Die Odyssee nach Homer in der Regie von Simon Solberg
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Die Odyssee nach Homer in der Regie von Simon Solberg
Die Odyssee – Materialien zur Inszenierung Die Odyssee nach Homer in der Regie von Simon Solberg # I. zum Autor der Odyssee II. zur Handlung und zur Gestalt des Epos III. zur Inszenierung im Volkstheater IV. Anregungen für die Auseinandersetzung mit der Inszenierung und der Aufführung im Volkstheater V. Literaturhinweise und Internetlinks Die Odyssee eignet sich zur Thematisierung in den Fächern Deutsch (z.B. zur Beschäftigung mit zeitgenössischem Theater und Theaterformen (Erzähltheater); zur Aufführungs- und Inszenierungsanalyse; zur Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Dramatisierung von Erzähltexten; zum Vergleich verschiedener Inszenierungen eines Regisseurs (z.B. mit Moses und Einer flog über das Kuckucksnest am Münchner Volkstheater); zur Auseinandersetzung mit der literarischen Figur des Helden und dem Motiv der Schuld; zur Aktualität tradierter literarischer Stoffe), Psychologie / Ethik / Religion (z.B. zur Auseinandersetzung mit der Frage, was Schuld ist und umfasst und welche gesellschaftlichen, sozialen, individuellen Folgen sie hat), Griechisch / Latein (z.B. zur Auseinandersetzung mit der Literatur der klassischen Antike; zur Auseinandersetzung mit antiken Heldenmythen), Kunst / Musik (z.B. zur Auseinandersetzung mit Bühnenbild und Bühnenraum, Requisite, Kostüm, Licht, Musik und Medien in der Inszenierung am Volkstheater) und Dramatisches Gestalten / Theater (z.B. zu Fragen der Regie und Dramaturgie in der Inszenierung; zur Auseinandersetzung mit Spielweisen und Erzählmöglichkeiten des Theaters; zur Auseinandersetzung mit multimedialen Aspekten einer Theaterinszenierung; zu Fragen der Rezeption im Theater) ab der 9. Jahrgangsstufe. Aufführungsdauer: ca. 90 Minuten – Anne Steiner: Materialien zur Inszenierung am Münchner Volkstheater – Die Odyssee – Materialien zur Inszenierung Die Odyssee – zu ihrem Autor1 Über Homer ist wenig bekannt, man weiß weder genau, wo und wann er geboren wurde noch wann er starb. Der griechischen Antike galt er als einer der bedeutendsten Dichter der Frühzeit, der zwischen 750 und 700 v. Chr. unter anderem die Ilias und die Odyssee verfasst haben soll, aber Lebenszeit und Lebensraum des Dichters waren schon im 5. Jahrhundert v. Chr. nicht mehr bekannt. Da sich in der Odyssee und der Ilias Ionischer Dialekt findet, wurde angenommen, dass Homer aus den griechischen Kolonien Kleinasiens stammte. Mehrere Städte versuchten, seinen Ruhm für sich zu nutzen und ihn zu vereinnahmen, indem sie behaupteten, Geburtsort und Wirkstätte des Dichters gewesen zu sein, ohne dass dies jedoch für eine von ihnen belegt werden konnte. Das, was wir heute über Homer zu wissen meinen, basiert auf Legenden, die lange nach seiner angenommenen Lebenszeit schriftlich fixiert wurden. Homer wird in diesen als blinder fahrender Sänger beschrieben, der unter Fischern und Bauern verkehrte, aber auch seine Dichtung in Adelshäusern vortrug. Da die Odyssee und die Ilias so detailliert über die Welt der Aristokratie berichten, muss der Verfasser dieser Epen dem Adel zumindest nahegestanden haben. Büsten aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. zeigen Homer daher auch als vornehmen, weisen und Autorität ausstrahlenden Mann. Die Odyssee zählt zu den zu den ältesten und einflussreichsten Werken der griechischen und abendländischen Literatur. Sie erzählt von Ereignissen, die zum Zeitpunkt der schriftlichen Fixierung schon weit zurück lagen, war der Krieg um Troja doch im 8. Jahrhundert v. Chr. bereits mythische Vergangenheit, und markiert den Beginn der Schriftlichkeit in der griechischen Kultur. Wie die Ilias stellt die Odyssee eine