Göttinger Tango-Info - Ulrike und Eckart Haerter
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Göttinger Tango-Info - Ulrike und Eckart Haerter
G€ttinger Tango-Info von Ulrike & Eckart Haerter Buenos Aires Welthauptstadt des Buches Capital mundial del libro 2011 Info Nr. 52 April 2011 G€ttinger Tango-Info von Ulrike & Eckart Haerter Buenos Aires Welthauptstadt des Buches Capital mundial del libro 2011 Info Nr. 52 April 2011 TANGO PRODUCTIONS Ulrike & Eckart Haerter GÄttingen Impressum G€ttinger Tango-Info von Ulrike & Eckart Haerter Copyright 2011 • Eckart Haerter ISSN 1864-9653 (Printausgabe) ISSN 1864-9661 (Internetausgabe) Verantwortlich f‚r den Inhalt: Eckart Haerter Johannisstrasse 29 D - 37073 G€ttingen Tel.: 0551 ƒ 57883 E-Mail: uye@haerter-tango.de Website: http://www.haerter-tango.info Alle „bersetzungen von / Todas las traducciones por: Eckart Haerter Titelfoto: Kleine Buchhandlung in Buenos Aires Mini-Foto: Der Himmel ‚ber Buenos Aires in den argentinischen Nationalfarben am 28. September 2009 Foto de Portada: Peque…a librer†a en Buenos Aires Mini-Foto: El cielo sobre Buenos Aires en los colores nacionales, el d†a 28 de septiembre 2009 2 Editorial Das Restaurant und Caf‡ Bar-oBar / B€rbaro in Buenos Aires ist ein bekannter Treffpunkt von Journalisten, K‚nstlern und Intellektuellen. Hier sassen am 21. September 2009 der Schriftsteller Alberto Mario Perrone und ich bei Rotwein, Rindfleisch und Salat. Und Alberto erzˆhlte mir voller Begeisterung Interessantes von seiner Heimatstadt und ihrem hohen Rang als Stadt des Buches und der Literatur. Aus meiner bibliothekarischen Tˆtigkeit bei der Niedersˆchsischen Staats- und Universitˆtsbibliothek in G€ttingen, war mir die Bedeutung von Buenos Aires als Verlagsort nat‚rlich nicht unbekannt. Dar‚ber hinaus gilt die Stadt als das unbestrittene intellektuelle Zentrum ganz S‚damerikas. Aber auch auf den Reisen, die Ulrike und ich in Sachen Tango Detail der Fensterdekoration im regelmˆssig nach Buenos Aires Bar-o-Bar / B€rbaro in Buenos unternommen haben, ist uns das Aires bunte Spektrum der Buchhandlungen aller Art nicht verborgen geblieben. Es gibt sie hier in grosser Zahl von riesig und pomp€s bis klein und urig (s. Titelbild). Dazu kommen zahlreiche Kioske und Freiluft-Buchverkaufsplˆtze. Und viele dieser Orte zur Huldigung des Buches haben bis in die fr‚hen Morgenstunden ge€ffnet, auch an Feiertagen. 3 In diesem Jahr nun l€st Buenos Aires Ljubljana als Welthauptstadt des Buches ab. Dass ein "Tango-Info" diesem Ereignis ein Sonderheft widmet, wird Tangueros nicht weiter verwundern. Denn wir leben in der Welt des Tangos und wissen, dass diese faszinierende Kultur von drei gleich wichtigen Sˆulen getragen wird, nˆmlich von Musik, Text und Tanz. Die Kenntnis vieler Tangotexte hat uns auch gelehrt, dass der Tango selbst Literatur ist, und welche Bedeutung der Tangolyrik innerhalb der argentinischen (und uruguayischen) Volkskultur zukommt. Ich glaube, liebe Leserinnen und Leser, Sie werden bei der Lekt‚re dieses Heftes wieder einmal feststellen, wie viel es in der Kultur des Tangos noch zu entdecken gibt, selbst wenn man schon lange darin lebt. Mir ist es bei der Zusammenstellung des Inhalts genauso gegangen. Der Herausgeber Eckart Haerter Anmerkung Der Name des Lokals Bar-o-Bar / B€rbaro ist ein Spiel mit den Silben. B‰rbaro heisst soviel wie grossartig, toll, klasse usw.. Das Lokal wurde 1969 von Malern der Gruppe Nueva Figuraci•n gegr‚ndet: Felipe No‡ (er reprˆsentierte Argentinien vor einigen Jahren auf der Biennale in Venedig), Ernesto Deira und RŠmulo MacciŠ, sowie Jorge de la Vega, der die Malerei der Fensterfront gestaltete. El Bar-o-Bar / B€rbaro fue fundado en 1969 por los entonces jŠvenes pintores que integraron el grupo "Nueva FiguraciŠn": Felipe No‡ (representŠ a la Argentina en la Bienal de Venecia hace un par de a…os), Ernesto Deira, RŠmulo MacciŠ y los vidrios de la fachada pintados por Jorge de la Vega. 4 Der Schriftsteller, Dichter und Journalist Alberto Mario Perrone vor einem Eingang der argentinischen Nationalbibliothek in Buenos Aires. Die Bibliothek feierte 2010 den 200. Jahrestag ihrer Gr‚ndung durch Mariano Moreno, worauf das Plakat unter dem Vordach hinweist. 5 Mariano Moreno (1778ƒ1811), Sekretˆr des Revolutionsausschusses der Mairevolution von 1810 (s.a. Info Nr. 42.2010) und Gr‚nder der argentinischen Nationalbibliothek. Es war die erste frei zugˆngliche und kostenlose €ffentliche Bibliothek Argentiniens. Moreno war Anwalt, Journalist und Gesandter zu den Regierungen in Rio de Janeiro und London. Er starb auf hoher See an einer Vergiftung. Es wird angenommen, dass er vom Kapitˆn des Schiffes ermordet wurde, bezahlt von den konservativsten Kreisen des Revolutionsausschusses, als er sich als Bevollmˆchtigter zusammen mit seinem Bruder auf der „berfahrt nach London befand. Mariano Moreno (1778ƒ1811), secretario de la Junta Revolucionaria de Mayo, y quien fundŠ la primera biblioteca p‹blica, libre y gratuita, y quien muy joven habr†a de morir envenenado en alta mar, (se supone que lo asesina el capitan del barco, pagado por los sectores m‰s conservadores de la Junta) cuando iba como plenipotenciario a Londres en compa…†a de su hermano. A.M.P. 6 Ehrung zum Geburtstag von Mariano Moreno am 23. September vor seinem Denkmal auf der Plaza del Congreso in Buenos Aires. Das Foto wurde aufgenommen am 23.09.2009 7 Congreso Nacional in Buenos Aires Buenos Aires (Ausente no. 30) A.M.P. Buenos Aires, "la capital del imperio que nunca existiŠ". Buenos Aires, "Babilonia de cartŠn". Buenos Aires, "la gran ciudad de segundo orden, la cuna del plagio". Buenos Aires, "esnobŠpolis". 8 Buenos Aires (Ausente Nr. 30) A.M.P. Buenos Aires, "die Hauptstadt des Reiches, das nie existierte". Buenos Aires, "Babylon aus Pappe". Buenos Aires, "die grosse Stadt zweiter Ordnung, die Wiege des Plagiats ". Buenos Aires, "Snobopolis". [Snob City] Die obigen Verse von Alberto Mario Perrone mit den boshaften Zitaten ‚ber Buenos Aires fanden wir als "Fragment Nr. 30" in seinem Buch Ausente. Demselben Buch entnahmen wir auch das nachfolgende Gedicht Una chica y despu‚s ("Ein junges Mˆdchen und danach"), ein Stimmungsbild aus dem modernen Buenos Aires. Das Umschlagdesign schuf Rogelio Polesello Perrone, Alberto Mario Ausente ƒ 1a ed. ƒ Buenos Aires : Lugar Editorial, 2005 64 p. ; 20x14 cm ISBN 950-892-239-7 9 Una chica y despuÄs Alberto Mario Perrone Una chica al atardecer con una latita de cerveza en la mano, va, por diciembre. Una chica camina sin rumbo, por el bulevar Charcas y hace calor y anochece sobre nosotros mientras la ni…a de la mochila va sorbiendo de su lata cerveza en soledad. No la observaste cuando yo la mir‡, pensando por dŠnde ella va con su cerveza fr†a en la mano y en su soledad nocturna. Quiz‰s parezca ayer. Pero para mi ocurriŠ hace mucho, y no ha de volver a sucedernos. Sobre estas calles de nuestra ciudad a oscuras. 