Netzwerke gewaltbereiter Islamisten

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Impressum
Herausgeber:
Landesamt für Verfassungsschutz Hessen
Konrad-Adenauer-Ring 49
65187 Wiesbaden
3., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage
Stand:
Mai 2012
www.verfassungsschutz.hessen.de
E-Mail: poststelle@lfv.hessen.de
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Inhalt
Vorbemerkung
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Gewaltbereiter Islamismus
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Islamisten im Internet
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Fazit
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Vorbemerkung
Seit einiger Zeit steht Deutschland im Blickfeld islamistischer
Terroristen.
Vor allem das Engagement der Bundesrepublik Deutschland in Afghanistan, das auch den Einsatz der Bundeswehr
umfasst, ist verstärkt in den Fokus der globalen islamistischen Propaganda gelangt. Islamisten instrumentalisieren
dabei den Afghanistaneinsatz, um die Bedrohung deutscher
Interessen im In- und Ausland zu rechtfertigen.
Seit 2009 wurden im Internet vermehrt islamistische Propaganda-Verlautbarungen veröffentlicht, darunter auch unmittelbar gegen Deutschland gerichtete Drohungen. Einige
stammen von Personen, die al-Qaida bzw. anderen islamistisch-terroristischen Gruppierungen mit Nähe zur al-Qaida
zugeordnet werden können. Darin wird immer wieder der
Abzug der NATO-Streitkräfte, und somit auch der Bundeswehr, aus Afghanistan gefordert.
Am 2. März 2011 zeigte sich, dass auch in Deutschland ein
islamistisch motivierter Anschlag geschehen kann: Am Flughafen Frankfurt am Main gab ein damals 21-jähriger Mann
mehrere Schüsse auf US-amerikanische Soldaten ab und
verletzte vier von ihnen; zwei der Truppenangehörigen erlitten
tödliche Verletzungen. Der Täter wurde noch am Flughafen
festgenommen und schließlich am 10. Februar 2012 zu einer
lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt.
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Nach Sichtung seines Profils im sozialen Netzwerk „Facebook“
konnte eine sogenannte Freundschaftsbeziehung zum „Facebook“-Auftritt eines islamistischen Missionierungsnetzwerks
aus Frankfurt am Main festgestellt werden. Es ergaben sich
zudem weitere Hinweise darauf, dass sich der Schütze vor
seiner Tat mit den Vorträgen eines der Protagonisten dieses
Netzwerks auseinander gesetzt hatte.
Zudem erhielt das Thema mit der Tötung des al-QaidaFührers Usama Bin Ladin am 2. Mai 2011 durch US-amerikanische Spezialeinheiten eine neue Brisanz.
Zwar liegen derzeit keine konkreten Hinweise auf weitere
bevorstehende Anschläge vor, dennoch halten sich auch in
Hessen Personen auf, die sich am bewaffneten Kampf vorgeblich „zur Verteidigung des Islam“ beteiligen wollen. Von
diesen Personen gehen Gefährdungsmomente aus, die der
näheren Aufklärung durch die Sicherheitsbehörden bedürfen.
Die vorliegende Broschüre widmet sich diesen Gefahrenpotenzialen und liefert einen kurzen Überblick über die
Zielvorstellungen und ideologischen Grundlagen des gewaltbereiten Islamismus. Dabei werden denkbare Radikalisierungswege gewaltbereiter islamistischer Akteure ebenso
angesprochen wie die Auswirkungen eines Aufenthalts in
einem terroristischen Ausbildungslager.
Die dritte Auflage ist angesichts neuer Entwicklungen überarbeitet und aktualisiert worden.
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Gewaltbereiter Islamismus
Vor allem Personen, die sich bereits dem bewaffneten
Kampf gegen die „Ungläubigen“ verschrieben haben, stellen
eine große Bedrohung für deutsche Interessen im In- und
Ausland dar.
Zielsetzung
Diese Menschen sehen sich zumeist als „Kämpfer für die Sache
Allahs“ (Mujahidin), die den Islam gegen eine vermeintliche
Aggression der „Ungläubigen“ verteidigen wollen. Als geeignetes Mittel bejahen sie dabei auch den bewaffneten Kampf,
den sie nicht nur in den Kampfgebieten des Mittleren Ostens
und Zentralasiens führen, sondern auch durch terroristische
Anschläge in andere Teile der Welt zu tragen versuchen.
