another year - Startseite

Transcription

another year - Startseite
Presseheft
ANOTHER YEAR
Ein Film von
MIKE LEIGH
mit
JIM BROADBENT, LESLEY MANVILLE, RUTH SHEEN u. v. m.
Kinostart: 27. Januar 2011
129 Minuten / UK 2010 / Cinemascope / Dolby Digital
Material erhältlich unter www.prokino.medianetworx.de
VERLEIH
PROKINO
Widenmayerstr. 38
80538 München
FON (089) 21 01 14-0
FAX (089) 21 01 14-11
E-MAIL presse@prokino.de
PRESSEBETREUUNG
Filmpresse Meuser
Niddastrasse 64H
60329 Frankfurt am Main
FON (069) 40 58 04-0
FAX (069) 40 58 04-13
E-MAIL info@filmpresse-meuser.de
VERMIETUNG
Twentieth Century Fox
Darmstädter Landstr. 114
60598 Frankfurt am Main
FON (069) 60 90 2-0
FAX (069) 60 90 2-63
INHALT
BESETZUNG
03
STAB
04
DEUTSCHE SYNCHRONISATION
05
KURZINHALT
06
PRESSENOTIZ
06
LANGINHALT
07
GLÜCK IM ALTER
Zum gewandelten Bild älterer Generationen im Kino
10
MIKE LEIGH (Regie & Drehbuch)
Interview mit Mike Leigh
13
15
VOR DER KAMERA
22
JIM BROADBENT (Tom)
Interview mit Jim Broadbent
22
24
RUTH SHEEN (Gerri)
Interview mit Ruth Sheen
27
28
LESLEY MANVILLE (Mary)
Interview mit Lesley Manville
33
34
OLIVER MALTMAN (Joe)
39
DAVID BRADLEY (Ronnie)
40
MARTIN SAVAGE (Carl)
41
PETER WIGHT (Ken)
41
KARINA FERNANDEZ (Katie)
42
IMELDA STAUNTON (Janet)
43
PHILIP DAVIS (Jack)
44
HINTER DER KAMERA
46
GEORGINA LOWE (Produzentin)
46
DICK POPE, BSC (Kameramann)
47
JON GREGORY (Schnitt)
48
SIMON BERESFORD (Szenenbild)
49
GARY YERSHON (Musik)
50
JACQUELINE DURRAN (Kostüme)
50
CHRISTINE BLUNDELL (Make-up und Frisuren)
52
AUSGEWÄHLTE PRESSESTIMMEN
54
2
BESETZUNG
Die Familie von Tom und Gerri:
TOM, Ehemann von Gerri
Jim Broadbent
GERRI, Ehefrau von Tom
Ruth Sheen
JOE, Tom und Gerris Sohn
Oliver Maltman
RONNIE, Toms Bruder
David Bradley
CARL, Neffe von Tom und Gerri
Martin Savage
Die Freunde von Tom und Gerri:
MARY, Gerris Freundin und Arbeitskollegin
Lesley Manville
KEN, Freund von Tom und Gerri
Peter Wight
KATIE, Joes Freundin
Karina Fernandez
JANET, Gerris Patientin
Imelda Staunton
TANYA, Gerris Arbeitskollegin
Michele Austin
JACK, Freund von Tom und Gerri
Philip Davis
3
STAB
Regie & Drehbuch
Mike Leigh
Produktion
Thin Man Films
Simon Channing Williams Production
FILM4
Untitled 09 Limited
in Zusammenarbeit mit
UK Film Council
Produzentin
Georgina Lowe
Ausführende Produzenten
Gail Egan
Tessa Ross
Kamera
Dick Pope, BSC
Schnitt
Jon Gregory, ACE
Szenenbild
Simon Beresford
Kostüme
Jaqueline Durran
Musik
Gary Yershon
Make-up und Frisur
Christine Blundell
Casting
Nina Gold
4
DEUTSCHE SYNCHRONISATION
Produktion
TaunusFilm GmbH Synchron Berlin
Buch & Regie
Beate Klöckner
Übersetzung
Margit Webb
Aufnahmeleitung
Ursula Weber
Schnitt
Mark Meyer
Aufnahmetonmeister
Reinhard Kunow
Masteringtonmeister
Manfred Arbter
Mischtonmeister
Ekkehard Strauhß
Sprecher:
Tom (Jim Broadbent)
Roland Hemmo
Gerri (Ruth Sheen)
Monica Bielenstein
Joe (Oliver Maltman)
Sebastian Schulz
Ronnie (David Bradley)
Bert Franzke
Carl (Martin Savage)
Michael Iwannek
Mary (Lesley Manville)
Christin Marquitan
Ken (Peter Wight)
Axel Lutter
Katie (Karina Fernandez)
Maria Koschny
Janet (Imelda Staunton)
Marie Gruber
Jack (Philip Davis)
Peter Reinhardt
5
KURZINHALT
Frühling, Sommer, Herbst, Winter … Ein Jahr im Leben von Tom und Gerri. Beide
um die sechzig und seit vielen Jahren glücklich verheiratet. Ein Jahr voller Alltag und
Gartenarbeit, Abendessen, Grillpartys, Freundes- und Familienkrisen.
Mit Charme und Herzenswärme und seinem besonderen Gespür für die Komik und
Tragik des Alltäglichen lässt Mike Leigh den Vorruhestand optimistische Funken
schlagen und zeigt seine beiden Helden als Paradebeispiel für eine ganze
Generation unternehmungslustiger und tatkräftiger Menschen in fortgeschrittenen
Jahren. Berührend und gleichzeitig humorvoll feiert ANOTHER YEAR das kleine
Glück einer intakten Familie in der tiefsten englischen Vorstadttristesse.
PRESSENOTIZ
Nach „Happy-Go-Lucky“ lief Mike Leighs neue Komödie mit großem Erfolg im
diesjährigen Wettbewerbsprogramm in Cannes und galt lange Zeit als Favorit im
Rennen um die Goldene Palme. Mike Leighs neuestes Werk ist prominent besetzt
mit Leighs Stammpersonal: Oscar®-Gewinner Jim Broadbent („Iris“, „Moulin Rouge“),
Ruth Sheen („Lügen und Geheimnisse“), Lesley Manville („Vera Drake“), Philip Davis
(„Tagebuch eines Skandals“) und Imelda Staunton („Harry Potter“).
Statt sich gepflegter Langeweile und zermürbenden Krankheiten und Gebrechen
hinzugeben, legen die Senioren bei Mike Leigh einen unverdrossenen Optimismus
an den Tag, der auch die Nöte ihrer Freunde und Familienmitglieder überstrahlt und
allen Widrigkeiten zum Trotz immer wieder hoffnungsvolle und komische Wendungen
zeigt.
6
LANGINHALT
Tom (Jim Broadbent) und Gerri (Ruth Sheen) sind ein über die Jahre harmonisch
und liebevoll zusammengewachsenes Paar. Sie arbeitet als Therapeutin im
Gesundheitsamt, er untersucht als Geologe die Bodenbedingungen für zukünftige
Bauprojekte. Ihr Leben verläuft im Rhythmus der Natur, die ihnen die Aufgaben auf
ihrem
Schrebergartengrundstück
vorgibt.
Durch
ihre
Herzenswärme,
Gastfreundschaft und Gutmütigkeit wird ihr kleines Londoner Häuschen im Lauf des
Jahres zur Zuflucht für Freunde und Familienmitglieder, denen das Schicksal nicht
ganz so wohlgesonnen ist wie ihnen. Mit ihrer Menschlichkeit, aber auch mit ihrem
typisch britischen Sinn für Humor finden sie auch in scheinbar aussichtlosen
Situationen neuen Lebensmut.
Im Frühling wecken Tom und Gerri ihren Garten aus dem Winterschlaf. Eines
Abends bieten sie Mary (Lesley Manville), einer alleinstehenden Arbeitskollegin von
Gerri, ein bisschen Nestwärme und eine liebevoll zubereitete Mahlzeit. Im Laufe des
Beisammenseins und unter wachsendem Alkoholeinfluss verliert sich Mary
zunehmend in Selbstmitleid über ihr verkorkstes Leben. Dabei tritt vor allem ihre
Sehnsucht nach einem Mann an ihrer Seite offen zutage, was Tom und Gerri abends
im Bett nachsichtig und mitfühlend kommentieren. Die betrunkene Mary bleibt über
Nacht und begegnet am nächsten Morgen verkatert Joe (Oliver Maltman), dem
dreißigjährigen Sohn ihrer Gastgeber, für den sie sich ein kleines bisschen zu stark
interessiert.
Zu
seinen
Eltern
hat
der
Pflichtanwalt
ein
offensichtlich
freundschaftliches Verhältnis. Auf die behutsame Nachfrage seiner Mutter bekundet
er, dass sich bei ihm in Liebesdingen noch keine Neuigkeiten ergeben haben,
anders, als es bei seinen Freunden der Fall ist.
Im Sommer unternimmt Ken (Peter Wight), der im Arbeitsamt von Hull arbeitet, einen
Ausflug nach London, um ein Wochenende mit seinem Jugendfreund Tom und
dessen Frau zu verbringen. So wie Mary im Frühling löst auch ihm der Alkohol in
einer langen Sommernacht nach einem guten Essen die Zunge, auch er ergießt sich
in Selbstmitleid über die Tragik seines Lebens, auch er erhält liebevollen Zuspruch
von Tom und Gerri. Am nächsten Tag verbringt Gerri die Sonnenstunden im
Schrebergarten, während Tom, Ken, Joe und ein Nachbar eine Golfpartie unter
Männern genießen. Zur anschließenden Grillparty erscheint Mary völlig aufgelöst mit
7
dreistündiger Verspätung, sprudelnd vor Glück, aber auch offensichtlich überfordert
von ihrem frisch erworbenen roten Gebrauchtwagen und völlig blind und taub für
andere Menschen. Während sich Ken in rührender Vergeblichkeit um Marys
Aufmerksamkeit bemüht, gilt deren ganzes Interesse dem erheblich jüngeren Joe,
woraus sich einige verzweifelt komische Situationen ergeben.
Im Herbst ist Erntezeit im Schrebergarten. Als Tom und Gerri erschöpft und
zufrieden zu Hause ankommen, wartet ihr Sohn Joe mit einer freudigen
Überraschung: Hinter der Tür hat er seine neue Freundin Katie (Karina Fernandez)
versteckt, die ähnlich wie Gerri als Therapeutin arbeitet und die Herzen des
Elternpaares mit ihrer natürlichen Herzlichkeit im Sturm erobert. Misstöne und
Unruhe kommen in den friedlichen Familiennachmittag, als Mary wie verabredet zum
Tee erscheint und ausgesprochen eifersüchtig und offen feindselig auf Katie reagiert.
Das Verständnis, das Tom und Gerri für Marys Nöte hegen, gerät spürbar an ihre
Grenzen, als diese zur Bedrohung für den Familienfrieden wird. Nach der
Verabschiedung
bleibt
im
Heim
der
gutmütigen
Eheleute
ein
schlechter
Nachgeschmack zurück.
Im Winter fahren Gerri, Tom und Joe nach Derby, um Toms älterem Bruder Ronny
(David Bradley) bei der Beerdigung seiner plötzlich verstorbenen Frau Linda
beizustehen. Ihr entfremdeter Sohn Carl (Martin Savage) erscheint erst im
Krematorium, als die Zeremonie gerade zu Ende ist. Nach der Rückkehr der kleinen
Trauergesellschaft in Ronnys Haus attackiert der hereinstürmende Carl seinen
trauernden Vater mit wüsten Tiraden und treibt Lindas Nachbarn und Arbeitskollegen
zum übereilten Rückzug. Wie schon so oft haben Tom und Gerri auch jetzt ein
offenes Herz für Freunde und Familie in Not, sie nehmen Ronnie für ein paar Tage
mit zu sich nach London. Während sie ihren Garten winterfest machen, taucht Mary
unangekündigt und in desolatem Zustand vor ihrem Haus auf und überzeugt den
zunächst widerwilligen Ronnie, sie einzulassen. Bei einer Tasse heißem Tee und
einer Zigarette im Vorgarten knüpft die verletzlich und kleinlaut wirkende Mary zarte
Bande zu dem wortkargen Witwer. Als Tom und Gerri von der Gartenarbeit
zurückkehren, können sie ihren Unmut über das unangekündigte Auftauchen der in
Ungnade gefallenen Mary nur mühsam unterdrücken, zumal sie auch Joe und Katie
erwarten. Nach einer rührenden Entschuldigung bringen sie es jedoch nicht übers
8
Herz, die offensichtlich bekümmerte Frau vor die Tür zu setzen. Mary wird also
wieder in den Kreis der Familie aufgenommen. Beim anschließenden gemeinsamen
Essen erinnern sich Gerri und Tom an ihre Jugendzeit als Rucksackweltreisende,
während Katie und Joe die Vorfreude auf ihre anstehende Parisreise schüren und
Ronnie und Mary zurückhaltend lauschen. Einer langsamen Kamerafahrt über die
Gesichter aller am Tisch Versammelten schließt sich ein langer Blick auf Mary an,
deren Gesicht eine ungeheure Verletzlichkeit spiegelt, aber auch den Schimmer
eines sanft erwachenden Lebensmutes zeigt.
9
GLÜCK IM ALTER
Zum gewandelten Bild älterer Generationen im Kino
Wenn man sich das Alter jenseits des siebzigsten Lebensjahres vorstellt, denkt man
in der Regel an Menschen mit gebeugtem Gang, röchelndem Atem und müdem
Blick. An Menschen in unförmigen Kleidungsstücken, die sich in dunklen
Wohnungen verkriechen. Doch das Bild der Alten erlebt derzeit einen kräftigen
Wandel. Immer häufiger kann man auf der Leinwand dabei zusehen, wie sich
verhuschte graue Großmütter in begehrte Frauen verwandeln, wie ein Funkeln in
ihre Augen zurückkehrt und ein Glanz auf ihre Wangen: etwa in Filmen wie „Die
Mutter – The Mother“ („The Mother“, 2003) und „Wolke 9“ (2008), um nur wenige zu
nennen. Statt sich zu verstecken, treten die modernen Alten in gleißendem
Rampenlicht auf die Bühne, und statt sich den Mund verbieten zu lassen, singen sie
aus vollem Halse, so wie die britische Rentnerband „The Zimmers“, die gerade ihr
erstes Album aufgenommen hat. Oder wie der 1982 gegründete Seniorenchor
„Young@Heart“, dem nach vielen Auftritten in Amerika und Europa ein
gleichnamiger
Dokumentarfilm
gewidmet
wurde.
Man
könnte,
analog
zur
Studentenbewegung der Jungen, von einem „Aufstand der Alten“ reden, und
tatsächlich bekommen Songs wie „Should I Stay or Should I Go?“, „Forever Young“,
„Staying Alive“ oder „I Feel Good!“ eine ganz neue Bedeutung, wenn sie nicht von
feurigen Rockstars, sondern von betagten Chorsängern intoniert werden. Statt ein
jugendliches Lebensgefühl zu beschwören, mobilisieren sie die Rebellion gegen
Krankheit und Siechtum, gegen Gebrechlichkeit und Tod.
