen fällt es leicht, eine Struktur zu schaffen, die das Leben erleichtert, mit Dingen die sie motivieren, die ihnen wichtig sind. Einige von uns, viele sogar, machen sich das Leben und die Beziehungen dagegen unnötig schwer. Manche Menschen haben das Talent, eine Welt zu erschaffen, die ihren Bedürfnissen entgegenkommt, anderen gelingt das weniger gut. Wie erklären Sie sich die Ausgeglichenheit von Tom und Gerri? Sie sind im Großen und Ganzen eins mit sich, ihr Leben ist klar umrissen, sie sind gut organisiert, sie sind gesund, auch seelisch. Daraus ergibt sich die Harmonie in ihrer Beziehung. Aber sie haben auch Probleme, eines davon ist Mary. Es ist offensichtlich, woher in diesem Film der Schmerz kommt. Worin liegt Marys Problem? Das müssen die Zuschauer entscheiden, doch wenn man sie ansieht, ist klar, das ist eine Frau, die in ihrem Leben Pech hatte, sie ist das Opfer ihrer Herkunft, das Opfer gesellschaftlicher Konventionen, sie hatte Pech und sie gerät immer wieder unter Druck. Offensichtlich wurde sie schlecht behandelt, insbesondere von den Männern. Wenn man so will, könnte man aber auch sagen, dass sie selbst an den Dingen, die ihr zugestoßen sind, schuld ist, dass sie Probleme angezogen hat. Aber es ist auch offensichtlich, dass sie keine alte Jungfer ist, die sich isoliert und weder Beziehungen noch Liebe erlebt hat. Sie hatte große Höhen, Tiefen und Leidenschaften, sie ist ein komplexes Wesen, und mir geht es vor allem darum, das runde und tiefgründige 16 Porträt eines Menschen zu zeigen, der darum auch sympathisch ist. Was sie dann von ihr halten, müssen die Zuschauer selbst entscheiden. Der Film beginnt mit Imelda Staunton, die eine depressive Patientin von Gerri spielt. Hatten Sie das Gefühl, dass in dieser Figur noch ein ganz anderer Film liegt? Ganz sicher nicht, aber die objektive Wahrheit ist, dass es über jeden einzelnen Menschen auf der Welt einen Film geben könnte. Was sie verkörpert, betrifft den ganzen Film. Ihre Szenen sind ein emotionaler Prolog für den Film, sie setzen die Tagesordnungspunkte. In gewisser Weise bereitet sie uns auf Mary vor. Und sie kommt auch deshalb nicht zurück, weil sie es selbst nicht will, sie will keine Therapie, sie will nicht, dass sich irgendjemand einmischt. Können Sie über Peter Wights Auftritt in ANOTHER YEAR sprechen, der eine seiner besten Leistungen ist, obwohl er schon früher Großartiges in Ihren Filmen geleistet hat? In der Tat, zum Beispiel den Inspektor in „Vera Drake“, in meinen Augen sind das ausnahmslos fantastische Leistungen: Ich habe überhaupt ungeheures Glück, mit diesen großartigen Schauspielern, diesen sehr, sehr klugen, intelligenten, kreativen und originellen Menschen arbeiten zu dürfen. Sie präsentieren nicht ihre eigenen Egos, sondern erschaffen richtige Charaktere. Peter Wight ist ein unglaublich gefühlvoller, sympathischer, tiefgründiger Schauspieler und dazu ein sehr philosophischer Mensch, was er unterschwellig in sein Spiel einfließen lässt. Er ist großartig, aber sie sind alle großartig! Haben Sie sich dafür interessiert, dass Menschen dieser Altersgruppe häufig viele Veränderungen durchlaufen? Das passiert tatsächlich, und es ist sehr interessant. Aber wenn ich ehrlich bin, glaube ich nicht, dass es in dem Film darum geht. Ich habe davon in einem meiner früheren Filme erzählt, in „Hohe Erwartungen“, in dem die alte Dame unter Alzheimer leidet, und auch in „Topsy-Turvy“, in dem wir auf Gilberts Vater treffen, der schlicht verrückt ist. Er halluziniert. Wenn man älter wird, kann es ganz leicht passieren, dass sich die natürlichen Parameter verengen und dass es nur noch um die reine Existenz geht. Man schottet sich ab, und dann stirbt man. Ich bin schon in einem Alter, in dem 17 eine ganze Menge Leute um mich herum sterben, zum Beispiel mein langjähriger Produzent Simon Channing-Williams, der letztes Jahr gestorben ist. Solche Erfahrungen beeinflussen die Art, wie man lebt und sich selbst wahrnimmt. Und natürlich können wir uns mit den Toms und Gerris dieser Welt identifizieren, weil sie ein ausgefülltes Leben führen, weil sie Dinge haben, für die sie sich interessieren. Das hält sie jung. Woher rührt Ihr Interesse an Menschen aus der Mittelklasse? Das ist für mich nichts Besonderes, ich komme aus der Welt der unteren Mittel- und Arbeiterschicht. Ganz selten habe ich mich in die Welt der Oberschicht verlaufen, die nicht zu meinem persönlichen Erfahrungsbereich gehört. Mein natürliches Umfeld ist die untere Mittelschicht und die Arbeiterschicht: Da ich keine autobiografischen Filme mache, sehe ich es als meine Aufgabe, als Filmemacher auf die Welt und auf die Menschen zu schauen, und wenn das Mittelschichtsmenschen sind, ist mir das recht. In diesem Film entstammt der Bruder ganz klar der Arbeiterschicht, genauso wie Tom. Und der Akzent von Gerri verrät, dass auch sie offensichtlich von dort kommt. Sie sind Mittelklassemenschen, die auf eine gesunde Art nach oben mobil sind. Aber um Ihre Frage zu beantworten, ich mache nur das, was Shakespeare „der Natur einen Spiegel vorhalten“ nannte. Ich zeige einen Teil der Welt, in der wir leben. Welche Bedeutung sehen Sie darin, dass Tom und Gerri sich der Gartenarbeit widmen? Das hat damit zu tun, dass sie Menschen sind, deren Natur es ist, zu hegen und zu pflegen. Außerdem geht es in dem Film um das Verstreichen der Zeit, um den zyklischen Charakter des Lebens. Haben Sie irgendwelche Hobbys wie Gartenarbeit? Ich bin kein Gärtner, ich lebe in einem Apartmentgebäude im Westend von London, und als ich noch einen Garten hatte, war ich ausgesprochen faul. Was mache ich mit meiner Zeit? Ich führe Gespräche, ich lese, ich schaue Filme. Ich gehe ins Theater, ich höre Musik, ich interessiere mich sehr für Kunst, ich male. Ich gehe spazieren, ich koche, ich verbringe Zeit mit meinen Söhnen und mit Freunden, und ich mache ein paar andere Dinge, von denen ich Ihnen nicht erzählen werde. 18 Wie wichtig ist der Humor in Ihrer Arbeit? Er ist mir sehr wichtig, aber das heißt nicht, dass ich ihn bewusst und vorsätzlich konstruiere. Mir sind die Probleme der Charaktere wichtig, und ebenso das, was sich dramaturgisch aus ihnen ergibt. Dabei entsteht Komik ganz selbstverständlich, weil das Leben komisch und tragisch ist, tiefgründig und lächerlich, traurig und fröhlich. Ich werde oft gefragt, wie ich entscheide, wann es komisch wird, aber das tue ich gar nicht, es passiert einfach. Humor zeigt sich nur, wenn die Geschichte ihre Wurzeln in der Wirklichkeit hat. Und es gibt keine Tragödie ohne Komik. Können Sie darüber sprechen, was Sie in diesem Film auf der visuellen Ebene erreichen wollten? Ich habe inzwischen seit insgesamt zwanzig Jahren schon mehr als zehnmal mit Dick Pope zusammengearbeitet. Er ist ein wunderbarer Kameramann. Was ich erreichen wollte, ist das, was zu sehen ist. Jede Jahreszeit ist ein in sich geschlossener Teil des Ganzen. Mir ging es darum, die Wahrnehmung der Jahreszeiten visuell zu erforschen, jede von ihnen steht in Verbindung zu dem, was sich dramatisch ereignet. Wie viel Probenzeit nehmen Sie sich? Bei einem konventionellen Film mag es da eine einfache, normale Antwort geben, bei uns ist das nicht so. Wir nehmen uns zunächst mehrere Wochen und Monate, in denen wir die Welt erfinden, improvisieren und bauen. Dann setzen wir Szene für Szene in die Schauplätze, und dann drehen wir. Je nachdem, wie kompliziert die Szene ist, kann das jeweils einen oder auch mehrere Tage dauern. Wir improvisieren, zurren die Szene in den Proben fest und bringen sie dann auf dem Papier auf den Punkt. Wir nehmen uns sehr viel Zeit, um diese geschriebene Version präzise hinzukriegen. Ich kann Ihnen da keine eindeutige Antwort geben, weil es sich um einen Probenprozess handelt. Wenn Sie auf die Schauspieler zugehen, wissen Sie dann schon genau, welche Rollen es geben wird? Nein, es kann sein, dass ich schon eine Vorstellung davon habe, aber der Deal ist: „Seid in meinem Film! Wir wissen nicht, worum es geht, wir wissen nicht, wer die Charaktere sind, wir werden es zusammen rausfinden.“ 19 Wie viele Takes brauchen Sie am Set? Das kommt drauf an. Manchmal sind es ein oder zwei Takes, das ist auch eine Frage der Umstände. Es gibt viele Dinge, die man nicht beeinflussen kann, mal fliegt ein Flugzeug durch die Szene, mal bellt ein Hund, oder es läuft irgendetwas mit dem Wasserkessel schief. Manchmal habe ich das Gefühl, wenn wir noch einen Take versuchen, bekommen wir noch eine andere Nuance, sehen eine andere Qualität im Spiel. Doch wenn alles gut läuft, dann sind es ein oder zwei Takes, nicht mehr. Improvisieren Sie am Set? Nur gelegentlich, bei manchen meiner Filme. Bei „Happy-Go-Lucky“ waren die Szenen mit dem Kind im Klassenzimmer und ein paar der Szenen im Auto improvisiert. Doch in ANOTHER YEAR gibt es überhaupt keine Improvisation. Man hat den Eindruck, dass Sie hier all die Schauspieler versammeln, mit denen Sie am häufigsten zusammengearbeitet haben. War das beabsichtigt? Dafür gibt es einen Grund: Als wir grünes Licht für das Projekt bekamen, mussten wir sehr schnell handeln. Normalerweise nehme ich mir sehr viel Zeit für die Besetzung, aber hier hatte ich das Gefühl, dass das eine gute Gelegenheit war, Leute zu holen, auf die ich mich aus Erfahrung verlassen kann. So konnten wir schneller anfangen als gewöhnlich, und vergessen Sie nicht, das war mein erstes Mal mit dem großen David Bradley! Hat sich das für Sie ein bisschen angefühlt, als würden Sie sich mit ein paar Freunden treffen? Ja, aber das ist bei mir immer so. Für Lesley und mich ist das der neunte gemeinsame Film, das ist ein fortlaufendes