Ökologische Risikobeurteilung an kontaminierten Standorten

Transcription

Ökologische Risikobeurteilung an kontaminierten Standorten
Ökologische Risikobeurteilung
an kontaminierten Standorten
Altlastenmanagement 2010
ÖKOLOGISCHE RISIKOBEURTEILUNG AN
KONTAMINIERTEN STANDORTEN
Endbericht zum Arbeitspaket 3 des Projektes
„Altlastenmanagement 2010“
(Neuausrichtung der Beurteilung und Sanierung
von kontaminierten Standorten)
Eva Edelmann
Timo Dörrie
Thomas Reichenauer
Andreas P. Loibner
REPORT
REP-0337
Wien 2011
Projektleitung
Dietmar Müller, Umweltbundesamt
AutorInnen
Eva Edelmann – im Auftrag von: bfe Biotechnologie Forschungs- und Entwicklungs GmbH
Timo Dörrie, Umweltbundesamt
Thomas G. Reichenauer, AIT Austrian Institute of Technology GmbH
Andreas P. Loibner, Universität für Bodenkultur
Lektorat
Maria Deweis, Umweltbundesamt
Brigitte Read, Umweltbundesamt
Satz/Layout
Elisabeth Riss, Umweltbundesamt
Umschlagfoto
© Luftbild: BEV, Landesregierungen und Land-, forst-, und wasserwirtschaftliches Rechenzentrum GmbH/
M. Kaitna
Dank für die Diskussionen in Rahmen von zwei Workshops gilt folgenden ExpertInnen:
Andreas Baumgarten – AGES, Institut für Bodengesundheit und Pflanzenernährung
Philippe Brandner, blp Geoservices GmbH
Michael Enna, Wiener Gewässer Management GmbH
Martin Gerzabek, Universität für Bodenkultur, Department für Wald- und Bodenwissenschaften
Christian Holzer, Lebensministerium
Erwin Huter, ARGE Bildungsmanagement
Harald Kasamas, Lebensministerium
Wolfgang Lantschbauer, Amt der Oberösterreichischen Landesregierung
Nora Mitterböck, Lebensministerium
Jörg Ott, Universität Wien, Department für Meeresbiologie
Michael Pfeffer, Bundesamt für Wald, Abteilung für Bodenbiologie
Barbara Pippich, Magistrat der Stadt Wien
Michael Rabitsch, Amt der Kärntner Landesregierung
Werner Schier, Lebensministerium
Joop Vegter, Common Forum on Contaminated Land in Europe
Wolfgang Vychytil, Amt der Niederösterreichischen Landesregierung
Karl Wittmann, Medizinische Universität Wien, Abteilung für Ökotoxikologie
Diese Publikation wurde im Auftrag des Lebensministeriums, Abteilung VI/3 erstellt.
Weitere Informationen zu Umweltbundesamt-Publikationen unter: http://www.umweltbundesamt.at/
Impressum
Medieninhaber und Herausgeber: Umweltbundesamt GmbH
Spittelauer Lände 5, 1090 Wien/Österreich
Druck: Janetschek, 3860 Heidenreichstein
Gedruckt auf CO2-neutralem 100 % Recyclingpapier
© Umweltbundesamt GmbH, Wien 2011
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-99004-139-0
Hergestellt nach der Richtlinie des Österreichischen Umweltzeichens
„Schadstoffarme Druckerzeugnisse“ ‧ Druckerei Janetschek GmbH ‧ UWNr. 637
Ökologische Risikobeurteilung – Inhalt
INHALT
ZUSAMMENFASSUNG ...................................................................................5 SUMMARY .........................................................................................................7 1 EINLEITUNG ........................................................................................9 2 ÖKOLOGISCHE GRUNDLAGEN ...................................................11 2.1 Umwelt und Ökologie .........................................................................11 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 Grundlagen zur Beschreibung von Ökosystemen ..........................12 Ökologische Einheiten und Strukturen ..................................................12 Ökologische Prozesse und Funktionen ................................................15 Anthropogene Störeinflüsse auf Ökosysteme.......................................22 3 BESTIMMUNG UND BEURTEILUNG
ÖKOTOXIKOLOGISCHER EFFEKTE ...........................................24 3.1 3.1.1 Grundlagen zur Ökotoxizitätsbestimmung ......................................24 Beurteilungsebenen in der Theorie und Messgrößen in der
Praxis ....................................................................................................25 Response-Ebenen ................................................................................27 Akute und chronische Exposition ..........................................................31 Konzentrations-Wirkungs-Kurven und ökotoxikologische
Kenngrößen...........................................................................................32 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.2 3.2.6 3.2.7 Anwendung von Bioassays zur Untersuchung von
kontaminierten Böden ........................................................................34 Ökologische Relevanz ..........................................................................34 Akzeptanz der Testsysteme ..................................................................35 Durchführbarkeit in der Praxis...............................................................36 Vorteile und Limitierungen von Bioassays ............................................37 Beispiele für Bioassays zur Beurteilung kontaminierter
Bodenproben .........................................................................................39 Testbatterien .........................................................................................42 Untersuchung des genotoxischen (= mutagenen) Potenzials ..............43 4 ÖKOLOGISCHE RISIKOBEURTEILUNGSKONZEPTE.............46 4.1 Risikobeurteilung allgemein ..............................................................46 4.2 4.2.1 4.2.2 Ökologische Risikobeurteilung .........................................................46 Beurteilung von ökologischen Werten und Funktionen ........................47 Öko(toxiko)logische Risikobeurteilung ..................................................49 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 Elemente des Beurteilungsprozesses ..............................................51 Gefahr- und Rezeptoridentifikation .......................................................51 Abschätzung der Exposition und ökologischer Effekte .........................52 Ermittlung des ökologischen Risikos ....................................................53 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
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Ökologische Risikobeurteilung – Inhalt
4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4
Umsetzungsmöglichkeiten der ökologischen
Risikobeurteilung ................................................................................53 Auslösekriterien zur Durchführung einer ökologischen
Risikobeurteilung ...................................................................................53 Einsatz der Triade bei der ökologischen Risikobeurteilung ..................57 Abgestufte Vorgangsweise (Tiered Approach) zur
ökologischen Risikobeurteilung.............................................................61 5 GRUNDKONZEPT ZUR ÖKOLOGISCHEN
RISIKOBEURTEILUNG IN ÖSTERREICH ....................................70 5.1 Rahmenbedingungen für eine ökologische
Risikobeurteilung ................................................................................70 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 Empfehlungen zur Anwendung einer ökologischen
Risikobeurteilung an kontaminierten Standorten............................72 Kriterien für die Durchführung ...............................................................72 Die drei Beweislinien der Triade ...........................................................77 Ablauf einer abgestuften ökologischen Risikobeurteilung ....................80 6 EMPFEHLUNGEN .............................................................................84 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 Erstellung einer Handlungsempfehlung ...........................................84 Ökotoxikologisch abgeleitete Prüfwerte ................................................84 Auswahl von Bioassays für Screening-Tests ........................................85 Zusammenstellung geeigneter Testbatterien........................................85 Entwicklung eines Beurteilungsschemas ..............................................85 6.2 Praktische Erprobung an Demonstrationsstandorten ....................86 7 LITERATURVERZEICHNIS .............................................................88 8 GLOSSAR ...........................................................................................94 Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Zusammenfassung
ZUSAMMENFASSUNG
Eine Beurteilung ökologischer Risiken bei kontaminierten Standorten wird international seit Langem diskutiert. In einzelnen europäischen Ländern existieren
auch bereits Ansätze zur Umsetzung in der Praxis. Da in Österreich bisher keine eingehendere Diskussion des Themenkreises stattgefunden hat und dementsprechend auch kein praktikabler Ansatz vorliegt, werden im vorliegenden
Bericht – ausgehend von einer Beschreibung maßgeblicher ökologischer Prinzipien und Mechanismen – ein übergeordnetes Konzept zur ökologischen Risikobeurteilung beschrieben sowie Möglichkeiten der Umsetzung in Österreich
dargestellt.
ökologische Risikobewertung in
Österreich
Einführend werden grundlegende ökologische Parameter und Prozesse dargestellt, wie z. B. die Stufen der biologischen Organisation oder biogeochemische
Stoffkreisläufe, aber auch die von einem Ökosystem erbrachten Dienstleistungen für den Menschen. Alle diese ökologischen Strukturen, Prozesse oder
Dienstleistungen können durch die Wirkung von Schadstoffen erheblich verändert oder auch anhaltend und irreversibel geschädigt werden.
Die möglichen Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen hängen dabei einerseits
vom toxikologischen Potenzial der konkreten Schadstoffe ab sowie andererseits
von der Schadstoffkonzentration und der Dauer der Exposition des konkreten
Rezeptors.
Das toxikologische Potenzial eines Schadstoffes kann mit Ökotoxizitätstests unter Ermittlung der Schadwirkung bei verschiedenen Konzentrationen erfasst
werden.
Das Ausmaß der Exposition wird nach Möglichkeit vor Ort gemessen oder kann
auch mit entsprechenden Modellen abgeschätzt werden. Werden nun für einen
kontaminierten Standort das toxikologische Potenzial und die Exposition kombiniert, so kann das Risiko abgeschätzt werden, ob und in welchem Ausmaß ein
negativer Effekt auftritt (z. B. ob bei einer an einem kontaminierten Standort
durchschnittlichen Schadstoffkonzentration (Exposition) nur 20 % der Zielorganismen mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % überleben werden).
Ökotoxizitätstests
Risikoabschätzung
Ähnliche Beschreibungen anhand von Konzentrations-Wirkungs-Kurven für
ausgewählte Referenzorganismen unterschiedlicher taxonomischer und funktioneller Gruppen (z. B. Mikroorganismen, Regenwürmer, Pflanzen) können auch
zur Ableitung von ökotoxikologischen Prüfwerten herangezogen werden.
ökotoxikologische
Prüfwerte
Als Instrument zur Abschätzung möglicher ökologischer Störeinflüsse bei kontaminierten Standorten können sogenannte Bioassays – d. h. biologische Tests
mit ausgewählten Organismen und Proben eines kontaminierten Standorts –
eingesetzt werden. Im Unterschied zu den oben angeführten Ökotoxizitätstests
werden hier nicht einzelne Chemikalien sondern kontaminierte Proben ohne
vollständige Kenntnis der vorhandenen Schadstoffe auf ihre Toxizität untersucht.
Mit Hilfe dieser Tests kann die Toxizität einer Bodenprobe auf einfache Art und
Weise bestimmt werden. Gleichzeitig kann durch Kombination mehrerer aussagekräftiger biologischer Tests auf die Gefährdung bestimmter ökologischer Funktionen oder Serviceleistungen geschlossen werden.
Einsatz von
Bioassays zur Toxizitätsbestimmung
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Ökologische Risikobeurteilung – Zusammenfassung
Einsatz der Triade
zur Risikoermittlung
Die Ermittlung des Risikos erheblicher ökologischer Wirkungen und Veränderungen bei kontaminierten Standorten erfolgt bevorzugt unter Einsatz der sogenannten Triade, d. h. einer Kombination dreier unterschiedlicher Beweislinien:
i.
ii.
iii.
Ergebnisse chemischer Analytik (gemessene Schadstoffkonzentrationen),
Toxizitätstests mit kontaminierten Medien (Bioassays) und
ökologische Untersuchungen (z. B. Feldstudien).
Die Triade bietet dabei die Möglichkeit, die Vorteile jeder einzelnen Beweislinie
optimal zu nutzen und somit die Unsicherheiten einer Aussage über ökologische Risiken zu reduzieren.
abgestufte
ökologische
Risikobeurteilung
Dieser Ansatz kann insbesondere in Form einer abgestuften ökologischen Risikobeurteilung vorteilhaft genutzt werden, bei der schrittweise von einer einfachen konservativen Beurteilung zu einem komplexen und spezifischen Untersuchungsprogramm übergegangen wird. Dadurch kann Anforderungen zu einer
effizienten Untersuchung und Beurteilung von kontaminierten Standorten, im
Sinne eines zweckmäßigen Zeit- und Kostenaufwandes, Rechnung getragen
werden.
Grundkonzept der
ökologischen
Risikobeurteilung
Ein entsprechendes Grundkonzept zur möglichen Umsetzung der ökologischen
Risikobeurteilung an kontaminierten Standorten in Österreich wurde im Rahmen
eines offenen Diskussionsprozesses erarbeitet. Die dargestellten allgemeinen
ökologischen und konzeptionellen Fragestellungen sowie die existierenden Lösungsansätze und Untersuchungsmethoden wurden dabei auch im Rahmen
von zwei Workshops mit externen ExpertInnen aus Wissenschaft, Verwaltung
und Wirtschaft diskutiert.
Einbeziehung von
Nutzungsklassen
Ökologische Risikobeurteilungen sollen in Abhängigkeit von der Nutzung nur an
ausgewählten kontaminierten Standorten durchgeführt werden. Dazu wurde in
das vorgeschlagene Grundkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung der Bezug
zu Nutzungsklassen (z. B. „Landwirtschaft und Gartenbau“, „Freizeit und Erholung“, „Industrie, Gewerbe und Verkehr“) integriert.
Konzeptiv stehen jene Bodenfunktionen und Ökosystem-Dienstleistungen im
Vordergrund, die für die jeweilige Flächennutzung besonders relevant sind (z. B.
Biomasseproduktion für landwirtschaftlich genutzte Flächen). Darüber hinaus sollen nutzungsspezifische (Flächen-)Kriterien definiert werden (z. B. für wenig sensitive Nutzungen wie Industrie- und Gewerbegebiete ist eine ökologische Risikobeurteilung erst ab einer bestimmten Ausdehnung der kontaminierten Fläche erforderlich).
6
grundsätzliche
Empfehlungen
Zur Umsetzung der ökologischen Risikobeurteilung wird im Rahmen einer abgestuften Vorgangsweise die Anwendung einer Triade in Form eines nutzungsspezifischen Konzeptes empfohlen. Dementsprechend wären über chemische Untersuchungen hinaus in Zukunft bei kontaminierten Standorten auch verstärkt begleitende ökotoxikologische Untersuchungen durchzuführen. In Einzelfällen können als abschließender Schritt auch ökologische Felduntersuchungen zweckmäßig sein.
weitere Untersuchungen sind
notwendig
Um das für Österreich vorgeschlagene Konzept in die Praxis umzusetzen, werden noch anwendungsbezogene Recherchen und Untersuchungen notwendig
sein. Diese werden in Kapitel 6 erläutert. Des Weiteren wird das Potenzial eines
lösungsorientierten und praktikablen Ansatzes dargestellt.
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Ökologische Risikobeurteilung – Summary
SUMMARY
The implementation of Ecological Risk Assessments (ERAs) at contaminated
sites has been the subject of international discussions for many years, with
several European countries having a framework already in place to facilitate the
application of ERA. However, an in-depth discussion of this subject has not
happened in Austria and, as a consequence, an overall framework for ERAs
and how to use them is not yet available. On the basis of a description of the
relevant ecological principles and mechanisms, a potential framework is suggested in this report, including possibilities for its application in Austria.
ecological risk assessment in Austria
Fundamental ecological parameters and processes such as the levels of biological organisation or biogeochemical cycles, and services that ecosystems
provide to humans are introduced, as well as hazardous substances which may
impact these ecological values in a negative way or even cause permanent and
irreversible damage to the ecosystem.
Possible impacts on animals and plants strongly depend on the toxic potential
and the concentration of a particular contaminant as well as on the duration of
exposure.
The toxicological potential of a hazardous substance can be assessed through
ecotoxicity tests by exposing test organisms to different contaminant concentrations and monitoring the extent of the provoked negative effects.
The magnitude of exposure can either be assessed at the site or estimated by
the use of models. By linking the toxicological potential to the magnitude of exposure at a certain contaminated site, the risk which is present at this particular
site can be estimated, i.e whether – and to what extent – a negative ecological
effect will occur – for example that 20% of the organisms on a site will survive
with a probability of 95% at a given average contaminant concentration (i.e. exposure).
ecotoxicity tests
risk assessment
Moreover, dose-response-relationships for key species of taxonomic and structurally relevant groups (e.g. microorganisms, invertebrates and plants) may be
used to derive ecotoxicological guideline values.
ecotoxicological
guideline values
So-called “bioassays“ can also be used, which comprise a sophisticated tool to
assess the ecological impact at contaminated sites directly by exposing site material to selected test organisms. In comparison to ecotoxicity tests (see above),
contaminated media rather than individual hazardous chemicals are tested for
negative effects with limited knowledge of the contaminants present in the sample and their individual toxicity. Such bioassays provide an easy-to-use tool for
the assessment of a sample’s specific toxicity. Additionally, a set of appropriate
tests may enable conclusions with regard to the impairment of ecological functions or services.
employment of
bioassays for
toxicity assessment
For assessing significant ecological risks posed by contaminated sites, the use
of what is referred to as the TRIAD approach is suggested, namely a combination of three different lines of evidence:
application of the
TRIAD for assessing
risks
i. pollutant concentrations as measured by means of chemical analysis
ii. toxicity tests with contaminated media (bioassays)
iii. ecological investigations such as field studies
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Ökologische Risikobeurteilung – Summary
The benefits of each line of evidence of the TRIAD approach can thus be optimally used and a substantial reduction of uncertainties in the prediction of ecological risks be achieved.
TIERED APPROACH
The TRIAD concept can be converted into a TIERED APPROACH for ecological risk assessment, with simple and conservative evaluations as a first step followed by a gradual increase in the complexity and specificity of the investigation
programme. The requirements for a time- and cost-efficient investigation and
assessment of contaminated sites are thus fulfilled.
framework for ERAs
The framework for the implementation of ERAs at contaminated sites in Austria
was elaborated in an open discussion. The ecological principles as well as conceptual approaches and assessment methods were discussed at two workshops with experts from academia, administration and industry.
integration of land
use categories
An ERA should be based on current forms of land use and only be carried out
at selected contaminated sites. Therefore, an incorporation of specific land uses
(e.g. ”agriculture and horticulture“, ”recreation areas“, “industry, commerce and
traffic areas”) into the Austrian framework for ERAs is recommended.
From a conceptual point of view, the emphasis is put on soil functions and ecosystem services that are relevant for a particular land use category (e.g. biomass production for agricultural sites). Moreover, it has been suggested that
land-use dependent (size) criteria should be implemented that trigger the ERA
process (e.g. that in the case of less sensitive land uses such as industrial and
commercial areas, an ERA is performed only at sites that exceed a certain size
criterion).
8
general
recommendations
For the implementation of ERAs in Austria, a TIERED APPROACH is recommended that integrates the TRIAD concept in the form of a LAND USE specific
approach. Accordingly, ecotoxicological studies should be performed in addition
to chemical analysis when investigating a contaminated site. For particular
cases, ecological field investigations may be an advantage as a final step.
further
investigations are
required
However, before putting the Austrian framework for ERAs to practical use,
specifc research on its application and further investigations are required. For
detailed information see chapter 6 which describes the potential offered by a solution-oriented and practically feasible approach.
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Ökologische Risikobeurteilung – Einleitung
1
EINLEITUNG
Die Beurteilung von kontaminierten Standorten zielt in Österreich derzeit vor allem auf eine Beschreibung der Mobilisierung von Schadstoffen sowie der Ausbreitung von Verunreinigungen über unterschiedliche Umweltmedien ab. Wasser, Boden und Luft werden als unmittelbare Schutzgüter betrachtet, wobei der
Fokus in der Praxis im Allgemeinen auf Verunreinigungen und der Sanierung
von Grundwasser liegt. Die Konzepte und Kriterien, die dabei der Beurteilung
zugrunde gelegt werden, sind oft vor allem darauf ausgerichtet, Umweltmedien
als natürliche Ressourcen so rein zu halten, dass im Falle einer Nutzung eine
Gefährdung der menschlichen Gesundheit ausgeschlossen werden kann.
Ist-Stand fokussiert
anthropozentrische
Sichtweise
Im Vergleich dazu ist festzustellen, dass alle relevanten umweltrechtlichen
Grundlagen jeweils auf einen Schutz der Gesundheit von Menschen und auch
auf den Schutz der Umwelt abzielen. Alle drei Teile der ÖNORM S 2088, die
allgemein als Grundlage für eine Gefährdungsabschätzung von kontaminierten
Standorten herangezogen werden, tragen dem Rechnung, indem konkretisiert
wird, dass zum Schutz der Umwelt eine „nachteilige Beeinflussung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes“ durch Schadstoffe ausgeschlossen werden
sollte.
Schutz von Mensch
und Umwelt
Unter „Umwelt“ wird dem Allgemeinverständnis nach insbesondere die unmittelbare Umgebung des Menschen verstanden. Eine ökologische Sichtweise betrachtet den Begriff als Teil der Ökologie bzw. eines Ökosystem, da ein Ökosystem sowohl die unbelebte Umwelt (Habitate oder Umweltmedien) als auch die
belebte Umwelt (die in den Habitaten lebenden Organismen) umfasst.
Definitionen des
Begriffs „Umwelt”
Es stellt sich die generelle Frage, in welcher Form Nutzung und Erhaltung unserer Umwelt aufeinander abgestimmt werden und welcher Wert Ökosystemen
prinzipiell zugemessen wird. Neben der Bereitstellung von sauberem Trinkwasser und sauberer Luft betreffen die Ansprüche zu einem wesentlich Teil auch
das Ökosystem Boden, welches verschiedenste Funktionen erfüllt, von denen
der Mensch direkt oder indirekt profitiert (Ökosystem-Services).