Es ist noch nicht allzu lange her, dass das Alter eine eher trübsinnige Angelegenheit
war, vor allem im amerikanischen Kino mit seiner Leidenschaft für makellose
Schönheit und unbefleckte Jugend. Mit fortschreitendem Alter schwinden die
Energien, der Ehrgeiz, die Eitelkeit, die Ansprüche – jedenfalls meinte man das noch
bis vor Kurzem. Doch inzwischen regt sich etwas in den festgefahrenen Bildern von
der älteren Generation. Das hat vor allem damit zu tun, dass die heutigen Alten
bewusster leben, dass sie aktiver und sportlicher sind und deshalb auch attraktiver.
Vor zwanzig Jahren bedeutete es noch etwas ganz anderes als heute, vierzig,
fünfzig, sechzig oder gar achtzig zu sein. Entsprechend dauert das Alter auch viel zu
lang,
um
es achtlos
vergehen
zu
lassen.
Auf
fade
Vergnügungen
wie
Kaffeekränzchen und Butterfahrt wollen sich die modernen Senioren jedenfalls nicht
10
länger beschränken, sie wollen die Welt nicht mehr nur vom Fenster oder von der
Parkbank aus sehen.
Das Pensionsalter ist heutzutage kein Grund mehr, sich unförmig zu kleiden, triste
Kittelschürzen zu tragen und sich in abgedunkelten Räumen zu verstecken, um dort
auf einen Gnadenbesuch der Kinder oder in der Kneipe nebenan auf den nächsten
Weinbrand zu warten. Resignation und Langeweile sind out, die neuen Alten wagen
Experimente, sie verlieben sich, sie ziehen in die Welt hinaus, erkunden und
genießen ihre Wunder. So beispielweise Jack Nicholson, der sich in Alexander
Paynes „About Schmidt“ (2002) im Wohnmobil auf eine Art Initiationsreise quer durch
Amerika begibt, oder Horst Krause in „Schultze Gets the Blues“ (2003), der sich in
einer schlaflosen Nacht von ungewohnten Zydeco-Klängen zu einer Reise in den
amerikanischen Süden verlocken lässt. Oder Fritz Wepper, der sich in Doris Dörries
„Kirschblüten – Hanami“ (2008) zu einem Aufbruch nach Japan entschließt.
Hollywood hat die Best Ager entdeckt und zeigt sie so, wie sie sind: Voller Lebensund Liebeslust, aktiv, attraktiv, selbstbewusst und selbstbestimmt. Alternde
Schauspieler wie Clint Eastwood oder Jack Nicholson setzen sich geradezu
systematisch und durchaus augenzwinkernd mit ihrer eigenen Vergänglichkeit
auseinander. In Filmen wie „Besser geht‟s nicht“ („As Good as It Gets“, 1997),, „Was
das Herz begehrt“ („Something's Gotta Give“, 2003), „About Schmidt“ (2002) und
„Das Beste kommt zum Schluss“ („The Bucket List“, 2007) oder „Erbarmungslos“
(„Unforgiven“, 1992), „Space Cowboys“ (2000) oder „Blood Work“ (2002) loten sie mit
selbstironischer Komik nicht nur die Tücken, sondern vor allem die Möglichkeiten des
Alters aus. So spielt Jack Nicholson in „Was das Herz begehrt“ einen alten
Schürzenjäger mit schnell wechselnden, hyperjungen Liebschaften, der nach einem
Herzinfarkt Unterschlupf im Haus der Mutter seines aktuellen Liebchens findet.
Während sein junger Arzt (Keanu Reeves) ein Auge auf die attraktive Schriftstellerin
in den Sechzigern wirft, entdeckt auch der betagte Casanova zunehmend ihr
erotisches Potenzial. Vorbei sind die Zeiten, in denen nur alternden Männern
blutjunge Liebschaften gestattet waren, längst dürfen auch reife Frauen wie Meryl
Streep und Diane Keaton solche Vergnügungen genießen, und zwar nicht nur auf
der Leinwand, sondern auch im echten Leben. So wie Demi Moore es uns vorlebt,
die mit dem sehr viel jüngeren und sehr attraktiven Ashton Kutcher langfristiges
11
Glück teilt. Und immer häufiger zeigen auch reife Damen wie Diane Keaton oder
Charlotte Rampling – beide Jahrgang 1946 –, dass sie sich auch ohne
Rundumerneuerungen, wie eine Cher es bevorzugt, durchaus hüllenlos sehen lassen
können. Das beweisen sie in „Was das Herz begehrt“ oder der französischen
Boulevardkomödie „Wir verstehen uns wunderbar“ („Désaccord parfait“, 2006), wo
sie so schön und erotisch, so sexy und verführerisch sein dürfen, dass sie mühelos
neue und verflossene Eroberungen gleichermaßen aus der Ruhe bringen. Und die
betagte Hausfrau und Witwe, die Marianne Faithful in „Irina Palm“ (2007) spielt, stürzt
sich in ein ganz neues Leben im Rotlichtbezirk von London und trotzt den
Widrigkeiten ihres neuen Jobs mit demselben anpackenden Pragmatismus, mit dem
sie als Hausfrau daheim in der Küche waltet. Der neue Job, den sie angenommen
hat, um ihrem Enkel eine lebensrettende Operation zu ermöglichen, mag anrüchig
sein, doch er verleiht ihr bald ein bisher noch nie erfahrenes Selbstbewusstsein. Die
graue Maggie aus der öden Vorstadt verwandelt sich in die aufregende Irina Palm
der schillernden Metropole, das unscheinbare Aschenputtel in eine stolze Königin der
Nacht, und dieses Selbstbewusstsein können ihr weder die scheinheiligen
Dorfbewohner noch der prüde Sohn wieder nehmen, und wenn sie sie noch so sehr
als Hure beschimpfen.
All die mutigen, abenteuerlustigen, neugierigen, sinnlichen Damen und Herren dieser
Filme verbreiten eine geradezu ansteckende Lebenslust. Und dabei eröffnen sie
tröstliche Aussichten auf die Zeit nach der Pensionierung: Nach und nach verliert das
Alter seinen bitteren Nachgeschmack, statt Sackgassen eröffnen sich unzählige
Möglichkeiten. Das gilt auf sehr irdische und reale Weise auch für die Helden von
Mike Leighs neuem Film ANOTHER YEAR, für das kleine Glück, das sich das
Ehepaar in seinem Londoner Häuschen gebaut hat, egal ob es aktiv in seinem
Schrebergarten werkelt oder Grillpartys und Dinnergesellschaften für Familie und
Freunde ausrichtet. Und wenn die beiden am Ende von den Reisen ihrer
Jugendjahre erzählen, kann man sich gut vorstellen, dass sie sich bald wieder
gemeinsam auf den Weg machen. Versauern werden sie jedenfalls nicht.
12
MIKE LEIGH (Regie & Drehbuch)
Der Brite Mike Leigh zählt zu den angesehensten Filmregisseuren unserer Zeit,
bekannt für seinen ebenso ungeschönt realistischen wie zärtlichen und humorvollen
Blick auf die Nöte einfacher Menschen. Dabei dreht er in der Regel ohne
ausgearbeitetes Skript. Stattdessen begeben sich Schauspieler und Team in einem
ausgedehnten Probenprozess auf die Suche nach ihrer Geschichte.
Der am 20. Februar 1943 geborene Mike Leigh begann seine Karriere als
Schauspieler. Nach einer Ausbildung an der Londoner Royal Academy of Art und an
der London Film School wirkte er zunächst in einigen Bühnenproduktionen mit, bevor
er im Alter von neunundzwanzig Jahren mit „Freudlose Augenblicke“ („Bleak
Moments“, 1971) seinen ersten Kinofilm drehte, eine Adaption des gleichnamigen
Theaterstücks, in dem er zuvor als Darsteller zu sehen war. Da der Film trotz
begeisterter Kritiken finanziell floppte, wandte sich Leigh enttäuscht dem Fernsehen
zu und realisierte unter anderem die erfolgreichen TV-Filme „Meantime“ (1984) und
„Four Days in July“ (1985). Erst 1988 kehrte er mit „Hohe Erwartungen“ („High
Hopes“) zum Kino zurück. Der Film, der das Lebensgefühl im England der späten
1980er Jahre einfängt, wurde auf dem Filmfestival von Venedig mit dem KritikerPreis ausgezeichnet. An diesen Erfolg konnte er ein Jahr später mit „Das Leben ist
süß“ („Life Is Sweet“) anschließen, der einfühlsam erzählten Lebensgeschichte einer
ängstlichen und von Selbstzweifeln geplagten Frau. Der endgültige Durchbruch als
Regisseur gelang Leigh 1993 mit dem Film „Nackt“ („Naked“), der auf dem Filmfest in
Cannes mit der begehrten Goldenen Palme ausgezeichnet wurde; darüber hinaus
ging eine Goldene Palme an die Beste Regie und eine an David Thewlis als Besten
Hauptdarsteller.
1996 erzählte Leigh in der mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Tragikomödie
„Lügen und Geheimnisse“ („Secrets & Lies“) die bewegende Geschichte einer jungen
Frau, die sich nach dem Tod ihrer Adoptiveltern auf die Suche nach ihrer leiblichen
Mutter macht. Es folgten „Karriere Girls“ („Carrier Girls“, 1997) und die
Musicalkomödie „Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ (1999), die sich im England
des späten 19. Jahrhunderts der Lebensgeschichte des Komponistenduos Gilbert
und Sullivan widmet. Der opulent ausgestattete Film wurde bei den 72. Academy
Awards im Frühjahr 2000 mit zwei Oscars® für die Besten Kostüme und das Beste
13
Make-up ausgezeichnet. In „All or Nothing“ (2002) umkreiste Leigh den tristen Alltag
einer Familie in einer heruntergekommenen Hochhaussiedlung am Rande Londons.
Leighs nächster Film „Vera Drake“ (2004) spielte im vom Weltkrieg gezeichneten
London der 1950er Jahre, wo die einfache Hausfrau Vera neben der harten Arbeit
als Haushälterin der Reichen heimlich als ‚Engelmacherin„ illegale Abtreibungen
vornimmt. Für ihre berührende Darstellung der Titelrolle wurde Imelda Staunton unter
anderem für den Oscar® als Beste Hauptdarstellerin nominiert. Mit der farbenfrohen
und beschwingten Komödie „Happy-Go-Lucky“ schlug Mike Leigh nach vier Jahren
Pause ungewohnt optimistische Töne an und begeisterte auf der Berlinale Publikum
und Kritiker gleichermaßen. In der Zwischenzeit entdeckte er die hinreißend
charmante und eigenwillige Komikerin Sally Hawkins fürs Kino. Sein jüngster Film
ANOTHER YEAR feierte seine Premiere auf dem Filmfestival in Cannes. Für
ANOTHER YEAR ist Mike Leigh als Bester Regisseur für den British Independent
Film Award nominiert.
Filmografie (Auswahl):
1971 Freudlose Augenblicke (Bleak Moments)
Mit: Anne Raitt, Sarah Stephenson, Eric Allan
1988 Hohe Erwartungen (High Hopes)
Mit: Philip Davis, Ruth Sheen, Edna Doré
1990 Das Leben ist süß (Life Is Sweet)
Mit: Alison Steadman, Jim Broadbent, Claire Skinner
1993 Nackt (Naked)
Mit: David Thewlis, Lesley Sharp, Katrin Cartlidge
1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies)
Mit: Brenda Blethyn, Marianne Jean-Babtiste, Timothy Spall
1997 Karriere Girls (Career Girls)
Mit: Katrin Cartlidge, Lynda Steadman, Kate Byers
1999 Topsy-Turvy (Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt)
Mit: Allan Corduner, Jim Broadbent, Timothy Spall
2002 All or Nothing
Mit: Timothy Spall, Lesley Manville, Alison Garland
2004 Vera Drake
Mit: Imelda Staunton, Richard Graham, Eddie Marsan
2008 Happy-Go-Lucky
Mit: Sally Hawkins, Alexis Zegerman, Andrea Riseborough
2010 ANOTHER YEAR
Mit: Jim Broadbent, Lesley Manville, Ruth Sheen
Nominiert für den British Independent Film Award 2010 als Bester Regisseur
14
INTERVIEW MIT MIKE LEIGH
Immer wieder aufs Neue erforscht Mike Leigh in seinen Filmen die Feinheiten und
Komplexitäten des Familienlebens, von Fernseharbeiten wie „Grown-Ups“ über Filme
wie „Life is Sweet“ und „All or Nothing“. Auch in seinem elften Spielfilm ANOTHER
YEAR schöpft er erneut aus diesem fruchtbaren Boden und liefert eine meisterliche
Etüde über Leben, Liebe und Einsamkeit. Der Film, der sich im Lauf der Jahreszeiten
entfaltet, vereint den Regisseur erneut mit einigen seiner treuesten Mitarbeiter.
Was stand am Anfang von ANOTHER YEAR? Ein Gefühl oder ein Thema?
Darauf gibt es keine einfache Antwort, denn dieser Film handelt von so vielen
Dingen, dass es geradezu unmöglich ist, sich auf einen Punkt festzulegen. Natürlich
geht es um das Leben, aber wenn man das so sagt, ist das nicht besonders hilfreich
und klingt dazu auch noch prätentiös. Doch genau das sind meine Filme überhaupt
nicht. Man kann aber durchaus sagen, dass der Film damit zu tun hat, dass ich jetzt
67 Jahre alt bin. Es geht um all die Gedanken, die man sich um das Alter macht, wie
wir damit umgehen und wie es dann im Leben weitergeht. Es geht um viele Dinge,
die wir alle erleben.
Das ist ein ziemlicher Kontrast zu den Helden aus „Happy-Go-Lucky“, die um
die dreißig waren.
In der Tat wollte ich jetzt mal einen Film über Menschen in meinem Alter machen,
das stimmt. Ich habe eine Menge Freunde, und nur die Hälfte davon ist so alt wie ich.
Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich in die Welt des Alters zurückziehen, ich
hänge sogar mit meinen Söhnen rum, die in den späten Zwanzigern und frühen
Dreißigern sind. Und ich habe ein gutes Verhältnis zu ihnen, ganz ähnlich wie Tom
und Gerri zu ihrem Sohn Joe im Film. Genauso verbringe ich aber auch Zeit mit sehr
alten Freunden aus den 1960ern, und ich hatte Lust, das in einem Film zu
thematisieren, auch wenn es nicht ausschließlich darum geht.
Es ist selten, dass man eine so positive Eltern-Kind-Beziehung im Kino zu
sehen bekommt wie die zwischen Tom und Gerri und ihrem Sohn Joe.
Das mag schon richtig sein, doch mir geht es darum, alle möglichen Menschen in
allen möglichen Verhältnissen zu zeigen, das schließt die, denen es gut geht, ebenso
ein wie die, denen es nicht so gut geht.
15
Ist Tom ein Alter Ego von Ihnen?
Das würde ich gerne so sehen! Vielleicht ein bisschen. Er ist ein guter Mensch, aber
er ist auch nicht im Showbusiness. Er hat es leicht, er muss sich nur um Steine, Erde
und Tunnel sorgen. Er muss keine Filme machen, was sehr viel schwerer ist und
einen sehr viel stärker beansprucht. Er hat es wirklich gut!
Würden Sie sagen, dass er der Held des Films ist?
Nein, er ist die zentrale Figur, aber nicht der Held. Meine Filme handeln nicht von
Helden. Diese beiden haben sich wohl in sehr jungen Jahren gefunden, sie haben
aneinander, was sie brauchen, sie vertrauen einander, sie haben eine angenehme
Welt für sich erschaffen, in der sie ehrlich zueinander sein und sich natürlich
bewegen können. Manchen Menschen fällt es leicht, eine Struktur zu schaffen, die
das Leben erleichtert, mit Dingen die sie motivieren, die ihnen wichtig sind. Einige
von uns, viele sogar, machen sich das Leben und die Beziehungen dagegen unnötig
schwer. Manche Menschen haben das Talent, eine Welt zu erschaffen, die ihren
Bedürfnissen entgegenkommt, anderen gelingt das weniger gut.
