Peter Ebenhoch: Juristische Logik als Mapping

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Peter Ebenhoch: Juristische Logik als Mapping
Peter Ebenhoch
ebenhoch@yahoo.com
23.09.2008
Juristische Logik als Mapping
1
Mapping als Abbildung
„Mapping“ kann als Abbildung einer Menge von Ausgangszeichen und deren Bezüge
untereinander auf ein alternatives Zeichensystem verstanden werden1.
Dazu können gleichermaßen ikonische, symbolische oder indexikalische Zeichen verwendet
werden2.
Gängige Mindmapping-Programme wie MindManager der Firma Mindjet erlauben
beispielsweise die Ergänzung der dargestellten Gedanken und deren Bezüge um kleine
ikonische Zeichen. Drastisch signalisiert beispielsweise eine kleine Bombe mit brennender
Zündschnur auf diese Weise, dass der betreffende Ast einen explosiven Gedanken beinhaltet.
Höhenlinien in normalen Landkarten sind hingegen indexikalische Zeichen, die primär einen
Verweis, in diesem Fall eben auf die Höhenlage der gedachten Linie, darstellen, selber aber
keine Ähnlichkeit mit der Höhe oder der Landschaft als solcher aufweisen.
Die symbolische Logik verwendet Symbole als arbiträr gesetzte und unter Umständen
komplett bedeutungslose Zeichen. Angewendet im juristischen Bereich werden dabei z. B.
natürlichsprachliche Rechtsnormen oder Rechtsentscheidungen mit Hilfe der formallogischen
Zeichen dargestellt, also natürlichsprachliche auf künstliche Zeichen abgebildet.
Gemäß unserer eingangs gesetzten Definition liegt somit auch bei der symbolischen Logik ein
„Mapping“ vor: Der betrachtete Gegenstandsbereich wird auf jeweils verwendeten symbolischen
Zeichen abgebildet.
Das für das Mapping verwendete alternative Zeichensystem muss sich also nicht zwangsläufig auf
die zweidimensionale Darstellung beschränken. Für das Mapping kann auch eine normale
zeilenorientierte lineare Notation wie bei der symbolischen Logik zum Einsatz kommen3.
2
Beschreiben oder Vorschreiben?
Trotz der behaupteten Gemeinsamkeit bestehen zwischen einer Mindmap und einer
formelorientierten formallogischen Darstellung augenscheinlich auch wesentliche Unterschiede.
Einer besteht in der Abhängigkeit der Zeichen zu den dargestellten realen Objekten.
Das Konzept einer Mindmap beinhaltet eine Syntax, die festlegt, wie eine Mindmap auszusehen
hat. Beispielsweise hat jeder Ast genau eine Wurzel. Die hinterlegten Begriffe allerdings sind
vollkommen frei wählbar und können beliebig und frei festgelegt werden. Sie hängen stark von den
1
REISINGER, Leo: Strukturwissenschaftliche Grundlagen der Rechtsinformatik. Graz-Wien:
Leykam, 1987., S 27, bezeichnete dies als „Symbolisierung“.
2
Zu dieser von Peirce entwickelten Unterscheidung siehe z. B. RÖHL, Klaus F.; ULBRICH, Stefan:
Recht anschaulich. Köln: Halem, 2007., S 44.
3
Umgekehrt ist auch die formale Logik nicht auf symbolische Zeichen in linearer,
zeilengebundener Notation beschränkt. Siehe dazu: SHIN, Sun-Joo: The iconic logic of Peirce's
graphs. Cambridge, Mass. [u.a.]: 1. printing. Aufl. MIT Press, 2002.. Weiters: ROBERTS, Don D.:
The existential graphs of Charles S. Peirce. The Hague [u.a.]: Mouton, 1973. und ZEMAN, Jay J.:
The Graphical Logic of C.S. Peirce. Ph.D. Diss., University of Chicago, 1964.
natürlich sprachlichen ab und können beliebig festgesetzt werden. Häufig sind sie auch nur im
konkreten Kontext bzw. für die jeweilige Autorin oder den jeweiligen Autor verständlich.
