Critical Action Learning - Coaching Kongress 2017 in Erding
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Critical Action Learning - Coaching Kongress 2017 in Erding
Erfahrung | Schwerpunkt | Critical Action Learning | Bernhard Hauser Critical Action Learning Das Selbst in der Arbeit des Veränderungsbegleiters Bernhard Hauser Als Fortentwicklung des klassischen Action-Learning-Ansatzes hat sich Critical Action Learning (CAL) in den letzten Jahren zu einem sehr wirksamen Vorgehen entwickelt. Im CAL werden kollektive Phänomene wie Mikropolitik, Machtdynamiken und dysfunktionale Kulturmuster bearbeitet, die im Management täglich zu Spannungen führen und vielfältige Emotionen auslösen. Für sachlogisch sozialisierte Manager ist dies eine schwer zugängliche und oft abgründige Welt. Der Beitrag zeigt auf, wie ein Facilitator in reflektierenden Gruppen, welche mit nachhaltigem Wandel befasst sind, sein Selbst und die eigene Betroffenheit nutzen kann, um Zugang zu den meist verdeckten aber sehr wirksamen Steuerungsmechanismen zu erhalten und dadurch Sicherheit und Orientierung im Veränderungsprozess zu geben. «Die können nicht, die wollen nicht – kann ja wohl nicht sein! Austauschen!», «Die Führungskräfte haben sich wieder was ausgedacht – am besten weitermachen wie bisher…». Die Schleusen waren geöffnet, und es kamen von allen Seiten sehr persönliche Äußerungen über aktuelle Erlebnisse in der Organisation. Auslöser dafür war die Frage des Facilitators nach konkreten Beispielen von «Merkwürdigkeiten» in der Zusammenarbeit. Das Anliegen der Leitung des erfolgreichen Chemieunternehmens war, den trotz beachtlicher Belastbarkeit festgestellten Mangel an Eigeninitiative der hochqualifizierten Belegschaft und Führungsmannschaft, der sich mehr in Skepsis, Zweifel und Ablehnung als in zupackendem Engagement zeigte, zu verändern. Oder wie eine Führungskraft es formulierte: «Wir sind gut, aber wir könnten das beste Unternehmen der Welt sein, wenn wir anders zusammenarbeiten würden.» In einem anderen Unternehmen, welches als Teil eines großen Konzerns anspruchsvolle Vorgaben zu erfüllen hatte, kam es zwischen der Zentrale und den zahlreichen Standorten häufig zu Spannungen, die sich angesichts grundlegender Umgestaltungen des Geschäfts mit tiefgreifenden Prozessveränderungen noch verschärften. Übereinstimmend äußerten viele Führungskräfte an verschiedenen Standorten: «Die Zentrale will das, dann soll sie auch ein genau ausgearbeitetes Konzept vorlegen, das alle Parameter berücksichtigt und gleich eingeführt werden kann. Wir hier können gar nichts tun!» Die Folge war eine weitere Runde von Schuldzuweisungen nach dem Muster «Die Zentrale hat wieder kein praxistaugliches Konzept abgeliefert» bzw. «Die in den Standorten xyz wollen einfach nicht verstehen…» 18 Situationen wie diese, in denen Engagement und Initiative gebremst sind, behindern Veränderungen und kosten Schnelligkeit und Ergebnis. Wenn sie andauern, sind sie ein Hinweis auf ungeschriebene Gesetze in der Organisation, die als nicht mehr hinterfragte Denk- und Handlungsmuster Teil der gelebten Unternehmenskultur geworden sind. Action Learning ist ein hoch wirksamer Ansatz des Erfahrungslernens, mit dem die Beteiligten gleichzeitig persönliche und organisationale Veränderungen in Gang setzen. In kleinen Gruppen (so genannten Sets), die heterogen zusammengesetzt sind, greifen die Teilnehmer drängende Probleme oder aktuelle Herausforderungen der Organisation auf und reflektieren begleitend den Lösungsprozess. Action Learning ist geprägt