Ernährungsbiografie: Prägungen, Übergänge und Esskultur 5. f.eh
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Ernährungsbiografie: Prägungen, Übergänge und Esskultur 5. f.eh
27.06.2014 Ernährungsbiografie: Essen im Lebensverlauf 5. f.eh-Symposium: "Demografische Revolution: Reifeprüfung auf dem Teller" Christine Brombach, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft 1 27.06.2014 Who is who at ZHAW? Ehem. ZHW Zürcher Hochschule Winterthur Ehem. HSSAZ Hochschule für Soziale Arbeit Zürich Ehem. HAP Hochschule für Angewandte Psychologie Ehem. HSW Hochschule Wädenswil Grösste Mehrsparten-Fachhochschule > 8’000 Studierende > 1’500 Mitarbeitende Standorte: Wädenswil, Winterthur, Zürich 8 Departemente 3 Mission Statement of the Institute Flavourful, safe and nutritious foods from raw material to the consumer 4 2 27.06.2014 Gliederung • • • • • Einleitung Entstehung des Ernährungsverhaltens im Lebensverlauf Essen als „Geschmacksheimat“ Essen im Verlauf von 3 Generationen: was sich ändert, was bleibt Herausforderungen und Ausblick Christine.Brombach@zhaw.ch Warum essen und trinken wir? Essen und Ernährung sind lebensnotwenig. Da wir Menschen ohne Instinkte geboren werden, ist es biologisch nicht vorgegeben, welche Nahrung wir essen sollen. Wir sind von Natur aus Omnivoren, eben „Alles-Esser“. Im Verlaufe unseres Lebens lernen wir, welche Speisen wir wann, wie und in welcher Abfolge verzehren können. Im Verlaufe unseres Lebens verändert sich unser Bedarf an Nährstoffen wie auch unsere Bedürfnisse, die die Nahrungswahl mit beeinflussen. 3 27.06.2014 Simple Frage: Was esse ich? Was ist Nahrung? Sehr komplex, multiple Einflussfaktoren Zusammenhänge nicht eindeutig (was ist überhaupt «Nahrung»?, warum, weshalb esse ich..) ABER: Frage, «was esse ich» wird mit dem Alter bedeutsamer: Zunahme an ernährungsmitbedingten Erkrankungen Christine.Brombach@zhaw.ch Essen und Trinken im Lebensverlauf - Bedarf und Bedürfnisse - Wissen und Schichtzugehörigkeit Gesundheitswert Genusswert Physiologischer Bedarf Essen und Trinken Psychologischer Wert Zeit Sozial-kultureller Wert Identität Eignungswert Ethischer Wert 4 27.06.2014 Die Bevölkerung in Österreich wird immer älter Demografischer Wandel Fragen und Herausforderungen bezüglich Bedürfnissen, Vorlieben und Gewohnheiten dieser heterogenen Gruppe von älteren Menschen © STATISTIK AUSTRIA, Kartographie und GIS – 2011, http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/demographische_prognosen/bevoelkerungsprognosen/index.html abgerufen am 20.6.2014 Was heisst es alt zu sein? 10 5 27.06.2014 Aktive Alte? Sehr heterogene, konsumkritische Gruppe 6 27.06.2014 Wenn wir etwas über ältere Menschen erfahren wollen, müssen wir herausfinden, wo sie stehen…wenn wir nicht verstehen, was ältere Menschen verstehen, können wir nicht auf die Bedürfnisse und Wünsche von älteren Menschen eingehen… frei nach Sǿren Kirkegaard Wie die Kultur prägt • Unsere Kultur, die uns umgibt beeinflusst unser Alter(n) und Vorstellungen vom Alter(n). • Kultur spiegelt die (organisch) gespeicherten und gelernten Erfahrungen. Diese «frames» prägen unser Verhalten. • Die Welt ist komplex, wir suchen Typisierungen, die uns den Alltag erleichtern, z.B. „jung“ und „alt, die wiederum unsere Wahrnehmung von „Alter“ beeinflussen bzw. diese stets neu „institutionalisieren“. 7 27.06.2014 Veränderungen (1) • Veränderungen von soziodemographischen Faktoren (z.B. Haushaltsgrösse, aging in place…) • flexible Arbeitszeiten (aber auch: längere Lebensarbeitszeit!) • mehr Freizeit (die es sinnvoll zu nutzen gilt!) • größere Distanzen zwischen Arbeitsplatz und Wohnort • Ausser-Haus-Angebote • verstärkte Medienangebote • Social media Veränderungen (2) • • • • Lebensmittelangebot und medizinische Versorgungen haben sich extrem erhöht Durchschnittliche Lebenserwartung hat sich erhöht Anzahl älterer und sehr alter Menschen hat sehr stark zugenommen Veränderungen der Haushaltsstruktur 8 27.06.2014 Lebenssituation heute: Generation 65+ in Österreich und Europa Wirtschaftlicher Wohlstand Medizinische Versorgung Hedonistische Grundhaltung Wert der