Leseprobe - Allitera Verlag

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Leseprobe - Allitera Verlag
Der Mensch – sein eigenes Experiment?
Mit Nietzsche denken
Publikationen des Nietzsche-Forums München e. V.
Band 4
Der Mensch – sein eigenes Experiment?
Kolloquium 2003 des Nietzsche-Forums München
und
Vorträge aus den Jahren 2003–2005
Herausgegeben von Beatrix Vogel
Mit einem Geleitwort von Maria Friedrich
Weitere Informationen über den Verlag und sein Programm unter:
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September 2008
Allitera Verlag
Ein Verlag der Buch&media GmbH, München
© 2008 Nietzsche-Forum München
Umschlaggestaltung: Kay Fretwurst, Spreeau
Herstellung: Books on Demand GmbH, Norderstedt
Printed in Germany · ISBN 3-86520-317-5
Inhalt
Maria Friedrich
Zum Geleit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Beatrix Vogel
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Teil I
Der Mensch – sein eigenes Experiment?
Kolloquium des Nietzsche-Forums München am 14.02.2003
Marc Jongen
Der Mensch ist sein eigenes Experiment
Nach dem Humanismus: Einige Thesen, mit denen der
Nationale Ethikrat für Gentechnologie Frieden schließen sollte . . . . . . 45
Marc Jongen
Homo homini fatum
Zur biotechnischen Selbstübernahme des Menschen . . . . . . . . . . . . . . 53
Harald Seubert
Homo natura und homo artista:
Alteuropäische Reflexion zur »Bestimmung des Menschen«
in nachhumanistischen Zeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Renate Reschke
Das Ende des Menschen?
Francis Fukuyama und Friedrich Nietzsche
über Perspektiven und Risiken der Zukunft des Menschen . . . . . . . . . 85
Miriam Ommeln
Nietzsche, der Cyberphilosoph
Virtuelle Realität und digitales Netz:
Technikphilosophische Aspekte im Werk Nietzsches . . . . . . . . . . . . . . 103
Initiatorisches Denken: Platonische Spuren in die Gegenwart –
Wege aus der organisierten Unverantwortlichkeit?
Kolloquium des Nietzsche-Forums München am 30.11.2003
Harald Seubert
Atopie und Initiation
Zur Gegenwärtigkeit Platonischen Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Albert von Schirnding
Die Epiphanie des Apollon in Platons Phaidon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Kerstin Kellermann
Danken und Hören
Initiationswege in die Eigenverantwortung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
Macht, Gewalt und Religion
Zwei Vorträge am 29.11.2003 und Kolloquium des
Nietzsche-Forums München am 11.12.2004
Harald Seubert
Macht, Gewalt und Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
Alfred Gulden
Schwarzbachbett
Ein Theaterstück (Auszüge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
Manfred Görg
Monotheismus im Widerstreit:
Anfragen und Rückfragen an die Idee vom Einen und Einzigen Gott . . 199
Elke Angelika Wachendorff
Der Wille zur Macht
Macht und Gewalt im Denken Friedrich Nietzsches . . . . . . . . . . . . . . . 215
Ram Adhar Mall
Die säkulare und sakrale Wünschbarkeit der religiösen Pluralität:
Eine interkulturelle und interreligiöse Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . 267
Teil II
Denken mit Friedrich Nietzsche
Vorträge aus den Jahren 2003–2005
Dieter Borchmeyer
Wandlungen Nietzsches im Spiegel seines Schiller-Bildes . . . . . . . . . . . 305
Harald Seubert
Über ›letzten‹ und ›kommenden Gott‹:
Zwischen Hegel, Schelling und Nietzsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
Albert von Schirnding
Die Anwesenheit eines Abwesenden
Lyrik nach dem Tode Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
Pia Daniela Schmücker
Nietzsche in psychoanalytischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
Sven Brömsel
Zarathustra zwischen Bayreuth und Weimar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397
Hans-Joachim Becker
Das Judentum in der philosophischen Politik Nietzsches . . . . . . . . . . . 415
Peter André Bloch
Ich-haftes Schreiben: Nietzsches Perspektiven- und Standortwechsel
zur Überwindung vorgegebener Denkmechanismen.
Textinterpretationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
Andreas Mascha
FlowDance und Nietzsches »Große Vernunft« des Leibes . . . . . . . . . . 471
Babette E. Babich
Hören und Lesen, Musik und Wissenschaft
Nietzsches »gaya scienza« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487
Pia Daniela Schmücker
Das Nietzsche-Bild im »Faustus«-Roman Thomas Manns . . . . . . . . . . 527
Konrad Dietzfelbinger
Friedrich Nietzsche: Erleuchtung und Versuchung . . . . . . . . . . . . . . . . 555
Karl Hahn
Max Schelers Auseinandersetzung mit Nietzsches Ressentiment-These:
Das Ressentiment als Komponente – nein: als Grundlage und Kern –
der modernen Moral und europäischen Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . 575
Peter André Bloch
Nietzsches »Weihnachten« und »Neujahr«.
Feiertage des jungen Nietzsche
im Naumburger Familien- und Freundeskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613
Anhang
Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652
»Nicht wie der Wind weht, sondern wie man das Segel setzt,
darauf kommt es an.«
(Hermann Hesse)
Heinz Friedrich (1922–2004) zu dankbarem Gedenken
Zum Geleit
Maria Friedrich
Als Ehrenvorsitzende des Nietzsche-Forums München, ein Ehrentitel, der
mir in der Nachfolge meines Mannes Heinz Friedrich angetragen wurde und
den ich auch als Aufgabe und als Verantwortung empfinde, gebe ich gerne
diesem vierten Band Mit Nietzsche denken, Publikationen des NietzscheForums München, ein Geleitwort.
Ich tue es umso lieber, da dieses Buch einem großen anthropologischen
Thema gewidmet ist, dem Heinz Friedrich stets auf der Spur war und in unzähligen Essays und Herausgaben Ausdruck verliehen hat: die Fragen nach
dem Ursprung der Menschwerdung bis hin zur hypertrophischen Ausbildung des menschlichen Denkvermögens, das mit den biologischen Grundstrukturen nur noch schwer in Einklang zu bringen ist.
Eines seiner Essays »Ecce homo? – Nietzsches Übermensch oder: Der neue
Prometheus« (Band 3 der Publikationen) trägt genauso ein Fragezeichen
wie der Titel dieses Bandes »Der Mensch – sein eigenes Experiment?« und
gleichermaßen ging er dem Thema unter dem Titel »Weisheit für Übermorgen – Unterstreichungen aus dem Nachlaß Friedrich Nietzsches« nach, entnommen aus dessen Nachlaß, indem er die Bände 7 bis 13 des 15-bändigen
Nachlaßwerkes »chronologisch durchforstete«. Ein Werk, das von Giorgo
Colli und Mazzino Montinari erarbeitet und unter dem Titel »Kritische Studienausgabe« (KSA) im Deutschen Taschenbuch Verlag seinen Platz fand
und meinem Mann als Verleger des dtv ein großes Anliegen war. Die beiden
Philosophen hatten diese Ausgabe aus der ebenfalls von ihnen edierten »Kritischen Gesamtausgabe«, die im Verlag de Gruyter erschien, erstellt.
Auf Seite 2 des Bandes »Weisheit für Übermorgen« heißt es: »Aus der ungeheuren Fülle der Eintragungen wurden jene unterstrichen und ausgewählt,
die über einen Zeitraum von 20 Jahren hinweg Friedrich Nietzsche sowohl
als den radikalsten Gesellschafts- und Kulturkritiker des bürgerlichen Zeitalters als auch den beklemmend aktuellen Prognostiker des 20. Jahrhunderts
ausweisen …«
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Maria Friedrich
Heinz Friedrich wollte diesem großen Thema in einer Veranstaltung des
Nietzsche-Forums München noch Nachdruck verleihen, die Vorbereitungen
dazu waren bereits mit Frau Dr. Beatrix Vogel getroffen. Doch dazu kam es
nicht mehr, die Krankheit und schließlich der Tod holten ihn ein.
Das große Thema aber ist geblieben und findet neuen Widerhall im vorliegenden Band.
Ich möchte ihm ein Zitat Heinz Friedrichs voranstellen, das aus einem
frühem Werk »Im Narrenschiff des Zeitgeistes. Unbequeme Marginalien«,
Verlag C. H. Beck, 1972, stammt.
»Denn darüber besteht ja wohl kaum ein Zweifel, daß der Mensch – nach
Arnold Gehlen ein ›Mängelwesen‹ – der Veredelung bedarf, um seiner freigesetzten Triebe und Instinkte zumindest teilweise Herr zu werden. Seine
bravourösen Fähigkeiten nutzen ihm nämlich wenig, wenn sie nicht gesteuert werden von einem Ethos, das ihrer Hypertrophie wehrt. Entfällt diese
Steuerung, die Kant das ›moralische Gesetz in uns‹ nannte, so wuchern die
Kräfte der Selbstzerstörung und stellen alles in Frage, was der Menschengeist in kühnem Höhenflug ersann.«
Und damit wünsche ich dem umfangreichen Band »Der Mensch – sein
eigenes Experiment?« eine glückliche Lesereise.
