Mein schönes wildes Leben - ASPr-SVG
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Mein schönes wildes Leben - ASPr-SVG
SCHWEIZERISCHE INTERESSENGEMEINSCHAFT FÜR POLIO-SPÄTFOLGEN (SIPS) Zentralsekretariat ASPr/SVG Fach 9 – Rue de Locarno 3 – 1701 Freiburg Tel. 026 322 94 33 – Fax 026 323 27 00 www.polio.ch Mein schönes wildes Leben Von Paul Cramer Ich wurde 1953 in Mittelamerika, in El Salvador geboren. Meine Eltern waren 1950 hierhin eingewandert, wobei mein Vater als Kind eines Deutschen und einer salvadorianischen Mutter auch bereits in El Salvador geboren war. Er hatte seine Ausbildung als Mediziner in Deutschland gemacht und war jetzt mit meiner Mutter wieder in sein Geburtsland zurückgegangen. Polio war in jenen Jahren schon ein grosses Problem, aber in diesen Ländern war die Ansteckungsgefahr natürlich noch extremer. Ich war gerade 6 Wochen alt, als meine Eltern bemerkten, dass ich meine Arme und mein rechtes Bein nicht mehr bewegen konnte. Mein Vater als Arzt bestellte sich gleich in den USA eine «Maschine» (sie sah wirklich so aus, wie man sich ein Gerät in Frankensteins KelI ler vorstellt), mit der man durch Reizstrom die Muskelfunktionen anregen konnte. Die linke Hand konnte ich noch ganz gut bewegen und ich lernte eigentlich schnell, alles zu machen, was meine Freunde auch taten: auf Bäume klettern, Fahrrad fahren, – eben alles. Es gab eigentlich nichts, was ich nicht gemacht habe. Als ich vier Jahre alt war, zog meine Familie wieder nach Deutschland zurück. Für meinen Vater war das Thema «Behinderung» immer tabu. Er hat bis zu seinem Tode nie mit mir darüber geredet und immer so getan, als wäre ich «normal». Meine Mutter war hart und ungerecht. Wenn ich beim Laufen den linken Arm nicht anheben konnte und dieser schlaff am Körper baumelte, äffte sie mich oft nach. Es war ein Segen für mich, dass sie mich im Alter von 14 Jahren in ein Internat steckten. Trotz allen häuslichen Terrors hatte ich ziemliche Angst vor diesem Wechsel. Ausserdem hatte ich noch bis zu diesem Tag «ins Bett gemacht». Fast jeden Morgen, wenn ich aufwachte, musste ich feststellen, dass mein Bettlaken nass war. Ich konnte einfach nichts dagegen tun. Meine Mutter begegnete diesem Problem mit unerbittlicher Härte. Sie schlug mich und demütigte mich. Einmal musste ich mit dem nassen Schlafanzug 100 m vor unserem Haus auf und ab laufen. Mein Gesundheitszustand wurde schlechter und ich machte zum ersten Mal im Leben eine Kur. Hier hatte ich Zeit zu überlegen und meine Gedanken zu ordnen. Ich fühlte mich krank und hatte keinen Job. Ich hatte nur noch eine einzige Chance: Der einzige Joker, den ich noch in der Tasche hatte, war mein altes Lehrerexamen von 1980. Dieser verhasste Lehrerjob könnte vielleicht für mich die Rettung bedeuten. Ich ging ins Internet, klickte mich durch die Seiten für Lehrer, füllte die Formulare aus und bekam einige Wochen später den entscheidenden Anruf: «Sie haben eine Stelle ab August 2003». Ich bin geschieden und arbeite als Lehrer im öffentlichen Dienst, wo Schwerbehinderung Gott sei Dank kein Makel ist, sondern sogar eine gewisse Schutzbedürftigkeit beinhaltet. Nach all den Aufregungen und Sorgen war ich erschöpft und ausgebrannt. Bald darauf taten mir plötzlich alle Glieder weh. Als ich eines Morgens aufwachte, konnte ich meinen rechten Arm nicht mehr heben. Er war wie gelähmt. Ich liess mich ins Krankenhaus fahren und kam wieder mal in die Maschinerie. 2/2009 Faire Face Dutzende Untersuchungen, die schon 100 mal davor an mir gemacht worden waren, wurden durchgeführt. Diagnose: Es war eine Mischung zwischen einer Abklemmung der Armnerven an der Halswirbelsäule und der Post Polio… «Post Polio», das hörte ich jetzt zum ersten Mal, und es klang nicht besonders beruhigend. Innerhalb der nächsten Jahre wurde ich dreimal an der HWS operiert, erst die letzte OP bewirkte eine leichte Besserung der Symptomatik. Nun, dachte ich mir, jetzt ist auch dein Lieblingsarm im Eimer, schöne Bescherung. Dieser Arm, der mir so viel bedeutet hatte und auf den ich so stolz war, funktionierte