Wie erklären Sie sich die Ausgeglichenheit von Tom und Gerri?
Sie sind im Großen und Ganzen eins mit sich, ihr Leben ist klar umrissen, sie sind
gut organisiert, sie sind gesund, auch seelisch. Daraus ergibt sich die Harmonie in
ihrer Beziehung. Aber sie haben auch Probleme, eines davon ist Mary. Es ist
offensichtlich, woher in diesem Film der Schmerz kommt.
Worin liegt Marys Problem?
Das müssen die Zuschauer entscheiden, doch wenn man sie ansieht, ist klar, das ist
eine Frau, die in ihrem Leben Pech hatte, sie ist das Opfer ihrer Herkunft, das Opfer
gesellschaftlicher Konventionen, sie hatte Pech und sie gerät immer wieder unter
Druck. Offensichtlich wurde sie schlecht behandelt, insbesondere von den Männern.
Wenn man so will, könnte man aber auch sagen, dass sie selbst an den Dingen, die
ihr zugestoßen sind, schuld ist, dass sie Probleme angezogen hat. Aber es ist auch
offensichtlich, dass sie keine alte Jungfer ist, die sich isoliert und weder Beziehungen
noch Liebe erlebt hat. Sie hatte große Höhen, Tiefen und Leidenschaften, sie ist ein
komplexes Wesen, und mir geht es vor allem darum, das runde und tiefgründige
16
Porträt eines Menschen zu zeigen, der darum auch sympathisch ist. Was sie dann
von ihr halten, müssen die Zuschauer selbst entscheiden.
Der Film beginnt mit Imelda Staunton, die eine depressive Patientin von Gerri
spielt. Hatten Sie das Gefühl, dass in dieser Figur noch ein ganz anderer Film
liegt?
Ganz sicher nicht, aber die objektive Wahrheit ist, dass es über jeden einzelnen
Menschen auf der Welt einen Film geben könnte. Was sie verkörpert, betrifft den
ganzen Film. Ihre Szenen sind ein emotionaler Prolog für den Film, sie setzen die
Tagesordnungspunkte. In gewisser Weise bereitet sie uns auf Mary vor. Und sie
kommt auch deshalb nicht zurück, weil sie es selbst nicht will, sie will keine Therapie,
sie will nicht, dass sich irgendjemand einmischt.
Können Sie über Peter Wights Auftritt in ANOTHER YEAR sprechen, der eine
seiner besten Leistungen ist, obwohl er schon früher Großartiges in Ihren
Filmen geleistet hat?
In der Tat, zum Beispiel den Inspektor in „Vera Drake“, in meinen Augen sind das
ausnahmslos fantastische Leistungen: Ich habe überhaupt ungeheures Glück, mit
diesen großartigen Schauspielern, diesen sehr, sehr klugen, intelligenten, kreativen
und originellen Menschen arbeiten zu dürfen. Sie präsentieren nicht ihre eigenen
Egos, sondern erschaffen richtige Charaktere. Peter Wight ist ein unglaublich
gefühlvoller,
sympathischer,
tiefgründiger
Schauspieler
und
dazu
ein
sehr
philosophischer Mensch, was er unterschwellig in sein Spiel einfließen lässt. Er ist
großartig, aber sie sind alle großartig!
Haben Sie sich dafür interessiert, dass Menschen dieser Altersgruppe häufig
viele Veränderungen durchlaufen?
Das passiert tatsächlich, und es ist sehr interessant. Aber wenn ich ehrlich bin,
glaube ich nicht, dass es in dem Film darum geht. Ich habe davon in einem meiner
früheren Filme erzählt, in „Hohe Erwartungen“, in dem die alte Dame unter Alzheimer
leidet, und auch in „Topsy-Turvy“, in dem wir auf Gilberts Vater treffen, der schlicht
verrückt ist. Er halluziniert. Wenn man älter wird, kann es ganz leicht passieren, dass
sich die natürlichen Parameter verengen und dass es nur noch um die reine Existenz
geht. Man schottet sich ab, und dann stirbt man. Ich bin schon in einem Alter, in dem
17
eine ganze Menge Leute um mich herum sterben, zum Beispiel mein langjähriger
Produzent Simon Channing-Williams, der letztes Jahr gestorben ist. Solche
Erfahrungen beeinflussen die Art, wie man lebt und sich selbst wahrnimmt. Und
natürlich können wir uns mit den Toms und Gerris dieser Welt identifizieren, weil sie
ein ausgefülltes Leben führen, weil sie Dinge haben, für die sie sich interessieren.
Das hält sie jung.
Woher rührt Ihr Interesse an Menschen aus der Mittelklasse?
Das ist für mich nichts Besonderes, ich komme aus der Welt der unteren Mittel- und
Arbeiterschicht. Ganz selten habe ich mich in die Welt der Oberschicht verlaufen, die
nicht zu meinem persönlichen Erfahrungsbereich gehört. Mein natürliches Umfeld ist
die untere Mittelschicht und die Arbeiterschicht: Da ich keine autobiografischen Filme
mache, sehe ich es als meine Aufgabe, als Filmemacher auf die Welt und auf die
Menschen zu schauen, und wenn das Mittelschichtsmenschen sind, ist mir das recht.
In diesem Film entstammt der Bruder ganz klar der Arbeiterschicht, genauso wie
Tom. Und der Akzent von Gerri verrät, dass auch sie offensichtlich von dort kommt.
Sie sind Mittelklassemenschen, die auf eine gesunde Art nach oben mobil sind. Aber
um Ihre Frage zu beantworten, ich mache nur das, was Shakespeare „der Natur
einen Spiegel vorhalten“ nannte. Ich zeige einen Teil der Welt, in der wir leben.
Welche Bedeutung sehen Sie darin, dass Tom und Gerri sich der Gartenarbeit
widmen?
Das hat damit zu tun, dass sie Menschen sind, deren Natur es ist, zu hegen und zu
pflegen. Außerdem geht es in dem Film um das Verstreichen der Zeit, um den
zyklischen Charakter des Lebens.
Haben Sie irgendwelche Hobbys wie Gartenarbeit?
Ich bin kein Gärtner, ich lebe in einem Apartmentgebäude im Westend von London,
und als ich noch einen Garten hatte, war ich ausgesprochen faul. Was mache ich mit
meiner Zeit? Ich führe Gespräche, ich lese, ich schaue Filme. Ich gehe ins Theater,
ich höre Musik, ich interessiere mich sehr für Kunst, ich male. Ich gehe spazieren, ich
koche, ich verbringe Zeit mit meinen Söhnen und mit Freunden, und ich mache ein
paar andere Dinge, von denen ich Ihnen nicht erzählen werde.
18
Wie wichtig ist der Humor in Ihrer Arbeit?
Er ist mir sehr wichtig, aber das heißt nicht, dass ich ihn bewusst und vorsätzlich
konstruiere. Mir sind die Probleme der Charaktere wichtig, und ebenso das, was sich
dramaturgisch aus ihnen ergibt. Dabei entsteht Komik ganz selbstverständlich, weil
das Leben komisch und tragisch ist, tiefgründig und lächerlich, traurig und fröhlich.
Ich werde oft gefragt, wie ich entscheide, wann es komisch wird, aber das tue ich gar
nicht, es passiert einfach. Humor zeigt sich nur, wenn die Geschichte ihre Wurzeln in
der Wirklichkeit hat. Und es gibt keine Tragödie ohne Komik.
Können Sie darüber sprechen, was Sie in diesem Film auf der visuellen Ebene
erreichen wollten?
Ich habe inzwischen seit insgesamt zwanzig Jahren schon mehr als zehnmal mit
Dick Pope zusammengearbeitet. Er ist ein wunderbarer Kameramann. Was ich
erreichen wollte, ist das, was zu sehen ist. Jede Jahreszeit ist ein in sich
geschlossener Teil des Ganzen. Mir ging es darum, die Wahrnehmung der
Jahreszeiten visuell zu erforschen, jede von ihnen steht in Verbindung zu dem, was
sich dramatisch ereignet.
Wie viel Probenzeit nehmen Sie sich?
Bei einem konventionellen Film mag es da eine einfache, normale Antwort geben, bei
uns ist das nicht so. Wir nehmen uns zunächst mehrere Wochen und Monate, in
denen wir die Welt erfinden, improvisieren und bauen. Dann setzen wir Szene für
Szene in die Schauplätze, und dann drehen wir. Je nachdem, wie kompliziert die
Szene ist, kann das jeweils einen oder auch mehrere Tage dauern. Wir
improvisieren, zurren die Szene in den Proben fest und bringen sie dann auf dem
Papier auf den Punkt. Wir nehmen uns sehr viel Zeit, um diese geschriebene Version
präzise hinzukriegen. Ich kann Ihnen da keine eindeutige Antwort geben, weil es sich
um einen Probenprozess handelt.
Wenn Sie auf die Schauspieler zugehen, wissen Sie dann schon genau, welche
Rollen es geben wird?
Nein, es kann sein, dass ich schon eine Vorstellung davon habe, aber der Deal ist:
„Seid in meinem Film! Wir wissen nicht, worum es geht, wir wissen nicht, wer die
Charaktere sind, wir werden es zusammen rausfinden.“
19
Wie viele Takes brauchen Sie am Set?
Das kommt drauf an. Manchmal sind es ein oder zwei Takes, das ist auch eine Frage
der Umstände. Es gibt viele Dinge, die man nicht beeinflussen kann, mal fliegt ein
Flugzeug durch die Szene, mal bellt ein Hund, oder es läuft irgendetwas mit dem
Wasserkessel schief. Manchmal habe ich das Gefühl, wenn wir noch einen Take
versuchen, bekommen wir noch eine andere Nuance, sehen eine andere Qualität im
Spiel. Doch wenn alles gut läuft, dann sind es ein oder zwei Takes, nicht mehr.
Improvisieren Sie am Set?
Nur gelegentlich, bei manchen meiner Filme. Bei „Happy-Go-Lucky“ waren die
Szenen mit dem Kind im Klassenzimmer und ein paar der Szenen im Auto
improvisiert. Doch in ANOTHER YEAR gibt es überhaupt keine Improvisation.
Man hat den Eindruck, dass Sie hier all die Schauspieler versammeln, mit
denen Sie am häufigsten zusammengearbeitet haben. War das beabsichtigt?
Dafür gibt es einen Grund: Als wir grünes Licht für das Projekt bekamen, mussten wir
sehr schnell handeln. Normalerweise nehme ich mir sehr viel Zeit für die Besetzung,
aber hier hatte ich das Gefühl, dass das eine gute Gelegenheit war, Leute zu holen,
auf die ich mich aus Erfahrung verlassen kann. So konnten wir schneller anfangen
als gewöhnlich, und vergessen Sie nicht, das war mein erstes Mal mit dem großen
David Bradley!
Hat sich das für Sie ein bisschen angefühlt, als würden Sie sich mit ein paar
Freunden treffen?
Ja, aber das ist bei mir immer so. Für Lesley und mich ist das der neunte
gemeinsame Film, das ist ein fortlaufendes Experiment. Wenn ich mit einem
Schauspieler schon zusammengearbeitet habe, ist das Wichtigste, dass wir uns auf
keinen Fall wiederholen. Wir erobern uns mit jedem Film neue Bereiche.
Wenn man den Film ansieht, könnte man meinen, dass Alkohol in England ein
großes Problem ist.
Zunächst geht es im Film ja nicht um Alkoholismus. Es geht um Schmerz und um das
Bedürfnis der Menschen, Alkohol und Drogen zu benutzen, um mit ihrem Schmerz
zurechtzukommen. Das ist die Tragödie. Doch es ist wahr, dass die Briten mehr
20
Schwierigkeiten haben als andere, maßvoll und kontrolliert zu trinken, was sehr
ungesund ist. Bei uns wird gerade eine Debatte darüber geführt, ob die Bars eher
schließen sollten. Sie dürfen nicht vergessen, dass England ein ziemlich verrücktes
Land ist. Jenseits der europäischen Küsten gibt es dieses irrsinnige Land, das man
betritt, sobald man das Boot in Dover, das Flugzeug in Heathrow oder den Zug in
Pancras verlässt. Schon befindet man sich in diesem seltsamen Land; es ist völlig
eigensinnig, aber genau darum lieben wir es so sehr. Dass es total verrückt ist,
darauf bestehe ich.
Können Sie über die letzte Einstellung des Films sprechen und wie es zu dieser
sehr mutigen Entscheidung kam?
Die Kamera fährt einmal um den ganzen Tisch herum, und das ist die Sorte
Einstellung, die es bei mir nur sehr selten gibt. Ich wollte das auf diese sehr fließende
Art ausprobieren. Mir kam es ganz natürlich vor, mit einer Frage zu enden. Diese
Frage lautet: Und Mary? Es ist ein Ende mit Fragezeichen, es gibt dem Zuschauer
die Gelegenheit, sich alles noch mal durch den Kopf gehen zu lassen.
Manche Leute empfinden dieses Ende als sehr positiv.
Es ist sehr, sehr komplex, und es erlaubt jedem seine eigene Interpretation.
21
VOR DER KAMERA
JIM BROADBENT (Tom)
Der 1949 im englischen Lincoln geborene Jim Broadbent ist einer der
wandlungsfähigsten Schauspieler Englands und gehört zu Mike Leighs festem
Stamm. ANOTHER YEAR markiert die siebte Zusammenarbeit der beiden nach den
Theaterstücken „Goose Pimples“ und „Ecstasy“ sowie den Filmen „Das Leben ist
süß“ („Life Is Sweet“, 1990), „Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ („Topsy-Turvy“,
1999), „Vera Drake“ (2004) und dem Fernsehkurzfilm „A Sense of History“, zu dem
Broadbent das Drehbuch verfasste.
Der jüngste Sohn eines Tischlers und einer Bildhauerin studierte an der London
Academy of Music and Dramatic Art (LAMDA) und begann seine Schauspielkarriere
auf der Bühne, unter anderem am Royal National Theatre, in der Royal Shakespeare
Company und als Mitgründer des National Theatre of Brent. Neben der Bühne trat er
unter Regisseuren wie Stephen Frears und Mike Newell regelmäßig im Fernsehen
auf. Sein Filmdebüt absolvierte er 1978 mit einer kleinen Rolle in Jerzy Skolimowskis
„Der Todesschrei“ („The Shout“, 1978), gefolgt von „Die Profi-Killer“ („The Hit“, 1984)
unter der Regie von Stephen Frears und zwei Auftritten für Terry Gilliam in „Time
Bandits“ (1981) und „Brazil“ (1985). Doch einem internationalen Publikum wurde er
erst durch seine Zusammenarbeit mit Mike Leigh bekannt, für den er 1990 zum
ersten Mal in „Das Leben ist süß“ arbeitete; er spielt dort einen gutmütigen Koch, der
von seinem eigenen Restaurant träumt. Es folgten größere Rollen in Neil Jordans
„The Crying Game“ (1992) und Mike Newells „Verzauberter April“ („Enchanted April“,
1992), Woody Allens „Bullets Over Broadway“ (1994) und Richard Loncraines
hochgelobter Shakespeare-Adaption von „Richard III“ (1995). In Mike Leighs „TopsyTurvy“ übernahm er die schillernde Hauptrolle des Opernkomponisten W. S. Gilbert.