von der Überzeugung, dass man am besten anhand konkreter Herausforderungen lernt. Zur Bearbeitung und Veränderung reicht es dann nicht, die drängenden Probleme anzupacken, sondern es ist notwendig, auch die kollektiv geteilten aber oft verdeckten Annahmen, die das Verhalten steuern, zu thematisieren und kritisch zu hinterfragen. Ein Ansatz dazu ist Critical Action Learning (CAL), welches sich in den letzten Jahren zu einem sehr wirksamen Vorgehen entwickelt hat. Als Weiterentwicklung des klassischen Action Learning thematisiert CAL insbesondere Mikropolitik und Machtdynamiken sowie die daraus resultierenden Spannungen, denen Manager täglich ausgesetzt sind und die OrganisationsEntwicklung Nr. 1 |2014 Bernhard Hauser | Critical Action Learning | Schwerpunkt Emotionen, die diese auslösen. Für sachlogisch denkende Manager ist das meist eine ungewohnte, abgründige und schwer zugängliche Welt. Es verwundert daher nicht, dass im CAL die Unterstützung durch einen erfahrenen Facilitator einen weit höheren Stellenwert hat, als dies im herkömmlichen Action Learning, welches den Fokus stärker auf den Umgang mit individuellen und operativen Problemen richtet, der Fall ist. Lernen beginnt mit dem Eingeständnis von Nicht-Wissen ist eine der Grundüberzeugungen im Action Learning. Für viele Probleme in Changeprojekten gibt es aufgrund ihrer Neuartigkeit oder Besonderheiten des Einzelfalls noch keine Lösung. Offen für Lernen werden wir aber erst, wenn wir uns eingestehen, dass wir noch nicht wissen, wie das Problem am besten gelöst wird. Das prinzipielle Eingeständnis von Nicht-Wissen — besonders vor Anderen — ist für viele Führungskräfte (und nicht nur für sie) eine Hürde und doch ist es ein wesentlicher Schlüssel zu wirkungsvollem Lernen. Als Facilitator kann man diese Aufgabe nur wahrnehmen, wenn man bereit ist, sich mit seiner Persönlichkeit, seinem Selbst, auf den Veränderungsprozess, der angestoßen und begleitet werden soll, wirklich einzulassen und dann immer wieder die notwendige Distanz herzustellen, um produktive Auswertungsprozesse in Gang zu setzen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist das bewusste Eingestehen des «Nicht-Wissens» (siehe Kasten) auch des Facilitators angesichts der Besonderheiten und der Einzigartigkeit der Situation, um nicht die Illusion zu erzeugen, der Berater verfüge über eine inhaltliche Expertenlösung, die es nur noch umzusetzen gelte. Der Abbau dieses Gefälles setzt Lösungsenergie im Set frei. Critical Action Learning in der Praxis Im ersten Fall, der exemplarisch für zahlreiche aktuelle Beispiele betrachtet wird, war die Situation folgende: Die Mitglieder des Sets, also der kleinen Gruppe von Managern verschiedener Ebenen, die sich freiwillig gemeldet hatten, um die Veränderung der Firmenkultur in Angriff zu nehmen, hatten zu Beginn unterschiedliche Vorstellungen von ihrer Aufgabe. Die meisten gingen jedoch davon aus, dass es darum ginge, sich mit verschiedenen theoretischen oder in anderen Unternehmen realisierten Kulturkonzepten zu befassen, die derzeitige Kultur genau zu beschreiben und anschließend ein Papier mit Leitsätzen zu erstellen, welches im Unternehmen diskutiert und verabschiedet werden könnte. Es gab allerdings auch Stimmen, die – ohne ein alternatives Vorgehen vorzuschlagen – zu Recht skeptisch waren, ob die Erstellung und Wirkung eines solchen Papieres tatsächlich eine wirkliche Verbesserung bringen würde. OrganisationsEntwicklung Nr. 1 |2014 | Erfahrung Critical Action Learning (CAL) ist eine grundlegende Erweiterung des