Fegt Kehrmaschine saubere Straßen?
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Fegt Kehrmaschine saubere Straßen?
Allgemeine Zeitung - Druckansicht: Mainz: Fegt Kehrmaschine sauber... http://www.allgemeine-zeitung.de/region/mainz/meldungen/print_127... Mittwoch, 30. Januar 2013 13:25 Uhr URL: http://www.allgemeine-zeitung.de/region/mainz/meldungen/12788880.htm MAINZ Mainz: Fegt Kehrmaschine saubere Straßen? Lerchenberger fordert niedrigere Gebühren 30.01.2013 - MAINZ Von Michael Erfurth Robert Hüser ärgert sich mächtig: Darüber, dass die Straße vor seinem Haus wöchentlich vom Entsorgungsbetrieb gereinigt wird, obwohl sie meist sauber ist. Und darüber, dass der städtische Betrieb 9,84 Euro pro Meter an Straßenreinigungsgebühr berechnet und damit Mainz zu den teuersten Städten in Deutschland gehört. Stolze 341,15 Euro zahlte der Lerchenberger für sein Eckgrundstück am Tizianweg im vergangenen Jahr. Dabei profitiert er sogar noch von einem Rabatt für Eckgrundstücke. Was die Sache verschärft: Viele seiner Nachbarn müssen nichts zahlen. Die AZ-Recherche indes zeigt, dass die Regelungen zur Straßenreinigung kompliziert sind und die Stadt versucht, vor dem Hintergrund der Rechtsprechung unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden. Auf dem Lerchenberg gelingt das aber nicht. „Vierzehntägig reicht aus“ Es würde völlig ausreichen, wenn nur alle vierzehn Tage gereinigt wird, wie das in anderen Städten der Fall sei, sagt Hüser. Mit etwa 300 Fotos hat er dokumentiert, dass die Kehrfahrzeuge oft durch die kleinen Seitenstraßen auf dem Lerchenberg fahren, ohne dass dort irgendein Schmutz zu sehen ist. Kein Wunder, denn diese Seitenstraßen sind meist Sackgassen, die fast nur von den Anwohnern der Ein- oder Zweifamilienhäuser genutzt werden. Die Fotos legt er regelmäßig dem Leiter des Entsorgungsbetriebs Hermann Winkel und Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) vor. 150 Unterschriften hat Hüser bei Nachbarn gesammelt, um gegen die seiner Meinung nach zu hohe Reinigungsfrequenz und die Gebühren zu protestieren. Zudem hat der Lerchenberger im Internet die Straßenreinigungsgebühren in 25 deutschen Städten recherchiert und kommt dabei zum Ergebnis, dass Mainz mit 9,84 Euro einsam an der Spitze liegt, gefolgt von Düsseldorf (7,32 Euro) und Würzburg (6,95 Euro). Am Ende der Liste steht Worms mit 1,96 Euro. Und was den Ärger weiter befeuert: In Mainz müssen viele Grundstückseigentümer gar nichts zahlen, weil mehrere Stadtteile von der gebührenpflichtigen Reinigung ausgenommen sind (dort müssen die Anlieger selbst für saubere Straßen und Fußwege sorgen) oder weil sie, wie auf dem Lerchenberg, als „Hinterlieger“ nicht direkt an einer Straße, 1 von 4 Robert Hüser (links) und der ehemalige Ortsvorsteher Harry Zeuner zeigen auf einem Plan die Seitenstraßen auf dem Lerchenberg, die in der Regel sauber sind und dennoch vom Entsorgungsbetrieb gereinigt werden. Diese "überflüssigen Kehraktionen" sehen die beiden als einen Grund für die hohen Gebühren in Mainz. Foto: hbz/Jörg Henkel Stadtteil-Regelung Die Regelung, dass mancherorts die Anlieger selbst die Straße reinigen müssen, während in anderen Stadtteilen der Entsorgungsbetrieb dies übernimmt, ist in Mainz historisch gewachsen: - Bei den Eingemeindungen der Vororte Ebersheim, Laubenheim, Drais und Marienborn vor einigen Jahrzehnten ist mit den damaligen Gemeinden vertraglich festgelegt worden, dass hier die Anwohner weiter ihre Straßen kehren und somit keine Gebühren anfallen. - In den Vororten Hechtsheim, Gonsenheim, Bretzenheim, Finthen und