Selbstbestimmung, Souveränität, Autonomie! Bestimmungsgrößen und Bezugsrahmen von Lebensweisen und Ernährungsverhalten kulturelle Rahmenbedingungen Haushalt Erziehung Gewohnheit Traditionen Normen Werte Muster Personale Größen Individuum Biopsycho-soziale Komponenten Rolle Gender Markt soziale Größen kulturelle Größen GeschmacksPrägung Glauben Erfahrungen Herkunft / Region life setting Produktion von Lebensmitteln Eigene Darstellung Diese Bestimmungsgrössen gehen in unser «Fleisch und But» über 9 27.06.2014 Erziehung in der Kindheit („Ernährungsbiografie“) • • • • Verhaltenskodex Normen und Wertesystem Emotionen und Erinnerungen Liebe und Wertschätzung der Person Was wird erlernt? • • • • • Auswahl und Bewertung der Lebensmittel Regeln der Küchen und Speisen Mahlzeit als Gemeinschaft stiftendes Ereignis Tischgespräche, Tischsitten, Verhaltenscodex Symbolik der Nahrung 10 27.06.2014 Was wird erlernt? • Geschmack (mere exposure, Überwindung der Neophobie) • Essen lernen wir nur, wenn wir essen! Prozedurale Abläufe • Verknüpfungen mit einem Kontext (Nähe, Geborgenheit, Situationen, Zeiten, Anlässe) • Habitualisierungen und «Skripte», d.h. fest eingeübte Verhaltensmuster (> 100 000 Mahlzeiten, >5 Jahre unseres Lebens Kauen und Schlucken wir NUR!) • Positive Verknüpfungen (Belohnung, gute Stimmung) • Aversionen (Bestrafung, Zwang) Erziehung in der Kindheit Sozialisation: Verhaltenskodex Normen und Wertesystem Emotionen und Erinnerungen Liebe und Wertschätzung der eignen Person Essen ist etwas anderes als Ernährung! Esskultur als Verstehen des „Gewordenseins“, des Wahrnehmens, des Sinns aus Sicht der jeweils handelnden Individuen* * Anthropologisches Handeln in Bezug auf Max Scheler, Helmuth Plessner 11 27.06.2014 Life course, social and cultural „frames“ (political, economical, technological, scientifical positions) Subjective experiences Food biography Life course, age and individual aging Eigene Darstellung Sozialisation und Biografie sind untrennbar verknüpft Heutiges Handeln und Verhalten wird durch „frames“ geprägt, die (in der Familie) tradiert wurden und weitergeführt werden. Hier spielt das Essen als soziale Handlung eine wesentliche Rolle: Menschen brauchen Menschen, mit denen sie Essen teilen, damit sie sich selbst wahrnehmen, „spiegeln“, können. G. Simmel: das Gemeinsamste, was alle Menschen miteinander teilen ist, dass sie gemeinsam essen… 12 27.06.2014 Veränderungen hinsichtlich unserer Nahrung in den letzten 40 Jahren, Trends im Überblick (Verhältnisse!) • • • • • • • • • • Auswahl: was ist essbar, was nicht (bestimmte Lebensmittel wie z.B. Innereien werden nicht mehr gegessen, neue kommen auf den Markt z.B. „designer food“) Anbau- und Verarbeitungsverfahren der Produkte (technisierte Landwirtschaft, Züchtung und Produktion, Anbau ohne Boden) Vermarktungsstrategien (online-Werbung, personalisierte Werbung!) Wissenschaftliches Wissen nimmt zu, Alltagswissen ab (food literacy) Zubereitungsarten verändern sich, im Haushalt und in Industrie (Steamer, Kochhäuser) Zeitarmut: Convenience-Produkte, Fast Food (eat – on - the – go) Bewertung und Moralisierung des Essens (Selbstverantwortung und Gesundheit) Internationalisierung und Verlust der ernährungskulturellen Identität Verknappung von Ressourcen, Peak Oil, Social media web 2.0 Globalisierung Kinderreichtum: Rosamunde Schönhofer (1882-1985) mit ihren 16 Kindern um 1930 13 27.06.2014 Prägungseinflüsse im Generationsverlauf (25-Jahre-Zyklus) Kohorte (Altersgruppe) Alter heute Geburtsjahrgang Geburtsjahrgang Eltern 51 – 60 1951 – 1960 1926 – 1935 61 – 70 1941 – 1950 1916 – 1925 71 – 80 1931 – 1940 1906 – 1915 81 – 90 1921 – 1930 1896 – 1905 91 – 100 1911 – 1920 1886 – 1895 Und dann sind auch noch die Grosseltern beteiligt! Entstehung des Ernährungsverhaltens im Lebensverlauf: „frames“ Die Kultur, in die wir hineingeboren werden: • Technische Entwicklungen • Politische Entwicklungen • Ökonomische Entwicklungen • Neue Lebensmittel auf dem Markt Niemand ist «voraussetzungslos» 14 27.06.2014 Politische Ereignisse Europa Völkerbund 1. Weltkrieg 1910 1920 Österreich NATO 2. Weltkrieg 1930 1940 Kalter Krieg 1950 1960 1970 1980 