Viele Mujahidin sind bereits derart radikalisiert, dass sie auch
dazu bereit sind, ihr Leben im „Kampf für den Islam“ zu opfern.
Diese Einstellung setzt voraus, dass sie nicht nur mit konventionellen Konfliktlösungsstrategien abgeschlossen, sondern
auch eine Ideologie verinnerlicht haben, die ihren Kampf zu
rechtfertigen vermag.
Ideologische Grundlagen
Die ideologische Grundlage, die alle Mujahidin gemeinsam
haben, bildet der sogenannte Salafismus. Dabei handelt es
sich um eine extremistische Interpretation des Islam, deren
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Anhänger vor allem durch lose Netzwerke miteinander verbunden sind.
Salafismus
Salafisten geben vor, ihre religiöse Praxis und Lebensführung
ausschließlich an den Prinzipien des Koran und dem vom
Propheten Muhammad und den „frommen Altvorderen“
(arab. as-salaf as-salih) gesetzten Vorbild auszurichten. Aus
dieser Ausrichtung leitet sich auch die heute überwiegend
verwendete Bezeichnung „Salafismus“ für diese extremistische Interpretation des Islams ab.
Das Ziel der Salafisten ist es, eine vermeintlich ideale islamische Gesellschaft zu schaffen. In letzter Konsequenz soll
ein islamistischer Gottesstaat errichtet werden, in dem
wesentliche Grundrechte und Verfassungspositionen keine
Geltung haben sollen.
Je nach gesellschaftlichem und politischem Kontext akzeptieren Salafisten dabei auch den Einsatz von Gewalt, um ihre
Ideologie zu verbreiten und ihre Vorstellung des islamistischen Staates durchzusetzen. Sie knüpfen dabei an die Vorstellungen des bewaffneten Kampfes zur „Verteidigung des
Islam gegen die Ungläubigen“ an.
Grundlegende salafistische Positionen sind u. a. die angestrebte umfassende Organisation der Gesellschaft nach den
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Regeln der islamischen Rechtsordnung (Scharia). Diese Regeln finden ihren Ursprung im Koran und sind somit – als
gottgegebene Weisungen – für alle Gläubigen verbindlich.
Sämtliche Regelungen des öffentlichen und privaten Lebens
werden dabei aus der Scharia hergeleitet.
Salafisten lehnen deshalb demokratisch legitimierte – also
durch freie Wahlen bestimmte – Regierungen und Parlamente
sowie die von ihnen verabschiedeten Gesetze als nicht mit
den Grundsätzen der Scharia übereinstimmend ab. Als Teil
dieser Regeln werden zum Beispiel Körper- und Todesstrafen
für bestimmte Straftaten gefordert, so etwa die Steinigung bei
Ehebruch oder das Abtrennen der Hand bei Diebstahl.
Diese Strafen sind u.a. mit dem Schutz der Menschenwürde
aus Artikel 1 des Grundgesetzes unvereinbar.
Weitere salafistische Prinzipien sind die unbedingte Forderung nach der Vollverschleierung der Frau oder die Ablehnung des jüdischen und christlichen Glaubens als gleichwertige Religionen neben dem Islam.
Ihre Ideologie versuchen Salafisten vor allem über das Internet,
Vorträge und sogenannte „Islamseminare“ zu verbreiten.
„Islamseminare“ sind zumeist mehrtägige Veranstaltungen,
die in erster Linie der Indoktrinierung sowie der Gewinnung
neuer Anhänger dienen. Sie sind aber auch ein Mittel zur
Kontaktpflege bereits radikalisierter Muslime. Neben der
Verbreitung salafistischen Gedankenguts steht also auch der
Gedanke der Vernetzung im Vordergrund.
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Die im Rahmen von „Islamseminaren“ gehaltenen Vorträge
können häufig auch im Internet abgerufen werden und bilden
so eine wirkungsvolle Ergänzung für die Radikalisierungsbemühungen der Vortragenden.
Während der Großteil der Salafisten in Deutschland versucht, über Missionierungsaktivitäten neue Anhänger zu
gewinnen (politischer Salafismus), ist ein kleinerer Teil davon
überzeugt, dass die Errichtung eines islamistischen Gottesstaats nur durch den bewaffneten Kampf möglich sei
(jihadistischer Salafismus). Auch wenn sich die Anhänger
beider Strömungen häufig gegenseitig kritisieren, sind
die Übergänge fließend, da sich beide auf die gleichen
Quellen beziehen und zudem im politischen Salafismus
eine ambivalente Haltung zur Anwendung von Gewalt
besteht.