Experiment. Wenn ich mit einem Schauspieler schon zusammengearbeitet habe, ist das Wichtigste, dass wir uns auf keinen Fall wiederholen. Wir erobern uns mit jedem Film neue Bereiche. Wenn man den Film ansieht, könnte man meinen, dass Alkohol in England ein großes Problem ist. Zunächst geht es im Film ja nicht um Alkoholismus. Es geht um Schmerz und um das Bedürfnis der Menschen, Alkohol und Drogen zu benutzen, um mit ihrem Schmerz zurechtzukommen. Das ist die Tragödie. Doch es ist wahr, dass die Briten mehr 20 Schwierigkeiten haben als andere, maßvoll und kontrolliert zu trinken, was sehr ungesund ist. Bei uns wird gerade eine Debatte darüber geführt, ob die Bars eher schließen sollten. Sie dürfen nicht vergessen, dass England ein ziemlich verrücktes Land ist. Jenseits der europäischen Küsten gibt es dieses irrsinnige Land, das man betritt, sobald man das Boot in Dover, das Flugzeug in Heathrow oder den Zug in Pancras verlässt. Schon befindet man sich in diesem seltsamen Land; es ist völlig eigensinnig, aber genau darum lieben wir es so sehr. Dass es total verrückt ist, darauf bestehe ich. Können Sie über die letzte Einstellung des Films sprechen und wie es zu dieser sehr mutigen Entscheidung kam? Die Kamera fährt einmal um den ganzen Tisch herum, und das ist die Sorte Einstellung, die es bei mir nur sehr selten gibt. Ich wollte das auf diese sehr fließende Art ausprobieren. Mir kam es ganz natürlich vor, mit einer Frage zu enden. Diese Frage lautet: Und Mary? Es ist ein Ende mit Fragezeichen, es gibt dem Zuschauer die Gelegenheit, sich alles noch mal durch den Kopf gehen zu lassen. Manche Leute empfinden dieses Ende als sehr positiv. Es ist sehr, sehr komplex, und es erlaubt jedem seine eigene Interpretation. 21 VOR DER KAMERA JIM BROADBENT (Tom) Der 1949 im englischen Lincoln geborene Jim Broadbent ist einer der wandlungsfähigsten Schauspieler Englands und gehört zu Mike Leighs festem Stamm. ANOTHER YEAR markiert die siebte Zusammenarbeit der beiden nach den Theaterstücken „Goose Pimples“ und „Ecstasy“ sowie den Filmen „Das Leben ist süß“ („Life Is Sweet“, 1990), „Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ („Topsy-Turvy“, 1999), „Vera Drake“ (2004) und dem Fernsehkurzfilm „A Sense of History“, zu dem Broadbent das Drehbuch verfasste. Der jüngste Sohn eines Tischlers und einer Bildhauerin studierte an der London Academy of Music and Dramatic Art (LAMDA) und begann seine Schauspielkarriere auf der Bühne, unter anderem am Royal National Theatre, in der Royal Shakespeare Company und als Mitgründer des National Theatre of Brent. Neben der Bühne trat er unter Regisseuren wie Stephen Frears und Mike Newell regelmäßig im Fernsehen auf. Sein Filmdebüt absolvierte er 1978 mit einer kleinen Rolle in Jerzy Skolimowskis „Der Todesschrei“ („The Shout“, 1978), gefolgt von „Die Profi-Killer“ („The Hit“, 1984) unter der Regie von Stephen Frears und zwei Auftritten für Terry Gilliam in „Time Bandits“ (1981) und „Brazil“ (1985). Doch einem internationalen Publikum wurde er erst durch seine Zusammenarbeit mit Mike Leigh bekannt, für den er 1990 zum ersten Mal in „Das Leben ist süß“ arbeitete; er spielt dort einen gutmütigen Koch, der von seinem eigenen Restaurant träumt. Es folgten größere Rollen in Neil Jordans „The Crying Game“ (1992) und Mike Newells „Verzauberter April“ („Enchanted April“, 1992), Woody Allens „Bullets Over Broadway“ (1994) und Richard Loncraines hochgelobter Shakespeare-Adaption von „Richard III“ (1995). In Mike Leighs „TopsyTurvy“ übernahm er die schillernde Hauptrolle des Opernkomponisten W. S. Gilbert. 2001 war das Jahr seines großen Durchbruchs mit wunderbaren Nebenrollen in „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ („Bridget Jones‟ Diary“, 2001); „Moulin Rouge!“ (2001) und vor allem seiner Oscar®-Rolle als Ehemann von Iris Murdoch in dem Alzheimer-Drama „Iris“ (2001). Unter anderem war Jim Broadbent in „Perrier‟s Bounty“ (2009), „The Damned United“ (2009), „Harry Potter und der Halbblutprinz“ („Harry Potter and the Half Blood Prince“, 2009), „The Young Victoria“ (2009), „Indiana Jones und das Königreich des 22 Kristallschädels“ („Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull“, 2008), „Moulin Rouge!“ (2001), „Richard III“ (1995) und „Bullets Over Broadway“ (1994) zu sehen. Auf der Bühne trat er unter anderem am National Theatre in der Inszenierung von „The Pillowman“ auf und ebenso in Sam Mendes‟ hochgelobter Produktion von Alan Bennetts „Habeas Corpus“. Für die Titelrolle der Fernsehproduktion „Longford“ wurde er mit dem BAFTA ausgezeichnet. Für seine Rolle als Tom in ANOTHER YEAR ist er für den British Independent Film Award 2010 als Bester Schauspieler nominiert. Filmografie (Auswahl) 1981 Time Bandits Regie: Terry Gilliam 1982 Ullisses Regie: Werner Nekes 1984 Die Profi-Killer (The Hit) Regie: Stephen Frears 1985 Brazil Regie: Terry Gilliam 1986 Good Father – Die Liebe eines Vaters (The Good Father) Regie: Mike Newell 1987 Running out of Luck Regie: Julian Temple 1990 Das Leben ist süß (Life is Sweet) Regie: Mike Leigh 1992 Verzauberter April (Enchanted April) Regie: Mike Newell The Crying Game Regie: Neil Jordan A Sense of History (Kurzfilm) Regie: Mike Leigh 1994 Bullets Over Broadway Regie: Woody Allen 1995 Richard III Regie: Richard Loncraine Wilder Zauber (Rough Magic) Regie: Claire Peploe 1997 Fräulein Smillas Gespür für Schnee (Smilla‟s Sense of Snow) Regie: Bille August 1998 Mit Schirm, Charme und Melone (The Avengers) Regie: Jeremiah S. Chechik 1999 Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt (Topsy-Turvy) Regie: Mike Leigh 2001 Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück (Bridget Jones‟ Diary) Regie: Sharon Maguire Moulin Rouge! Regie: Baz Luhrman Iris Regie: Richard Eyre 2002 Gangs of New York Regie: Martin Scorsese Nicholas Nickleby Regie: Douglas McGrath 2003 Bright Young Things Regie: Stephen Fry 23 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 In 80 Tagen um die Welt (Around the World in 80 Days) Regie: Frank Coraci Vanity Fair Regie: Mira Nair Vera Drake Regie: Mike Leigh Bridget Jones – Am Rande des Wahnsinns (Bridget Jones – The Edge of Reason) Regie: Beeban Kidron Die Chroniken von Narnia – Der König von Narnia (The Chronicles of Narnia – The Lion, the Witch and the Wardrobe) Regie: Andrew Adamson Art School Confidential Regie: Terry Zwigoff Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis (Hot Fuzz) Regie: Edgar Wright Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels (Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull) Regie: Steven Spielberg Tintenherz (Inkheart) Regie: Iain Softley The Young Victoria Regie: Jean-Marc Vallée Harry Potter und der Halbblutprinz (Harry Potter and the Half Blood Prince) Regie: David Yates ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh Nominiert für den British Independent Film Award 2010 als Bester Schauspieler Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2 (Harry Potter and the Deathly Hallows: Part 2) Regie: David Yates The Iron Lady Regie: Phyllida Lloyd INTERVIEW MIT JIM BROADBENT Was macht es für Schauspieler so interessant, mit Mike Leigh zu arbeiten? Man kann bei ihm eine komplexere, vielschichtigere und darum vielleicht auch realistischere Figur entwickeln, als es im Normalfall mit einem festgeschriebenen Drehbuch möglich ist. Man ist in jeden Aspekt der Arbeit vor der Kamera involviert, vor allem, wenn man eine der Hauptfiguren spielt. Man bestimmt, welches Auto die Figur fährt. Man entscheidet, wie die Küche und die Einrichtung des Hauses aussehen. Durch die Improvisationen erarbeitet man die ganze Struktur des Drehbuchs gemeinsam, man ist also viel stärker beteiligt als bei normalen Projekten. Eine derart enge Beziehung ist sehr viel anregender, als einfach nur ein Drehbuch zu bekommen, den Text zu lernen und am Set zu erscheinen. Was erzählt Mike Leigh Ihnen ganz am Anfang? Er sagt, wer sonst noch dabei sein wird. Und dass es wahrscheinlich in und um London stattfindet. Dann fängt man an, mit ihm allein zu arbeiten. Ich führe ihm 24 Charakterskizzen von über hundert Männern vor, die ich kenne. Dann fangen wir an, das in Gesprächen über mehrere Wochen langsam herunterzukürzen. In diesem Fall waren es drei verschiedene Menschen, die wir als Keimzellen benutzt haben, um eine organische Figur aufzubauen, mit ihrem ganzen Hintergrund, wo sie lebt, welche Geschwister sie hat. Und dann beginnt man, mit den anderen Schauspielern zu arbeiten, sobald sie Teil der Geschichte werden. Ich habe also sehr früh angefangen, mit David Bradley zu arbeiten, der Toms älteren Bruder Ronnie spielt. Und mit Peter Wight, der Ken spielt. Die beiden waren seit ihrem vierten Lebensjahr Schulfreunde. Mit David und Peter habe ich sehr viel gearbeitet, bis Ruth und Oliver hinzukamen. Bei der Vorbereitung gehen wir genau wie beim Drehen sehr chronologisch heran. David habe ich also erst sehr viel später wiedergesehen, in der Sequenz in Derby, und da kam dann die ganze Arbeit ins Spiel, die wir uns Monate zuvor gemacht hatten. Ist es wichtig, chronologisch zu drehen? Es ist nicht immer so strikt chronologisch, aber bei diesem Film war es das. Wir improvisieren ungefähr einen Tag, bevor wir die Szene drehen. Da kann man nicht vorspringen, weil noch gar nicht feststeht ist, was später passiert. Es kann schon mal sein, dass man improvisiert und dann ein bisschen vorspult, um dann aber wieder zurückzugehen. Im Großen und Ganzen drehen wir chronologischer als bei allen anderen Projekten. Gibt es einen Film von Mike Leigh, den Sie besonders schätzen? Ich würde