Wiedervereinigung Deutschlands 1990 2000 Erste Zweite Republik 27.Juli 1955 Seit 1979 3. Volle UN Hauptsitz Republik Souveränität in Wien 2014 Seit 2007 5 Jahre Legislaturperiode Ereignisse in der Wirtschaft Agrarrevolution Goldene Zwanziger 1910 1920 1930 1940 1950 1960 Weltwirtschaftskrise 1970 1. Ölkrise 1980 Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) 1990 2000 2012 Einführung Euro EG Globalisierung gegründet der Märkte Globale Finanzkrise Eigene Darstellung Bildung, Wissen Heisenberg: Unschärferelation 1910 1920 1930 O.Hahn entdeckt Kernspaltung 1940 Struktur DNA 1950 1960 Neutron DNA: Träger Einstein: Allg. Relativitätstheorie entdeckt Erbinformation Entdeckung Schwarzes Loch 1970 1980 Lebensmittel 3 D 1990 QuarkModell 2000 Klonschaf Dolly 2014 Epigenetik Sputnik in Umlaufbahn Mobilität, Kommunikation Maus& Menü für PC s/w- Fernseher Tonfilm 1910 1920 1930 1. Rundfunksender Amerika 1. Computer (Rechenmaschine) 1940 1950 1960 Farbfernseher 1970 1980 Gründung Google 1990 Erster Laptops iphone 7, 8… 2000 2012 Facebook Eigene Darstellung 15 27.06.2014 LM-Technologie und -Industrie Maillard- Erste Masttierhaltung Rkt. Toastbrot entdeckt 1910 1920 Teebeutel und Kaffeefilter 1930 1940 Strichcode Frischhaltefolie 1950 1960 Fokus auf nachhaltige Produkte PETFlaschen 1970 1980 1990 Löskaffee Erster Convenience Food von Nestlé Mähdrescher Tiefkühlgerichte 2000 2014 Anbau GentechnikPflanzen Bereich der Ernährung Vitamine entdeckt 1910 1920 Haushaltskühlschrank 1. Fastfood Restaurant Vit. C künstlich Erste BioSparschäler Naturkostläden hergestellt 1930 1940 1950 Küchenmaschine mit mehreren Funktionen 1960 1970 Zunahme HHGeräte (Mikrowelle, Gefriergeräte) 1980 H-Milch 1977 erster McDonalds Wien 1990 2000 2012 „Molekulare Gastronomie“ Eigene Darstellung Beispiele aus dem Bereich der Lebensmittel 1950er Jahre: «Wirtschaftswunder» • • • • • • • • • LM-Marken werden abgeschafft Getreideprodukte ↓; Fleisch, Milch, Eier, Zucker, frisches Obst, Fette (Butter & Margarine, Speck, Schmalz) ↑ ->Nachholbedarf v.a. an Südfrüchten & Frischobst ->tierische Fette werden zunehmend durch pflanzliche Fette ersetzt Import von Kartoffeln und Getreidesorten ↓ ->Kunstdüngereinatz ->Ausweitung genutzter landwirtschaftlicher Flächen Kaffee-, Kakao- , Tee- & Tabakkonsum ↑ (Steuersenkungen) Bierkonsum ↑ sowie auch teure Alkoholika & Sekt Zapfbier (Kneipe) Flaschenbier (zu Hause) Kompakte EBK mit Kühlschrank für jedermann Instant Produkte (Gefriertrocknung) -Maggie-Slogan „schmeckt wie Hausgemacht“ -Instantgetränke (Kaffee, Kakao), Brühwürfel, Soßen, Suppen LM-Konserven (Kurzzeiterhitzung, Tiefkühlung, Vakuum-Trocknung) Abfüllung von „Tütenmilch“ um den Milchkonsum zu erhöhen (Entsorgung von Glasflaschen lästig und hoher Kostenfaktor) Erste Supermärkte mit SB (in USA) 16 27.06.2014 Beispiele aus dem Bereich der Lebensmittel 1960er Jahre • • • • • • • • Genussmittelkonsum (Sekt) steigt weiter an Internationalisierung des Essens ->zahlreiche Pizzastuben, Balkan-Grills und China-Restaurants erobern Deutschland Lust darauf, Neues auszuprobieren ->Kochrezepte in Illustrierten/Frauenzeitschriften Erste Aufklärungsaktionen des BM für Ernährung Ausgefallene Spezialitäten aus In- & Ausland und Produktvielfalt ->Käsesortiment ->Brotsortiment mit verschiedenen Gewürzen Suppenindustrie ->verfeinerte Qualität von Trockenkonzantraten ->breites Spektrum an Dosensuppen Nescafe in Glasverpackung ->Ätherische Öle vertragen sich nicht mit Dosenblech TK-Ware wird immer beliebter, Einfrieren im Privathaushalt Beispiele aus dem Bereich der Lebensmittel 1970er Jahre • Entdeckung von umweltbelasteter Nahrung ->Schweizer Käse mit Insektenvertilgungsmitteln belastet (Dieldrin, Lindan) ->Bayrische Milch mit Insektenvertilgungsmitteln und Antibiotika • Bewusstsein für Hunger in der 3. Welt • Wohlstandsbauch Schlankheitswahn ->Kalorientabellen • Fast-Food-Ketten in Großstädten • Gemeinsame Mahlzeiten keine Selbstverständlichkeit mehr ->Vorgefertigte Mahlzeiten ersetzen selbstgekochte Speisen ->fette snacks vorm TV statt warmer Mahlzeiten ->Fast-Food als schneller Snack unterwegs Jogurtschokolade ->Trinkmilchverbrauch ↓; Milchprodukte ↑↑ ->Kartoffelspezialitäten: Kroketten, Klöße, Rösti ->Exotische Früchte: Kiwi, Mango, Papaya, Passionsfrucht, Aubergine, Avocado 17 27.06.2014 Beispiele aus dem Bereich der Lebensmittel 1980er Jahre • • • • • • • • • • • • Lieber „gesündere“ Margarine statt Butter Geflügel & mageres Schweinefleisch statt Rindfleisch Mineralwasser wird „In“ „Bioprodukte“ erfahren wachsenden Zulauf ->Schadstoffe im Essen schrecken Bürger auf Naturkost- & Bioläden und Direktvermarktung vom Bauernhof Exklusive Imbissstände für Nobelesser ->Delikatessen wie Hummersuppe & Kaviar mit Champagner Vollwertkost liegt voll im Trend: Dinkel, Buchweizen, Grünkern, Hirse & Co. Erleben ein Comeback Dritte-Welt-Shops: Fair-Traid-LM Coca-Cola-Light erobern den Markt Weight-Watchers etablieren sich Mikrowelle zieht in die HH ein,kürzere Garzeiten, ungeklärt, ob Strahlung schädlich ist Überflutung von Kochbüchern für jeden Anspruch Beispiele aus dem Bereich der Lebensmittel 1990er Jahre • • • • • • • • • • • • • • BSE-Skandal Salate in Fast-Foodketten Vollkornprodukte als Fertiggerichte Diät- & Alkoholfreie Biere etablieren sich „Trenn-Diät“ Buch „Köstliche Insekten“ „Tödliche Eier“ –Salmonellenvergiftungen Trend zur „neuen Bescheidenheit“ Novel-Foods wollen den Markt erobern LM aus neuartigen Preis wird für Kauf von LM immer wichtiger Discounter erobern den Markt Fastfood-Ketten & Lieferservices statt Restaurant Snack- & Convenience-Food Gesellschaft ->Snackshops jetzt auch in Tankstellen Mineralwasser in PET-Flaschen 18 27.06.2014 Beispiele aus dem Bereich der Lebensmittel 2000er Jahre • • • • • • • • • • Gentechnisch veränderte LM werden überwiegend von Gesellschaft abgelehnt Functional Food erobert den Markt ->Probiotische LM, cholesterinsenkende Margarine (Becel) Kaffee-Spezialitäten werden Trend Frischetheken in Supermärkten ->geschnittenes Obst, gewaschener Salat etc. Exotisches wird immer mehr zu Hause zubereitet ->Sushi, asiatisches im Wok etc. BIO-Siegel verliert an Glaubwürdigkeit Küchenklassiker kehren zurück ->kulinarisches Erbe bewahren ->Fettgehalt aber „modernisiert“ Junge Köche bringen neues Image für Kochsendungen: Kochen wird jung & wild, Jamie Oliver, Tim Mälzer & Co. Kochen, Selbermachen wird Trend (Internetforen, bloggs) Ab 2010 Stevia erobert den Markt 3D-Drucker für LM Analogkäse ist damit kein Thema mehr… Smoothies, Lassies 19 27.06.2014 Prägung des Essverhaltens und Persistenz Köster, 2009, 74 Essen gegen das Vergessen – Essen als «Emotionsspeicher» «In der Sekunde nun, als dieser mit dem Kuchengeschmack gemischte Schluck Tee meinen Gaumen berührte, zuckte ich zusammen und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches, das sich in mir vollzog. Ein unerhörtes Glücksgefühl, das ganz für sich allein bestand und dessen Grund mir unbekannt blieb, hatte mich durchströmt. Mit einem Schlage waren mir die Wechselfälle des Lebens gleichgültig, seine Katastrophen zu harmlosen Mißgeschicken, seine Kürze zu einem bloßen Trug unserer Sinne geworden; es vollzog sich damit in mir, was sonst die Liebe vermag, gleichzeitig aber fühlte ich mich von einer köstlichen Substanz erfüllt: oder diese Substanz war vielmehr nicht in mir, sondern ich war sie selbst. Ich hatte aufgehört, mich mittelmäßig, zufallsbedingt, sterblich zu fühlen.» Aus: Marcel Proust Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Christine.Brombach@zhaw.ch 20 27.06.2014 Arten der Erinnerung Langzeitgedächtnis • Kurzzeitgedächtnis Semantisches Gedächtnis nimmt kaum mit dem Alter ab =Faktisches, deklaratives Gedächtnis z.B. Essensroutinen und Handhabungen Tomaten sind rot, Kirschen schmecken süss «Arbeitsspeicher» • Episodisches Gedächtnis Was, wann, wie nimmt im Alter stark ab z.B. was habe ich gestern gegessen • Nondeklaratives Gedächtnis (z.B. Gehen, Handlungsabläufe) • Prozedurales Gedächtnis Viele Bereiche, die mit Ernährungsverhalten zu tun haben sind nondeklarativ aber auch semantisch, bleiben also in einem normalen Alterungsprozess am besten erhalten Erinnerungen • Sind subjektiv und werden immer nur in der Gegenwart konstruiert und interpretiert • Erinnerungen sind