Neue Mitglieder im AsKI: "Blaue Blume" oder das Geheimnis des

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Neue Mitglieder im AsKI: "Blaue Blume"
oder das Geheimnis des Wissens ... Die
Novalis-Stiftung "Wege wagen mit
Novalis", Forschungsstätte für
Frühromantik und Novalis-Museum Schloß
Oberwiederstedt
"Die Poesie heilt die Wunden, die der Verstand schlägt." (Novalis)
Diese frühromantische Idee von Novalis birgt ein pädagogisch-ästhetisches Konzept, das auf die
aktivierende Wirkung der Poesie auf den Menschen hofft, ihm vermittels seiner ihm von Natur
aus gegebenen poetischen Fähigkeiten den Blick für andere, ungewohnte, neue Dimensionen
der Natur und der Welt öffnen soll, damit er sich mit dem neu gewonnenen Wissen wappne und
moralisch verbessere - Poesie bewirke so die Menschwerdung des Menschen. Eine schöne, alte
und noch immer utopische Idee. Grund genug
für den Mediziner und passionierten
Novalis-Kenner Dr. med. Arved Grieshaber,
gerade diese Sentenz zu einer der
Kernaufgaben der von ihm am 200. Todestag
von Novalis am 25. März 2001 begründeten
Stiftung zu erheben. Bei vor allem
soziopädagogischen Veranstaltungen der
Stiftung ist sie auf einem blauen Band am
Novalis-Schloss zu lesen. Ort und Datum der
Stiftungsgründung waren wohl abgewogen: Gerade hier, im wirtschaftlich inzwischen stark
geschwächten Mansfelder Land, das einmal stolze Bergbaulandschaft war, gerade in der
Taufkirche von Novalis bei seinem Geburtshaus sollte am Sterbetag etwas Neues und in die
Zukunft Weisendes aus der Taufe gehoben werden. Mit der wirtschaftlichen Stabilisierung des
Novalis-Geburtshauses, dessen Abriss am Ende der 80er Jahre in der DDR staatlich
beschlossene und fast schon realisierte Sache war, ist eine authentische Stätte erhalten, von
der aus die Stiftung mit Forschungsstätte und Novalis-Museum und gemeinsam mit der
ebenfalls im Schloss beheimateten Internationalen Novalis-Gesellschaft auf eine sehr
differenzierte Weise sowohl wissenschaftlich als auch populär für einen kreativen Umgang mit
den programmatischen, frühromantischen Ideen von Novalis wirken kann. Die Grundlagen dafür
wurden in den zurückliegenden zehn Jahren geschaffen im unmittelbaren Zusammenhang mit
der Rettung des Novalis-Geburtshauses durch eine Wiederstedter Bürgerinitiative, mit der
Gründung der Internationalen Novalis-Gesellschaft 1992 und dem Aufbau der Forschungsstätte
für Frühromantik im Schloß Oberwiederstedt. Am 220.
Geburtstag Georg Philipp Friedrich von Hardenbergs (Novalis)
wurde Schloß Oberwiederstedt mit einer kleinen musealen
Ausstellung zu Leben und Werk des Juristen,
Bergbauingenieurs, Philosophen und Dichters der öffentlichen
Nutzung zur Verfügung gestellt. Symbolisch erhielt
Hans-Peter Sommer, der Landrat des damaligen Landkreises
Hettstedt (nach der Fusion mit dem Landkreis Eisleben heute
Landkreis Mansfelder Land) durch den Vorsitzenden der
Wiederstedter Bürgerinitiative "InteressenGemeinschaft
Novalis" und den Bürgermeister der Gemeinde Wiederstedt
den großen Schloss-Schlüssel. Höhepunkt des Tages wurde
die Gründungsfeier für eine internationale
Literaturgesellschaft, zu deren ersten Präsidenten (später bis zu seinem Tod Ehrenpräsidenten)
der Philologe und Mitherausgeber der historisch-kritischen Ausgabe der Novalis-Schriften Prof.