sagen, „Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ war insgesamt eine vielschichtige Erfahrung, allein schon durch das Eintauchen in die Musicaltheaterwelt des 19. Jahrunderts. So ein großes Ensemble – jeder leistete eigene Recherchen und warf sein Wissen dann in den großen Topf. All die Farben, die Musik, das Licht, eine so fantastische Figur mit Heerscharen wunderbarer Schauspieler. Das war wirklich ein großes Vergnügen, wahrscheinlich habe ich vergessen, wie hart es war, meine Frau weiß das sicher noch. Sehen Sie Tom und Gerri als das moralische Zentrum des Films? Das ist ein glücklich verheiratetes Paar, sie haben ihre Lebenspartner gefunden und schauen sich nicht mehr anderweitig um. Sie haben beide erfüllende Jobs. Sie haben 25 einen Sohn, der unabhängig ist und selbst ein erfülltes Leben führt. Und ich glaube, dass sie sich als sehr glücklich empfinden, das gibt ihnen die Kraft, einander zu vertrauen und andere Menschen nicht zu beurteilen oder zu kritisieren. Darum können ihre Freunde, denen es nicht so gut geht, zu ihnen kommen und sich sicher fühlen, im Wissen, dass sie nicht zurückgestoßen werden. Es ist erstaunlich, wie überrascht die Zuschauer über so eine glückliche Zweisamkeit sind. Harmonische Beziehungen kommen im Film ja auch nicht besonders oft vor, vermutlich weil sie nicht kinogerecht sind, weil ihnen die dramatischen Konflikte fehlen. Aber es werden genug Probleme von außen in Toms und Gerris Leben getragen. Hat dieser Film dazu geführt, dass Sie über das Alter nachdenken? Ja, sehr stark, man denkt ohnehin daran, sobald man die erste Seniorenfreifahrt im Bus hatte. Ich bin jetzt 61 und habe so einen Ausweis. Man hat dieses Bewusstsein, es gehört zum Erwachsen- und Älterwerden. Was, denken Sie, sind die Vor- und Nachteile des Älterwerdens? Mike hat mal gesagt, dass die Dinge zugleich verwirrender und klarer und komplizierter werden. Man ist weiser, weil man alles schon mal gesehen hat, dafür hat man nicht mehr das Selbstvertrauen der Jugend, das Gefühl, alles zu wissen. Aber man hat auch nicht mehr die verzweifelte Angst der Jugend, dass alles falsch läuft. Mir gefällt es eigentlich ganz gut. Solange es nicht schmerzhaft wird, macht es mir nichts aus. Woody Allen sagt, dass das Leben ein großer Mist sei, ein langes Warten auf den Tod. Das Einzige, was man tun könne, sei, sich selbst zu belügen und abzulenken. Oder die Leute, wie hier, zum Lachen zu bringen. Ich habe gehört, dass er gefragt wurde, ob sich seine Meinung zum Tod geändert habe, und er sagte: „Nein, bin immer noch dagegen.“ Mit Mike Leigh und Woody Allen wollen scheinbar alle Schauspieler arbeiten. Sie arbeiten auf völlig gegensätzliche Weise. Woody schreibt ein Drehbuch, und dann bittet er die Schauspieler, am Skript entlang zu improvisieren. Und Mike bittet die Schauspieler zu kommen und zu improvisieren, um dann ein Drehbuch zu 26 schreiben. Aber beide lieben alles, was sie von den Schauspielern bekommen, ich glaube daran liegt es, dass wir so gerne dabei sein wollen. RUTH SHEEN (Gerri) Man könnte wohl sagen, dass Ruth Sheen ihre Karriere Mike Leigh verdankt. Nach nur einer kleinen Rolle in der Dickens-Adaption „Klein Dorrit“ („Little Dorrit“, 1988) hatte sie ihren großen Durchbruch noch im selben Jahr dank Leighs „Hohe Erwartungen“ („High Hopes“). Für ihren zweiten Leinwandauftritt als Shirley wurde sie mit dem Europäischen Filmpreis als Beste Darstellerin ausgezeichnet. Seitdem nahm ihre Karriere sowohl im Fernsehen wie im Kino einen beeindruckenden Verlauf mit Rollen unter anderem in „Das Handbuch des jungen Giftmischers“ („The Young Poisoner‟s Handbook“, 1995), „Vanity Fair“ (2004) und „Run Fatboy Run“ (2007). Nachdem Ruth Sheen mehrere kleine Rollen in „Lügen und Geheimnisse“ („Secrets & Lies“, 1996), „All or Nothing“ (2002) und „Vera Drake“ (2004) übernommen hatte, kehrte sie für ihre bedeutendste Zusammenarbeit mit Mike Leigh seit „Hohe Erwartungen“ zurück. In ANOTHER YEAR ist sie als Gerri eine hingebungsvolle Ehefrau für ihren immer verlässlichen Mann Tom (Jim Broadbent) und bietet ihrer emotional instabilen Kollegin Mary (Lesley Manville) eine Schulter zum Anlehnen und Ausweinen. Für ihre Rolle als Gerri in ANOTHERY YEAR ist sie für den British Independent Film Award 2010 in der Kategorie Beste Schauspielerin nominiert. Im Interview erzählt sie, warum ANOTHER YEAR zugleich ihre anstrengendste und beglückendste Erfahrung mit Mike Leigh war. Filmografie (Auswahl) 1988 Klein Dorrit (Little Dorrit) Regie: Christine Edzard Hohe Erwartungen (High Hopes) Regie: Mike Leigh 1989 Zorniges Land (The Angry Earth) Regie: Karl Francis 1995 Das Handbuch des jungen Giftmischers (The Young Poisoner‟s Handbook) Regie: Benjamin Ross 1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies) Regie: Mike Leigh 1999 Virtual Sexuality Regie: Nick Hurran 2002 All or Nothing Regie: Mike Leigh 27 2003 2004 2007 2009 2010 Cheeky Regie: David Theliss Vanity Fair Regie: Mira Nair Vera Drake Regie: Mike Leigh Run Fat Boy Run Regie: David Schwimmer Heartless Regie: Philip Ridley ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh Nominiert für den British Independent Film Award 2010 als Beste Schauspielerin INTERVIEW MIT RUTH SHEEN Sie haben schon fünfmal mit Mike Leigh gearbeitet: Würden Sie sagen, dass ANOTHER YEAR das anstrengendste Projekt war? Ja, das war es wirklich! Ich war mir erst nicht sicher, ob es mir nur schwerer vorkam, weil ich inzwischen älter bin. Schließlich schrumpft das Gehirn! Wenn man die ganze Zeit gebraucht wird, bei allen Proben und an allen Drehtagen, ist das schon erschöpfend. Unablässig muss man kreativ sein, man probt am Morgen, man arbeitet die Szenen aus und dreht sie am Nachmittag, ohne jemals ein Drehbuch zu haben. Man muss immer hochkonzentriert sein. Das kann man nicht telefonisch machen oder im Halbschlaf erledigen. Würden Sie sagen, dass das die größte Rolle ist, die Sie bei Mike Leigh gespielt haben? Wahrscheinlich, zumindest seit einer ganzen Reihe von Jahren. Bei „Hohe Erwartungen“ hatte ich auch eine große Rolle, aber das war der erste Film, den ich mit ihm gedreht habe. Ich war damals ziemlich naiv und wusste gar nichts über seine Arbeit. Ich bin einfach mit beiden Beinen mitten hinein gesprungen und habe mich total glücklich diesem ganzen Prozess ausgesetzt. Mit zunehmendem Alter wird es etwas schwieriger, weil man weiß, was auf einen zukommt. Man baut die Figur ganz langsam und vielschichtig unter Einbeziehung aller anderen Charaktere auf. Mit den Jahren wird das immer schwerer. In diesem Film arbeitet Mike Leigh mit sehr vielen seiner Stammschauspieler. Wie oft haben sich Ihre Wege zuvor schon gekreuzt? 28 Nun, das ist das erste Mal, dass ich mit Jim (Broadbent) arbeite. Dass ich mit ihm drehen konnte, war wunderbar, weil ich das schon immer mal wollte. Dass er dabei sein würde, habe ich erst erfahren, als meine Figur mit achtzehn Jahren Jims Figur in der Universität trifft. Ich kam an dem Tag an und wusste, dass ich jemand Neuen kennenlernen würde, aber nicht, wer das sein würde. Und dann sah ich Jim und dachte, „Oh, das muss er sein!“ Bei diesen Filmen weiß man vorher einfach nicht, mit wem man eine Beziehung haben wird. Das Ganze ist ein Sprung ins Ungewisse. Und die anderen Darsteller? Mit Lesley habe ich dreimal gearbeitet, wir waren zusammen in „Hohe Erwartungen“, in „All or Nothing“ und jetzt in diesem Film. Mit Phil Davis hatte ich es auch schon ein paar Mal zu tun, er war mein Partner in „Hohe Erwartungen“, und hier haben wir diese kleine gemeinsame Szene auf der Bank. Können Sie Mike Leighs Interesse an neurotischen Frauen erklären? Ich weiß nicht, ich denke mal, dass es einfach viele davon gibt. Gibt es so etwas wie eine „Mike Leigh Stock Company“? Nicht wirklich, ich glaube, es ist eher so, dass es eine Gruppe von Schauspielern gibt, die immer bereit und glücklich sind, mit ihm zu arbeiten. Wie war es, mit Jim Broadbent zu arbeiten? Er ist ein sehr zurückhaltender Mann, sehr trocken und sehr humorvoll, aber auch diskret, er behält seine Meinung für sich. Ich denke, dass in Tom ein Teil von Jim steckt, er hat diesen Sinn für Humor. Die Arbeit mit ihm hat großen Spaß gemacht. Wir arbeiten sehr diszipliniert und sind uns darum nur in unseren Rollen begegnet. Man darf überhaupt nur mit Mike über die Rollen sprechen, es ist nicht erlaubt, beim Lunch über die Figuren zu quatschen. Man muss über etwas anderes reden, da ist er sehr streng. Gar nicht darüber reden zu dürfen, klingt hart. Da wir alle schon mit ihm gearbeitet haben, kennen wir das. Es würde ja wirklich alles verderben, wenn ich wüsste, was Jim denkt, weil er erzählt, was er später sagen wird. Dann würden die Improvisationen nicht funktionieren. Wir arbeiten alle 29 nach demselben Prinzip, man weiß nicht, was die anderen sagen werden. Und dann ist man mit einer Figur konfrontiert, die ein wandelndes Pulverfass ist, so wie Mary. Die kommt in den Film und ist ein ganz eigenes Kaliber. Oder Ken ... Als ich ihm zum ersten Mal in der Rolle begegnete, war da dieser dicke, betrunkene Mann, der Toms bester Freund ist. Wenn man sich dann trifft, wirft man alles in einen Topf. Man hat diese vierzig Jahre im Kopf, die vor dem Anfang des Films liegen, und wir arbeiten uns mit einem feingezahnten Kamm durch. Das ist eine sehr detaillierte Arbeit, man baut mit jeder einzelnen Figur eine Beziehung auf, und zwar von dem Moment an, zu dem sie sich tatsächlich zum ersten Mal begegnen. Wenn also Toms und Gerris Sohn Joe auftaucht, sprechen wir darüber, wie er als Kind war, was sie ihm gegenüber empfunden haben. Das ist aus ganz vielen Schichten zusammengesetzt, man trägt die ganze Lebenserfahrung zusammen, die zum Kontext dieser Kreation gehört. Und was ist mit den Leuten, die kleine Rollen in Mikes Leighs Filmen haben? Die machen es ganz genauso. Die Sache ist die: Wenn man bei ihm einen Job annimmt, sagt er: „Ich kann dir nicht sagen, worum es geht. Ich kann dir nicht sagen, wie groß deine Rolle sein wird. Ich kann dir nicht sagen, mit wem du eine Beziehung haben wirst. Aber hast Du Lust, dabei zu sein?