Schrift dar, in der sich die Identität des antiken Griechenland gründete und über den es sich als Staatswesen definierte. Das Epos basiert auf mündlich tradierten Versdichtungen, die bereits seit 1200 v. Chr. vorgetragen und überliefert wurden. Da die Odyssee wie die Ilias so kunstvoll und komplex komponiert sind und eine hohe sprachliche Qualität aufweisen, wird angenommen, dass sie von nur einem Erzähler stammen, der sich der alten mündlichen Überlieferungen bediente und diese in einer poetischen Dichtersprache zu einem kunstvollen schriftlichen Epos verarbeitete – und das könnte durchaus ein Homer gewesen sein. Die Frage nach dem Verfasser der Odyssee wird wohl nie endgültig geklärt werden. Unbestritten ist jedoch, dass das Epos von einer bis dahin unbekannten erzählerischen und literarischen Qualität zeugt, die dazu führt, dass es bis heute rezipiert wird. 1 Ausführliche Informationen finden sich z.B. in Seeck (2004): Homer und Hose (1999): Kleine griechische Literaturgeschichte. Die Odyssee – Materialien zur Inszenierung Die Odyssee - zur Handlung und zur Gestalt des Epos Das Epos Homers erzählt in 24 Teilen (sog. „Gesängen“) eine Seefahrer- und Heimkehrgeschichte in der Rückschau, es lässt am Schicksal eines Mannes teilhaben, der einen gefahrenreichen Weg zu gehen und zuhause Probleme zu lösen hat, die durch seine Abwesenheit entstanden sind. Odysseus, König von Ithaka, nimmt am Trojanischen Krieg teil, den die Griechen dank seiner List mit dem hölzernen Pferd nach zehn Jahren gewinnen. Odysseus und seine Gefährten machen sich mit reicher Beute auf die Rückfahrt. Widrige Umstände – immer wieder geraten sie in heftige Stürme, die sie weit vom Kurs abbringen und in lebensgefährliche Situationen versetzen – verhindern eine rasche Rückkehr. Die Heimfahrt wird zu einer mehrjährigen Irrfahrt, auf der Odysseus gegen furchteinflößende Riesen und andere Ungeheuer kämpfen muss. Mit Klugheit und göttlicher Hilfe meistert er die Abenteuer, verliert aber sämtliche Gefährten. Penelope, die Gattin von Odysseus, wartet im Palast in Ithaka auf ihn, mit jedem weiteren Jahr des Wartens aber schwindet ihre Hoffnung auf seine Rückkehr. Der zahlreichen Freier, die Odysseus‘ Abwesenheit ausnutzen und Penelope bedrängen, um sein Erbe anzutreten und den Thron zu besteigen, kann sie sich zunehmend schwerer erwehren. Nach zehn Jahren gelingt Odysseus die Rückkehr dann doch, er landet unerkannt auf Ithaka, trifft dort auf seinen Sohn Telemachos, der ihn gesucht hat, und offenbart sich ihm. Er erreicht schließlich seinen Palast, tötet die vielen Freier und kehrt auf seinen Thron zurück. Erst allmählich jedoch kann er Penelope, die ihren Gatten tot wähnt und Odysseus für einen weiteren Freier hält, von seiner Identität überzeugen und ihr Vertrauen zurückgewinnen. Die Odyssee gliedert sich in zwei Teile. Während die Gesänge 1 bis 12 die Zeit der Irrfahrten umfassen, spielen sich die Gesänge 13-24 nach der Rückkehr von Odysseus ab. In beiden Teilen werden Handlungsstränge miteinander verwoben, beide Teile widmen sich sowohl Odysseus‘ Abenteuern als auch Penelopes Warten und Telemachos‘ Suche nach seinem Vater. Odysseus‘ Abenteuer werden oft in der Rückschau und manchmal auch aus zweiter Hand erzählt. So erzählt Odysseus beispielsweise denjenigen, denen er auf seiner Irrfahrt begegnet, von seinen Abenteuern, so erfährt Telemachos auf seiner Suche aber von anderen davon. Im 23. Gesang schließlich halten sowohl Odysseus als auch Penelope Rückschau und berichten sich nach der ersten gemeinsamen Nacht, was ihnen jeweils widerfahren ist und womit und wogegen sie zu kämpfen hatten. Die Odyssee – Materialien zur Inszenierung Die Odyssee – eine Zusammenfassung RASKOLNIKOW ehemaliger Student PAUL BEHREN XXIII. GESANG Penelopeia […] geht mißtrauisch in den