10 Ein junges MÅdchen und danach Alberto Mario Perrone Ein junges Mˆdchen geht bei Anbruch der Dunkelheit mit einer kleinen Dose Bier in der Hand, durch den Dezember. Ein junges Mˆdchen schlendert ohne Ziel den Charcas-Boulevard entlang, und es ist heiss, und es wird dunkel ‚ber uns, wˆhrend die Kleine mit dem Rucksack vorbeigeht und in Einsamkeit Bier aus der Dose schl‚rft.. Du hast sie nicht bemerkt, als ich sie beobachtete und dachte wo sie wohl hingeht mit ihrem kalten Bier in der Hand und in ihrer nˆchtlichen Einsamkeit. Mag es auch scheinen, als sei es gestern gewesen. Doch mir geschah es vor langer Zeit, und es wird sich nicht noch einmal wiederholen. Auf den Strassen unserer Stadt im Dunkeln. 11 In diesem Buch mit Gedichten, Prosa und kurzen Erzˆhlungen von Homero Manzi fanden wir das folgende Gedicht ‚ber Buenos Aires, das uns etwas von der Gr‚ndung der argentinischen Hauptstadt erzˆhlt. ŒŒŒŒŒŒŒŒ. Auch den Artikel "„ber Carlos Gardel" auf S. 25 ff und das Gedicht Ay de miƒ! auf S. 46 f entnahmen wir diesem Buch. Einbandgestaltung ƒ Dise…o de Tapa: Daniel Villalba Manzi, Homero = Manzione Prestera, Homero Nicol‰s Poemas, prosa y cuentos cortos ƒ Buenos Aires : Corregidor, 1998 190 p. ; 20x14 cm ISBN 950-05-1084-7 12 Buenos Aires colina chata Letra: Homero Manzi (1907 ƒ 1951) M‹sica (posteriormente): Sebasti‰n Piana (1903 -1994) Sobre una colina chata Garay trazŠ cuatro vientos. Por un costado la pampa, al otro lado el riachuelo y el r†o contra la espalda y contra el pecho el desierto con su horizonte de paja y su techumbre de cielo. Garay trazŠ diez manzanas sobre un cuadrado perfecto, y el sitio de las campanas y el lugar de su gobierno y las casas capitanas y los tejados modestos y el ‰mbito de la plaza para los grandes recuerdos. Garay trazŠ con su espada la forma de un pueblo nuevo. •CŠmo era la pampa aquella sin gauchos y sin cencerros, sin chinas, ranchos ni huellas, sin boliches ni puesteros...? •Sin un mazo de baraja, sin el grito de un resero, sin un fogŠn y una casa, sin un mate y sin un cuento...? ŽSŠlo era una pampa, pampa con un desierto desierto, 13 con su horizonte de paja y su techumbre de cielo...! Qu‡ raro que se quedaran los espa…oles aquellos, atados a las distancias clavados a los silencios. Tal vez porque ya eran otros, distintos a los primeros. Tal vez porque ya eran criollos a fuerza de sufrimientos. Porque llegaron del norte inaugurando senderos, madurados por los soles y las lluvias de febrero. 14 Juan de Garay (1528-1583) der zweite Gr‚nder von Buenos Aires Buenos Aires, flacher HÇgel Text: Homero Manzi (1907 ƒ 1951) Musik (spˆter vertont): Sebasti‰n Piana (1903 -1994) „ber einen flachen H‚gel zeichnete Garay die vier Himmelsrichtungen. Auf der einen Seite lag die Pampa, auf der anderen der Riachuelo und der Fluss im R‚cken. Und vor der Brust die Ein€de mit ihrem strohigen Horizont und ihrem Dach aus Himmel. Garay zeichnete zehn Hˆuserblocks auf ein perfektes Quadrat und den Platz f‚r die Glocken und den Standort der Regierung und die Hˆuser der Hauptstadtbewohner und die einfachen Dˆcher und den Umriss eines Platzes 15 f‚r die grossen Gedenkveranstaltungen. Garay entwarf mit seinem Schwert die Gestaltung einer neuen Ortschaft. Wie war die Pampa damals, ohne Gauchos und ohne Kuhglocken, ohne Mˆdchen, H‚tten und Wege, ohne Kneipen und fliegende HˆndlerŒ? Ohne ein deftiges Kartenspiel, ohne den Schrei eines Viehtreibers, ohne eine Feuerstelle und ein Haus, ohne Mate und GeschichtenŒ? Es gab nur Pampa, Pampa, und •dnis, •dnis mit ihrem strohigen Horizont und ihrem Dach aus HimmelŒ! Wie seltsam, dass sie hier blieben, jene Spanier, auf sich allein gestellt in weiter Ferne und aufgelaufen im Schweigen. Vielleicht weil sie andere waren, sich unterschieden von den ersten. Vielleicht weil sie schon Kreolen waren, gezwungenermassen, durch die Entbehrungen. Weil sie von Norden kamen und Wege geschaffen hatten, abgehˆrtet durch Sonne und die Regeng‚sse des Februars. 16 Anmerkungen Juan Garay gr‚ndete im Jahre 1580 Buenos Aires zum zweiten Mal. 1536 war die Stadt schon einmal von Pedro de Mendoza gegr‚ndet worden. Aber wegen der hˆufigen Indianer‚berfˆlle musste der Ort einige Jahre spˆter wieder aufgegeben werden bis zur Neugr‚ndung durch Garay.. Riachuelo (dt. "Bach") : ein Fluss, der bei Buenos Aires in den Rio de La Plata m‚ndet. Im Gedicht nennt Manzi den La Plata nur "R†o" ("Fluss", im Gegensatz zum "Bach"). Kreolen (span. Criollos) : Im Land Geborene spanischer oder auch europˆischer Abstammung. Der folgende Tango ist die Hymne auf Buenos Aires schlechthinŒ 17 Mi Buenos Aires querido Tango 1934 M‹sica: Carlos Gardel Letra: Alfredo Le Pera Mi Buenos Aires querido cuando yo te vuelva a ver, no habr‰ m‰s pena ni olvido. El farolito de la calle en que nac† fue el centinela de mis promesas de amor, bajo su quieta lucecita yo la vi a mi pebeta, luminosa como un sol. Hoy que la suerte quiere que te vuelva a ver, ciudad porte…a de mi ‹nico querer, y oigo la queja de un bandoneŠn, dentro del pecho pide rienda el corazŠn. Mi Buenos Aires tierra florida donde mi vida terminar‡. Bajo tu amparo no hay desenga…os, vuelan los a…os, se olvida el dolor. En caravana los recuerdos pasan, con una estela dulce de emociŠn. 18 Quiero que sepas que al evocarte, se van las penas de mi corazŠn. La ventanita de mi calle de arrabal. donde sonr†e una muchachita en flor, quiero de nuevo yo volver a contemplar aquellos ojos que acarician al mirar. En la cortada m‰s maleva una canciŠn dice su ruego de coraje y de pasiŠn, una promesa y un suspirar, borrŠ una l‰grima de pena aquel cantar. Mi Buenos Aires querido, cuando yo te vuelva a ver, no habr‰ m‰s pena ni olvido. 