Rechte Volkspartei fährt Sieg ein

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Rechte Volkspartei fährt Sieg ein
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POLITIK & GESELLSCHAFT
Luxemburger Wort
Montag, den 19. Oktober 2015
Parlamentswahlen in der Schweiz
Rechte Volkspartei fährt Sieg ein
Das Erstarken der Nationalkonservativen dürfte das angespannte Verhältnis zur EU weiter strapazieren
VON JAN DIRK HERBERMANN
(GENF)
Die Schweiz rückt weiter nach
rechts. Laut der ersten Hochrechnung vom Sonntagabend hat die
nationalkonservative Schweizerische Volkpartei (SVP) bei den Parlamentswahlen zulegen können. Die
fremdenfeindliche und isolationistische SVP erreichte gemäß den Angaben des „Schweizer Radio und
Fernsehen“ 28 Prozent der Stimmen
bei den Wahlen für den Nationalrat,
der größten Kammer. „Es ist ein
klares Votum für die SVP“, sagte der
sichtlich zufriedene Präsident der
SVP, Toni Brunner.
Bei den letzten Wahlen für den
Nationalrat 2011 erzielte die SVP
knapp 27 Prozent. Seit nunmehr
zwölf Jahren geht die SVP jeweils
deutlich als stärkste Partei aus den
Nationalratswahlen hervor.
Sehr deutlich fällt gemäß der
aktuellen Hochrechnung das Plus
bei den Sitzen im Nationalrat aus.
Die SVP gewinnt danach 11 Abgeordnete hinzu und verfügt über 65
Mandate – damit kontrolliert die
Volkspartei fast ein Drittel der 200
Sitze. Zudem ließ die SVP die beiden anderen großen Parteien weit
hinter sich. Die Sozialdemokraten
erzielten laut der Hochrechnung
knapp 19 Prozent, die liberale
Freisinnig-Demokratische Partei
(FDP) kam auf einen Wähleranteil
von über 16 Prozent.
SVP wird zweiten Ministerposten
verlangen
Das Erstarken der SVP dürfte zu
einer Machtverschiebung in der
Regierung führen – und es dürfte
das ohnehin angespannte Verhältnis der Eidgenossenschaft zu der
Europäischen Union weiter belasten. Voraussichtlich wird die SVP
um den Zürcher Milliardär Christoph Blocher einen zweiten Mi-
Siegte mit Asyl-Parolen: SVP-Chef Toni Brunner beim Make-up vor der Fernsehdebatte im Berner Parlament.
nisterposten im siebenköpfigen
Kabinett verlangen. Die anderen
Parteien in der Regierung, dem
Bundesrat, werden sich diesem
Ansinnen kaum widersetzen können. In der bisherigen Regierung
ist die SVP nur mit einem Minister vertreten. Welche Politiker in
den Bundesrat einziehen, wird sich
im Dezember entscheiden: Dann
wählen die beiden Kammern des
Parlaments, Nationalrat und Ständerat, die Regierungsmitglieder.
In der Regierung wird die SVP
auf einer weiteren Abschottung
der Schweiz beharren: Zumal
pocht die Volkspartei auf einer zügigen Umsetzung der Volksinitiative gegen die „Masseneinwanderung“. Die Schweizer hatten dem
SVP-Plan im Februar 2014 zugestimmt. Allerdings würde eine
buchstabengetreue Umsetzung zu
einem Bruch mit der EU führen.
Denn die Vorgaben der Initiative
sind völlig unvereinbar mit dem
Freizügigkeitsabkommen,
das
zwischen Eidgenossenschaft und
der EU gilt.
Bislang sind in der Regierung
neben der SVP die Freisinnig-Demokratische Partei, die Sozialdemokratische Partei, die Christlichdemokratische Volkspartei und die
Bürgerlich-Demokratische Partei
vertreten.
In der Schweiz konzentriert die
sich die politische Macht nicht in
der Regierung, einen Regierungschef gibt es nicht. Über die gro-
ßen Fragen wie die Migrationspolitik entscheiden die Schweizer
Stimmbürger direkt.
Die SVP hatte einen lauten
Wahlkampf unter dem Motto „Frei
bleiben“ geführt. Mit dem Geld
Blochers und anderer betuchter
Gönner schaltete die Partei Anzeigen in den Medien, plakatierte
landauf landab und organisierte
Wahlabende in den entlegensten
Teilen des Alpenlandes.
Inhaltlich setzte die SVP voll auf
Konfrontation: Die SVPler keilten
gegen Migranten, Flüchtlinge und
die EU. Kriminelle Ausländer
müssen endlich „ausgeschafft“
(ausgewiesen)
werden.
Die
Schweiz dürfe nicht an Brüssel
ausgeliefert werden und die Eid-
(FOTO: AFP)
genossen sollten ihre Identität
nicht preisgeben. Das Versprechen der Rechtsnationalen an die
Wähler: „Die SVP will unser schönes und einmaliges Land erhalten.“
Die SVP schürte die Angst vor
einem ungezügelten Ansturm der
Armen und Verzweifelten. „Gewalt und Kriminalität im Alltag“
und das steigende Risiko „terroristischer Anschläge“ seien die
Folge, unkten die SVP-Anführer.
