2.2.1.4. Raumanzüge unbequem aber - NW
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2.2.1.4. Raumanzüge unbequem aber - NW
L eb en i m Al l Raumanzüge – unbequem aber lebensnotwendig (III) Ein guter Kauf. Auf dem Mond spielten die Astronauten damit Golf, klopften Steine und fuhren Auto. Als einer von ihnen stolperte und hinfiel, hielt alle Welt den Atem an - aber die Experten konnten nur lächeln: Um die vielen Schichten aus reißfesten Kunststoff-Fasern zu beschädigen, hätte schon eine Planierraupe über den Anzug fahren müssen. 24 Lagen aus Teflon, Aluminium, Neopren und hochfesten Chemiefasern wie Dacron, Nylon und Mylar (aus denen auch extrem reißfeste Regattasegel gefertigt werden) machten den Mondanzug zum widerstandsfähigsten Kleidungsstück aller Zeiten. Von Ritterrüstungen einmal abgesehen. Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre trieben sich plötzlich auffällig viele NASA-Leute und Raumanzug-Konstrukteure in Museen herum; zum Beispiel führten sie Gespräche mit Bekleidungshistorikern im Museum des altehrwürdigen Tower of London. Dort erhofften sie sich Einblicke in die Konstruktion der Gelenke von Ritterrüstungen wie der des Dritten Earl of Cumberland aus dem Jahr 1590. Schon die damaligen »Ingenieure« hatten das Problem gelöst, einen Schutzpanzer so beweglich wie möglich zu gestalten. Tatsächlich flossen die im Museum gewonnenen Erkenntnisse in die Konstruktion jener Hartschalenanzüge (»hard suites«) ein, mit denen die Besatzungen von Apollo 18 bis 21 den Mond betreten sollten. Allerdings kam es dazu nicht mehr, da diese Raumflüge ersatzlos gestrichen wurden. Mit dem Wechsel von der Saturn –„Wegwerfrakete“ zum wiederverwendbaren Shuttle-Orbiter brach die Zeit der wiederverwendbaren Raumanzüge an: Sie sollten viel billiger sein als die alten Ex-und Hopp-Spacesuits. Doch genau wie beim Shuttle hatte man die Kosten gewaltig unterschätzt: Statt 46,9 Millionen Dollar kamen die ersten 43 Anzüge und 13 Lebenserhaltungssysteme auf satte 167 Millionen. Und das, obwohl sie neuerdings von der Stange kamen. Die einzelnen Komponenten der Shuttle-Suits wurden in den Größen Small, Medium und Large produziert später auch in XS und XL. Diese Konstruktionen sind unübersehbar von den mittelalterlichen Rüstungen beeinflusst. Die neuen Shuttle-Uniformen besitzen einen festen Brustpanzer aus hochfestem Fiberglas (hard upper torso), der sich mit den anderen Komponenten im Stecksystem kombinieren lässt. Nach jeder Mission werden die Anzüge komplett auseinander genommen, gesäubert, getrocknet und dann für die Mitglieder der nächsten Crew neu zusammengestellt. Nur die Handschuhe sind maßgeschneidert - Preis pro Paar schlappe 20.000 Dollar! Nicht nur das Outfit selbst erinnert ans Mittelalter - ebenso lässt das umständliche »Einsteigen« in den Anzug an die damalige Ankleideprozedur denken. Als erstes legt der Astronaut das »urine collection device« an: Dieser Urin-Sammelbehälter besteht im Wesentlichen aus einer Plastiktüte, die einen Liter Flüssigkeit aufnehmen kann. Männliche Mit-Glieder der Besatzung stöpseln sich mittels eines schlauchartigen Adapters ein. Auf die Frage nach der weiblichen Variante drucksen NASA-Experten herum, doch scheint man hier eine Art Windel zu verwenden. Der Urin landet im Abwassertank des Shuttle und wird nach der Rückkehr zur Erde entsorgt. Ein »großes Geschäft« ist beim Shuttle-Ausstieg in der Regel nicht vorgesehen. Wenn der Urin-Sammelbehälter angelegt ist, folgt die Unterwäsche aus Spandex: ein Gewebe aus elastischen Kunststoff-Fasern. Die Unterkleidung (in der Fachsprache: »liquid cooling and ventilation garment«) enthält die Klimaanlage des Astronauten: ein Netz aus 91 Meter langen Plastikschläuchen, in denen Wasser fließt das für eine angenehme Temperatur im Anzug sorgt. Durch Drainagen an den Armen und Beinen kann Sauerstoff zugeführt und Kohlendioxid abgeleitet werden. Besonders schmuck ist das »snoopy cap«: ein Käppi, das der Astronaut unter dem Helm trägt; darin befinden sich Kopfhörer und Mikrofon. Anschließend steigt der „Weltraumspaziergänger“ in eine Kombination aus Hosen, Schuhen und einem luftdichten Taillenring, an dem der harte Brustpanzer mit den beweglichen Armen, dem Lebenserhaltungssystem und der Steuereinheit befestigt wird. Das Lebenserhaltungssystem auf dem Rücken enthält Sauerstoff-Flaschen, Wassertanks, Ventilations-, Pumpund Filtersysteme, eine Temperaturregelung für Atemluft und Kühlwasser sowie eine Silber-Zink-Batterie. Der Sauerstoff dient zur Atmung, Ventilation und Druckerzeugung im Anzug. Am unteren Ende des »Rucksacks« ist ein zweites Sauerstoff-Package mit zwei kugelförmigen Sauerstofftanks angebracht: Bei einer Fehlfunktion des Hauptsystems liefert es Sauerstoff für 30 Minuten. Am oberen Ende befindet sich ein Funkgerät mit Antenne. Über die Steuereinheit auf der Brust überwacht und regelt der Astronaut das Lebenserhaltungssystem; auf dessen Display kann er sich durch sämtliche wichtigen Funktionen des Systems »klicken«. 2.2.1.4.