Die Zeit, Januar 2013, Deutschland

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Die Zeit, Januar 2013, Deutschland
56 REISEN Neuer Trend im Schnee: Skilehrer to go
7. F E B RU A R 2013
D I E Z E I T No 7
Fotos: Tina Steinauer für DIE ZEIT/www.tinasteinauer.com
Eine Abfahrt – drei mögliche Lehrer:
Armin, Jaques und Thomas (von links)
auf dem Jochpass. Unser Autor wählte
Armin. Gemeinsam üben sie Be- und
Entlasten (kleines Foto)
Wie ein Delfin im Schnee
Im schweizerischen Engelberg kann man Skilehrer für nur eine Abfahrt mieten. Hilft das? Ein Testlauf
Armin hat Kiefer und Kinn und
dieses Hochenergetisch-Positive
Engelberg ist das meistbesuchte und mit 82 Pistenkilometern das größte Skigebiet der Zentralschweiz. Fern der Ferien, an einem Sonntagabend
Mitte Januar, ist von Menschenmassen allerdings
nichts zu sehen. Im Dorfzentrum Hotels mit Anklängen mal an Alpenrustikal, mal an Belle Époque, das Heimatmuseum mit den Wappen der
NK
RE
wichtigen alteingesessenen Familien, das 900 Jah- paar Hundert Meter lang, ich kann den Lift an
re alte Kloster mit der größten Orgel der Schweiz. ihrem Ende sehen.
Alles sehr schön. Sehe ich mir gründlich an, wenn
Komme ich dort an, ist dann die Saat gesetzt, die
ich die Nase voll haben sollte vom Skifahren oder mich zu einem besseren Skifahrer macht, kann das
mir was breche.
gehen? »Ja, sicher kann das gehen, oder?! Sehr gut
Auf dem Weg ins Skigebiet am nächsten
sogar«, sagt Tom-Armin. Die Aktion war seine
Morgen verstehe ich an der Talstation noch
Idee. Weil er auf der Piste immer wieder Leute
sieht und denkt, ein kleiner Tipp nur, und die
weniger als unter Schweizerdeutschen: Buswürden viel besser und sicherer fahren. »Wenn
ladungsweise drängen Tagesausflugs-Chinesie dann merken, wie das hilft«, sagt Armin,
sen in die Gondeln. Die wollen auf den Titlis,
der gehört für die Asiaten anscheinend zum
»buchen sie ja vielleicht doch einen richPflichtprogramm einer Schweiz-Reise,
-Reise,
tigen Kurs.« Eine Rolle gespielt haerklärt mir der Gondelmann.
ben dürfte auch, dass der Franken
be
DEUTSCHLAND
Die Skischule hat gerade ihhggerade urlauberabschreckend
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ren Stand vor der Restaurantstark ist und die Gäste als
Zürich
hütte auf dem Jochpass aufErstes am Skikurs sparen.
Bern
ENGELBERG
gebaut, drei Skilehrer stehen
Bevor es losgeht, soll
hinter dem Biertisch. Viele
ich wie auf einem ManaTitlis
SCHWEIZ
Leute schauen interessiert
ger-Seminar zur Erfolgsauf den Angebotsflyer, aber
visualisierung sagen, was
niemand will der Erste sein.
ich lernen will. Ich skizzieBleibt mir die Auswahl. Ich
re die Baum-Problematik.
ITALIEN
werde nur eine Lehrabfahrtt
Schockiert Tom-Armin kein
machen, welcher »Instructor«
bisschen,
der bleibt skilehreror«
b
ZEIT- GRAFIK
50 km
passt am besten?
grundpositiv.
Fährt voraus, den
gru
Thomas, weil er so groß wie iich
Blick
h iistt
Bli k zurück zu mir. Wie immer
und darum vielleicht meine ungelenken Benutze ich die Piste in voller Breite. Das hat
wegungsabläufe versteht? Jaques, der Sozialwis- nur zum Teil mit Fahrfreude zu tun: Ich brauche
senschaften studiert und an einem ethnologischen den Konzentrationsanlauf, um kurz vorm SeitenProjekt arbeitet? Kann er sich am besten in meine aus die Ski mit aller Kraft herumzuwuchten.
Fremdheit auf diesem Terrain hineinfühlen? Ich
Nach einigen Kehren stoppen wir. Armin zieht
nehme Tom. Tom heißt eigentlich Armin, aber er mit seinem Stock eine Abwärtsgerade in den Schnee,
hat Kiefer und Kinn und Blick und dieses Hoch- darüber eine scharfkantige Zickzacklinie. »So fährst
energetisch-Positive, als würde Tom Cruise einen du« sagt er. »Dieses Geknorze wollen wir nicht
Engelberger Skilehrer spielen. Klein und beweg- mehr!« Dann malt er Bogenschwünge in den Boden.
lich, mein körperliches Gegenstück, von ihm »So wollen wir fahren!«, sagt er. Finde ich gut, nur
werde ich mir am meisten abgucken können. Wir wie? Tief in die Knie gehen, kurz vorm Wendepunkt
nehmen die mittelschwere Jochpass-Piste. Ein aufrichten, Ski entlasten und rum. Dazu die Stöcke
FR A
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ch fahre Ski wie ein toter Baum. Muss ich
um die Kurve, kralle ich einen meiner
Äste in den Schnee und wuchte die Masse mit einem Ruck herum. Das ist das
Ergebnis einer Videoanalyse, mit der
mich meine nähere soziale Umgebung
nach dem letzten Winterurlaub überraschte. Und ich hatte gedacht, ich komme jede
Piste hinunter und wirke noch elegant dabei.
