Neue Mitglieder im AsKI: "Blaue Blume" oder das Geheimnis des
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Neue Mitglieder im AsKI: "Blaue Blume" oder das Geheimnis des
Sie sind hier: www.aski.org/portal2/ / 10: KULTURBERICHTE / 10.4: KULTURBERICHTE 2/03 . Neue Mitglieder im AsKI: "Blaue Blume" oder das Geheimnis des Wissens ... Die Novalis-Stiftung "Wege wagen mit Novalis", Forschungsstätte für Frühromantik und Novalis-Museum Schloß Oberwiederstedt "Die Poesie heilt die Wunden, die der Verstand schlägt." (Novalis) Diese frühromantische Idee von Novalis birgt ein pädagogisch-ästhetisches Konzept, das auf die aktivierende Wirkung der Poesie auf den Menschen hofft, ihm vermittels seiner ihm von Natur aus gegebenen poetischen Fähigkeiten den Blick für andere, ungewohnte, neue Dimensionen der Natur und der Welt öffnen soll, damit er sich mit dem neu gewonnenen Wissen wappne und moralisch verbessere - Poesie bewirke so die Menschwerdung des Menschen. Eine schöne, alte und noch immer utopische Idee. Grund genug für den Mediziner und passionierten Novalis-Kenner Dr. med. Arved Grieshaber, gerade diese Sentenz zu einer der Kernaufgaben der von ihm am 200. Todestag von Novalis am 25. März 2001 begründeten Stiftung zu erheben. Bei vor allem soziopädagogischen Veranstaltungen der Stiftung ist sie auf einem blauen Band am Novalis-Schloss zu lesen. Ort und Datum der Stiftungsgründung waren wohl abgewogen: Gerade hier, im wirtschaftlich inzwischen stark geschwächten Mansfelder Land, das einmal stolze Bergbaulandschaft war, gerade in der Taufkirche von Novalis bei seinem Geburtshaus sollte am Sterbetag etwas Neues und in die Zukunft Weisendes aus der Taufe gehoben werden. Mit der wirtschaftlichen Stabilisierung des Novalis-Geburtshauses, dessen Abriss am Ende der 80er Jahre in der DDR staatlich beschlossene und fast schon realisierte Sache war, ist eine authentische Stätte erhalten, von der aus die Stiftung mit Forschungsstätte und Novalis-Museum und gemeinsam mit der ebenfalls im Schloss beheimateten Internationalen Novalis-Gesellschaft auf eine sehr differenzierte Weise sowohl wissenschaftlich als auch populär für einen kreativen Umgang mit den programmatischen, frühromantischen Ideen von Novalis wirken kann. Die Grundlagen dafür wurden in den zurückliegenden zehn Jahren geschaffen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Rettung des Novalis-Geburtshauses durch eine Wiederstedter Bürgerinitiative, mit der Gründung der Internationalen Novalis-Gesellschaft 1992 und dem Aufbau der Forschungsstätte für Frühromantik im Schloß Oberwiederstedt. Am 220. Geburtstag Georg Philipp Friedrich von Hardenbergs (Novalis) wurde Schloß Oberwiederstedt mit einer kleinen musealen Ausstellung zu Leben und Werk des Juristen, Bergbauingenieurs, Philosophen und Dichters der öffentlichen Nutzung zur Verfügung gestellt. Symbolisch erhielt Hans-Peter Sommer, der Landrat des damaligen Landkreises Hettstedt (nach der Fusion mit dem Landkreis Eisleben heute Landkreis Mansfelder Land) durch den Vorsitzenden der Wiederstedter Bürgerinitiative "InteressenGemeinschaft Novalis" und den Bürgermeister der Gemeinde Wiederstedt den großen Schloss-Schlüssel. Höhepunkt des Tages wurde die Gründungsfeier für eine internationale Literaturgesellschaft, zu deren ersten Präsidenten (später bis zu seinem Tod Ehrenpräsidenten) der