nun nicht mehr richtig. Trotzdem behalf ich mich im täglichen Leben so gut es ging. Viele Dinge konnte ich jetzt nicht mehr machen oder nur noch mit Mühe, z.B. die Schuhe zubinden oder am Tisch sitzen und mit jemandem «anstossen». Ich konnte den Arm einfach nicht mehr in diese Position bringen. So vermied ich es, mit jemandem am Tisch anzustossen und kaufte mir Schuhe mit Klettverschluss. Keiner bemerkte meine Veränderung. • Als nächstes merkte ich, dass mein rechtes Bein nicht mehr so wollte, wie ich es wollte. Irgendwie zog ich das Bein beim Gehen nach, es wirkte so kraftlos. Nachdem ich mehrere Male gestolpert war, ging ich wieder in ein Krankenhaus zu einem bekannten Professor der Neurologie. Ich sagte: «Hören Sie Herr Professor, ich weiss dass ich Post Polio habe und jetzt wird auch mein rechtes Bein immer schwächer. Ich bin hundertfach untersucht worden, tausende von Nadeln steckten in meinem Körper und haben alles gemessen: Nerven, Muskeln, al- 2/2009 Faire Face les. Bitte sagen Sie mir nur Ihre Meinung: Was passiert mit mir? Er musterte mich kurz, liess mich zweimal auf und ab gehen, fasste mein Bein an und schickte mich dann in den Keller der Klinik. EMG, Nervenleitgeschwindigkeitsmessung etc. Das volle Programm. Mit den Ergebnissen ging ich Stunden später wieder zu diesem Professor. Er begutachtete die Zahlen und Kurven und sagte dann nach einer Pause: Sie haben Post Polio. Ich sagte nichts mehr. Die Symptome wurden mal stärker, mal schwächer. Manchmal hatte ich den Eindruck, ich würde mir das alles nur einbilden und die Lähmungen wären sozusagen stimmungsabhängig. Gute Laune = starkes Bein, schlechte Laune = Post Polio Bein. nach Hause und habe es seitdem nie mehr angerührt. Ich wusste was los war, aber ich ersparte mir den erneuten Gang zum Professor. Mein Gangbild wurde unruhig und unsicher. Ich stolperte jetzt öfters, wobei ich mich jedes Mal voll «auf die Fresse» legte. Meine Beine gehorchten mir nicht mehr. Eines Tages merkte ich, dass mein rechtes Sprunggelenk nicht mehr funktioniert. Jetzt kann ich nur noch gehen, nicht mehr laufen. Toll, sagte ich mir. was kommt denn als nächstes? Viele Dinge machten mir jetzt Probleme. Das Waschen des eigenen Körpers, das Duschen. Ich habe immer Angst in der Wanne hinzuknallen. • So ist mein Leben. Nachdem ich das alles hier aufgeschrieben habe, muss ich folgende Anmerkungen machen: 1. Ist alles wahr, was ich geschrieben habe? Antwort: ja, alles. 2. Habe ich alles aufgeschrieben, was passiert ist? Antwort: nein, vieles ist zu privat. Es wäre sonst auch noch «schlimmer» geworden, da ich viele negative und böse Dinge bewusst weggelassen habe. 3. Wie geht es weiter? Manchmal denke ich, in meinem Kopf wohnt ein hässlicher kleiner Zwerg, der mich beobachtet und immer, wenn es mir gut geht, sich wieder irgend eine «Schweinerei» einfallen lässt, um mir dann alles zu versauen. Ich bin mir sicher, während ich das hier schreibe, hat er bereits einen neuen gemeinen Plan. Aber soll er ruhig. Er wird mich nicht unterkriegen. Beruflich ging es gut, bis zu dem Tag, als ich am Schwarzen Brett unserer Firma las, dass meine Abteilung verkauft werden sollte. Für mich war dies das Ende meiner geliebten Position, aber bereits wenige Monate später fand ich eine neue, fast gleichwertige Stelle bei einem anderen Unternehmen in Köln. Wir zogen um, die Laune aller Familienmitglieder war jetzt nicht mehr so gut wie beim letzten Umzug. Meine Arbeit machte mir wieder Spass, ich war recht erfolgreich und vergass zwischendurch an manchen Tagen meine PPS. Bis zu dem Tag an dem ich mit meinem jüngsten Sohn einen Fahrradausflug machte. Ich wollte bremsen und flog dabei im vollen Boden über den Lenker. Es war mir unbegreiflich. Was war geschehen? Wenige hundert Meter wieder das gleiche: Ich konnte mich mit der Schulter nicht mehr abstützen. Meine ganze Schultermuskulatur war wie aus «Gummi». Ich schob das Fahrrad • Redaktion: Ernst P. Gerber II COMMUNAUTÉ SUISSE D’INTÉRÊTS DES SUITES TARDIVES DE LA POLIO (CISP) Secrétariat central ASPr Case 9 – Rue de Locarno 3 – 