ursprünglichen Konzepts, mit dem ein Perspektivwechsel von der Betrachtung individueller Probleme zu kollektiven oder gemeinschaftlichen Phänomenen vorgenommen wird. Mit dem Perspektivwechsel rücken Machtkonstellationen und die politische Dimension einer Organisation explizit ins Blickfeld. Betrachtet wird beispielsweise, wie Mikropolitik kollektives und individuelles Lernen beeinflusst – also es ermöglicht oder auch verhindert. Auch Emotionen, die leicht auf eine persönliche Befindlichkeit reduziert werden, besonders wenn sie ein den Arbeitsablauf störendes Maß annehmen, bekommen eine neue Bedeutung als Ausdruck, Medium und Spiegel von Einflussnahme und Machtdynamiken. CAL zielt darauf ab, dass sich Individuen und Gruppen mit den oft verborgenen Annahmen und Emotionen auseinandersetzen, die unterschwellig, aber sehr wirksam, das Denken und Handeln in Organisationen beeinflussen. Individuelle Erlebens- und Verhaltensmuster sagen also in diesem Verständnis sowohl etwas über die betreffende Person aus, als auch über die sozialen Prozesse im Set, in der Gruppe und in der weiteren Organisation. CAL geht auf Hugh Wilmott zurück, der die Erkenntnisse der Kritischen Theorie (z. B. der Frankfurter Schule um Jürgen Habermas) mit dem ActionLearning-Konzept verknüpfte. Der Facilitator sah in dieser Anfangsphase eine wichtige Aufgabe darin, das Set zu öffnen für die eigenen Erfahrungen, die sie mit dem Führungsverhalten im Unternehmen gemacht hatten und sich auf einen Austausch darüber einzulassen, um so eine erste Exploration vorzunehmen, wo tatsächlich Handlungsbedarf besteht. Voraussetzung dafür war, dass er sich auch selbst öffnete und empfangsbereit machte für das, was gerade passierte. Dem Set gegenüber gehörte dazu, Sicherheit zu vermitteln und einen wertschätzenden Rahmen zu schaffen, der Offenheit nach innen und Vertraulichkeit nach außen sicherstellte, und so gleichzeitig unterstützend für die beteiligten Personen war, aber auch kritisch herausforderndes Hinterfragen garantierte. Um diesen ungewohnten Ansatz für die Manager auch konzeptionell nachvollziehbar zu machen, wurde vom Facilitator die in Abbildung 1 gezeigte Darstellung des Modells des Erfahrungslernens eingesetzt, welches im Action Learning häufig verwendet wird, weil man damit auch Denk- und Handlungsgewohnheiten, die im Alltag nicht mehr hinterfragt werden, und daher quasi automatisch ablaufen, besprechbar machen kann. Solche Automatisierungsvorgänge finden sich überall, wo wir uns mit Routinen das Leben erleichtern. Wenn sie in Gruppen oder ganzen Organisationen ein akzeptiertes Vorgehen sind, werden sie im Lauf der Zeit Teil der gelebten Kultur. 19 Erfahrung | Schwerpunkt | Critical Action Learning | Bernhard Hauser Abbildung 1 Abbildung 2 Automatisierte Denk- und Handlungsweisen werden nicht mehr reflektiert Auswertung von impliziten Beobachtungen schafft neuen Lösungsraum Konkrete Erfahrung Überprüfen der Implikationen von Konzepten in neuen Situationen Automatisierte Denkund Handlungsweisen sind Bestandteile einer gemeinsamen Kultur und werden nicht mehr hinterfragt. Zugang: «Merkwürdigkeiten» Beobachtungen und Reflexionen X Konkrete Erfahrung Überprüfen der Implikationen von Konzepten in neuen Situationen Beobachtungen und Reflexionen Kulturveränderung: Bislang automatisiertes Denken und Handeln gezielt auswerten, um neue produktive Lösungen zu entwickeln Bildung von Konzepten und Generaliserungen Bildung von Konzepten und Generaliserungen Die Intervention des Facilitators zielt darauf, den vollen Lernzyklus zu