2001 war das Jahr seines großen Durchbruchs mit wunderbaren Nebenrollen in
„Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ („Bridget Jones‟ Diary“, 2001); „Moulin
Rouge!“ (2001) und vor allem seiner Oscar®-Rolle als Ehemann von Iris Murdoch in
dem Alzheimer-Drama „Iris“ (2001).
Unter anderem war Jim Broadbent in „Perrier‟s Bounty“ (2009), „The Damned United“
(2009), „Harry Potter und der Halbblutprinz“ („Harry Potter and the Half Blood
Prince“, 2009), „The Young Victoria“ (2009), „Indiana Jones und das Königreich des
22
Kristallschädels“ („Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull“, 2008),
„Moulin Rouge!“ (2001), „Richard III“ (1995) und „Bullets Over Broadway“ (1994) zu
sehen. Auf der Bühne trat er unter anderem am National Theatre in der Inszenierung
von „The Pillowman“ auf und ebenso in Sam Mendes‟ hochgelobter Produktion von
Alan Bennetts „Habeas Corpus“. Für die Titelrolle der Fernsehproduktion „Longford“
wurde er mit dem BAFTA ausgezeichnet. Für seine Rolle als Tom in ANOTHER
YEAR ist er für den British Independent Film Award 2010 als Bester Schauspieler
nominiert.
Filmografie (Auswahl)
1981 Time Bandits
Regie: Terry Gilliam
1982 Ullisses
Regie: Werner Nekes
1984 Die Profi-Killer (The Hit)
Regie: Stephen Frears
1985 Brazil
Regie: Terry Gilliam
1986 Good Father – Die Liebe eines Vaters (The Good Father)
Regie: Mike Newell
1987 Running out of Luck
Regie: Julian Temple
1990 Das Leben ist süß (Life is Sweet)
Regie: Mike Leigh
1992 Verzauberter April (Enchanted April)
Regie: Mike Newell
The Crying Game
Regie: Neil Jordan
A Sense of History (Kurzfilm)
Regie: Mike Leigh
1994 Bullets Over Broadway
Regie: Woody Allen
1995 Richard III
Regie: Richard Loncraine
Wilder Zauber (Rough Magic)
Regie: Claire Peploe
1997 Fräulein Smillas Gespür für Schnee (Smilla‟s Sense of Snow)
Regie: Bille August
1998 Mit Schirm, Charme und Melone (The Avengers)
Regie: Jeremiah S. Chechik
1999 Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt (Topsy-Turvy)
Regie: Mike Leigh
2001 Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück (Bridget Jones‟ Diary)
Regie: Sharon Maguire
Moulin Rouge!
Regie: Baz Luhrman
Iris
Regie: Richard Eyre
2002 Gangs of New York
Regie: Martin Scorsese
Nicholas Nickleby
Regie: Douglas McGrath
2003 Bright Young Things
Regie: Stephen Fry
23
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
In 80 Tagen um die Welt (Around the World in 80 Days)
Regie: Frank Coraci
Vanity Fair
Regie: Mira Nair
Vera Drake
Regie: Mike Leigh
Bridget Jones – Am Rande des Wahnsinns (Bridget Jones – The Edge of Reason)
Regie: Beeban Kidron
Die Chroniken von Narnia – Der König von Narnia
(The Chronicles of Narnia – The Lion, the Witch and the Wardrobe)
Regie: Andrew Adamson
Art School Confidential
Regie: Terry Zwigoff
Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis (Hot Fuzz)
Regie: Edgar Wright
Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels
(Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull)
Regie: Steven Spielberg
Tintenherz (Inkheart)
Regie: Iain Softley
The Young Victoria
Regie: Jean-Marc Vallée
Harry Potter und der Halbblutprinz (Harry Potter and the Half Blood Prince)
Regie: David Yates
ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
Nominiert für den British Independent Film Award 2010 als Bester Schauspieler
Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2
(Harry Potter and the Deathly Hallows: Part 2)
Regie: David Yates
The Iron Lady
Regie: Phyllida Lloyd
INTERVIEW MIT JIM BROADBENT
Was macht es für Schauspieler so interessant, mit Mike Leigh zu arbeiten?
Man kann bei ihm eine komplexere, vielschichtigere und darum vielleicht auch
realistischere Figur entwickeln, als es im Normalfall mit einem festgeschriebenen
Drehbuch möglich ist. Man ist in jeden Aspekt der Arbeit vor der Kamera involviert,
vor allem, wenn man eine der Hauptfiguren spielt. Man bestimmt, welches Auto die
Figur fährt. Man entscheidet, wie die Küche und die Einrichtung des Hauses
aussehen. Durch die Improvisationen erarbeitet man die ganze Struktur des
Drehbuchs gemeinsam, man ist also viel stärker beteiligt als bei normalen Projekten.
Eine derart enge Beziehung ist sehr viel anregender, als einfach nur ein Drehbuch zu
bekommen, den Text zu lernen und am Set zu erscheinen.
Was erzählt Mike Leigh Ihnen ganz am Anfang?
Er sagt, wer sonst noch dabei sein wird. Und dass es wahrscheinlich in und um
London stattfindet. Dann fängt man an, mit ihm allein zu arbeiten. Ich führe ihm
24
Charakterskizzen von über hundert Männern vor, die ich kenne. Dann fangen wir an,
das in Gesprächen über mehrere Wochen langsam herunterzukürzen. In diesem Fall
waren es drei verschiedene Menschen, die wir als Keimzellen benutzt haben, um
eine organische Figur aufzubauen, mit ihrem ganzen Hintergrund, wo sie lebt, welche
Geschwister sie hat. Und dann beginnt man, mit den anderen Schauspielern zu
arbeiten, sobald sie Teil der Geschichte werden. Ich habe also sehr früh angefangen,
mit David Bradley zu arbeiten, der Toms älteren Bruder Ronnie spielt. Und mit Peter
Wight, der Ken spielt. Die beiden waren seit ihrem vierten Lebensjahr Schulfreunde.
Mit David und Peter habe ich sehr viel gearbeitet, bis Ruth und Oliver hinzukamen.
Bei der Vorbereitung gehen wir genau wie beim Drehen sehr chronologisch heran.
David habe ich also erst sehr viel später wiedergesehen, in der Sequenz in Derby,
und da kam dann die ganze Arbeit ins Spiel, die wir uns Monate zuvor gemacht
hatten.
Ist es wichtig, chronologisch zu drehen?
Es ist nicht immer so strikt chronologisch, aber bei diesem Film war es das. Wir
improvisieren ungefähr einen Tag, bevor wir die Szene drehen. Da kann man nicht
vorspringen, weil noch gar nicht feststeht ist, was später passiert. Es kann schon mal
sein, dass man improvisiert und dann ein bisschen vorspult, um dann aber wieder
zurückzugehen. Im Großen und Ganzen drehen wir chronologischer als bei allen
anderen Projekten.
Gibt es einen Film von Mike Leigh, den Sie besonders schätzen?
Ich würde sagen, „Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ war insgesamt eine
vielschichtige Erfahrung, allein schon durch das Eintauchen in die Musicaltheaterwelt
des 19. Jahrunderts. So ein großes Ensemble – jeder leistete eigene Recherchen
und warf sein Wissen dann in den großen Topf. All die Farben, die Musik, das Licht,
eine so fantastische Figur mit Heerscharen wunderbarer Schauspieler. Das war
wirklich ein großes Vergnügen, wahrscheinlich habe ich vergessen, wie hart es war,
meine Frau weiß das sicher noch.
Sehen Sie Tom und Gerri als das moralische Zentrum des Films?
Das ist ein glücklich verheiratetes Paar, sie haben ihre Lebenspartner gefunden und
schauen sich nicht mehr anderweitig um. Sie haben beide erfüllende Jobs. Sie haben
25
einen Sohn, der unabhängig ist und selbst ein erfülltes Leben führt. Und ich glaube,
dass sie sich als sehr glücklich empfinden, das gibt ihnen die Kraft, einander zu
vertrauen und andere Menschen nicht zu beurteilen oder zu kritisieren. Darum
können ihre Freunde, denen es nicht so gut geht, zu ihnen kommen und sich sicher
fühlen, im Wissen, dass sie nicht zurückgestoßen werden. Es ist erstaunlich, wie
überrascht die Zuschauer über so eine glückliche Zweisamkeit sind. Harmonische
Beziehungen kommen im Film ja auch nicht besonders oft vor, vermutlich weil sie
nicht kinogerecht sind, weil ihnen die dramatischen Konflikte fehlen. Aber es werden
genug Probleme von außen in Toms und Gerris Leben getragen.
Hat dieser Film dazu geführt, dass Sie über das Alter nachdenken?
Ja, sehr stark, man denkt ohnehin daran, sobald man die erste Seniorenfreifahrt im
Bus hatte. Ich bin jetzt 61 und habe so einen Ausweis. Man hat dieses Bewusstsein,
es gehört zum Erwachsen- und Älterwerden.
Was, denken Sie, sind die Vor- und Nachteile des Älterwerdens?
Mike hat mal gesagt, dass die Dinge zugleich verwirrender und klarer und
komplizierter werden. Man ist weiser, weil man alles schon mal gesehen hat, dafür
hat man nicht mehr das Selbstvertrauen der Jugend, das Gefühl, alles zu wissen.
Aber man hat auch nicht mehr die verzweifelte Angst der Jugend, dass alles falsch
läuft. Mir gefällt es eigentlich ganz gut. Solange es nicht schmerzhaft wird, macht es
mir nichts aus.
Woody Allen sagt, dass das Leben ein großer Mist sei, ein langes Warten auf
den Tod. Das Einzige, was man tun könne, sei, sich selbst zu belügen und
abzulenken.
Oder die Leute, wie hier, zum Lachen zu bringen. Ich habe gehört, dass er gefragt
wurde, ob sich seine Meinung zum Tod geändert habe, und er sagte: „Nein, bin
immer noch dagegen.“
Mit Mike Leigh und Woody Allen wollen scheinbar alle Schauspieler arbeiten.
Sie arbeiten auf völlig gegensätzliche Weise. Woody schreibt ein Drehbuch, und
dann bittet er die Schauspieler, am Skript entlang zu improvisieren. Und Mike bittet
die Schauspieler zu kommen und zu improvisieren, um dann ein Drehbuch zu
26
schreiben. Aber beide lieben alles, was sie von den Schauspielern bekommen, ich
glaube daran liegt es, dass wir so gerne dabei sein wollen.
RUTH SHEEN (Gerri)
Man könnte wohl sagen, dass Ruth Sheen ihre Karriere Mike Leigh verdankt. Nach
nur einer kleinen Rolle in der Dickens-Adaption „Klein Dorrit“ („Little Dorrit“, 1988)
hatte sie ihren großen Durchbruch noch im selben Jahr dank Leighs „Hohe
Erwartungen“ („High Hopes“). Für ihren zweiten Leinwandauftritt als Shirley wurde
sie mit dem Europäischen Filmpreis als Beste Darstellerin ausgezeichnet. Seitdem
nahm ihre Karriere sowohl im Fernsehen wie im Kino einen beeindruckenden Verlauf
mit Rollen unter anderem in „Das Handbuch des jungen Giftmischers“ („The Young
Poisoner‟s Handbook“, 1995), „Vanity Fair“ (2004) und „Run Fatboy Run“ (2007).
Nachdem Ruth Sheen mehrere kleine Rollen in „Lügen und Geheimnisse“ („Secrets
& Lies“, 1996), „All or Nothing“ (2002) und „Vera Drake“ (2004) übernommen hatte,
kehrte sie für ihre bedeutendste Zusammenarbeit mit Mike Leigh seit „Hohe
Erwartungen“ zurück. In ANOTHER YEAR ist sie als Gerri eine hingebungsvolle
Ehefrau für ihren immer verlässlichen Mann Tom (Jim Broadbent) und bietet ihrer
emotional instabilen Kollegin Mary (Lesley Manville) eine Schulter zum Anlehnen und
Ausweinen. Für ihre Rolle als Gerri in ANOTHERY YEAR ist sie für den British
Independent Film Award 2010 in der Kategorie Beste Schauspielerin nominiert. Im
Interview erzählt sie, warum ANOTHER YEAR zugleich ihre anstrengendste und
beglückendste Erfahrung mit Mike Leigh war.
Filmografie (Auswahl)
1988 Klein Dorrit (Little Dorrit)
Regie: Christine Edzard
Hohe Erwartungen (High Hopes)
Regie: Mike Leigh
1989 Zorniges Land (The Angry Earth)
Regie: Karl Francis
1995 Das Handbuch des jungen Giftmischers (The Young Poisoner‟s Handbook)
Regie: Benjamin Ross
1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies)
Regie: Mike Leigh
1999 Virtual Sexuality
Regie: Nick Hurran
2002 All or Nothing
Regie: Mike Leigh
27
2003
2004
2007
2009
2010
Cheeky
Regie: David Theliss
Vanity Fair
Regie: Mira Nair
Vera Drake
Regie: Mike Leigh
Run Fat Boy Run
Regie: David Schwimmer
Heartless
Regie: Philip Ridley
ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
Nominiert für den British Independent Film Award 2010 als Beste Schauspielerin
INTERVIEW MIT RUTH SHEEN
Sie haben schon fünfmal mit Mike Leigh gearbeitet: Würden Sie sagen, dass
ANOTHER YEAR das anstrengendste Projekt war?
Ja, das war es wirklich! Ich war mir erst nicht sicher, ob es mir nur schwerer vorkam,
weil ich inzwischen älter bin. Schließlich schrumpft das Gehirn! Wenn man die ganze
Zeit gebraucht wird, bei allen Proben und an allen Drehtagen, ist das schon
erschöpfend. Unablässig muss man kreativ sein, man probt am Morgen, man arbeitet
die Szenen aus und dreht sie am Nachmittag, ohne jemals ein Drehbuch zu haben.
Man muss immer hochkonzentriert sein. Das kann man nicht telefonisch machen
oder im Halbschlaf erledigen.
Würden Sie sagen, dass das die größte Rolle ist, die Sie bei Mike Leigh gespielt
haben?
Wahrscheinlich, zumindest seit einer ganzen Reihe von Jahren. Bei „Hohe
Erwartungen“ hatte ich auch eine große Rolle, aber das war der erste Film, den ich
mit ihm gedreht habe. Ich war damals ziemlich naiv und wusste gar nichts über seine
Arbeit. Ich bin einfach mit beiden Beinen mitten hinein gesprungen und habe mich
total glücklich diesem ganzen Prozess ausgesetzt. Mit zunehmendem Alter wird es
etwas schwieriger, weil man weiß, was auf einen zukommt. Man baut die Figur ganz
langsam und vielschichtig unter Einbeziehung aller anderen Charaktere auf. Mit den
Jahren wird das immer schwerer.
In diesem Film arbeitet Mike Leigh mit sehr vielen seiner Stammschauspieler.
Wie oft haben sich Ihre Wege zuvor schon gekreuzt?
28
Nun, das ist das erste Mal, dass ich mit Jim (Broadbent) arbeite. Dass ich mit ihm
drehen konnte, war wunderbar, weil ich das schon immer mal wollte. Dass er dabei
sein würde, habe ich erst erfahren, als meine Figur mit achtzehn Jahren Jims Figur in
der Universität trifft. Ich kam an dem Tag an und wusste, dass ich jemand Neuen
kennenlernen würde, aber nicht, wer das sein würde. Und dann sah ich Jim und
dachte, „Oh, das muss er sein!“ Bei diesen Filmen weiß man vorher einfach nicht, mit
wem man eine Beziehung haben wird. Das Ganze ist ein Sprung ins Ungewisse.