Bedeutungen und Erfahrungen aus der Vergangenheit • In allen Kulturen wird «kulturelle Erinnerung» und Identität durch und mit Essen als «Vergemeinschaftung» gepflegt und durch tägliche Wiederholungen verfestigt (ich esse Frühstück, also ist das, was ich tue ein «Frühstück essen», zu Weihnachten gibt es Gänsebraten, der also damit als Festessen zu Weihnachten gehört ) 21 27.06.2014 Erinnerungen… • Erinnerungen variieren in der Wahrnehmungsintensität sowie Art und Inhalt • Sie sind sehr heterogen: Gefühle, konkreter Gegenstand, Episoden, körperliche Wahrnehmung • Sie können bewusst sein, vorbewusst, flüchtig, persistent Christine.Brombach@zhaw.ch Erinnerungen durch Essen • z.B. spezifische Produkte aus dem Heimatland • z.B. spezifische Mahlzeiten (Weihnachten, Hochzeiten, Geburtstage, am Samstag gab es früher Suppe) • Anhand von konkreten Gerüchen und Speisen • Spezifische Situationen Christine.Brombach@zhaw.ch 22 27.06.2014 Wie nehmen Erinnerungen Einfluss auf Essen? • Erinnerung an vorherige, zuletzt konsumierte Mahlzeiten beeinflussen Menge und Auswahl (z.B. ich habe zu Mittag wenig/viel gegessen, dann werde ich in der folgenden Mahlzeit viel/wenig essen) • Vorfreude auf angenehme Speisen: Mama, was gibt es heute zu essen? • Furcht vor ungeliebten Speisen: Beispiel Frau B. als Kind Aversion gegen Möhrengemüse Christine.Brombach@zhaw.ch Grundsätzlich gilt: • Ursache und Wirkung in beide Richtungen möglich • Ich erinnere mich, das löst eine Esshandlung aus • Eine Esshandlung löst auch eine Erinnerung aus 23 27.06.2014 Verknüpfungen von Geruch, Gefühlen und Sprache Im Alter bleiben die Skripte bestehen, aber die sprachliche Zuordnung kann verloren gehen Sheperd, 2006, 319 Verknüpfungen von Wahrnehmungen, beteiligten Hirnregionen und Gefühlen und Erinnerungen und zwar sind es vielfach zirkuläre Wirkungen Christine.Brombach@zhaw.ch Geruchsmoleküle schaffen ein Geruchsimage, welches als «Skript» wiedererkennbar wird. Dabei spielt im Olfaktorischen System die Nähe zum limbischen System die entscheidende Rolle Sheperd, 2006; 317 Christine.brombach@zhaw.ch 24 27.06.2014 Gefühle und Stimmungen • Essen hat eine emotionale Wirkung: • Kalorienreiche und fettreiche Lebensmittel wirken auf das serotoninergische System, und auf die Hormone Glucagon und Insulin • Nahrung nimmt Einfluss auf die Gefühle (kurzfristiger Zustand) und Stimmung (langfristiger Zustand) • Wirkung ist abhängig vom Ausgangszustand Christine.brombach@zhaw.ch Einblicke aus einer explorativen 3-Generationenstudie* In dieser Studie wurden Studenten der Friedrich-SchillerUniversität Jena (D), der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe (D), der Hochschule Albstadt-Sigmaringen (D) und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Wädenswil (CH) sowie deren Eltern und Grosseltern über drei Generationen befragt. Die F1-Generation steht dabei für die Grosseltern, die F2Generation für die Eltern und die F3-Generation für die Kinder (Enkel). 31 Fragen rund um die Themen Essen, Lebensmittel, Kochen, Einkaufen, Vorratshaltung, Umgang mit Essen und Esstraditionen in der Kindheit und heute wurden schriftlich gestellt. * Gemeinsam mit Prof. S. Bartsch, Karlsruhe, Prof. G. Winkler, Sigmaringen 25 27.06.2014 3-Generationen Studie 1900 1910 Politische 1920 1930 1940 1950 1. Weltkrieg Ereignisse 1990 2000 2010 2020 UNO-Beitritt CH Bau der Berliner Mauer (1961) (1939-1945) Wiedervereinigung NATO (1949) Deutschlands 1990 sinkende Lebensmittelpreise im Verhältnis zum Realeinkommen, Unterschiede der Lebensmittelausgaben (prozentual zum Einkommen) gleichen sich an Goldene Zwanziger der Weltwirtschaftskrise Wirtschaft Währungsreform Agrar- (1948) revolution Globalisierung der Rezession, Arbeitslosigkeit Märkte städtischen Haushalten (1926) Entdeckung der Trend zur multifunktionalen Küche Mikrowelle Tiefkühlgerichte Entdeckung der Vitamine (1913) Fokus auf nachhaltige Produkte 3 D Druck von Anbau Genetik- erstes Fertiggericht (1954) Lebensmittel Pflanzen Teebeutel und Kaffeefilter Ernährung PET-Flaschen erste Dosen mit Softdrinks (1948) Toastbrot Bereich Lebensmitteln (2002) elektronischer