Saal. Odysseus […] rechtfertigt sich der Gemahlin durch ein Geheimnis. Die Neuverbundenen erzählen vor dem Schlafe sich ihre Leiden. […] […] 300 Jene, nachdem sie die Fülle der seligen Liebe gekostet, Wachten noch lang, ihr Herz mit vielen Gesprächen erfreuend. Erst erzählte das göttliche Weib, wie viel sie im Hause Von dem verwüstenden Schwarme der bösen Freier erduldet, Wie sie um ihretwillen die fetten Rinder und Schafe 305 Scharenweise geschlachtet, und frech im Weine geschwelget. Dann erzählte der Held, wie vielen Jammer er andern Menschen gebracht, und wie viel er selber vom Schicksal erduldet. Und die Königin horchte mit inniger Wonne; kein Schlummer Sank auf die Augenlider, bevor er alles erzählet. 310 Und er begann, wie er erst die Kikonen bezwungen, und hierauf An der fruchtbaren Küste der Lotophagen gelandet. Was der Kyklope getan, und wie er der edlen Gefährten Tod bestraft, die er fraß, der unbarmherzige Wütrich. Und wie Aiolos ihn nach milder Bewirtung zur Heimfahrt 315 Ausgerüstet; allein die Stunde der fröhlichen Heimkehr War noch nicht; denn er trieb, von dem wilden Orkane geschleudert, Lautwehklagend zurück ins fischdurchwimmelte Weltmeer. Wie er Telepylos dann und die Laistrygonen gesehen, Wo er die rüstigen Schiffe und schön geharnischten Freunde 320 Alle verlor; nur er selber entrann mit dem schwärzlichen Schiffe. Auch von Kirkes Betrug und Zauberkünsten erzählt' er; Und wie er hingefahren in Aides‘ dumpfe Behausung, Die Odyssee – Materialien zur Inszenierung Um des thebaiischen Greises Teiresias Seele zu fragen, Im vielrudrigen Schiff, und alle Freunde gesehen, 325 Auch die Mutter, die ihn gebar und als Knaben ernährte. Wie er dann den Gesang der holden Sirenen gehöret, Dann die irrenden Klippen gesehn, und die wilde Charybdis Und die Skylla, die keiner noch unbeschädigt vorbeifuhr. Dann, wie seine Gefährten die Sonnenrinder geschlachtet; 330 Und wie sein rüstiges Schiff der Gott hochrollender Donner, Zeus, mit dem Blitze zerschmettert; es sanken die tapfern Genossen Allzumal, nur er selber entfloh dem Schreckenverhängnis. Wie er drauf gen Ogygia kam, zur Nymphe Kalypso, Die ihn so lang aufhielt in ihrer gewölbeten Grotte, 335 Und zum Gemahl ihn begehrte: sie reicht' ihm Nahrung und sagte Ihm Unsterblichkeit zu und nimmerverblühende Jugend; Dennoch vermochte sie nicht sein standhaftes Herz zu bewegen. Wie er endlich, nach großer Gefahr, die Phaiaken erreichet, Welche von Herzen ihn hoch wie einen Unsterblichen ehrten, 340 Und ihn sandten im Schiffe zur lieben heimischen Insel, Reichlich mit Erz und Golde beschenkt und prächtigen Kleidern. Und kaum hatt er das Letzte gesagt, da beschlich ihn der süße Sanftauflösende Schlummer, den Gram der Seele vertilgend. (Homer: Odyssee. In der Übertragung von Johann Heinrich Voß. Hamburg. 1781. XXIII. Gesang, Vers 300-343) Die Odyssee – Materialien zur Inszenierung die Figuren in der Inszenierung Odysseus führt zehn Jahre fern der Heimat Krieg, irrt nach dem Sieg über Troja zehn Jahre übers Meer und durch die Welt und gerät auf seiner Irrfahrt immer wieder in lebensbedrohliche Situationen, die seine Gefährten das Leben kostet. Er schafft es schließlich zurück in die Heimat, sieht sich dort aber mit neuen Problemen konfrontiert. Misenos, Eurylochos, Elpenor, Polites sind nur gelegentlich in ihrer spezifischen Individualität erkennbare Gefährten von Odysseus. Sie folgen ihrem Anführer in den Krieg, kämpfen an seiner Seite, wollen dann mit ihm zurückkehren, kommen aber alle auf der Heimreise auf grausame und brutale Weise ums Leben. Ein Kikone Angehöriger eines persischen Volkes, das sich nicht von Odysseus unterwerfen lässt. Als dieser deshalb die Stadt der Kikonen niederbrennen, die meisten der männlichen Einwohner ermorden und die weiblichen als Kriegsbeute rauben