nutzen, indem Beobachtungen sorgsam ausgewertet werden. Denk- und Handlungsroutinen werden dabei einer Reflexion unterzogen, wodurch das quasi automatisierte Muster unterbrochen und ein verändertes Handeln möglich wird. Die Teilnehmer berichteten in der moderierten Reflexion, dass abwertende Äußerungen von den nicht direkt betroffenen Anwesenden meist schweigend hingenommen werden. Auch ihnen selbst fiel es häufig sehr schwer, die «Mauer des Schweigens» zu durchbrechen, obwohl sie definitiv nicht einverstanden waren. Als Betroffener, auch dazu gab es Erfahrungen, fühle man sich vollständig alleingelassen. Die Aufgabe im eingangs erwähnten Veränderungsprozess war es, diese subtilen und schwer fassbaren, aber außerordentlich wirksam ablaufenden Mechanismen der sozialen Kontrolle einem kollektiven Diskurs in der Reflexion zu unterziehen, um den Weg für neue Entscheidungen und eine Neujustierung der Kultur zu öffnen (vgl. Abbildung 2). nur dann kann er erfassen, wenn etwas Bedeutsames geschieht, wie der erstmalige Austausch über zahlreiche Kränkungen. Gleichzeitig geht es darum, bei den anderen zu sein und mit ihnen gemeinsam zu explorieren, um zu verstehen, was dies genau bedeutet, wie es dazu kommt, warum niemand interveniert und wie sich das auf den Mut und das Engagement vieler Kollegen auswirkt. Auf der anderen Ebene, in der Abbildung mit «Kollektiv, Individuell und Rahmen» bezeichnet, geht es darum, den Einzelnen wahrzunehmen mit seiner individuellen Erfahrung und Art sich zu äußern, wenn er sich öffnet. Auch der Facilitator selbst ist in diesem Moment eines der beteiligten Individuen, das von dem Erlebten etwas mitteilen kann (wenn auch nicht aus der Geschichte, die er nicht teilt) und klären hilft. Der Spannungsbogen vom Individuellen zum Kollektiven findet durch einen Prozess der Vergemeinschaftung der unterschiedlichen Einzelempfindungen und Verarbeitungen zu einer gemeinsam geteilten Einschätzung statt. Die Stimmigkeit auszuloten, aus der Energie zum Handeln entsteht, ist eine wichtige Qualität des Facilitators, die nur über Präsenz und Empfänglichkeit – eben dem ganzen Sein in seiner Verletzlichkeit – möglich ist. Alle vier Felder, die sich aus der Kombination der beiden Achsen in der Darstellung ergeben, wurden vom Facilitator genutzt: Die Facilitator-Kompetenz des Sprechens aus der eigenen Betroffenheit aller Teilnehmer heraus nutzte der Facilitator, um Rolle des Facilitators Für den kritischen Facilitator stellt dies einen permanenten Balanceakt dar, zumal solche Prozesse der Kulturveränderung oft mehrere Jahre dauern, bis sie nachhaltig wirksam werden. Veranschaulichen lässt sich der Balanceakt des Facilitators mit der Darstellung in Abbildung 3, die auf Raelin zurückgeht. Die Herausforderung ist eine doppelte: Der Facilitator muss, um präsent zu sein, sich selbst spüren und bei sich selbst bleiben; 20 OrganisationsEntwicklung Nr. 1 |2014 Bernhard Hauser | Critical Action Learning | Schwerpunkt Abbildung 3 Interventionsfelder und Kompetenzen für kritische Facilitatoren nach Raelin Beim eigenen Selbst bleiben Mit anderen hinterfragen Kollektiv Sprechen... um das Gemeinsame herauszufinden und zu artikulieren Testen... um ergebnisoffen mögliche neue Wege zu erkunden Individuell Sich öffnen... durch Aussprechen eigener Zweifel und Mitteilen der eigenen Leidenschaft Klären... um Fakten, Annahmen, Gründe und Konsequenzen heraus zu arbeiten Rahmen SEIN präsent, neugierig und verletzlich einen Bezug zu konkret erlebten Episoden des Führungsverhaltens im Unternehmen