Anders als bei der bisherigen Betrachtung des „Schutzgutes Boden“ soll in Zukunft bei der Untersuchung kontaminierter Standorte verstärkt Augenmerk auf
die im Boden ablaufenden Prozesse, die Funktionen des Bodens und resultierende Ökosystem-Dienstleistungen gelegt werden. Innerhalb der Bodenfunktionen im weitesten Sinne sind insbesondere Produktionsfunktion, Filter- und Pufferfunktion, Transformationsfunktion und Speicherfunktion anzusprechen. Diese
Funktionen des Ökosystems Boden sind als elementare Voraussetzung für die
Produktion von Gütern (z. B. Nahrungsmittel, natürliche Rohstoffe) aber vor allem auch für die langfristige Gewährleistung von Prozessen wie Speicherung
und Regulierung (z. B. Klima, Schutz vor Überflutungen) Grundlage unseres
Wohlstands und Fortschritts. Die Gesamtheit an systemischen Prozessen und
Ökosystem-Dienstleistungen kann bei kontaminierten Standorten durch Schadstoffe beeinträchtigt werden.
Funktionen des
Ökosystems Boden
Die Durchführung einer ökologischen Risikobeurteilung im Zuge der Beurteilung
von kontaminierten Standorten soll ermöglichen, negative Auswirkungen auf
Ökosysteme (v. a. auf das Ökosystem Boden) mit geeigneten Mitteln zu verdeutlichen und damit in weiterer Folge auch bessere Entscheidungsgrundlagen
bereitzustellen. Diese sollen im Sinne der Nachhaltigkeit ermöglichen, dass
verstärkt auch ökologische Aspekte bei der Abwägung der Notwendigkeit von
Maßnahmen berücksichtigt werden können.
ökologische Risikobeurteilung im Sinne
der Nachhaltigkeit
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Ökologische Risikobeurteilung – Einleitung
praktische
Anwendungen
In einigen Ländern kommt eine ökologische Risikobeurteilung von kontaminierten Standorten zur Beurteilung ausgewählter Fragestellungen bereits in der
Praxis zum Einsatz. Darüber hinaus hat der Einsatz von Toxizitätstests zur Beurteilung der Auswirkungen von Chemikalien auf Organismen bereits eine lange
Tradition und findet sowohl international als auch in Österreich breite Anwendung (beispielsweise im Zuge der Neuzulassung von Chemikalien für den europäischen Markt).
Aufbauend auf der Notwendigkeit des Schutzes der belebten Umwelt und der
international verfügbaren Datenlage bietet sich auch für Österreich die Erstellung eines konkreten Konzepts zur Durchführung einer ökologischen Risikobeurteilung von kontaminierten Standorten an. Der vorliegende Bericht soll einen
Überblick zu fachlichen Grundlagen geben sowie erste Vorschläge zum möglichen Ablauf einer ökologischen Risikobeurteilung in Österreich skizzieren.
10
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Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Grundlagen
2
ÖKOLOGISCHE GRUNDLAGEN
2.1
Umwelt und Ökologie
Nach heutigem allgemeinem Verständnis ist mit dem Begriff „Umwelt“ weitgehend die Umwelt des Menschen gemeint. Der Mensch mit seinen Aktivitäten
nimmt ständig Einfluss auf seine Umwelt und ist umgekehrt deren Wirkungen
ausgesetzt. Diese anthropozentrische Sicht des Begriffs lässt die Definition von
drei zwar sehr unterschiedlich erscheinenden, jedoch für den Menschen gleichsam bedeutsamen Umweltkompartimenten zu:
•
•
•
anthropozentrische
Umweltdefinition
die physische (abiotische und biotische) Umwelt,
die psychische (geistig kulturelle) Umwelt und
die sozio-ökonomische Umwelt.
Der Ausdruck „Umwelt“ wurde 1921 als zentraler Begriff der Ökologie von
dem deutschen Biologen Jakob Johann von Uexküll eingeführt (NENTWIG et al.
2004). Umwelt bezeichnet in der Ökologie jenen Ausschnitt der realen Welt, mit
dem ein Organismus über abiotische (unbelebte) Faktoren – wie zum Beispiel
Klima oder Bodenverhältnisse – und biotische (belebte) Faktoren – wie beispielsweise Konkurrenz, Koexistenz, Symbiose und Räuber-Beute-Beziehungen – in Wechselwirkung steht. In gleicher Weise lässt sich Umwelt auch für
höhere Organisationsstufen definieren.
ökologische
Umweltdefinition
Die erste Definition des Begriffs „Ökologie“ (Oikos bedeutet Haus oder „ein Platz,
um zu leben“) geht auf Ernst Haeckel (1866) zurück (NENTWIG et al. 2004):
„Unter Oecologie verstehen wir die gesammte Wissenschaft von den Beziehungen der Organismen zur umgebenden Aussenwelt, wohin wir im weiteren Sinne
alle Existenz-Bedingungen rechnen können. Diese sind theils organischer,
theils anorganischer Natur … Als organische Existenz-Bedingungen betrachten
wir die sämmtlichen Verhältnisse des Organismus zu allen übrigen Organismen, mit denen er in Berührung kommt.“
Die moderne, auf verschiedenen Sichtweisen aufbauende Definition des Begriffs Ökologie umfasst folgende drei zentrale Bereiche:
•
•
•
moderne Definition
von Ökologie
Interaktionen zwischen Organismen (Individuen, Populationen, Lebensgemeinschaften),
Interaktionen mit der abiotischen und biotischen Umwelt,
Beziehungen im Energie-, Stoff- und Informationsfluss.
Im Zusammenhang mit dieser Arbeit ist hervorzuheben, dass viele ökologische
Fragestellungen einen Bezug zur direkten oder indirekten Nutzung der Umwelt
durch den Menschen haben – beispielsweise die Übernutzung von Lebensräumen oder die Kontamination der Umwelt durch industrielle Aktivitäten (siehe
Kapitel 2.2.3).
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11
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Grundlagen
2.2
Grundlagen zur Beschreibung von Ökosystemen
Ökosysteme sind Grundeinheiten der Natur. Sie bestehen aus lebenden Organismen und unbelebten Komponenten und können sich über Wechselwirkungen
zwischen den einzelnen Konstituenten selbst regulieren. In der Hierarchie der
biologischen Organisation bilden Ökosysteme eine eigene höhere Organisationsstufe (siehe Kapitel 2.2.1).
Einer der zentralen Aspekte der Beschreibung von Ökosystemen liegt in der Erklärung und Prognose ihrer Funktionen, wobei sich diese zum Beispiel in Stoffund Energieumsätzen innerhalb des Systems, aber auch im Stoffaustausch
zwischen einem gegebenen Ökosystem und seiner Umwelt (siehe Kapitel 2.2.2)
äußern. Damit ergibt sich die zentrale Frage, inwiefern Umweltfaktoren und
menschliche Nutzung die Entwicklung und Wirkweise eines Ökosystems beeinflussen (siehe Kapitel 2.2.3).
2.2.1
Ökologische Einheiten und Strukturen
Zum besseren Verständnis der Ansätze zur ökologischen Risikobeurteilung sind
nachfolgend einige wesentliche strukturbildende Elemente von ökologischer
Bedeutung allgemein und vereinfacht dargestellt.
3 biologische
Organisationsebenen
Prinzipiell werden drei Stufen der biologischen Organisation unterschieden, wobei der Interaktionsgrad mit der Komplexität von einer Organisationsebene zur
nächsten zunimmt.
i.
ii.
iii.
Die Individuen-Ebene umfasst Organismen einer Art sowie deren Funktionen. Organismen sind die Grundelemente ökologischer Systeme. Sie sind
in der Lage, über genetisch und temporär gespeicherte Informationen biologische Prozesse und Mechanismen zu regeln (siehe Kapitel 2.2.1.1).
Auf der Populations-Ebene treten mehrere Individuen einer Art, die in einem bestimmten Siedlungsbereich leben, miteinander in Wechselwirkung.
Daraus ergeben sich die für eine Population typischen Eigenschaften, wie
zum Beispiel Populationsgröße, Populationsdichte oder Populationsdynamik (siehe Kapitel 2.2.1.2).
Die Lebensgemeinschafts- oder Ökosystem-Ebene (siehe Kapitel 2.2.1.3)
beschreibt die Wechselwirkung von Arten, vertreten durch die im Lebensraum vorhandenen Populationen, untereinander und mit der abiotischen
Umwelt. So können Funktionen und Leistungen des Gesamtsystems, wie
beispielsweise Stoffkreisläufe, erfasst werden (siehe Kapitel 2.2.2.3).
2.2.1.1
funktionelle
ökologische
Grundelemente
12
Die Ebene der Individuen
Individuen gelten als funktionelle Grundelemente ökologischer Systeme. Die
entscheidende Bedeutung kommt dieser kleinsten ökologischen Einheit insbesondere in ihren qualitativ funktionellen Eigenschaften zu. Sie spielen in der
Regel erst in ihrer Gesamtheit als Population eine ökologische Rolle (siehe Kapitel 2.2.1.2).
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Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Grundlagen
Organismen zeichnen sich durch Wachstum und Entwicklung aus und sind auf
Fortpflanzung, Vermehrung und Vererbung angewiesen. Sie sind unter anderem zu folgenden Tätigkeiten befähigt (NENTWIG et al. 2004):
•
•
•
Bewegung,
Reizaufnahme und -beantwortung,
Stoffwechsel (z. B. Nahrungsaufnahme und -verwertung).
Für eine Ökosystemanalyse ist eine funktionelle Gliederung des Organismenbestandes sinnvoll. Hierzu gibt es eine Reihe von Möglichkeiten:
•
•
Charakteristika von
Organismen
Nach ihren Energie- und Kohlenstoffquellen in (photo- und chemo-) autotrophe oder heterotrophe Organismen.
trophische
Gliederung von
Organismen
Nach ihrer Stellung in der trophischen Struktur von Ökosystemen in:
•
•
•
Primärproduzenten (bilden Biomasse aus anorganischen Stoffen),
Konsumenten (konsumieren Biomasse und bilden selbst weitere),
Destruenten (führen Biomasse wieder in anorganische Stoffe zurück).
Diese trophischen Gruppen sind nahezu in jedem Organismenreich vertreten.
Die Pflanzen überwiegen jedoch bei den Primärproduzenten, die Tiere bei den
Konsumenten, wobei bei Tieren zusätzlich noch zwischen Primärkonsumenten
(Pflanzenfresser) und Sekundärkonsumenten (Fleischfresser) unterschieden
wird. Die wichtigsten Destruenten sind Mikroorganismen und Pilze (siehe Kapitel 2.2.2.2).
Wechselwirkungen zwischen Organismen beziehungsweise Arten lassen sich
unterteilen in:
•
•
•
Wechselwirkungen zwischen zwei Arten:
•
•
•
Wechselwirkungen
zwischen
Organismen
Mutualistische Beziehungen (Symbiose) – für beide Arten positiv,
trophische Beziehungen – für eine Art positiv, für die andere negativ
Konkurrenzbeziehungen – für beide Arten negativ.
Wechselwirkungen über zwei trophische Ebenen:
•
•
•
Räuber-Beute-Beziehungen,
Herbivoren-Pflanzen-Beziehungen,
Parasitismus.
Wechselwirkungen über mehrere trophische Ebenen:
•
•
Nahrungsnetze,
Kaskadeneffekte (z. B. Einflüsse von Sekundär- auf Primärproduzenten).
Generell spiegeln Organismen und Arten an einem Standort immer die vorherrschenden Umweltbedingungen sowie deren Entwicklung und Geschichte wider.
Sie haben sich an bestimmte Bedingungen angepasst und eine genaue Betrachtung ihrer Morphologie, Physiologie und zeitlichen Entwicklung kann daher
viel über ökologische Zusammenhänge aussagen (NENTWIG et al. 2004).
Als Schlüsselarten (key species) werden Spezies bezeichnet, wenn sie beispielsweise eine essenzielle Aufgabe erfüllen, ohne die ein Ökosystem nicht
funktionieren würde. Organismen, die wesentlich zur strukturellen und funktionellen Gestaltung eines Ökosystems beitragen, werden auch als “Ecosystem
Engineers“ bezeichnet.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Schlüsselarten
erfüllen essenzielle
Aufgabe
13
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Grundlagen
Bioindikatoren
zeigen
Veränderungen an
Des Weiteren können Zeigerarten (Bioindikatoren) identifiziert werden, welche
eine enge Bindung an bestimmte Umweltbedingungen – wie beispielsweise
klimatische Verhältnisse oder chemische Parameter – aufweisen und somit als
Anzeiger für Bedingungen und Veränderungen an einem bestimmten Standort
verwendet werden können.
2.2.1.2
Eigenschaften einer
Population
Die Ebene der Population
Eine Population wird definiert als eine Gruppe von Organismen derselben Art
mit vollem Austausch von genetischen Informationen. Sie nimmt immer einen
bestimmten Raum ein und hat verschiedene Eigenschaften, die sich als wesentlich komplexer als jene auf der Organismen-Ebene erweisen. Es lassen
sich zum Beispiel folgende Eigenschaften, am besten als statistische Funktion
ausgedrückt, auf Populations-Ebene bestimmen:
•
•
•
•
•
•
•
Gesamtzahl der Individuen,
Dichte der Population,
Verteilung im Raum,
Verteilung der Altersklassen,
Geburten- und Sterberate,
biologisches Potenzial,
Populationswachstums-Strategien.
Bestimmung der
Populationsgröße
Zur Bestimmung oder Abschätzung der Populationsgröße gibt es mehrere Möglichkeiten. Ein Abzählen der Individuen in deren Siedlungsgebiet ist nur dann
möglich, wenn es sich um große und/oder seltene Organismen handelt. Deshalb wird zumeist mit Abschätzungen gearbeitet; Beispiele sind das Auszählen
von repräsentativen Probeflächen oder die Fang-Wiederfang-Methode anhand
von markierten Individuen in einer definierten Zeitspanne.
Bestimmung der
Populationsdynamik
Soll die Populationsdynamik bestimmt werden, muss eine Analyse über einen
längeren Zeitraum angesetzt werden. Unter Zuhilfenahme von statistischen Methoden kann dann innerhalb dieser Untersuchungen nach Mustern gesucht und
so ein Modell entwickelt werden. Faktoren, die in die Populationsdynamik mit
einfließen, sind beispielsweise Wachstumsraten, Altersklassenverteilung und
Vermehrungsraten (NENTWIG et al. 2004).
2.2.1.3
Definition einer
Lebensgemeinschaft
Die Ebene der Gemeinschaft bzw. des Ökosystems
Unter Lebensgemeinschaft werden das Vorhandensein und die Interaktion von
Populationen mehrerer Arten an einem Standort verstanden.
Als Synonym für Lebensgemeinschaft wird vor allem in der deutschsprachigen
Literatur häufig der Begriff Biozönose verwendet. Dieser wurde erstmals 1877
von Möbius in einer Studie über Austernbänke verwendet (BICK 1998, NENTWIG
et al. 2004).
14
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Grundlagen
Ein Ökosystem setzt sich aus einem Standort (und den dort herrschenden abiotischen Verhältnissen) und einer Lebensgemeinschaft zusammen, wobei der
Begriff Standort oder Habitat den Platz, an dem bestimmte Organismen leben,
bezeichnet.1
In einem Ökosystem sind alle lebenden Organismen (einschließlich des Menschen) und ihre unbelebte (abiotische) Umwelt untrennbar miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Zwischen diesen Einheiten existiert ein
Energiefluss, der zu klar definierten Strukturen und Stoffkreisläufen führt. Ein
Ökosystem ist somit die Grundeinheit der Ökologie, da es sowohl lebende Organismen als auch die unbelebte Umwelt mit einbezieht (ODUM 1999).
Stoffkreisläufe
Der Begriff „Ökosystem“ wurde erstmals von den britischen Ökologen Tansley
(1935) vorgeschlagen (NENTWIG et al. 2004). Er fasste ein Ökosystem nicht als
real existierend, sondern eher als gedankliches Hilfsmittel mit abstraktem Charakter auf. Im Lauf des 20. Jahrhunderts setzte sich der Begriff mehr und mehr
durch und wurde zunehmend auf real existierende ökologische Einheiten bezogen. Ein wesentlicher Protagonist dieser Entwicklung war Lindmann, welcher
zwei neue Aspekte in den Ökosystembegriff einführte: die funktionelle Bedeutung bestimmter Artengruppen und die Flüsse von Stoffen und Energie
(NENTWIG et al. 2004).
Aus heutiger Sicht ist ein Ökosystem ein Wirkungsgefüge zwischen Organismen und ihrer Umwelt. Es ist offen gegenüber benachbarten Systemen, hebt
sich jedoch durch eigene Strukturen und eine eigene Zusammensetzung von
diesen ab. Es wird generell zwischen terrestrischen und aquatischen Ökosystemen mit verschiedenen Übergangsbereichen unterschieden (NENTWIG et al.
2004).
Definition eines
Ökosystems
Auf diesem Komplexitätsniveau entstehende (emergente) Eigenschaften sind
unter anderem:
Eigenschaften von
Ökosystemen
•
•
•
•
Biodiversität (Artenzahl, Artendichte),
Dominanzverhältnisse (Verhältnis der Populationsgrößen der Arten innerhalb
eines Ökosystems),
Konnektivität (Enge der inneren Verbindungen und der zu anderen Ökosystemen),
Stabilitätseigenschaften (z. B. Resilienz, Resistenz, Redundanz).
Diese Eigenschaften sind in komplexer Weise mit den unten angeführten Prozessen, Funktionen und den für den Menschen wichtigen Ökosystem-Services
verbunden.
2.2.2
Ökologische Prozesse und Funktionen
Ökosysteme manifestieren sich in einem Stoff- und Energietransport zwischen
den einzelnen Kompartimenten beziehungsweise funktionellen Gruppen. Im
Regelfall haben Ökosysteme gut beschreibbare Muster von Primärproduktion
1
Stoff- und
Energietransport
Die Begriffe „Standort“ bzw. „Habitat“ sind nicht zu verwechseln mit dem Begriff „Ökologische Nische“, der entweder die funktionelle Rolle einer Art oder in einem moderneren Sinn das komplexe
Beziehungsgefüge, welches einer Art die dauerhafte Existenz in einem Ökosystem ermöglicht,
bezeichnet.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
15
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Grundlagen
und Destruktion sowie geregelte biogeochemische Kreisläufe von chemischen Elementen. Durch die Umwandlung von Sonnenenergie in Biomasse
wird die Biosphäre belebt und somit besteht zumindest ein indirekter Einfluss
auf den Menschen.
Ökosystem-Services
Darüber hinaus gibt es auch ökologische Funktionen, die für die menschliche
Gesellschaft von direkter oder indirekter Bedeutung sind. Deshalb werden Ökosystem-Funktionen mit konkretem Bezug auf den Menschen speziell unter dem
Begriff „Service- oder Umweltdienstleistungen“ zusammengefasst (MYERS 1996,
DAILY 1997). Den für den Menschen wichtigsten Ökosystem-Services wurden
entsprechende Ökosystem-Funktionen zugeordnet (CONSTANZA et al. 1997;
siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Ökosystem-Services und -Funktionen (Quelle: COSTANZA et al. 1997).