lässt, sammeln sich die entkommenen Kikonen, holen zum blutigen Gegenschlag aus und treiben die Ithaker in die Flucht und wieder aufs Meer hinaus. Zyklop Ein einäugiger Riese, der nicht teilen will, die Regeln der Gastfreundschaft nicht anerkennt und Odysseus und seine Gefährten in seiner Höhle gefangen nimmt. Den Ithakern gelingt die Flucht, indem sie ihm ein Auge ausstechen und so weitgehend außer Gefecht setzen, doch nur mit sehr viel Glück entkommen sie seiner Wut und Rache. Sisyphos, Achilleus Ehemalige unerschrockene und kampferprobte Helden, denen Odysseus im Hades, dem Totenreich in der Unterwelt, begegnet. Sie berichten von der Sinnlosigkeit ihres Tuns und ihrem dauerhaften Leiden an den Folgen, die ihre vermeintlich heldenhaften Taten anderen angetan haben. Akinoos Einer der Freier, denen Odysseus nach seiner Rückkehr im eigenen Haus begegnet. Er macht Odysseus schwere Vorwürfe und lässt ihn sich als Flüchtling im eigenen Land fühlen, woraufhin Odysseus ihn und die anderen Freier ermordet, um Rache zu üben. Kirke Die zauberkundige und unsterbliche Tochter des Sonnengottes Helios, die Odysseus in ihren Bann zieht und für ein Jahr auf ihrer Insel hält. Penelope Die Gattin von Odysseus, die zwanzig Jahre auf seine Rückkehr wartet und während seiner Abwesenheit von Freiern bedrängt wird, die ihr das Leben zur Hölle machen. Sie ist bei Odysseus‘ Rückkehr äußerst skeptisch, ob es eine gemeinsame Zukunft geben kann. Die Odyssee – Materialien zur Inszenierung Die Stationen der Odyssee in der Inszenierung Der Ablauf der Heimkehr wird in der Rückschau als Episodendrama und dabei als äußerst beschwerliche, gefährliche, traumatisierende, aber auch verführerische Irrfahrt erzählt, auf der Odysseus und seine Gefährten von Stürmen übers Meer getrieben werden, dabei immer wieder vom Kurs abkommen und an verschiedenen Orten stranden, an denen sie sich unterschiedlichsten Gefahren ausgesetzt sehen: Bei den Kikonen erheben Odysseus und sein Gefolge Anspruch auf das Land und auf die Herrschaft über dieses persische Volk, das sich jedoch nicht unterwirft, sondern einen Vertrag zur friedlichen Koexistenz schließen will. Die Ithaker rauben, morden und plündern, werden in einem blutigen Kampf aber wieder vertrieben. Auf den Lotophagen werden die Ithaker freundlich aufgenommen, lernen die berauschende Wirkung des Lotus kennen und geben sich einem alternativen Leben hin. Odysseus ist dies auf Dauer jedoch zu beschaulich und friedlich, er zwingt die Gefährten zur Weiterfahrt. In der Höhle des Zyklopen gelten die Regeln der Gastfreundschaft nicht. Der einäugige Riese nimmt die Ithaker bei dem Versuch, einige seiner Schafe zu stehlen und sich an seinen Lebensmittelvorräten zu bedienen, gefangen und sperrt sie in seiner Höhle ein. Odysseus‘ Plan, dem Riesen das Auge auszustechen, gelingt – die Ithaker können fliehen. Die wütende Rache des Zyklopen verfolgt sie jedoch. Auf der Flucht entkommen sie mit ihrem Schiff nur unter größter Anstrengung und äußerst knapp den Felsbrocken, die der Zyklop ihnen in seiner Wut hinterherschleudert. In den Fängen von Kirke genießt Odyssee die Freuden des Lebens. Die Tochter des Sonnengottes Helios bezirzt und verzaubert ihn und seine Gefährten. Ein Jahr lang erliegt Odysseus ihrer Verführung, dann übermannt ihn das Heimweh und Kirke lässt ihn ziehen. Die Odyssee – Materialien zur Inszenierung Die Begegnung mit den Sirenen findet auf See statt. Da ihr sagenhaft wunderschöner Gesang verführen und jeden, der ihn hört, in die Tiefen des Meeres ziehen und so töten soll, befiehlt Odysseus seinen Gefährten, sich die Ohren mit Wachs zu verschließen. Er jedoch will die Sirenen hören und lässt sich an den Mast binden in der Überzeugung, so nicht in die Tiefe gezogen werden zu können. Sein Plan gelingt tatsächlich, jedoch