Hingegen begnügt sich die symbolische Logik4 nicht mit einer einfachen Syntax für die
Darstellung der Inhalte, die dann „freihändig“ inhaltlich festgelegt werden können. Sie ergänzt die
verwendeten Zeichen vielmehr um einen Regelsatz, der vorgibt, wie aus den definierten Zeichen
neue gebildet werden können5.
Diese Art der Formalisierung löst das Zeichen von seiner extrasymbolischen Bedeutung6. Ein
solches Kalkül entkoppelt sich weitgehend von den jeweiligen Bedeutungen und auch von der
Realität7. Sie schafft damit konstitutive Realitäten8.
3
Grenzen juristischer Formalisierung
Mappings und Formalisierungen erlauben durch die alternative Darstellungsform neue, auf
bestimmte Eigenheiten und Eigenschaften fokussierende Einsichten.
Als Vorteile der formalen Darstellung gelten insbesondere9:
Übersichtlichkeit
Eindeutigkeit
Prägnanz
Auf der anderen Seite gehen viele Vorteile der natürlichen Sprache verloren:
Flexibilität
Offenheit
Allgemeinverständlichkeit
Universelle Einsetzbarkeit
Juristische Logik und juristische Ontologien sind deshalb nur in eng eingegrenzten Bereichen
nutzbar.
4
Beispiele
4.1 Theodor Geiger
Die von Geiger in seinem Hauptwerk Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts10 verwendeten
Symbole stellen eine einfache Formalisierung dar, die kein Kalkül beinhaltet. Insofern sind sie
einfaches Abbild der von Geiger beschriebenen sozialen Realitäten, die er „explikativ konstruiert“11.
4
Wie übrigens auch bestimmte Arten der Wissensrepräsentation mit Hilfe von Ontologien.
Dies wird auch als Kalkül bezeichnet - REISINGER, Grundlagen, a.a.O..
6
KRÄMER, Sybille: Symbolische Maschinen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft,
1998., S 60.
7
REISINGER, Grundlagen, a.a.O., S 19.
8
Siehe dazu auch: WRIGHT, Georg Henrik von: Handlung, Norm und Intention. Berlin [u.a.]: de
Gruyter, 1977..
9
LEMMON, E. J.: Beginning logic. Indianapolis [u.a.]: 10. print. Aufl. Hackett Publ, 2002., S 3. Vgl.
auch Bench-Capon: „The original use of logic in law was for representation of law in a clear and
unambigous manner“, BENCH-CAPON, Trevor; PRAKKEN, Henry: Introducing the Logic and Law
Corner. In: Journal of Logic and Computation 17 (2007) S. (editorial note).
10
GEIGER, Theodor: Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts. Berlin: 4. Aufl. Aufl. Duncker u.
Humblot, 1987.
5
2
4.2 Topicmaps
Topicmaps erlauben die konzeptuelle Darstellung von Fachgebieten mit Hilfe einer XMLbasierten formalen Notation. Damit können Begriffe definiert und miteinander verknüpft werden.
Die Besonderheit besteht darin, dass diese graphenorientierte formale Darstellung sehr einfach
visuell dargestellt werden kann.
4.3 UML
UML steht für die Unified Modeling Language12.
Es ist eine formal definierte umfassende Darstellungsmethode für Software-Artefakte. Dazu
zählen z. B. Programmklassen, Anwendungsfälle, Ablaufdiagramme etc. UML dient für die
Unterstützung der Softwareerstellung.
Die Besonderheit von UML besteht darin, dass es deskriptiv als einfaches „Flow-Charting“
Programm nur für die Darstellung genutzt werden kann, oder als konstitutive Grundlage für die
automatisierte Erstellung für die Codegenerierung. Dabei werden also aus den Diagrammen
automatisiert Codefragmente generiert.