Und die anderen Darsteller?
Mit Lesley habe ich dreimal gearbeitet, wir waren zusammen in „Hohe Erwartungen“,
in „All or Nothing“ und jetzt in diesem Film. Mit Phil Davis hatte ich es auch schon ein
paar Mal zu tun, er war mein Partner in „Hohe Erwartungen“, und hier haben wir
diese kleine gemeinsame Szene auf der Bank.
Können Sie Mike Leighs Interesse an neurotischen Frauen erklären?
Ich weiß nicht, ich denke mal, dass es einfach viele davon gibt.
Gibt es so etwas wie eine „Mike Leigh Stock Company“?
Nicht wirklich, ich glaube, es ist eher so, dass es eine Gruppe von Schauspielern
gibt, die immer bereit und glücklich sind, mit ihm zu arbeiten.
Wie war es, mit Jim Broadbent zu arbeiten?
Er ist ein sehr zurückhaltender Mann, sehr trocken und sehr humorvoll, aber auch
diskret, er behält seine Meinung für sich. Ich denke, dass in Tom ein Teil von Jim
steckt, er hat diesen Sinn für Humor. Die Arbeit mit ihm hat großen Spaß gemacht.
Wir arbeiten sehr diszipliniert und sind uns darum nur in unseren Rollen begegnet.
Man darf überhaupt nur mit Mike über die Rollen sprechen, es ist nicht erlaubt, beim
Lunch über die Figuren zu quatschen. Man muss über etwas anderes reden, da ist er
sehr streng.
Gar nicht darüber reden zu dürfen, klingt hart.
Da wir alle schon mit ihm gearbeitet haben, kennen wir das. Es würde ja wirklich
alles verderben, wenn ich wüsste, was Jim denkt, weil er erzählt, was er später
sagen wird. Dann würden die Improvisationen nicht funktionieren. Wir arbeiten alle
29
nach demselben Prinzip, man weiß nicht, was die anderen sagen werden. Und dann
ist man mit einer Figur konfrontiert, die ein wandelndes Pulverfass ist, so wie Mary.
Die kommt in den Film und ist ein ganz eigenes Kaliber. Oder Ken ... Als ich ihm zum
ersten Mal in der Rolle begegnete, war da dieser dicke, betrunkene Mann, der Toms
bester Freund ist. Wenn man sich dann trifft, wirft man alles in einen Topf. Man hat
diese vierzig Jahre im Kopf, die vor dem Anfang des Films liegen, und wir arbeiten
uns mit einem feingezahnten Kamm durch. Das ist eine sehr detaillierte Arbeit, man
baut mit jeder einzelnen Figur eine Beziehung auf, und zwar von dem Moment an, zu
dem sie sich tatsächlich zum ersten Mal begegnen. Wenn also Toms und Gerris
Sohn Joe auftaucht, sprechen wir darüber, wie er als Kind war, was sie ihm
gegenüber empfunden haben. Das ist aus ganz vielen Schichten zusammengesetzt,
man trägt die ganze Lebenserfahrung zusammen, die zum Kontext dieser Kreation
gehört.
Und was ist mit den Leuten, die kleine Rollen in Mikes Leighs Filmen haben?
Die machen es ganz genauso. Die Sache ist die: Wenn man bei ihm einen Job
annimmt, sagt er: „Ich kann dir nicht sagen, worum es geht. Ich kann dir nicht sagen,
wie groß deine Rolle sein wird. Ich kann dir nicht sagen, mit wem du eine Beziehung
haben wirst. Aber hast Du Lust, dabei zu sein?“ Man muss ihm einen
Vertrauensvorschuss geben. Ich kenne ein paar Leute, die davon ausgegangen sind,
dass sie in einem seiner Filme eine große Rolle haben und dann nur eine ganz
kleine bekamen. Aber es kann auch passieren, dass jemand sehr spät dazukommt
und Mike so gut gefällt, dass er am Ende eine große Rolle bekommt.
In „Hohe Erwartungen“ waren Sie ein Hippie. Würden Sie sagen, dass Sie und
Jim in diesem Film auch Hippies sind?
Ja, ich habe fast das Gefühl, dass dieser Film ein Amalgam aller anderen Filme ist,
die Mike je gemacht hat. Ich kann Cyrill und Shirley aus „Hohe Erwartungen“ in
diesem Film erkennen. Ich kann auch Johnnys Figur aus „Nackt“ in der Figur des
Carl sehen, den Martin Savage spielt.
Mögen Sie es, im Garten zu arbeiten?
Ich hatte selbst mal einen Schrebergarten und habe ein paar Sachen hinter meinem
Haus angepflanzt.
30
Würde Mike Leigh so ein Detail für einen Film übernehmen?
Ich glaube nicht. Wie ich schon sagte, dieser Film ist ein Amalgam aller Filme, die er
gemacht hat. Ich denke, dass Mikes ganzes Leben in gewisser Weise in diesen Film
eingeschlossen ist. Wenn Sie „Hohe Erwartungen“ anschauen, mit dem Garten auf
dem Dach, in dem sie alles Mögliche anbauen, dann ist das jetzt nur eine
Weiterführung davon – und genauso sind Tom und Gerri eine Weiterentwicklung von
dort. Sie hegen und pflegen und züchten. Ich wusste nicht, dass der Film vier
Jahreszeiten durchlaufen wird. Ich wusste, dass sie einen Schrebergarten haben.
Aber ich wusste nicht, dass er auf diese Weise einbezogen wird. Das haben wir erst
herausgefunden, als er uns eine Liste mit allem gab, was gedreht werden sollte. Er
hatte den Inhalt in vier Sektionen eingeteilt und sagte: „Das werden vier Jahreszeiten
sein.“
Wie hat sich der saisonale Aspekt auf den Drehplan ausgewirkt? Vermutlich
wurden die Winterszenen in dieser Jahreszeit gedreht, oder?
Nein, das war alles gefälschter Frost! Aber es sieht gut aus, nicht? Als ich den Film
gestern Abend sah, war ich ehrlich beeindruckt von Dick Popes Kameraarbeit, das
war wirklich überwältigend. Ich mochte auch die Golfszene sehr. Die Einstellung mit
den Schatten fand ich richtig schön.
Um welche Themen, denken Sie, geht es Mike Leigh in ANOTHER YEAR?
Meines Erachtens geht es um universelle Themen wie Einsamkeit und Traurigkeit
und die Unfähigkeit, einen Seelenverwandten und Partner zu finden, jemanden, mit
dem man glücklich werden kann. Und es geht darum, wie unterschiedliche Menschen
auf unterschiedliche Weise mit ihren Problemen umgehen. Er schaut sich Leute an,
die dazu Alkohol benutzen. Das Herz des Films überträgt er auf Tom und Gerri, ihre
Familie gibt dem Zentrum etwas Solides, Verlässliches. Dazu kommen dann all die
Konflikte der anderen, all die Probleme, die das Leben ausmachen. Und es wird im
Lauf der Jahreszeiten erzählt, vom Frühling bis zum Winter, bis ins hohe Alter hinein.
Gibt es irgendwelche Figuren in Mikes Leighs Filmen, bei denen Sie den
Eindruck haben, dass sie ihm besonders nah sind?
Das möchte ich lieber nicht sagen! Denn das müssen Sie wirklich ihn selber fragen.
Wir haben alle Freunde wie Mary, wir haben alle Freunde wie Ken, Menschen, die
31
traurig sind. Und es ist so leicht, den Alkohol als Hilfsmittel zu benutzen, um damit
fertigzuwerden, dass man traurig und einsam ist. Es ist seltsam: Den Leuten fällt es
schwer, damit klarzukommen, dass dieses Paar im Film so glücklich ist. Viele Leute
meinten: „Die sind ein bisschen zu glücklich. Wer führt schon eine glückliche Ehe?“
Merkwürdigerweise sind wir so zynisch, dass wir es seltsam finden, wenn jemand
zufrieden ist.
Dabei wirken Mike Leighs Figuren so real.
Das liegt wohl an unserer Arbeitsweise. Sie zielt komplett darauf ab, alles so
natürlich wie möglich aussehen zu lassen. Aber es ist ein Film, alles ist erfunden.
Diese Leute sind nicht real, keiner von ihnen. Aber sie repräsentieren reale
Menschen. Das ist Mikes Geheimnis, er nimmt einen ganz normalen Menschen und
überhöht ihn zum Besonderen. Er glaubt ernsthaft, dass wir alle außergewöhnlich
sind, und zwar jeder einzelne Mensch. Manche sind niedergeschlagen und machen
nie etwas aus ihren Möglichkeiten. Irgendetwas hält sie davon ab, sie trinken zu viel,
oder sie finden niemanden, der ihnen den Kopf zurechtrückt. Wir haben alle die
Möglichkeit, außergewöhnlich zu sein, aber es gelingt nicht jedem.
Das hat wohl sehr viel mit Glück zu tun, oder?
Man trifft einfach irgendwann die falschen Entscheidungen. Ich glaube, darum geht
es – ob man im Leben die richtigen Entscheidungen trifft. Man hat die Wahl, aber
manchmal macht man es durch sie sogar noch schlimmer. Und dann will man immer
das, was die anderen haben, weil man glaubt, dass es vielleicht besser wäre.
Heutzutage sind wir alle gierig, oder?
32
LESLEY MANVILLE (Mary)
Mit acht gemeinsamen Produktionen gehört die 1956 im englischen Brighton
geborene Lesley Manville zum festen Stamm von Mike Leigh. Neben ihren Rollen in
den Filmen „Lügen und Geheimnisse“ („Secrets & Lies“, 1996), „Hohe Erwartungen“
(„High Hopes“, 1988), „Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ („Topsy-Turvy“, 1999)
„All or Nothing“ (2002) „Vera Drake“ (2004) und der BBC-Produktion „Grown-Ups“
(1980)
hat
sie
in
einer
seiner
Radioproduktionen
und
bei
seinen
Bühneninszenierungen mitgewirkt.
Nachdem sie seit Mitte der 1970er Jahre in einer Fülle von Fernsehfilmen und -serien
mitgewirkt hatte, absolvierte sie ihr Kinodebüt 1985 in einer kleinen Nebenrolle in
Mike Newells „Dance with a stranger – Geliebt bis in den Tod“ („Dance with a
Stranger“). Zu ihren weiteren Leinwandcredits gehören Robert Zemeckis „Eine
Weihnachtsgeschichte“ („A Christmas Carol“, 2009) und der noch nicht gestartete
„Womb“ (2010). Auf der Bühne war sie in den Originalproduktionen moderner
Klassiker wie „Top Girls“, „Serious Money“, in „Die gefährlichen Liebschaften von
Cloderlos Laclos“ und in den hochgelobten Wiederaufnahmen von Edward Bonds
„Saved und The Pope‟s Wedding“ zu sehen. In den letzten Jahren hat Lesley
Manville regelmäßig am National Theatre gearbeitet, wo sie unter anderem in „His
Dark Materials“, „Pillars of the Community“, „The Alchemist“ and „Her Naked Skin“,
sowie vor Kurzem im Old Vics Theatre in „All About My Mother“ und „Six Degrees of
Separation“ zu sehen war. Zu ihren zahlreichen Fernseharbeiten gehört Alan Clarkes
hochgelobter „The Firm“, die ausgesprochen erfolgreichen Serien „Holding on“,
„Other People‟s Children“, „Bodily Harm“, „Real Woman“, „The Cazalets“, „North and
South“ und „Cranford“. Sie hat einen gemeinsamen Sohn mit Gary Oldman. Für Ihre
Rolle der Mary in ANOTHER YEAR ist sie für die Auszeichnung Europäische
Schauspielerin 2010 beim Europäischen Filmpreis 2010, sowie als Beste
Nebendarstellerin für den British Independent Film Award 2010 nominiert.
Filmografie (Auswahl)
1985 Dance with a Stranger – Geliebt bis in den Tod (Dance with a Stranger)
Regie: Mike Newell
1987 Sammie und Rosie tun es (Sammie and Rosie Get Laid)
Regie: Stephen Frears
1988 Hohe Erwartungen (High Hopes)
Regie: Mike Leigh
1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies)
Regie: Mike Leigh
1999 Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt (Topsy-Turvy)
Regie: Mike Leigh
33
2002
2004
2009
2010
2011
All or Nothing
Regie: Mike Leigh
Vera Drake
Regie: Mike Leigh
Eine Weihnachtsgeschichte (A Christmas Carol)
Regie: Robert Zemeckis
ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
Nominiert für den Europäischen Filmpreis 2010 als Europäische Schauspielerin 2010
Nominiert für den British Independent Film Award 2010 als Beste Nebendarstellerin
Womb
Regie: Benedek Fliegauf
INTERVIEW MIT LESLIE MANVILLE (Mary)
Kommen die Angebote von Mike Leigh für Sie immer überraschend?
Ja und nein, wir sind befreundet, er kommt zu einem sehr frühen Zeitpunkt auf mich
zu. Seine Art zu arbeiten ist sehr geheimnisvoll. Bei den Proben haben wir viel Spaß,
es ist immer sehr lustig, wenn es nicht so wäre, würde er nicht mit uns arbeiten
wollen. Es ist nicht hart und nicht kopflastig und auch nicht besonders intellektuell
oder vergeistigt. Es ist eine luftige Angelegenheit, bei der alle eine gute Zeit haben.
Wenn Sie mit Mike Leigh arbeiten, wissen Sie vermutlich gar nicht, in welche
Richtung das Projekt geht, oder?
Nein, das weiß man nicht. Man bekommt erst im Laufe der Arbeit langsam eine
Ahnung davon. Am Anfang weiß man gar nichts, das ist wirklich wie eine weiße
Leinwand. Man wird von ihm einfach nur eingeladen, in seinem Film mitzumachen.
Man bekommt einen Hinweis darauf, wie prominent man wahrscheinlich sein wird,
und er verrät die Länge der veranschlagten Probenzeit. Bei diesem Film hatten wir
insgesamt 18 Wochen Proben und haben dann zehn, zwölf Wochen gedreht. Ich bin
nach zwei Wochen dazugekommen und wusste daher, dass ich stark involviert sein
würde.
Denken Sie, dass Mike Leigh selbst früh weiß, in welche Richtung er gehen
wird?
Oh nein, das weiß er nicht. Ich denke, dass er Themen und grobe Vorstellungen und
Ideen und Gedanken hat, aber das ist es auch. Er verlässt sich sehr stark auf seine
Arbeit mit den Schauspielern und darauf, dass wir in der ausgiebigen Probenzeit
gemeinsam etwas erschaffen.
34
Das heißt, in gewisser Weise sind Sie Lehm in seinen Händen?
Na, wir erschaffen zusammen eine Figur. Das ist die erste Aufgabe. Man verbringt
sehr viel Zeit unter vier Augen mit Mike, man fängt bei null an und erschafft aus dem
Nichts die Figur. Offensichtlich ist er der Einzige, der den gesamten Film vor Augen
hat, weshalb er uns in diese oder jene Richtung dirigiert. Doch generell weiß man als
Schauspieler nicht, worauf es hinauslaufen wird.
Regt er Sie dazu an, bei der Gestaltung Ihrer Figur von Menschen auszugehen,
die Sie kennen?
Ein bisschen schon. Aber er sagt nicht „Du spielst eine einsame Alkoholikerin“. Er
beschreibt die Figuren überhaupt nicht auf diese Weise. Das entwickelt sich sehr viel
langsamer und organischer.