nicht mit der erhofften Wirkung. Der sagenhafte Gesang der Sirenen berichtet Odysseus von seiner Frau Penelope und deren schrecklichem Schicksal. Die Begegnung mit Skylla und Charibdis lässt Odysseus einsam und allein zurück. Im Kampf töten die Meeresungeheuer alle Gefährten. In größter Verzweiflung und nahe der Resignation segelt Odysseus in die Unterwelt. Im Hades begegnet er Sisyphos und Achilleus, die die grausamen Folgen ihres Heldentums beklagen, er trifft auf seine Mutter, die die traurigen Konsequenzen seines jahrelangen Fernbleibens für seine Familie aufdeckt, und auf die zahllosen Opfer seiner Kriegszüge, die ihm sein Handeln und Tun und damit sein Leben als völlig sinnlos erscheinen lassen. Als Flüchtling im eigenen Land fühlt sich Odysseus, als er Ithaka endlich doch noch erreicht. Er findet dort eine Welt vor, die anders ist als diejenige, die er vor zwanzig Jahren verlassen hat, und trifft auf Menschen, die nicht seine Heldentaten bejubeln, sondern seine Abwesenheit kritisieren. Voller Wut stürzt sich Odysseus auf die Freier, die seine Frau bedrängen, und bringt jeden einzelnen um. Das Wiedersehen mit Penelope stellt schließlich eine weitere Verunsicherung dar. Penelope ist zwar erleichtert, dass Odysseus zurückgekehrt ist und ihr die penetranten Freier vom Hals geschafft hat, aber sie ist dennoch skeptisch, ob sie und er nach all dem, was in Ithaka und fern der Heimat geschehen ist, eine Zukunft haben. Die Odyssee – Materialien zur Inszenierung Ansichten und Einsichten – Zitate aus der Inszenierung Wir verdanken also die Niederlage nicht unserem Unvermögen, sondern dem widrigen Ausgang eines äußeren Geschicks. Drum sollten unsere Fehler uns allein zur Belehrung dienen. Wir werden den nächsten Angriff besser vorbereiten und keinem einen Grund liefern, sich zu drücken, Elpenor. Zuversichtlich soll also jeder, er sei Ruderer oder Steuermann, seine Pflicht tun und den angewiesenen Platz nicht verlassen. Dem Tüchtigen lohnt Ehre mit den Preisen, die der Tapferkeit gebühren. (ODYSSEUS nach dem verlorenen Kampf gegen die Kikonen) --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------POLITES Was willst du hören, Odysseus? Es sind Zeiten, in denen es einfache Antworten nicht gibt. Zeiten, in denen gewohnte Erklärungen für Schuld und Verantwortung ins Wanken geraten. Die Konflikte sind zu komplex für schwarz und weiß, gut und böse. ODYSSEUS Und doch sind sie real! Und auch die Gefahren, die daraus erwachsen. Und deswegen müssen wir uns fragen, was wir zu jenem Kreislauf beigetragen haben. Es mag sein, dass die Antworten, die wir darauf bekommen, schwierig werden, viele sie nicht hören wollen, weil sie bedeuten, dass wir viel von dem ändern müssen, wie wir bis jetzt gelebt haben. (ODYSSEUS und POLITES über Mitschuld und Verantwortung) --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Ich wünscht ich könnte wiederzerren aus der Unterwelt einen jeden der Getöteten zurück ins Tageslicht des Lebens. Odysseus, welche Kühnheit, herab in die Tiefe zu steigen, wo Tote nichtig und sinnlos wohnen, die Schatten gestorbener Menschen! Preise nicht tröstend den Tod. Lieber möcht' ich als unbegüterter Bauer, der nur kümmerlich lebt, das Feld bestellen, als die ganze Schar vermoderter Toten beherrschen. (ACHILLEUS im Hades) --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ODYSSEUS Wisst ihr nicht mehr, wie einst Ihr flehend hierher kamt, vom Volke geschreckt? Es war heftig erbittert, weil Ihr Räuberschiffe begleitet, und die Genossen unseres Bundes habt beraubt. Töten wollten sie Euch, eure Herzen euch aus dem Busen entreißen, und plündern eure Güter; aber ich hielt sie zurück, stillte den Aufruhr und gewährte euch Schutz in meinem Haus. Und nun entehrt ihr eben dies Haus, werbt um die Gattin und droht den Fremden