Ökosystem-Services
Ökosystem-Funktionen
Regulation Gashaushalt Regulation der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre
Klimaregulation
Beispiel(e)
CO2/O2-Verhältnis
Temperaturregelung, Ablagerungen, bioloRegulation Gashaushalt in Verbindung mit
gisch-klimatische Prozesse (global und lokal) Treibhauseffekt
Regulation von Störun- Leistungsfähigkeit des Ökosystems in Bezug Schutz vor Naturkatastrophen (Stürme, Flugen
auf Veränderungen, Belastbarkeit, Dämmung ten, Trockenheit) und Lebensraum-Resund Integrität
ponse in Verbindung mit ökologischen Veränderungen
Wasserregulation
Regelung des Wasserhaushaltes
Wasser für Landwirtschaft, industrielle Prozesse und für Transporte
Wasserversorgung
Wasserdepot und Rückhaltefunktion
Brunnen, Wassereinzugsgebiete, Grundwasser
Erosionskontrolle und Zurückhaltung von Boden innerhalb eines
Zurückhaltung von Se- Ökosystems
diment
Verhinderung Abtragung Boden durch Wind,
Erdrutsche oder ähnliche Mechanismen,
Speicherfunktion in Seen und Feuchtgebieten
Bodenbildung
Bodenbildungsprozesse
Verwitterung, Anreicherung und Umbau von
organischer Substanz
Nahrungskreislauf
Nahrungsdepot, interne Kreisläufe, Entstehung und Verwertung von Nährstoffen
N-Fixierung, Nährstoffkreisläufe von N, P
und anderen Elementen
Abfall-„Behandlung“
Rückgewinnung mobiler Nährstoffe und Abbau bzw. Zerkleinerung der im Überschuss
vorhandenen Nährstoffe und Verbindungen
Abfall-„Behandlung“, Schadstoff-Kontrolle,
Detoxifikation
Bestäubungsfunktion
Verbreitung von Samen
(Keimzellen)
Versorgung der Bestäuber für die Reproduktion von Pflanzen
Biologische Kontrolle
Populationsdynamik und Regulation der trophischen Stufen
Räuber-Beute-Verhältnisse
Zufluchtsstätte
Lebensraum für ortsansässige und vorüber- Überwinterung, Lebensraum für Wandertiegehend im Ökosystem vorhandene Populati- re, Lebensraum für ortsansässige Spezies
onen
Nahrungsproduktion
Primärproduktion (Nahrung)
Wachstum bzw. Produktion von Fischen,
Futterpflanzen, …
Rohstoffe
Gewinnung von Rohstoffen aus der Primärproduktion
Produktion von Naturholz, Treibstoffen, Futter
Genbank
(genetic resources)
Quelle von einzigartigen biologischen Materi- Produkte für die Forschung, Gene für die
alien und Produkten
Resistenz gegen Krankheitserreger, …
Erholungsgebiet
Möglichkeiten für entspannende Aktivitäten
Kulturgut
Möglichkeiten für nicht kommerzielle Nutzung Spirituelles, Kunst, Bildung, wissenschaftliche Zwecke
16
Fischen, Wandern, Sport im Freien
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Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Grundlagen
Im Report “Ecosystems and human well-being“ (MILLENIUM ECOSYSTEM ASSESSMENT 2003) werden “Ecosystem Services“ als die von Menschen aus dem Ökosystem erhaltenen unverbindlichen, selbstregulierenden, unterstützenden und
kulturellen Leistungen bezeichnet. Zusätzlich zu diesen Leistungen werden
auch alle vom Ökosystem bereitgestellten Güter (Nahrung, Holz etc.) in diese
Betrachtung mit einbezogen. Jedwede Veränderung eines oder mehrerer dieser
Ökosystem-Services kann das menschliche Wohlbefinden verschiedentlich beeinflussen (siehe Abbildung 1).
Verknüpfung von Ökosystem-Services und Komponenten des menschlichen Wohlbefindens
WOHLBEFINDEN
ÖKOSYSTEM SERVICES
Versorgung
•
•
•
•
•
Funktionen
• Aufrechterhaltung
der Nahrungskette
• Bodenbildung
• Primärproduktion
•…
Nahrung
(Trink)wasser
Holz
Treibstoff
…
Regulation
•
•
•
•
•
Klima
Hochwasser
Krankheiten
Wasserreinigung
…
Kultur
•
•
•
•
•
Ästhetik
Spiritualität
Bildung
Erholung
…
Sicherheit
• persönliche Sicherheit
• freier Zugang zu
Ressourcen
• vor Katastrophen
Basis für ein gutes
Leben
• Lebensraum
• Nahrungsmittel
• Schutz
Gesundheit
• Stärke
• Wohlbefinden
• saubere Luft und
sauberes Wasser
Entscheidungsund
Handlungsfreiheit
Sozialverhalten
• Zusammenhalt
• gegenseitiger Respekt
• Hilfsbereitschaft
Leben und Biodiversität
Farbe der Pfeile
Dicke der Pfeile
Vermittlungspotential von
Intensität der Verlinkung zwischen Ökosystem
sozio-ökonomischen Faktoren Services und menschlichem Wohlbefinden
hoch
stark
mittel
mittel
gering
schwach
Quelle: modifiziert nach MILLENIUM ECOSYSTEM ASSESSMENT 2003
Abbildung 1: Verknüpfung von Ökosystem-Services und Komponenten des menschlichen Wohlbefindens.
2.2.2.1
Ökologische Mechanismen
Neben den oben genannten für den Menschen wichtigen Ökosystem-Services
können auch noch drei grundsätzliche Kategorien ökologischer Mechanismen
unterschieden werden: Transport, Umwandlung und Speicherung (NENTWIG et
al. 2004).
Der Transport-Mechanismus beschreibt die Übertragung von ökologisch relevanten Einheiten. Es wird zwischen Informationsübertragung, Energiefluss und
Stofffluss differenziert. Des Weiteren wird zwischen aktivem und passivem Transport unterschieden.
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Transport
17
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Grundlagen
Umwandlung
Umwandlung ist eine spezielle Transferform, die mit qualitativen Veränderungen verbunden ist. Hierzu zählt beispielsweise die Assimilation, d. h. die Aufnahme von Nährstoffen und deren Umwandlung in körpereigene Substanzen.
Speicherung
Die Speicherung von Stoffen, Energie und Informationen ist ebenfalls ein wesentlicher Aspekt eines Ökosystems und kann sowohl aktiv als auch passiv erfolgen.
2.2.2.2
Produktion und Destruktion
Zusätzlich zu den generellen ökologischen Mechanismen finden in einem Ökosystem auch Produktionsprozesse statt. Diese gliedern sich in Primärproduktion, Sekundärproduktion und Destruktion.
Primärproduktion
durch Produzenten
Der Begriff Primärproduktion bezeichnet die hauptsächlich durch Photosynthese von grünen Pflanzen (Produzenten) in Form von Biomasse (bzw. organischen Verbindungen) gespeicherte Strahlungsenergie der Sonne. Primärproduktion kann aber auch durch Chemosynthese – Nutzung der in chemischen
Verbindungen gespeicherten Energie zum Aufbau von organischer Substanz –
erfolgen. Im Vergleich zur Photosynthese ist diese mengenmäßig jedoch von
untergeordneter Bedeutung (ODUM 1999).
Die Bruttoprimärproduktion umfasst die Gesamtmenge der in der Photosynthese aus Lichtenergie gewonnenen organischen Substanz. Ein Teil der primär
gebildeten Biomasse wird allerdings von der Pflanze in der Atmung wieder verbraucht. Unter Nettoprimärproduktion versteht man daher die Gesamtmenge
der von den Pflanzen produzierten Biomasse abzüglich des veratmeten Anteils.
Diese Biomasse steht den Konsumenten als Nahrung zur Verfügung. Als Nettoproduktion der Gemeinschaft wird die von heterotrophen Organismen nicht
verbrauchte Stoffmenge, bezogen auf einen bestimmten Zeitraum (z. B. eine
Wachstumsperiode), bezeichnet.
Sekundärproduktion
durch Konsumenten
Abbau durch
Destruenten
Der Begriff Konsumation bezeichnet die Aufnahme organischer Substanzen
durch heterotrophe Organismen. Die daraus gebildete Biomasse wird als Sekundärproduktion bezeichnet.
Destruktion (Zersetzung) bezeichnet schließlich den Abbau von totem organischem Material und wird vorwiegend von Tieren, Pilzen und Bakterien durchgeführt. Ein vollständiger Abbau (Mineralisation) führt zu anorganischen Produkten wie beispielsweise Wasser, Kohlenstoffdioxid und Nährstoffen (NENTWIG et
al. 2004).
2.2.2.3
Biogeochemische Kreisläufe
Die Bedeutung der biogeochemischen Kreisläufe liegt v. a. in der Lieferung der
von allen Organismen benötigten essenziellen Elemente wie Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Phosphor in geeigneter Form.
Stoffaustausch
zwischen Umwelt
und Organismen
18
Die biogeochemischen Stoffkreisläufe verbinden Atmosphäre, Hydrosphäre und
Lithosphäre und beschreiben im Wesentlichen den Austausch von Elementen
zwischen Umwelt und Organismen, wobei die nicht biologischen Teile des Kreislaufs zumeist langsamer als die biologisch aktivierten Teile ablaufen (ODUM
1999).
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Grundlagen
Die biogeochemischen Kreisläufe der wichtigsten Elemente sind:
•
•
•
•
Kohlenstoffkreislauf
Stickstoffkreislauf
Phosphorkreislauf
Schwefelkreislauf
Als Beispiele werden im Folgenden nur der Kohlenstoff- und der Stickstoffkreislauf näher beschrieben, da diese am stärksten vom Menschen beeinflusst werden und Eingriffe in diese sehr sensiblen Systeme weit reichende ökologische
Folgen haben können.
Kohlenstoffkreislauf
Die wichtigsten Teilprozesse sind einerseits die Assimilation von Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Photosynthese und andererseits die Atmung (Respiration),
wodurch CO2 wieder in die Umwelt zurückgeführt wird (HEINRICH & HERGT 2002).
Photosynthese und
Atmung
Die wesentlichen Kohlenstoffspeicher sind Karbonate (vor allem CaCO3) in der
Litho- und Hydrosphäre, die Atmosphäre mit ihrem CO2-Gehalt, organische Abfallstoffe, die terrestrische Biomasse sowie das Phytoplankton der Meere. Fossile Brennstoffe (Stein- und Braunkohle, Erdöl und Erdgas) sind in inerten Depots (Senken) dem CO2-Kreislauf entzogen.
Kohlenstoffspeicher
Prozessschritte im globalen Kohlenstoffkreislauf
Quelle: FUCHS 2008
Abbildung 2: Prozessschritte im globalen Kohlenstoffkreislauf.
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19
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Grundlagen
Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre
Verbrennung
fossiler Brennstoffe
Der Kohlenstoffhaushalt (und somit der CO2-Gehalt der Atmosphäre) unterlag in
geologischen Zeiträumen immer wieder mehr oder weniger starken Schwankungen. Doch seit dem Beginn der dauerhaften anthropogenen Nutzung von
fossilen Brennstoffen wird CO2 freigesetzt, welches seit mehreren Millionen
Jahren nicht mehr in der Atmosphäre war. Seit dem Tiefpunkt des CO2-Gehaltes in der Atmosphäre am Ende der letzten Eiszeit ist der Gehalt von 250 ppm
auf 370 ppm bis zum Jahr 2000 gestiegen (NENTWIG et al. 2004). Derzeit steigt
der CO2-Gehalt der Atmosphäre um ca. 2 ppm pro Jahr.
Rodung von
Wäldern
Weitere anthropogene Beeinflussungen des Kohlenstoffkreislaufs ergeben sich
durch die großflächige Rodung von (Tropen)Wäldern. Durch diese Reduktion
des Biomassespeichers und dem damit verbundenen Rückgang der CO2-Fixierung sowie durch die rasche Freisetzung des in den Wäldern gebundenen Kohlenstoffdioxids kommt es ebenfalls zu einem Anstieg des CO2-Gehalts in der
Atmosphäre.
intensive Landwirtschaft und
Hausbrand
Zusätzlich wird auch durch eine Intensivierung der Landwirtschaft (z. B. Grünlandumbruch) und verstärkten Hausbrand (Holz- und Ölfeuerung) der CO2-Gehalt der Atmosphäre erhöht. Alle diese durch den Menschen verursachten Beeinflussungen tragen zwar nur zu 6 % der gesamten Kohlenstofffreisetzung bei,
allerdings können schon kleine Veränderungen im CO2-Gehalt der Atmosphäre
große Auswirkungen auf Wetter- und Klimaverhältnisse haben (NENTWIG et al.
2004, ODUM 1999).
Produktivitätssteigerung von Pflanzen
Ein erhöhter CO2-Gehalt der Luft kann zu einer Steigerung der Produktivität von
Pflanzen führen. Dieser vermeintlich positive Effekt wirkt sich allerdings dahingehend negativ aus, dass Pflanzen außer Kohlendioxid auch noch andere Elemente benötigen, welche aber nicht zwangsläufig in derselben Menge zur Verfügung stehen. Es besteht die Möglichkeit, dass sich daraus Veränderungen
der Qualität der pflanzlichen Biomasse ergeben (NENTWIG et al. 2004).
Treibhausgase führen zu Temperaturanstieg
Auch wirkt Kohlendioxid in der Atmosphäre, zusammen mit anderen Spurengasen sowie Wasserdampf, als Treibhausgas indem es die Wärmerückstrahlung
verhindert (Treibhauseffekt). Dies wiederum führt zu einem Temperaturanstieg
auf der Erdoberfläche, der tief greifende ökologische Beeinflussungen nach sich
ziehen kann.
MethangasKonzentrationen
steigen an
Ein weiteres wichtiges Treibhausgas aus der Kohlenstoffgruppe stellt Methan
(CH4) dar, das auf natürliche Weise durch den anaeroben Abbau von organischen Stoffen freigesetzt wird. Die CH4-Konzentration in der Atmosphäre ist in
den letzten 300 Jahren etwa auf das Doppelte angewachsen und steigt nach
wie vor stetig an (NENTWIG et al. 2004).
Anthropogen wird dieser Prozess vor allem durch die Zunahme von Reisanbaugebieten und durch eine Steigerung der Rinderhaltung beeinflusst. Zusätzliche anthropogene Einträge von CH4 in die Atmosphäre entstehen durch Deponien, Kläranlagen und die Erdgasindustrie. Im Gefolge der Klimaerwärmung
könnten zudem große Mengen von Methan aus auftauenden Permafrostböden
und marinen Gashydraten (Methaneis) freigesetzt werden.
20
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Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Grundlagen
Stickstoffkreislauf
Für die Biosphäre sind im Wesentlichen drei große Stickstoffspeicher bedeutsam: die Atmosphäre mit einem Stickstoffgehalt von 78 % (molekularer Stickstoff, N2) und die lebende sowie die tote Biomasse.
Stickstoffspeicher
Prozessschritte im globalen Stickstoffkreislauf
Quelle: FUCHS 2008
Abbildung 3: Prozessschritte im globalen Stickstoffkreislauf.
Der Stickstoffkreislauf steht im wesentlichen Ausmaß unter der Kontrolle durch
mikrobielle Prozesse. Um den sich in der Atmosphäre befindlichen molekularen
Stickstoff für Lebewesen nutzbar zu machen muss dieser zuerst umgewandelt
und gebunden werden. Diese Stickstofffixierung geschieht beispielsweise durch
frei lebende Bodenbakterien (z. B. Clostridium), symbiotische Knöllchenbakterien (z. B. Rhizobium), Cyanobakterien (häufig symbiotisch in Pilzen, Flechten
und Farnen) und Purpurbakterien. Eine weitere in diesem Prozess beteiligte
Organismengruppe stellen die Actinomyceten dar, die in den Wurzelknollen von
mindestens 160 Baumarten (z. B. Erle, Ginkgo) vorkommen. Diese sind in der
Lage, atmosphärischen Stickstoff im Wurzelbereich zu fixieren und ermöglichen
somit diesen Pflanzen die Besiedelung stickstoffarmer Böden (HEINRICH &
HERGT 2002, NENTWIG et al. 2004, ODUM 1999).
Stickstofffixierung
durch Organismen
Von heterotrophen Organismen als Abfallprodukt ausgeschiedenes Ammonium
(NH4+) wird im Prozess der Nitrifikation von Bakterien zu Nitrat (NO3-) oxidiert.
Dieses wird wiederum von denitrifizierenden Bakterien zu Distickstoffoxid (N2O
bzw. Lachgas) und elementarem Stickstoff (N2) reduziert und somit in die Atmosphäre zurückgeführt.
StickstoffChemismus
Anthropogene Stickstoffeinträge ergeben sich vor allem durch das Verbrennen
von fossilen Energieträgern und landwirtschaftliche Düngung (Herstellung von
Ammoniak aus den Elementen Stickstoff und Wasserstoff im Haber-BoschVerfahren), wobei das Ausmaß des anthropogenen Stickstoffumsatzes durchaus die natürliche Rate der Stickstofffixierung erreicht.
anthropogener
Stickstoffumsatz
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21
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Grundlagen
Negative Auswirkungen von Stickstoff-Emissionen
Bildung sekundärer
Luftschadstoffe
Durch Eintrag von Stickoxiden in die Atmosphäre kommt es durch intensive
Sonneneinstrahlung sowie durch Reaktion mit anderen primären Luftschadstoffen (z. B. leichtflüchtigen organischen Verbindungen) zur Bildung von aggressiven und reaktionsfreudigen sekundären Luftschadstoffen (z. B. Ozon), die einen
schädigenden Einfluss auf Lebewesen ausüben können.
Versauerung
Des Weiteren werden aus Stickstoffverbindungen durch Reaktion mit Wasser
und Luftsauerstoff Salpetersäure und salpetrige Säure gebildet, die als „Saurer
Regen“ negative Einflüsse auf Ökosysteme haben.
Biodiversitätsverlust
Der vermehrte Stickstoffeintrag durch den Einsatz von landwirtschaftlichen Düngemitteln hat ebenfalls beachtliche Auswirkungen auf natürliche Ökosysteme.
Beispielsweise bedingen höhere Stickstoffkonzentrationen eine Produktionssteigerung einzelner Arten, wobei andere Arten, die an geringe Stickstoffdosen
angepasst sind, zunehmend verschwinden. Dieser Prozess ist ein globales Problem, da die Ausbreitung von Stickstoff vor allem über Niederschläge auch in
stickstoffarme Gebiete mit speziell angepassten Ökosystemen (z. B. Hochmoore, Trockenrasen) erfolgt. Es kommt zu einer Verdrängung der dortigen, an geringe Stickstoffkonzentrationen angepassten Arten und somit in weiterer Folge
zum Verlust an Biodiversität.
vermehrter
Pestizideinsatz
Überdüngung bewirkt neben der Produktionssteigerung von Nutzpflanzen auch
ein vermehrtes Unkrautwachstum, welches wiederum durch das Aufbringen von
Unkrautvernichtungsmitteln kontrolliert werden muss (NENTWIG et al. 2004).
Bildung von
Lachgas
Des Weiteren ist zu erwähnen, dass Stickstoff in der Form von Lachgas (N2O)
neben CO2 und diversen anderen Spurengasen für den Treibhauseffekt mitverantwortlich ist.
2.2.3
Anthropogene Störeinflüsse auf Ökosysteme
Auf potenzielle ökologisch nachteilige Auswirkungen menschlicher Aktivitäten
wurde bereits in der Beschreibung der Strukturen und Funktionen (siehe Kapitel
2.2.2) hingewiesen. In diesem Kapitel erfolgt eine allgemeine Zusammenfassung ökologischer Beeinträchtigungen.
Einfluss auf Ökosystem-Funktionen
und -Services
Anthropogen bedingte Störeinflüsse auf Ökosysteme hängen eng mit der technologischen, ökonomischen und sozialen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft zusammen. Die Auswirkungen sind häufig deutliche Veränderungen
der natürlichen Umgebung und somit der Ökosystemtypen mit direkten und indirekten Folgeerscheinungen. Gestört werden können sowohl Ökosystem-Funktionen als auch für den Menschen nützliche Ökosystem-Services. Das Hauptproblem bezüglich anthropogen bedingter Störeinflüsse auf Ökosysteme liegt
häufig in deren später Erkennung, was wiederum bedingt, dass negative Beeinflussungen häufig nicht mehr oder nur sehr langsam wieder rückgängig gemacht werden können (NENTWIG et al. 2004).
Probleme entstehen vorwiegend dort, wo von Menschen induzierte oder modifizierte Prozesse bedeutsamer werden als die natürlich vorgegebenen und wo
natürliche Stoffverhältnisse gestört werden.
22
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Grundlagen
Qualitative Einflüsse entstehen dort, wo Stoffe freigesetzt werden, die in der natürlichen Umgebung nicht oder nur sehr selten vorkommen (SCHÜÜRMANN &
MARKERT 1998).
qualitative Einflüsse
Quantitative Einflüsse ergeben sich beispielsweise durch das Freisetzen großer
Mengen an bestimmten Stoffen, die in der Natur sonst nur in geringen Mengen
vorkommen. Aber auch die Entnahme von Stoffen (z. B. Waldrodung) kann zu
negativen Auswirkungen führen.
quantitative
Einflüsse
Im forstwirtschaftlichen Bereich führen beispielsweise Rodung und Brandrodung (v. a. in den Regenwäldern) zu einer drastischen Einschränkung natürlicher Lebensräume und somit in weiterer Folge zu Diversitätsverlusten. Relativ
neuartig ist das Problem des Anpflanzens von ertragreichen Monokulturen
(z. B. zur Zelluloseproduktion), was eine rasche Auslaugung des Bodens und in
weiterer Folge eine Aufgabe der Standorte zur Folge hat.
Auswirkungen
forstwirtschaftlicher
Tätigkeiten
Weitere umfassende Störeinflüsse können durch landwirtschaftliche Tätigkeiten
entstehen. So kommt es beispielsweise durch die Zucht leistungsstarker Sorten
und den erhöhten Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln zu nachhaltigen Veränderungen von Lebensräumen und zu einem Verlust der Artenvielfalt.
Der übergebührliche Einsatz von stickstoffhaltigen Düngern sowie die Verwendung von Gülle führen zu einem vermehrten Auftreten von potenziellen Schadstoffen (Nitrat und Ammoniak) in Luft, Boden und Grundwasser. Weitere Einflüsse, die sich aus landwirtschaftlichen Aktivitäten ergeben und ökologische
Konsequenzen nach sich ziehen, sind Bodenerosion, Bodenverdichtung und
der fortwährende Abbau von Humus.
Auswirkungen
landwirtschaftlicher
Tätigkeiten
Ein allgemeines drastisches Beispiel für die (Zer)Störung von Ökosystemen aus
dem Siedlungs- und Verkehrsbereich ist die zunehmende Versiegelung von
Flächen durch verschiedene bauliche Maßnahmen, die zu einem anhaltenden
Verlust natürlicher Lebensräume führt.