Glauben Sie, dass Mary eine Alkoholikerin ist?
Ich weiß es nicht, ich habe nicht versucht, sie auf diese Weise zu definieren. Aber sie
trinkt täglich, sie trinkt oft, wenn sie alleine ist, und sie ist sehr oft betrunken.
Ist Sie eine Gesellschaftsalkoholikerin?
Nein, ich denke, dass sie Alkohol meistens dazu benutzt, Depressionen und das
Gefühl der Einsamkeit abzuwehren. Sicherlich kann man darüber diskutieren, warum
sie in Situationen, in denen sie mit anderen Menschen zusammen, also nicht einsam
ist, trotzdem so viel trinkt. Sie ist eine Trinkerin.
Was halten Sie von Jims und Ruths Figuren?
Ich denke, dass sie das repräsentieren, wonach wir alle im Leben streben. Eine
gesunde, beidseitig liebvolle, lebenslange Beziehung.
Zu den klügsten Entscheidungen des Films gehört, dass Tom und Gerri so eine
solide Beziehung zu ihrem Sohn haben.
Ja, man kann richtig sehen, dass sie gute Eltern sind. Ich denke, das ist ein wichtiger
Aspekt, auch Mary sieht Gerri als mütterliche Figur in ihrem Leben.
War es für Sie schwierig, die Barbecue-Szene zu drehen, in der Mary mit ihrem
Sohn flirtet?
35
Wenn man das dreht, objektiviert man das nicht. Man spielt es einfach. Und dann ist
es den Zuschauern überlassen, wie sie das aufnehmen. Aber man will einfach nur,
dass sie den Mund hält und aufhört zu flirten, oder?
Warum kommt sie nicht mit Peter Wights Figur Ken zusammen?
Er entspricht nicht ihrer Vorstellung, so einen Mann will sie nicht. Sie hat eine
Idealvorstellung von der Sorte Mann, die sie haben möchte.
Und wie haben Sie das Drehen der letzten Szene im Winter mit David Bradley
empfunden?
Nun, wenn Mary da vorbeischaut, hat sie keine Ahnung, wer dieser Mann ist, der die
Tür öffnet. Für mich war es ganz sicher eine Überraschung. Als wir die Szene
drehten, hatte ich keine Ahnung, dass David die Tür öffnen würde. Mary wusste von
der Beerdigung, weil Gerri ihr das bei der Arbeit erzählt hat. Also wusste sie, dass
Toms Schwägerin gestorben ist, aber nicht, dass sie seinen Bruder mit ins Haus
geholt haben. Wenn Sie zum Haus kommt, setzt sie eins und eins zusammen und
sagt: „Oh, Ihre Frau ist gerade gestorben!“ Das funktioniert nur, weil sie es wirklich
nicht weiß. Das ergibt sich alles in der Improvisation.
Können Sie sagen, was Mary durch den Kopf geht, wenn Sie sich gegenüber
Toms und Gerris Sohn und seiner neuen Freundin so schrecklich verhält?
Das ist sehr komplex, das ist mehr als Eifersucht. Sie schafft es nicht, all die Dinge,
denen sie ständig allein in ihrer Wohnung ausgesetzt ist, zu verbergen. Sie kann ihre
Gefühle nicht zügeln, wenn sie in einer gesellschaftlichen Situation ist und sich
besser verhalten sollte. Dann kommt dazu, dass sie in einer Umgebung, in der sie
sich sicher fühlt, plötzlich mit einem weiteren glücklichen Paar konfrontiert ist. Die
beiden haben, was ihr fehlt, einen Partner.
Gibt es jetzt nach Abschluss der Dreharbeiten irgendjemand Bestimmten, an
den Mary Sie erinnert?
Oh, nein. Sicher, ich kenne Menschen wie sie. Aber es gibt keinen Menschen, der
ihre Blaupause wäre. Natürlich kenne ich Frauen, die kinderlos und unglücklich sind.
Und ich kenne Frauen, die Single und unglücklich sind. Und ich kenne Frauen, die zu
viel trinken und unglücklich sind. Sie ist ein Cocktail all dieser Dinge. Obwohl wir alle
36
Menschen kennen, die ein bisschen von Mary in sich tragen, ist sie ein einzigartiger
Mensch.
ANOTHER YEAR befasst sich auch mit den Problemen des Älterwerdens,
haben Sie das auch so wahrgenommen?
Ich sehe das wohl ein bisschen anders. Ich glaube, dass Mike einen Film über unser
fundamentales Bedürfnis nach einer Beziehung gemacht hat. Ist es nicht wunderbar,
wenn man das hat? Als ich den Film sah, hatte ich das Gefühl, dass diese Art des
Glücks sehr zufällig ist. Mary wurde zur Katastrophe, weil sie nie Glück mit den
Männern hatte, aber es wäre leicht möglich gewesen. Sie ist liebenswert. Als ich das
sah, überkam mich das Gefühl, mein Gott, es ist einfach nur Glück! Zum größten Teil
jedenfalls.
Was die Häufigkeit der Zusammenarbeit betrifft, halten Sie den Mike-LeighRekord: Hat sich die Arbeit mit ihm im Lauf der Zeit verändert?
Nicht wirklich. Viele Leute glauben, dass der Prozess sehr komplex und
geheimnisvoll sei, dabei ist er eigentlich sehr geradlinig. Man erschafft aus dem
Nichts eine Figur. Man baut ihr Leben auf. Man füllt alle Lücken. Und man beginnt,
sich mit den anderen Figuren auszutauschen, die in ihrem Leben stehen. Mit der Zeit
ist Mike zu einem wirklich wundervollen Filmemacher gereift, und auch wir sind als
Schauspieler besser geworden. Aber das ist unvermeidlich bei dieser Menge an
Erfahrungen, die wir hatten, nicht nur mit Mike, sondern auch bei all der fantastischen
Arbeit an den Londoner Theatern.
Ist es vorgekommen, dass Sie von einer der Figuren, die Sie für Mike Leigh
gespielt haben, völlig vereinnahmt wurden?
Man denkt schon sehr intensiv über seine Rolle nach. Da kann es auch passieren,
dass ich zu Hause irgendetwas ganz Normales tue und plötzlich überlege, was Mary
davon halten würde. Das passiert immer wieder, vor allem, wenn man dabei ist, die
Figur zu entwickeln. Aber das vereinnahmt mich nicht. Am Ende des Tages kann ich
mich von ihr trennen. Diese Gedanken halten mich nicht in der Nacht wach.
Wie bewusst ist Ihnen, dass die Kamera in der letzten Einstellung von
ANOTHER YEAR auf Ihnen ruht?
37
Oh, dessen bin ich mir absolut bewusst. Das ist offensichtlich eine sehr vielschichtige
Einstellung, und es hat sehr lange gedauert, sie vorzubereiten – allein schon, weil
dafür jede Menge technische Ausrüstung um den Tisch herum aufgebaut werden
musste. Und es war ziemlich schwierig für Dick (Pope), weil er den Raum
ausleuchten musste und zugleich Bewegungsspielraum um den Tisch herum
brauchte. Technisch war es kompliziert, allein das Timing, damit alle Leute zum
richtigen Zeitpunkt im Bild waren, aber zu wissen, was die Kamera macht, ist Teil
meines Jobs. Es war klar, dass die Fahrt auf Mary endet. Sehr ergreifend finde ich,
dass die Musik läuft und dann aufhört, sodass der Zuschauer mit der Stille
zurückbleibt. Das ist ein kraftvoller Moment. Das Großartige an dieser Einstellung ist,
dass ganz viele Menschen, mit denen ich darüber spreche, völlig verschiedene
Interpretationen haben. Ein Journalist fragte mich, was Mary in dem Moment denkt,
ich wollte nicht prätentiös klingen und erwiderte nur: „Das werde ich nicht sagen.“
Manche Leute denken, dass sie sich zusammenreißen und alles in Ordnung kommen
wird. Manche Leute sind der Meinung, dass es schrecklich ist, wenn sie ihr Weinglas
und einen großen Schluck daraus nimmt. Und manche glauben, dass Sie mit Ronnie
zusammen sein wird. Auf diese Weise macht sich jeder sein eigenes Bild, und genau
so sollte es sein. Ich weiß, was Mary in diesem Moment denkt, natürlich weiß ich es,
weil ich es als Mary gedacht habe, aber ich will es nicht sagen, weil es dem Film
etwas Endgültiges geben würde. Im Kino ist es wichtig, dass das Publikum weiter
über das Leben der Figuren nachdenken kann, dass es sich fragt, wie es
weitergehen könnte.
Glauben Sie, dass ANOTHER YEAR am Ende zu Marys Geschichte wird?
Es geht schon ein bisschen in diese Richtung, oder? Bis zum Winterkapitel hat Mike
den Film schon sehr stark auf Mary fokussiert.
Gibt es andere Figuren, von denen Sie genauso berührt sind wie von Mary?
Nun, ich finde, Peter Wight ist wundervoll als Ken. Das ist, glaube ich, die beste
Performance, die ich von ihm gesehen habe, er ist wirklich außergewöhnlich! Doch
dann denke ich, dass alle großartig sind, da gibt es alle Nuancen.
Warum, glauben Sie, sind in ANOTHER YEAR so viele von Mike Leighs
Stammschauspielern versammelt?
38
Ich kenne Mike ziemlich gut. Ich glaube, dass er sich mit all diesen Leuten umgeben
wollte, mit denen er sich sehr schnell und direkt verständigen kann. Mit David
Bradley hatte er noch nie gearbeitet, und auch nicht mit Stuart McQuarrie, der Toms
Arbeitskollegen spielt, in den Szenen am Anfang, in denen sie den Lehmboden
untersuchen. Und mit Oliver Maltman und Karina Fernandez hat er zuvor nur einmal
gearbeitet. Aber im Herzen wollte er wohl einen Film mit seiner Hauptgang machen.
Kamen nach der „Weihnachtsgeschichte“ irgendwelche großen HollywoodAngebote?
Ich glaube nicht, dass Mrs. Catchit in der „Weihnachtsgeschichte“ einen großen
Einfluss auf meine Karriere haben wird. Aber wer weiß, vielleicht kommen die
Angebote nach ANOTHER YEAR.
OLIVER MALTMAN (Joe)
ANOTHER YEAR ist Oliver Maltmans zweite Zusammenarbeit mit Mike Leigh nach
seinem Auftritt als Poppys Schwager in „Happy-Go-Lucky“. Als erfahrener
Komödiencharakterdarsteller trat er in der Show „Oliver Maltman‟s Little Black Book“
(The Pleasance Edinburgh 2006) sowie als Stand-up-Komiker am Comedy Reserve
(The Pleasance 2005) auf. Auf der Bühne ist er mit der Royal Shakespeare Company
aufgetreten, und im Fernsehen war er in der hochgelobten Comedy-Serie „Star
Stories“ sowie in „The Kevin Bishop Show“ und „No Heroics“ zu sehen. Sein
Kinodebüt gab er 2005 in Paul Schraders Gruselschocker „Dominion: Exorzist – Der
Anfang des Bösen“ („Dominion: Prequel To The Exorcist“).
Filmografie (Auswahl)
2005 Dominion: Exorzist – Der Anfang des Bösen (Dominion: Prequel To The Exorcist)
Regie: Paul Schrader
2008 Happy-Go-Lucky
Regie: Mike Leigh
2010 ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
39
DAVID BRADLEY (Ronnie)
David Bradley ist ein Neuzugang in der Stock Company von Mike Leigh. Einem
internationalen Publikum ist er vor allem durch seine Rolle als Argus Filch in den
„Harry
Potter“-Filmen
bekannt.
Darüber
hinaus
ist
er
ein
anerkannter
Bühnendarsteller, dem 1990 der Olivier Award als Bester Darsteller für eine
Nebenrolle in der „King Lear“-Produktion des National Theatre verliehen wurde. Für
den Olivier Award nominiert wurde er auch als Bester Darsteller der West-EndProduktion von Harold Pinters „No Man‟s Land“ und 2006 als Bester Nebendarsteller
in der National Theatre Produktion von „Henry IV I & II“. Er arbeitet intensiv mit dem
National Theatre und der Royal Shakespeare Company zusammen und trat in Sam
Mendes‟ simultanen Produktionen von „Onkel Vanya“ und „Twelfth Night“ am
Donmar in London und am BAM in New York auf. Außerdem war er in zahlreichen
Fernsehproduktionen zu sehen, zuletzt in „The Tudors“, „Ashes to Ashes“ und „The
Street“.
Filmografie (Auswahl)
1987 Das stürmische Leben des Joe Orton (Prick Up Your Ears)
Regie: Stephen Frears
1998 Kalmans Geheimnis (Left Luggage)
Regie: Jeroen Krabbe
2001 Harry Potter und der Stein der Weisen (Harry Potter and the Sorcerer‟s Stone)
Regie: Chris Columbus
2002 Harry Potter und die Kammer des Schreckens (Harry Potter and the Chamber of Secrets)
Regie: Chris Columbus
Nicholas Nickleby
Regie: Douglas McGrath
2004 Harry Potter und der Gefangene von Askaban (Harry Potter and the Prisoner of Askaban)
Regie: Alfonso Cuaron
Exorzist: Der Anfang (The Exorcist: The Beginning)
Regie: Renny Harlin
2005 Harry Potter und der Feuerkelch (Harry Potter and the Goblet of Fire)
Regie: Mike Newell
2007 Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis (Hot Fuzz)
Regie: Edgar Wright
Harry Potter und der Orden des Phönix (Harry Potter and the Order of the Phoenix)
Regie: David Yates
2009 Harry Potter und der Halbblutprinz (Harry Potter and the Half Blood Prince)
Regie: David Yates
2010 ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
40
MARTIN SAVAGE (Carl)
Sein Filmdebüt gab Martin Savage als drogensüchtiger Schauspieler in Mike Leighs
„Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ („Topsy-Turvy“, 1999). Danach war er als
Taxifahrgast in „All or Nothing“ (2002) zu sehen und als einer der Polizisten, die
„Vera Drake“ (2004) festnehmen. Zu seinen weiteren Filmcredits gehören „Der
Schneider von Panama“ („The Tailor of Panama“, 2001) und „V wie Vendetta“ („V for
Vendetta“, 2006). Darüber hinaus trat er in zahlreichen Fernsehserien auf, wie in
Ricky Gervais‟ „Extras“ und Armando Ianuccis‟ „The Thick of It – Special“. Auf der
Bühne war er als Peter Quince in der „Midsummer Nights Dream“-Inszenierung der
Royal Shakespeare Company zu sehen und im „Faustus“ von Rupert Goold.
Filmografie (Auswahl)
1999 Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt (Topsy-Turvy)
Regie: Mike Leigh
2001 Der Schneider von Panama (The Tailor of Panama)
Regie: John Boorman
2002 All or Nothing
Regie: Mike Leigh
2004 Vera Drake
Regie: Mike Leigh
2006 V wie Vendetta (V for Vendetta)
Regie: James McTeigue
2010 ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
PETER WIGHT (Ken)
ANOTHER YEAR markiert Peter Wights fünfte Zusammenarbeit mit Mike Leigh nach
„Meantime“ (1984), „Lügen und Geheimnisse“ („Secrets & Lies“, 1996), „Nackt“
(„Naked“, 1993) und „Vera Drake“ (2004), wo er den Polizeikommissar spielt, der die
Welt der Familie Drake zum Einsturz bringt.