19 Eine rosa Ecke - una esquina rosada Diese Ecke im Stadtteil San Telmo in Buenos Aires (mit dem "kleinen Fenster und der Laterne") scheint Alfredo Le Pera vor Augen gehabt zu haben, als er den Tango Mi Buenos Aires querido (Mein geliebtes Buenos Aires) schrieb, den jeder Tanguero kennt. Und auch Jorge Luis Borges mag an eine solche typische Ecke gedacht haben, als er seine ber‚hmte Tangogeschichte vom "Mann von der rosa Ecke" schrieb (s. S. 49) 20 Mein geliebtes Buenos Aires Tango 1934 Musik: Carlos Gardel Text: Alfredo Le Pera Mein geliebtes Buenos Aires, wenn ich dich bald wiedersehe, gibt es keinen Kummer und keine Trennung mehr. Die kleine Laterne in der Strasse, wo ich geboren wurde, hielt Wache ‚ber meinen Liebesversprechen. Unter ihrem stillen Licht sah ich sie meine h‚bsche Freundin, strahlend wie die Sonne. Heute, da das Gl‚ck will, dass ich dich wiedersehen soll, Stadt der Porte…os, Stadt meiner einzigen Liebe, und wenn ich die Klage eines Bandoneons h€re, will das Herz in der Brust schier zerspringen. Mein Buenos Aires, bl‚hende Erde, wo ich mein Leben beschliessen werde. Unter deinem Schutz gibt es keine Enttˆuschungen, verfliegen die Jahre, vergisst man den Schmerz. Eine Karawane der Erinnerungen zieht vorbei, und hinterlˆsst im Gem‚t eine s‚sse Spur. 21 Ich will, dass du weisst, dass in der Erinnerung an dich der Kummer meines Herzens vergeht. Zum kleinen Fenster meiner Vorstadtstrasse will ich zur‚ckkehren, wo ein junges Mˆdchen lˆchelt, und in jene Augen schauen, deren Blick eine Liebkosung ist. Selbst in der finstersten Sackgasse gibt es ein Lied, das Mut und Leidenschaft erfleht; ein Versprechen und ein Seufzen, dies Lied wischte eine Kummertrˆne fort.. Mein geliebtes Buenos Aires, wenn ich dich bald wiedersehe, gibt es keinen Kummer und keine Trennung mehr.. Anmerkung Porte…os : svw. Hafenbewohner; die Einwohner von Buenos Aires 22 Der Tango Mi Buenos Aires querido (Mein geliebtes Buenos Aires) ist auch heute noch die unsterbliche Hymne auf die argentinische Hauptstadt. Als der zu Lebzeiten schon legendˆre Sˆnger Carlos Gardel 1934 in dem Film Cuesta abajo (Bergab) dieses Lied sang, waren die Menschen so ergriffen, dass in der Anfangszeit der Filmvorf‚hrer jedes Mal nach diesem Lied den Film anhalten und zur‚ckspulen musste, um die Szene noch einmal zu zeigen. Mit Carlos Gardel (1888-1935) hatte die argentinische Nation ihre Stimme und ihr Idol gefunden (und dasselbe gilt f‚r Uruguay). Es ist nicht ‚bertrieben, wenn man sagt, dass Carlos Gardel fast so etwas ist wie ein Nationalheiliger der beiden Tangolˆnder. F‚r Argentinier und Uruguayer gibt es keinen Zweiten, der das Tangogef‚hl so authentisch und ergreifend ausdr‚cken konnte, wie Carlos Gardel. Aus kleinsten Verhˆltnissen stammend, als uneheliches Kind einer eingewanderten franz€sischen B‚glerin, wurde Gardel zum Superstar des Tangos. Sein tragischer Unfalltod mit seinem Flugzeug auf dem Flughafen von Medell†n, Kolumbien, dem auch sein bester Freund und Textschreiber Alfredo Le Pera zum Opfer fiel, l€ste in Argentinien eine kollektive Trauer ungeahnten Ausmasses aus. Aber Carlos Gardel lebt! In beiden Tangolˆndern sagt man: Carlitos canta cada d„a mejor, "Karlchen singt jeden Tag besser". Carlos Gardel ist in Buenos Aires ‚berall prˆsent ƒ als Bild in Caf‡s, in Fassadendekorationen, in der Werbung, zweimal als Bronzeskulptur, eine Strasse und eine U-Bahn-Station tragen seinen Namen, es gibt ein Carlos-Gardel-Museum und eine Esquina Carlos Gardel ƒ eine CarlosGardel-Ecke. Wer noch nicht weiss, wie Carlos Gardel aussieht, braucht nur eine Viertelstunde lang durch Buenos Aires zu schlendernŒ 23 Carlos Gardels lebensgrosses Denkmal auf dem Chacarita Friedhof in Buenos Aires ist immer mit Blumen geschm‚ckt. Hˆufig brennt zwischen seinen Fingern ein Zigarette wie im Leben ... Zˆrtlich nennen ihn die Argentinier El Mudo, der Stumme. Kein echter Tanguero, der nicht wenigstens einmal im Leben zu Carlos Gardel auf den Chacarita Friedhof gepilgert wˆre ... 24 Sobre Carlos Gardel por Homero Manzi Entre un montŠn de hierros en escombros, en Medell†n, una lejana ciudad de Colombia, se quemŠ para siempre el terciopelo con que Carlos Gardel envainaba el metal limpio de su voz. Y ‡sa, la muerte de su voz querida, fue su verdadera muerte. As†, tr‰gicamente, desapareciŠ el cantor, no de Buenos Aires, sino de la Rep‹blica del Tango. De esa Rep‹blica dibujada sobre el mapa de la emociŠn, con el carbŠn de los puchos apagados que cuelgan en la oreja de todos los compadritos, y pintado de rojo en el carm†n de las muchachas tristes que dieron el mal paso. Esa Rep‹blica del Tango cuyas monta…as son las barrancas que se derrumban en las esquinas; y cuyos r†os, las aguas sucias que circulan al margen de sus calles; y cuyos paisajes turbios, como si se vieran a trav‡s del alcohol, son las callecitas empolvadas de estrellas y adornadas por los faroles legendarios y las higueras que se asoman como sombras por encima de las tapias despintadas. Es que Carlos Gardel era un hijo de los arrabales. De todos los arrabales. De cualquier arrabal. Y si en su risa llevaba el sello de la picard†a limpia que brilla en los ojos de los purretes de la calle, en el fondo amargo de su canto encerraba toda la angustia del arrabal que sufre, que lucha y que canta. Por eso el arrabal lo ten†a de s†mbolo y de venganza. Era el s†mbolo, porque en su canto suave se amontonaba la compleja sentimentalidad suburbana, y era una venganza, porque con su risa derecha, con su andar hamacado, con ese dejo compadre y dulce de su voz, y con el brillo de su melena negra, se hab†a impuesto a la soberbia de todos los p‹blicos, y hab†a hecho entrar en todos los o†dos, con la ganz‹a de su arte, el canto de las barriadas: EL TANGO. Por eso, a Carlos Gardel, en esta Patria que tiene un pueblo sentimental como una novia, derecho como una daga y amigo como un poncho, a Gardel, se lo consideraba un compa…ero m‰s. Un apretŠn de su mano val†a para sellar una amistad eterna. Una sonrisa de su cara franca era una luz de inevitable simpat†a. Un chiste de su labio confianzudo acortaba la distancis m‰s larga. Y un simple eco 25 de su voz confidencial y tierna levantaba la polvareda franca de los aplausos. Por eso su muerte repercutiŠ en los hombres y en las cosas. Y por eso su ausencia se aposentŠ en el alma de los barrios. Por eso, cuando se fue, estuvieron m‰s silenciosos los patios colorados de los conventillos. Por eso, los bandoneones gimieron como nunca en los borbotones sentidos de los bajos. Por eso los naipes se fueron a baraja m‰s misteriosamente, y por eso, en el contraluz de los atardeceres de las barriadas, ese d†a desfilaron las sombras de todos los machos desaparecidos en la ley del cuchillo, de todas las muchachas que gastaron su pulmŠn en la tragedia de la Singer, y de todas las milonguitas que cayeron por la pendiente de la fatalidad al empujŠn de la miseria. En una de las ‹ltimas pel†culas que filmŠ Carlitos Gardel, en Tango Bar, aparece en un determinado momento vestido con el traje caracter†stico de los muchachos porte…os de hace muchos a…os: pantalŠn a cuadritos y en bombilla, saquito con trencilla, el bot†n enterizo con un taquito en punta, lengue al pescuezo y funyi Massera. Y all†, muchacho lindo, nos hizo el regalo de un tango canyengue bailado por ‡l. Y Gardel era un gran bailar†n de tango. En ese aspecto no lo conoc†a el p‹blico, pero en el ambiente de sus colegas y amigos se lo sab†a capaz de traducir al tango, tambi‡n el enredo de los pasos y la elegancia de los movimientos. 