Kapitalmarktrecht – Übernahmerecht

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Kapitalmarktrecht – Übernahmerecht
Unternehmens- und Kapitalmarktrecht
Teil 8
Universität Hamburg, WS 2012/2013
von Rechtsanwalt Dr. Ingo Janert
© Dr. Ingo Janert, 2012
Kapitalmarktrecht – Übernahmerecht
1.
Funktion und Anwendungsbereich des WpÜG
a.
Regelungszweck des WpÜG
● Mit dem In-Kraft-Treten des WpÜG zu Beginn des Jahres 2002 hat Deutschland als
eines der letzten Länder innerhalb der EU allgemeinverbindliche Regeln für
Übernahmeangebote eingeführt. Das Gesetz hat sich nach Einschätzung vieler Fachleute
in der Praxis gut bewährt.
● Das WpÜG regelt öffentliche Angebote eines Bieters zum Erwerb von Aktien einer
deutschen Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien und von
Gesellschaften mit Sitz im EWR (vgl. § 2 Abs. 3 WpÜG). Damit werden alle öffentlichen
Offerten erfasst.
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Kapitalmarktrecht – Übernahmerecht
● Das WpÜG verfolgt vor allem vier Ziele:
• Schaffung von Leitlinien für ein faires und geordnetes Angebotsverfahren,
ohne Unternehmensübernahmen zu fördern oder zu behindern
• Verbesserung der Information und der Transparenz für die betroffenen
Wertpapierinhaber und Arbeitnehmer
• Stärkung der rechtlichen Stellung von Minderheitsaktionären bei
Unternehmensübernahmen
• Orientierung an international üblichen Standards
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Kapitalmarktrecht – Übernahmerecht
b.
Anwendungsbereich des WpÜG
• Das WpÜG findet nach §1 WpÜG auf alle öffentlichen Kauf- und
Tauschangebote Anwendung, die auf den Erwerb von Wertpapieren ausgegeben wurden
und zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind.
• Ein öffentliches Angebot i.S.v. § 2 Abs. 1 WpÜG ist z.B. gegeben, wenn es sich an alle
Aktionäre richtet, gleich ob das Angebot in einer überregionalen Tageszeitung
veröffentlicht wird oder jeder Aktionär das Angebot per Brief erhält.
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b.
Regelungsbereiche des WpÜG
aa.
Allgemeine Grundsätze des WpÜG
• Das WpÜG formuliert in seinem § 3 einige allgemeine Grundsätze, die für die Bieter
sowie für den Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft gelten. Die Inhalte dieser
Grundsätze entsprechen im Wesentlichen internationalen Standards.
• Nach diesen allgemeinen Grundsätzen sind etwa die Inhaber von Wertpapieren der
Zielgesellschaft, die derselben Gattung angehören, gleich zu behandeln (§ 3 Abs. 1
WpÜG). Darüber hinaus müssen die Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft über
genügend Zeit und ausreichend Informationen verfügen, um in Kenntnis der Sachlage
über das Angebot entscheiden zu können (§ 3 Abs. 2 WpÜG).
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• Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft müssen im Interesse der Zielgesellschaft
handeln (§ 3 Abs. 3 WpÜG). § 3 Abs. 4 WpÜG untersagt eine unangemessene
Verzögerung des Übernahmeverfahrens. § 3 Abs. 5 WpÜG bestimmt, dass beim Handel
mit Wertpapieren der Zielgesellschaft, der Bietergesellschaft oder anderer durch das
Angebot betroffene Gesellschaften keinerlei Marktverzerrung geschaffen werden dürfen.
bb. Die Angebotsarten des WpÜG
• Das WpÜG differenziert zunächst zwischen freiwilligen Angeboten und Pflichtangeboten
(§ 2 Abs. 1 WpÜG). Weiter kennzeichnet das WpÜG die Unterscheidung zwischen
Angeboten, die auf den Erwerb der Kontrolle über die Zielgesellschaft gerichtet sind, und
Angeboten, bei denen die Kontrollerlangung keine Rolle spielt (vgl. § 29 Abs. 1 WpÜG).
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• Das Übernahmerecht unterscheidet demnach einfache Erwerbsangebote,
Übernahmeangebote sowie Pflichtangebote.
(1)
(Einfaches) Erwerbsangebot
• Der gesetzliche Regelfall ist ein einfaches Erwerbsangebot. Hierbei handelt es sich um
ein Angebot zum Erwerb einer Beteiligung oder zur Aufstockung einer Beteiligung, das
weder auf die Kontrollerlangung über die Zielgesellschaft gerichtet ist noch einer Pflicht
des Bieters entspricht.
• Für ein einfaches Erwerbsangebot gelten die Vorschriften der §§ 10 ff. WpÜG.