1701 Fribourg Tél. 026 322 94 33 – Fax 026 323 27 00 www.polio.ch Entre bonheurs et tumultes Par Paul Cramer Je suis né en 1953 au Salvador, en Amérique centrale. Mes parents avaient émigré en 1950 dans ce pays qui avait aussi vu naître mon père, fils d’un Allemand et d’une Salvadorienne. Après avoir étudié la médecine en Allemagne, il avait décidé de retourner dans sa patrie d’origine en compagnie de ma mère. Dans les années 50, la polio représentait déjà un problème important et, dans ces régions, le risque de contagion était naturellement encore plus grand qu’ailleurs. J’avais tout juste six semaines lorsque mes parents ont remarqué que je ne pouvais plus bouger ni les bras ni la jambe droite. Comme il était médecin, mon père a pu immédiatement se faire envoyer une «machine» des Etats-Unis (elle avait vraiment l’air de sortir tout droit de la cave de Frankenstein) III qui permettait de stimuler la fonction musculaire au moyen d’impulsions électriques. Ma main gauche étant restée relativement épargnée, j’ai ainsi vite appris à faire tout ce que faisaient mes amis: grimper sur les arbres, faire du vélo… Rien ne m’arrêtait. L’année de mes quatre ans, nous sommes retournés vivre en Allemagne. Pour mon père, le thème du «handicap» a toujours été tabou. Jusqu’à sa mort, nous n’en avons jamais parlé et nous nous comportions comme si j’étais «normal». Ma mère, elle, était sévère et injuste. Si je n’arrivais pas à mouvoir mon bras correctement en marchant et que je le laissais pendre le long de mon corps, elle se moquait de moi en m’imitant. Ce qui m’a sauvé, c’est d’avoir été mis en internat à l’âge de 14 ans. Malgré les brimades que je devais subir à la maison, je redoutais ce changement. De plus, même à cet âge, je faisais encore «pipi au lit»: presque tous les matins, au réveil, je me retrouvais dans des draps mouillés. Je ne pouvais simplement pas m’en empêcher. Ma mère réagissait avec une implacable dureté. Elle me battait et m’humiliait. Un jour, elle m’a fait courir dans mon pyjama mouillé devant la maison. Plusieurs années plus tard, alors que mon état de santé commençait à se dégrader, j’ai décidé, pour la première fois de ma vie, de faire une cure. Cela m’a donné l’occasion de réfléchir et de mettre de l’ordre dans mes pensées. Je me sentais malade et je n’avais pas d’emploi. Il ne me restait plus qu’une chose à faire: le seul atout qui me restait en poche était mon vieux diplôme d’enseignant qui datait de 1980. Ce travail que j’avais détesté pourrait bien devenir ma planche de salut. Je me suis mis à faire des recherches sur Internet, j’ai consulté des pages consacrées à l’enseignement, j’ai rempli des formulaires et quelques semaines plus tard, j’ai reçu le coup de téléphone qui allait changer ma vie: «Nous vous offrons un poste à partir d’août 2003.» Je vivais séparé de ma femme et je travaillais comme enseignant à l’école publique où, Dieu merci, le handicap sévère n’est pas considéré comme une tare, mais plutôt comme un état qui nécessite une certaine protection. Tous ces changements et ces soucis m’avaient épuisé et j’étais sur le point de craquer. Peu de temps après, j’ai commencé à avoir des douleurs articulaires dans tout le corps. Un matin, au réveil, je ne suis plus parvenu à lever le bras droit: on aurait dit qu’il était paralysé. On m’a conduit à l’hôpital et je me suis à nouveau retrouvé pris dans l’engrenage. 2/2009 Faire Face On m’a fait des dizaines d’examens que j’avais déjà subis un nombre incalculable de fois. Diagnostic: à mi-chemin entre un pincement discal au niveau des cervicales et un syndrome post-polio… C’était la première fois que j’entendais prononcer ce mot, et je ne trouvais pas ça très rassurant. Au cours des années qui ont suivi, j’ai subi trois opérations aux cervicales, et ce n’est que la dernière intervention qui a soulagé quelque peu mes symptômes. Alors, je me suis dit: te voilà dans de beaux draps, avec ton meilleur bras foutu! Ce bras qui comptait tellement pour moi et dont j’étais si fier, refusait maintenant de m’obéir. Malgré tout, je