“ Man muss ihm einen Vertrauensvorschuss geben. Ich kenne ein paar Leute, die davon ausgegangen sind, dass sie in einem seiner Filme eine große Rolle haben und dann nur eine ganz kleine bekamen. Aber es kann auch passieren, dass jemand sehr spät dazukommt und Mike so gut gefällt, dass er am Ende eine große Rolle bekommt. In „Hohe Erwartungen“ waren Sie ein Hippie. Würden Sie sagen, dass Sie und Jim in diesem Film auch Hippies sind? Ja, ich habe fast das Gefühl, dass dieser Film ein Amalgam aller anderen Filme ist, die Mike je gemacht hat. Ich kann Cyrill und Shirley aus „Hohe Erwartungen“ in diesem Film erkennen. Ich kann auch Johnnys Figur aus „Nackt“ in der Figur des Carl sehen, den Martin Savage spielt. Mögen Sie es, im Garten zu arbeiten? Ich hatte selbst mal einen Schrebergarten und habe ein paar Sachen hinter meinem Haus angepflanzt. 30 Würde Mike Leigh so ein Detail für einen Film übernehmen? Ich glaube nicht. Wie ich schon sagte, dieser Film ist ein Amalgam aller Filme, die er gemacht hat. Ich denke, dass Mikes ganzes Leben in gewisser Weise in diesen Film eingeschlossen ist. Wenn Sie „Hohe Erwartungen“ anschauen, mit dem Garten auf dem Dach, in dem sie alles Mögliche anbauen, dann ist das jetzt nur eine Weiterführung davon – und genauso sind Tom und Gerri eine Weiterentwicklung von dort. Sie hegen und pflegen und züchten. Ich wusste nicht, dass der Film vier Jahreszeiten durchlaufen wird. Ich wusste, dass sie einen Schrebergarten haben. Aber ich wusste nicht, dass er auf diese Weise einbezogen wird. Das haben wir erst herausgefunden, als er uns eine Liste mit allem gab, was gedreht werden sollte. Er hatte den Inhalt in vier Sektionen eingeteilt und sagte: „Das werden vier Jahreszeiten sein.“ Wie hat sich der saisonale Aspekt auf den Drehplan ausgewirkt? Vermutlich wurden die Winterszenen in dieser Jahreszeit gedreht, oder? Nein, das war alles gefälschter Frost! Aber es sieht gut aus, nicht? Als ich den Film gestern Abend sah, war ich ehrlich beeindruckt von Dick Popes Kameraarbeit, das war wirklich überwältigend. Ich mochte auch die Golfszene sehr. Die Einstellung mit den Schatten fand ich richtig schön. Um welche Themen, denken Sie, geht es Mike Leigh in ANOTHER YEAR? Meines Erachtens geht es um universelle Themen wie Einsamkeit und Traurigkeit und die Unfähigkeit, einen Seelenverwandten und Partner zu finden, jemanden, mit dem man glücklich werden kann. Und es geht darum, wie unterschiedliche Menschen auf unterschiedliche Weise mit ihren Problemen umgehen. Er schaut sich Leute an, die dazu Alkohol benutzen. Das Herz des Films überträgt er auf Tom und Gerri, ihre Familie gibt dem Zentrum etwas Solides, Verlässliches. Dazu kommen dann all die Konflikte der anderen, all die Probleme, die das Leben ausmachen. Und es wird im Lauf der Jahreszeiten erzählt, vom Frühling bis zum Winter, bis ins hohe Alter hinein. Gibt es irgendwelche Figuren in Mikes Leighs Filmen, bei denen Sie den Eindruck haben, dass sie ihm besonders nah sind? Das möchte ich lieber nicht sagen! Denn das müssen Sie wirklich ihn selber fragen. Wir haben alle Freunde wie Mary, wir haben alle Freunde wie Ken, Menschen, die 31 traurig sind. Und es ist so leicht, den Alkohol als Hilfsmittel zu benutzen, um damit fertigzuwerden, dass man traurig und einsam ist. Es ist seltsam: Den Leuten fällt es schwer, damit klarzukommen, dass dieses Paar im Film so glücklich ist. Viele Leute meinten: „Die sind ein bisschen zu glücklich. Wer führt schon eine glückliche Ehe?“ Merkwürdigerweise sind wir so zynisch, dass wir es seltsam finden, wenn jemand zufrieden ist. Dabei wirken Mike Leighs Figuren so real. Das liegt wohl an unserer Arbeitsweise. Sie zielt komplett darauf ab, alles so natürlich wie möglich aussehen zu lassen. Aber es ist ein Film, alles ist erfunden. Diese Leute sind nicht real, keiner von ihnen. Aber sie repräsentieren reale Menschen. Das ist Mikes Geheimnis, er nimmt einen ganz normalen Menschen und überhöht ihn zum Besonderen. Er glaubt ernsthaft, dass wir alle außergewöhnlich sind, und zwar jeder einzelne Mensch. Manche sind niedergeschlagen und machen nie etwas aus ihren Möglichkeiten. Irgendetwas hält sie davon ab, sie trinken zu viel, oder sie finden niemanden, der ihnen den Kopf zurechtrückt. Wir haben alle die Möglichkeit, außergewöhnlich zu sein, aber es gelingt nicht jedem. Das hat wohl sehr viel mit Glück zu tun, oder? Man trifft einfach irgendwann die falschen Entscheidungen. Ich glaube, darum geht es – ob man im Leben die richtigen Entscheidungen trifft. Man hat die Wahl, aber manchmal macht man es durch sie sogar noch schlimmer. Und dann will man immer das, was die anderen haben, weil man glaubt, dass es vielleicht besser wäre. Heutzutage sind wir alle gierig, oder? 32 LESLEY MANVILLE (Mary) Mit acht gemeinsamen Produktionen gehört die 1956 im englischen Brighton geborene Lesley Manville zum festen Stamm von Mike Leigh. Neben ihren Rollen in den Filmen „Lügen und Geheimnisse“ („Secrets & Lies“, 1996), „Hohe Erwartungen“ („High Hopes“, 1988), „Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ („Topsy-Turvy“, 1999) „All or Nothing“ (2002) „Vera Drake“ (2004) und der BBC-Produktion „Grown-Ups“ (1980) hat sie in einer seiner Radioproduktionen und bei seinen Bühneninszenierungen mitgewirkt. Nachdem sie seit Mitte der 1970er Jahre in einer Fülle von Fernsehfilmen und -serien mitgewirkt hatte, absolvierte sie ihr Kinodebüt 1985 in einer kleinen Nebenrolle in Mike Newells „Dance with a stranger – Geliebt bis in den Tod“ („Dance with a Stranger“). Zu ihren weiteren Leinwandcredits gehören Robert Zemeckis „Eine Weihnachtsgeschichte“ („A Christmas Carol“, 2009) und der noch nicht gestartete „Womb“ (2010). Auf der Bühne war sie in den Originalproduktionen moderner Klassiker wie „Top Girls“, „Serious Money“, in „Die gefährlichen Liebschaften von Cloderlos Laclos“ und in den hochgelobten Wiederaufnahmen von Edward Bonds „Saved und The Pope‟s Wedding“ zu sehen. In den letzten Jahren hat Lesley Manville regelmäßig am National Theatre gearbeitet, wo sie unter anderem in „His Dark Materials“, „Pillars of the Community“, „The Alchemist“ and „Her Naked Skin“, sowie vor Kurzem im Old Vics Theatre in „All About My Mother“ und „Six Degrees of Separation“ zu sehen war. Zu ihren zahlreichen Fernseharbeiten gehört Alan Clarkes hochgelobter „The Firm“, die ausgesprochen erfolgreichen Serien „Holding on“, „Other People‟s Children“, „Bodily Harm“, „Real Woman“, „The Cazalets“, „North and South“ und „Cranford“. Sie hat einen gemeinsamen Sohn mit Gary Oldman. Für Ihre Rolle der Mary in ANOTHER YEAR ist sie für die Auszeichnung Europäische Schauspielerin 2010 beim Europäischen Filmpreis 2010, sowie als Beste Nebendarstellerin für den British Independent Film Award 2010 nominiert. Filmografie (Auswahl) 1985 Dance with a Stranger – Geliebt bis in den Tod (Dance with a Stranger) Regie: Mike Newell 1987 Sammie und Rosie tun es (Sammie and Rosie Get Laid) Regie: Stephen Frears 1988 Hohe Erwartungen (High Hopes) Regie: Mike Leigh 1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies) Regie: Mike Leigh 1999 Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt (Topsy-Turvy) Regie: Mike Leigh 33 2002 2004 2009 2010 2011 All or Nothing Regie: Mike Leigh Vera Drake Regie: Mike Leigh Eine Weihnachtsgeschichte (A Christmas Carol) Regie: Robert Zemeckis ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh Nominiert für den Europäischen Filmpreis 2010 als Europäische Schauspielerin 2010 Nominiert für den British Independent Film Award 2010 als Beste Nebendarstellerin Womb Regie: Benedek Fliegauf INTERVIEW MIT LESLIE MANVILLE (Mary) Kommen die Angebote von Mike Leigh für Sie immer überraschend? Ja und nein, wir sind befreundet, er kommt zu einem sehr frühen Zeitpunkt auf mich zu. Seine Art zu arbeiten ist sehr geheimnisvoll. Bei den Proben haben wir viel Spaß, es ist immer sehr lustig, wenn es nicht so wäre, würde er nicht mit uns arbeiten wollen. Es ist nicht hart und nicht kopflastig und auch nicht besonders intellektuell oder vergeistigt. Es ist eine luftige Angelegenheit, bei der alle eine gute Zeit haben. Wenn Sie mit Mike Leigh arbeiten, wissen Sie vermutlich gar nicht, in welche Richtung das Projekt geht, oder? Nein, das weiß man nicht. Man bekommt erst im Laufe der Arbeit langsam eine Ahnung davon. Am Anfang weiß man gar nichts, das ist wirklich wie eine weiße Leinwand. Man wird von ihm einfach nur eingeladen, in seinem Film mitzumachen. Man bekommt einen Hinweis darauf, wie prominent man wahrscheinlich sein wird, und er verrät die Länge der veranschlagten Probenzeit. Bei diesem Film hatten wir insgesamt 18 Wochen Proben und haben dann zehn, zwölf Wochen gedreht. Ich bin nach zwei Wochen dazugekommen und wusste daher, dass ich stark involviert sein würde. Denken Sie, dass Mike Leigh selbst früh weiß, in welche Richtung er gehen wird? Oh nein, das weiß er nicht. Ich denke, dass er Themen und grobe Vorstellungen und Ideen und Gedanken hat, aber das ist es auch. Er verlässt sich sehr stark auf seine Arbeit mit den Schauspielern und darauf, dass wir in der ausgiebigen Probenzeit gemeinsam etwas erschaffen. 