Radikalisierungsverlauf
Die Radikalisierung gewaltbereiter Islamisten verläuft nicht
stereotyp nach einem bestimmten Schema: Ausgangssituation und Beweggründe der Betroffenen sind vielfältig.
Schon deshalb verbieten sich pauschale Erklärungsansätze.
Dennoch lässt sich ein idealtypischer Radikalisierungsverlauf skizzieren:
Dieser beginnt zumeist mit der Ablehnung der Werte und
Normen der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft und
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der sukzessiven Übernahme der ideologischen Vorgaben
des Salafismus in das eigene Weltbild.
Der inneren Abkehr folgt in der Regel auch der äußerlich
wahrnehmbare Rückzug aus der Gesellschaft. Kontakte zu
„westlich“ orientierten Bekannten und Freunden werden
abgebrochen. Es ist vielfach eine Konzentration auf eine
strenge islamistische Glaubensauslegung zu beobachten,
die nur mit Gleichgesinnten gelebt werden kann.
Als möglicher Höhepunkt der Radikalisierungsphase kann
sich dann die Bereitschaft zum bewaffneten Kampf oder zum
Besuch eines terroristischen Ausbildungslagers entwickeln.
Mehrere Faktoren können den Radikalisierungsprozess begünstigen. Dazu zählen vor allem in der Persönlichkeit der
Betroffenen liegende Faktoren wie eine unbefriedigend
erscheinende persönliche Lebenssituation, fehlende Anerkennung, ein geringes intellektuelles Differenzierungsvermögen oder fehlendes Mitgefühl für andere Menschen.
Wirken darüber hinaus noch Einflüsse von außen auf die
Betroffenen ein, ist ein Radikalisierungserfolg umso wahrscheinlicher. Hierzu werden etwa private Kontakte zu
bekennenden Salafisten oder salafistischen Missionierungsnetzwerken, Auslandsaufenthalte sowie der Besuch islamistischer Internetseiten und -foren gezählt.
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Die Phase der Rekrutierung
An die Radikalisierungsphase kann sich dann eine Phase der
„Rekrutierung“ anschließen, in der die Betroffenen zum Beispiel Anschluss an eine terroristische Organisation suchen,
von Terroristen angeworben werden oder in der sie aus eigenem Antrieb damit beginnen, das notwendige „Know-How“
für eigene terroristische Aktionen zu erwerben, z.B. durch
einen Aufenthalt in einem terroristischen Trainingslager.
Der Besuch terroristischer Ausbildungslager – die z. B. im
Grenzgebiet von Afghanistan und Pakistan angesiedelt sind –
stellt einen wesentlichen Baustein zur Radikalisierung von
Islamisten dar.
Hier können die angehenden Kämpfer das erforderliche
technische Wissen erwerben, um sich an bewaffneten Auseinandersetzungen zu beteiligen: Es werden „Schulungsinhalte“ zum Umgang mit Schusswaffen und Sprengvorrichtungen oder zur verschlüsselten Kommunikation vermittelt.
Die Ausbildungslager haben aber auch die Funktion einer
„Kontaktbörse“. Die Absolventen lernen sich im täglichen
(Kampf-) Training kennen und teilen gemeinsame Erlebnisse
und Erfahrungen. So können sich auch zum Teil sehr beständige persönliche Beziehungen entwickeln, die für das
Funktionieren islamistisch-terroristischer Personennetzwerke
von erheblicher Bedeutung sind.
Besonders wichtig sind jedoch die psychologischen Auswirkungen eines Ausbildungslageraufenthalts auf den EinNETZWERKE GEWALTBEREITER ISLAMISTEN
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zelnen: Sein ohnehin schon erhebliches Radikalisierungspotenzial wird hierdurch in der Regel noch weiter erhöht.
Außerdem tragen Erlebnisberichte aus den Ausbildungslagern zusätzlich zur Radikalisierung anderer Islamisten bei.
Aber auch Videoveröffentlichungen, die den Eindruck erwecken, einen Einblick in den Alltag im Ausbildungslager zu geben, vermitteln eine offenbar von gewaltbereiten Islamisten
als positiv empfundene Ausstrahlung des Lagerlebens.