me débrouillais au quotidien du mieux que je pouvais. Il y avait beaucoup de choses que je n’arrivais plus à faire ou seulement au prix d’un grand effort, par exemple nouer mes lacets ou faire «tchin-tchin» un verre à la main. Je n’arrivais tout simplement plus à mettre mon bras dans cette position. Alors j’évitais de trinquer et je portais des chaussures à velcro. Personne ne se rendait compte de rien. • Plus tard, j’ai remarqué que ma jambe droite elle aussi refusait de m’obéir. Je devais la traîner en marchant et elle me paraissait manquer de forces. Comme je trébuchais souvent, je suis retourné à l’hôpital consulter un célèbre professeur de neurologie. Je lui ai dit: «Professeur, je sais que j’ai le syndrome post-polio, et ma jambe droite s’affaiblit de jour en jour. J’ai déjà été examiné des centaines de fois, on m’a planté des milliers de seringues dans le corps et on m’a tout mesuré: les nerfs, les muscles, tout. S’il vous plaît, donnez-moi votre avis: qu’est-ce qui se passe?» 2/2009 Faire Face Il m’a brièvement examiné, fait aller et venir dans la salle, m’a palpé la jambe et m’a envoyé au sous-sol de la clinique faire un EMG, une mesure de la conduction nerveuse, etc.: un programme complet. Après quelques heures, je suis retourné voir le professeur avec les résultats. Il a examiné les chiffres et les graphiques, a réfléchi un moment et m’a dit: vous avez le syndrome post-polio. Inutile de vous en dire plus. Les symptômes étaient plus ou moins importants selon les jours. Parfois, j’avais l’impression que tout était dans ma tête, que la force des paralysies dépendait de mon humeur. Bonne humeur = jambe robuste ; mauvaise humeur = jambe post-polio. • Professionnellement, tout allait bien jusqu’au jour où j’ai lu au tableau d’affichage de l’entreprise dans laquelle je travaillais que mon département allait être vendu. Pour moi, cela signifiait que je devais quitter ce poste qui me convenait si bien. Mais quelques mois plus tard, j’ai trouvé un nouvel emploi presque équivalent dans une autre société à Cologne. J’ai donc déménagé avec toute la famille, mais dans une ambiance moins joyeuse que lors du dernier déménagement. Mon nouveau travail me plaisait, je réussissais, et il m’arrivait même parfois d’oublier le SPP pour quelques instants. Mais un jour, lors d’une promenade à vélo avec mon fils cadet, j’ai fait une chute violente, passant par-dessus le guidon alors que je voulais freiner. Je ne pouvais pas me l’expliquer. Comment étaitce arrivé? Quelques centaines de mètres plus loin, même scénario: je n’arrivais plus à commander aux muscles de mon épaule, comme s’ils étaient en caout- chouc. Je suis rentré à la maison en poussant mon vélo et je ne l’ai plus touché depuis. Je savais bien ce qui se passait, je ne suis pas retourné voir le professeur. Ma marche était devenue irrégulière et instable. Je trébuchais souvent, ce qui résultait systématiquement en un «vol plané» complet. Mes jambes ne m’obéissaient plus. Un beau jour, j’ai remarqué que ma cheville droite ne fonctionnait plus. Je pouvais encore marcher, mais plus courir. Super, me suis-je dit, qu’est-ce qui m’attend encore? A présent, beaucoup de choses simples me posent des problèmes: me laver, me doucher... J’ai toujours peur de me fracasser le crâne dans la baignoire. • Voilà, c’est ma vie. A présent que j’ai tout mis par écrit, voici les questions qui me viennent à l’esprit: 1. Tout cela est-il vrai ? Réponse: oui, tout. 2. Est-ce que j’ai tout raconté ce qui s’est passé ? Réponse: non, beaucoup de choses sont trop intimes. J’ai sciemment laissé de côté de nombreux détails négatifs et pénibles: si je les avais racontés, le texte aurait été encore «pire». 3. Et après ? Parfois j’ai l’impression d’avoir un petit nain hideux dans ma tête qui m’observe et a toujours une «vacherie» en réserve pour me pourrir la vie dès que je vais mieux. Je suis certain qu’au moment où j’écris ces mots, il s’est déjà imaginé un nouveau plan diabolique. Eh bien, qu’il le fasse. Il ne réussira pas à m’anéantir. Rédaction: Ernst P. Gerber IV