34 Das heißt, in gewisser Weise sind Sie Lehm in seinen Händen? Na, wir erschaffen zusammen eine Figur. Das ist die erste Aufgabe. Man verbringt sehr viel Zeit unter vier Augen mit Mike, man fängt bei null an und erschafft aus dem Nichts die Figur. Offensichtlich ist er der Einzige, der den gesamten Film vor Augen hat, weshalb er uns in diese oder jene Richtung dirigiert. Doch generell weiß man als Schauspieler nicht, worauf es hinauslaufen wird. Regt er Sie dazu an, bei der Gestaltung Ihrer Figur von Menschen auszugehen, die Sie kennen? Ein bisschen schon. Aber er sagt nicht „Du spielst eine einsame Alkoholikerin“. Er beschreibt die Figuren überhaupt nicht auf diese Weise. Das entwickelt sich sehr viel langsamer und organischer. Glauben Sie, dass Mary eine Alkoholikerin ist? Ich weiß es nicht, ich habe nicht versucht, sie auf diese Weise zu definieren. Aber sie trinkt täglich, sie trinkt oft, wenn sie alleine ist, und sie ist sehr oft betrunken. Ist Sie eine Gesellschaftsalkoholikerin? Nein, ich denke, dass sie Alkohol meistens dazu benutzt, Depressionen und das Gefühl der Einsamkeit abzuwehren. Sicherlich kann man darüber diskutieren, warum sie in Situationen, in denen sie mit anderen Menschen zusammen, also nicht einsam ist, trotzdem so viel trinkt. Sie ist eine Trinkerin. Was halten Sie von Jims und Ruths Figuren? Ich denke, dass sie das repräsentieren, wonach wir alle im Leben streben. Eine gesunde, beidseitig liebvolle, lebenslange Beziehung. Zu den klügsten Entscheidungen des Films gehört, dass Tom und Gerri so eine solide Beziehung zu ihrem Sohn haben. Ja, man kann richtig sehen, dass sie gute Eltern sind. Ich denke, das ist ein wichtiger Aspekt, auch Mary sieht Gerri als mütterliche Figur in ihrem Leben. War es für Sie schwierig, die Barbecue-Szene zu drehen, in der Mary mit ihrem Sohn flirtet? 35 Wenn man das dreht, objektiviert man das nicht. Man spielt es einfach. Und dann ist es den Zuschauern überlassen, wie sie das aufnehmen. Aber man will einfach nur, dass sie den Mund hält und aufhört zu flirten, oder? Warum kommt sie nicht mit Peter Wights Figur Ken zusammen? Er entspricht nicht ihrer Vorstellung, so einen Mann will sie nicht. Sie hat eine Idealvorstellung von der Sorte Mann, die sie haben möchte. Und wie haben Sie das Drehen der letzten Szene im Winter mit David Bradley empfunden? Nun, wenn Mary da vorbeischaut, hat sie keine Ahnung, wer dieser Mann ist, der die Tür öffnet. Für mich war es ganz sicher eine Überraschung. Als wir die Szene drehten, hatte ich keine Ahnung, dass David die Tür öffnen würde. Mary wusste von der Beerdigung, weil Gerri ihr das bei der Arbeit erzählt hat. Also wusste sie, dass Toms Schwägerin gestorben ist, aber nicht, dass sie seinen Bruder mit ins Haus geholt haben. Wenn Sie zum Haus kommt, setzt sie eins und eins zusammen und sagt: „Oh, Ihre Frau ist gerade gestorben!“ Das funktioniert nur, weil sie es wirklich nicht weiß. Das ergibt sich alles in der Improvisation. Können Sie sagen, was Mary durch den Kopf geht, wenn Sie sich gegenüber Toms und Gerris Sohn und seiner neuen Freundin so schrecklich verhält? Das ist sehr komplex, das ist mehr als Eifersucht. Sie schafft es nicht, all die Dinge, denen sie ständig allein in ihrer Wohnung ausgesetzt ist, zu verbergen. Sie kann ihre Gefühle nicht zügeln, wenn sie in einer gesellschaftlichen Situation ist und sich besser verhalten sollte. Dann kommt dazu, dass sie in einer Umgebung, in der sie sich sicher fühlt, plötzlich mit einem weiteren glücklichen Paar konfrontiert ist. Die beiden haben, was ihr fehlt, einen Partner. Gibt es jetzt nach Abschluss der Dreharbeiten irgendjemand Bestimmten, an den Mary Sie erinnert? Oh, nein. Sicher, ich kenne Menschen wie sie. Aber es gibt keinen Menschen, der ihre Blaupause wäre. Natürlich kenne ich Frauen, die kinderlos und unglücklich sind. Und ich kenne Frauen, die Single und unglücklich sind. Und ich kenne Frauen, die zu viel trinken und unglücklich sind. Sie ist ein Cocktail all dieser Dinge. Obwohl wir alle 36 Menschen kennen, die ein bisschen von Mary in sich tragen, ist sie ein einzigartiger Mensch. ANOTHER YEAR befasst sich auch mit den Problemen des Älterwerdens, haben Sie das auch so wahrgenommen? Ich sehe das wohl ein bisschen anders. Ich glaube, dass Mike einen Film über unser fundamentales Bedürfnis nach einer Beziehung gemacht hat. Ist es nicht wunderbar, wenn man das hat? Als ich den Film sah, hatte ich das Gefühl, dass diese Art des Glücks sehr zufällig ist. Mary wurde zur Katastrophe, weil sie nie Glück mit den Männern hatte, aber es wäre leicht möglich gewesen. Sie ist liebenswert. Als ich das sah, überkam mich das Gefühl, mein Gott, es ist einfach nur Glück! Zum größten Teil jedenfalls. Was die Häufigkeit der Zusammenarbeit betrifft, halten Sie den Mike-LeighRekord: Hat sich die Arbeit mit ihm im Lauf der Zeit verändert? Nicht wirklich. Viele Leute glauben, dass der Prozess sehr komplex und geheimnisvoll sei, dabei ist er eigentlich sehr geradlinig. Man erschafft aus dem Nichts eine Figur. Man baut ihr Leben auf. Man füllt alle Lücken. Und man beginnt, sich mit den anderen Figuren auszutauschen, die in ihrem Leben stehen. Mit der Zeit ist Mike zu einem wirklich wundervollen Filmemacher gereift, und auch wir sind als Schauspieler besser geworden. Aber das ist unvermeidlich bei dieser Menge an Erfahrungen, die wir hatten, nicht nur mit Mike, sondern auch bei all der fantastischen Arbeit an den Londoner Theatern. Ist es vorgekommen, dass Sie von einer der Figuren, die Sie für Mike Leigh gespielt haben, völlig vereinnahmt wurden? Man denkt schon sehr intensiv über seine Rolle nach. Da kann es auch passieren, dass ich zu Hause irgendetwas ganz Normales tue und plötzlich überlege, was Mary davon halten würde. Das passiert immer wieder, vor allem, wenn man dabei ist, die Figur zu entwickeln. Aber das vereinnahmt mich nicht. Am Ende des Tages kann ich mich von ihr trennen. Diese Gedanken halten mich nicht in der Nacht wach. Wie bewusst ist Ihnen, dass die Kamera in der letzten Einstellung von ANOTHER YEAR auf Ihnen ruht? 37 Oh, dessen bin ich mir absolut bewusst. Das ist offensichtlich eine sehr vielschichtige Einstellung, und es hat sehr lange gedauert, sie vorzubereiten – allein schon, weil dafür jede Menge technische Ausrüstung um den Tisch herum aufgebaut werden musste. Und es war ziemlich schwierig für Dick (Pope), weil er den Raum ausleuchten musste und zugleich Bewegungsspielraum um den Tisch herum brauchte. Technisch war es kompliziert, allein das Timing, damit alle Leute zum richtigen Zeitpunkt im Bild waren, aber zu wissen, was die Kamera macht, ist Teil meines Jobs. Es war klar, dass die Fahrt auf Mary endet. Sehr ergreifend finde ich, dass die Musik läuft und dann aufhört, sodass der Zuschauer mit der Stille zurückbleibt. Das ist ein kraftvoller Moment. Das Großartige an dieser Einstellung ist, dass ganz viele Menschen, mit denen ich darüber spreche, völlig verschiedene Interpretationen haben. Ein Journalist fragte mich, was Mary in dem Moment denkt, ich wollte nicht prätentiös klingen und erwiderte nur: „Das werde ich nicht sagen.“ Manche Leute denken, dass sie sich zusammenreißen und alles in Ordnung kommen wird. Manche Leute sind der Meinung, dass es schrecklich ist, wenn sie ihr Weinglas und einen großen Schluck daraus nimmt. Und manche glauben, dass Sie mit Ronnie zusammen sein wird. Auf diese Weise macht sich jeder sein eigenes Bild, und genau so sollte es sein. Ich weiß, was Mary in diesem Moment denkt, natürlich weiß ich es, weil ich es als Mary gedacht habe, aber ich will es nicht sagen, weil es dem Film etwas Endgültiges geben würde. Im Kino ist es wichtig, dass das Publikum weiter über das Leben der Figuren nachdenken kann, dass es sich fragt, wie es weitergehen könnte. Glauben Sie, dass ANOTHER YEAR am Ende zu Marys Geschichte wird? Es geht schon ein bisschen in diese Richtung, oder? Bis zum Winterkapitel hat Mike den Film schon sehr stark auf Mary fokussiert. Gibt es andere Figuren, von denen Sie genauso berührt sind wie von Mary? Nun, ich finde, Peter Wight ist wundervoll als Ken. Das ist, glaube ich, die beste Performance, die ich von ihm gesehen habe, er ist wirklich außergewöhnlich! Doch dann denke ich, dass alle großartig sind, da gibt es alle Nuancen. Warum, glauben Sie, sind in ANOTHER YEAR so viele von Mike Leighs Stammschauspielern versammelt? 