Zeitliche und mechanistische Analyse der Dynamik
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Zeitliche und mechanistische Analyse der Dynamik
422_464_BIOsp_0407.qxd 12.06.2007 11:39 Uhr Seite 453 453 Edith Heard Jahrgang 1965. 1986–1990 Promotion am Imperial Cancer Research Center, London. 1990– 1993 Postdoc am Pasteur-Institut in Paris, seit 1993 CNRS Position, Pasteur-Institut Paris. 2000-2001 Sabbatical in Cold Spring Harbor, USA. Seit 2001 Gruppenleiter am Curie Institut in Paris und seit 2004 Director of Research des CNRS, seit 2005 EMBO-Mitglied. Report der Vorsitzenden der GfE, Prof. Dr. Renate Renkawitz-Pohl: ó Während der GfE-Tagung 2007 in Marburg wurde der hoch renommierte Otto-Mangold-Preis, der junge Wissenschaftler für hervorragende Arbeiten auf dem Gebiet der Wirbeltierentwicklung auszeichnet, verliehen. Der Preis wurde von Else Mangold, der Witwe des Zoologen und Entwicklungsbiologen Prof. Dr. Otto Mangold, gestiftet. Ein sechsköpfiges, internationales Auswahlkomitee wählte Dr. Edith Heard für ihre exzellenten Beiträge zur X-Inaktivierung in weiblichen Säugetier-Embryonen aus. In ihrem Vortrag mit dem Titel „Deciphering the developmental and epigenetic dynamics of X-chromosome inactivation in the mouse“ stellte sie die Thematik der X-Inaktivierung und ihre neuen mechanistischen Erkenntnisse zu diesem essenziellen Entwicklungsschritt vor. Weibliche Säugetiere besitzen zwei X-Chromosomen, männliche Säugetiere besitzen ein X-Chromosom. Diese unterschiedliche Dosis Otto-Mangold-Preis der GfE 2007 Zeitliche und mechanistische Analyse der Dynamik der X-Inaktivierung im weiblichen Maus-Embryo EDITH HEARD CURIE INSTITUT PARIS, FRANKREICH an X-Chromosomen wird während der frühen Embryonalentwicklung der weiblichen Säugetiere durch Inaktivierung eines der beiden X-Chromosomen ausgeglichen – ein epigenetischer Prozess, der als Dosiskompensation bezeichnet wird. Zytologisch ist das inaktive X-Chromosom als Barr-Körper während der Interphase sichtbar. Die zufällige Auswahl der X-Chromosomen in verschiedenen Zellen des Embryos wird dann klonal weitergegeben. Daher sind weibliche Säugertiere ein genetisches Mosaik, was dazu führt, dass rezessiv vorhandene Mutationen im Gesamtkörper nicht zum Ausdruck kommen[1, 2]. Frau Heard analysiert diesen Mechanismus, der in der gleichen Zelle ein einziges X-Chromosom als Ganzes inaktiviert. Ihre Arbeitgruppe befasst sich zudem mit der Frage, wie die X-Inaktivierung über die Zellteilungen hinweg aufrechterhalten wird, also ein zelluläres Gedächtnis eingeprägt wird. Die Arbeiten ihrer Gruppe zeigen, dass ab dem 4-Zellstadium das väterliche X zunächst in allen Zellen inaktiviert wird. Im Blastozytenstadium haben sich die Trophoblastzellen (bilden Teile der Plazenta) abgesondert, in diesen bleibt das väterliche X-Chromosom inaktiv. In der inneren Zellmasse der Blastozyste, den Zellen, die den eigentlichen Embryo bilden, wird die Inaktivierung des paternalen X-Chromosomes aufgehoben, und anschließend findet die zufällige Inaktivierung des mütterlichen oder väterlichen X in definierten Kernkompartimenten statt. Ihre Experimente weisen darauf hin, dass die beiden X-Chromosomen mit ihren X-inaktivierenden Zentren (Xic) interagieren und so den Gehalt an X-Chromosomen in der Zelle messen[3]. Es ist bereits länger bekannt, dass von Xic transkribierte, nicht kodierende RNAs für den Inaktivierungsmechanismus in cis durch Verteilung entlang des Chromosoms und Rekrutierung von inaktivierenden Proteinen entscheidend ist. Frau Heard gelang es, dem Xic-Lokus eine weitere entscheidende Funktion zuzuweisen: Xic ist entscheidend an der Ausbildung eines transkriptional inaktivierten Kernkompartiments beteiligt, welches sich zytologisch für das inaktive X im Barr-Körper manifestiert[4]. ó Literatur [1] Heard, E. (2005): Delving into the diversity of facultative heterochromatin: the epigenetics of the inactive X chromosome. Curr. Opin. Genet. Dev. 15 (5): 482–489. [2] Heard, E., Disteche, C. M. (2006): Dosage compensation in mammals: fine-tuning the expression of the X chromosome. Gen. Dev. 20: 1848–1867. [3] Bacher, C. P., Guggiari, M., Brors, B., Augui, S., Clerc , P., Avner, P., Eils, R., Heard, E. (2006): Transient colocalization of X-inactivation centres accompanies the initiation of X inactivation. Nat. Cell Biol. 8: 293–299. [4] Chaumeil, J., Le Baccon, P., Wutz, A., Heard, E. (2006): A novel role for Xist RNA in the formation of a repressive nuclear compartment into which genes are recruited when silenced. Gen. Dev. 20: 2223–2237. ˚ Abb.: X-Inaktivierung während der Embryonalentwicklung der Maus. BIOspektrum | 04.07 | 13. Jahrgang Korrespondenzadresse: Dr. Edith Heard CNRS UMR 218 Curie Institute Research Section Pavillon Pasteur 26, rue d’Ulm F-75231 Paris Cedex 05 Tel.: +33 (1) 43 34 66 91 Fax: +33 (1) 46 33 30 16 Edith.Heard@curie.fr www.curie.fr