Philologe und Mitherausgeber der historisch-kritischen Ausgabe der Novalis-Schriften Prof. Dr. Hans-Joachim Mähl gewählt wurde. Fast zur gleichen Stunde bestätigte das Land Sachsen-Anhalt seinen Förderbeschluss zum Aufbau einer Forschungsstätte für Frühromantik mit Novalis-Museum und zur Etablierung von Novalis-Forschung in dieser historischen Stätte. Die wechselvolle Geschichte des Schlosses nahm damit eine glückliche Wende: Den Teilabriss des Westflügels hatte man nicht verhindern können, aber die Bürgerinitiative brachte die enorme Kraft auf, noch 1989 den kompletten Abriss des Schlosses zu stoppen und das dafür geplante Geld als Betrag für den Wiederaufbau und den Beginn einer Sanierung und Rekonstruktion einzusetzen. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, der Denkmalpflege sowie den Bundes- und Landesbehörden wurde in sichtbaren Schritten aufgebaut, bis 1998/99 mit dem Neubau des Westflügels die ursprüngliche Schloss-Silhouette wiederhergestellt war. Die Erstausgabe der "Novalis Schriften" (1802) hrsg. v. Friedrich Schlegel und Ludwig Tieck Die ebenso schnell wachsende Internationale Novalis-Gesellschaft (ING), der heute über 400 Mitglieder in 20 Ländern und auf fast allen Kontinenten der Erde angehören, förderte bestän dig den parallel zu den Bauarbeiten laufenden Aufbau der Forschungsstätte, in deren Obhut und wissenschaftlicher Betreuung sich auch das Novalis-Museum entwickeln konnte. Als der Präsident der ING, Prof. Dr. Herbert Uerlings, am 2. Mai 2002 die Bilanz einer 10-jährigen Arbeit zog, entstand ein imposantes Bild: Die durch die Kriegswirren und nachfolgende Enteignung zerstörte Novalis-Sammlung befindet sich im Wiederaufbau. Kern ist die im Grundstock existierende "imaginäre Novalis-Bibliothek", die in einem Projekt von Gesellschaft und Stiftung alle Bücher wieder in der Bibliothek der Forschungsstätte zusammentragen wird, die Novalis las und für seine poetischen und wissenschaftlichen Werke und Studien benutzte. Die Forschungsbibliothek zählt heute über 4.000 Bände, darunter die Novalis-Editionen seit der Erstausgabe der Schriften von 1802. Zu den wenigen überlieferten Originalen gehören das einzige erhaltene Porträt des Nova lis und Bildnisse seiner Familie als Dauerleihgaben der Staatlichen Galerie Moritzburg Halle, Landeskunstmuseum, sowie das Taufhäubchen des "kleinen Fritz". Das Archiv verwahrt einen kleinen Handschriftenfundus sowie Mikrofilme und Mikrofiche. Das Novalis-Museum zeigt eine Dauerausstellung zu Leben und Werk des Novalis. Mit bisher 31 wechselnden Ausstellungen zu Themen aus dem Kontext der poetischen, ästhetischen, geschichts- und naturphilosophischen Ideen des Novalis sowie zu zentralen, für die Kulturgeschichte bedeutsamen Aspekten der Frühromantik setzt das Museum auch Resultate der Forschungsarbeit zur Entwicklung von Literatur, Kunst und Wissenschaft gestalterisch um. Dadurch hat es sich zum Ort lebendiger Diskussion zwischen Wissenschaft, Literatur und Künsten und zur Stätte nationaler und internationaler Begegnungen entwickelt. Dies dokumentieren nicht nur die drei internationalen Fachtagungen, zu denen Protokollbände veröffentlicht wurden. Über 30 hauseigene Publikationen, wissenschaftliche Abhandlungen in einer kleinen eigenen Reihe - "Texte aus dem Novalis-Schloß" -, Ausstellungskataloge und Kinderbücher, die in