38 Ich kenne Mike ziemlich gut. Ich glaube, dass er sich mit all diesen Leuten umgeben wollte, mit denen er sich sehr schnell und direkt verständigen kann. Mit David Bradley hatte er noch nie gearbeitet, und auch nicht mit Stuart McQuarrie, der Toms Arbeitskollegen spielt, in den Szenen am Anfang, in denen sie den Lehmboden untersuchen. Und mit Oliver Maltman und Karina Fernandez hat er zuvor nur einmal gearbeitet. Aber im Herzen wollte er wohl einen Film mit seiner Hauptgang machen. Kamen nach der „Weihnachtsgeschichte“ irgendwelche großen HollywoodAngebote? Ich glaube nicht, dass Mrs. Catchit in der „Weihnachtsgeschichte“ einen großen Einfluss auf meine Karriere haben wird. Aber wer weiß, vielleicht kommen die Angebote nach ANOTHER YEAR. OLIVER MALTMAN (Joe) ANOTHER YEAR ist Oliver Maltmans zweite Zusammenarbeit mit Mike Leigh nach seinem Auftritt als Poppys Schwager in „Happy-Go-Lucky“. Als erfahrener Komödiencharakterdarsteller trat er in der Show „Oliver Maltman‟s Little Black Book“ (The Pleasance Edinburgh 2006) sowie als Stand-up-Komiker am Comedy Reserve (The Pleasance 2005) auf. Auf der Bühne ist er mit der Royal Shakespeare Company aufgetreten, und im Fernsehen war er in der hochgelobten Comedy-Serie „Star Stories“ sowie in „The Kevin Bishop Show“ und „No Heroics“ zu sehen. Sein Kinodebüt gab er 2005 in Paul Schraders Gruselschocker „Dominion: Exorzist – Der Anfang des Bösen“ („Dominion: Prequel To The Exorcist“). Filmografie (Auswahl) 2005 Dominion: Exorzist – Der Anfang des Bösen (Dominion: Prequel To The Exorcist) Regie: Paul Schrader 2008 Happy-Go-Lucky Regie: Mike Leigh 2010 ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh 39 DAVID BRADLEY (Ronnie) David Bradley ist ein Neuzugang in der Stock Company von Mike Leigh. Einem internationalen Publikum ist er vor allem durch seine Rolle als Argus Filch in den „Harry Potter“-Filmen bekannt. Darüber hinaus ist er ein anerkannter Bühnendarsteller, dem 1990 der Olivier Award als Bester Darsteller für eine Nebenrolle in der „King Lear“-Produktion des National Theatre verliehen wurde. Für den Olivier Award nominiert wurde er auch als Bester Darsteller der West-EndProduktion von Harold Pinters „No Man‟s Land“ und 2006 als Bester Nebendarsteller in der National Theatre Produktion von „Henry IV I & II“. Er arbeitet intensiv mit dem National Theatre und der Royal Shakespeare Company zusammen und trat in Sam Mendes‟ simultanen Produktionen von „Onkel Vanya“ und „Twelfth Night“ am Donmar in London und am BAM in New York auf. Außerdem war er in zahlreichen Fernsehproduktionen zu sehen, zuletzt in „The Tudors“, „Ashes to Ashes“ und „The Street“. Filmografie (Auswahl) 1987 Das stürmische Leben des Joe Orton (Prick Up Your Ears) Regie: Stephen Frears 1998 Kalmans Geheimnis (Left Luggage) Regie: Jeroen Krabbe 2001 Harry Potter und der Stein der Weisen (Harry Potter and the Sorcerer‟s Stone) Regie: Chris Columbus 2002 Harry Potter und die Kammer des Schreckens (Harry Potter and the Chamber of Secrets) Regie: Chris Columbus Nicholas Nickleby Regie: Douglas McGrath 2004 Harry Potter und der Gefangene von Askaban (Harry Potter and the Prisoner of Askaban) Regie: Alfonso Cuaron Exorzist: Der Anfang (The Exorcist: The Beginning) Regie: Renny Harlin 2005 Harry Potter und der Feuerkelch (Harry Potter and the Goblet of Fire) Regie: Mike Newell 2007 Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis (Hot Fuzz) Regie: Edgar Wright Harry Potter und der Orden des Phönix (Harry Potter and the Order of the Phoenix) Regie: David Yates 2009 Harry Potter und der Halbblutprinz (Harry Potter and the Half Blood Prince) Regie: David Yates 2010 ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh 40 MARTIN SAVAGE (Carl) Sein Filmdebüt gab Martin Savage als drogensüchtiger Schauspieler in Mike Leighs „Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ („Topsy-Turvy“, 1999). Danach war er als Taxifahrgast in „All or Nothing“ (2002) zu sehen und als einer der Polizisten, die „Vera Drake“ (2004) festnehmen. Zu seinen weiteren Filmcredits gehören „Der Schneider von Panama“ („The Tailor of Panama“, 2001) und „V wie Vendetta“ („V for Vendetta“, 2006). Darüber hinaus trat er in zahlreichen Fernsehserien auf, wie in Ricky Gervais‟ „Extras“ und Armando Ianuccis‟ „The Thick of It – Special“. Auf der Bühne war er als Peter Quince in der „Midsummer Nights Dream“-Inszenierung der Royal Shakespeare Company zu sehen und im „Faustus“ von Rupert Goold. Filmografie (Auswahl) 1999 Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt (Topsy-Turvy) Regie: Mike Leigh 2001 Der Schneider von Panama (The Tailor of Panama) Regie: John Boorman 2002 All or Nothing Regie: Mike Leigh 2004 Vera Drake Regie: Mike Leigh 2006 V wie Vendetta (V for Vendetta) Regie: James McTeigue 2010 ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh PETER WIGHT (Ken) ANOTHER YEAR markiert Peter Wights fünfte Zusammenarbeit mit Mike Leigh nach „Meantime“ (1984), „Lügen und Geheimnisse“ („Secrets & Lies“, 1996), „Nackt“ („Naked“, 1993) und „Vera Drake“ (2004), wo er den Polizeikommissar spielt, der die Welt der Familie Drake zum Einsturz bringt. Der 1950 in Sussex, England, geborene Schauspieler begann seine Karriere in den späten 1970er Jahren beim Fernsehen, wo er im Lauf der Zeit zu einer festen Größe wurde, unter anderem in den hochgelobten Serien „Out of the Blue“ und „Early Doors“. Sein Kinodebüt gab er 1993 unter der Regie von Mike Leigh in „Nackt“ („Naked“). Darüber hinaus übernahm Peter Wight kleinere Rollen in vielen Filmen, unter anderem in „Shiner“ (2004) von John Irvin, „Babel“ (2006) von Alejandro González Iñárritu, in „Stolz & Vorurteil“ („Pride & Prejudice“, 2005), „Abbitte“ („Atonement“, 2007) von Joe Wright und „Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis“ („Hot 41 Fuzz“, 2007) von Edgar Wright. Er arbeitete an Theatern in ganz Großbritannien, unter anderem am National Theatre und in der Royal Shakespeare Company. Zuletzt war er in Ian Ricksons hochgelobter Royal-Court-Produktion von „The Seagull“ neben Kristin Scott Thomas zu sehen. Filmografie (Auswahl) 1993 Nackt (Naked) Regie: Mike Leigh 1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies) Regie: Mike Leigh 2000 The Blind Date Regie: Nigel Douglas Shiner Regie: John Irvin 2001 Der vierte Engel (The Fourth Angel) Regie: John Irvin Lucky Break – Rein oder raus (Lucky Break) Regie: Peter Cattaneo 2003 The Statement – Am Ende einer Flucht (The Statement) Regie: Norman Jewison 2004 Vera Drake Regie: Mike Leigh 2005 Stolz & Vorurteil (Pride & Prejudice) Regie: Joe Wright 2006 Babel Regie: Alejandro González Iñárritu 2007 Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis (Hot Fuzz) Regie: Edgar Wright Abbitte (Atonement) Regie: Joe Wright 2010 ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh Womb Regie: Benedek Fliegauf KARINA FERNANDEZ (Katie) ANOTHER YEAR ist Karina Fernandez zweite Zusammenarbeit mit Mike Leigh nach ihrem beeindruckenden Debüt als Flamenco-Lehrerin in „Happy-Go-Lucky“ (2008). Im Fernsehen war sie in „Married Single Other“, „My Family“ und „Happy Birthday Sheakespeare“ zu sehen. Zu ihren Bühnenauftritten gehören „Lulu“, die MaxStafford-Clark-Produktion von „Shopping“ and „F***king“ am Royal Court, außerdem die Lady MacDuff in „Macbeth“ am Bristol Old Vic Studio und „The Convict‟s Opera“ an Max Stafford-Clark‟s Out of Joint. Filmografie (Auswahl) 2008 Happy-Go-Lucky Regie: Mike Leigh 42 2010 Another Year Regie: Mike Leigh IMELDA STAUNTON (Janet) ANOTHER YEAR ist Imelda Stauntons zweiter Film mit Mike Leigh, nachdem sie für ihre Darstellung der Titelrolle in „Vera Drake“ mit einem BAFTA ausgezeichnet und für den Oscar® nominiert wurde. Die 1956 in London geborene Imelda Staunton war im Fernsehen unter anderem in „Cambridge Spies“, „David Copperfield“ und „Cranford“ zu sehen. Für ihre Leistungen auf der Bühne wurde sie mit drei Olivier Awards als Beste Nebendarstellerin in „The Corn is Green“ und in „A Chorus of Disapproval“ am National Theatre sowie als Beste Musicalinterpretin in „Into the Woods“ ausgezeichnet. Sie tritt regelmäßig in den Produktionen des National Theatre auf, insbesondere in Richard Eyres Produktion von „Guys and Dolls“. Darüber hinaus war sie in drei Produktionen der Royal Shakespeare Company zu sehen, als Sonya in Michael Blakemores Production von „Uncle Vanya“ am Vaudeville Theatre und an der Seite von Jim Broadbent and Brenda Blethyn in Sam Mendes‟ Produktion von „Habeas Corpus“ am Donmar Warehouse. Zu ihren Kinocredits zählen „Shakespeare in Love“ (1998), „Sinn und Sinnlichkeit“ („Sense and Sensibility“, 1995), „Harry Potter und der Orden des Phönix“ („Harry Potter and the Order of the Phoenix“, 2007) und „Taking Woodstock“ (2009). Filmografie (Auswahl) 1992 Peters Friend‟s – Freunde sind die besten Feinde (Peter‟s Friends) Regie: Kenneth Branagh 1993 Viel Lärm um Nichts (Much Ado About Nothing) Regie: Kenneth Branagh 1995 Sinn und Sinnlichkeit (Sense and Sensibility) Regie: Ang Lee 1998 Shakespeare in Love Regie: John Madden 2003 Bright Young Things Regie: Stephen Fry 2004 Vera Drake Regie: Mike Leigh 2005 Eine zauberhafte Nanny (Nanny McPhee) Regie: Kirk Jones 2007 Freedom Writers Regie: Richard LaGravanese Harry Potter und der Orden des Phönix (Harry Potter and the Order of the Phoenix) Regie: David Yates 2009 Taking Woodstock Regie: Ang Lee 43 ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh Harry Potter und die Heiligtümer des Todes (Harry Potter and the Deathly Hallows) Regie: David Yates PHILIP DAVIS (Jack) Philip Davis ist den Kinozuschauern vor allem durch seine Rolle als Motorradkurier in Mike Leighs „Hohe Erwartungen“ („High Hopes“, 1988) bekannt. Für seine Darstellung des Ehemannes von „Vera Drake“ (2004) wurde er unter anderem als Bester Schauspieler mit dem British Independent Film Award ausgezeichnet. Mit Mike Leigh arbeitete er darüber hinaus in den Fernsehfilmen „Who‟s Who“ und „Grown-Ups“ und übernahm auch eine kleine Rolle in „Lügen und Geheimnisse“ („Secrets & Lies“, 1996). Im britischen Fernsehen ist er eine bekannte Größe, unter anderem in „The Curse of Steptoe“ und „Bleak House“ sowie in Alan Clarks legendärer Serie „The Firm“. Auf der Bühne war er zuletzt am National Theatre in Philistines und in Christopher Hamptons „Tales from Hollywood“ am Donmar Warehouse zu sehen. Im Kino sah man ihn in „Tagebuch eines Skandals“ („Notes on a Scandal“, 2006) „Nicholas Nickleby“ (2006), „Face – Abgerechnet wird zum Schluss“ („Face“, 1997) „Alien 3“ (1993), „Die Bounty“ („The Bounty“, 1994) und „Quadrophenia“ (1979). Filmografie (Auswahl) 1979 Quadrophenia Regie: Frank Roddam 1982 Oliver Twist Regie: Clive Donner Pink Floyd The Wall Regie: Alan Parker 1984 Die Bounty (The Bounty) Regie: Roger Donaldson 1988 Hohe Erwartungen (High