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(2)
Übernahmeangebot
• Sofern das Erwerbsangebot zwar freiwillig, aber auf Kontrollerlangung über die
Zielgesellschaft gerichtet ist, liegt der Sonderfall des Übernahmeangebots vor. Von einer
Kontrollerlangung wird immer dann gesprochen, wenn die Übernahme auf das Halten von
mindestens 30 v.H. der Stimmanteile an der Zielgesellschaft - ohne Berücksichtigung der
Satzung der Zielgesellschaft - gerichtet ist (§ 29 Abs. 2 WpÜG).
• Für ein Übernahmeangebot gelten neben den allgemeinen Vorschriften für ein
einfaches Erwerbsangebot (§§ 10 ff. WpÜG) die speziellen Regelungen der §§ 29 ff.
WpÜG (vgl. § 34 WpÜG).
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(3)
Pflichtangebot
• Ein Pflichtangebot muss grundsätzlich abgeben, wer auf irgendeine Weise, unmittelbar
oder mittelbar die Kontrolle über eine Zielgesellschaft erlangt hat, ohne dass diesem
Ereignis ein Übernahmeangebot vorausgegangen ist (§ 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1,
Abs. 3 WpÜG).
• Die Regeln über das Pflichtangebot gelten z.B. dann, wenn jemand durch
außerbörslichen rechtsgeschäftlichen Erwerb oder Erbgang die Kontrollschwelle von 30
v.H. der Stimmrechte an der Zielgesellschaft überschritten hat. Mit dem Pflichtangebot
wird dann dem Minderheitsaktionär die Möglichkeit eingeräumt, seine Anteile zu einem
angemessenen Preis zu veräußern.
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• Für das Pflichtangebot gelten die Regelungen der §§ 10 ff. WpÜG (Pflichtangebote)
und der §§ 29 ff. WpÜG (Übernahmeangebote). Allerdings gehen die speziellen
Regelungen für ein Pflichtangebot (§§ 35 ff. WpÜG) vor (§ 39 WpÜG).
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2.
Überblick über das Übernahmeverfahren
a.
Vorbereitungsphase
• Um eine Manipulation des Markts zu verhindern, verlangt das WpÜG, dass der Bieter
seine vom Vorstand und Aufsichtsrat beschlossene Entscheidung zur Abgabe eines
Angebotes unverzüglich den Kapitalmarktbehörden mitteilen muss (§ 10 Abs.2 WpÜG).
• Er muss darüber hinaus die Entscheidung der Mitteilung unverzüglich veröffentlichen
(§ 10 Abs. 1, Abs. 3 WpÜG).
• Schließlich muss der Bieter nach der Veröffentlichung seine Entscheidung auch der
Zielgesellschaft unverzüglich mitteilen (§ 10 Abs. 5 WpÜG).
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b.
Angebot und Angebotsunterlage
• Innerhalb von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Entscheidung muss der
Bieter die Angebotsunterlage - dies ist in der Praxis ein Prospekt - der BaFin zur
Prüfung übermitteln (§ 14 Abs. 1 WpÜG). Enthält die Angebotsunterlage nicht die
gem. § 11 Abs. 2 WpÜG i.V.m. § 2 Angebotsverordnung erforderlichen Angaben,
wie z.B. über die Art und die Höhe der für die Wertpapiere der Zielgesellschaft
gebotenen Gegenleistung oder verstoßen die gemachten Angaben offensichtlich
gegen Rechtsvorschriften, so hat die BaFin das Angebot zu untersagen (§ 15 Abs.
1 Nr. 1, 2 WpÜG).
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• Gestattet die BaFin die Veröffentlichung der Angebotsunterlage, so muss der
Bieter die Veröffentlichung unverzüglich vornehmen (§§ 14 Abs. 2, Abs. 3 WpÜG).
Nach dieser Veröffentlichung muss die Angebotsunterlage der Zielgesellschaft übermittelt
werden.
• Das Angebot selbst muss insoweit bindend sein. Der Bieter kann nicht erst den Markt
testen, indem er die Aktionäre auffordert, ihrerseits Angebote zu machen (§ 17 WpÜG).
Unzulässig sind mithin öffentliche „Angebote“ in der Form der Invitatio ad offerendum.
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• Der Bieter kann allerdings in gewissen Grenzen sein Angebot nachträglich
ändern, z.B. seine Gegenleistung erhöhen (§ 21 Abs. 1 WpÜG). Jede
Änderung des Angebots ist in gleicher Weise zu veröffentlichen, wie das
Angebot selbst (§ 21 Abs. 2 WpÜG). Wer das Angebot vor der
Angebotsänderung bereits schon angenommen hat, kann in diesem Fall
zurücktreten und das günstigere Angebot annehmen (§ 21 Abs. 4 WpÜG).