Weisenau gilt dies 30.01.2013 13:36 Allgemeine Zeitung - Druckansicht: Mainz: Fegt Kehrmaschine sauber... http://www.allgemeine-zeitung.de/region/mainz/meldungen/print_127... sondern an einem Fußweg wohnen. Nachbarhäuser erhalten keine Rechnung Im Falle Hüsers bedeutet das, dass er für 52 Meter am Tizianweg zahlen muss, die Nachbarhäuser indes, die nicht direkt an der Straße liegen, sondern über Fußwege zu erreichen sind, keine Rechnung erhalten. Hüser wird in seiner Argumentation vom ehemaligen Ortsvorsteher Harry Zeuner (CDU) unterstützt. Dieser fordert, der Stadtrat soll die Straßenreinigungssatzung ändern und den „Wünschen der Bevölkerung anpassen“. Hüser mutmaßt, dass die Gebührenzahler auch für Kosten aufkommen müssen, die für das aufwendige Reinigen der Straßen in der City an Fastnacht oder an Johannisnacht entstehen. Zumindest das letzte Argument entkräftet die für den städtischen Entsorgungsbetrieb zuständige Dezernentin Eder: Die Kosten für die Straßenreinigung bei den Innenstadtfesten übernehmen die Veranstalter. Also: Bei der Fastnacht überweisen Mainzer Carneval-Verein und Stadt 75.000 Euro an den Entsorgungsbetrieb. Bei der Johannisnacht zahlt ebenfalls die Stadt, begleicht diese Kosten über die Einnahmen aus den Pachtzahlungen der Standbetreiber. Klage eines Hinterliegers war erfolgreich Verständnis zeigt die Grünen-Politikerin für die Verärgerung Hüsers in der Frage der Hinter- und Vorderlieger: „Auch ich empfinde die Regelung als ungerecht“, sagt Eder. Der Stadt seien allerdings die Hände gebunden, da dazu bereits zwei Gerichtsurteile vorliegen. Früher wurden alle Grundstückseigentümer auf dem Lerchenberg, also auch die Hinterlieger, zur Gebührenzahlung herangezogen, berichtet Winkel. Dabei wurde die Meter-Gebühr für die vorne liegende Straße durch die Zahl der Grundstücke geteilt, heraus kam ein für jeden Anlieger oft sehr geringer Betrag. Nachdem ein „Hinterlieger“ in Finthen gegen diese Praxis geklagt und vor dem Oberverwaltungsgericht Recht bekommen hatte, musste die Stadt diese Regelung ändern. meist für den alten Ortskern, Gewerbe- und Neubaugebiete stehen unter der Obhut des Entsorgungsbetriebs. - Die Innenstadt mit den Stadtteilen Altstadt, Neustadt, Oberstadt, HartenbergMünchfeld sowie Mombach und das in den 70er Jahren neu geschaffene Wohngebiet Lerchenberg werden komplett vom Entsorgungsbetrieb gereinigt. - Außerdem ist festgelegt, dass neue Wohngebiete in den Verantwortungsbereich des städtischen Eigenbetriebs fallen. Weitere Meldungen Neue Straßenreinigungsgebühren: Weisenauer Bürger gehen auf die Barrikaden 25.10.2012 Straßenreinigung in Mainz wird teurer: Höhere Kosten treiben Gebühren nach oben 18.02.2010 Der Forderung Hüsers nach einer nur vierzehntägigen Straßenreinigung entgegnet Eder, dass in mehreren Monaten im Jahr wegen des Laubfalls im Herbst und den Blüten im Frühjahr eine wöchentliche Reinigung nötig sei. Die Stadt habe aus gutem Grund den Wochenturnus per Satzung festgelegt, denn in vielen Straßen im Stadtgebiet sei die Verschmutzung hoch – dies gelte auch für Teile des Lerchenbergs. Einzelne Seitenstraßen für einige Monate aus dieser Regelung herauszunehmen sei organisatorisch schwierig. „Wenn dort ein Anwohner die per Satzung festgelegte wöchentliche Straßenreinigung einklagen würde, würde er Recht bekommen.