Auswirkungen der
Zersiedelung
Werden durch industrielle Aktivitäten sowie durch unsachgemäße Deponierung
von Abfall toxische Substanzen freigesetzt, so kann dies lokal oder regional zu
starken Beeinflussungen von natürlichen Ökosystemen führen. Schwermetalle
oder organische Chemikalien können bereits in geringen Konzentrationen in
Umweltmedien eine Dezimierung der Biodiversität bewirken und bei unzureichend ausgeprägten Kompensationsmöglichkeiten eine nachhaltige Beeinträchtigung grundlegender Ökosystem-Funktionen zur Folge haben.
Auswirkungen
industrieller
Tätigkeiten
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
23
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
3
3.1
Toxizitätstests für
Chemikalien und
Umweltmedien
BESTIMMUNG UND BEURTEILUNG
ÖKOTOXIKOLOGISCHER EFFEKTE
Grundlagen zur Ökotoxizitätsbestimmung
Unter Ökotoxizität werden schädliche Effekte von chemischen Verbindungen
auf Lebewesen, deren Populationen und die natürliche Umgebung verstanden.
Ihre Messung erfolgt im Allgemeinen in Form von sogenannten Toxizitätstests.
Werden die unterschiedlichen Anwendungsbereiche und die Aussagekraft der
Testergebnisse berücksichtigt, so ist es sinnvoll, zwischen Toxizitätstests für
(i) Chemikalien und
(ii) kontaminierte Medien (Wasser- oder Bodenproben)
zu unterscheiden. Zur besseren Übersicht werden in diesem Bericht Toxizitätstests mit Chemikalien als Ökotoxizitätstests, jene mit kontaminierten Medien
ausschließlich als Bioassays bezeichnet.
Ökotoxizitätstests
Qualitätskriterien
beurteilen Schadstoffkonzentration
Der Begriff Ökotoxizitätstest beschreibt eine Testmethode zur Ermittlung der
Toxizität einer einzelnen bereits bekannten chemischen Substanz (oder eines
Substanzgemisches). Hierbei wird die zu testende Substanz einem standardisierten Testmedium (Wasser, Boden, …) zugegeben und aus unterschiedlichen
Verdünnungsstufen wird eine Konzentrations-Wirkungs-Kurve ermittelt (siehe
Kapitel 3.1.4). In weiterer Folge werden aus diesen Testergebnissen auf Basis
der erhaltenen toxikologischen Kenngrößen Qualitätskriterien (z. B. Schwellenund Grenzwerte in Form einer Schadstoffkonzentration) für das jeweils verwendete Medium abgeleitet. Diese Qualitätskriterien dienen dann als Richtwerte zur
Beurteilung von in der Umwelt gemessenen Schadstoffkonzentrationen. Dies
bedeutet, dass der Ökotoxizitätstest nur einmalig zur Festlegung der Grenzwerte angewandt wird; jede weitere Beurteilung von kontaminierten Medien erfolgt
damit indirekt mittels chemischer Analytik.
Bioassays
Bioassays messen
Umwelteffekte direkt
24
In den letzten Jahren wurden Ökotoxizitätstests zu “contaminated media tests“
(SUTER et al. 2000) oder Bioassays (DECHEMA 1995, FERGUSON et al. 1998)
weiterentwickelt, um Hemmeffekte, die von potenziell kontaminierten Umweltproben ausgehen, direkt zu messen. Vielfach handelt es sich auch hier um
„klassische“ Ökotoxizitätstests, die gegebenenfalls adaptiert wurden, um die
Toxizität von Wasser- oder Bodenproben direkt zu bestimmen. Es ist festzuhalten, dass bei Bioassays die Proben an einem kontaminierten Standort entnommen wurden und dass deren Schadstoffspektrum bzw. die Konzentration nicht
oder nur unzulänglich bekannt sind. Auch aus diesen Tests kann eine Modellkurve (siehe Kapitel 3.1.4) entwickelt werden; allerdings wird ein Effekt nicht mit
einer bestimmten Schadstoffkonzentration, sondern mit einem gewissen Anteil
des kontaminierten Mediums im Testansatz korreliert (z. B. Verdünnen von Abwasser mit sauberem Wasser oder Mischen des kontaminierten Bodens mit
nicht kontaminiertem Boden).
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Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
Generell wird mittels Toxizitätstests der Effekt von Schadstoffen auf lebende
Testorganismen ermittelt. Toxizitätstests umfassen immer die drei folgenden
Komponenten:
•
•
•
Komponenten von
Toxizitätstests
Testmedium (z. B. Wasser, Boden),
spezifische Testorganismen (z. B. Leuchtbakterien, Regenwürmer),
Testendpunkt (Messgröße – z. B. Mortalität, Reproduktionshemmung).
Das Testmedium kann einerseits durch das Umweltmedium, in dem der zu untersuchende Schadstoff vorliegt (z. B. Boden, Wasser) vorgegeben sein und
bestimmt somit die Auswahl der möglichen Testorganismen. Andererseits kann
das Testmedium aber auch durch den Testorganismus bestimmt werden, sodass im Falle von Bioassays der Schadstoff erst in dieses Medium überführt
werden muss (z. B. Leuchtbakterientest mit Eluat aus Boden oder Abfall).
Es wird häufig vernachlässigt, dass die Frage, welche Komponente oder Funktion eines Ökosystems geschützt werden soll, der bestimmende Faktor zur
Auswahl der Testorganismen ist. Anders formuliert: Durch die Auswahl eines
Testorganismus werden auch die möglichen Aussagen festgelegt. Darüber hinaus ermöglicht die Verwendung von definierten Testorganismen eine Erhöhung
der Reproduzierbarkeit von Toxizitätstests.
Testmedium
Auswahl der
Testorganismen
In der Praxis erfolgt die Messung von Wirkungen (Effekten), die durch Schadstoffe hervorgerufen werden, vorwiegend auf der Ebene der Individuen (zumeist
mehrere Organismen einer Art). Die Begründung dieser Auswahl liegt in der
vergleichsweise einfachen Messbarkeit und Interpretierbarkeit der Daten sowie
in den ökonomischen Vorteilen im Vergleich zu Messungen auf anderen trophischen Ebenen (GAUDET 1994).
3.1.1
Beurteilungsebenen in der Theorie und Messgrößen in der
Praxis
Grundsätzlich wird in der ökologischen Risikobeurteilung zwischen Beurteilungsebenen (üblicherweise Assessment Endpoint – zu schützender ökologischer Wert) und Messgrößen (üblicherweise Measurement Endpoint – quantifizierbares ökologisches Merkmal) unterschieden. Der Measurement Endpoint
bezeichnet jene Parameter, die im Test gemessen werden, wogegen der
Assessment Endpoint jene Parameter auf einer höheren Komplexitätsstufe des
realen Ökosystems darstellt, auf die die Ergebnisse eines Toxizitätstests extrapoliert werden.
Measurement Endpoints bezeichnen also somit quantitativ beobachtbare oder
messbare ökologische Größen, die durch den Schadstoff beeinflusst werden
(z. B. Sterbe-, Wachstums- oder Reproduktionsrate). In der ökotoxikologischen
Fachliteratur werden diese Kenngrößen oft als Testendpunkt oder nur als Endpunkt bezeichnet. Diese messbare Größe bezieht sich immer auf den ökologischen Wert, der als Assessment Endpoint ausgewählt wurde. Der Measurement Endpoint dient somit als Ersatz für den Assessment Endpoint. Mögliche
Hilfestellungen zur Auswahl geeigneter Measurement Endpoints können sein:
•
•
•
messbare Größen:
Measurement
Endpoints
Unmittelbarer Bezug zum Assessment Endpoint,
rasch und einfach messbar,
abgestimmt auf die Größe des kontaminierten Standorts,
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
25
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
•
•
•
•
•
•
•
aussagekräftig bezüglich der Expositionspfade,
berücksichtigt dynamische und temporale Änderungen,
geringe natürliche Variabilität,
aussagekräftig im Ergebnis,
breite Anwendbarkeit,
standardisierte Testmethoden,
Vorhandensein bereits existierender Daten.
Measurement Endpoints befinden sich aus verschiedensten Gründen (siehe
Ende des Kapitels 3.1) fast ausschließlich auf der Ebene der Organismen oder
auf der Ebene der Population. Im Zuge der ökologischen Risikobeurteilung
werden je nach standortspezifischen Bedingungen und den ausgewählten
Assessment Endpoints zumeist mehrere Toxizitätstests, zusammengestellt in
einer so genannten Testbatterie (siehe Kapitel 3.2.6), gleichzeitig durchgeführt.
zu schützende
Werte: Assessment
Endpoints
Als Assessment Endpoints im Zuge einer ökologischen Risikobeurteilung werden die zu schützenden ökologischen Werte bezeichnet. Es handelt sich hierbei
in erster Linie um die Beschreibung von ökologischen Eigenschaften, die durch
Schadstoffe an einem kontaminierten Standort nachteilig verändert werden. Die
Wahl eines Assessment Endpoints sollte möglichst am Beginn jeder ökologischen Risikoabschätzung erfolgen; die weiteren Vorgehensweisen sind darauf
abzustimmen. Eignungskriterien für Assessment Endpoints sind (GAUDET 1994):
•
•
•
•
•
Soziale und biologische Relevanz,
eindeutige operationale Definition,
Messbarkeit oder Vorhersagbarkeit,
Aussagekraft für die Auswirkungen des Schadstoffes,
Relevanz für mögliche zukünftige Entscheidungen.
Die ausgewählten Assessment Endpoints liegen zumeist auf der Ebene der Population oder Gemeinschaft, selten auch auf der Gesamt-Ökosystem-Ebene.
Auswirkungen, welche die molekulare oder die Organismen-Ebene betreffen,
haben zumeist keine allzu große soziale oder biologische Relevanz und werden
deshalb kaum für diese Fragestellung ausgewählt.
Im Fall, dass Assessment- und Measurement Endpoint sich nicht unterscheiden, kann der Zusammenhang zwischen Schadstoff und Wirkung relativ einfach
charakterisiert werden. Sehr häufig tritt allerdings der Fall auf, dass die ausgewählten Assessment Endpoints nicht beobachtbar oder messbar sind, beziehungsweise keine aussagekräftigen oder standardisierten Testmethoden für
diese existieren. In diesem Fall ist es für eine möglichst realitätsnahe Aussage
über die Einwirkung von Schadstoffen notwendig, eine quantifizierbare Verbindung zwischen Assessment- und Measurement Endpoint zu finden, um in weiterer Folge anhand von Extrapolationen Rückschlüsse tätigen zu können
(SUTER 1989).
Generell ist der Rückschluss von einer Schadstoffwirkung (Measurement
Endpoint) auf eine Wirkung auf das Gesamtökosystem als komplex und schwierig zu bewerten. Es existieren mittlerweile aber einige standardisierte Protokolle, mit deren Hilfe von der Individuen-Ebene auf höhere Ebenen extrapoliert
werden kann (GAUDET 1994).
26
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
3.1.2
Response-Ebenen
Grundsätzlich kann die Abschätzung oder Messung von Störeinflüssen, die
durch toxische Chemikalien hervorgerufen werden, auf jeder Ökosystem- bzw.
Organisations-Ebene erfolgen. Die Durchführung geeigneter Tests kann von
Messungen auf zellulärer Ebene bis hin zur Betrachtung gesamter Ökosysteme
erfolgen. Je nachdem, welche Ebene untersucht wird, können unterschiedliche
Auswirkungen beobachtet werden, die in Abbildung 4 schematisch dargestellt
werden.
Ebenen der
Betrachtung
Schematische Darstellung der Organisationsebenen und
Beispiele für mögliche Störeinflüsse
Organisationsebene
zellulär
Veränderungen
Physiologie
Enzymaktivitäten
Gewebe
Organismus
metabolische Raten
Individuum
Reproduktion
Population
Gemeinschaft
Ökosystem
Wachstum, Mortalität
Dynamik
Populations- oder
Gemeinschaftparameter
Quellen: BOKU & Umweltbundesamt
Abbildung 4: Schematische Darstellung der Organisationsebenen und Beispiele für
mögliche Störeinflüsse. Die Komplexität der ökologischen Interaktion
steigt mit der Stufe der biologischen Organisation.
Die Abschätzung und Messung von Störeinflüssen auf den unterschiedlichen
Ebenen eines Ökosystems bringt eine Unterteilung der messbaren Kenngrößen
in physiologische sowie individuelle und dynamische Parameter mit sich. Einige
Messgrößen (z. B. Verhalten) können durchaus auf mehreren Ebenen untersucht werden (siehe Tabelle 2).
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27
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
Tabelle 2: Auswirkungen von Störeinflüssen auf unterschiedlichen OrganisationsEbenen (modifiziert nach POWER et al. 1991).
Response-Ebene Beschreibung
Parameter
Physiologie
primäre metabolische Auswirkungen
Enzymaktivität
Respiration
Photosynthese
Exkretion
primäre metabolische Reaktionen
metabolische Rate
Hämatologie
Pigmentation
Osmoseregulation
Ionenregulation
hormonelle Veränderungen
Überleben
Mortalität
Wachstum
Nahrungsaufnahme
Wachstumsausmaß
Wachstumsgeschwindigkeit
Körpergewicht
Entwicklungsstadium
Reproduktion
sexuelle Reife
Fruchtbarkeit
Larvenentwicklung
Größe der Brut
Reproduktionshäufigkeit
Verhalten
Reizaufnahme
Aktivität/Impetus
Lernen/Motivation
Vermeidung/Anziehung
Paarungsverhalten
Verhalten
Kolonisation/Migration
Aggression/Toleranz
Paarung
Populations-Parameter
Altersklassenverteilung
Aussterberate
Reproduktionserfolg
Artendichte und -häufigkeit
Biomasse
Produktion
Gemeinschafts-Parameter
Diversität/Artenreichtum
Sukzession
Nährstoffkreisläufe
Energieumsatz
Sauerstoffverbrauch/
Atmung
individuelle
Parameter
dynamische
Parameter
Physiologie
Untersuchungen auf physiologischer Ebene können häufig gute Aussagen über
das Einwirken von Schadstoffen auf einen Organismus liefern, da oft ein direkter Zusammenhang zwischen einem bestimmten Schadstoff und einer spezifischen biochemischen Auswirkung besteht. Diese Testmethoden liefern so zwar
gute Daten über die Wirkmechanismen toxischer Substanzen, lassen aber wenig allgemein gültige Aussagen über die Auswirkungen des Schadstoffeintrags
in ein Ökosystem zu. Beispiele für Kenngrößen im physiologischen Bereich wären die Messung von Enzymaktivitäten oder die Messung des Hämoglobingehalts im Blut.
28
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Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
Die Limitation der Einsatzmöglichkeiten und der Aussagekraft von physiologischen Testmethoden liegt in erster Linie in der großen Variabilität der Ergebnisse (abhängig von saisonalen Bedingungen, Reproduktions-Status, TestKonditionen etc.). Des Weiteren sind Diagnosen und Rückschlüsse von der
Ebene der Physiologie auf höhere Ebenen durchwegs schwierig, wenn nicht
unmöglich (GAUDET 1994).
begrenzte
Anwendung der
physiologischen
Betrachtungsebene
Individuelle Parameter
Die Messung von Störeinflüssen auf individueller Ebene stellt einen guten
Kompromiss zwischen der Einfachheit der Tests und der Aussagekraft der Ergebnisse dar. Die am leichtesten zu eruierende Kenngröße auf dieser Ebene ist
die Sterberate von Organismen. Des Weiteren werden aber auch noch Testmethoden zur Abschätzung von chronischen Effekten durchgeführt. Diese subletalen Auswirkungen entstehen zumeist durch biochemische Veränderungen und
werden über histologische, morphologische und ethologische Befunde ermittelt.
Betrachtung von
Individuen
Alle diese auf Organismen-Ebene zu beobachtenden Effekte haben direkte
Auswirkungen auf den Erfolg einer gesamten Population sowie in weiterer Folge auf Gemeinschaften und Ökosysteme.
Überleben
Die Überlebensrate von Organismen wird zumeist über (kurzzeitige) Toxizitätstests unter Laborbedingungen ermittelt. Bei diesen Testmethoden wird ein bestimmter Organismus (oder mehrere Organismen) für eine definierte Zeitspanne
dem kontaminierten Medium (z. B. Boden) ausgesetzt und ein biologischer
Endpunkt (in diesem Fall die Mortalität) festgelegt.
Wachstum
Parameter, die das Wachstum betreffen, haben zumeist eine hohe Aussagekraft, da sie die generelle Fitness eines Organismus widerspiegeln. Die Auswirkungen von Schadstoffen auf Wachstumsraten können einerseits durch indirekte Effekte (z. B. Änderungen in der Verfügbarkeit der Nahrung) und andererseits durch direkte Effekte (Unterbindung der Verwertbarkeit von Nahrung,
Energieverlust durch Metabolitenbildung etc.) hervorgerufen werden.
Viele das Wachstum betreffende Testmethoden bilanzieren zwischen Energieaufnahme (z. B. Fressen) und Energieabgabe (z. B. Respiration, Exkretion).
Positive Energiebilanzen resultieren in Wachstum, während negative Energiebilanzen auf ein Aufbrauchen der körpereigenen Reserven hindeuten. Energieverluste entstehen teilweise auch durch das Ablaufen von Reparaturprozessen
in Organismen. Diese Prozesse sind zwar schwer quantitativ messbar, können
aber als Indikator für das Vorhandensein von Stressbedingungen gesehen werden.
Bestimmung von
Energiebilanzen
Reproduktion
Für Toxizitätstests auf Ebene der Individuen stellt die Reproduktion den wichtigsten biologischen Endpunkt dar, da eine Beeinträchtigung der Reproduktion
das Überleben der Art gefährdet.
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29
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
Der Einfluss von Schadstoffen auf Reproduktionsvorgänge kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen, beispielsweise durch Energieverluste (siehe
Wachstum), Störung der Reproduktionskontrolle durch Schadstoffe oder Metaboliten sowie Einflüsse auf das Reproduktionsverhalten oder auf Reproduktionsabläufe.
verwendete
Testorganismen
Als Testorganismen werden beispielsweise Fische (aquatisch) oder Würmer
(terrestrisch) mit einer sehr kurzen Lebensspanne verwendet. Weitere Überprüfungen können z. B. über die Dicke der Eierschalen von Vogeleiern durchgeführt werden, da die Schalenbildung häufig durch den Einfluss von Schadstoffen gestört wird. Bei Säugetieren kann ebenfalls eine Untersuchung des Reproduktionsverhaltens und da vor allem des Reproduktionserfolgs ermittelt werden.
Geeignete Tests beziehen sich dabei häufig auf Verzögerungen der sexuellen
Reife, verzögerten Geburtszeitpunkt, Größe und Gewicht der Nachkommen,
Reproduktionshäufigkeit oder gar die gänzliche Hemmung der Reproduktion.
Verhalten
Störeinflüsse von Schadstoffen auf Verhaltensweisen können sich beispielsweise durch gestörte Fortbewegung oder Orientierung äußern. Dies hat bei den betreffenden Individuen sehr häufig negative Auswirkungen auf Prozesse wie
Nahrungsaufnahme, Beutefang, Fluchtverhalten, Migration, Balz- und Paarungsverhalten. Alle diese Parameter haben wesentlichen Einfluss auf den Erfolg jedes einzelnen Individuums und in weiterer Folge auch der gesamten Population (GAUDET 1994).
Dynamische Parameter
Alle Parameter, die Populationen, vor allem aber Gemeinschaften und GesamtÖkosysteme betreffen, können fast ausschließlich über Feldstudien ermittelt
werden. Diese Studien werden häufig zur Ermittlung von weiterführenden Informationen im Zuge einer genaueren Untersuchung angewendet. Die Auswahl
geeigneter Methoden ergibt sich zumeist durch standortspezifische Parameter
sowie durch Ergebnisse von im Vorfeld durchgeführten Toxizitätstests.
Populations-Parameter
Den Auswirkungen von Störeinflüssen auf Populationen kommt enorme Bedeutung zu, da einmal entstandene Veränderungen häufig nicht mehr oder nur äußerst langfristig wieder rückgängig gemacht werden können. Zumeist sind Prozesse, die eine gesamte Population betreffen auch von gesellschaftlichem Interesse, da sie beispielsweise mit der Nahrungsmittelproduktion (z. B. Fischzucht)
in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Auch das Aussterben von lokal ansässigen Arten kann von emotionaler Bedeutung für die Gesellschaft sein.
Ermittlung von
Bioindikatoren
30
Die Ermittlung von Populations-Indikatoren erweist sich häufig sensibler als
Tests auf der Organismen-Ebene. Eine generelle Abschätzung von Veränderungen kann über die An- und Abwesenheit bestimmter an einem Standort erwarteter Arten erfolgen – vor allem dann, wenn historische Daten mit dem derzeitigen
Zustand verglichen werden können. Arten, die auf bestimmte Schadstoffeinträge oder Veränderungen der Umweltbedingungen sensibel reagieren und deren
An- oder Abwesenheit über einen längeren Zeitraum über Monitoring überwacht
wird, werden Bioindikatoren (Zeigerarten) genannt.
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Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
Eine weitere Überprüfung negativer Einflüsse kann über die Größe einer Population erfolgen. Diese ergibt sich aus den Parametern Geburten- und Sterberate
sowie Ein- oder Abwanderungstendenzen, welche wiederum durch Auswirkungen von Kontaminationen beeinflusst werden können. Dies kann sowohl akut
über das Sterben von Individuen oder langfristig über Effekte auf die Gesundheit der Organismen getestet werden.