26 Im Abasto-Viertel von Buenos Aires. Hier hielt sich Carlos Gardel in seinen jungen Jahren meistens auf. Seine zweite Bronzestatue steht vor dem historischen Gebˆude der Bar "Chanta Cuatro", wo Gardel Stammgast war. Das Lokal ist heute ein Restaurant wo abends hoch artifizielle Tangoshows stattfinden. Diese Ecke, wie auch die nach links f‚hrende Strasse, sind nach Carlos Gardel benannt. Rechts im Bild der fr‚here Abasto-Grossmarkt. Das Gebˆude ist heute ein grosses Shopping Center mit Kinos etc.. 27 €ber Carlos Gardel von Homero Manzi Unter einem Haufen von Eisen und Tr‚mmern, in Medell†n, einer Stadt weit weg in Kolumbien, verbrannte f‚r immer der Samt, mit dem Carlos Gardel das blanke Metall seiner Stimme umh‚llte. Und dies, der Tod seiner geliebten Stimme, war sein wirklicher Tod. So verschwand auf tragische Weise der Sˆnger, nicht von Buenos Aires, sondern der Republik des Tangos. Diese Republik, die eingezeichnet ist auf der Landkarte des Gef‚hls mit den verkohlten Enden der verloschenen Kippen hinter den Ohren aller gestorbenen Compadritos und rot gemalt mit dem Karmin der traurigen Mˆdchen, die den falschen Schritt getan. Diese Republik des Tangos, deren Berge die Aufsch‚ttungen an den Strassenecken sind und deren Fl‚sse die schmutzigen Gewˆsser, die an den Strassenrˆndern entlangfliessen, und deren verschwommene Landschaften, so als ob man sie durch einen Alkoholschleier sieht, die kleinen, sternenbestˆubten Strassen sind, geschm‚ckt mit den legendˆren Laternen und den Feigenbˆumen, die sich wie Schatten ‚ber die verwaschenen Mauern erheben. Carlos Gardel war ein Sohn der Vorstˆdte. Aller Vorstˆdte. Jeder beliebigen. Und wenn in seinem Lachen auch die Anzeichen eines schmutzigen Ganovenstreichs mitschwangen, der das Gesicht der Strassenstrolche verklˆrt, umfasste die bittere Tiefe seines Gesangs die ganze K‚mmernis der Vorstadt, die leidet, kˆmpft und singt. Deshalb war er f‚r die Vorstadt Symbol und Rache. Er war Symbol, weil sich im Schmelz seines Gesangs die vielschichtige Gef‚hlswelt der Vorstadt offenbarte, und er war Rache, weil er sich mit seinem offenen Lachen, seinem wiegenden Gang, dieser Lˆssigkeit des Compadres und der S‚sse seiner Stimme, dem Glˆnzen seiner schwarzen Haare, mitten hineingedrˆngt hatte in den Hochmut der grossen •ffentlichkeit und sich in aller Ohren Geh€r verschafft hatte mit dem Dietrich seiner Kunst, dem Lied des Stadtviertels der kleinen Leute: mit dem TANGO. Deshalb betrachtet dieses Land, das ein Volk hat, so gef‚hlsselig wie eine Braut, aufrecht wie ein Dolch und freundlich wie ein Poncho, 28 Carlos Gardel einfach als einen guten Kumpel. Ein Hˆndedruck von ihm galt als Zeichen ewiger Freundschaft. Ein Lˆcheln seines offenen Gesichts war unvermeidlich das Licht der Sympathie. Ein vertraulicher Witz von seinen Lippen ‚berwand auch die gr€sste Distanz. Und schon das Echo seiner vertrauten und zˆrtlichen Stimme wirbelte den Applaus auf wie eine Staubwolke. Deshalb hatte sein Tod eine Auswirkung auf die Menschen und auf die Dinge. Und deshalb nistete sich sein Fehlen in der Seele des Stadtviertels ein. Deshalb klagten die Bandoneons wie nie zuvor mit dem wehm‚tigen Grummeln der Bˆsse. Deshalb wurden die Karten noch geheimnisvoller gemischt, und deshalb zogen an diesem Tag, im Gegenlicht der vorstˆdtischen Abenddˆmmerung, die Schatten aller nach dem Gesetz des Messers verschwundenen Machos vorbei; und die der Mˆdchen, die ihre Kraft in der Trag€die der Singer vergeudet hatten; und aller Tˆnzerinnen, die durch den Stoss des Elends in den Abgrund des Verhˆngnisses gest‚rzt waren. In einem seiner letzten Filme, die Carlitos Gardel gedreht hat, in Tango Bar, erscheint er in einem bestimmten Moment, gekleidet mit der vor vielen Jahren charakteristischen Tracht der Jungs von Buenos Aires. Karierte Hose mit vorgeschnallten Lederschonern, Jacke mit Fransen, Gamaschen, Halstuch und Hut a la Massera. Und dort, ein gut aussehender Bursche, machte er uns das Geschenk eines von ihm getanzten Tango Canyengue. Und Gardel war ein grosser Tangotˆnzer. In dieser Hinsicht kannte ihn das Publikum gar nicht. Aber im Kreis seiner Kollegen und Freunde zeigte er sich befˆhigt, den Tango auch in die verzwickten Schritte und die Eleganz der Bewegung umzusetzen. [„bers. aus: Homero Manzi: Poemas, prosa y cuentos cortos. - Buenos Aires : Corregidor 1998, S. 122-123 ] Anmerkungen Compadre : Vorstadt-Respektsperson der "alten Schule" Compadrito : j‚ngerer Vorstadt-Platzhirsch mit ritualisiertem Habitus und besonderer Mode 29 Canyengue : (verschiedene Bedeutungen) z.B. historischer Tango-Tanzstil; auch mitreissende Betonung des Rhythmus' in der Tangomusik ŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒ Alberto Mario Perrones szenisches Gedicht Azares del Quijote y Gradel, (Schicksalhafte Begegnungen zwischen Don Quijote und Carlos Gardel) wurde an verschiedenen Orten und in verschiedenen Prˆsentationsformen aufgef‚hrt. Jedes Mal mit grossem Erfolg. Prˆsentationen fanden unter anderem statt in der Nationalbibliothek und mit Musik im Teatro Independencia zu Mendoza. H€hepunkte mit sensationellem Erfolg waren im August 2009 die grossen Auff‚hrungen mit Tanztheater im Nationaltheater Cervantes in Buenos Aires. Diese Auff‚hrung ist auch ‚ber Youtube im Internet zugˆnglich. El poema esc‡nico "Azares del Quijote y Gardel" fue presentado con gran ‡xito en la Biblioteca Nacional, y con versiones musicalizadas en el teatro Independencia de Mendoza; y en el teatro Nacional Cervantes, de Bs.As., con danza teatro que existe en Youtube internet.. 30 "ŽBail‰! ŽVen†! ŽVol‰!" : el fenŠmeno tanguero y la literatura ; actas del coloquio de Berlin, 13 - 15 de febrero de 1997 / Michael R€ssner (ed.).Madrid : Iberoamericana ; Frankfurt am Main : Vervuert, 2000. 