Seit September 2009 wurden im Internet vermehrt Botschaften veröffentlicht, die Bilder und Videosequenzen aus
Ausbildungslagern mit Drohbotschaften gegen Deutschland verknüpften. In diesen Lagern aufhältige deutschsprachige Islamisten kündigten Anschläge in Deutschland an
und belegten die Ernsthaftigkeit dieser Drohungen unter
anderem mit dargestellten Trainingssituationen in den
Lagern oder sogar Aufnahmen vermeintlicher Angriffe auf
die Stellungen der gegnerischen Militärkontingente.
Gefahr durch Rückkehrer
Von den Absolventen dieser Ausbildungscamps gehen
auch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland zum Teil erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit aus. Diese Personen verfügen nach ihrer Ausbildung nicht nur über terroristisches „Expertenwissen“, sie haben auch an Attraktivität
als Ansprechpartner für bereits radikalisierte Muslime ge12
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wonnen. Mit ihren Erlebnisschilderungen können sie andere
davon überzeugen, sich ebenfalls am bewaffneten Kampf
zu beteiligen. Auch die für eine Reise in ein Kampfgebiet
oder ein terroristisches Ausbildungslager notwendige logistische Hilfe, zum Beispiel durch die Benennung von Kontaktpersonen im Ausland, können die Absolventen eines terroristischen Trainingsprogramms oft zur Verfügung stellen.
Damit stellen auch terroristische Ausbildungslager im Ausland – z.B. in Zentralasien oder Somalia – eine maßgebliche
Gefährdung der Sicherheitslage in Deutschland dar.
Nicht zuletzt deshalb hat der Gesetzgeber mit der Schaffung
der §§ 89a und 89b des Strafgesetzbuches die Ausbildung
in solchen Lagern unter Strafe gestellt.
Unter sicherheitsbehördlichen Gesichtspunkten ist es jedoch
vorzugswürdig, bereits die Ausreise angehender Kämpfer in
solche Lager oder in bestimmte Kampfgebiete zu verhindern.
Dies bedarf jedoch möglichst genauer Aufklärungsarbeit,
da nicht jede Reise von Islamisten zu dem Zweck erfolgt, in
ein terroristisches Ausbildungslager zu gelangen. Pauschale
Lösungen verbieten sich also auch hier – jeder Einzelfall
muss für sich betrachtet und bewertet werden.
„Sauerlandgruppe“
Ein Beispiel für die Gefährlichkeit von Rückkehrern aus terroristischen Ausbildungslagern bietet die sogenannte „Sauerlandgruppe“ – ebenso für die Entwicklung Deutschlands zu
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einem Ziel gewaltbereiter Islamisten. Am 4. September 2007
wurden im sauerländischen Medebach/ Oberschledorn drei
Personen festgenommen, deren Vorbereitungen für Sprengstoffanschläge schon weit fortgeschritten waren. Die drei
Aktivisten – einer davon in Hessen wohnhaft – wurden im März
2010 vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu elf bzw. zwölf Jahren Haft verurteilt. Ein vierter Angehöriger dieser Gruppe
wurde in der Türkei festgenommen und im gleichen Verfahren
zu fünf Jahren Haft verurteilt. Allen konnte nicht nur Mitgliedschaft oder Unterstützung in der terroristischen Vereinigung
„Islamische Jihad Union“ (IJU) nachgewiesen werden, sondern
auch die konkrete Planung von Anschlägen in Deutschland.
„Islamische Jihad Union“ (IJU)
Die IJU entstand 2002 durch Abspaltung von der „Islamischen
Bewegung Usbekistans“ (IBU), welche wiederum 1998 mit
dem Ziel gegründet wurde, den usbekischen Präsidenten
Karimov zu stürzen. Meinungsverschiedenheiten zur ideologischen und strategischen Ausrichtung der Gruppierung
führten zur Trennung.
Zielsetzung der IJU ist es, die „Unterdrückung der Muslime“
weltweit zu beenden. Sie unterhält Kontakte zur al-Qaida, ist
aber auch bemüht, mit Sympathisanten aus anderen – auch
europäischen – Ländern zusammenzuarbeiten.