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c.
Stellungnahme der Zielgesellschaft
• Der Vorstand der Zielgesellschaft, dem der Bieter die Angebotsunterlage unverzüglich
nach ihrer Veröffentlichung übermitteln muss (§ 10 Abs. 5 WpÜG), hat die
Angebotsunterlage unverzüglich an den zuständigen Betriebsrat oder, wenn ein solcher
nicht besteht, unmittelbar an die Arbeitnehmer weiterzuleiten (§ 14 Abs. 4 WpÜG).
• Im Anschluss daran haben der Vorstand und der Aufsichtsrat der
Zielgesellschaft eine begründete Stellungnahme zu dem Angebot zu veröffentlichen (§ 27
WpÜG). Die Stellungnahme darf eine konkrete Empfehlung an die Inhaber der
Wertpapiere enthalten. In der internationalen Übernahmepraxis ist die Stellungnahme des
Vorstands wohl die wichtigste Abwehrwaffe gegen feindliche Übernahmeangebote.
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• Die begründete Stellungnahme der Zielgesellschaft muss sich mit der Art und der Höhe
der angebotenen Gegenleistung, den vom Bieter verfolgten Zielen und den
voraussichtlichen Folgen eines erfolgreichen Angebots für die Zielgesellschaft, ihre
Arbeitnehmer und Vertretungen, die Beschäftigungsbedingungen und ihre Standorte
auseinandersetzen. Ferner ist mitzuteilen, ob Mitglieder des Vorstands oder des
Aufsichtsrats, soweit sie Aktien an der Zielgesellschaft besitzen, das Bieterangebot
anzunehmen beabsichtigen (§ 27 Abs. 1 WpÜG). Haben der Betriebsrat oder die
Arbeitnehmer dem Vorstand eine Stellungnahme zu dem Bieterangebot übermittelt, so
muss der Vorstand der Zielgesellschaft die Stellungnahme seiner eigenen beifügen (§ 27
Abs. 2 WpÜG).
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d.
Annahme des Angebots
• Mit der Annahme des Angebotes innerhalb der (grundsätzlich) vierwöchigen
Annahmefrist kommt jeweils ein (bürgerlich-rechtlicher) Kauf- oder Tauschvertrag
zwischen dem Bieter und dem Aktionär der Zielgesellschaft zustande.
• Der Bieter ist verpflichtet, die Öffentlichkeit über die Annahmen seines Angebots auf
dem Laufenden zu halten (sog. Wasserstandsmeldungen). Er muss wöchentlich, in der
Woche vor Ablauf der Annahmefrist sogar täglich und unverzüglich nach Ablauf der Frist
die ihm zustehenden und die aus den zugegangenen Annahmeerklärungen sich
ergebenden Stimmrechtsanteile veröffentlichen (§ 23 Abs. 1 WpÜG).
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3.
Sanktionen und Rechtsschutz
a.
Sanktionen
• Die Verletzung vieler Verhaltensvorschriften nach dem WpÜG kann mit einer
Geldbuße von bis zu einer Million EUR geahndet werden (§ 69 WpÜG).
• Wer ein Pflichtangebot nicht abgibt, kann für den Zeitraum des Verstoßes zudem
aus seinen Aktien keine Rechte ausüben. Dies gilt auch für Aktien, die dem
Verpflichteten zugerechnet werden (§ 59 Satz 1 WpÜG). Für Ansprüche auf
Dividende und Liquidationserlöse gilt dies jedoch nur, wenn der Verstoß
vorsätzlich erfolgte und das Angebot nicht nachgeholt wurde (§ 59 Satz 2 WpÜG).
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b.
Rechtsschutz
• Gegen Verfügungen der BaFin ist zunächst ein Widerspruch zum Widerspruchsausschuss einzulegen (§ 41 WpÜG). Erst danach ist gegen die ablehnende Entscheidung
des Widerspruchsausschusses (§ 6 WpÜG) die Beschwerde (nur) zum OLG Frankfurt
a. M. statthaft (§ 48 WpÜG). Eine Rechtsbeschwerde zum BGH ist hingegen nicht
vorgesehen. Zur Beschleunigung des Verfahrens sind kurze Fristen, Anwaltszwang und
der weitgehende Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und
Beschwerde gesetzlich vorgesehen.
• Für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten aus dem WpÜG - etwa zwischen dem Bieter
einerseits und/oder Aktionären und der Zielgesellschaft andererseits -, sind ohne
Rücksicht auf den Streitwert die Landgerichte zuständig (§ 66 Abs. 1 WpÜG).
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• Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus den allgemeinen Vorschriften, doch besteht
ein besonderer Gerichtsstand beim Landgericht am Sitz der Zielgesellschaft (§ 66 Abs. 1
Satz 3 WpÜG).
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