Dr. Hans-Joachim Mähl gewählt wurde. Fast zur gleichen Stunde bestätigte das Land
Sachsen-Anhalt seinen Förderbeschluss zum Aufbau einer Forschungsstätte für Frühromantik
mit Novalis-Museum und zur Etablierung von Novalis-Forschung in dieser historischen Stätte.
Die wechselvolle Geschichte des Schlosses nahm damit eine glückliche Wende: Den Teilabriss
des Westflügels hatte man nicht verhindern können, aber die Bürgerinitiative brachte die
enorme Kraft auf, noch 1989 den kompletten Abriss des Schlosses zu stoppen und das dafür
geplante Geld als Betrag für den Wiederaufbau und den Beginn einer Sanierung und
Rekonstruktion einzusetzen. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz,
der Denkmalpflege sowie den Bundes- und Landesbehörden wurde in sichtbaren Schritten
aufgebaut, bis 1998/99 mit dem Neubau des Westflügels die ursprüngliche Schloss-Silhouette
wiederhergestellt war. Die Erstausgabe der "Novalis Schriften" (1802) hrsg. v. Friedrich
Schlegel und Ludwig Tieck Die ebenso schnell wachsende Internationale Novalis-Gesellschaft
(ING), der heute über 400 Mitglieder in 20 Ländern und auf fast allen Kontinenten der Erde
angehören, förderte bestän dig den parallel zu den Bauarbeiten laufenden Aufbau der
Forschungsstätte, in deren Obhut und wissenschaftlicher Betreuung sich auch das
Novalis-Museum entwickeln konnte.
Als der Präsident der ING, Prof. Dr. Herbert
Uerlings, am 2. Mai 2002 die Bilanz einer
10-jährigen Arbeit zog, entstand ein imposantes Bild:
Die durch die Kriegswirren und nachfolgende
Enteignung zerstörte Novalis-Sammlung befindet
sich im Wiederaufbau. Kern ist die im Grundstock
existierende "imaginäre Novalis-Bibliothek", die in
einem Projekt von Gesellschaft und Stiftung alle
Bücher wieder in der Bibliothek der
Forschungsstätte zusammentragen wird, die Novalis
las und für seine poetischen und wissenschaftlichen
Werke und Studien benutzte. Die Forschungsbibliothek zählt heute über 4.000 Bände, darunter
die Novalis-Editionen seit der Erstausgabe der Schriften von 1802. Zu den wenigen
überlieferten Originalen gehören das einzige erhaltene Porträt des Nova lis und Bildnisse seiner
Familie als Dauerleihgaben der Staatlichen Galerie Moritzburg Halle, Landeskunstmuseum,
sowie das Taufhäubchen des "kleinen Fritz". Das Archiv verwahrt einen kleinen
Handschriftenfundus sowie Mikrofilme und Mikrofiche. Das Novalis-Museum zeigt eine
Dauerausstellung zu Leben und Werk des Novalis. Mit bisher 31 wechselnden Ausstellungen zu
Themen aus dem Kontext der poetischen, ästhetischen, geschichts- und naturphilosophischen
Ideen des Novalis sowie zu zentralen, für die Kulturgeschichte bedeutsamen Aspekten der
Frühromantik setzt das Museum auch Resultate der Forschungsarbeit zur Entwicklung von
Literatur, Kunst und Wissenschaft gestalterisch um. Dadurch hat es sich zum Ort lebendiger
Diskussion zwischen Wissenschaft, Literatur und Künsten und zur Stätte nationaler und
internationaler Begegnungen entwickelt. Dies dokumentieren nicht nur die drei internationalen
Fachtagungen, zu denen Protokollbände veröffentlicht wurden. Über 30 hauseigene
Publikationen, wissenschaftliche Abhandlungen in einer kleinen eigenen Reihe - "Texte aus dem
Novalis-Schloß" -, Ausstellungskataloge und Kinderbücher, die in der museumspädagogischen