Die Aktivisten der „Sauerlandgruppe“ wurden in Ausbil14
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Mögliche Reiserouten gewaltbereiter Islamisten ins
afghanisch-pakistanische Grenzgebiet
©2010 Google - Kartendaten ©2010 Basarsoft, Geocentre Consulting, PPWK, Mapabc, AND, LeadDog Consulting, Tele Atlas, Transnavicom, Europa Technologies
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dungslagern der IJU geschult und dort auf ihren „Einsatz“
in Deutschland vorbereitet. Sie hatten sich während ihrer
Ausbildung derart radikalisiert, dass sie der Anweisung der
IJU-Führung Folge leisteten, statt eines direkten Einsatzes in
einem dortigen Kampfgebiet nach Deutschland zurückzukehren, um dort eigenständig Anschläge vorzubereiten.
Die Planungen konnten im Vorfeld aufgedeckt und die
Anschläge letztlich verhindert werden.
Hessisches Umfeld der „Sauerlandgruppe“
Im Oktober 2009 verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt
am Main zwei in Hessen wohnhafte Islamisten unter anderem wegen Unterstützung der IJU zu Haftstrafen von
zwei Jahren und neun Monaten bzw. einem Jahr und zwei
Monaten. Die Verurteilten wurden durch Angehörige der
„Sauerlandgruppe“ radikalisiert. Einer der beiden besuchte
darüber hinaus ein Ausbildungslager im afghanischpakistanischen Grenzgebiet, während der zweite versuchte
dorthin zu gelangen, jedoch beim Grenzübertritt an der
iranisch-pakistanischen Grenze verhaftet wurde.
Darüber hinaus verurteilte das Gericht im Januar 2010 einen weiteren in Hessen wohnhaften Islamisten wegen Unterstützung der IJU zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr
auf Bewährung. Auch dieser Mann wurde von einem Angehörigen der „Sauerlandgruppe“ radikalisiert.
Im März 2010 wurde der Bruder eines Mitgliedes der
„Sauerlandgruppe“ wegen Unterstützung der IJU zu neun
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Monaten Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt.
Im Oktober 2010 verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt
am Main einen weiteren aus Hessen stammenden Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und
drei Monaten.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass es sich bei ihm um
einen Unterstützer der „Sauerland-Gruppe“ handelte. Außerdem wurde er der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der
IJU und der Unterstützung dieser terroristischen Vereinigung
für schuldig befunden.
Die Anschlagsplanungen der „Sauerlandgruppe“ verdeutlichen das Bedrohungspotenzial für Deutschland, das sich
nicht zuletzt in den genannten Verurteilungen widerspiegelt.
Dennoch gehen gewaltbereite Islamisten seit einiger Zeit dazu
über, den bewaffneten Kampf in den Konfliktgebieten als
primäres Ziel zu verfolgen. Ein dortiger Kampf erscheint vielen
Aktivisten inzwischen attraktiver und erfolgversprechender als
ein Anschlagsversuch in Deutschland. Allerdings unterschätzen
viele die Beschwernisse des Kampfeinsatzes und kehren dann
nach Deutschland zurück. Häufig erhalten die gescheiterten
Mujahidin jedoch nur die Erlaubnis ihrer Anführer zur Rückkehr, wenn sie in Deutschland Aufträge erfüllen.
So verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main im
Mai 2011 einen aus Hessen stammenden 25-jährigen zu einer
Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten wegen
mitgliedschaftlicher Beteiligung in einer ausländischen terroristischen Vereinigung:
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Der Mann war im Frühjahr 2009 ins pakistanisch-afghanische
Grenzgebiet gereist, um sich dort am bewaffneten Kampf zu
beteiligen. Zunächst hatte er sich bei der IBU aufgehalten,
schloss sich dann aber al-Qaida an, in deren Lagern er
schließlich für den Kampf ausgebildet wurde.
Als er gemeinsam mit seiner Kampfgruppe nach Afghanistan
marschieren sollte, kehrte er gemeinsam mit einem weiteren
Kämpfer um, unter anderem deshalb, weil er sich den Strapazen nicht gewachsen fühlte.
Zurückgekehrt erbat er von seiner Führung die Erlaubnis,
seinen Aufenthalt in Pakistan beenden und nach Deutschland zurück reisen zu dürfen. Er erhielt die Erlaubnis nur
deshalb, weil er – seinen Angaben nach nur vorgeblich – versprach, al-Qaida von Deutschland aus finanziell zu unterstützen und beim Aufbau eines Netzwerks zu helfen.