284 S. (Bibliotheca Ibero-Americana ; Vol. 79) ISBN 84-95107-81-3 (Iberoamericana) ISBN 3-89354-579-4 (Vervuert) 31 Die folgende Rezension erschien zuerst in HISPANORAMA : Zeitschrift des Deutschen Spanischlehrerverbandes (DSV), Nr. 94, November 2001 Ein neues Tangobuch. Was hat es auf sich mit dem "Bordellreptil" (Leopoldo Lugones), mit der Kultursch€pfung aus dem "unteren Sozialmilieu" (Reichardt), die auch heute noch das kulturelle Identifikationsmerkmal der Menschen am Rio de La Plata darstellt und zahllose Menschen in aller Welt in ihren Bann schlˆgt? Verstˆndlich, dass immer wieder Wissenschaftler und Fachleute verschiedenster Couleur versuchen, dieser Frage auf den Grund zu gehen und das "Phˆnomen" Tango zu analysieren. Aber der Tango ist "macho" und "stark", sagt schon C.E. Flores in einem seiner Tangopoeme, und er steht in seiner Dreiheit aus Musik, Text und Tanz seit hundert Jahren unersch‚ttert und souverˆn da. Die Akteure des Tangos, Tˆnzer, Musiker, Sˆnger und Poeten, leben ihrer Leidenschaft und sind in der Mehrzahl nur am Rande an der theoretischen Auseinandersetzung beteiligt. Im vorliegenden Buch sind f‚nfzehn interessante Beitrˆge zum Thema (alle in spanischer Sprache) versammelt. Das Werk ist das Ergebnis eines dreitˆgigen Kolloquiums mit illustrer Besetzung, das im Februar 1997 in Berlin stattgefunden hat. Seinen Titel verdankt es einer Zeile aus der "Balada para un loco", des bedeutendsten lebenden Tangopoeten, des Uruguayers Horacio Ferrer (dem der Rezensent und seine Partnerin die Ehre hatten, 1996 in Montevideo vorgestellt zu werden). Scarlett Winter legt dieses Gedicht ihrem einsichtsvollen Beitrag ‚ber die kommunikativen und spielerischen Elemente des Tangos zugrunde. Auch Monika Elsner stellt unter Vorwegnahme eines Teiles ihrer Dissertation den "Dialog der F‚sse" in den Mittelpunkt der Betrachtung. (Die Dissertation wurde in Nr. 91 von HISPANORAMA ausf‚hrlich besprochen). Dass der Tango am Rio de La Plata auch Spiegel des Lebens schlechthin ist, belegt Horacio Salas anhand von Tangotexten in seinem Beitrag "El tango como reflejo de la realidad social". 32 Ana Mar†a Cartolano kommt zu dem Fazit: "En (las letras de tango) se filosofa sobre nuestros defectos y virtudes sociales, sobre nuestro sentimiento de orfandad y ese destino de errar por el mundo llenos de nostalgia". Noem† Ulla f‚hrt in ihrem Beitrag aus, dass viele der herausragendsten Tangotextdichter erheblich vom Modernismo eines Rub‡n Dar†o beeinflusst wurden. Indes scheint es offensichtlich so zu sein, dass die Tangotextdichter in weitaus gr€sserem Masse die Literatur ihrer Lˆnder zu "pr‡stamos, parodias y reescrituras" angeregt haben, als dass eine umgekehrte Beeinflussung stattgefunden hˆtte. Ulla f‚hrt verschiedene Beispiele an, darunter besonders auch "Boquitas pintadas" von Manuel Puig. Diesen tragikomischen Erfolgsroman analysiert ausf‚hrlich Diana Garc†a Simon. Das Werk ist inhaltlich wie ein melodramatischer Tango und in der Form wie eine "Radionovela", in Fortsetzungen, aufgebaut. Jeder "Entrega" des Romans ist ein Tangozitat (meist von Le Pera) vorangestellt, das wie eine Spiegelscherbe das Geschehen ironisch reflektiert. David Lagmanovich gelangt zu der Feststellung, die Tangopoeten "producen [...] una ruptura en el tejido del 'establishment' literario y ofrecen posibilidades de poetizaciŠn y de goce est‡tico para millones de oyentes que, desde entonces, le brindar‰n fervorosa adhesiŠn". Walter Bruno Berg sp‚rt dem Tango in Julio Cort‰zars genialem 600-Seiten-Opus "Rayuela" nach und stellt sechs Tangopoeme vor, die Cort‰zar im Pariser Exil geschrieben hat. "Desnuda se entregŠ / cuando mi voz / buscŠ su piel / bajo la luna [...]". Dieter Reichardt, der wohl profundeste Tangokenner Deutschlands, analysiert mit seinem Beitrag "La purificaciŠn del tango", warum in den Erzˆhlungen "Tangos" von Enr†que Gonzales Tu…Šn, die gr€sstenteils auf Tangopoemen basieren, die Gewalt der Messer betont und die personelle und existentielle Autonomie der Frau wegretuschiert wird. Die Tango-"Operita" "Maria de Buenos Aires" ist wie die "Balada para un loco" ein Gemeinschaftswerk von Horacio Ferrer und Astor Piazzolla. Sie wird von Sonia Alejandra LŠpez vorgestellt und erlˆutert. In den weiteren Beitrˆgen stellt Eduardo Romano Beobachtungen zu Textern und Dichtern zwischen 1915 und 1962 an, Meri Lao schildert humorig einen Fall von 33 "Tanguitud" in Italien und Blas Matamoro analysiert die Stellung der Familie im Tango. Michael R€ssner geht der Rolle des Liedes im Theater ab 1900 bis zu den Filmen von Gardel nach. F‚r das Tangolied, el "tango-canciŠn", war die B‚hne zunˆchst lediglich das Verbreitungsmedium, ohne dass die Lieder irgendeinen relevanten Bezug zur Handlung gehabt hˆtten. Erst in den Filmen von Carlos Gardel wird das Lied zum Ausdrucksmedium f‚r die Gef‚hle des Protagonisten und r‚hrt Millionen zu Trˆnen. H€hepunkt des k‚nstlerischen Ausdrucks ist hier zweifellos Gardels Hymne "Volver" (Text von Le Pera), die auch heute noch am Rio de La Plata praktisch jeder auswendig kennt. Javier Gonz‰lez Vilaltellas Vergleiche zwischen Tango und Bolero sind ebenfalls interessant, aber hier wird mir die singulˆre Stellung des Tangos nicht hinreichend deutlich. Zwischen dem zitierten "Besame, besame mucho" und "Chorra" liegen nun einmal Welten. Und noch keiner ist auf die Idee gekommen, von einem "Phˆnomen Bolero" zu sprechen. In Musik, Text und Tanz ist der Tango eine Volkskultur auf h€chstem Niveau. „bergˆnge zur Hochkultur sind in allen drei Teilbereichen fliessend. Die rigide Trennung zwischen trivial und elitˆr, Pop und Klassik ist beim Tango nicht m€glich. So m‚ssen wir Europˆer (und insbesondere wir deutschsprachigen) uns eine neue Sichtweise zulegen, um dem Tango als Kulturerscheinung gerecht zu werden. Wir m‚ssen anerkennen, dass wir selbst eine Breitenkultur auf solch hohem Niveau nicht haben. Michael R€ssner behandelt diesen Tatbestand im Vorwort und in der Einf‚hrung. "(Este libro) trata, por supuesto, del tango como fenŠmeno 'total'". "Lo peculiar, lo que impresiona dentro del universo espiritual argentino es precisamente el hecho de que no podemos abarcarlo mediante nuestras r†gidas categor†as ... pero tampoco mediante los estereotipos norteamericanos." Eine Auswahl-Bibliographie und Diskographie runden das Werk ab. Dass darin der uruguayische Bandoneonspieler Hugo D†az mit zahlreichen Eintrˆgen unter "Argentinien" eingeordnet ist, sein Lehrer Ren‡ Marino Rivero dagegen ganz fehlt, ist nicht Schuld des 34 Herausgebers; das Verzeichnis stammt vom Berliner Ibero-AmerikaInstitut. Alle Beitrˆge dieses Buches tragen zum besseren Verstˆndnis der argentinischen und uruguayischen Literatur und des Tangos bei und zeugen von der hervorragenden Sachkenntnis der Autorinnen und Autoren. Dabei erm‚det die Lekt‚re keineswegs durch dr€ge Wissenschaftlichkeit ... was freilich auch am Thema liegen mag. Schliesslich ist das "Phˆnomen" Tango keine trockene Materie, sondern pralles Leben mit all seinen Tiefen und gelegentlichen H€henfl‚gen (s. Titel) und - wie unsere eigene Existenz - nicht bis ins Letzte zu entrˆtseln. Reichardt bringt es in den ersten Sˆtzen seines Beitrags auf den Punkt: "En cuanto al tango, parece que estamos en la v†a de comprender su incomprensibilidad [...]" • Eckart Haerter, 2001 [Diese Rezension erschien zuerst in HISPANORAMA : Zeitschrift des Deutschen Spanischlehrerverbandes (DSV), Nr. 94, November 2001] Anmerkung "En cuanto al tango, parece que estamos en la v†a de comprender su incomprensibilidad" : dt.: Was den Tango angeht, so scheint es, dass wir erst jetzt dabei sind, seine Unverstehbarkeit zu begreifen. 