HH-Geräte, Gefriergeräte, Löslicher Kaffee von Maillardreaktion Néstle Erfindung des Homogenisators Erste Masttierhaltung und Industrie Börsennotierung von Einführung Euro Einbauküchen setzen sich durch, Zunahme Elektrifizierung Erste Einbauküchen globale Finanzkrise, Wirtschaftsraum Massenarbeitslosigkeit Seit 1950 zunehmende mehreren Funktionen Fliessendes Wasser in Europäischer Beginn der Rezession, Küchenmaschinen mit Ereignisse LM- erste Ölkrise Börsenkrach 1929, Beginn der Haushalts-kühlschrank Technische Technologie 1980 Fall der Berliner Mauer (1989) 2. Weltkrieg Völkerbund (1920-1946) Ereignisse in 1970 (1947-1980) (1914-1918) Monarchie 1960 Kalter Krieg erstes Tiefkühlprodukt (1929) Vit. C wird künstlich hergestellt Erste Bio-Naturkostläden Erstes Fastfood H-Milch (1969) Restaurant Epigenetik Molekulare Gastronomie Lebensmittel-Discounter wie z.B. Aldi entstehen Grosseltern F1 Eltern F2 Kinder F3 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 Ergebnisse der 3-Generationenstudie Grosseltern Variable (F1) n = 52 Geschlecht männlich weiblich Range [Jahre] Eltern (F2) Kinder (F3) n = 95 n = 100 Total n=247 60 10 (19.2 %) 28 (29.5 %) 22 (22.0 %) (24.3 %) 42 (80.8 %) 67 (70.5 %) 78 (78.0 %) 58 – 91 16 – 36 44 – 68 187 (75.7%) 16 – 91 26 27.06.2014 Verzehrshäufigkeit Kindheit und heute Quelle: Brombach, Haefeli, Bartsch, Winkler, DGE 2014 Quelle: Brombach, Haefeli, Bartsch, Winkler, DGE 2014 27 27.06.2014 Wo wird Kochen gelernt? Bedeutung der Mütter! Quelle: Brombach, Haefeli, Bartsch, Winkler, 2014 Ressourcenschonenden Umgang beherrschen die Grosseltern am besten! Quelle: Brombach, Haefeli, Bartsch, Winkler 2014 28 27.06.2014 Die 3 Generationen: Entwicklung und Einflussgrössen auf den Umgang mit Lebensmitteln Frage 16 - Kommt es vor, dass Sie die Lebensmittelverpackungen nicht öffnen können - Vergleich 100% 90% 80% 70% 60% Nein, eher selten 50% Ja, überwiegend 40% 30% 20% 10% 0% F1 F2 F3 Die 3 Generationen: Entwicklung und Einflussgrössen auf den Umgang mit Lebensmitteln Frage 21 - Bedeutet es für Sie erheblichen Aufwand, die Lebensmittelverpackung richtig (getrennt) zu entsorgen? Vergleich 100% 90% 80% 70% 60% Ich trenne meinen Müll nicht 50% Nein, eher selten Ja, überwiegend 40% 30% 20% 10% 0% F1 F2 F3 29 27.06.2014 Fragestellungen • Verändert sich das Ernährungsverhalten von Großelterngenerationen zu ihren Enkeln? • Welche familialen, gesellschaftlichen Faktoren tragen zu einer Ernährungsverhaltensänderung bei? • Was wird tradiert, was verändert? • Was sind mögliche Ursachen dafür? Forschungsdesign (Re-visited study) Familien aus dem Rhein-Main-Gebiet (D) mit 2 erwerbstätigen Eltern und mindestens 1 Kind zwischen 14-16 Jahren (Erstbefragung) wurden nach 2 bis 3 Jahren erneut befragt (Zweitbefragung) Die Befragung wurde, wenn möglich, mit allen Familienmitgliedern mittels narrativer Interviews durchgeführt (Väter, Kinder) Großelterngeneration wurde einbezogen 30 27.06.2014 Mahlzeiten Komplex Müssen unterschiedliche Anforderungen erfüllen: Ausgewogen, Gewohnheiten, kulturelle und soziale Aspekte, Wissen, sinnliche Aspekte, Werte, Identität, Religion, Machbarkeit, Verfügbarkeit… Quelle: Tolksdorf, U., 1975, S. 289 Mahlzeit Speise Nahrung (N) Situation Technik (T) Soziale Zeit (Z) Sozialer Raum (R) Bewertung durch Bewertung durch Bewertung durch Bewertung durch Individuum Individuum Individuum Individuum Gesellschaft Gesellschaft Gesellschaft Gesellschaft (NwG) (TwG) (ZwG) (RwG) 31 27.06.2014 F-3 Generation Zwischen 1 Jahr und 20 Jahren Kindergarten, Schule, Studium, Lehre, Zivildienst Mithilfe variabel, je nach Vorgabe der Eltern, in der Regel sind die Mädchen an der Nahrungsvorund zubereitung interessierter als die Jungen. Mädchen haben ein ausgeprägteres Gesundheitsbewusstsein, ausgelöst durch figurbetontes Essen“, häufig sind sie Vegetarierinnen, kein Junge ist Vegetarier F-2 Generation / Frauen F-2 Generation / Männer alle Frauen sind berufstätig (überwiegend Teilzeit) alle sind berufstätig, Vollzeit (ein Mann Teilzeit) Alter zwischen 37 und 52 Jahren Alter zwischen 39 und 54 Jahren alle Frauen empfinden es als Belastung, Familie und Beruf zu