5
Formales Mapping im Recht
Mapping muss nicht auf visuelle Umsetzungen eingeschränkt werden, sondern kann auch
formale Aspekte beinhalten.
Die ikonische und indexikalische Abbildung ermöglicht rechtsdidaktische Optionen.
Die symbolische, hier verstanden als Umsetzung von Rechtsinhalten eröffnet die Möglichkeit
zur Automatisierung und damit zur Beschleunigung des Rechts13.
Ein IT-Programm zur automatischen Ausfertigung von Bescheiden oder zur Steuerberechnung
ist ein klassischer Anwendungsfall.
Die konstitive Wirkung solcher kalkülorientierter Abbildungen muss allerdings auch juristisch
kontrollierbar bleiben und wesentliche juristische Probleme bleiben bei dieser Vorgangsweise
ausgeblendet14.
11
GEIGER, Vorstudien, a.a.O., S 54.
Zu UML gibt es ausreichend Literatur, siehe z. B. MAKSIMCHUK, Robert A.; NAIBURG, Eric J.:
UML for mere mortals. Boston: Addison-Wesley, 2005.. Im Rechtsbereich plädiert Kahlig für einen
stärkeren Einsatz von UML: KAHLIG, Wolfgang: Rechtsmodellierung im e-Government:
Fallbeispiele zur Legistik. Saarbrücken: 1. Aufl. VDM Verlag Dr. Müller, 2008..
13
LUHMANN, Niklas: Ausdifferenzierung des Rechts. Frankfurt a.M.: 1. Aufl. Suhrkamp, 1999., S
266.
14
HUMMLER, Konrad: Automatisierte Rechtsanwendung und Rechtsdokumentation. Zürich:
Schulthess, Polygraphischer Verl, 1982., S 49.
12
3
6
Literaturverzeichnis
BENCH-CAPON, Trevor; PRAKKEN, Henry: Introducing the Logic and Law Corner. In: Journal of
Logic and Computation 17 (2007) S. (editorial note)
GEIGER, Theodor: Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts. Berlin: 4. Aufl. Aufl. Duncker u.
Humblot, 1987.
HUMMLER, Konrad: Automatisierte Rechtsanwendung und Rechtsdokumentation. Zürich:
Schulthess, Polygraphischer Verl, 1982.
KAHLIG, Wolfgang: Rechtsmodellierung im e-Government: Fallbeispiele zur Legistik. Saarbrücken:
1. Aufl. VDM Verlag Dr. Müller, 2008.
KRÄMER, Sybille: Symbolische Maschinen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1998.
LEMMON, E. J.: Beginning logic. Indianapolis [u.a.]: 10. print. Aufl. Hackett Publ, 2002.
LUHMANN, Niklas: Ausdifferenzierung des Rechts. Frankfurt a.M.: 1. Aufl. Suhrkamp, 1999.
MAKSIMCHUK, Robert A.; NAIBURG, Eric J.: UML for mere mortals. Boston: Addison-Wesley,
2005.
REISINGER, Leo: Strukturwissenschaftliche Grundlagen der Rechtsinformatik. Graz-Wien: Leykam,
1987.
ROBERTS, Don D.: The existential graphs of Charles S. Peirce. The Hague [u.a.]: Mouton, 1973.
RÖHL, Klaus F.; ULBRICH, Stefan: Recht anschaulich. Köln: Halem, 2007.
SHIN, Sun-Joo: The iconic logic of Peirce's graphs. Cambridge, Mass. [u.a.]: 1. printing. Aufl. MIT
Press, 2002.
WRIGHT, Georg Henrik von: Handlung, Norm und Intention. Berlin [u.a.]: de Gruyter, 1977.
ZEMAN, Jay J.: The Graphical Logic of C.S. Peirce. Ph.D. Diss., University of Chicago, 1964
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