35 Neuigkeiten von der "Tango-Achse Buenos Aires € G•ttingen" Novedades del "Eje de tango Buenos Aires € G•ttingen" Ein interessanter Fund: Stammt der Vorl•ufer der Tangodichtung aus G‚ttingen? Un Hallazgo interesante: ƒ El predecesor de la poes„a tanguera se origin… en G‚ttingen, Alemania? Im Dezember schloss die H€lty-Stube, G€ttingens bekanntestes Antiquariat, ihre Pforten, liebe Leserinnen und Leser. Wieder ein traditionelles St‚ck Kultur weniger in unserer Stadt. Ich muss leider zugeben, dass ich selbst nur ein sehr seltener Kunde in der H€lty-Stube gewesen bin, obwohl ich eigentlich ein begeisterter und auch wahlloser Leser bin, sofern ich Gelegenheit dazu habe. Aber mein Job zwingt mich zur Beschrˆnkung, und so konnte ich den Zusammenbruch dieses wunderbaren B‚cherladens, der sich in unserem Nachbarhaus befand, leider auch nicht aufhalten. Ihren Namen verdankte die H€lty-Stube bekanntlich unserem G€ttinger Poeten Ludwig Christoph Heinrich H€lty (1748 ƒ 1776), an den auch die H€lty-Strasse im Ostviertel erinnert. H€lty wurde zwar nicht in G€ttingen 36 geboren, sondern in dem kleinen Ort Mariensee an der Leine, aber er hat in G€ttingen studiert und schloss sich als Dichter dem G€ttinger Dichterbund, dem Hainbund an. Jeder deutsche "Bildungsb‚rger" kennt von H€lty wenigstens die Zeilen: "„b' immer Treu und Redlichkeit bis an das k‚hle Grab / und weiche keinen Fingerbreit von Gottes Wegen ab". Und die Melodie von Mozart kennt auch so ziemlich jeder, denn es ist bis auf ganz kleine Abweichungen dieselbe wie die der Arie des Papageno in der Zauberfl€te: "Ein Mˆdchen oder Weibchen w‚nscht Papageno sich, denn so ein sanftes Tˆubchen wˆr' Seligkeit f‚r mich". Nun fiel mir beim Niedergang der H€lty-Stube spontan ein Gedicht von H€lty ein, das alle Ingredienzien eines Tangos enthˆlt, nˆmlich Mond, melancholische Stimmung zur Nacht, Sehnsucht nach einer Geliebten und der weinende Mann in seiner Einsamkeit. Und verbl‚fft stellen wir fest, dass H€lty in G€ttingen den Tango vorweggenommen hat. Eine Erkenntnis, die ich mit Hilfe dieses Infos auch dabei bin, in Buenos Aires zu verbreiten. Das Gedicht wurde auch vertont, und zwar von keinem Geringeren als Johannes Brahms, der ja ebenfalls in seinen jungen Jahren in G€ttingen ein und aus ging (wenngleich ca. 100 Jahre spˆter als H€lty). 37 Das historische Gebˆude beherbergt heute das Musikwissenschaftliche Seminar der Universitˆt G€ttingen. Hier lebte Agathe von Siebold, die Jugendliebe von Johannes Brahms. Este edificio histŠrico hoy aloja el Instituto MusicolŠgico de la Universidad de G€ttingen. Ac‰ viv†a Agathe von Siebold, novia de Johannes Brahms. 38 Mainacht Text: Ludwig C. H. H€lty (1748-1776) Musik: Johannes Brahms (1833-1897) Wenn der silberne Mond durch die Gestrˆuche blinkt und sein schlummerndes Licht ‚ber den Rasen streut, und die Nachtigal fl€tet, wandel' ich traurig von Busch zu Busch. Selig preis ich dich dann, fl€tende Nachtigall, weil dein Weibchen mit dir wohnet in einem Nest, ihrem singenden Gatten tausend trauliche K‚sse gibt. „berh‚llet von Laub gurrt ein Taubenpaar sein Entz‚cken mir vor. Ich aber wende mich, suche dunklere Schatten, und die einsame Trˆne rinnt. Wann, du lˆchelndes Bild, welches wie Morgenrot durch die Seele mir strahlt, find ich auf Erden dich? Und die einsame Trˆne bebt mir heisser die Wang' herab. 39 Noche de mayo Letra: Ludwig C. H. H€lty (1748-1776) M‹sica: Johannes Brahms (1833-897) Cuando la luna plateada fulgura a trav‡s de los arbustos y dispersa su durmiente luz por el c‡sped, y el ruise…or gorjea, yo estoy triste andando de mata a mata. Feliz te alzo entonces, ruise…or gorjeando, porque tu hembrita vive contigo en un nido, dando mil †ntimos besos a su marido cantando. Cubierta de follaje una pareja de palomas me arrulla su encanto, pero yo me aparto, buscando sombras m‰s oscuras, y la sola l‰grima fluye. •Cu‰ndo, im‰gen sonriendo, que resplande como la aurora en mi alma, te encontrar‡ en el mundo? Y la sola l‰grima me tiembla m‰s ardientemente abajo la mejilla. [Esta traducciŠn es libre para el uso general] 40 Ludwig H€lty (1748-1776), poeta alem‰n, viv†a y estudiaba en la ciudad de G€ttingen. En la era de ilustraciŠn la universidad de G€ttingen fue la m‰s progresista en el mundo. H€lty era un socio del "G€ttinger Dichterbund" (UniŠn de Poetas de G€ttingen), tambi‡n llamada "Hainbund". El poema "Mainacht" de H€lty (Noche de mayo) es compuesto de ingredientes t†picos del tangoŒ ŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒ. Und da wir gerade bei traurigen Nˆchten sind, sollten wir uns jetzt den Tango Mi Nochte triste ("Meine traurige Nacht") ansehen, den Carlos Gardel als ersten Tango auf Schallplatte aufgenommen hat. Dieser Text stellt einen Wendepunkt des Tangos und seiner Kulturgeschichte dar, hin zum melancholischen Tangolied, dem Tango canci•n und "traurigen Gedanken, den man tanzen kann" (E. S. Disc‡polo). Durch Mi noche triste wurden der Textdichter Pascual Contursi und der Komponist Samuel Castriota unsterblich. 41 Mi noche triste Tango 1916 M‹sica: Samuel Castriota (1885-1932) Letra: Pascual Contursi (1888-1932) Percanta que me amuraste en lo mejor de mi vida, dej‰ndome el alma herida y espina en el corazŠn, sabiendo que te quer†a, que vos eras mi alegr†a y mi sue…o abrasador, para m† ya no hay consuelo y por eso me encurdelo pa'olvidarme de tu amor. Cuando voy a mi cotorro y lo veo desarreglado, todo triste, abandonado, me dan ganas de llorar; me detengo largo rato campaneando tu retrato pa poderme consolar. Ya no hay en el bul†n aquellos lindos frasquitos, arreglados con mo…itos todos del mismo color. El espejo est‰ empa…ado y parece que ha llorado por la ausencia de tu amor. 42 De noche, cuando rne acuesto no puedo cerrar la puerta, porque dej‰ndola abierta me hago ilusiŠn que volv‡s. Siempre llevo bizcochitos pa tomar con matecitos como si estuvieras vos, y si vieras la catrera cŠmo se pone cabrera cuando no nos ve a los dos. La guitarra, en el ropero todav†a est‰ colgada: nadie en ella canta nada ni hace sus cuerdas vibrar. Y la l‰mpara del cuarto tambi‡n tu ausencia ha sentido porque su luz no ha querido mi noche triste alumbrar. 