mit Gewalt? AKINOOS Willst du vergleichen, deines Unglücks Lauf mit unserem Schicksal, Odysseus?! Du, der uns benutzt, belogen und verraten hast?! Der sich von uns abgewandt und unsrem Schicksal überlassen hat?! Der zuließ, dass all seine Gefährten starben, weil er nur seinem eignen Weg gefolgt?! Wir litten, wir hatten Hunger und Durst und da du nicht bereit warst für uns zu sorgen - mussten wir es selbst tun und uns nehmen, was wir zum Leben brauchen. Drum tadle du uns nicht, an dessen Händen so viel Blut der Feind und Freunde klebt und der tagaus tagein nicht anders handelte. (Odysseus und die Freier, die um Penelope buhlen) --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Wir haben Troja nie besiegt, sondern Troja uns. Wir bekämpften Trojas Schrecken und waren selber doch der Ursprung vieler neuer. Wir sind zudem geworden, was wir einst bekämpft. Wir mordeten, wüteten, unterjochten die Fremden und nährten einen Kreislauf so, der nie zum Stehen kommen wird. Unsre Gewalt wurde zum Schoße, der ein Meer von Hass und Gewalt gebar. Wie lange sollen wir Schiffbrüchige auf einem Wrack in unlöschbarem Durst einander das Blut aus den Adern saugen? Wozu sollen wir Menschen miteinander kämpfen? Wir sollten uns nebeneinander setzen und Ruhe haben. (Odysseus über den Krieg und seine Folgen) Die Odyssee – Materialien zur Inszenierung Vorschläge für die Auseinandersetzung mit der Inszenierung und der Aufführung 1. Wer ist Odysseus? Und wer sind die anderen? - Auseinandersetzung mit der Frage, was ein Held ist und was einen Helden ausmacht: Sammeln von heutigen Heldenbildern (Internet, Zeitschriften, TV, …) - Sammeln individueller Vorstellungen, die mit Odysseus verbunden werden, und deren Herkunft (antike Sage, Zeichentrickfilm, Spielfilm, Kinderbuch, …) - Austausch über das Plakat zur Inszenierung (zu finden auf der Website des Münchner Volkstheaters), das einen Soldaten in Uniform (vermutlich aus den USA) beim Essen (vermutlich dem Frühstück) im Feldlager zeigt, der skeptisch (?) in die Kamera blickt. Vergleich der Assoziationen und Vorstellungen, die es hervorruft, und des Bildes von Odysseus, das dadurch entsteht - Diskussion über das „Prototypische“ einer Biografie, z.B. Ausbruch aus der Enge der Heimat und der Familie in der späten Pubertät – Abenteuersuche als junger Erwachsener – Bewährungsproben in der Erwachsenenzeit, d.h. der Zeit der Berufstätigkeit – Familiengründung – Zeit des Bilanzziehens am Lebensende und des Nachdenkens über die Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens; Diskussion der Frage, ob bzw. inwiefern die Biografie von Odysseus eine „Normalbiografie“ darstellt und als typisch auch für heutige Biografien angesehen werden könnte - Rezeption der Informationen zu den Figuren in der Inszenierung und der Zitate aus der Inszenierung: Welche Handlungsmotive zeigt Odysseus? Wie entwickelt er sich? Welche Fragen stellt er sich? Welcher Odysseus wird in der Inszenierung erwartet (Ein traumatisierter Kriegsheld? Ein verzweifelter Flüchtling, der ums Überleben kämpft? Ein Actionheld? Ein Zerstörer? …) - Auseinandersetzung mit der Frage, welche Rolle die anderen Figuren für Odysseus spielen und wofür sie stehen können – z.B. die Sirenen: Warum ist ihr Gesang lebensgefährlich? Einfach, weil er so schön ist, dass er Zuhörer/innen in Verzückung und Ekstase versetzt und dadurch handlungsunfähig macht? Weil er tiefe Wahrheiten verkündet, die nicht auszuhalten sind? - Vergleich der Figuren in der Inszenierung und bei Homer und Austausch über Vermutungen zur Konzentration auf wenige Figuren und zur Figurenauswahl in der Inszenierung Die Odyssee – Materialien zur Inszenierung 2. Was passiert und was wird darüber erzählt? - Austausch von Erwartungen an eine Inszenierung, die nicht Die Odyssee von Homer, sondern