vereinen, den widersprechenden Interessen der Kinder und dem Zusammenhalt der Familie gerecht zu werden gemeinsame Mahlzeiten mit der ganzen Familie verlagern sich häufig auf das Wochenende, Mithilfe im Haushalt und der Familie beschränkt sich meist auf Großeinkauf am Wochenende, gelegentliches Putzen, Gartenarbeit und Reparaturen wollen mehr Mithilfe von Männern und Kindern sehen sich aber in der „Erziehungsarbeit“ eingebunden 32 27.06.2014 F-1 Generation (62 Jahre und älter, teilweise mittlerweile pflegebedürftig oder verstorben) Alle Befragten sind mittlerweile in Rente, die meisten f-1 Ehefrauen waren nicht erwerbstätig oder häufig nur bis zur Familienphase. Falls sie erwerbstätig waren, hatten sie vielfach die Hilfe der Familie für Kinderbetreuung. Für sie selbst ist es selbstverständlich, sich für die eigenen Kinder und Enkel einzusetzen: - Kinder / Enkel werden mitbeköstigt (teilweise nach Bedarf) - Kinder / Enkel bekommen Nahrungsversorgung (Einladungen, verarbeitete Naturalien wie Marmeladen, Saft, Kuchen, traditionelle Gerichte, Gemüse aus dem Garten) - Rollenaufteilung traditionell, Frauen bereiten die Nahrung zu, Männer kaufen höchstens ein, helfen teilweise beim Spülen - Frauen richten sich ganz nach ihren Männern - Männer überlassen den Frauen diese Aufgabe, „wollen sich nicht einmischen“, „Sache der Frau“ Veränderungen im Verlauf der Generationen Strukturelle Veränderungen „Inhaltliche „ Veränderungen (auf der Speiseebene) Vorstellungen / Bedeutungen der Mahlzeiten 33 27.06.2014 Strukturelle Veränderungen F-2 und F-3: es wird häufig nicht zusammen, sondern zeitverschoben (das gleiche) gegessen F-1 F-2 F-3 Zeitpunkt der Mahlzeiten verschiebt sich auf später (von F-1 Generation mit regelmäßigen, festgelegten Zeiten zu F-3 Generation mit variablen Zeiten) Inhaltliche Veränderungen lange Vorbereitungszeit der Speisen regional/saisonal beeinflusst hoher Stellenwert des Essens richtiges Benehmen am Tisch F-1 F-2 F-3 „Zeit“ als oberstes Primat der Mahlzeitenvorbereitung für die F-2 Generation Rückgriff auf convenience Produkte lange Vor- und Zubereitungszeiten entfallen wenig Eigenherstellung (Brot backen, Einkochen) Geschmacksvorlieben der Kinder sind vorrangig 34 27.06.2014 Mahlzeiten als Möglichkeit der Kommunikation (...) wir essen immer gemeinsam, sofern es geht, essen Frühstück gemeinsam, wir essen gemeinsam zu Mittag (...) und wir essen dann auch gemeinsam zu Abend ... Das bin ich auch von meiner Kindheit gewöhnt ... Ja einfach diese Gemeinsamkeit der Familie, die ist mir ganz wichtig (...) und dann mittags ja, dann wird schon von der Schule erzählt, was da los war, der Kleine erzählt ganz viel, der Große net so (...) ja, und abends wird natürlich erzählt, was beim Basketballsport war oder, also es wird eigentlich relativ viel geredet, (...) beim Essen überhaupt (...).“ (12) Gründe für inhaltliche Veränderungen Lebensmittel verlieren/verändern ihre Wertschätzung in einer Überflussgesellschaft Essen unterliegt Zeitknappheit verändertes Warenangebot durch Massenproduktion, globale Vernetzung, Rationalisierung der Landwirtschaft Essen als „life style“ 35 27.06.2014 Gründe für strukturelle Veränderungen veränderte Arbeitsbedingungen verändertes Freizeitangebot veränderte Medien (TV, Internet) Zunahme des Außer-Haus-Verzehrs Vorstellungen, Bedeutungen der Mahlzeiten, des Essens Essen ist für alle Befragten (F-1, F-2, F-3) wichtig, die Vorstellung von „Gemeinsamkeit“, „Schmecken“, „Wohlfühlen“, „Kommunikation“ werden von allen gleichermaßen geteilt. Die inhaltliche und strukturelle Umsetzung dieser Vorstellungen variiert im Generationenverlauf. 