Hopes) Regie: Mike Leigh 1993 Alien 3 Regie: David Fincher Im Namen des Vaters (In the Name of the Father) Regie: Jim Sheridan 1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies) Regie: Mike Leigh 1997 Face – Abgerechnt wird zum Schluss (Face) Regie: Antonia Bird 2002 Nicholas Nickleby Regie: Douglas McGrath 2004 Vera Drake Regie: Mike Leigh 44 2005 2006 2007 2010 Casanova Regie: Lasse Hallström Tagebuch eines Skandals (Notes on a Scandal) Regie: Richard Eyre Cassandras Traum (Cassandra‟s Dream) Regie: Woody Allen ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh 45 HINTER DER KAMERA GEORGINA LOWE (Produzentin) Georgina Lowe begann ihre Zusammenarbeit mit Mike Leigh als Produktionsaufsicht bei den Filmen „Nackt“ („Naked“, 1993), „Lügen und Geheimnisse“ („Secrets & Lies“, 1996) und „Karriere Girls“ („Career Girls“, 1997). Bei „Topsy-Turvy - Auf den Kopf gestellt“ („Topsy-Turvy“, 1999), „All or Nothing“ (2002), „Vera Drake“ (2004) und „Happy-Go-Lucky“ (2008) fungierte sie als Coproduzentin und Line Producer. Nach dem Tod von Mike Leighs langjährigem Produzenten Simon Channing-Williams übernahm Georgina Lowe bei ANOTHER YEAR zum ersten Mal die Rolle der Produzentin. Zu ihren Credits als Fernsehproduzentin gehören „The Mayor of Carterbridge“, die Sarah-Waters-Adaptionen „Tipping the Velvet“ und „Fingersmith“, für die sie für den BAFTA nominiert wurde, sowie zuletzt drei Folgen des populären TV-Dramas „Kingdom“ mit Stephen Fry. Filmographie (Auswahl) Als Production Supervisor: 1993 Nackt (Naked) Regie: Mike Leigh 1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies) Regie: Mike Leigh 1997 Karriere Girls (Career Girls) Regie: Mike Leigh Als Coproduzentin und Line Producer: 1999 Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt (Topsy-Turvy) Regie: Mike Leigh 2002 All or Nothing Regie: Mike Leigh 2004 Vera Drake Regie: Mike Leigh 2008 Happy-Go-Lucky Regie: Mike Leigh Als Produzentin: 2010 ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh 46 DICK POPE, BSC (Kameramann) Mit dem 1947 im englischen Kent geborenen Dick Pope verbindet Mike Leigh bereits eine langjährige produktive Zusammenarbeit, seit 1990 führte Pope die Kamera bei „Das Leben ist süß“ („Life Is Sweet“, 1990), „Nackt“ („Naked“, 1993), „Lügen und Geheimnisse“ („Secrets & Lies“, 1996), „Karriere Girls“ („Career Girls“, 1997), „Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ („Topsy-Turvy“, 1999), „All or Nothing“ (2002) und dem TV-Kurzfilm „A Sende of History“. Für seine Kameraarbeiten an „Lügen und Geheimnisse“ und „Vera Drake“ wurde er jeweils mit der Goldmedaille des Cameraimage International Festivals of the Art of Cinematography ausgezeichnet. Im Jahr 2000 folgte dort noch der Preis für die Beste Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Kameramann. Zu Popes weiteren Kinoarbeiten zählen Beeban Kidrons „Amy Foster – Im Meer der Gefühle“ („Swept from the Sea“, 1997), Anthony Neilsons „The Dept Collector“ (1999), Christopher McQuarries „The Way of the Gun“ (2000), Jill Sprechers „Thirteen Conversations about one thing“ (2001), Douglas McGraths „Nicholas Nickleby“ (2002), Barry Levinsons „Man of the Year“ (2006) sowie John Sayles‟ „Honeydripper“ (2007). Für die Kamera von Neil Burgers „The Illusionist“ (2006), mit Edward Norton in der Hauptrolle, wurde Dick Pope für den Oscar® nominiert. Zuletzt führte er die Kamera bei Gurinder Chadhas „Frontalknutschen“ („Angus, Thongs and Full-Frontal Snoggings“, 2008) und Richard Linklaters „Ich & Orson Welles“ („Me and Orson Welles“, 2009) sowie Jill Sprechers „The Convincer“ (2011). Filmografie (Auswahl) 1990 Schrei in der Stille (Reflecting Skin) Regie: Philip Ridley Das Leben ist süß (Life Is Sweet) Regie: Mike Leigh 1993 Nackt (Naked) Regie: Mike Leigh 1995 Eine sachliche Romanze (An Awfully Big Adventure) Regie: Mike Newell 1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies) Regie: Mike Leigh 1997 Karriere Girls (Career Girls) Regie: Mike Leigh Amy Foster – Im Meer der Gefühle (Sweapt from the Sea) Regie: Beeban Kidron 1999 Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt (Topsy-Turvy) Regie: Mike Leigh 2002 All or Nothing Regie: Mike Leigh Nicholas Nickleby Regie: Douglas McGrath 47 2004 2006 2007 2008 2010 2011 Vera Drake Regie: Mike Leigh Der Illusionist (The Illusionist) Regie: Neil Burger Man of the Year Regie: Barry Levinson Honeydripper Regie: John Sayles Happy-Go-Lucky Regie: Mike Leigh Frontalknutschen (Angus, Thongs and Full Frontal Snogging) Regie: Gurinder Chadha Me and Orson Welles Regie: Richard Linklater ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh It‟s a Wonderful Afterlife Regie: Gurinder Chadha The Convincer Regie: Jill Sprecher Bernie Regie: Richard Linklater JON GREGORY (Schnitt) Nach diversen Fernseharbeiten übernahm Jon Gregory bei „Hohe Erwartungen“ („High Hopes“, 1988) zum ersten Mal den Schnitt für Mike Leigh, es folgten „Das Leben ist zu süß“ („Life Is Sweet“, 1990), „Nackt“ („Naked“, 1993) und „Lügen und Geheimnisse“ („Secrets & Lies“, 1996), bevor er über einen längeren Zeitraum regelmäßig mit Mike Newell bei den Filmen „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ („Four Weddings and a Funeral“, 1994), „Eine sachliche Romanze“ („An Awfully Big Adventure“, 1995), „Donnie Brasco“ (1997) und „Turbulenzen und andere Katastrophen“ („Pushing Tin“, 1999) zusammenarbeitete. Nach vierzehn Jahren Pause seit „Lügen und Geheimnisse“ konnten Leigh und Gregory ihre erfolgreiche Kooperation bei ANOTHER YEAR fortsetzen. In der Zwischenzeit war Jon Gregrory unter anderem für John Hillcoat („The Proposition“ und „The Road“) tätig und ist außerdem für den Schnitt von Chen Kaiges „Killing me Softly“ (2002) und für „Brügge sehen ... und sterben?“ („In Bruges“, 2008) von Martin McDonagh verantwortlich. Filmografie (Auswahl) 1988 High Hopes (Hohe Erwartungen) Regie: Mike Leigh 1990 Das Leben ist süß (Life Is Sweet) Regie: Mike Leigh 1991 London schafft alle (London Kills Me) Regie: Hanif Kureishi 48 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2002 2005 2008 2009 2010 Nackt (Naked) Regie: Mike Leigh Vier Hochzeiten und ein Todesfall (Four Weddings and a Funeral) Regie: Mike Newell Eine sachliche Romanze (An Awfully Big Adventure) Regie: Mike Newell Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies) Regie: Mike Leigh Donnie Brasco Regie: Mike Newell Wachgeküsst (Living Out Loud) Regie: Richard Lagravanese Turbulenzen und andere Katastrophen (Pushing Tin) Regie: Mike Newell Killing Me Softly Regie: Chen Kaige The Proposition Regie: John Hillcoat Brügge sehen ... und sterben? (In Bruges) Regie: Martin McDonagh The Road Regie: John Hillcoat ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh SIMON BERESFORD (Szenenbild) ANOTHER YEAR ist Simon Beresfords erste Zusammenarbeit mit Mike Leigh. Zu seinen anderen Credits gehören der Spielfilm „Der Fremde“ („Out of Season“, 2004) mit Dennis Hopper and Gina Gershon sowie der Fernsehfilm „Thatcher: The Long Walk to Finchley“. Am Theater hat er unter anderen die Bühnenbilder für „Anthony and Cleopatra“ mit Vanessa Redgrave und für die Inszenierung von „Die gefährlichen Liebschaften“ in Zürich gestaltet. Über die Jahre hat er für vielfältige Theaterproduktionen gearbeitet, unter anderem an De Nederlandse Opera, bei den Bregenzer Festspiele, an der Scottish Opera und der Houston Grand Opera sowie am Royal Ballet. Filmografie (Auswahl) 2004 Der Fremde (Out of Season) Regie: Jevon O‟Neill 2010 ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh 49 GARY YERSHON (Musik) ANOTHER YEAR ist Gary Yershons vierte Zusammenarbeit mit Mike Leigh. Er fungierte als Musikregisseur bei der Musicalkomödie „Topsy Turvy – Auf den Kopf gestellt“ („Topsy-Turvy“, 1999), komponierte die Musik für Leighs Bühneninszenierung von „Two Thousand Years“ am National Theatre und war für die Musik von „Happy-Go-Lucky“ (2008) verantwortlich. Er hat eine ganze Reihe von Musiken für Bühnenproduktionen komponiert, unter anderem für die Royal Shakespeare Company, das National Theatre, den Royal Court, das Almeida, das Donmar Warehouse, das Old Vic und das Young Vic sowie für größere regionale Theater Großbritanniens und für viele West-End-Shows, unter anderem Yasmina Rezas Stücke „Art“, „The Unexpected“, „Life x 3“ und „ The God of Carnage“. Sein Beitrag zu Matthew Warchus Wiederaufnahme von „The Norman Conquests“ brachte ihm 2009 eine Drama Desk-Nominierung ein. Zu seinen zahlreichen Rundfunkmusiken gehören in jüngster Zeit „Gwain and the Green Knight“ für Radio 4, „The Theban Plays“ für Radio 3 und die mit dem Sony Award ausgezeichneten Produktionen von „Lorilei“ und „Autumn Journal“. Im Fernsehen hat er unter anderem die Musiken für die Cartoon-Serien „The Heritage Game“ und „Trial and Retribution IX und X“ von Lynda La Plante komponiert. Für die Filmmusik in ANOTHER YEAR ist Yershon für den Europäischen Filmpreis 2010 in der Kategorie Europäischer Komponist 2010 nominiert. Filmografie 1999 Topsy Turvy – Auf den Kopf gestellt (Topsy-Turvy) Regie: Mike Leigh 2008 Happy-Go-Lucky Regie: Mike Leigh 2010 ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh Nominiert für den Europäischen Filmpreis 2010 als Europäischer Komponist 2010 JACQUELINE DURRAN (Kostüme) Mike Leighs Workingclass-Drama „All or Nothing“ war Jacqueline Durrans erste selbständige Arbeit als Kostümbildnerin. Zuvor war sie jahrelang als Assistentin von Lindy Hemming tätig gewesen, die für ihre Kostüme in Mike Leighs Musicalfilm „Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ („Topsy-Turvy“, 1999) mit einem Oscar® ausgezeichnet worden