der museumspädagogischen Arbeit entstanden, erfreuen sich im Museumsshop großen Interesses. Für die Synthese von wissenschaftlicher und museumspädagogischer Arbeit erhielt das Novalis-Museum im Jahr 2001 den Sonderpreis zum Museumspreis 2001 der Ostdeutschen Sparkassenstiftung und der Kulturstiftung der Länder. Damit wurde das Bemühen anerkannt, die neuesten Forschungsergebnisse zu Leben und Werk des Novalis, zur Frühromantik und zu vergleichen den Themen europäischer Literaturgeschichte mit deren musealer Präsentation im Literaturmuseum zu verbinden, wissenschaftliche und kulturelle Aktivitäten zu verknüpfen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sechs Veranstaltungsreihen bietet das Museum regelmäßig über das Jahr für verschiedene Interessentenkreise an. Das dritte "Festival der Märchen - ein Fest mit Novalis für die Kinder der Welt" ist inzwischen zu einer neuen Kulturtradition im Mansfelder Land geworden, für die sich das Land, die Lotto/Toto-Gesellschaft, die ING und die Novalis-Stiftung fördernd engagieren. Zu den letzten großen Ausstellungen zählten die editionswissenschaftliche Präsentation "Novalis - das Werk und seine Editoren", die auch im Frankfurter Goethe-Museum zu sehen war und erstmals der Bedeutung der Werkausgaben und der Leistungen ihrer Herausgeber für die Etablierung eines Novalis-Bildes oder nur eines Novalis-Mythos nachging. An dieses Thema schließt derzeit die noch bis zum Oktober 2003 dauernde Ausstellung "Die Bildnisse des Novalis" an. Restauratoren und Wissenschaftler haben das einzige überlieferte Novalis-Porträt erstmals einer eingehenden, wissenschaftlichen Analyse und Kritik unterzogen, eine Porträtstudie auf der Basis der dabei entdeckten Untermalungen steht im Dialog mit dem Porträt, neue Dokumente und Fragen zur Person des möglichen Malers sind aufgetaucht und in einem spannenden Katalog dokumentiert. Im Rahmen des Landesprojektes "Sachsen- Anhalt und das 18. Jahrhundert" wird im Oktober/November 2004 eine Ausstellung zum Thema "Novalis und die Aufklärung" mit Symposion und Publikation eröffnet werden, die als Gemeinschaftsvorhaben mit dem Romantikerhaus Jena entsteht. Das Novalis-Museum ist zusammen mit 19 weiteren Literatur- und Kunstmuseen der neuen Länder als literarischer Gedächtnisort von nationaler Bedeutung in das "Blaubuch" des Kulturstaatsministers der Bundesrepublik aufgenommen worden, das Paul Raabe in dessen Auftrag herausgegeben hat. Neben der alten Lindenallee im Schlosspark, die Novalis' Vater am Tage seiner Hochzeit anlegte, erblüht seit drei Jahren ab März ein "Blauer Garten", der über 40 verschiedene, blau blühende oder blaublättrige Pflanzen versammelt. Angelegt wurde er gemeinsam mit dem Botanischen Garten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die blauen Gewächse geben eine Idee davon, dass die von Novalis in seinem Roman "Heinrich von Ofterdingen" thematisierte und von der Nachwelt folgenreich verinnerlichte "Blaue Blume" nicht eigentlich eine botanische Spezies sein sollte, sondern eher seiner auf die alchemistische und hermetische Tradition rückgreifenden Idee vom Streben nach Wissen als der die Menschheit vorantreibenden Kraft ein Bild gab. Gabriele Rommel Dr. Gabriele Rommel ist Direktorin der Forschungsstätte für Frühromantik und des Novalis-Museums Schloß Oberwiederstedt AsKI KULTURBERICHTE 2/2003