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Tante Emma kommt wieder in Mode Erschienen im Ressort Thüringen am 18.11.2009 00:00 Der Laden von nebenan mit Gemischtwaren galt lange Zeit als überholt. Doch in immer mehr deutsche Dörfer kehren die Mini-Händler zurück oder haben sich hartnäckig gehalten. Tante Emma kommt wieder in Mode Tante Emma heißt in diesem Laden Charlotte Müller. Seit Generationen gibt es das urige Geschäft in Mengersgereuth-Hämmern bei Sonneberg. Bild: ari Kurz vor sieben klingelt es bei Charlotte Müller. Ladenschluss war schon vor fast einer Stunde. Der Nachbar hat vergessen, Buttermilch fürs Abendbrot zu kaufen. Mit mildem Lächeln geht die Geschäftsfrau zur Kühltheke. "Das kommt schon öfter vor", kommentiert sie, während sie dem Nachbarn die Buttermilchbecher entgegenstreckt. Die Stammkunden wissen, wenn das Licht im kleinen Laden in Mengersgereuth-Hämmern im Landkreis Sonneberg brennt, wird ihnen geholfen. Schon Jahr und Tag ist das Geschäft mit gerade mal 40 Quadratmetern Verkaufsfläche Anlaufpunkt für die Leute im Ort. Und das, obwohl es Supermarkt, Bäcker und Fleischer in der Nähe gibt. 1995 hat Charlotte Müller den Laden von der Mutter Gisela Geuther übernommen. Die Geschichte des Hauses reicht bis vor 1900, als noch eine Backstube das Herzstück des Geschäftes war und es neben Brot, Brötchen und Gebäck auch Kohlen zu kaufen gab. Seither hat sich in Sachen Einkauf viel verändert. Discounter und Supermarktketten traten vielerorts an die Stelle kleiner Läden. Da darin viel mehr Waren angeboten werden konnten, waren günstigere Preise möglich. Der Tagesordnungspunkt Einkauf ist deshalb gerade bei Berufstätigen noch immer mit der Vorstellung Auto, Discounter, Schnäppchen und prall gefülltem Einkaufswagen verbunden. "Wer an der Strecke zur Arbeit einen Supermarkt hat, der verbindet die Wege gleich", sagt Ralf Rusch, Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen. Natürlich hätten die Kommunen großes Interesse daran, dass der ländliche Raum nicht abgekoppelt wird, jedoch seien deren Möglichkeiten beschränkt. Die Versorgung der Bevölkerung müsse nach wie vor privatwirtschaftlich geregelt werden, so Rusch. Mobile Einkaufsservices oder Geschäfte, die für ihre Kunden Warenkörbe packen und ausliefern, sieht er als mögliche Zukunftsmodelle für die ältere Bevölkerung in schwach besiedelten Gebieten. Denn große Handelsketten verabschieden sich zunehmend aus Orten unter 5000 Einwohnern. In der Region sind - 1 -rtikel speichern Artikel speichern dafür die beiden Märkte in Effelder bei Sonneberg und Scheibe-Alsbach bei Neuhaus am Rennweg Beispiele. Rund 20 000 Lebensmittelläden haben laut Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung in den vergangenen zehn Jahren deutschlandweit dicht gemacht. Vor allem die Menschen auf dem Land bekommen das zu spüren, immerhin 15 Prozent der Bundesbürger. Die wissen sich aber oftmals selbst zu helfen - wie im Dorfladen in Böhlen im Ilmkreis. Seit der private Betreiber das Geschäft aus Altersgründen vor zwei Jahren aufgab, kümmert sich der Verein "Bürger für Böhlen e. V." darum. Und es läuft gut: "Von Beginn an schreiben wir schwarze Zahlen", berichtet Diethardt Schneider, der sich als Rentner hier etwas dazuverdient. Er hat ein neues Kassensystem mit eingeführt und betreut den Warenein- und -ausgang. Vier Verkäuferinnen sind auf 400-Euro-Basis im Laden tätig. Gefördert wird das Projekt vom Thüringer Landwirtschaftsministerium und von der Europäischen Union. Die Einnahmen fließen an die Gemeinde, die anfangs stark investierte, und in zwei weitere Standbeine des Vereins - die Jugend- und Seniorenarbeit sowie das Bürgerhaus und die Mehrzweckhalle. Jeden Monat komme mindestens ein neuer Kunde hinzu. In dem 600-Seelen-Ort würden auch immer mehr jüngere Leute den Weg zum Dorfladen finden. Besonders für die Älteren ist das Geschäft wegen der kurzen Entfernung und des Informationsaustauschs unerlässlich: "Sie kommen morgens und kaufen die Sachen ein, die sie dann für den Tag brauchen", erzählt Schneider. Das ist einfach eine andere Einkaufskultur. Auch in anderen Regionen setzen sich Tante-Emma-Läden durch: In Schleswig-Holstein haben sich auf eine Landesinitiative hin 25 Dorfläden unter dem Namen MarktTreff neu gegründet. In Bayern und Baden-Württemberg entstanden in letzter Zeit mehr als 200 kleine Geschäfte auf dem Land, meist in Genossenschaftsform. Leicht ist das Überleben zwar für viele nicht, aber mit kreativen Ideen und regionalen Produkten lassen sich Kunden locken. So auch in Thüringen. Im Dorfladen Böhlen gibt’s Wurst aus Oberweißbach und Meura oder Obst vom Großhandel in Zella-Mehlis. In Charlotte Müllers Geschäft in Mengersgereuth-Hämmern ist das Angebot breit gefächert, regional geprägt und auf die Bedürfnisse der Kundschaft zugeschnitten: Blumen, Obst, Schreibwaren, Zeitungen, kleine Präsente, Brot, Milch, Butter oder Konserven füllen den kleinen Laden. Lotto kann gespielt, Hausaufgabenhefte können geordert, Briefe frankiert und Päckchen losgeschickt werden. Eine bunte Palette eben. Die Brötchen kommen aus dem Nachbarort, die Blumen vom Floristen in der Nähe und die Schreibwaren auch aus Thüringen. "Einkaufen, wo wir leben", das ist Charlotte Müllers Lieblingsspruch. Zu Weihnachten bekommen die Stammkunden ein Paar selbst gehäkelte Topflappen. Das wirklich Besondere an diesem Laden ist der Charme - den liebt auch Andreas Licht besonders. Samstags macht er hier seine Einkäufe: Getränke, Kloßweiß, Saucenbrot und Zigaretten, ab und zu auch ein paar Pralinen für die Lieben. "Es ist für mich ein Ritual geworden, hier einzukaufen. Ich mag die vertrauten Räume, die fürsorgliche Beratung und die netten Gespräche", sagt der 44-Jährige. Alles erinnert ihn hier an seine Kinderzeit - die cremeweiß getünchten Holzregale bis an die Decke befüllt, die Kühltheke, wo er als Kind die Negerküsse für 20 Pfennig das Stück bekam. Hier hat sich nichts verändert. Immer gibt es ein freundliches Wort, ein interessantes Gespräch, einen guten Rat: "Es ist halt der Laden meines Vertrauens." So wie Andreas Licht denken viele. -2- Artikel speichern Genau deshalb haben sich in ganz Deutschland bisher fast 30 000 kleine Läden halten können, obwohl Pessimisten schon vor Jahren das Aussterben von Tante Emma prophezeihten. Vielleicht machen diese kleinen Läden nicht gerade reich, aber glücklicher allemal: So wie Sandras Hausladen in Angelroda bei Ilmenau, "Der Laden & Der Bäcker" in Merbelsrod im Landkreis Hildburghausen, das Mupperger Lädle bei Sonneberg oder der "Tante Kerstin"-Laden in Springstille bei Schmalkalden ... Von Cindy Heinkel Alle Rechte vorbehalten. -3-