herzustellen, die die Teilnehmer als merkwürdig und auffallend betrachteten. Die Teilnehmer brachten in kürzester Zeit zahlreiche Beispiele und stellten in einer ersten Auswertung fest, dass alle ähnliche Erfahrungen gemacht hatten, die sie als entwertenden Umgang unter Kollegen empfanden. Diese emotional aufgeladene Situation führte zu einer Vergemeinschaftung von Erfahrung, die von den Teilnehmern als entlastend empfunden wurde. Der Facilitator begleitete diesen Prozess aufmerksam und unterstützte durch behutsame Interventionen, damit alle ausreichend Platz hatten und überprüfte inwieweit tatsächlich eine gemeinsame Einschätzung des Erlebten entstand. Anschließend öffnete er sich der Gruppe und meldete zurück, wie er selbst die gerade stattgefundene Situation erlebt hatte. Er gab seiner Einschätzung Ausdruck, dass dies natürlich nur ein Ausschnitt der gelebten Firmenkultur war, aber möglicherweise eine bedeutsame Spur, und da Entwertung zu Entmutigung führen könne sei Engagement unter solchen Bedingungen mit einem hohen emotionalen Risiko verknüpft. Die Phasen des Klärens und Testens leitete der Facilitator dadurch ein, dass er die Frage nach dem Handlungsbedarf auf der individuellen wie auf der kollektiven Ebene aufwarf. Zunächst klärte das Set mit jedem einzelnen Teilnehmer, wie es ihm in der von ihm geschilderten Situation ging und was er gebraucht hätte. Dies erzeugte bei allen noch einmal hohe Betroffenheit und führte auf der Ebene des Sets zu zahlreichen OrganisationsEntwicklung Nr. 1 |2014 | Erfahrung Ideen, worauf sie in der kommenden Zeit stark achten wollten und wie sie sich verhalten würden, um unbedachten Entwertungen entgegenzuwirken. Zusätzlich zu diesen unmittelbar auf das eigene Verhalten bezogenen Reflexionen lenkte der Facilitator dann die Aufmerksamkeit darauf, wie die Unternehmensleitung und die gesamte Belegschaft in den gerade stattgefundenen Arbeitsprozess einbezogen werden könnten. Diskussion — das Selbst des Facilitators im Prozess Der geschilderte kurze Ausschnitt aus einem komplexen Veränderungsprozess macht deutlich, dass dem Selbst des Facilitators im CAL eine bedeutsame Rolle zukommt. Er nutzt es im Sinne von «Sein», um Zugang zur Atmosphäre und den Schwingungen in der Gruppe zu erhalten und ein sicheres Ambiente für kritische Reflexion zu schaffen, den Teilnehmern Gelegenheit zur Auswertung ihrer Erfahrungen zu geben und eingefahrene Denk- und Verhaltensweisen zu verlassen, sowie um Blockaden zu lösen und neue Wege zu beschreiten. Dazu gehört auch, sich selbst zu öffnen, um in einem weitgehend hierarchiefreien Raum das gemeinsame Explorieren der Situation (auch der inneren Situation) zu ermöglichen und gemeinsam zu lernen. Der Facilitator. Im Critical Action Learning (CAL) werden Dynamiken bearbeitet, die trotz ihres großen Einflusses im normalen Berufsalltag selten professionell thematisiert werden. Die Rolle des Facilitators ist daher besonders wichtig, um das Set darin zu unterstützen, das Augenmerk auf die verdeckten Dynamiken zu richten, die Erkenntnisse zu vergemeinschaften und so neue Handlungsoptionen zu eröffnen. Der Facilitator kann dieser emanzipatorischen Aufgabe nur nachkommen, wenn er sich öffnet und sich mit seiner Persönlichkeit einbringt, um die verschiedenen emotionalen und mikropolitischen Strömungen wahrzunehmen und im Set bearbeitbar zu machen. Zu den beträchtlichen Anforderungen, die dies an die Persönlichkeit und an die professionelle Arbeit stellt, gehören: • Innere Klarheit und Unbestechlichkeit — sich nicht vereinnahmen zu