war. Unmittelbar im Anschluss an „All or Nothing“ (2002) 50 kleidete Durran die Darsteller von David Mackenzies „Young Adam - Dunkle Leidenschaft“ („Young Adam“, 2003) ein, in dem Ewan McGregor die Hauptrolle spielt. Danach engagierte Leigh sie erneut für sein BAFTA-prämiertes Drama „Vera Drake“ (2004) und für „Happy-Go-Lucky“ (2008). Zwei Oscar®-Nominierungen bekam Durran für ihre Arbeit unter der Regie von Joe Wright bei der Jane-Austen-Verfilmung „Stolz & Vorurteil“ („Pride & Prejudice“, 2005), in der unter anderem Keira Knightley, Donald Sutherland und Brenda Blethyn die von ihr entworfenen Kostüme tragen, sowie bei „Abbitte“ („Atonement“, 2007), mit Keira Knightley, James McAvoy und Vanessa Redgrave in den Hauptrollen. Im folgenden Jahr war sie bei der Verfilmung der auf realen Tatsachen basierenden Geschichte von „Der Solist“ („The Soloist“, 2009) mit Robert Downey Jr., Catherine Keaner und Jamie Foxx erneut für Joe Wright tätig. Zu ihren jüngsten Arbeiten gehören „Eine zauberhafte Nanny – Knall auf Fall in ein neues Abenteuer“ („Nanny McPhee and the Big Bang“, 2010) mit Emma Thompson sowie „Wurthering Heights“ (2011), der neue Film von Andrea Arnold. Filmografie (Auswahl) 2002 All or Nothing Regie: Mike Leigh 2003 Young Adam – Dunkle Leidenschaft (Young Adam) Regie: David Mackenzie 2004 Vera Drake Regie: Mike Leigh 2005 Stolz und Vorurteil (Pride & Prejudice) Regie: Joe Wright 2007 Abbitte (Atonement) Regie: Joe Wright 2008 Happy-Go-Lucky Regie: Mike Leigh 2009 Der Solist (The Soloist) Regie: Joe Wright 2010 ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh Eine zauberhafte Nanny – Knall auf Fall in ein neues Abenteuer (Nanny McPhee and the Big Bang) Regie: Susanna White 2011 Wuthering Heights Regie: Andrea Arnold 51 CHRISTINE BLUNDELL (Make-up und Frisuren) Vor ANOTHER YEAR arbeitete die 1961 in London geborene Christine Blundell bereits neunmal mit Regisseur Mike Leigh zusammen: in „Das Leben ist süß“ („Life Is Sweet“, 1990), „Nackt“ („Naked“, 1993), „Lügen und Geheimnisse“ („Secrets & Lies“, 1996), „Karriere Girls“ („Career Girls“, 1997), “Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt” („Topsy-Turvy“, 1999), „All or Nothing“, „Vera Drake“ und „Happy-Go-Lucky“. Für ihr herausragendes Make-up in „Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ wurde sie mit einem Oscar® und einem BAFTA Award ausgezeichnet. Zu ihren weiteren Kinoarbeiten zählen Peter Cattaneos Stripper-Komödie „Ganz oder gar nicht“ („The Full Monty“, 1997), Jean-Jacques Annauds „Sieben Jahre in Tibet“ („Seven Years in Tibet“, 1997) mit Brad Pitt in der Hauptrolle und Frank Coracis „In 80 Tagen um die Welt“ („Around the World in 80 Days“, 2004), mit Jackie Chan und Jim Broadbent in den Hauptrollen. In den letzten Jahren arbeitete sie an prominenten Filmen wie Fernando Meirelles‟ „Der ewige Gärtner“ („The Constant Gardener“, 2005), in dem Ralph Fiennes die Titelrolle spielt und für den Rachel Weisz mit einem Oscar® als Beste Nebendarstellerin ausgezeichnet wurde, Michael Caton-Jones‟ Sequel „Basic Instinct – Neues Spiel für Catherine Tramell“ („Basic Instinct 2“, 2006), in dem Charlotte Rampling an der Seite von Sharon Stone agiert, Martin Campbells Agenten-Abenteuer „James Bond 007 – Casino Royale“ („Casino Royale“, 2006), mit dem Daniel Craig sein Debüt als Superagent gab, sowie das Science-FictionAbenteuer „Sunshine“ (2007), bei dem der Brite Danny Boyle Regie führte. Darüber hinaus war Blundell die persönliche Make-up-Artistin von Nathalie Portman in Mike Nichols‟ Beziehungsdrama „Hautnah“ („Closer“, 2004) und von Naomi Watts in David Cronenbergs Oscar®-nominiertem Film Noir „Tödliche Versprechen“ („Eastern Promises“, 2007). Zu ihren jüngsten Credits gehören Beeban Kidrons „Hippie Hippie Shake“ (2010), Richard Curtis‟ „Radio Rock Revolution“ („The Boat that Rocked“, 2009) und Guy Ritchies modernisierte Version von Sir Arthur Conan Doyles „Sherlock Holmes“ (2009) mit Robert Downey Jr. und Jude Law. Filmografie (Auswahl) 1990 Das Leben ist süß (Life is Sweet) Regie: Mike Leigh 1993 Nackt (Naked) Regie: Mike Leigh 1995 Hackers – Im Netz des FBI (Hackers) Regie: Iain Softley 1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies) Regie: Mike Leigh 52 1997 1999 2002 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Carla‟s Song Regie: Ken Loach Karriere Girls (Career Girls) Regie: Mike Leigh Ganz oder gar nicht (The Full Monty) Regie: Peter Cattaneo Sieben Jahre in Tibet (Seven Years in Tibet) Regie: Jean-Jacques Annaud Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt (Topsy-Turvy) Regie: Mike Leigh All or Nothing Regie: Mike Leigh Vera Drake Regie: Mike Leigh In 80 Tagen um die Welt (Around the World in 80 Days) Regie: Frank Coraci Wenn Träume fliegen lernen (Finding Neverland) Regie: Marc Forster Hautnah (Closer) Regie: Mike Nichols Der ewige Gärtner (The Constant Gardener) Regie: Fernando Merelles James Bond 007 – Casino Royale (Casino Royale) Regie: Martin Campbell Sunshine Regie: Danny Boyle Tödliche Versprechen (Eastern Promises) Regie: David Cronenberg Happy-Go-Lucky Regie: Mike Leigh Radio Rock Revolution (The Boat That Rocked) Regie: Richard Curtis Sherlock Holmes Regie: Guy Ritchie ANOTHER YEAR Regie: Mike Leigh Hippie Hippie Shake Regie: Beeban Kidron 53 AUSGEWÄHLTE PRESSESTIMMEN „Wie jede Szene rund und vollkommen wirkt, die Kameraführung einen mitnimmt in diese Runde von Menschen, die man am Ende gar nicht mehr verlassen will, wie die Räume von ihren Bewohnern erzählen – daran spürt man, dass in ANOTHER YEAR ein großer Regisseur am Werk ist.“ Süddeutsche Zeitung (Susan Vahabzadeh), 17. Mai 2010 „Ein großer Film. [...] Das liegt an langen Einstellungen, in denen Leigh seine Figuren immer wieder zu einer kleinen Schicksalsgemeinschaft verschweißt. An seinen Darstellern – Jim Broadbent, Lesley Mansville, Ruth Sheen –, vor denen man auf die Knie fallen möchte.“ DIE ZEIT (Katja Nicodemus), 20. Mai 2010 „Es gelingt Mike Leigh, mit Alltäglichem zu fesseln.“ „Auch Leute, deren Vorlieben im Kino von Mike Leigh in der Regel nicht bedient werden, können die Meisterschaft nicht leugnen, mit der er genau das erzählt, mit der genau das erzählt wird, was der Titel sagt – wie ein Jahr im Leben vergeht –, und dabei sein umwerfendes Schauspielensemble dazu bringt, unser ganzes Interesse auf den Alltag der Figuren zu lenken.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung (Verena Lueken), 17. Mai 2010 „Der erste berührende und gleichzeitig humorvolle Film der Filmfestspiele.“ WELT KOMPAKT, 17. Mai 2010 „Mike Leigh, der seine Drehbücher in den Proben mit den Darstellern entwickelt, erreicht inzwischen eine fast beängstigende Vollkommenheit: ANOTHER YEAR, eine episodisch aufgefächerte Familiengeschichte um ein glücklich gealtertes Paar und ihr weniger gesegnetes familiäres Umfeld, hat Dialoge wie von Harold Pinter und Bilder wie bei Joseph Losey. Es ist das erste Meisterwerk in diesem Jahr.“ Frankfurter Rundschau (Daniel Kothenschulte), 17. Mai 2010 „Der Brite Mike Leigh hat wieder die Stärke des realistischen, lebensnahen Kinos gezeigt.“ Abendzeitung, 17. Mai 2010 54 „Leigh empfiehlt Empathie. Sein hellwacher, sensibler Blick schärft die Sinne derart, dass man fast glaubt, das Kino könne einen lehren, ein besserer Mensch zu werden. Man möchte ihnen [Leighs Figuren] stundenlang beim Alltag zuschauen. Mike Leigh ist ein Meister des stillen, hochpräzisen Naturalismus.“ tagesspiegel.de, 17.05.2010 „Doch dass die beiden eben nicht nerven in all ihrer Fürsorglichkeit, ist eines der vielen kleinen Wunder, die Leigh in diesem Film gelingen. Leigh lässt den Zuschauer tiefste Verzweiflung so eindringlich spüren, dass es schmerzt, und doch strahlt sein Film eine menschliche Wärme aus, von der man noch lange zehrt, nachdem man das Kino verlassen hat.“ spiegel.de (Lars-Olav Beier), 16. Mai 2010 4,5/5 Sternen „Ein bittersüßes Drama, das voller Weisheit und ohne falsche Sentimentalität die simple, aber eindringliche Wahrheit ausdrückt, dass manche Menschen ihr Glück finden und andere am Leben scheitern. Da ist es schon schade, dass der große Kritikerfavorit und Publikumsliebling bei der Preisvergabe des Wettbewerbs der Filmfestspiele von Cannes vollkommen übergangen wurde.“ Filmstarts.de, Mai 2010 „ANOTHER YEAR ist eine reife und weise Reflexion über die Höhen und Tiefen des Lebens, die ihren Platz neben den besten Filmen von Mike Leigh behauptet, neben ‚Lügen und Geheimnisse„, ‚Vera Drake„ und ‚Das Leben ist süß„.“ The Daily Telegraph (David Gritten) „Wunderschön, beißend und auf kuriose Weise fesselnd: Ein bittersüßer Salut an die Schrecken und Vergnügungen des Älterwerdens.“ The Observer (Xan Brooks) „Wunderbar beobachtet“ News of the World 55 „Lebendig und unvergesslich“ Empire „Eine absolut makellose Produktion“ Variety „Emotional kraftvoll“ The Times „Der vielleicht schönste Film des englischen Regisseurs.“ La Repubblica (Natalia Aspesi) „Mike Leigh führt Regie für einen sensiblen Film mit berührender Größe.“ La Repubblica (Roberto Nepoti) „Wunderbar, perfekt und universal. Natürlichkeit in Filmform. Nur Mike Leigh weiß, wie viele Proben notwendig waren, um dieses Ergebnis zu erzielen.“ Il Foglio (Mariarosa Mancuso) „Jede Szene eröffnet eine Welt dank eines reichen, vielfältigen Subtextes, eines sorgfältig erkundeten Hintergrunds aller Protagonisten und der Bravour der wunderbaren Schauspieler.“ Il Messagero (Fabio Ferzetti) „Ein äußerst angenehmes Eintauchen in das wahre Leben von wahren Personen, die von Schauspielern dargestellt werden, die spielen, wie sie atmen. Ein herrlicher Film.“ L‟Unità (Alberto Crespi) 56