Der 1950 in Sussex, England, geborene Schauspieler begann seine Karriere in den
späten 1970er Jahren beim Fernsehen, wo er im Lauf der Zeit zu einer festen Größe
wurde, unter anderem in den hochgelobten Serien „Out of the Blue“ und „Early
Doors“. Sein Kinodebüt gab er 1993 unter der Regie von Mike Leigh in „Nackt“
(„Naked“). Darüber hinaus übernahm Peter Wight kleinere Rollen in vielen Filmen,
unter anderem in „Shiner“ (2004) von John Irvin, „Babel“ (2006) von Alejandro
González Iñárritu, in „Stolz & Vorurteil“ („Pride & Prejudice“, 2005), „Abbitte“
(„Atonement“, 2007) von Joe Wright und „Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis“ („Hot
41
Fuzz“, 2007) von Edgar Wright. Er arbeitete an Theatern in ganz Großbritannien,
unter anderem am National Theatre und in der Royal Shakespeare Company. Zuletzt
war er in Ian Ricksons hochgelobter Royal-Court-Produktion von „The Seagull“
neben Kristin Scott Thomas zu sehen.
Filmografie (Auswahl)
1993 Nackt (Naked)
Regie: Mike Leigh
1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies)
Regie: Mike Leigh
2000 The Blind Date
Regie: Nigel Douglas
Shiner
Regie: John Irvin
2001 Der vierte Engel (The Fourth Angel)
Regie: John Irvin
Lucky Break – Rein oder raus (Lucky Break)
Regie: Peter Cattaneo
2003 The Statement – Am Ende einer Flucht (The Statement)
Regie: Norman Jewison
2004 Vera Drake
Regie: Mike Leigh
2005 Stolz & Vorurteil (Pride & Prejudice)
Regie: Joe Wright
2006 Babel
Regie: Alejandro González Iñárritu
2007 Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis (Hot Fuzz)
Regie: Edgar Wright
Abbitte (Atonement)
Regie: Joe Wright
2010 ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
Womb
Regie: Benedek Fliegauf
KARINA FERNANDEZ (Katie)
ANOTHER YEAR ist Karina Fernandez zweite Zusammenarbeit mit Mike Leigh nach
ihrem beeindruckenden Debüt als Flamenco-Lehrerin in „Happy-Go-Lucky“ (2008).
Im Fernsehen war sie in „Married Single Other“, „My Family“ und „Happy Birthday
Sheakespeare“ zu sehen. Zu ihren Bühnenauftritten gehören „Lulu“, die MaxStafford-Clark-Produktion von „Shopping“ and „F***king“ am Royal Court, außerdem
die Lady MacDuff in „Macbeth“ am Bristol Old Vic Studio und „The Convict‟s Opera“
an Max Stafford-Clark‟s Out of Joint.
Filmografie (Auswahl)
2008 Happy-Go-Lucky
Regie: Mike Leigh
42
2010
Another Year
Regie: Mike Leigh
IMELDA STAUNTON (Janet)
ANOTHER YEAR ist Imelda Stauntons zweiter Film mit Mike Leigh, nachdem sie für
ihre Darstellung der Titelrolle in „Vera Drake“ mit einem BAFTA ausgezeichnet und
für den Oscar® nominiert wurde. Die 1956 in London geborene Imelda Staunton war
im Fernsehen unter anderem in „Cambridge Spies“, „David Copperfield“ und
„Cranford“ zu sehen. Für ihre Leistungen auf der Bühne wurde sie mit drei Olivier
Awards als Beste Nebendarstellerin in „The Corn is Green“ und in „A Chorus of
Disapproval“ am National Theatre sowie als Beste Musicalinterpretin in „Into the
Woods“ ausgezeichnet. Sie tritt regelmäßig in den Produktionen des National
Theatre auf, insbesondere in Richard Eyres Produktion von „Guys and Dolls“.
Darüber hinaus war sie in drei Produktionen der Royal Shakespeare Company zu
sehen, als Sonya in Michael Blakemores Production von „Uncle Vanya“ am
Vaudeville Theatre und an der Seite von Jim Broadbent and Brenda Blethyn in Sam
Mendes‟ Produktion von „Habeas Corpus“ am Donmar Warehouse. Zu ihren
Kinocredits zählen „Shakespeare in Love“ (1998), „Sinn und Sinnlichkeit“ („Sense
and Sensibility“, 1995), „Harry Potter und der Orden des Phönix“ („Harry Potter and
the Order of the Phoenix“, 2007) und „Taking Woodstock“ (2009).
Filmografie (Auswahl)
1992 Peters Friend‟s – Freunde sind die besten Feinde (Peter‟s Friends)
Regie: Kenneth Branagh
1993 Viel Lärm um Nichts (Much Ado About Nothing)
Regie: Kenneth Branagh
1995 Sinn und Sinnlichkeit (Sense and Sensibility)
Regie: Ang Lee
1998 Shakespeare in Love
Regie: John Madden
2003 Bright Young Things
Regie: Stephen Fry
2004 Vera Drake
Regie: Mike Leigh
2005 Eine zauberhafte Nanny (Nanny McPhee)
Regie: Kirk Jones
2007 Freedom Writers
Regie: Richard LaGravanese
Harry Potter und der Orden des Phönix (Harry Potter and the Order of the Phoenix)
Regie: David Yates
2009 Taking Woodstock
Regie: Ang Lee
43
ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
Harry Potter und die Heiligtümer des Todes (Harry Potter and the Deathly Hallows)
Regie: David Yates
PHILIP DAVIS (Jack)
Philip Davis ist den Kinozuschauern vor allem durch seine Rolle als Motorradkurier in
Mike Leighs „Hohe Erwartungen“ („High Hopes“, 1988) bekannt. Für seine
Darstellung des Ehemannes von „Vera Drake“ (2004) wurde er unter anderem als
Bester Schauspieler mit dem British Independent Film Award ausgezeichnet. Mit
Mike Leigh arbeitete er darüber hinaus in den Fernsehfilmen „Who‟s Who“ und
„Grown-Ups“ und übernahm auch eine kleine Rolle in „Lügen und Geheimnisse“
(„Secrets & Lies“, 1996). Im britischen Fernsehen ist er eine bekannte Größe, unter
anderem in „The Curse of Steptoe“ und „Bleak House“ sowie in Alan Clarks
legendärer Serie „The Firm“. Auf der Bühne war er zuletzt am National Theatre in
Philistines und in Christopher Hamptons „Tales from Hollywood“ am Donmar
Warehouse zu sehen. Im Kino sah man ihn in „Tagebuch eines Skandals“ („Notes on
a Scandal“, 2006) „Nicholas Nickleby“ (2006), „Face – Abgerechnet wird zum
Schluss“ („Face“, 1997) „Alien 3“ (1993), „Die Bounty“ („The Bounty“, 1994) und
„Quadrophenia“ (1979).
Filmografie (Auswahl)
1979 Quadrophenia
Regie: Frank Roddam
1982 Oliver Twist
Regie: Clive Donner
Pink Floyd The Wall
Regie: Alan Parker
1984 Die Bounty (The Bounty)
Regie: Roger Donaldson
1988 Hohe Erwartungen (High Hopes)
Regie: Mike Leigh
1993 Alien 3
Regie: David Fincher
Im Namen des Vaters (In the Name of the Father)
Regie: Jim Sheridan
1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies)
Regie: Mike Leigh
1997 Face – Abgerechnt wird zum Schluss (Face)
Regie: Antonia Bird
2002 Nicholas Nickleby
Regie: Douglas McGrath
2004 Vera Drake
Regie: Mike Leigh
44
2005
2006
2007
2010
Casanova
Regie: Lasse Hallström
Tagebuch eines Skandals (Notes on a Scandal)
Regie: Richard Eyre
Cassandras Traum (Cassandra‟s Dream)
Regie: Woody Allen
ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
45
HINTER DER KAMERA
GEORGINA LOWE (Produzentin)
Georgina Lowe begann ihre Zusammenarbeit mit Mike Leigh als Produktionsaufsicht
bei den Filmen „Nackt“ („Naked“, 1993), „Lügen und Geheimnisse“ („Secrets & Lies“,
1996) und „Karriere Girls“ („Career Girls“, 1997). Bei „Topsy-Turvy - Auf den Kopf
gestellt“ („Topsy-Turvy“, 1999), „All or Nothing“ (2002), „Vera Drake“ (2004) und
„Happy-Go-Lucky“ (2008) fungierte sie als Coproduzentin und Line Producer. Nach
dem Tod von Mike Leighs langjährigem Produzenten Simon Channing-Williams
übernahm Georgina Lowe bei ANOTHER YEAR zum ersten Mal die Rolle der
Produzentin. Zu ihren Credits als Fernsehproduzentin gehören „The Mayor of
Carterbridge“, die Sarah-Waters-Adaptionen „Tipping the Velvet“ und „Fingersmith“,
für die sie für den BAFTA nominiert wurde, sowie zuletzt drei Folgen des populären
TV-Dramas „Kingdom“ mit Stephen Fry.
Filmographie (Auswahl)
Als Production Supervisor:
1993 Nackt (Naked)
Regie: Mike Leigh
1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies)
Regie: Mike Leigh
1997 Karriere Girls (Career Girls)
Regie: Mike Leigh
Als Coproduzentin und Line Producer:
1999 Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt (Topsy-Turvy)
Regie: Mike Leigh
2002 All or Nothing
Regie: Mike Leigh
2004 Vera Drake
Regie: Mike Leigh
2008 Happy-Go-Lucky
Regie: Mike Leigh
Als Produzentin:
2010 ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
46
DICK POPE, BSC (Kameramann)
Mit dem 1947 im englischen Kent geborenen Dick Pope verbindet Mike Leigh bereits
eine langjährige produktive Zusammenarbeit, seit 1990 führte Pope die Kamera bei
„Das Leben ist süß“ („Life Is Sweet“, 1990), „Nackt“ („Naked“, 1993), „Lügen und
Geheimnisse“ („Secrets & Lies“, 1996), „Karriere Girls“ („Career Girls“, 1997),
„Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ („Topsy-Turvy“, 1999), „All or Nothing“ (2002)
und dem TV-Kurzfilm „A Sende of History“. Für seine Kameraarbeiten an „Lügen und
Geheimnisse“ und „Vera Drake“ wurde er jeweils mit der Goldmedaille des
Cameraimage International Festivals of the Art of Cinematography ausgezeichnet. Im
Jahr 2000 folgte dort noch der Preis für die Beste Zusammenarbeit zwischen
Regisseur und Kameramann. Zu Popes weiteren Kinoarbeiten zählen Beeban
Kidrons „Amy Foster – Im Meer der Gefühle“ („Swept from the Sea“, 1997), Anthony
Neilsons „The Dept Collector“ (1999), Christopher McQuarries „The Way of the Gun“
(2000), Jill Sprechers „Thirteen Conversations about one thing“ (2001), Douglas
McGraths „Nicholas Nickleby“ (2002), Barry Levinsons „Man of the Year“ (2006)
sowie John Sayles‟ „Honeydripper“ (2007). Für die Kamera von Neil Burgers „The
Illusionist“ (2006), mit Edward Norton in der Hauptrolle, wurde Dick Pope für den
Oscar®
nominiert.
Zuletzt
führte
er
die
Kamera
bei
Gurinder
Chadhas
„Frontalknutschen“ („Angus, Thongs and Full-Frontal Snoggings“, 2008) und Richard
Linklaters „Ich & Orson Welles“ („Me and Orson Welles“, 2009) sowie Jill Sprechers
„The Convincer“ (2011).
Filmografie (Auswahl)
1990 Schrei in der Stille (Reflecting Skin)
Regie: Philip Ridley
Das Leben ist süß (Life Is Sweet)
Regie: Mike Leigh
1993 Nackt (Naked)
Regie: Mike Leigh
1995 Eine sachliche Romanze (An Awfully Big Adventure)
Regie: Mike Newell
1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies)
Regie: Mike Leigh
1997 Karriere Girls (Career Girls)
Regie: Mike Leigh
Amy Foster – Im Meer der Gefühle (Sweapt from the Sea)
Regie: Beeban Kidron
1999 Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt (Topsy-Turvy)
Regie: Mike Leigh
2002 All or Nothing
Regie: Mike Leigh
Nicholas Nickleby
Regie: Douglas McGrath
47
2004
2006
2007
2008
2010
2011
Vera Drake
Regie: Mike Leigh
Der Illusionist (The Illusionist)
Regie: Neil Burger
Man of the Year
Regie: Barry Levinson
Honeydripper
Regie: John Sayles
Happy-Go-Lucky
Regie: Mike Leigh
Frontalknutschen (Angus, Thongs and Full Frontal Snogging)
Regie: Gurinder Chadha
Me and Orson Welles
Regie: Richard Linklater
ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
It‟s a Wonderful Afterlife
Regie: Gurinder Chadha
The Convincer
Regie: Jill Sprecher
Bernie
Regie: Richard Linklater
JON GREGORY (Schnitt)
Nach diversen Fernseharbeiten übernahm Jon Gregory bei „Hohe Erwartungen“
(„High Hopes“, 1988) zum ersten Mal den Schnitt für Mike Leigh, es folgten „Das
Leben ist zu süß“ („Life Is Sweet“, 1990), „Nackt“ („Naked“, 1993) und „Lügen und
Geheimnisse“ („Secrets & Lies“, 1996), bevor er über einen längeren Zeitraum
regelmäßig mit Mike Newell bei den Filmen „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“
(„Four Weddings and a Funeral“, 1994), „Eine sachliche Romanze“ („An Awfully Big
Adventure“, 1995), „Donnie Brasco“ (1997) und „Turbulenzen und andere
Katastrophen“ („Pushing Tin“, 1999) zusammenarbeitete. Nach vierzehn Jahren
Pause seit „Lügen und Geheimnisse“ konnten Leigh und Gregory ihre erfolgreiche
Kooperation bei ANOTHER YEAR fortsetzen. In der Zwischenzeit war Jon Gregrory
unter anderem für John Hillcoat („The Proposition“ und „The Road“) tätig und ist
außerdem für den Schnitt von Chen Kaiges „Killing me Softly“ (2002) und für „Brügge
sehen ... und sterben?“ („In Bruges“, 2008) von Martin McDonagh verantwortlich.
Filmografie (Auswahl)
1988 High Hopes (Hohe Erwartungen)
Regie: Mike Leigh
1990 Das Leben ist süß (Life Is Sweet)
Regie: Mike Leigh
1991 London schafft alle (London Kills Me)
Regie: Hanif Kureishi
48
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2002
2005
2008
2009
2010
Nackt (Naked)
Regie: Mike Leigh
Vier Hochzeiten und ein Todesfall (Four Weddings and a Funeral)
Regie: Mike Newell
Eine sachliche Romanze (An Awfully Big Adventure)
Regie: Mike Newell
Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies)
Regie: Mike Leigh
Donnie Brasco
Regie: Mike Newell
Wachgeküsst (Living Out Loud)
Regie: Richard Lagravanese
Turbulenzen und andere Katastrophen (Pushing Tin)
Regie: Mike Newell
Killing Me Softly
Regie: Chen Kaige
The Proposition
Regie: John Hillcoat
Brügge sehen ... und sterben? (In Bruges)
Regie: Martin McDonagh
The Road
Regie: John Hillcoat
ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
SIMON BERESFORD (Szenenbild)
ANOTHER YEAR ist Simon Beresfords erste Zusammenarbeit mit Mike Leigh. Zu
seinen anderen Credits gehören der Spielfilm „Der Fremde“ („Out of Season“, 2004)
mit Dennis Hopper and Gina Gershon sowie der Fernsehfilm „Thatcher: The Long
Walk to Finchley“. Am Theater hat er unter anderen die Bühnenbilder für „Anthony
and Cleopatra“ mit Vanessa Redgrave und für die Inszenierung von „Die gefährlichen
Liebschaften“
in
Zürich
gestaltet.