36 27.06.2014 Veränderungen der Mahlzeitenelemente „Mittagessen“ im Verlauf der Generationen F-1 FUNKTIONELLE / MATERIELLE KENNGRÖSSEN Speise regional saisonal z. T. langwierig erfordert Zubereitungsart spezifische Kenntnisse F-2 F-3 als individuelle Determinanten wahrgenommen (Vorlieben, Geschmack) 1) „schnelle“ 2) „schmackhaft“ soll schmecken 3) „gesund“ schnell convenient aufwendiges Kochen den Wochenenden vorbehalten unwichtig Veränderungen der Mahlzeitenelemente „Mittagessen“ im Verlauf der Generationen F-1 STRUKTURALE KENNGRÖSSEN Zeit Mittags, 12 – 13.00 Regelmäßigkeit Ort hauptsächlich zu hause Personen Kernfamilie vorwiegend mit Vater F-2 F-3 als makrosoziale Determinanten wahrgenommen, da „Arbeitsmarktbestimmt“ dynamisch, je Zeitdruck mach 13 – 15.00 Schulschluss 13 – 15.00 geteilt vorwiegend zu ♂ außer Haus Hause / bei ♀ überwiegend Freunden zu Hause Mutter und Mutter und Kinder mit / bei Kinder Freunden 37 27.06.2014 Veränderungen der Mahlzeitenelemente „Mittagessen“ im Verlauf der Generationen F1 BEDEUTUNGEN Kommunikation Ästhetik Liebe / Wertschätzung Sozialisation F2 F3 als individuelle Determinanten wahrgenommen Wichtig, nicht hauptsächlich Wichtigstes Merkmal Sehr wichtig, als Zeit „Zeit der Familie“ des Austausches Sehr wichtig „gutes Benehmen“ Kinder still am Tisch Große Wertschätzung von Nahrung / Speisen Mutter ausschließlich als Versorgerin Strenge Erziehung am Tisch („Teller leer esse“) Funktional an Wochenenden / Feiern wichtiger Funktional Drückt ihre Führsorge / Liebe durch Zubereitung aus Liebe und Zuneigung der Mutter wird „geschmeckt“ Liberale Erziehung Selbstbestimmung Autonomie Mahlzeiten als Möglichkeit der Kommunikation (...) wir essen immer gemeinsam, sofern es geht, essen Frühstück gemeinsam, wir essen gemeinsam zu Mittag (...) und wir essen dann auch gemeinsam zu Abend ... Das bin ich auch von meiner Kindheit gewöhnt ... Ja einfach diese Gemeinsamkeit der Familie, die ist mir ganz wichtig (...) und dann mittags ja, dann wird schon von der Schule erzählt, was da los war, der Kleine erzählt ganz viel, der Große net so (...) ja, und abends wird natürlich erzählt, was beim Basketballsport war oder, also es wird eigentlich relativ viel geredet, (...) beim Essen überhaupt (...).“ (12) 38 27.06.2014 Welche Bedeutungen und Vorstellungen Zu „Mahlzeit“ werden in drei Generationen geteilt? Es sind dies die Vorstellungen, dass es einmal am Tag eine warme, gekochte Mahlzeit am Tag geben soll, vorzugsweise zur Mittagszeit. Die Mahlzeiten sollen schmecken. Es soll ausreichend Zeit zum Essen vorhanden sein. Mahlzeiten sollen harmonisch gestaltet werden Mahlzeiten sollen mit lieben Menschen zusammen stattfinden Mahlzeiten prägen! So schätzen es Menschen, gemeinsam zu essen Verschiedene Studien in Altenheimen bestätigen, dass in einem «family setting» (Selbstschöpfen, runde Tische) die Energieaufnahme höher ist, als wenn das Essen vorportioniert durch Angestellte angeboten wird (vgl. de Graaf; Wright) 39 27.06.2014 Schlussfolgerungen und Ausblicke (1) • Essen entsteht im Lebensverlauf • Wir erlernen Essen in der Kindheit • Ernährungsbiografie verschränkt Verhaltens- und Verhältnisaspekte • Prägungen sind Teil der Biografie • Essverhalten kann nicht durch kognitive Informationen verändert werden, weil Wissen alleine nicht Handeln verändert Christine.Brombach@zhaw.ch Schlussfolgerungen und Ausblicke (2) • Erinnerungskultur durch Essen, an frühe Erfahrungen, Gefühle • Strukturierung des Tages durch Essen • Wertschätzung • Ohne Verständnis der Ernährungsbiografie kann es kein Verständnis des Essverhaltens geben! Christine.Brombach@zhaw.ch 40 27.06.2014 Lebensqualität, Freude, Zugehörigkeit, Gesundheit- Wunsch nach einem erfolgreichen Altern hat eben auch und gerade mit Essen zu tun. Das Erlernen von Essverhalten beginnt früh und ist Teil unserer Biografie! 81 Fragen? Vielen Dank! 41 27.06.2014 Bibliografie (1) Barlösius, E. (1997) Die Küche als soziokulturelles Phänomen. In: Katalyse e.V. und Buntstift e.V. (Eds.): Ernährungskultur im Wandel der Zeit. Tagungsreihe „Neubewertung von Lebensmittelqualität“. http://www.katalyse.de/sites/cms.katalyse.de/files/Ern__hrungskultur_im_Wandel_der_Zeiten.pdf, aufgerufen am 3. August 2013 Bartsch, S. (2011): Familienmahlzeiten aus der Sicht der Jugendlichen. In: G. Schönberger & B. Methfessel (Hrsg.): Mahlzeiten. Alte Last oder neue Lust? S. 79 – 94. Wiesbaden: VS Verlag. Bartsch, S. (2008): Essstile von Männern und Frauen. Der Genderaspekt in der Gesundheitsprävention und Gesundheitsberatung. Artikel zur OnlineFortbildung in Ernährungs-Umschau 11/08. 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