Ermittlung der
Populationsgröße
Weitere Möglichkeiten zur Messung von Störeinflüssen auf der PopulationsEbene entstehen aus Änderungen der Altersklassenverteilung oder der Ermittlung des Reproduktionserfolgs. Diese Parameter lassen aber nicht immer einen
direkten Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung erkennen und werden
zumeist stark von Faktoren wie saisonalen Gegebenheiten, Konkurrenzbeziehungen oder anderen Parametern wie der Verfügbarkeit von Nahrung beeinflusst.
Ermittlung von Alter
und Reproduktion
Gemeinschafts-Parameter
Durch den Einfluss von Schadstoffen bedingte, allerdings schwierig zu überprüfende und hinsichtlich der Aussagekraft nicht immer eindeutig zu definierende
Parameter auf der Gemeinschafts-Ebene sind beispielsweise die Artenzusammensetzung einer Gemeinschaft oder die Häufigkeit des Vorkommens bestimmter Arten. Eine Möglichkeit zur Verifizierung der Daten kann zum Beispiel
über den Vergleich mit intakten Referenzökosystemen erfolgen. Im Normalfall
werden die Gemeinschaft betreffende Parameter im Zuge von Feldversuchen
ermittelt, können aber durchaus auch über die Erstellung von Modellen erfolgen.
Artenzusammensetzung und
-häufigkeit
Ökosystem-Parameter
Obwohl der Schutz von gesamten Ökosystemen eine mehr oder weniger große
Rolle in der Gesellschaft spielt, ist die direkte Messung von Störeinflüssen auf
dieser komplexen Ebene praktisch nicht möglich und kann nur über Extrapolation von auf anderen (niedrigeren) Ebenen gemessenen Daten erfolgen (GAUDET
1994). Laut SUTER (1989) wäre in Hinblick auf kontaminierte Standorte die nützlichste zu untersuchende Ökosystemeigenschaft das Produktionspotenzial.
3.1.3
Störeffekte sind auf
dieser Ebene nicht
messbar
Akute und chronische Exposition
Grundsätzlich wird unter dem Begriff Exposition – im Zusammenhang mit ökotoxikologischen Betrachtungen – die gleichzeitige Anwesenheit eines oder mehrerer Stressoren (in diesem Fall Chemikalien bzw. Schadstoffe) und eines oder
mehrerer Organismen bei gegebener Interaktionsmöglichkeit verstanden.
Im Bereich der Ökotoxikologie nehmen die Terme „akut“ beziehungsweise „chronisch“ je nach Generationszeit des Testorganismus eine unterschiedliche Größe
ein. Daher ist es zielführender, diese Bezeichnungen nicht wie bei der humantoxikologischen Risikobeurteilung üblich auf Wirkungen, sondern auf die Expositionsdauer zu beziehen. Das heißt, es werden Auswirkungen von Schadstoffen oder Schadstoffgemischen nach akuter (kurzer) oder chronischer (lang andauernder) Exposition beobachtet.
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Expositionsdauer
31
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
Als Konvention in der Ökotoxikologie werden Kenngrößen in der Regel entweder nach akuter Exposition über die Mortalität oder nach chronischer Exposition
anhand von meist subletalen Effekten (z. B. Reproduktion) abgeleitet. Prinzipiell
sind aber sowohl die Mortalität als auch subletale Auswirkungen unabhängig
von der Expositionsdauer.
3.1.4
Konzentrations-Wirkungs-Kurven und ökotoxikologische
Kenngrößen
Der in einem Toxizitätstest gefundene Zusammenhang zwischen Schadstoffkonzentration und biologischer Wirkung (Measurement Endpoint) wird mit Hilfe
von Konzentrations-Wirkungs-Kurven beschrieben. Hierbei wird z. B. die prozentuale Häufigkeit der Wirkung einer bestimmten chemischen Substanz auf
Testorganismen (y-Achse) gegen die getesteten Konzentrationen (oder deren
Logarithmus; x-Achse) aufgetragen (siehe Abbildung 5).
Konzentrations-Wirkungs-Kurve
100
Wirkung (%)
80
60
40
20
LOEC
LC50
NOEC
0
1.0
1.5
2.0
2.5
3.0
Schadstoffkonzentration (log)
Quelle: BOKU
Abbildung 5: Konzentrations-Wirkungs-Kurve.
Prinzipiell können zwei verschiedene Auswerteverfahren für Toxizitätstests unterschieden werden (SUTER 1993):
•
•
32
Messung einer effektiven Konzentration (EC10, EC50, LC50 etc.),
Testen von Hypothesen (NOEC, LOEC).
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Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
3.1.4.1
Messung einer effektiven Konzentration
Zur Bestimmung einer effektiven Konzentration werden Schadstoffkonzentrationen (beziehungsweise deren Logarithmus) und beobachtete Wirkungen (z. B.
Sterberate, Wachstumshemmung) über ein Regressionsmodell zueinander in
Beziehung gesetzt. Daraus können verschiedene toxikologische Kenngrößen
(z. B. LC50, EC50 oder IC50) abgeleitet werden (MOORE & CAUX 1997).
Ableitung
toxikologischer
Kenngrößen
Prinzipiell wird zwischen quantalen Wirkungen (zählbar: ja oder nein; LC50, EC50
– Anzahl der Organismen, die einen Effekt – z. B. Mortalität oder Fehlen der
Nachkommen – zeigen) und quantitativen Auswirkungen (messbare Veränderung eines biologischen Parameters; IC50 – z. B. Ausmaß der Wachstumshemmung) unterschieden. Die wichtigsten statistischen Kenngrößen zur Messung von Wirkungen auf Organismen sind:
LC50 (median lethal concentration) bezeichnet jene Konzentration eines
Schadstoffs in einem bestimmten Testmedium (z. B. Boden), bei der 50 % der
getesteten Organismen sterben.
EC50 (median effective concentration) ist jene Konzentration, bei der bei
50 % der Organismen subletale Wirkungen beobachtet werden können (z. B.
Anzahl der Testorganismen, die schadstoffbedingt keine Nachkommen haben).
IC50 (inhibiting concentration) steht für jene Konzentration, bei der ein biologischer Parameter um 50 % verringert wird (z. B. Wachstumshemmung von Algen durch den Einfluss von Schadstoffen).
Es sei darauf hingewiesen, dass im europäischen Raum selten zwischen ECxx
und ICxx unterschieden wird und meist der ECxx verwendet wird.
3.1.4.2
Testen von Hypothesen
Im Zuge des Testens von Hypothesen wird eine – durch eine bestimmte Schadstoffkonzentration ausgelöste – Wirkung mit einer unbeeinflussten Kontrolle
verglichen. Üblicherweise werden folgende statistische Kenngrößen ermittelt:
statistische
Kenngrößen
LOEC (lowest observed effect concentration) ist jene Konzentration, bei
welcher erstmals eine signifikante Wirkung auftritt – die niedrigste Konzentration im Testansatz, die eine Wirkung zeigt.
LOAEC (lowest observed adverse effect concentration) ist jene Konzentration, bei welcher erstmals eine signifikante nachteilige Wirkung auftritt – die
niedrigste Konzentration im Testansatz, die eine Wirkung zeigt.
NOEC (no observed effect concentration) bezeichnet jene Konzentration, bei
der ein Effekt nicht mehr nachgewiesen werden kann – die höchste Konzentration im Testansatz, die keinen Effekt zeigt. Die NOEC ist immer kleiner als die
LOEC und entspricht der unmittelbar nächstkleineren Konzentrationsstufe im
Testansatz.
NOAEC (no observed adverse effect concentration) bezeichnet jene Konzentration, bei der eine nachteilige Wirkung nicht mehr nachgewiesen werden
kann – die höchste Konzentration im Testansatz, die keine Wirkung zeigt. Die
NOAEC ist immer kleiner als die LOAEC und entspricht der unmittelbar nächstkleineren Konzentrationsstufe im Testansatz.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
33
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
Nachteil von
Hypothesentests
Hypothesentests werden aufgrund der Einfachheit ihrer Anwendung in der Praxis häufig eingesetzt. Allerdings haben sie den Nachteil, dass nur ein beziehungsweise zwei Messpunkte aus der Konzentrationsreihe in die Berechnung
eingehen und dass daher die Wahrscheinlichkeit, dass eine toxische Konzentration als nicht toxisch bewertet wird, hoch ist (Risiko 2. Ordnung oder ß-Fehler;
falsch negatives Resultat). Das ist nicht zuletzt auf die üblicherweise große
Streuung biologischer Testsysteme zurückzuführen.
3.2
Anwendung von Bioassays zur Untersuchung von
kontaminierten Böden
Bioassays, die zur Beurteilung kontaminierter Böden eingesetzt werden, können prinzipiell mit verschiedenen Medien durchgeführt werden. Terrestrische
Tests oder Kontakttests werden mit festen Materialien (z. B. Boden, Schlämme,
Sedimente) durchgeführt und vorwiegend zur Ermittlung von ökologischen
Auswirkungen verwendet. Aquatische Tests (Sickerwasser oder Boden-Eluate)
liefern beispielsweise Informationen zur Mobilität der Schadstoffe oder über das
Rückhaltevermögen eines Bodens.
terrestrische
Bioassays
Für die Durchführung von terrestrischen Bioassays wird als Testmedium immer
Boden vom kontaminierten Standort verwendet. Ex-situ-Tests werden im Labor
unter Zugabe von zumeist kultivierten Testorganismen durchgeführt und finden
bereits relativ häufig Anwendung. Des Weiteren können auch in-situ-Tests zur
Bestimmung der negativen Auswirkungen toxischer Substanzen durchgeführt
werden, beispielsweise durch das Aussetzen von Pflanzen an einem kontaminierten Standort (SUTER et al. 2000). Diese Vorgangsweise ist auch unter dem
Begriff „aktives Biomonitoring“ bekannt.
Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, Bioassays mit Organismen vom
Standort unter Laborbedingungen durchzuführen. Viele dieser hierbei beobachteten Effekte beziehen sich zwar häufig direkt auf die zu beurteilenden ökologischen Funktionen (z. B. Bodenatmung, Nitrifikationskapazität), die Tests haben
aber den großen Nachteil, sehr fehleranfällig zu sein – beispielsweise durch inadäquate Probenahme, durch eine natürliche geringe Organismenanzahl oder
auch durch das Vorhandensein von Testorganismen, die sich im Lauf der Zeit
zunehmend an die Bedingungen am kontaminierten Standort angepasst haben.
Wesentliche Voraussetzungen für die fachgemäße Anwendung von Bioassays
und somit auch für die Generierung von aussagekräftigen Daten, sind die
i.
ii.
iii.
ökologische Relevanz der eingesetzten Organismen,
Akzeptanz der Testsysteme sowie ihre
Durchführbarkeit in der Praxis.
3.2.1
Ökologische Relevanz
Bioassays, bzw. die in ihnen eingesetzten Testorganismen, sind dann von ökologischer Relevanz, wenn sie folgende Kriterien erfüllen:
•
•
•
34
Sensitivität,
ökologischer Realismus,
biologische Validität.
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Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
3.2.1.1
Sensitivität
Die Existenz einer sensitivsten Spezies (z. B. ein Universalindikator) ist ein Mythos. Die Sensitivität eines bestimmten Testsystems wird sowohl durch die
Empfindlichkeit der Testorganismen gegenüber den jeweiligen Schadstoffen als
auch durch die Testbedingungen bestimmt. Die ausgewählten Organismen sollten eine möglichst gute Sensitivität gegenüber verschiedenen Schadstoffen
(sowohl Einzelsubstanzen als auch Schadstoffgemische) zeigen (ENVIRONMENT
CANADA 1994).
3.2.1.2
Ökologischer Realismus
Bei der Anwendung von Bioassays ist es wichtig, eine für eine taxonomische
Gruppe repräsentative Spezies auszuwählen, die auch im Feld eine wichtige
ökologische Funktion innehat und die bei der Durchführung des Tests einen
ökologisch relevanten und möglichst diagnostischen Response (Reiz-Reaktion)
liefert.
Auswahl einer
repräsentativen Art
Hinsichtlich der Exposition sollten die Testbedingungen – sowohl abiotische als
auch biotische Faktoren – möglichst die natürlichen Bedingungen reflektieren.
Somit müssen auch die Aufnahmewege der Schadstoffe in die Testorganismen
denjenigen unter Feldbedingungen entsprechen. Des Weiteren ist es notwendig, auch die Bioverfügbarkeit mit einzubeziehen, eine ökologisch realistische
Expositionsfrequenz auszuwählen und realistische Umweltkonzentrationen zu
berücksichtigen (VAN GESTEL et al. 1997).
weitere realitätsbezogene Kriterien
3.2.1.3
Biologische Validität
Da der Zustand der Testorganismen das Ergebnis beeinflussen kann, ist einerseits zu berücksichtigen, dass eine ausreichende Anzahl von Organismen mit
einem passenden Alter im Test eingesetzt wird und andererseits in der Kontrollgruppe die Validitätskriterien stimmen. Dies bedeutet, dass in der Negativkontrolle eine Mindestanzahl an Überlebenden eingehalten werden muss sowie
in der Positivkontrolle eine spezifizierte Mortalität bzw. Hemmung mit einem Referenzschadstoff erzielt werden kann/muss (VAN GESTEL et al. 1997).
3.2.2
Akzeptanz der Testsysteme
Jeder biologische/ökologische Test sollte folgende drei Kriterien erfüllen:
•
•
•
Akzeptanzkriterien
Es existiert ein schriftliches Testprotokoll mit methodischen Anweisungen
(z. B. ISO – International Organization for Standardization).
Eine Referenzsubstanz, die toxisch auf die Testorganismen wirkt und die
Möglichkeit der Kontrolle der Reproduzierbarkeit eines Tests bietet, ist inkludiert (Positivkontrolle).
Akzeptanzkriterien, die den Gesundheitszustand der Organismen beurteilen,
sind definiert. Ein Kontroll-Testansatz unter Abwesenheit toxischer Substanzen muss die Gesundheit der verwendeten Organismen nachweisen
(Negativkontrolle).
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35
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
Die verpflichtende Verwendung einer Referenzsubstanz ist allerdings noch keine Garantie für eine hohe Aussagekraft eines Tests, da die Qualität einer möglichen Aussage auch durch die Variabilität in den Testansätzen bestimmt wird.
Je größer die Abweichungen innerhalb eines Testverfahrens sind, umso unsicherer wird die Interpretation der Ergebnisse.
Environment Canada schlägt beispielsweise bei der Verwendung von Testansätzen im Vergleich zu einer Referenzsubstanz eine maximal akzeptable relative Standardabweichung (CV – coefficient of variation) von 30 % (besser
< 20 %) vor (ENVIRONMENT CANADA 1994, 2007).
3.2.3
Durchführbarkeit in der Praxis
Neben den oben definierten ökologischen und biologischen Kriterien sind auch
folgende Punkte für den Einsatz von Bioassays zu berücksichtigen:
•
•
Praktische Argumente und
Feldvalidierung (Plausibilitätsprüfung).
3.2.3.1
praktische
Anwendbarkeit
eines Bioassays
Praktische Argumente
Bei der Auswahl der einzelnen Bioassays für eine Testbatterie (siehe Kapitel
3.2.6) sollte sowohl auf deren Aussagekraft für die Situation am Feld als auch
auf eine möglichst einfach praktische Handhabbarkeit geachtet werden; beispielsweise durch die Auswahl von leicht zu kultivierenden Testorganismen und
den Erhalt möglichst eindeutiger Ergebnisse.
Unmittelbar in Zusammenhang mit der Handhabbarkeit eines Tests stehen
auch Kosteneffizienz und Schnelligkeit der Tests, z. B. durch die Auswahl von
rasch durchführbaren Tests zur Abschätzung der akuten Toxizität. Hierbei gilt
es, Testspezies mit kurzen Reproduktionszyklen auszuwählen, anhand derer
auch bei der Durchführung von chronischen Tests schon nach relativ kurzer
Testdauer Aussagen über die Auswirkungen einer toxischen Substanz über einen gesamten Reproduktionszyklus einer Art getätigt werden können.
3.2.3.2
Korrelation von
Labor- und Felduntersuchungen
36
Feldvalidierung (Plausibilitätsprüfung)
Bioassays werden im Labor durchgeführt und liefern eine generelle Abschätzung von toxischen Effekten; präzise Aussagen über Auswirkungen am Standort sind jedoch schwierig. Somit dienen Bioassays praktisch als Ersatz für Felduntersuchungen; bei der Übertragung der Ergebnisse ist jedoch die Vergleichbarkeit der Bedingungen im Feld und im Labor (z. B. Tageslicht, Temperaturveränderungen, Wasserversorgung) zu berücksichtigen. Mehrere Studien aus
den USA belegen sehr wohl positive Korrelationen zwischen Ergebnissen aus
chronischen Toxizitätstests und im Feld sichtbaren Effekten auf natürliche Populationen (z. B. MOUNT et al. 1986, MOUNT & NORBERT-KING 1986). Auch die
Ergebnisse von Pflanzentests im Labor konnten durch Untersuchungen am
Standort direkt bestätigt werden (THOMAS et al. 1986).
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Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
3.2.4
Vorteile und Limitierungen von Bioassays
Die Anwendung von Bioassays bietet zahlreiche Vorteile, z. B. die Messung der
unmittelbaren Toxizität nicht oder unvollständig charakterisierter Substanzgemische. Allerdings sind dafür auch Einschränkungen in Kauf zu nehmen wie beispielsweise die mangelhafte Kenntnis des Einflusses der Versuchsbedingungen.
3.2.4.1
Vorteile von Bioassays
Die wesentlichen Vorteile von Bioassays sind:
•
•
•
•
•
•
•
•
Direkte Messung von letalen oder sub-letalen Effekten,
Abschätzung von Langzeiteffekten mit chronischen Tests,
Messung der Toxizität von Chemikalien, die unbekannt sind oder nicht identifiziert wurden bzw. für die keine toxikologischen Daten vorhanden sind,
direkte Berücksichtigung des bioverfügbaren Schadstoffanteils,
Frühwarnsystem für Umweltschäden,
Berücksichtigung kombinierter Effekte von Schadstoffmischungen,
sichtbare Effekte sind leichter verständlich als Messwerte chemischer Konzentrationen
geringere Kosten (bei komplexer Verunreinigung und Matrix).
Ein großer Vorteil von Bioassays liegt in der Möglichkeit einer direkten Erkennung von nachteiligen Effekten auf Testorganismen (im Gegensatz zur simplen
Messung einer Schadstoff-Konzentration, von der in Folge auf eine Gefährdung
geschlossen wird) und somit einer besseren Möglichkeit, umweltrelevante Auswirkungen vorhersagen zu können. Wenn beispielsweise 100 % der getesteten
Regenwürmer sterben, liegt ein eindeutiger Beweis für die Toxizität der Bodenprobe vor. Gemessene Schadstoffkonzentrationen würden erst nach dem Vergleich mit Schwellenwerten (die ihrerseits jedoch auch über Ökotoxizitätstests
ermittelt wurden) Hinweise auf Schadstoffpotenziale liefern (LOIBNER et al.
2003).
Effekte sind direkt
erkennbar
Ein weiterer Vorteil von Bioassays liegt darin, dass die Toxizität des gesamten
in der Probe vorhandenen Schadstoffspektrums erfasst werden kann. So wird
auch das toxische Potenzial unbekannter oder nicht analysierter Schadstoffe
bzw. solcher für die keine Toxizitätsdaten vorliegen mit untersucht. Dies kann in
diesem Fall auch Kosten einsparend sein, da eine chemische Analyse aller
möglicherweise enthaltenen Schadstoffe sehr aufwändig und teuer wäre
(ENVIRONMENT CANADA 1999).
Gesamttoxizität wird
erfasst
Gerade an kontaminierten (Industrie)Standorten ist im Normalfall ein breites
Spektrum an unterschiedlichsten Schadstoffen vorhanden, die auch miteinander in Wechselwirkung treten können. Die Durchführung von Bioassays und
somit die Erfassung der Gesamt-Toxizität einer Probe hat den Vorteil, alle synergistischen und/oder antagonistischen Effekte zwischen den verschiedenen
Schadstoffen in die Analyse mit einzubeziehen. Eine simple Addition aller Effekte würde vermutlich zu einer Fehlinterpretation – häufig einer Überschätzung
der nachteiligen Wirkungen – führen, da die Wechselwirkungen zwischen mehr
Wechselwirkungen
werden
berücksichtigt
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
37
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
als zwei unterschiedlichen Schadstoffen äußerst komplex und schwer vorhersagbar sind (LOIBNER et al. 2003). Darüber hinaus ist festzuhalten, dass eben
diese Wechselwirkungen durch die etablierte Risikobeurteilung, die ausschließlich auf chemischen Analysen beruht, nicht erfasst werden.
weitere chemische
Parameter werden
erfasst
verringerte Bioverfügbarkeit durch
Bodenbindung
Sowohl die chemische Bindungsform eines Schadstoffs als auch die chemische
Spezies (z. B. Oxidationsstufe eines Metalls, Dissoziationsstufe einer organischen Säure) spielen für die Toxizität eine wesentliche Rolle. Durch die Verwendung von kontaminiertem Material direkt vom Standort werden diese Gegebenheiten berücksichtigt, wohingegen in der chemischen Analytik üblicherweise
nur der Gesamtgehalt eines Schadstoffes ohne Berücksichtigung etwaiger unterschiedlicher Bindungsformen oder Oxidationsstufen (bei Metallen) bestimmt wird.