Die Odyssee nach Homer zeigt - Diskussion der Notwendigkeit und Austausch über die Möglichkeiten einer Aktualisierung des Epos (z.B. über Handlung, Kostüm, Bühnenbild oder Figurenzeichnung) - Austausch über Erwartungen an Handlung und Figurenzeichnung und an die Gestaltung von Bühnenraum und Kostümen in der Inszenierung nach Rezeption der Informationen zur Handlung, zu den Figuren und zur Inszenierung - Erstellen einer eigenen Bühnenfassung und Diskussion der dabei getroffenen dramaturgischen Entscheidungen auf Basis der Informationen zur Handlung, zur Gestalt des Epos und zu den Figuren: - Welche Abenteuer und Figuren werden ausgewählt? - Welche Abenteuer und Figuren werden zusammengefasst? - Welcher „rote Faden“ soll erkennbar werden: Dramaturgie entlang der Lebensstationen? Entlang der Kriege? Entlang der Gefährlichkeit der Abenteuer? … - Erzählen zweier paralleler Handlungen (Penelope in Ithaka – Odysseus auf der Irrfahrt)? - Chronologisches Erzählen oder Erzählung im Rückblick? - Auf welche Figuren wird verzichtet? - Rezeption der Informationen zur Handlung in der Inszenierung und Vergleich mit den eigenen Vorschlägen; Formulierung der daraus resultierenden Erwartungen an die Inszenierung - Rezeption des 23. Gesangs aus der Odyssee und Skizzieren von Vorschlägen für die Umsetzung des Erinnerns mit theatralen Mitteln: Wie ließe sich über die Nutzung verschiedener Bühnenebenen und über das Licht zeigen, dass sich Odysseus erinnert? Wie könnte über Film und Musik das Erinnern angedeutet werden? Wie über die Spiel- und Sprechweise der Figuren bzw. der Schauspieler? Die Odyssee – Materialien zur Inszenierung 3. Wie wird in der Inszenierung erzählt? Mit welchen Erzähltheaterelementen arbeitet die Inszenierung? - Entwicklung von Ideen zur Abstraktion und Theatralisierung des Motivs der Odyssee: Wie könnte über Bühnenbild, Musik und Licht die (innere) Auseinandersetzung mit der eigenen Suche und des Erkennens der eigenen Schuld und Verstrickung gestaltet werden? Wie könnte hierfür das Zusammenspiel von Bühne und Zuschauerraum gestaltet werden? - Vergleich der Szenen, in denen in der Inszenierung Handlung gezeigt wurde und stattfand, und der Szenen, in denen Handlung erzählt wurde - Erstellen einer Übersicht über die unterschiedlichen Arten des Erzählens in der Inszenierung und deren Wirkung (z.B. Erzählerfiguren, die sich ans Publikum wenden; Botenberichte, die sich an die anderen Figuren wenden; technische Mittel oder Requisiten, die von anderen Zeiten erzählen oder von den Figuren für das Erzählen eingesetzt werden; Erzählungen, die über die Spielweise erzählt werden; Erzählungen, die von der Musik ausgehen; …) - Sammeln von theatralen Mitteln, die in der Inszenierung zur Verfremdung oder Brechung eingesetzt wurden (z.B. Mikrofon, Kamera, Plakatwände, Kostüm, Musik, Stangen …) und Auseinandersetzung mit der Frage, auf welcher Ebene die Verfremdung jeweils stattfand (z.B. Darstellen der verschiedenen Zustände des Schiffes durch die Stangen; Unterbrechen der Bühnenhandlung; Einzug einer dokumentarischen Ebene in das Spiel und die Spielhandlung; Abstraktion/Schaffung eines symbolischen Raumes über das Bühnenbild; Brechung der Illusion des Publikums; Verfremdung durch Figurenwechsel der Schauspieler/innen; …) - Austausch individueller Eindrücke: Waren in der Inszenierung Individuen zu sehen oder Typen? Welche theatralen Mittel führten zu welchem Eindruck? Die Odyssee – Materialien zur Inszenierung 4. Welche Wirkung und Reaktionen rief die Aufführung bzw. die Inszenierung hervor? - Austausch von Erinnerungen an Momente der Aufführung, in denen das Publikum eine deutliche Reaktion zeigte - Nachstellen von Szenen mit besonderen Publikumsreaktionen durch Bauen von Standbildern, die sowohl die Situation auf der Bühne als auch