Islamisten im Internet
Gewaltbereite Islamisten nutzen das Internet intensiv als
Mittel zur Verbreitung ihrer Propaganda.
Videobotschaften
Gewaltbereite Islamisten verbreiten ihre Propaganda in erster Linie durch Videobotschaften. Die Videos sind meist professionell gestaltet und auf die Sehgewohnheiten und Erwartungen der angesprochenen Zielgruppe zugeschnitten:
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Sie beinhalten häufig effektvolle Schnitte, suggestive Bilder
oder eine Untermalung mit Kampfgesängen.
Ziel der zahlreichen Internetveröffentlichungen ist es zum
einen, radikalisierte Muslime für einen Kampfeinsatz zu
gewinnen und zum anderen die Bevölkerung in den „westlichen“ Ländern im Sinne der Islamisten zu beeinflussen.
Dies kann sogar – wie im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 –
soweit gehen, dass gewaltbereite Islamisten versuchen,
durch Drohungen mit Anschlägen in Deutschland Einfluss
auf Wahlentscheidungen zu nehmen.
Islamistische Internetforen
Internetforen – vorwiegend in arabischer Sprache – bilden
einen wesentlichen Bestandteil der islamistischen Aktivitäten
im Internet. Es gibt jedoch auch Angebote in englischer,
deutscher und türkischer Sprache.
Diese Foren, zu denen meist nur registrierte Mitglieder
uneingeschränkten Zugang haben, ermöglichen es Islamisten, sich weltumspannend auszutauschen und sich gegenseitig ideologisch zu festigen. In diesem Zusammenhang
werden in den Foren überwiegend politische und religiöse
Themen diskutiert. Daneben werden aber auch technische
Themen wie beispielsweise Computersicherheit, Handhabung von Schusswaffen oder gar der Bau von Sprengkörpern behandelt.
Auch neu erschienene Videobotschaften werden in den Foren
zum Download angeboten.
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Internet-Magazine
Eine andere Möglichkeit für gewaltbereite Islamisten, ihre
Propaganda zu verbreiten, sind Internet-Magazine.
So veröffentlichte zum Beispiel der al-Qaida-Ableger
„al-Qaida auf der arabischen Halbinsel“ (AQAH) im Juli 2010
im Internet erstmalig ein englischsprachiges Magazin mit
dem Titel „Inspire“. Das Magazin enthielt u. a. praktische
Hinweise zur Teilnahme am gewaltsamen Kampf oder Anleitungen zum Bombenbau mit haushaltsüblichen Gebrauchsgegenständen.
Strafverfahren und Urteile
Mit Urteil vom 28. September 2011 befand das Oberlandesgericht München einen 19-jährigen deutscher Staatsangehöriger afghanischer Herkunft aus Offenbach für schuldig, eine
terroristische Vereinigung im Ausland unterstützt sowie Mitglieder und/oder Unterstützer für diese Vereinigung über
das Internet geworben zu haben. Das Gericht setzte die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe für die
Dauer von zwei Jahren zur Bewährung aus. Dem Angeklagten
wurde auferlegt, 80 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten.
Neben dem genannten hessischen Akteur waren sieben
weitere mutmaßliche Islamisten aus dem Bundesgebiet
angeklagt. Allen Beteiligten wurde vorgeworfen, in den Jahren
2006 bis 2008 über die Internetplattform der Globalen Isla20
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mischen Medienfront (GIMF) Drohvideos und Propagandamaterial für den gewaltsamen Jihad verbreitet und ins Deutsche übersetzt zu haben. Die höchste verhängte Strafe war
dabei eine Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Die GIMF wurde 2004 als internationales Netzwerk islamistischer Aktivisten zur Verbreitung von Propaganda für den
globalen gewaltsamen Jihad über das Internet gegründet.
2006 wurden erstmals Aktivitäten einer deutschsprachigen
Sektion der GIMF festgestellt. Durch diese wurden neben
fremd produziertem Material – etwa der al-Qaida-Produktionsfirma As-Sahab – auch eigene Filme und Propagandaschriften verbreitet. Nach der Festnahme des Gründers der
deutschsprachigen GIMF-Sektion im September 2007 ging
die Zahl der Veröffentlichungen auf der Internetplattform
stetig zurück. Inzwischen ist die Internetpräsenz der deutschsprachigen GIMF-Sektion vollständig eingestellt.