Arbeit entstanden, erfreuen sich im Museumsshop großen Interesses. Für die Synthese von
wissenschaftlicher und museumspädagogischer Arbeit erhielt das Novalis-Museum im Jahr 2001
den Sonderpreis zum Museumspreis 2001 der Ostdeutschen Sparkassenstiftung und der
Kulturstiftung der Länder. Damit wurde das Bemühen anerkannt, die neuesten
Forschungsergebnisse zu Leben und Werk des Novalis, zur Frühromantik und zu vergleichen
den Themen europäischer Literaturgeschichte mit deren musealer Präsentation im
Literaturmuseum zu verbinden, wissenschaftliche und kulturelle Aktivitäten zu verknüpfen und
einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sechs Veranstaltungsreihen bietet das
Museum regelmäßig über das Jahr für verschiedene Interessentenkreise an. Das dritte
"Festival der Märchen - ein Fest mit Novalis für die
Kinder der Welt" ist inzwischen zu einer neuen
Kulturtradition im Mansfelder Land geworden, für die
sich das Land, die Lotto/Toto-Gesellschaft, die ING und
die Novalis-Stiftung fördernd engagieren. Zu den letzten
großen Ausstellungen zählten die
editionswissenschaftliche Präsentation "Novalis - das
Werk und seine Editoren", die auch im Frankfurter
Goethe-Museum zu sehen war und erstmals der
Bedeutung der Werkausgaben und der Leistungen ihrer
Herausgeber für die Etablierung eines Novalis-Bildes oder nur eines Novalis-Mythos nachging.
An dieses Thema schließt derzeit die noch bis zum Oktober 2003 dauernde Ausstellung "Die
Bildnisse des Novalis" an. Restauratoren und Wissenschaftler haben das einzige überlieferte
Novalis-Porträt erstmals einer eingehenden, wissenschaftlichen Analyse und Kritik unterzogen,
eine Porträtstudie auf der Basis der dabei entdeckten Untermalungen steht im Dialog mit dem
Porträt, neue Dokumente und Fragen zur Person des möglichen Malers sind aufgetaucht und in
einem spannenden Katalog dokumentiert. Im Rahmen des Landesprojektes "Sachsen- Anhalt
und das 18. Jahrhundert" wird im Oktober/November 2004 eine Ausstellung zum Thema
"Novalis und die Aufklärung" mit Symposion und Publikation eröffnet werden, die als
Gemeinschaftsvorhaben mit dem Romantikerhaus Jena entsteht. Das Novalis-Museum ist
zusammen mit 19 weiteren Literatur- und Kunstmuseen der neuen Länder als literarischer
Gedächtnisort von nationaler Bedeutung in das "Blaubuch" des Kulturstaatsministers der
Bundesrepublik aufgenommen worden, das Paul Raabe in dessen Auftrag herausgegeben hat.
Neben der alten Lindenallee im Schlosspark, die
Novalis' Vater am Tage seiner Hochzeit anlegte,
erblüht seit drei Jahren ab März ein "Blauer Garten",
der über 40 verschiedene, blau blühende oder
blaublättrige Pflanzen versammelt. Angelegt wurde er
gemeinsam mit dem Botanischen Garten der
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die
blauen Gewächse geben eine Idee davon, dass die von
Novalis in seinem Roman "Heinrich von Ofterdingen"
thematisierte und von der Nachwelt folgenreich
verinnerlichte "Blaue Blume" nicht eigentlich eine botanische Spezies sein sollte, sondern eher
seiner auf die alchemistische und hermetische Tradition rückgreifenden Idee vom Streben nach
Wissen als der die Menschheit vorantreibenden Kraft ein Bild gab. Gabriele Rommel
Dr. Gabriele Rommel ist Direktorin der Forschungsstätte für Frühromantik und des Novalis-Museums Schloß
Oberwiederstedt
AsKI KULTURBERICHTE 2/2003