Im August 2008
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Maria Friedrich
Einleitung
Beatrix Vogel
»Alle langen Dinge sind schwer zu sehen, zu übersehn.«
(Friedrich Nietzsche, Genealogie der Moral 1,8)
»Für uns gläubige Physiker hat die Scheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft nur die Bedeutung einer wenn auch hartnäckigen Illusion.«
(Albert Einstein, Brief an Vero Bice Besso, 1955)
1. »Auf unheimliche Weise ist er aktuell«1 –
Einige Überlegungen zur Gegenwärtigkeit Nietzsches
1.1. Nietzsches Tiefenprognosen als Spiegel der Zukunft
Von Nietzsches herausfordernder – oder sogar unheimlicher – Gegenwärtigkeit zu sprechen, stöbert ein verwickeltes Bündel von Bedeutungen auf.
Die vielleicht plausibelste, nahe liegende Konnotation ist die von Nietzsche
als dem Prognostiker oder Diagnostiker der Gegenwart: Nietzsches seismographisch-hellfühlige Beobachtungen und scharfsinnige Analysen haben
Zusammenhänge und Entwicklungen vorausschauend erkannt und sichtbar
gemacht, die uns heute ohne besondere Schulung und Gabe eines hellsichtig-scharfsinnigen Tiefenblicks offenkundig sind. Nietzsche habe in seinem
ganzen Werk eigentlich nicht vom 19. Jahrhundert, sondern von unserer
gegenwärtigen Kultur geredet; die beste Gegenwartsdiagnose finde man bei
Nietzsche.2 Nietzsche spricht es bekanntermaßen selbst, in verschiedenen
Kontexten und Hinsichten, deutlich aus,3 wie Heinz Friedrich, der am 13. Februar 2004 verstorbene (Nietzsche-)Verleger, Autor, Akademiepräsident und
Ehrenvorsitzende des Nietzsche-Forums München, dem mit diesem Band besonders gedacht sein soll, im Vorwort zu seiner Herausgabe von Nachlasstexten Nietzsches – unter dem von Nietzsche selbst ventilierten Titel Weisheit
für übermorgen – formulierte: »Wir leben heute in diesem übermorgen«. 4
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Beatrix Vogel
Im Blick auf die Gegenwartsphänomene erstaunen und erfassen den aufhorchenden Leser eine Fülle von auf die heutige Situation frappierend zutreffenden Beschreibungen des modernen Kulturverhaltens und der Mentalitäten des von freiwilliger Abhängigkeit und der Rastlosigkeit unbedingter
Fortschritts- und Prosperitätsgläubigkeit geprägten Zeitgeistes, von Nietzsche als eine Art »abgeirrte Cultur«5 analysiert, deren Akteure sich im »verruchten Wesen des Journalisten, des Sklaven der 3 M«6 verkörpern, die,
dem »Raffinement des Aufregungs- und Betäubungsbedürfnisses«7 und
dem behaglichen Schlaf der wohlfahrtsstaatlichen Vernunft hingegeben, das
Verschwinden des Menschen im Schreckgespenst des letzten Menschen betreiben, denen bekanntlich selbst Heideggers »Not der Notlosigkeit« fremd
geworden ist.