Über
die
Jahre
hat
er
für
vielfältige
Theaterproduktionen gearbeitet, unter anderem an De Nederlandse Opera, bei den
Bregenzer Festspiele, an der Scottish Opera und der Houston Grand Opera sowie
am Royal Ballet.
Filmografie (Auswahl)
2004 Der Fremde (Out of Season)
Regie: Jevon O‟Neill
2010 ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
49
GARY YERSHON (Musik)
ANOTHER YEAR ist Gary Yershons vierte Zusammenarbeit mit Mike Leigh. Er
fungierte als Musikregisseur bei der Musicalkomödie „Topsy Turvy – Auf den Kopf
gestellt“
(„Topsy-Turvy“,
1999),
komponierte
die
Musik
für
Leighs
Bühneninszenierung von „Two Thousand Years“ am National Theatre und war für die
Musik von „Happy-Go-Lucky“ (2008) verantwortlich. Er hat eine ganze Reihe von
Musiken für Bühnenproduktionen komponiert, unter anderem für die Royal
Shakespeare Company, das National Theatre, den Royal Court, das Almeida, das
Donmar Warehouse, das Old Vic und das Young Vic sowie für größere regionale
Theater Großbritanniens und für viele West-End-Shows, unter anderem Yasmina
Rezas Stücke „Art“, „The Unexpected“, „Life x 3“ und „ The God of Carnage“. Sein
Beitrag zu Matthew Warchus Wiederaufnahme von „The Norman Conquests“ brachte
ihm
2009
eine
Drama
Desk-Nominierung
ein.
Zu
seinen
zahlreichen
Rundfunkmusiken gehören in jüngster Zeit „Gwain and the Green Knight“ für Radio 4,
„The Theban Plays“ für Radio 3 und die mit dem Sony Award ausgezeichneten
Produktionen von „Lorilei“ und „Autumn Journal“. Im Fernsehen hat er unter anderem
die Musiken für die Cartoon-Serien „The Heritage Game“ und „Trial and Retribution
IX und X“ von Lynda La Plante komponiert. Für die Filmmusik in ANOTHER YEAR ist
Yershon für den Europäischen Filmpreis 2010 in der Kategorie Europäischer
Komponist 2010 nominiert.
Filmografie
1999 Topsy Turvy – Auf den Kopf gestellt (Topsy-Turvy)
Regie: Mike Leigh
2008 Happy-Go-Lucky
Regie: Mike Leigh
2010 ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
Nominiert für den Europäischen Filmpreis 2010 als Europäischer Komponist 2010
JACQUELINE DURRAN (Kostüme)
Mike Leighs Workingclass-Drama „All or Nothing“ war Jacqueline Durrans erste
selbständige Arbeit als Kostümbildnerin. Zuvor war sie jahrelang als Assistentin von
Lindy Hemming tätig gewesen, die für ihre Kostüme in Mike Leighs Musicalfilm
„Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ („Topsy-Turvy“, 1999) mit einem Oscar®
ausgezeichnet worden war. Unmittelbar im Anschluss an „All or Nothing“ (2002)
50
kleidete Durran die Darsteller von David Mackenzies „Young Adam - Dunkle
Leidenschaft“ („Young Adam“, 2003) ein, in dem Ewan McGregor die Hauptrolle
spielt. Danach engagierte Leigh sie erneut für sein BAFTA-prämiertes Drama „Vera
Drake“ (2004) und für „Happy-Go-Lucky“ (2008). Zwei Oscar®-Nominierungen bekam
Durran für ihre Arbeit unter der Regie von Joe Wright bei der Jane-Austen-Verfilmung
„Stolz & Vorurteil“ („Pride & Prejudice“, 2005), in der unter anderem Keira Knightley,
Donald Sutherland und Brenda Blethyn die von ihr entworfenen Kostüme tragen,
sowie bei „Abbitte“ („Atonement“, 2007), mit Keira Knightley, James McAvoy und
Vanessa Redgrave in den Hauptrollen. Im folgenden Jahr war sie bei der Verfilmung
der auf realen Tatsachen basierenden Geschichte von „Der Solist“ („The Soloist“,
2009) mit Robert Downey Jr., Catherine Keaner und Jamie Foxx erneut für Joe
Wright tätig. Zu ihren jüngsten Arbeiten gehören „Eine zauberhafte Nanny – Knall auf
Fall in ein neues Abenteuer“ („Nanny McPhee and the Big Bang“, 2010) mit Emma
Thompson sowie „Wurthering Heights“ (2011), der neue Film von Andrea Arnold.
Filmografie (Auswahl)
2002 All or Nothing
Regie: Mike Leigh
2003 Young Adam – Dunkle Leidenschaft (Young Adam)
Regie: David Mackenzie
2004 Vera Drake
Regie: Mike Leigh
2005 Stolz und Vorurteil (Pride & Prejudice)
Regie: Joe Wright
2007 Abbitte (Atonement)
Regie: Joe Wright
2008 Happy-Go-Lucky
Regie: Mike Leigh
2009 Der Solist (The Soloist)
Regie: Joe Wright
2010 ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
Eine zauberhafte Nanny – Knall auf Fall in ein neues Abenteuer
(Nanny McPhee and the Big Bang)
Regie: Susanna White
2011 Wuthering Heights
Regie: Andrea Arnold
51
CHRISTINE BLUNDELL (Make-up und Frisuren)
Vor ANOTHER YEAR arbeitete die 1961 in London geborene Christine Blundell
bereits neunmal mit Regisseur Mike Leigh zusammen: in „Das Leben ist süß“ („Life Is
Sweet“, 1990), „Nackt“ („Naked“, 1993), „Lügen und Geheimnisse“ („Secrets & Lies“,
1996), „Karriere Girls“ („Career Girls“, 1997), “Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt”
(„Topsy-Turvy“, 1999), „All or Nothing“, „Vera Drake“ und „Happy-Go-Lucky“. Für ihr
herausragendes Make-up in „Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt“ wurde sie mit
einem Oscar® und einem BAFTA Award ausgezeichnet. Zu ihren weiteren
Kinoarbeiten zählen Peter Cattaneos Stripper-Komödie „Ganz oder gar nicht“ („The
Full Monty“, 1997), Jean-Jacques Annauds „Sieben Jahre in Tibet“ („Seven Years in
Tibet“, 1997) mit Brad Pitt in der Hauptrolle und Frank Coracis „In 80 Tagen um die
Welt“ („Around the World in 80 Days“, 2004), mit Jackie Chan und Jim Broadbent in
den Hauptrollen. In den letzten Jahren arbeitete sie an prominenten Filmen wie
Fernando Meirelles‟ „Der ewige Gärtner“ („The Constant Gardener“, 2005), in dem
Ralph Fiennes die Titelrolle spielt und für den Rachel Weisz mit einem Oscar® als
Beste Nebendarstellerin ausgezeichnet wurde, Michael Caton-Jones‟ Sequel „Basic
Instinct – Neues Spiel für Catherine Tramell“ („Basic Instinct 2“, 2006), in dem
Charlotte Rampling an der Seite von Sharon Stone agiert, Martin Campbells
Agenten-Abenteuer „James Bond 007 – Casino Royale“ („Casino Royale“, 2006), mit
dem Daniel Craig sein Debüt als Superagent gab, sowie das Science-FictionAbenteuer „Sunshine“ (2007), bei dem der Brite Danny Boyle Regie führte. Darüber
hinaus war Blundell die persönliche Make-up-Artistin von Nathalie Portman in Mike
Nichols‟ Beziehungsdrama „Hautnah“ („Closer“, 2004) und von Naomi Watts in David
Cronenbergs Oscar®-nominiertem Film Noir „Tödliche Versprechen“ („Eastern
Promises“, 2007). Zu ihren jüngsten Credits gehören Beeban Kidrons „Hippie Hippie
Shake“ (2010), Richard Curtis‟ „Radio Rock Revolution“ („The Boat that Rocked“,
2009) und Guy Ritchies modernisierte Version von Sir Arthur Conan Doyles
„Sherlock Holmes“ (2009) mit Robert Downey Jr. und Jude Law.
Filmografie (Auswahl)
1990 Das Leben ist süß (Life is Sweet)
Regie: Mike Leigh
1993 Nackt (Naked)
Regie: Mike Leigh
1995 Hackers – Im Netz des FBI (Hackers)
Regie: Iain Softley
1996 Lügen und Geheimnisse (Secrets & Lies)
Regie: Mike Leigh
52
1997
1999
2002
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Carla‟s Song
Regie: Ken Loach
Karriere Girls (Career Girls)
Regie: Mike Leigh
Ganz oder gar nicht (The Full Monty)
Regie: Peter Cattaneo
Sieben Jahre in Tibet (Seven Years in Tibet)
Regie: Jean-Jacques Annaud
Topsy-Turvy – Auf den Kopf gestellt (Topsy-Turvy)
Regie: Mike Leigh
All or Nothing
Regie: Mike Leigh
Vera Drake
Regie: Mike Leigh
In 80 Tagen um die Welt (Around the World in 80 Days)
Regie: Frank Coraci
Wenn Träume fliegen lernen (Finding Neverland)
Regie: Marc Forster
Hautnah (Closer)
Regie: Mike Nichols
Der ewige Gärtner (The Constant Gardener)
Regie: Fernando Merelles
James Bond 007 – Casino Royale (Casino Royale)
Regie: Martin Campbell
Sunshine
Regie: Danny Boyle
Tödliche Versprechen (Eastern Promises)
Regie: David Cronenberg
Happy-Go-Lucky
Regie: Mike Leigh
Radio Rock Revolution (The Boat That Rocked)
Regie: Richard Curtis
Sherlock Holmes
Regie: Guy Ritchie
ANOTHER YEAR
Regie: Mike Leigh
Hippie Hippie Shake
Regie: Beeban Kidron
53
AUSGEWÄHLTE PRESSESTIMMEN
„Wie jede Szene rund und vollkommen wirkt, die Kameraführung einen mitnimmt in
diese Runde von Menschen, die man am Ende gar nicht mehr verlassen will, wie die
Räume von ihren Bewohnern erzählen – daran spürt man, dass in ANOTHER YEAR
ein großer Regisseur am Werk ist.“
Süddeutsche Zeitung (Susan Vahabzadeh), 17. Mai 2010
„Ein großer Film. [...] Das liegt an langen Einstellungen, in denen Leigh seine Figuren
immer wieder zu einer kleinen Schicksalsgemeinschaft verschweißt. An seinen
Darstellern – Jim Broadbent, Lesley Mansville, Ruth Sheen –, vor denen man auf die
Knie fallen möchte.“
DIE ZEIT (Katja Nicodemus), 20. Mai 2010
„Es gelingt Mike Leigh, mit Alltäglichem zu fesseln.“
„Auch Leute, deren Vorlieben im Kino von Mike Leigh in der Regel nicht bedient
werden, können die Meisterschaft nicht leugnen, mit der er genau das erzählt, mit der
genau das erzählt wird, was der Titel sagt – wie ein Jahr im Leben vergeht –, und
dabei sein umwerfendes Schauspielensemble dazu bringt, unser ganzes Interesse
auf den Alltag der Figuren zu lenken.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung (Verena Lueken), 17. Mai 2010
„Der erste berührende und gleichzeitig humorvolle Film der Filmfestspiele.“
WELT KOMPAKT, 17. Mai 2010
„Mike Leigh, der seine Drehbücher in den Proben mit den Darstellern entwickelt,
erreicht inzwischen eine fast beängstigende Vollkommenheit: ANOTHER YEAR, eine
episodisch aufgefächerte Familiengeschichte um ein glücklich gealtertes Paar und ihr
weniger gesegnetes familiäres Umfeld, hat Dialoge wie von Harold Pinter und Bilder
wie bei Joseph Losey. Es ist das erste Meisterwerk in diesem Jahr.“
Frankfurter Rundschau (Daniel Kothenschulte), 17. Mai 2010
„Der Brite Mike Leigh hat wieder die Stärke des realistischen, lebensnahen Kinos
gezeigt.“
Abendzeitung, 17. Mai 2010
54
„Leigh empfiehlt Empathie. Sein hellwacher, sensibler Blick schärft die Sinne derart,
dass man fast glaubt, das Kino könne einen lehren, ein besserer Mensch zu werden.
Man möchte ihnen [Leighs Figuren] stundenlang beim Alltag zuschauen. Mike Leigh
ist ein Meister des stillen, hochpräzisen Naturalismus.“
tagesspiegel.de, 17.05.2010
„Doch dass die beiden eben nicht nerven in all ihrer Fürsorglichkeit, ist eines der
vielen kleinen Wunder, die Leigh in diesem Film gelingen. Leigh lässt den Zuschauer
tiefste Verzweiflung so eindringlich spüren, dass es schmerzt, und doch strahlt sein
Film eine menschliche Wärme aus, von der man noch lange zehrt, nachdem man
das Kino verlassen hat.“
spiegel.de (Lars-Olav Beier), 16. Mai 2010
4,5/5 Sternen
„Ein bittersüßes Drama, das voller Weisheit und ohne falsche Sentimentalität die
simple, aber eindringliche Wahrheit ausdrückt, dass manche Menschen ihr Glück
finden und andere am Leben scheitern. Da ist es schon schade, dass der große
Kritikerfavorit und Publikumsliebling bei der Preisvergabe des Wettbewerbs der
Filmfestspiele von Cannes vollkommen übergangen wurde.“
Filmstarts.de, Mai 2010
„ANOTHER YEAR ist eine reife und weise Reflexion über die Höhen und Tiefen des
Lebens, die ihren Platz neben den besten Filmen von Mike Leigh behauptet, neben
‚Lügen und Geheimnisse„, ‚Vera Drake„ und ‚Das Leben ist süß„.“
The Daily Telegraph (David Gritten)
„Wunderschön, beißend und auf kuriose Weise fesselnd: Ein bittersüßer Salut an die
Schrecken und Vergnügungen des Älterwerdens.“
The Observer (Xan Brooks)
„Wunderbar beobachtet“
News of the World
55
„Lebendig und unvergesslich“
Empire
„Eine absolut makellose Produktion“
Variety
„Emotional kraftvoll“
The Times
„Der vielleicht schönste Film des englischen Regisseurs.“
La Repubblica (Natalia Aspesi)
„Mike Leigh führt Regie für einen sensiblen Film mit berührender Größe.“
La Repubblica (Roberto Nepoti)
„Wunderbar, perfekt und universal. Natürlichkeit in Filmform. Nur Mike Leigh weiß,
wie viele Proben notwendig waren, um dieses Ergebnis zu erzielen.“
Il Foglio (Mariarosa Mancuso)
„Jede Szene eröffnet eine Welt dank eines reichen, vielfältigen Subtextes, eines
sorgfältig erkundeten Hintergrunds aller Protagonisten und der Bravour der
wunderbaren Schauspieler.“
Il Messagero (Fabio Ferzetti)
„Ein äußerst angenehmes Eintauchen in das wahre Leben von wahren Personen, die
von Schauspielern dargestellt werden, die spielen, wie sie atmen. Ein herrlicher
Film.“
L‟Unità (Alberto Crespi)
56