die Reaktion des Publikums zeigen - Beschreibung der Aufführung und Austausch von Erinnerungen an besondere visuelle und akustische Details (z.B. an die Farben und Färbung des Lichts, an die Spielebenen des Bühnenraums und die Wege der verschiedenen Figuren, an den Einsatz von Videoprojektionen, an die Musikauswahl in verschiedenen Szenen; an auffällige und unerwartete Elemente der Kostüme) - Rezeption von Theaterkritiken und Formulieren von Leserbriefen darauf, in denen die eigene Zustimmung oder Ablehnung formuliert und begründet wird - Sammeln von Ideen für ein Programmheft: Auswahl der Szenen, die mit einem Szenenfoto im Heft erscheinen sollten, Sammeln von möglichen Zusatztexten (aller Art) und Verfassen von eigenen Texten zu den Figuren und zur Handlung - Formulierung des entstandenen Odysseus-Bildes, z.B. durch Vervollständigen der folgenden Sätze: Odysseus geriet in Situationen, in denen … Odysseus ist ein Mensch, der … Penelope ist für Odysseus … Odysseus braucht seine Gefährten für … Was ich Odysseus sagen will, ist … Die Odyssee – Materialien zur Inszenierung Literaturhinweise und Internet-Links Textausgaben Homer (2009): Odyssee. In Prosa übertragen von Karl Ferdinand Lempp. Herausgegeben von Michael Schroeder. Berlin: Insel Verlag Homer (2012): Ilias und Odyssee. In der Übertragung von Johann Heinrich Voß. Mit einem Nachwort von Ute-Schmidt-Berger und Jochen Schmidt. Mannheim: Artemis & Winkler Weiterführendes Arnold, Heinz Ludwig (Hrsg.) (2010): Homer und die deutsche Literatur. München: edition text + kritik (Sonderband edition text + kritik) literaturwissenschaftliche Beiträge zur Bedeutung Homers und seiner Epen für die deutschsprachige Literatur, der einleitende Beitrag von Ulf Christoph stellt zudem die Frage, was an Homer ‚europäisch‘ sei (S. 5-20); bietet mit dem Beitrag von Hans-Joachim Jakob eine umfassende Bibliografie der deutschen Homer-Übersetzungen seit der frühen Neuzeit (S. 290-298) Hose, Martin (1999): Kleine griechische Literaturgeschichte. Von Homer bis zum Ende der Antike. München: Beck erläutert u.a. die historischen Hintergründe des frühgriechischen Epos und gibt Einblick in die literarische und literaturgeschichtliche Bedeutung der Ilias und der Odyssee Martens, Gitta (2013): Erzählformen im Theater heute. In: Jahrbuch Kulturpädagogik der Akademie Remscheid (als pdf-Dokument unter: http://akademieremscheid.de/fa/user/Fachbereiche/Theater/Publikationen/Martens__2013__Erzaehlfor men_im_Theater_heute.pdf gibt einen guten Überblick über zeitgenössische Erzähltheaterformen Paulsen, Thomas (2004): Geschichte der griechischen Literatur, Stuttgart: Reclam 2004 umfassende Darstellung der Gattungen und der historischen Entwicklung der antiken griechischen Literatur Seeck, Gustav Adolf (2004): Homer. Eine Einführung. Stuttgart: Reclam informative Einführung in das Werk des Erzählers Homer und das Homerische Erzählen, umfassende Auseinandersetzung mit Inhalt, Struktur, Form und literarischen Motiven der Ilias und der Odyssee Internet http://viamus.uni-goettingen.de/fr/e/schule/g/a_01/05 kurze Informationen zum Leben Homers und zu antiken Abbildungen des Dichters auf der Website von „Viamus“, dem virtuellen Antikenmuseum des Archäologischen Instituts der Universität Göttingen http://www.planet-wissen.de/geschichte/archaeologie/troja/pwiedastrojahomers100.html geschichtlicher Hintergrund zu Homer und Troja (verfasst von Gregor Delvaux de Fenffe) auf der Website von „Planet Wissen“, einem Angebot des WDR / der ARD https://www.muenchner-volkstheater.de/spielplan/trailer?page=4 Trailer zur Inszenierung auf der Website des Münchner Volkstheaters https://www.muenchner-volkstheater.de/ensemble/regisseure/simon-solberg Kurzbiographie des Regisseurs Simon Solberg auf der Website des Münchner Volkstheaters