“ Mainz gehört zu Deutschlands saubersten Städten Auch Eder weiß, dass die Gebühren in der Landeshauptstadt vergleichsweise hoch sind – „doch dafür haben wir sehr saubere Straßen“. Mainz gehöre mit seinem System zu den sauberen Städten in Deutschland. Dem pflichtet Winkel bei: „Wir erhalten sogar Karten von Touristen, die darauf hinweisen, wie sauber die 2 von 4 30.01.2013 13:36 Allgemeine Zeitung - Druckansicht: Mainz: Fegt Kehrmaschine sauber... http://www.allgemeine-zeitung.de/region/mainz/meldungen/print_127... Stadt ist.“ Um dies in der Innenstadt zu gewährleisten, wird in den Fußgängerzonen 13-mal pro Woche gereinigt. Für die Gebührenberechnung für die dortigen Grundstückseigentümer werden die 9,84 Euro daher mit der Zahl 13 multipliziert. Die Eigentümer müssen von diesem Betrag nur die Hälfte bezahlen, da die Fußgängerzonen Bereiche sind, die einer sehr starken Nutzung ausgesetzt sind. Die anderen 50 Prozent übernimmt die Stadt. Auch in anderen Vierteln werden starke frequentierte Straßen mehrfach wöchentlich vom Entsorgungsbetrieb gesäubert. Gebühren nicht direkt zu vergleichen Eine weitere Spezialität der Regeln bei der Straßenreinigung in Mainz ist, dass es Stadtteile gibt, in denen der Entsorgungsbetrieb reinigt, während in anderen Stadtteilen die Bürger zum Besen greifen müssen und daher keine Gebühren zahlen (siehe Infokasten). Was viele nicht wissen: Auch die Grundstückseigentümer in den Vierteln, die nicht in den Verantwortungsbereich des Entsorgungsbetriebs fallen, müssen laut Satzung eine wöchentliche Reinigung gewährleisten. „Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass immer weniger Anlieger diese Vorgabe einhalten“, so Winkel. Und: Sollte ein Grundstückseigentümer in diesen Stadtteilen nicht wöchentlich die Straße kehren (lassen) und ein Passant auf dem daher umherliegenden Laub ausrutschen und sich verletzen, müsste der Eigentümer haften. Man sieht, diese Satzung ist ein kompliziertes Regelwerk. Ähnliches gilt für andere Kommunen, daher sei die von Robert Hüser betriebene Internet-Recherche kaum aussagekräftig, weil die Gebühren oft nicht direkt zu vergleichen sind, sagt Winkel. Als Beispiel nennt er die Gebühr in Worms von 1,96 Euro. Diese gilt nämlich nicht wie in Mainz für den laufenden Meter entlang des Grundstücks, sondern für den Quadratmeter der Fläche vor dem Grundstück bis zur Straßenmitte. Winkel hat dies für das Grundstück des Lerchenbergers am Tizianweg durchrechnen lassen und kommt zum Ergebnis, dass er in Worms dafür eine Jahresgebühr von 331,84 Euro zahlen müsste – also nur zehn Euro weniger als in Mainz. In anderen Städten werde nur die Straße durch ein Kehrfahrzeug gesäubert und nicht der Bürgersteig gekehrt (den müssen dort die Anlieger kehren), wieder andere Kommunen hätten nur ein zweiwöchiges Reinigungsintervall, so Winkel. Bei einer 14-tägigen Reinigung seien die Straßen aber nicht so sauber wie in der Gutenbergstadt. Tariflöhne für Mitarbeiter In der Debatte werde ausgeblendet, dass Mainz zu den Kommunen mit den niedrigsten Gebühren für die Müllabfuhr zählt und diese seit 2001 stabil geblieben sind, ergänzt Katrin Eder. Sie betont zudem, dass der Entsorgungsbetrieb den Mitarbeitern Tariflöhne zahlt – „und dazu stehe ich. Wir werden keine Leiharbeiter beschäftigen.“ Winkel zufolge verdient ein Straßenreiniger brutto etwa 2000 Euro. Zudem beschäftige der Entsorgungsbetrieb viele Männer mit Behinderungen, die sonst 3 von 4 30.01.2013 13:36 Allgemeine Zeitung - Druckansicht: Mainz: Fegt Kehrmaschine sauber... http://www.allgemeine-zeitung.de/region/mainz/meldungen/print_127... kaum eine Chance auf einen Job hätten, „obwohl sie sehr engagiert arbeiten“. © Verlagsgruppe Rhein-Main 2013 Alle Rechte vorbehalten | Vervielfältigung nur mit Genehmigung der Verlagsgruppe Rhein-Main 4 von 4 30.01.2013 13:36