43 Meine traurige Nacht Tango 1916 Musik: Samuel Castriota (1885-1932) Text: Pascual Contursi (1888-1932) Kleine, du bist abgehauen in der besten Zeit meines Lebens, hast mich zur‚ckgelassen mit verletzter Seele und einem Stachel im Herzen. Du wusstest doch, dass ich dich liebte, dass du meine Freude warst und mein heisser Traum. F‚r mich gibt's keinen Trost mehr, und deshalb besauf' ich mich, um von meiner Liebe zu dir loszukommen. Wenn ich in meine Bude komme und sie so unordentlich sehe, alles traurig und verlassen, hab ich grosse Lust zu heulen.. Oftmals sitz ich lange still, ganz vertieft ‚ber deinem Bild, damit ich mich ein bisschen tr€ste. Hier in der Bude gibt's nicht mehr diese h‚bschen kleinen Flakons, hindrapiert mit kleinen Schleifchen, alle in demselben Farbton. Der Spiegel ist beschlagen, so als hˆtte er geweint, ‚ber das Fehlen deiner Liebe. 44 Nachts, wenn ich mich schlafen lege, mag ich die T‚r einfach nicht schliessen, denn wenn ich sie offen lasse, hab ich die Illusion, dass du zur‚ckkommst. Immer hol' ich kleine Kekse, um sie zum Mate-Tee zu essen, so als wˆrst du hier bei mir. Und wenn du das Bett sehen w‚rdest, wie es richtig biestig wird, wenn es uns nicht zusammen sieht. Die Gitarre ist wie eh und je aufgehˆngt am Kleiderschrank; keiner singt mehr was zu ihr und lˆsst ihre Saiten schwingen. Und die Lampe unseres Zimmers hat auch gesp‚rt, dass du jetzt fort bist, denn ihr Licht wollte einfach nicht mehr meine traurige Nacht erhellen. ŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒŒ Lassen wir jetzt noch einmal Homero Manzi zu Wort kommen, mit einem kleinen, scheinbar mit leichter Hand hingeworfenen Meisterwerk, zu dem ewigen und alten Thema, das auch H€ltys Kreativitˆt befl‚gelte. Anmerkung zum nachfolgenden Gedicht Triste : in der volkst‚mlichen Musik der La Plata Region ein schwerm‚tiges Lied 45 Ay de mi...! (Triste) Letra: Homero Manzi M‹sica: Sebasti‰n Piana Cruz en el cielo... brilla el color de un recuerdo. Ay de m†, corazŠn, corazŠn, ay de m†, dŠnde est‰ la que espero.? Trenzas de sombra y un mo…o azul en el pelo. CorazŠn, ay de m†, ay de mi, corazŠn, se perdiŠ y no la encuentro. Rueda entre nubes la luna adentro de la laguna. Sombra de plumas, niebla flotando en el rio. CorazŠn, ay de m†, ay de m†, corazŠn cerrazŠn del olvido. Luz en mi noche, poncho de amor en el fr†o. Ay de m†, corazŠn, corazŠn, ay de m†, dŠnde esta su camino.? Rueda entre nubes la luna, adentro de la laguna. 46 Weh mir...! (Triste) Text: Homero Manzi Musik: Sebasti‰n Piana Das Kreuz am HimmelŒ es strahlt die Farbe einer Erinnerung. Weh mir, Herz, Herz, weh mir, wo ist sie, auf die ich warte? Dunkle Z€pfe und eine blaue Schleife im Haar. Herz, weh mir, weh mir, Herz, sie ist verschwunden, und ich kann sie nicht finden. Es rollt der Mond zwischen Wolken inmitten der Lagune. Schatten von Federn, Nebel treibt ‚ber dem Fluss. Herz, weh mir, weh mir, Herz, die Wolke des Vergessens ist dunkel. Licht in meiner Nacht, der Poncho der Liebe in der Kˆlte. Weh mir, Herz, Herz, weh mir, wo ist der Weg zu ihr? Es rollt der Mond zwischen Wolken inmitten der Lagune. 47 Die argentinische Nationalbibliothek besitzt seit 1992 ein imposantes neues Gebˆude im eleganten Stadtteil Recoleta. Wiedergabe des Fotos mit freundlicher Erlaubnis der Nationalbibliothek. ReproducciŠn de la foto por gentileza de la Biblioteca Nacional Der bisher ber‚hmtester Direktor der Biblioteca Nacional war Jorge Luis Borges, der als einer der bedeutendsten Schriftsteller und Dichter spanischer Sprache des 20. Jahrhunderts gilt. J Jorge Luis Borges (1899 ƒ 1986) 48 Jorge Luis Borges verdanken wir eine der brillantesten und packendsten Kurzgeschichten aus der wilden, rauen Fr‚hzeit des Tangos. El Hombre de la Esquina rosada (Der Mann von der rosa Ecke) Diese Geschichte ist nicht nur eine der ber‚hmtesten von Borges, sondern sie vermittelt uns auch einen lebhaften Eindruck vom Tango der Kaschemmen und Messerhelden in den Vorstˆdten von Buenos Aires um die Jahrhundertwende 19./20. Die Geschichte erschien auf deutsch in: Melancholie der Vorstadt: Tango / hrsg. vom K‚nstlerhaus Bethanien. ƒ Berlin : Fr€lich & Kaufmann, 1982 263 S. ISBN 3-88725-016-8 Eins der besten Tangob‚cher, die je in deutscher Sprache erschienen sind. Eine unersch€pfliche Fundgrube f‚r Tangoliebhaber. Das Buch enthˆlt eine weitere Kurzgeschichte, in der uns die Atmosphˆre und das Gef‚hl, das den authentischen Tango ausmacht, so meisterlich nahe gebracht wird, dass es unter die Haut geht. Die Geschichte mit dem Titel Las Puertas del Cielo (Die Pforten des Himmels) stammt von dem neben Borges zweiten argentinischen Nationalschriftsteller Julio Cort†zar (1914-1984). Wenn es um den Gef‚hlsgehalt des Tangos geht, habe ich immer auf die Texte der Tangotextdichter verwiesen. Mit den Geschichten von Borges und Cort‰zar kann man sich getrost so manche theoretische Abhandlung ‚ber die Psychologie des Tangos ersparen. 49 Der Herausgeber des G€ttinger Tango-Infos in Buenos Aires vor einer Gedenktafel f‚r Jorge Luis Borges. Borges' letztes Wohnhaus in Buenos Aires in der Calle Maip‹ No. 994 50 Auch wenn man seit weit ‚ber 20 Jahren in der Kultur des Tango Argentino lebt, kann man immer wieder Neues entdecken. Auf dieses Buch von Manuel G†lvez, zum Beispiel, machte mich Alberto Perrone aufmerksam. Den Umschlag des Buches gestaltete der ber‚hmte argentinische K‚nstler Adolfo Bellocq. F‚r die freundliche Erlaubnis zur Reproduktion der Umschlagillustration danken wir Hugo Oscar Maradei, Prˆsident des Museo del dibujo y la ilustraci•n MuDI, Buenos Aires. Das Museum zeigte bis zum 8. Mˆrz 2011 eine Ausstellung: Grandes Autores ƒ Grandes Ilustradores, "Grosse Autoren ƒ Grosse Illustratoren". G‰lvez, Manuel Nacha Regules : novela. 1a ed. - Buenos Aires : Pax, 1919 325 p. 51 Nacha Regules ist ein naturalistischer Roman aus dem brodelnden Tangoleben im Jahre 1910. Es geht um eine Milonguita, eine Tˆnzerin im Cabaret, die sich aus Not prostituiert. Ihr Name ist der Titel des Buches. 2010 feierte Argentinien den 200. Jahrestag seiner ersten Unabhˆngigkeitserklˆrung von Spanien, der sogenannten Mai-Revolutio, Revoluci•n de Mayo. Nat‚rlich waren wir dabei und haben mitgefeiert (s.a. G€ttinger Tango-Infos Nr. 42.2010 und 47.2010). Die Handlung dieses Buches beginnt genau 100 Jahre fr‚her, nˆmlich wˆhrend der Feiern zum 100. Jahrestag der Mai-Revolution). Der Autor des Buches, Manuel G‰lvez (1882 - 1962) war ein argentinischer Schriftsteller, Dichter und Historiker. Er wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet und dreimal f‚r den Literatur-Nobelpreis nominiert. Nacha Regules ist einer seiner gr€ssten Erfolge. Das Buch wurde in 14 Sprachen ‚bersetzt, darunter ins Deutsche. Ich selbst habe das Buch zwar erst auszugsweise gelesen, war aber spontan begeistert. 