„Wir wissen überhaupt nicht
was in den nächste Tagen noch
alles passieren wird“, warnte SVPPräsident Brunner Mitte September. „Es könnte sein, dass sich die
Völkerwanderung plötzlich in
Richtung Schweiz bewegt.“
Der Egomane von der Goldküste
Der rechtsnationale Milliardär Blocher keilt gegen Fremde und dominiert die Schweizer Politik
VON JAN DIRK HERBERMANN
(GENF)
Ein älterer Herr schlurft zu einem
großzügigen Swimmingpool, im
Hintergrund glänzen die Alpen.
Auch eine schneeweiße Villa mit
einem Turm ist zu sehen. Der Herr
springt ins Wasser. Es ist Christoph Blocher. Der Videoclip für die
Schweizer Parlamentswahlen am
18. Oktober zeigt das private Refugium des rechtsnationalen Politikers, gelegen in Herrliberg an der
Zürcher Goldküste: Es ist eine
streng geordnete, blitzsaubere
Welt, eine Welt in der außer Blocher kein Mensch zu sehen ist.
So wie Blocher in dem Video
niemand neben sich duldet, so duldet der 75-Jährige Milliardär auch
in der Schweizer Politik keinen
Politiker, der ihm die Schau stehlen könnte. Weder in seiner eigenen Schweizerischen Volkspartei
(SVP) – noch in der Regierung.
Laut ersten Hochrechnungen aus
den Kantonen vom Sonntag-
Nachmittag legte die SVP zu – die
Blocher-Partei wird aller Voraussicht nach die mit Abstand stärkste politische Kraft Helvetiens bleiben. Vor vier Jahren machten bei
den Nationalratswahlen fast 27
Prozent der Stimmbürger ihr
Kreuz bei der Volkspartei.
Blocher kämpft für einen
schroffen, isolationistischen Kurs.
Sein Credo: „Die Schweiz muss frei
bleiben.“ Blocher hetzt gegen Migranten und die EU. Dabei spricht
Blocher nur ungern über seine
deutschen Vorfahren väterlicherseits, es waren Bauern aus Württemberg. Blocher polarisiert – man
liebt ihn oder man verachtet ihn.
„Christoph Blocher ist eine Ausnahmeerscheinung, ich empfinde
Bewunderung und Dankbarkeit für
ihn“, lobhudelt der Journalist und
SVP-Politiker Roger Köppel.
Bei der Linken fällt das Urteil
genauso klar aus: „Blocher ist ein
gefährlicher, reaktionärer Autokrat, dem wir nicht die Macht geben dürfen“, warnt Jean Ziegler,
Christoph Blocher formte aus der
verschlafenen Volkspartei eine
schlagfertige Truppe. (FOTO: REUTERS)
früherer
sozialdemokratischer
Abgeordneter und Buchautor.
Doch selbst Gegner müssen
eingestehen: Blocher formte aus
der verschlafenen Volkspartei eine schlagfertige Truppe. Seit Jahren lässt die SVP ihre Muskeln
spielen und vollführt das Kunststück, in der Regierung mitzumischen, gleichzeitig als Opposition
das Kabinett vor sich her zu treiben. Fast im Jahres-Rhythmus erzwingt die Partei kontroverse
Volksabstimmungen – 2014 sagten
die Eidgenossen Ja zu dem SVPPlan zur Drosselung der „Masseneinwanderung“. Zwar brütet
Blocher die meisten SVP-Initiativen aus – der frühere Chemie-Unternehmer und Ex-Justizminister
Blocher übernahm aber nie den
Vorsitz der SVP. Vielmehr überlässt er willfährigen Gefolgsleuten
die nominelle Partei-Führung, eine Kärrnerarbeit. Er selbst ist SVPVizepräsident und führt Dauerwahlkampf – und er giert nach Applaus. Kein anderer Schweizer Po-
litiker füllt die Hallen wie er: Vor
den Massen schlüpft Blocher in die
Rolle eines naiven Büttenredners,
eines Verkünders, eines Zuchtmeisters. Er setzt auf brachialen
Humor und Härte. „Die Zuhörer
waren benommen von der Kraft,
der Sicherheit und der Wahrheit
der Rede“, hielt der Psychologe
Andreas Iten schon vor Jahren fest.
„Ja, es war fast unheimlich, wie
diese Rede wirkte.“
Damit seine markigen Botschaften permanent ankommen, bastelt
der Volkstribun auch an einem
Medienreich. Blocher spannte die
Weltwoche für sich ein, übernahm offiziell 33 Prozent der Basler Zeitung und warf auch schon
ein Auge auf das Prestigeobjekt der
Schweizer Publikationen, die Neue
Zürcher Zeitung. Wer Blocher regelmäßig verfolgen will, dem bietet der Egomane sein „BlocherTV“ an: Kurz vor den Wahlen am
Sonntag (18. Oktober) flimmert die
423. Folge über Blochers Webseite.