Wie immer sich die Erscheinungen der Décadence, des Nihilismus, der Entwertung der obersten Werte in Nietzsches vielfältigen Beschreibungen spezifizieren (philosophisch, gesellschaftlich, politisch, psychologisch, sozial, religiös) – der Hinweis auf Nietzsche in Diskursen der einschlägigen Disziplinen
ist heute selbstverständlich und geläufig: Nietzsche nimmt sie wahr als Symptome eines Erdrutsches der Kultur, aufgrund seiner umfassenderen Deutung
ihres Zeichencharakters als jener Notwendigkeits-Fäden, die Sachverhalte
oder Themen über die Differenz unterschiedlicher Zeit-Kontexte (von Vergangenheit und Gegenwart oder Gegenwart und Zukunft) hinweg präsent
erhalten. Diese in den diagnostischen Beschreibungen und Prognosen angelegten, langfristig wirksamen Weichenstellungen für eine veränderte Wahrnehmung und Einschätzung der Beschaffenheit und Stellung des Menschen
und die sich daran knüpfende Aufforderung eines veränderten Gebrauchmachens von derselben sind es, die sich mit Nietzsche, seinem Denken, seiner
Person, seinem Namen verbinden. Nicht sein Angriff auf die »ewigen Wahrheiten«, die Hinterwelten von Metaphysik und Religion, seine Verurteilung
von die Gläubigen unmündig und von sich selbst fern haltender dogmatischer
Religion und die Anprangerung asketisch-christlicher Moral als einer Sklavenmoral, die das Ressentiment der Schlechtweggekommenen zum Ausdruck
bringe; auch nicht, genereller, die irreversible In-Frage-Stellung Gottes – der
Gottesbilder – als einer Schöpfung des Menschen, der Wahrheitsbefähigung
der Vernunft als historisch-naturgeschichtlich gewordener, der Tauglichkeit
der bürgerlichen Moral und Werteorientierung der Moderne als Ordinaten
einer dem Menschen förderlichen Ausrichtung des Lebens wären für sich genommen schockierend oder neu. Alarmierend sind diese Angriffe und Infragestellungen vielmehr als Kenntlichmachung der epochalen gewaltigen Krise
des Geistes und der modernen Kultur, derart, dass eine Situation eingetreten
ist, die einen Hiatus darstellt, bedeutet und setzt zwischen einem Früheren,
zu Grunde oder zu Ende Gehenden, und dem, was jetzt, am Tiefpunkt der
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Einleitung
vollendeten Entwertung aller bisherigen Werte, geschieht: eine totale Veränderung, die nichts Gegebenes, kein Teilsystem des bisher Artikulierten unberührt lässt, in der alles, worauf sich Menschen verlassen, wie gedacht, gefühlt, geglaubt, gehofft, gehandelt, gelebt wird, zur Disposition steht; derart,
dass ferner die disparaten Erscheinungsformen dieser Krise sich folgerichtig
und notwendig aus dem Gang der Entwicklung der abendländischen Kultur ergeben, aus dem Grundimpuls der Aufklärung, der, in der Aufklärung
der Aufklärung auf sich selbst gewendet, seine eigenen Voraussetzungen zum
Zerfall gebracht hat; kulminierend in der Schlussfolgerung, dass dieser Gang
sich jetzt in der äußersten Krisis der Auflösungs- und Übergangssituation
befindet; was alles Nietzsche zu dem Entschluss führt, auf diese Herausforderung mit der »alles überscheitenden Umwertung«8 zu reagieren, als »ein
bewusster Versuch, die Krise zu überwinden und festen Grund für die Errichtung einer neuen stabilen Werteordnung zu finden …, indem man in der
eigenen Persönlichkeit – mit den vorhandenen Mitteln und ungewissen Erfolgsaussichten – eine neue Ordnung jenseits der Krise errichtet.«9
Nietzsche reagiert auf den Aufforderungscharakter seiner Erkenntnisse mit
einer intensiven Entwicklung seiner inspirierten Denkimpulse, Konzeptionen
und Strategien, wobei die umwendende Neukonstitution der alten Ordnung
als schrittweiser Vollzug einer diese insgesamt überschreitenden Umwertung
an den weitergeführten Prozess der kritischen Analyse des Ist-Zustandes –
und allererst an dessen eindringliche Beobachtung – gebunden und in ihm ein
Stück weit begründet oder ihm verbunden bleibt.10 Versuche neuer Artikulationsformen von Fröhlicher Wissenschaft als einer leidenschaftlichen und
vollkommenen, auch die schmerzlichsten Tiefenimplikationen des Lebens
einschließenden; von Philosophie am Leitfaden der »Großen Vernunft« als
dem umfassenderen Kontext des Lebens, in dem »Vernunft kommt zur Vernunft«,11 von dionysischer Religion und Moral als Prozess autopoietischer
Selbst-Werdung in dauernder Selbstüberwindung, ausgerichtet am Kompass
transpersonal-kosmischer Lebensbejahung: diese – und andere und anders
benennbare – Teilstrukturen von Nietzsches Werk bezeugen Nietzsches Vorstöße zu neuen Sichtweisen und Leitorientierungen, die, als Formen eines
seine Optionen experimentierend ergreifenden Denkens, prozessual, also
selber in vielfältiger Reflexion und Evaluation befindlich, als bewegte und
Entwicklung in Gang setzende und mithin unabgeschlossene wirksam sind.
Gleichzeitig leben in diesen Formulierungen auch die alten Formen auf –
in der Kritik bis hin zum Bruch sowie als Material der Umformung und
Rückbesinnung –, wobei kritische wie neue Formulierungen mit (damals)
zeitgenössisch-aktuellen Denkmodellen und Theorien in den Bezugnahmen
Nietzsches unterschiedliche Verbindungen eingehen.
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