Als weiterer Vorteil von Bioassays kann auch die Berücksichtigung der (Bio)verfügbarkeit in der quantitativen Ausprägung der Reiz-Reaktion (Response) gelten. Gerade die Verfügbarkeit der im Altlastenbereich häufig auftretenden organischen Schadstoffe hängt sehr stark von unterschiedlichen Gegebenheiten ab,
wie beispielsweise den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Schadstoffe, der Zusammensetzung des Bodens (vor allem hinsichtlich Gehalt und Art
des organischen Materials), der Konzentration der Schadstoffe, sowie dem Alter
der Kontamination. Generell führt die Bindung von Schadstoffen in Böden zu
einer Verringerung der (Bio)verfügbarkeit und somit auch zu einer Verringerung
der Reiz-Reaktion-Toxizität. Dies kann mittels Bioassays erfasst werden. Wird
die Schadstoffkonzentration nur durch eine chemische Analyse ermittelt, so wird
dieser Aspekt der Risikoreduktion missachtet und unter Umständen wird das
Risiko, das von einem kontaminierten Boden ausgeht, überschätzt (LOIBNER et
al. 2003).
3.2.4.2
Schadstoffe werden
nicht identifiziert
Ein wesentlicher Nachteil von Bioassays besteht darin, dass die im kontaminierten Medium vorhandenen Schadstoffe nicht identifiziert werden, was aber unter
anderem für die Wahl einer adäquaten Sanierungsmethode notwendig ist. Folgende limitierende Faktoren müssen bei der Anwendung von Bioassays jedenfalls in Betracht gezogen werden:
•
•
•
•
•
•
•
•
mögliche Fehlinterpretationen
38
Nachteile von Bioassays
Toxische Stoffe werden nicht identifiziert,
vor allem chronische Tests sind sehr zeitaufwändig,
nur wenige Spezies werden getestet,
Extrapolierbarkeit der Ergebnisse auf eine höhere Stufen der biologischen
Organisation ist nicht implizit gegeben,
die Tests werden bei optimalen Bedingungen durchgeführt (neben der Kontamination existieren keine weiteren Stressfaktoren),
die Variabilität der natürlichen Umwelt wird nicht berücksichtigt,
keine direkte Messung der Bioakkumulation,
vereinfachende Interpretation kann Öffentlichkeit und Behörden irreführen.
Probleme bei der Verwendung vor allem von terrestrischen Bioassays können
auch durch die Fehlinterpretation von Daten aufgrund der Durchführung der
Tests mit einem unpassenden Kontrollboden entstehen. Für terrestrische Bioassays ist die Auswahl eines geeigneten Referenzbodens von äußerster Wich-
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
tigkeit, da schlussendlich alle Testergebnisse auf die Ergebnisse des Referenzansatzes bezogen werden. Jedweder verbessernder oder hemmender Effekt,
der zwar im Referenzboden, nicht aber im eigentlichen Testboden auftritt, hat
eine Verfälschung des Ergebnisses zur Folge (ENVIRONMENT CANADA 1999).
Zusammenfassend leisten Bioassays, in Ergänzung zu einer analytischen Bestimmung der chemischen Identität und Konzentration von Schadstoffen, einen
maßgeblichen Beitrag zu einer gründlichen Charakterisierung der ökologischen
Beeinträchtigung an einem kontaminierten Standort. Die Anwendung solcher
Testmethoden ermöglicht Aussagen über Parameter, die durch eine rein chemische Analyse nicht getätigt werden können, wie z. B. das Ausmaß der Bioverfügbarkeit oder auch die biologische Wirkung von Schadstoffgemischen.
3.2.5
Beispiele für Bioassays zur Beurteilung kontaminierter
Bodenproben
Tabelle 3 enthält eine Auswahl von Bioassays, die zur Beurteilung kontaminierter Standorte eingesetzt werden können. Die einzelnen Bioassays sind hinsichtlich ihrer Charakteristik, der Messparameter, der Testdauer und der Aussagekraft kurz beschrieben.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
39
40
Testcharakter
Referenzen
6 Stunden
Ammonium Oxidationstest Untersuchung der Aktivität der Ammoniumoxidations(ammoniumoxidierende
Bakterien (Aktivität entspricht
rate (Nitrit)
Bakterien)
der Akkumulationsrate von Nitrit)
1 Stunde
bis 24 Stunden
Untersuchung der KurzzeitToxizität von
Bodensuspensionen auf
Leuchtbakterien
Lebensraumfunktion
Transformationsfunktion
Filter- u. Pufferfunktion
Lebensraumfunktion
Transformationsfunktion
Filter- u. Pufferfunktion
Lebensraumfunktion
Transformationsfunktion
Speicher- u. Rückhaltefunktion
ISO/DIS 15685 (2001)
DECHEMA (1995)
ISO 14240-1 (1997)
speziesabhängig – bis Lebensraumfunktion
ISO 11269-1 (1993)
28 Tage
Produktionsfunktion
ISO 11269-2 (1995)
Speicher- u. Rückhaltefunktion OECD 208 (1984, 2000)
Filter- u. Pufferfunktion
Bodenatmungstest (aerobe Untersuchung der substratindu- Sauerstoffverbrauch
und fakultativ aerobe Mik- zierten mikrobiellen Atmung ei- oder Kohlendioxidroorganismen)
nes Bodens
Produktion
Leuchtbakterien-Test
(Microtox Solid-phase test
SDI, Vibrio fischeri)
Leuchthemmung
Untersuchung hemmender Wir- Keimung, Wachstum
kungen von kontaminierten Bö- (Länge, Biomasse)
den auf Pflanzen
Tests mit Böden – mikrobiologische Tests
terrestrische Pflanzen
(Kresse, Weizen, Salat,
Gurken etc.)
Tests mit Böden – Pflanzentests
6 Tage
Extrapolation auf Lebensraum- MicroBioTests Inc.
funktion
Untersuchung der Kurzzeit- und Mortalität und WachsLangzeit-Toxizität von Sedimen- tumshemmung
ten bzw. Böden auf Ostracoden
Ostracoden-Test,
Ostracodtoxkit (Muschelkrebse; Heterocypris
incongruens)
ISO 11267 (1999)
WILES & KROGH (1998)
Lebensraumfunktion
CollembolenUntersuchung der Kurzzeit- und Mortalität und Reproduk- 4 Wochen
Reproduktionstest (Spring- Langzeit-Toxizität von kontami- tion
schwänze; Folsomia
nierten Böden auf Collembolen
candida)
Produktion von Kokons
und Nachkommen
nach 4 Wo. Zählung
Lebensraumfunktion
ISO 11268-2 (1998)
der Kokons, nach
Speicher- u. Rückhaltefunktion
8 Wo. Zählung der Juvenilen
Lebensraumfunktion
ISO 11268-1 (1993)
Speicher- u. Rückhaltefunktion OECD 207 (1984)
Aussage zur
Ökosystem-Funktion
RegenwurmUntersuchung der LangzeitReproduktionstest (Eisenia Toxizität von kontaminierten
foetida od. Eisenia andrei) Böden auf Regenwürmer
Testdauer
7 oder 14 Tage
Untersuchungsparameter/Endpunkt
akuter RegenwurmUntersuchung der KurzzeitMortalität
Toxizitätstest (Eisenia
Toxizität von kontaminierten
foetida od. Eisenia andrei) Bodenproben auf Regenwürmer
Tests mit Böden – Invertebraten (Wirbellose)
Test
Tabelle 3: Beschreibung von Bioassays, die zur Beurteilung kontaminierter Standorte eingesetzt werden können (LOIBNER et al. 2003).
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
Umweltbundsamt „ REP-0337, Wien 2011
Testcharakter
Untersuchung der
Kurzzeit-Toxizität von
Bodeneluaten auf Daphnien
Umweltbundsamt „ REP-0337, Wien 2011
Untersuchung der LangzeitToxizität von Bodeneluaten
auf Algen
Untersuchung der LangzeitToxizität von Bodeneluaten
auf Wasserlinsen
Untersuchung des mutagenen Potenzials
Untersuchung des mutagenen Potenzials
Ames-Test (Salmonella
typhimurium)
Umu-Test (Salmonella
choleraesius)
Tests mit Bodeneluaten – Genotoxizitätstests
Untersuchung der LangzeitToxizität von Bodeneluaten
auf Leuchtbakterien
chronischer Leuchtbakterientest (Vibrio fischeri)
Galactosidase-Aktivität
(Aktivität des umu C-Gens)
Bakterienwachstum
Leuchthemmung
(Wachstum)
Untersuchung der
Leuchthemmung
Kurzzeit-Toxizität von
Bodeneluaten auf Leuchtbakterien
Wachstumsrate
Wachstumshemmung
(Biomasse)
Mortalität
Untersuchungsparameter/Endpunkt
akuter Leuchtbakterientest
(Vibrio fischeri)
Tests mit Bodeneluaten – mikrobiologische Tests
Wasserlinsentest
(Lemna minor)
Tests mit Bodeneluaten – Pflanzentests
Algentest (Raphidocelis
subcapitata)
Tests mit Bodeneluaten – Algentests
Immobilisierungstest mit
Wasserflöhen
(Daphnia magna)
Tests mit Bodeneluaten – Invertebraten (Wirbellose)
Test
Aussage zur
Ökosystem-Funktion
Referenzen
2 Stunden
48 Stunden
22–24 Stunden
5–30 Minuten
4 oder 7 Tage
Lebensraumfunktion
Transformationsfunktion
Speicher- und Rückhaltefunktion
Lebensraumfunktion
Transformationsfunktion Speicher- und Rückhaltefunktion
Lebensraumfunktion
Produktionsfunktion
72 oder 96 Stunden Lebensraumfunktion
Produktionsfunktion
DIN 38415-3 (1996)
ISO 13829 (2000)
DIN 38415-4 (1999)
ISO 11348 (1998)
ENVIRONMENT CANADA
EPS 1/RM/24 (1992a)
ASTM E1415-91 (1998)
USEPA OPPTS 850.4400
(1996)
OECD 201 (1984)
ENVIRONMENT CANADA
EPS 1/RM/25 (1992b)
USEPA OPPTS 850.4400
(1996)
24 oder 48 Stunden Lebensraumfunktion
OECD 202 (1984)
Speicher- und Rückhaltefunktion
Testdauer
Tabelle 3: Beschreibung von Bioassays, die zur Beurteilung kontaminierter Standorte eingesetzt werden können – Fortsetzung (LOIBNER et al. 2003).
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
41
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
3.2.6
Kombination von
Bioassays
Testbatterien
Durch Kombination mehrerer Bioassays zu einer Testbatterie, die möglichst Organismen aus allen wesentlichen trophischen Stufen enthalten sollte, wird versucht, eine umfassende Aussage über die Auswirkungen eines kontaminierten
Mediums auf ein definiertes Ökosystem zu machen.
Laut VAN GESTEL et al. (1997) sollten die einzelnen in einer Batterie enthaltenen
Tests einen Schluss auf die Schutzbedürftigkeit des Ökosystems am Standort
ermöglichen. Wenn z. B. das Ziel der Schutz einer bestimmten Funktion eines
Ökosystems ist, dann wird dies durch den Schutz der für die Aufrechterhaltung
der Funktion verantwortlichen Arten erreicht. Werden nun repräsentative Arten
ausgewählt – wobei unterschiedliche Stufen der biologischen Organisation zu
berücksichtigen sind – und im Labor getestet, so kann durch Extrapolation auf
Effekte im Feld geschlossen werden.
ökologische
Kriterien für
Testbatterien
Als repräsentativ für ein Ökosystem werden Kombinationen von Arten bzw.
Testbatterien erachtet, wenn sie folgende Kriterien erfüllen:
•
•
•
•
Repräsentative Überlebensstrategien
•
Spezies sowohl mit hohen als auch mit geringen Reproduktionsraten
Repräsentative funktionelle Gruppen
•
Primärproduzenten, Konsumenten, Destruenten
Repräsentative taxonomische Gruppen
•
Bakterien, Pilze, Protozoen, Algen, vaskuläre Pflanzen, wirbellose Tiere,
Wirbeltiere
Repräsentative Expositionspfade
•
Luft, (in)direkter Kontakt, Nahrungsaufnahme, Porenwasser
Grundsätzlich sind Testbatterien so zusammenzustellen, dass sie repräsentative Aussagen für die relevanten ökologischen Funktionen einer Nutzungsklasse
ermöglichen. Zum Beispiel könnte eine sehr einfache Testbatterie für die Beurteilung der Produktionsfunktion in der Nutzungsklasse „Landwirtschaft“ die folgenden drei Tests umfassen: Pflanzenwachstumshemmtest, Regenwurmtest
und potenzielle Bodenatmung (siehe Tabelle 3).
Damit sind die drei trophischen Ebenen Primärproduzenten (Pflanzen), Konsumenten (Regenwürmer) und Destruenten (Bodenmikroorganismen) repräsentiert sowie Organismen aus den drei taxonomischen Gruppen Tiere, Pflanzen
und Mikroorganismen berücksichtigt. Wird der Regenwurmtest unter chronischer Exposition durchgeführt, so werden auch Langzeitauswirkungen zumindest
für diese trophische Ebene berücksichtigt. Neben den zwei Tests auf Individuenebene ist mit der Bestimmung der Bodenatmung auch ein Test auf Populations- bzw. Gemeinschaftsebene enthalten. Des Weiteren werden z. B. allein
mit dem Regenwurmtest bereits alle oben genannten Expositionspfade berücksichtigt. Direkter Kontakt mit dem Testmedium ist bei allen Tests der vorgeschlagenen Batterie gegeben.
3.2.6.1
Einsatzmöglichkeiten von Bioassays bzw. Testbatterien
Eine Batterie an Bioassays kann einerseits zur Bestimmung der Gefährdung eines Ökosystems oder einer Funktion herangezogen werden, andererseits können Bioassays bzw. Testbatterien aber auch ein Alarmsignal für eine angehen-
42
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
de oder bestehende Umweltkontamination dienen. Das heißt, Tests können
z. B. auch zur Detektierung einer Schadstoffpräsenz bzw. zur Abgrenzung von
kontaminierten Bereichen eingesetzt werden, ohne dass auf eine Gefährdung
von ökologischen Funktionen geschlossen wird.
3.2.6.2
Implementierung der Ergebnisse von Bioassays bzw.
Testbatterien
Um eine Auswahl an geeigneten Testmethoden treffen zu können ist es wichtig,
bereits im Vorfeld die (geplante) Nutzung eines kontaminierten Standorts und
somit auch die auf dem Standort erwarteten Boden- bzw. Ökosystemeigenschaften und damit verbundenen Bodenfunktionen zu definieren.
Nachnutzung
bestimmt die
Testmethode
Beurteilungsansätze liefern beispielsweise das ERNTE-Vorhaben (RÖMBKE et
al. 2006) oder die kürzlich erschienene ISO-Norm 17616 (2008):
Im ERNTE-Vorhaben zur „Erprobung und Vorbereitung einer praktischen Nutzung ökologischer Testsysteme, Kapitel V – Handlungsempfehlung für die ökotoxikologische Beurteilung von Böden“ – werden die Rückhalte- und die Lebensraumfunktion eines Bodens in Abhängigkeit von der Nutzung mit Hilfe von
biologischen Testsystemen untersucht. Zur Beurteilung der jeweiligen Funktion
sind Testbatterien zusammengestellt und eine anschließende Interpretation und
Bewertung der Ergebnisse angeführt (RÖMBKE et al. 2006).
ERNTE 2006:
Rückhalte- und
Lebensraumfunktion
In der ISO-Norm 17616 (2008) werden Habitat- und Rückhaltefunktion eines
Bodens beurteilt. Die Interpretation der Ergebnisse aus den jeweiligen Testbatterien erfolgt über ein Bewertungsschema, welches schlussendlich Information
über die Nutzung des Bodens als Oberboden (Habitatfunktion) oder die Gefährdung der Ausbreitung einer Kontamination (Rückhaltefunktion) bieten soll.
ISO-NORM 17616:
Habitat- und
Rückhaltefunktion
3.2.7
Untersuchung des genotoxischen (= mutagenen)
Potenzials
Es wird generell zwischen mutagenen (erbgutverändernden, genotoxischen),
kanzerogenen (krebserregenden) und teratogenen (reproduktionstoxischen)
Wirkungen von Substanzen unterschieden. Die Bewertung von Substanzen bezüglich der oben genannten Wirkungen erfolgt aufgrund der unterschiedlichen
Untersuchungsmethoden zumeist getrennt (siehe z. B. Richtlinie 67/548/EWG –
Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe).
Mit den hier beschriebenen, standardmäßig zur Untersuchung von kontaminierten Böden verwendeten Testsystemen umu-Test (DIN 38415-3) und Ames-Test
(DIN 38415-4) wird ausschließlich das genotoxische Potenzial von Schadstoffen ermittelt.
Anhand einer im Rahmen dieser Publikation durchgeführten vergleichenden Literaturstudie wurde ermittelt, in welchen Ländern die Feststellung des genotoxischen Potenzials im Zuge einer ökologischen Risikobeurteilung durchgeführt
wird und welche Aussagen anhand der Testergebnisse getätigt werden können.
Dargestellt sind Testsysteme zur Ermittlung der Genotoxizität einer kontaminierten Probe vor allem in den deutschen DECHEMA-Fachgesprächen zum Einsatz
biologischer Testverfahren für Boden und Bodenmaterial (DECHEMA 2001) sowie im darauf aufbauenden ERNTE-Vorhaben zur Erprobung und Vorbereitung
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
43
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
einer praktischen Nutzung ökotoxikologischer Testsysteme (RÖMBKE et al. 2006).
In der 2008 erschienenen Norm zur Bodenbeschaffenheit (ISO 17616/2008) sind
ebenfalls Genotoxizitätstests beschrieben.
In den Niederlanden, Großbritannien, Kanada und den USA finden Genotoxizitätstests in der ökologischen Risikobeurteilung keinen Einsatz.
Die verwendeten Tests (Bioassays) zur Ermittlung des genotoxischen Potenzials einer kontaminierten Probe sind in Tabelle 3 dargestellt.
3.2.7.1
Beurteilung der
Rückhaltefunktion
des Bodens
Anwendungs- und Durchführungsmöglichkeiten für
Genotoxizitätstests anhand ausgewählter Konzepte
Im deutschen DECHEMA-Arbeitskreis wird neben der Verwendung von Tests
zur Ermittlung des ökotoxischen Potenzials auch der Einsatz von Tests zur Ermittlung des genotoxischen Potenzials bei der Beurteilung der Rückhaltefunktion eines Bodens empfohlen, wobei anfangs nur der umu-Test (DIN 38415-3)
Verwendung findet. Um möglichst den realen Bedingungen zu entsprechen,
wird zuerst eine Testung von wässrigen Bodeneluaten durchgeführt. Wenn das
Testresultat negativ ist, wird zur Überprüfung des Resultats zusätzlich ein Test
mit aufkonzentrierter wässriger Bodenlösung durchgeführt. Probleme können
möglicherweise dadurch entstehen, dass viele genotoxische Substanzen nicht
oder nur bedingt wasserlöslich sind und somit die Gefahr besteht, dass das
genotoxische Potenzial eines Bodens unterschätzt wird. Somit kann nur eine
Aussage getroffen werden, ob genotoxisches Sickerwasser zu erwarten ist.
Sollte ein spezifischer Verdacht über die Genotoxizität einer Probe vorhanden
sein, kann zusätzlich der Ames-Test (DIN 38415-4) eingesetzt werden.
In den ERNTE-Handlungsempfehlungen (basierend auf den DECHEMA-Ergebnissen) kommen ebenfalls Tests sowohl zur Ermittlung des ökotoxischen Potenzials als auch Tests zur Ermittlung des genotoxischen Potenzials von Böden
und Bodenmaterialien zur Anwendung. Beurteilt wird mit diesen Tests ebenfalls
die Rückhaltefunktion eines Bodens. Als Vorteil der Erfassung des genotoxischen Potenzials der Böden wird in jedem Fall auch dessen humantoxikologische Relevanz genannt.
Anwendung findet ebenfalls der umu-Genotoxizitätstest (ISO 13829/2000) zur
Bestimmung des wässrig extrahierbaren genotoxischen Potenzials, dessen
Durchführung im Zuge des ERNTE-Vorhabens etwas vereinfacht wurde. Der
umu-Test wird als Standard-Methode empfohlen.
Alternativ kann auch der NM 2009-Genotoxizitätstest (ODA et al. 1995) eingesetzt werden, welcher ähnlich dem umu-Test abläuft, aber mit einem anderen
Bakterien-Stamm durchgeführt wird, der eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber einigen weit verbreiteten mutagenen Substanzen (vor allem aromatischen
Aminen und Nitroaromaten) zeigt.