52 Dem Schriftsteller und Dichter Alberto Mario Perrone war das Heft 46, Oktober 2010, des G€ttinger Tango-Infos gewidmet, mit der genialen Titelzeichnung von Caryb‡ (links). Das Heft, das auf der Frankfurter Buchmesse ausgestellt wurde, enthˆlt u.a. Ausz‚ge aus seinem Buch Rev‚s de tango mit dem A.M.P. seine Leser auf eine neue, unbekannte Seite des Tangos f‚hrt. Das Perrone-Sonderheft ist mit zwei Musikbeispielen im Rahmen des G€ttinger Tango-Infos frei im Internet zugˆnglich unter: http://haertertango.de/goettinger-tango-info46-2010.htm Umschlagillustration: Jos‡ Luis Cuevas Umschlaggestaltung: Adri‰n •lvarez Perrone, Alberto Mario Rev‡s de Tango : poemas. 1a ed. - Buenos Aires : Lugar Editorial, 1994(1995) 79 p.; ill.; 20x14 cm ISBN 950-892-007-6 53 Ernesto S‰bato, ein anderer grosser Schriftsteller Argentiniens, studierte zunˆchst Mathematik und Physik. Spˆter winkte ihm eine glˆnzende Karriere als Atomphysiker und Inhaber des ersten Lehrstuhls f‚r Atomphysik in Lateinamerika. Dennoch gab er die wissenschaftliche Laufbahn auf, um fortan, trotz ungesicherter finanzieller Verhˆltnisse, nur noch f‚r die Kunst zu leben. Geboren 1911, lebt S‰bato bis heute in Buenos Aires. Am 23. Juni dieses Jahres wird er 100 Jahre alt. S‰bato, Ernesto Der Tunnel : Roman = El t‹nel <dt.> / Ernesto S‰bato ; aus dem argentinischen Spanisch und neu durchgesehen von Helga Castellanos. ƒ Berlin : Wagenbach, 2010 154 S.; 19x12 cm (Wagenbachs Taschenbuch ; 639) (Argentinien bei Wagenbach) ISBN 978-3-8031-2639-9 "Der Tunnel", El t…nel (1948), war S‰batos erster Roman, der weltweit Aufsehen erregte. Albert Camus zeigte sich von dem Werk begeistert, Es ist ein beklemmender psychologischer Roman ‚ber die "Unm€glichkeit menschlicher Kommunikation" (Dieter Reichardt). Darin geht es um die krankhafte Liebe eines K‚nstlers, eines Malers, zu einer Frau und um seine quˆlende Eifersucht, die sich bis zum Wahnsinn steigert und schliesslich mit der 54 Ermordung der Frau in der Katastrophe endet. Dabei mag man das, was der Protagonist f‚r diese Frau empfindet, kaum als Liebe bezeichnen, eher als eine Art Besessenheit mit totalem Besitzanspruch. S‰batos r€ntgenartiger Durchblick durch die menschliche Psyche und seine zum Teil unerbittliche aber subtile Ironie haben mich sofort in ihren Bann gezogen. Indes muss man der d‚steren, bedr‚ckenden Atmosphˆre des Romans gewachsen sein. Die neue deutsche Ausgabe des Buches erschien zur Frankfurter Buchmesse 2010, auf der Argentinien als Ehrengastland auftrat. Das Buch hat Helga Castellanos hervorragend ins Deutsche ‚bersetzt. Kurz vor Redaktionsschluss dieses Sonderheftes schickte mir die „bersetzerin ein Exemplar, das ich hier gerne vorstelle, obwohl das Buch mit dem Tango nicht direkt zu tun hat. Doch wie jede Tanguera, jeder Tanguero weiss, sind so urmenschliche Gef‚hle wie Liebe und Eifersucht Inhalt vieler Tangos. Und wir erinnern uns an den bet€renden Vals Amor y celos (Liebe und Eifersucht) oder an die Tangos Tomo y obligo und Derecho viejo, in denen die Ermordung der Geliebten aufgrund ihres Betruges thematisiert wird. Dennoch: die Handlung spielt im Buenos Aires der 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts ƒ der goldenen Zeit des klassischen Tangos, den wir bekanntlich immer noch mit zunehmender Begeisterung unterrichten. So konnte es gar nicht ausbleiben, dass der Tango auch in diesem Werk ganz nebenbei einmal in die Handlung hineinspielt. Und durch diesen einen Satz wird offenbar, wie der Tango damals und zum Teil auch heute noch auf die Menschen wirkt, die wahrhafte Tangueros sind. Zitat: "Ich verliess das Haus, um irgendwo herumzulaufen, und befand mich pl€tzlich in der Calle Corrientes. [Œ] Ich ging ins Caf‡ Marzotto. Ich nehme an, Sie wissen, dass die Leute dort hin gehen, um Tangos zu h€ren, aber sie h‚ren sie so, wie sich ein Gottesgl•ubiger die MatthÄuspassion anh‚rt." [Kursivschrift im Original; Hervorhebung fett vom Hrsg.] 55 Wenn 2011 Buenos Aires als diesjˆhrige Welthauptstadt des Buches geehrt wird, dann sollte nicht verschwiegen werden, dass auch ein Buch von uns in Buenos Aires erschienen ist. Das Buch der 100 Tangos von Homero Manzi erschien in 1. Auflage im Dezember 2006 in unserem eigenen Verlag TANGO PRODUCTIONS G€ttingen. Diese Ausgabe sollte unser posthumes Geburtstagsgeschenk f‚r den Dichter sein, der im Jahre 2007 100 Jahre alt geworden wˆre. Anlˆsslich der Frankfurter Buchmesse 2010, zu der Argentinien als Ehrengast geladen war, gab das argentinische Kulturministerium eine Sonderedition unseres Buches heraus, die im Rahmen einer Prˆsentation mit Live-Tangomusik dem internationalen Publikum vorgestellt wurde. Ein Bericht ‚ber diese Veranstaltung erschien im G€ttinger Tango-Info Nr. 47.2010 Manzi, Homero 100 Tangos / Homero Manzi ; con prŠlogo de Horacio Salas.1a ed.- Buenos Aires : Secretar†a de Cultura de la Presidencia de la NaciŠn, 2010. 264 p. ; 21x14 cm. ISBN 978-987-9161-76-0 56 Aus dem Impressum der Sonderedition 57 Dieser Ausstellungskatalog verzeichnet 1.049 lieferbare B‚cher aus 324 Verlagen und 18 Lˆndern. Die Ausstellung fand wˆhrend der Frankfurter Buchmesse vom 6. ƒ 10. Oktober 2010 im Pavillon des Ehrengastes Argentinien statt. Hier wurden auch beide Ausgaben unseres Buches "100 Tangos (von) Homero Manzi" ausgestellt. Books on Argentina : an international exhibition on the occasion of Argentina being Guest of Honour at the Frankfurt Book Fair 2010 ; eine internationale Ausstellung zum Ehrengast Argentinien der Frankfurter Buchmesse 2010 / Frankfurter Buchmesse 6.-10. Oktober 2010 ; comp. by: Michael Kegler; Simone B‚hler.Frankfurt, Main : Frankfurter Buchmesse, 2010 87 S. ; 21x14,8 cm ISBN 978-3-923352-77-7 58 ConclusiŠn: ‡Libros y tango hacen pareja! ˆ Fazit: B‰cher und Tango geh‚ren zusammen! Cumbre mundial del Tango, Sevilla 2005 59 Copyright der Illustrationen ˆ Copyright de las ilustraciones Umschlagfotos ƒ Fotos de la portada : Eckart Haerter S. 1: Eckart Haerter S. 3 : Privat Alberto Mario Perrone S. 5 - 6 : Eckart Haerter S. 13 : gemeinfrei (public domain) lt./seg‹n Wikipedia S. 18 : Eckart Haerter S. 22 : Eckart Haerter S. 25 : Eckart Haerter S. 35 : gemeinfrei (public domain) lt./seg‹n Wikipedia S. 37 : Eckart Haerter S. 48 : oben / arriba : mit freundlicher Genehmigung der argentinischen Nationalbibliothek / por gentileza de la Biblioteca Nacional unten /abajo : gemeinfrei (public domain) lt./seg‹n Wikipedia S. 50 : Alberto Mario Perrone S. 51 : mit freundlicher Genehmigung / con permiso amable de Hugo Oscar Maradei, presidente del Museo del dibujo y la ilustracion MuDI, Buenos Aires S. 52 : gemeinfrei (public domain) lt./seg‹n Wikipedia S. 59 : Tageszeitung / diario "Qu‡!", Sevilla 60 ISSN 1864-9653 Preis 7,00 ‘