Am 23. Dezember 2011 verurteilte das Oberlandesgericht
Frankfurt am Main außerdem einen 26-jährigen deutschen
Staatsangehörigen türkischer Herkunft wegen Werbung um
Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland in drei Fällen und Anleitung zur Begehung
einer schweren staatsgefährdenden Straftat zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung das
Gericht zur Bewährung ausgesetzt hat. Das Gericht stellte
fest, dass der aus Hessen stammende Angeklagte im InterNETZWERKE GEWALTBEREITER ISLAMISTEN
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net Propagandamaterial der ausländischen terroristischen
Vereinigung al-Qaida weiterverbreitete, um hierdurch deren
propagandistischen Zielen zu dienen und Mitglieder oder
Unterstützer zu werben.
Außerdem befand das Gericht den Angeklagten der Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden
Straftat für schuldig. In einer im Jahr 2009 geführten E-MailKorrespondenz hatte er einem ihm unbekannten Islamisten
mitgeteilt, wie unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen mit großer Zerstörungswirkung hergestellt und
gezündet werden. Dem Angeklagten, der über chemische
Kenntnisse verfügt, war dabei bewusst, dass sein Kontaktmann bereits Sprengstoffanschläge begangen hatte und
einen weiteren Anschlag zur Tötung von „Ungläubigen“
plante.
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Fazit
Gewaltbereite Islamisten und die von ihnen gebildeten
Netzwerke erfordern auch in Zukunft das besondere Augenmerk der Sicherheitsbehörden. Gerade die lose Struktur
dieser Netzwerke, in der die Akteure zum Teil auch über
große Entfernungen in Verbindung bleiben und dabei vielfältige Kontaktmöglichkeiten nutzen, hat nur wenig mit dem
Organisationsgrad bisher bekannter terroristischer Gruppierungen gemein.
Bereits die Entstehung islamistischer Netzwerkstrukturen
verläuft höchst unterschiedlich: Einzelpersonen werden
durch Internetforen, Videobotschaften oder persönliche
Kontakte zu bekennenden Salafisten oder salafistischen
Missionierungsnetzwerken radikalisiert und für den gemeinsamen Kampf gegen die „Ungläubigen“ oder Unterstützungshandlungen gewonnen.
Je nach ihrer persönlichen Situation versuchen sie, in ein
Ausbildungslager auszureisen bzw. sich in verschiedener
Form am bewaffneten Kampf zu beteiligen, Kämpfer zu unterstützen oder andere Personen zu radikalisieren und zu rekrutieren. Die so entstehenden Kontakte führen zu Netzwerkstrukturen, die sich grundsätzlich von festen Organisationsformen unterscheiden: So werden hierarchische
Strukturen nur dort akzeptiert, wo sie für das Erreichen des
gemeinsamen Ziels unerlässlich sind, beispielsweise im
Kampf oder bei der Planung und Durchführung terroristischer Anschläge.
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Die maßgeblichen verbindenden Elemente zwischen den
einzelnen Angehörigen eines Netzwerks bleiben die gemeinsamen salafistischen Grundpositionen einerseits und
die grundsätzliche Anerkennung einiger weniger ideologischer Leitfiguren wie z.B. des getöteten Führers des Terrornetzwerks al-Qaida, Usama bin Ladin, andererseits.
Hinzu kommen zum Teil bereits jahrelang bestehende
Bekanntschaften oder gemeinsame Erfahrungen aus dem
bewaffneten Kampf oder dem Besuch eines terroristischen
Ausbildungslagers.
Die Unbedingtheit, mit der gewaltbereite Islamisten ihre
Ziele verfolgen, und die damit verbundene häufig anzutreffende Bereitschaft, das eigene Leben „zur Verteidigung des
Islam“ zu opfern, stärkt die an sich losen Beziehungen darüber hinaus noch weiter.
Dieser Umstand, verbunden mit einem den Angehörigen
solcher Netzwerke oft eigenen konspirativen Verhalten,
macht letztlich die besondere Gefährlichkeit von gewaltbereiten islamistischen Netzwerken aus.
Insoweit bedeutet der Tod Bin Ladins noch nicht, dass das
Phänomen der gewaltbereiten islamistischen Netzwerke
kurzfristig ein Ende haben könnte.
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Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch
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davon, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Informationsschrift
dem Empfänger zugegangen ist.
Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen
Mitglieder zu verwenden.
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