Wenn aufgrund der früheren Nutzung des Standorts oder aufgrund chemischanalytischer Daten der begründete Verdacht besteht, dass wässrig extrahierbare mutagene Substanzen in der Bodenprobe vorhanden sind, sollen – wie
schon im DECHEMA-Ansatz – die (negativen) Ergebnisse des umu-Tests mit
Hilfe des Ames-Tests überprüft werden.
44
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Bestimmung und Beurteilung ökotoxikologischer Effekte
Es wird darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse der Tests zur Ermittlung des
genotoxischen Potenzials einer Testprobe auf Mikroorganismen nicht direkt auf
Eukaryoten (u. a. Menschen und Tiere) übertragen werden können.
In den ERNTE-Handlungsempfehlungen wird zusätzlich ein Beurteilungsschema für Genotoxizitätstests vorgeschlagen: Von einer Gefährdung der Rückhaltefunktion eines Bodens bzw. der akuten Gefahr durch den Austrag von genotoxischen Schadstoffen über den Wasserpfad wird dann gesprochen, wenn in
mindestens einem der Tests (umu-Test oder Ames-Test) ein genotoxisches Potenzial durch Überschreiten eines Schwellenwerts (LID – lowest ineffective dilution) festgestellt wurde. Ist in der kontaminierten Probe keine Genotoxizität feststellbar, wird das Risiko einer Gefährdung über den Wasserpfad als gering eingeschätzt.
Beurteilung der
Genotoxizitätstests
Wie im DECHEMA-Ansatz und in den ERNTE-Handlungsempfehlungen wird
auch in der Norm ISO 17616 (2008) der Einsatz des umu-Tests und eventuell
des Ames-Tests empfohlen. Die Begründung für deren Einsatz liegt darin, dass
genotoxische Effekte möglicherweise schon bei Schadstoffkonzentrationen, die
kleiner als die vorgeschlagenen Grenz- oder Schwellenwerte, sind vorliegen
können.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
45
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
4
ÖKOLOGISCHE
RISIKOBEURTEILUNGSKONZEPTE
4.1
Risikobeurteilung allgemein
Anwendungsfelder
der Risikoanalyse
Im Rahmen der Risikoforschung existieren drei große Hauptanwendungsfelder
einer Risikoanalyse. In der Ökonomie besteht diese in der Auseinandersetzung
mit finanziellen Entscheidungen (z. B. Versicherungen), in den Ingenieurwissenschaften in der Auseinandersetzung mit komplexen technischen Systemen
(z. B. Kernkraftwerke) und in den Sozialwissenschaften in der Auseinandersetzung mit Reaktionen auf persönliche und gesellschaftliche Gefahren. Da alle
Anwendungsbereiche abweichende Definitionen des Risikobegriffs verwenden,
ist ihnen nur gemein, dass es um die Möglichkeit von Verlusten finanzieller, gesundheitlicher oder psychologischer Art als Resultat individueller oder gesellschaftlicher Aktivitäten geht (ADAMS 1995).
Risikoquellen
Als Risikoquelle können Handlungen (individuelle oder kollektive), Ereignisse
(natürliche oder soziale), technische Artefakte oder soziale Phänomene (beispielsweise Terrorismus) fungieren (PFISTER & BÖHM 2005). Der Vergleich dieser Hauptanwendungsfelder mit dem Thema ökologische Risikoanalyse führt
zurück zum Begriff Risiko, der in einem größeren Zusammenhang verstanden
werden muss.
Definition von
Risiko
Bei dem Begriff „Risiko“ handelt es sich um ein gedankliches Konstrukt zu möglichen Entwicklungen in der Zukunft (IRGC 2005). Unter anderem ermöglicht ein
derartiger Versuch, die Zukunft und mögliche (negative) Ereignisse zu antizipieren, dem Menschen auch Natur als Kulturlandschaft zu formen, seine Lebensbedingungen (Umwelt) zu gestalten und Lebensgrundlagen sowie Bedürfnisse
und Wünsche abzudecken.
4.2
Ökologische Risikobeurteilung
Die ökologische Risikoanalyse folgt der allgemeinen naturwissenschaftlichen
Definition, dass „Risiko ein Produkt des Ausmaßes möglicher Schäden und der
Eintrittswahrscheinlichkeit“ ist. Für die Ökologie steht damit nicht die sozialwissenschaftliche Analyse der Risikowahrnehmung mit den daraus ableitbaren
Konflikt- und Risikodiskursen im Vordergrund, sondern eine pragmatische Verbindung zwischen naturwissenschaftlich beschreibbaren ökologischen Charakteristika und anthropozentrisch formulierten Werten und Schäden.
Leitsätze der
ökologischen
Risikoanalyse
Gemäß SCHIRMER et al. (2004) lassen sich fünf Leitsätze einer ökologischen Risikoanalyse definieren:
•
•
•
46
Ökologische Funktionen und Leistungen stellen für einen Nutzer/eine Nutzerin verwertbare Eigenschaften dar, die sich aus den ökologischen Strukturen
und Prozessen ableiten lassen.
Ökologische Werte resultieren aus der Inanspruchnahme der durch ökologische Strukturen bereitgestellten Funktionen.
Ökologischer Schaden ist die Beeinträchtigung eines aus den ökologischen
Funktionen ableitbaren Wertes.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
•
•
Die Nutzungsperspektiven können aus den Funktionstypen abgeleitet werden.
Der Nutzen resultiert aus der Erfüllung von Ansprüchen an die Funktionen.
Das ökologische Risiko ist das Produkt aus ökologischem Schaden und Eintrittswahrscheinlichkeit eines schadenauslösenden Ereignisses.
4.2.1
Beurteilung von ökologischen Werten und Funktionen
In der naturwissenschaftlichen Analyse der ökologischen Strukturen und der mit
ihr assoziierten Prozesse wird der charakteristische Aufbau der Lebensräume
(Biotope) und der dort vorkommenden Lebensgemeinschaften (Biozönosen,
siehe Kapitel 2.2.1.3) erfasst. Diese Lebensräume mit ihren Lebensgemeinschaften können in Biotoptypen zusammengefasst werden, welche weiterhin
zusätzliche Eigenschaften beschreiben, aus denen sich ökologische Funktionen
ableiten lassen. Ökologische Funktionen stellen damit von der Natur beziehungsweise den ökologischen Systemen bereitgestellte Leistungen dar (siehe
Kapitel 2.2.2).
Die Eigenschaften ökologischer Strukturen und Prozesse werden von unterschiedlichen Nutzerinnen und Nutzern durch geeignete Bewirtschaftung gefördert (z. B. Humuseintrag zur Förderung der Bodenfruchtbarkeit) oder durch reine Inanspruchnahme in Funktion genommen (z. B. Spazieren in der Natur). Die
Ansprüche an Funktionen sind abhängig von der Sichtweise und der Wertschätzung des Nutzers/der Nutzerin. Ökologische Werte sind in diesem Sinne
also nur aus verschiedenen Nutzungsperspektiven mit ihren Ansprüchen zu betrachten und damit anthropozentrisch definiert.
In Abhängigkeit von den jeweiligen genutzten Eigenschaften können die nutzungsabhängigen Funktionen (use values) in Regulations-, Nutzungs-, Produktions- und Informationsfunktionen (s. Glossar) typisiert werden (IPCC 2001), welche des Weiteren die Basis einer etwaigen ökonomisch orientierten Bewertung
bilden. Dabei handelt es sich aus ökonomischer Sicht bei den genannten Funktionen entweder um Konsumgüter oder um Inputfaktoren für Produktionsprozesse. Der direkte Nutzwert entsteht dabei durch die direkte Nutzung des Ökosystems, entweder durch Verbrauch ökologischer Güter, ihren Einsatz als Produktionsfaktor oder ihren Gebrauch zum Beispiel für wissenschaftliche Zwecke
oder zur Erholung. Beim indirekten Nutzwert werden dagegen die Regulationsfunktionen der Ökosysteme bewertet. Hier wird den Leistungen für die Aufrechterhaltung von Naturhaushaltfunktionen ein Wert beigemessen
ökologische Werte
sind nutzungsdefiniert
Funktionen dienen
als Bewertungsgrundlage
Zusätzlich resultieren ökologische Werte auch aus nutzungsunabhängigen Funktionen (non-use values2), die ebenfalls anthropozentrisch hergeleitet werden
und in der Bewertungstheorie der ökologischen Ökonomie zusammen mit den
nutzungsabhängigen Werten zum ökonomischen Gesamtwert (total economic
value) verrechnet werden können (MEYERHOFF 1997, UMWELTBUNDESAMT 2007).
2
Hierbei wird dem Umweltgut ein Wert beigemessen, der unabhängig von einem gegenwärtig oder
zukünftigen direkten Gebrauch existiert. Dieser Wert beruht dabei auf dem Wissen um die bloße
Existenz des Umweltgutes (z. B. Biodiversität), das dem Individuum einen positiven Nutzenbeitrag
liefert, auch ohne dass es ihn jemals sehen, erleben oder konsumieren wird.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
47
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
Beurteilung von
Schäden
Schäden sind für einen Nutzer/eine Nutzerin unerwünschte Ereignisse. Sie besitzen deshalb ebenso eine anthropozentrische Dimension. Sie schränken den
Nutzen einer Wert gebenden Funktion ein. Die Schadensdefinition hängt somit
von den zugrunde liegenden ökologischen Werten ab, die aus den realisierbaren Funktionsansprüchen resultieren.
Die ökologischen Werte werden in gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen
normativ festgelegt, da der Schaden, den ein zerstörendes Ereignis verursacht,
nicht einfach die Summe der ökonomischen Werte ist. Ein ökologischer Schadensbegriff beinhaltet also zusätzlich immer menschliche beziehungsweise gesellschaftliche Normen und Werte. Die Beurteilung des Schadens ist im Sinne
dieser Definition nutzungsabhängig und deshalb Bestandteil einer Konsensfindung zwischen den beteiligten Nutzungsperspektiven.
Die Definition und Abgrenzung der Nutzungsperspektiven leitet sich aus den
identifizierten Funktionen und Funktionstypen (siehe oben) ab. Es lassen sich
deshalb charakteristische Gruppen (z. B. Landwirte/Landwirtinnen, NaturschützerInnen) bilden, die sich dadurch auszeichnen, dass sie gemeinsame Ansprüche an einzelne oder mehrere Funktionen und Funktionstypen stellen. Zum Teil
konkurrieren sie untereinander um Ressourcen.
Risiko ist ein
anthropozentrischer
Begriff
Ökologische Systeme per se kennen keine Risiken beziehungsweise haben
keine längerfristige Antizipation möglicher zukünftiger Ereignisse. Dementsprechend muss eine Beschreibung von Risiken auf anthropozentrische Maßstäbe
zurückgreifen. Ökologische Systeme stellen im Allgemeinen dynamische Systeme dar, die ständigen Veränderungen unterworfen sind. Zwischen den einzelnen Systemelementen bestehen kausale Wirkungsketten und das System wird
durch Ereignisse, Reaktionen, Anpassung und Dynamik geprägt (siehe Kapitel
2.2.1.3).
ökologisches Risiko
Eine ökologische Risikoanalyse müsste die Strukturen und Funktionen der ökologischen Systeme angemessen abbilden und sensibel gegenüber Änderungen
wie zum Beispiel der Nutzung oder der Funktion sein. Das ökologische Risiko
kann also in diesem Sinne die Veränderung der bestehenden Biotoptypen sein,
die beispielsweise zu einem Verlust einer Schutzfunktion, dem Verlust einer aus
naturschutzfachlicher Sicht Wert gebenden Einheit oder dem Verlust einer Nutzungsmöglichkeit führt.
In Anlehnung an die klassische Risikodefinition setzt auch ein ökologisches Risiko einen möglichen Schaden und eine Wahrscheinlichkeit seines Eintretens
voraus. Werden zum Beispiel Nutzungsansprüche an die Landschaft gerichtet,
besteht ein spezifisches ökologisches Risiko dann, wenn diese Ansprüche negativ beeinflusst werden. Der Zusatz „ökologisch“ beschreibt dabei solche Veränderungen, die die Integrität von ökologischen Systemen betreffen. Innerhalb
der Eigenschaften von Ökosystemen sind jedoch keine innewohnenden Werte
und Schäden vorgegeben und es lassen sich deshalb nicht unmittelbare Risiken ableiten.
nutzungsorientierte
Risikobeurteilung
48
In Abhängigkeit von den Nutzungsansprüchen an die Landschaft bestehen jedoch sehr wohl spezifische Risiken, wenn diese Ansprüche negativ beeinflusst
werden. Die Beurteilung eines Risikos als akzeptabel oder inakzeptabel erfolgt
in einer Güterabwägung zwischen den Nutzungsinteressen (nutzungsorientierte
Risikobeurteilung). Eine ökologische Risikodefinition muss also auf menschliche
beziehungsweise gesellschaftliche Maßstäbe und Werte aus den verschiede-
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
nen Nutzungsperspektiven zurückgreifen, die die Strukturen und Funktionen der
ökologischen Systeme und ihre Änderungen abbilden und somit einer Risikobeurteilung zugänglich machen.
Im Rahmen der ökologischen Risikobeurteilung existiert eine Vielzahl von Methoden zur Bewertung der Veränderung eines Ökosystems, wobei die meisten
aus der raumbezogenen Umweltplanung stammen (BASTIAN & SCHREIBER
1999). In den meisten existierenden (primär landschaftsökologischen) Bewertungsverfahren werden jedoch nicht alle Merkmale abiotischer und biotischer
Ressourcen sowie funktionelle Bezüge innerhalb und zwischen den Einheiten in
den unterschiedlichen Kriterienansätzen berücksichtigt. Zusätzlich sind die Beziehungen zwischen den einzelnen Kriterien ungenügend bekannt. Darüber
hinaus besteht in der Ökologie eine begriffliche und methodische Vielfalt, die
eine Kommunikation erheblich erschwert und ebenso die Akzeptanz von Bewertungsmethoden stark beeinträchtigt.
4.2.2
ökologische
Risikobeurteilung
Öko(toxiko)logische Risikobeurteilung
Einen ganzheitlichen Anspruch an die Ökotoxikologie formulierte bereits 1987
der deutsche Sachverständigenrat für Umweltfragen. Er definierte als Aufgabe
der Ökotoxikologie die „Wirkungen von chemischen Stoffen (Umweltchemikalien) auf einzelne Arten, Biozönosen und ganze Ökosysteme zu erfassen und
zu beschreiben und gegebenenfalls Wirkungsschwellen zu ermitteln. Ökotoxikologie hat daher die Vielfalt der in der Natur vorkommenden Pflanzen-, Tier- und
Mikroorganismenarten, ihre natürlichen Lebensbedingungen, das Zusammenwirken biotischer und abiotischer Faktoren, die netzartigen Beziehungen innerhalb von Lebensgemeinschaften und ganzer Ökosysteme und anderen Bedingungen wie Ökosystemgröße und -stabilität zu berücksichtigen“ (SRU 1987).
Aufgaben der
Ökotoxikologie
Der Unterschied der ökotoxikologischen zur ökologischen Risikobeurteilung
liegt damit in der Einschränkung, dass der mögliche Schaden, als erstes Hauptelement der Risikobeurteilung, alleinig auf die Schadwirkung von chemischen
Substanzen (z. B. Umweltchemikalien) begrenzt wird. Gemein ist beiden Risikobeurteilungen, die mögliche Schadwirkung auf biologische Systeme zu ermitteln,
wobei vom wissenschaftlichen Anspruch gesehen das Ökosystem die zentrale
Einheit zur Operationalisierung in Bezug auf den Naturhaushalt beziehungsweise die Umwelt darstellen sollte.
ökologische vs.
ökotoxikologische
Risikobeurteilung
Ungeachtet dieser hohen wissenschaftlichen Ansprüche stellen heute in der
Ökotoxikologie biologische Testverfahren die wesentliche Methodik dar, mit deren Hilfe schädliche Auswirkungen von Umweltchemikalien experimentell unter
definierten Rahmenbedingungen erfasst werden (siehe Kapitel 3). Hierfür existiert eine Vielzahl an Verfahren unterschiedlichster Komplexität (suborganismische Enzymtests bis Mesokosmen – siehe Kapitel 3.1.1). Untersuchungen auf
der Komplexitätsebene von Ökosystemen und Monitoring-Verfahren im Freiland
werden demgegenüber aus methodischen sowie ökonomischen Gründen ausgesprochen selten durchgeführt.
biologische
Testverfahren
Die größte Relevanz in der Praxis kommt einer sehr eingeschränkten Auswahl
von Monospeziestests zu, welche die biologische Effektebene der Individuen
beziehungsweise Testpopulationen einzelner Arten als Endpunkt analysiert.
praxisrelevante
Monospeziestests
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
49
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
Hierbei werden in der Regel verschiedene trophische Ebenen des betroffenen
Ökosystems beziehungsweise Umweltmediums (primär Wasser, aber auch Boden) durch jeweils einen oder mehrere Monospeziestests abgebildet.
kombinierte
Testbatterien
Problem der
Extrapolation
Als weitestreichende Ansätze für die Beurteilung von Bodenkontaminationen
werden derzeit ausgewählte Tests in Kombination als Testbatterie (siehe Kapitel 3.2.6) zusammengestellt und eingesetzt. Erklärtes Ziel dieser Testkombinationen ist es, neben der Ergänzung der Schadstoffanalytik vor allem die Auswirkungen von Schadstoffen und Schadstoffgemischen auf zu schützende ökologische Werte zu untersuchen.
Problematisch bei der ökologischen Risikobeurteilung anhand von Tests ist,
dass die pragmatische Vorgehensweise der Testbatterien dem tatsächlichen Erkenntnisstand der Bodenöko(toxiko)logie vorgreift. Das Hauptdilemma der Beurteilung ist, dass in der Regel eine wissenschaftlich nicht validierte Extrapolation von kontrollierten experimentellen Versuchsanordnungen zur ökologischen
Wirkungsabschätzung auf die Verhältnisse in realen Ökosystemen vorgenommen werden muss. Diese Extrapolation über Systemgrenzen hinweg erfolgt auf
Basis ökologisch nicht validierter Annahmen beziehungsweise Ausblendungen
wichtiger Ökosystemcharakteristika. Unsicherheiten bei der ökologischen Bodenbeurteilung anhand biologischer Testverfahren können beispielsweise bei
folgenden Übertragungen entstehen (FRISCHE & MATHES 1999):
•
•
•
indirekte Effekte
werden nicht
berücksichtigt
weiterer
Forschungsbedarf
vorhanden
50
Extrapolation von Testbedingungen im Labor auf die komplexere Freilandsituation,
Extrapolation von Ergebnissen aus eher kurzen Laborverfahren auf langfristige Expositionsbedingungen,
Extrapolation von in Labortests eingesetzten Testorganismen auf andere Bodenorganismen bzw. Biozönosen und ökosystemare Prozesse und Funktionen.
Darüber hinaus blenden Tests die Interaktion innerhalb des Ökosystems aus,
wodurch sich indirekte Effekte einer Beurteilung entziehen. Diese Auswirkungen
können sich aber ebenso wie die direkten Effekte auf allen hierarchischen Ebenen eines Ökosystems äußern. Schlussendlich besteht neben der beschriebenen vertikalen Extrapolationsproblematik auch eine horizontale Problematik. In
der Praxis existiert in der Regel aufgrund der Einzigartigkeit der unterschiedlichen natürlichen Böden sowie aufgrund der kleinräumigen Heterogenität oftmals kein in allen expositionsbedingten Eigenschaften geeigneter Referenzboden, mit dem der im Labor ökotoxikologisch zu beurteilende Boden verglichen
werden könnte (siehe Kapitel 3.2.4.2). Insbesondere in Zusammenhang mit
dem Ansatz oder der Forderung nach Ableitung allgemein gültiger ökologischer
Vorsorgewerte gewinnen die beschriebenen Probleme weitreichende Bedeutung.
Für die praktische Umsetzung einer ökologischen Risikobeurteilung steht aber
weiterhin die Frage der vertikalen Extrapolation von Ergebnissen aus biologischen Testverfahren im Rahmen der Wirkungsanalyse im Vordergrund. Hier
liegt in der Forschung derzeit der Fokus beim Anstreben einer ausgewogenen
Balance zwischen Aussageschärfe (Reproduzierbarkeit) und Aussagebedeutung (Realitätsnähe). Aus ökologischer Sicht besteht insbesondere hinsichtlich
Interpretation und Validierung abgesicherter ökologischer Testergebnisse noch
erheblicher Forschungsbedarf.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
4.3
Elemente des Beurteilungsprozesses
Bevor noch mit den eigentlichen Schritten einer Risikobeurteilung begonnen
wird, sind zuerst Kriterien festzulegen, wann eine ökologische Risiko- und/oder
Schadensbeurteilung überhaupt durchgeführt werden soll. Dies könnte beispielsweise über das Ausmaß einer Kontamination beziehungsweise deren
Auswirkungen, die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens oder die Größe
eines Standortes erfolgen (siehe Kapitel 4.4.1).
Der eigentliche Prozess der ökologischen Risikobeurteilung ist grundsätzlich
aus vier miteinander verbundenen Elementen aufgebaut (siehe Abbildung 6).
•
•
•
•
Gefahr- und Rezeptoridentifikation (Problemformulierung),
Prozess der
ökologischen
Risikobeurteilung
Expositionsabschätzung,
Abschätzung ökologischer Effekte,
Risikoanalyse.
Risikomanagement und Kommunikation schließen sich, falls erforderlich, an.