lassen und Mut, die Dinge anzusprechen, aber auch die Fähigkeit, Wahrnehmung nicht mit «Wahrheit» zu verwechseln. • Eine hinterfragende und suchende Haltung — auch in Bezug auf das eigene Denken und Handeln. • Ein bewusster Umgang mit Macht und Einfluss — die Vertrauensposition erfordert, den eigenen Einfluss behutsam und nicht manipulativ zu nutzen, um dem Set einen sicheren Raum zur eigenen Entwicklung zu geben. • Respekt vor den Werten und Einschätzungen anderer — verknüpft damit, den Beteiligten die Möglichkeit zu eröffnen, in der Reflexion ihre Überzeugungen zu überprüfen und ggf. weiterzuentwickeln. 21 Erfahrung | Schwerpunkt | Critical Action Learning | Bernhard Hauser Dieser Prozess kann allerdings auch scheitern, da der Facilitator leicht zum Gegenstand von Projektionen wird, die ihn mit eigenen Ängsten aber auch Vorurteilen, d. h. automatisierten Denk- und Handlungsmustern aus der persönlichen Biografie konfrontieren. In Fällen wie diesen kommt es durchaus vor, dass auch ein Facilitator Zielscheibe von Entwertungen wird und seine Kompetenz in Frage gestellt wird. Das Ausagieren eines dadurch entstehenden Impulses durch Rückzug und Vermeidung, so verständlich es wäre, würde das bestehende Muster aber bestätigen, statt es in der Reflexion aufzuarbeiten und dadurch die Möglichkeit zu eröffnen, es zu verändern. Dieser offene Diskurs in einem hierarchiefreien Raum ist also kein Selbstläufer, da der Facilitator allein schon durch seine Anwesenheit Einfluss nimmt und in seiner Funktion auch Aufgaben hat, die es erfordern, den Einfluss zu nutzen. Ein Unterschied besteht aber zum Beispiel darin, ob der Facilitator als Rollenmodell die Gruppe unterstützt, kritisch zu reflektieren und als «Ko-Forscher» auch seine Eindrücke und Erkenntnisse dem Set zur Verfügung stellt oder ob er versucht, seine Position dazu zu nutzen, die Gruppe mehr oder weniger subtil in eine bestimmte Richtung zu bewegen, also zu manipulieren. Vielleicht geschieht dies sogar in der subjektiv besten Absicht, weil er glaubt, dass es zum Besten der Gruppe sei, vielleicht auch, weil er sich verpflichtet fühlt, angenommene oder tatsächliche Aufträge zum Beispiel der Unternehmensleitung umzusetzen, ohne dies offen zu thematisieren. Der fortwährend sorgsame und sensible Umgang mit der eigenen Machtposition gehört daher zu den herausragenden Anforderungen an einen Facilitator. Der bewusste Umgang mit dem eigenen Selbst stellt für den Organisationsentwickler als Facilitator eine wesentliche Bedingung dar, um Verstehen, Reflexion und gemeinsames Lernen zu fördern. Ein tendenziell hierarchiefreier, nichtmanipulativer Umgang aber muss immer wieder neu erworben und rückversichert werden durch eine Reflexion der Dynamiken im Set. Literatur • Doppler, K. & Voigt, B. (2012). Feel the Change — Wie erfolgreiche Manager Emotionen steuern. Campus. • Hauser, B. (2012 a). Action Learning — Workbook mit Praxistipps, Anleitungen und Hintergrundwissen für Trainer, Berater und Facilitators. Managerseminare. • Hauser, B. (2012 b). Navigation in unbekannten Welten — Dekonstruktion als zukünftige Führungsaufgabe. In: Grote, S. (Hrsg.). Die Zukunft der Führung. Springer, S. 347—364. • Hauser, B. (2013). Wo ist die Führungs-KRAFT? Management, Leadership, Shared Leadership und die Evolution der Führungsrolle. In: Landes, M. & Steiner, E. (Hrsg.), Psychologie der Wirtschaft. Springer, S. 279—296. • Pedler, M. (Hrsg.) (2011). Action learning in practice. 4. Aufl. Gower. • Pedler, M. (2012). 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