Ich brauche Nachhilfe. Aber an einem Skikurs
teilnehmen und stunden-, tagelang Lektion um
Lektion verarbeiten müssen, das würde mich erschöpfen. Dann finde ich die »Rent a Ski Instructor«Anzeige einer Skischule im schweizerischen Engelberg. »Mieten Sie Ihren Skilehrer direkt auf der
Piste«, lese ich und: »1 Abfahrt inkl. Techniktipps
19 Franken«. Das wäre ja ein Knüller, wenn das
funktioniert, eine Abfahrt lang Unterricht bekommen und damit schon weicher in der Hüfte werden.
Engelberg liegt am Ende eines 25 Kilometer
langen Tales in einem Kessel. Was für ein Blick vom
Bahnhof nach Süden: wuchtige Gipfel, schroffe
Wände und über allem der 3239 Meter hohe Titlis.
Weit oben an seiner Flanke ziehen sich Schlieren
durch den Schnee. Ein Mann sieht meinen verwirrten Blick. »Das sind Freerider«, sagt er. Sehen
großartig aus, so losgelöst.
VON BJØRN ERIK SASS
wie einen Fahrradlenker in die Hände nehmen.
Klingt banal, aber hat mir noch nie jemand gesagt.
Doch können diese Tricks noch fruchten?
Ein Zehntel der Miet-Instruktoren-Strecke
haben wir schon hinter uns. Funktioniert tatsächlich. Armins Lektionen im Ohr, ihn als Vorbild
ein paar Meter vor mir – der Klotz wird beweglicher. Beim nächsten Stopp legt Armin noch einen drauf: Wie ein Delfin durch die Meereswogen soll ich im Auf und Nieder meines Kehrenschwunges den Hang hinuntergleiten, das sagt er
wirklich so. Kommt mir ziemlich esoterisch vor,
aber Armin ist so überzeugend, dass ich ohne
Mucken mitmache.
»Stell dir einen Gewichtheber vor, der
die Hantel im Ausatmen hochreißt«
Dann wird mir weiß vor Augen. Eine dichte Nebelwand ist den Berg hochgezogen. Armin erklärt
nebenbei auch noch die Geografie des Tals. Diese
Berge sind die erste Barriere für das Wetter aus
Norden. »Wir stehen auf dem nördlichsten
Hauptkamm, da kommt das Vorgebirge, davor
nur noch Hügel – darum trifft uns Wetter aus
Nord besonders brutal.« Wir flippern uns weiter
hinunter. Das klappt mal besser, mal schlechter,
aber nie mehr fahre ich so durchgängig hölzern
und schwerfällig wie vorher.
Schließlich ergänzt Armin den Delfin und den
Fahrradlenker um die passende Atemtechnik: Richte ich mich vor den Kehren auf, soll ich ausatmen.
»Stell dir einen Gewichtheber vor, der die Hantel im
Ausatmen hochreißt.« Sage ich mir auf, woran ich
da alles denken soll, komme ich durcheinander, tue
ich es einfach, passt alles zusammen. Am Lift schaue
ich auf die Uhr: in zwanzig Minuten vom toten Holz
zum Rad fahrenden Delfin.
Engelberg
Anreise
Von Zürich mit dem Zug in knapp 2,5
Stunden über Luzern nach Engelberg
Unterkunft
Hotel Schweizerhof, ein paar Schritte vom
Bahnhof entfernt. Dorfstraße 42,
Tel. 0041-41/637 11 05,
www.schweizerhof-engelberg.ch.
DZ mit Frühstück ab circa 150 Euro
Abfahrt
»Rent a Ski Instructor« ist ein Angebot
der Prime Ski School Engelberg,
www.prime-engelberg.ch. Nächster
Termin 9. Februar. Eine Abfahrt circa 15
Euro, zwei Abfahrten circa 28 Euro
Skiverleih
Zum Beispiel Titlis Sport Engelberg, im
Dorfzentrum und direkt an der Talstation,
tgl. 8–18 Uhr, Tel. 0041-41/638 00 00,
www.titlis-sport.ch.
Ski und Schuhe ab circa 45 Euro/Tag
Auskunft
Engelberg-Titlis Tourismus, Tel. 004141/639 77 77, www.engelberg.ch
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