Elemente der ökologischen Risikobeurteilung
Konzeptives Standortmodell:
Nutzung und Funktionen des Bodens
Ökosystemdienstleistungen
Ursache, Stressor und Wirkungen
mögliche Indikatoren und Parameter
Datenerhebung/
Untersuchung
Exposition
Ökologische
Effekte
Risikoanalyse
Problemformulierung
Abschätzung
Risikomanagement und
Kommunikation
•
•
•
•
Planung, Dialog mit Betroffenen
Quelle: modifiziert nach US EPA 1992
Abbildung 6: Elemente der ökologischen Risikobeurteilung.
4.3.1
Gefahr- und Rezeptoridentifikation
Im Zuge der Gefahr- und Rezeptoridentifikation ist es hilfreich, zuerst eine unbelastete Ausgangsbasis des betrachteten Ökosystems zu ermitteln. Dies kann (i)
im Fall des Vorhandenseins historischer Daten über einen Vergleich der damaligen Situation (vor der Verunreinigung) mit der jetzt vorherrschenden Ist-Situation oder (ii) über die Betrachtung vergleichbarer unkontaminierter Standorte erfolgen.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
unbelastete Ausgangssituation
ermitteln
51
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
Des Weiteren werden auch gesellschaftliche Werte (Ökosystem-Funktionen
oder -Services, siehe Kapitel 2.2.2), vor allem in Hinsicht auf eine zukünftige
Nutzung eines bestimmten kontaminierten Standorts, eine Rolle spielen wie
beispielsweise die Beibehaltung der Produktivität einer landwirtschaftlichen Fläche oder auch die Erhaltung der Biodiversität auf einer für Erholungszwecke
genutzten Fläche.
Ist-Zustand erheben
Im Anschluss erfolgt eine Untersuchung des ökologischen Ist-Zustands am kontaminierten Standort; beispielsweise die Erfassung der physiologischen, individuellen und dynamischen Parameter (siehe Kapitel 2.2.1) und die Ermittlung
wichtiger Ökosystem-Prozesse oder -Funktionen (siehe Kapitel 2.2.2) sowie eine
Feststellung des eingetretenen ökologischen Schadens. Hierbei sei angemerkt,
dass im Gegensatz zu anderen Betrachtungen (z. B. bei der Landschaftsanalyse) bei der Begutachtung des ökologischen Ist-Zustands im Zuge der Beurteilung von Altlasten bereits eine Veränderung der standortspezifischen Ökosystem-Parameter durch den Eintrag von Schadstoffen stattgefunden hat; das
heißt, es wird immer ein bereits eingetretener Schaden beurteilt.
Kriterien der
Gefahr-/RezeptorIdentifikation
Die Stufe der Gefahr- und Rezeptoridentifikation umfasst somit folgende wichtige Kriterien (BYRNS & CRANE 2002):
•
•
•
•
Identifikation der am Standort vorhandenen Schadstoffe, Rezeptoren, Expositionspfade und der bereits bekannten ökologischen Auswirkungen der Schadstoffe,
qualitative Evaluierung der Freisetzung, des Transports und des Verhaltens
von Schadstoffen,
Auswahl möglicher Endpunkte bzw. Ziele der ökologischen Risikobeurteilung,
Entwicklung eines Konzeptes und Auswahl von Assessment- sowie Measurement Endpoint (siehe Kapitel 3.1.1).
4.3.2
Expositionsabschätzung
Im Zuge der Ermittlung von Expositionsparametern werden vor allem chemische Analysen und Modelle zur Ausbreitung und zum Verhalten von Schadstoffen verwendet, um das Ausmaß, die Dauer und die Häufigkeit der Exposition
abzuschätzen. Folgende Kriterien werden bei der Expositionsabschätzung bewertet (BYRNS & CRANE 2002):
•
•
•
•
Ermittlung
ökologischer Effekte
52
Abschätzung der Exposition und ökologischer Effekte
Quantitative Evaluierung der Freisetzung, des Transports und des Verhaltens
von Schadstoffen unter Berücksichtigung von zeitlichen und örtlichen Veränderungen,
Charakterisierung der Rezeptoren und Expositionspfade,
Abschätzung oder Messung der expositionsabhängigen Schadstoffkonzentrationen (z. B. chemical intake rates),
Evaluierung der Qualität der vorhandenen Daten.
Zur Abschätzung von (nachteiligen) ökologischen Effekten wird vor allem der
Zusammenhang zwischen Schadstoffexposition und den resultierenden Auswirkungen ermittelt. Die nachteilige Beeinflussung von Rezeptoren bei gegebener
Schadstoffkonzentration kann z. B. über Bioassays (siehe Kapitel 3.2) oder Feldstudien beziehungsweise mit Hilfe von Daten aus der Literatur bestimmt wer-
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
den. Aufgrund mangelnder Datendichte kommen häufig Modelle zur Extrapolation der Ergebnisse von Bioassays auf andere Spezies, verschiedene Ebenen
der Organisation oder abweichende Expositionsbedingungen zum Einsatz.
Der bei der Betrachtung von Altlasten bereits erfolgte Schadstoffeintrag in ein
Ökosystem bringt dabei den Vorteil mit sich, dass anhand von Messungen
(z. B. Bioassays) die Auswirkung einer Kontamination direkt überprüft werden
kann und somit in weiterer Folge das theoretisch abgeschätzte Risiko validiert
werden kann. Dem Vorteil der besseren Überprüfung des erwarteten Risikos
steht allerdings der Nachteil der unzulänglichen Ermittlung des objektiven Schadensausmaßes gegenüber, da eine unbelastete Ausgangslage nicht mehr verfügbar ist.
4.3.3
Ermittlung des ökologischen Risikos
In dieser Stufe des Beurteilungsprozesses erfolgt eine Beurteilung und Analyse
des ökologischen Risikos (Risikoanalyse). Hierbei werden neben der Integration
von Exposition und Effekt auch Hintergrundinformationen in Betracht gezogen
sowie die Qualität der Daten und das Ausmaß möglicher Unsicherheitsfaktoren
ermittelt und analysiert.
Im einfachsten Fall erfolgt die Ermittlung des Risikos durch Bildung eines Quotienten aus einer vorhergesagten „Umwelt-Konzentration“ (PEC: predicted environmental concentration; wird in der Expositionsabschätzung ermittelt) und einer vorgeschlagenen Konzentration, die keine Gefährdung für den Assessment
Endpoint darstellt (PNEC: predicted no effect concentration; z. B. NOEC korrigiert mit Sicherheitsfaktoren). Ist der Quotient PEC/PNEC > 1, so ist ein Risiko
einer nachteiligen Beeinflussung des zu beurteilenden Ökosystem mit den zu
schützenden ökologischen Eigenschaften vorhanden.
4.4
4.4.1
RisikoBerechnungsmethode
Umsetzungsmöglichkeiten der ökologischen
Risikobeurteilung
Auslösekriterien zur Durchführung einer ökologischen
Risikobeurteilung
Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob eine ökologische Risikobeurteilung an jedem kontaminierten Standort durchgeführt werden soll oder nur bei Vorliegen
bestimmter Voraussetzungen. Sollte sie nicht generell erforderlich sein, so sind
Bedingungen zu definieren, die eine klare Entscheidung ob der Notwendigkeit
einer ökologischen Risikobeurteilung für den jeweiligen Standort ermöglichen.
Zu berücksichtigen ist, dass die Art der Nutzungsklasse eine unterschiedliche
Definition von Auslösekriterien erfordern kann.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
53
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
4.4.1.1
Auslösekriterien am Beispiel ausgewählter Länder
Kanada
Überschreitung der
AssessmentKriterien
Gründe für eine
ökologische
Risikobeurteilung
Nach einer Erstuntersuchung eines kontaminierten Standorts wird aufgrund
mehrerer Faktoren entschieden, ob zusätzlich zur Ermittlung des humantoxikologischen Risikos auch eine ökologische Risikobeurteilung durchgeführt werden
soll. Für eine ökologische Risikobeurteilung kommen zumeist Standorte in Frage, wo Sanierungsmaßnahmen zumindest angedacht oder sogar durchgeführt
werden sollen; d. h. alle Standorte, an denen die sogenannten Assessment-Kriterien überschritten wurden (diese sind in Kanada zumeist approximierte Hintergrundkonzentrationen oder analytische Limits). Die endgültige Entscheidung,
ob eine ökologische Risikobeurteilung durchgeführt werden soll oder nicht,
hängt schlussendlich von der zuständigen Gerichtsbarkeit sowie von lokalpolitischen Ansichten ab.
Folgende Gegebenheiten können zusätzliche Auslösekriterien für eine ökologische Risikobeurteilung sein (GAUDET 1994):
•
•
•
Signifikante ökologische Belange,
unakzeptable Datenlücken in der Beurteilung,
spezielle Standortgegebenheiten.
Wenn an einem kontaminierten Standort signifikante ökologische Belange
ersichtlich sind, sollte eine ökologische Risikobeurteilung ernsthaft angedacht
werden. Zu diesen Belangen zählen beispielsweise sensitive Habitate (für Wildtiere, Fische etc.), das Vorhandensein seltener, bedrohter oder geschützter Arten,
Populationen oder Ökosysteme, die Widmung eines Standorts als Naturschutzgebiet, Reservat etc.) sowie das Vorhandensein eines lokal oder regional bedeutsamen Jagd- oder Fischereireviers.
Das Vorhandensein unakzeptabler Datenlücken kann ebenfalls die Durchführung einer ökologischen Risikobeurteilung auslösen. Dazu zählen beispielsweise das Auftreten von unbekannten Schadstoffen und Schadstoffgemischen,
Unsicherheiten in der Expositionsabschätzung sowie in der Abschätzung des
Risikos und Lücken in der Darstellung der vorhandenen Informationen über
ökologische Rezeptoren.
Zu den speziellen Standortgegebenheiten, welche auslösend für eine ökologische Risikobeurteilung sein können, zählt z. B. das Anfallen hoher Kosten für
eine aufwändige Sanierung aufgrund der Größe oder Komplexität eines kontaminierten Standorts – hier soll eine ökologische Risikobeurteilung helfen, Prioritäten zu setzen.
54
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
Niederlande
In den Niederlanden wird nach einer Erstabschätzung des Zustands eines kontaminierten Standorts anhand von definierten Kriterien entschieden, ob eine
ökologische Risikobeurteilung durchgeführt werden soll. Als „generelle“ Auslösekriterien für die Durchführung einer ökologischen Risikobeurteilung gelten
folgende Situationen an einem kontaminierten Standort:
•
•
•
Hinweise auf eine negative Beeinträchtigungen der Biodiversität (Artenschutz),
Störungen des ökologischen Kreislaufs (Schutz ökologischer Prozesse),
Bioakkumulation von Schadstoffen oder secondary poisoning3.
Für die abschließende Entscheidung, ob eine ökologische Risikobeurteilung tatsächlich durchgeführt wird oder nicht, müssen folgende Kriterien beachtet werden:
•
•
•
•
Gründe für eine
ökologische
Riskobeurteilung
weitere
Beurteilungskriterien
Ermittlung des Toxic Pressure,
Bestimmung und Anwendung von Intervention Values,
Berücksichtigung der Größe des kontaminierten Standortes,
Berücksichtigung der Artenanzahl am Standort.
Ermittlung des Toxic Pressure
Im Zuge aller dieser Betrachtungen wird zuerst der sogenannte Toxic Pressure
an einem kontaminierten Standort ermittelt. Dieser bedeutet eine Abschätzung
des ökologischen Effekts aller Schadstoffe in einer kontaminierten Probe und
dient zur Ermittlung der Dringlichkeit der Durchführung einer ökologischen Risikobeurteilung (RUTGERS et al. 2008).
Bestimmung und Anwendung von Intervention Values
Die in den Niederlanden verwendeten Intervention Values werden direkt aus
ökotoxikologischen Experimenten ermittelt und beziehen sich auf verschiedene
messbare Testergebnisse (Wachstum, Reproduktion und Überleben der Arten).
Aus den mittels Toxizitätstests erhobenen logarithmierten NOECs (siehe Kapitel
3.1.4) mehrerer Arten wird ein Mittelwert gebildet und mit chemischen Schadstoffkonzentrationen verglichen. Bei Überschreitung dieses Mittelwerts (d. h.
50 % der getesteten Arten zeigen einen Effekt) müssen weitere Maßnahmen
gesetzt werden.
Intervention Values beziehen sich immer auf die mittleren Schadstoffkonzentrationen über eine bestimmte Flächengröße eines kontaminierten Standorts. Die
Definition der Größe der zu untersuchenden Fläche basiert immer auf der Nutzung des Standorts und dem ermittelten Toxic Pressure (siehe Tabelle 4). Die
untersuchte Bodentiefe beträgt in den Niederlanden 0,5 m.
Berücksichtigung der Größe des kontaminierten Standortes
In Abhängigkeit vom Wert für den Toxic Pressure und von der Nutzung eines
kontaminierten Standorts werden Flächenkriterien als Entscheidungsgrundlage,
ob eine ökologische Risikobeurteilung durchgeführt werden soll, herangezogen
3
Kontakt mit einem oder Ingestion eines mit Schadstoffen belasteten Organismus (z. B. ein Greif
frisst einen mit Pestiziden (DDT) belasteten Fisch).
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
55
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
(siehe Tabelle 4). Die Minimalgröße eines Standortes, ab der eine ökologische
Risikobeurteilung durchgeführt werden soll, nimmt dabei bei ökologisch weniger
sensiblen Nutzungen zu.
Tabelle 4: Toxic Pressure (TP) und Größe des kontaminierten Standorts in
Abhängigkeit von der Nutzung (modifiziert nach RUTGERS et al. 2008).
Art der Fläche
unversiegelte
unversiegelte
kontaminierte Fläche kontaminierte Fläche
(0,2 < TP < 0,5)
(TP > 0,5)
z Naturschutzgebiet
z Landwirtschaft
50 m²
50 m²
5.000 m²
50 m²
0,5 km²
5.000 m²
z Wohngebiet mit Garten
z Kleingarten
z Grünland mit besonderen ökologischen
Werten
z Grünland (allg.)
z bebautes Gebiet
z Industrie
z Infrastruktur
Die Entscheidung für 50 m2 als kleinste Beurteilungseinheit basiert einerseits
darauf, dass Hausgärten in den Niederlanden durchschnittlich eine Fläche von
etwa 70 m2 haben und andererseits auf ökologischen Kriterien (z. B. der guten
Möglichkeit einer Expositionsabschätzung auf einer verhältnismäßig kleinen Fläche, was etwa für die Betrachtung von Naturschutzgebieten relevant ist).
Die Zunahme des Flächengrößenkriteriums um jeweils den Faktor Hundert zwischen den unterschiedlichen Nutzungen wird wie folgt begründet:
Auf Basis einer ExpertInnendiskussion wird eine Verdoppelung (bzw. Halbierung) der Artenzahl als signifikantes Kriterium festgelegt. Des Weiteren wird mit
zunehmender Nutzungsintensität eine Verringerung der Artenanzahl um den
Faktor 2 postuliert bzw. akzeptiert. Dies bedeutet, dass auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche etwa halb so viele Arten wie in einem Naturschutzgebiet
erwartet werden dürfen.
Zusammenhang von
Artenzahl und
Flächengröße
Bei Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Artenzahl und Flächengröße,
kann davon ausgegangen werden, dass die Artenzahl mit steigender Flächengröße ebenfalls steigt. Allerdings ist gemäß Abbildung 7 dieser Zusammenhang
nicht linear. Diese Beziehung kann mittels folgender Formel dargestellt werden:
S = c x Az
S = Artenanzahl
c = Konstante
2
A = Größe der Fläche (km )
z = Exponent (ca. 0,15; Fläche x 100 = Arten x 2;
gültig über einen weiten Bereich der Kurve)
56
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologisch
he Risikobeurteillung – Ökologiscche Risikobeurte
eilungskonzepte
e
Artenza
ahl in Abhä
ängigkeit der Fläch
hengrösse
e
Quelle: nach
n
TCB A08 19
994
Abbildung
g 7: Artenanzzahl in Abhängigkeit von de
er Flächengröß
ße eines Stan
ndorts bei
einem Exponent
E
von z = 0,15.
Daraus folgt,
f
dass bei einer Verg
größerung de
er Fläche um
m den Faktorr Hundert –
bei gleiccher Nutzung
g – eine Verd
doppelung de
er Artenanzahl resultiert.
Bezüglicch der Festle
egung des Flächenkriteriums wurde die Artenanzzahl auf einer 50 m²
m großen Naturschutzflä
N
äche als beu
urteilungsrele
evant angessetzt. Unter
Gleichha
altung der Artenanzahl
A
b
bedeutet
die
es, dass auf einer Fläche in einem
Natursch
hutzgebiet mit
m 50 m² som
mit gleich vie
ele Arten leb
ben wie auf einer landwirtschaftlichen Flä
äche mit 5..000 m² bzw
w. auf eine
er Industriefläche mit
urteilungsrele
evant sind.
500.000 m² und diesse dementsprechend beu
4.4.2
Einsatz der Triade bei
b der öko
ologischen Risikobeurteilung
Mehrere
e Länder (z. B. Niederlan
nde, Großbritannien, Kan
nada) führen
n eine ökologische Risikobeurte
eilung in Form einer Triad
de durch. Triade bedeute
et in diesem
menhang die Kombination
n dreier Beweislinien (sie
ehe Abbildung 8). Diese
Zusamm
sind:
•
•
•
Chem
mische Analyssen,
Toxiziitätstests mitt kontaminierrten Medien,
ökolog
gische Unterrsuchungen.
Die Kom
mbination diesser drei Bew
weislinien erh
höht die Siche
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ussage und
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ne bessere Erfassung
E
de
es an einem Standort vo
orliegenden
ökologischen Risikoss.
Umweltbun
ndesamt „ REP
P-0337, Wien 20
011
57
7
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilun
ngskonzepte
Triade
Quelle: MES
SMAN et al. 2006
6
Abbildung 8:
8 Triade – Kombination
K
drreier Beweislin
nien.
4.4.2.1
Die Beweis
slinien
he Analyse
Chemisch
Schadstofffmessung
vs. Grenzwert
Es werden
n die Schadsstoffgehalte von
v Proben des
d kontaminierten Standorts bestimmt und
d mit Qualitä
ätskriterien (S
Schwellen- oder Grenzwe
erten) verglic
chen. Der
Vorteil der Durchführu
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emischen An
nalysen liegtt in der Iden
ntifikation
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akten Zahlenwerten, die
d durch ein
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e
Gefährd
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berschreidefinierte Ergebnisse liefern (z. B. Vorliegen einer
G
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ng eingesetzt und haben somitt eine große Akzeptanz bei
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n. Die Absch
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58
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enprobe nur PAK (Polyzyyklische Aro
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Kohlenwassserstoffe) in geringer Konzentratio
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B. BTX (Benz
zol, Xylol,
metalle vorhanden sind und somit ein
n Risiko von besagter
Toluol) oder Schwerm
erden in eine
er PAK-konta
aminierten BodenproB
Probe aussgeht. Darüber hinaus we
be nur se
echzehn Leittschadstoffe (16 US EPA
A PAH) besttimmt, obwo
ohl in der
Regel meh
hrere hunderrt Schadstofffe vorhanden
n sind, die ein beträchtlic
ch größeres Umwe
eltrisiko darsttellen können
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messenen se
echzehn Leittsubstanzen.
Um
mweltbundesam
mt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
Toxizitätstests mit kontaminierten Medien – Bioassays
Bioassays (siehe Kapitel 3.2) kommen in vielen Ländern (Deutschland, Großbritannien, Kanada etc.) bereits bei der Durchführung einer ökologischen Risikobeurteilung zur Anwendung. Mittlerweile stehen einige standardisierte Normen
zur Durchführung von Bioassays für die Beurteilung kontaminierter Böden zur
Verfügung; im Jahr 2008 ist ebenfalls eine ISO-Norm zur Untersuchung der Bodenbeschaffenheit (ISO 17616/2008) erschienen.
Die Anwendung von Bioassays bringt den Vorteil, dass anhand einfacher Tests
mit ausgewählten Organismen das Auftreten von negativen Effekten direkt erkannt werden kann und alle standortspezifischen Variationen wie beispielsweise die Schadstoffzusammensetzung, die Wechselwirkungen von Schadstoffgemischen, die (Bio)verfügbarkeit und ähnliche Parameter im Ergebnis impliziert sind (siehe Kapitel 3.2.4.1). Des Weiteren kann mit Hilfe der Ergebnisse
von Bioassays bereits auf die Gesamt-Ökosystem-Ebene bzw. auf den zu schützenden ökologischen Wert (Assessment Endpoint) extrapoliert werden. Trotz alledem können komplexe Situationen den Einsatz weiterer Untersuchungen (vor
allem die Überprüfung der Ergebnisse vor Ort) erforderlich machen.
direkte ökotoxikologische Messung
Ökologische (Feld-)Untersuchungen
Diese erfolgen zumeist am kontaminierten Standort und umfassen einerseits
ökologische Parameter wie z. B. Abundanz- und Strukturveränderungen der am
Standort anzutreffenden Arten. Andererseits können auch Feldtests mit z. B.
Indikatorarten sowie ein Biomonitoring durchgeführt werden oder Gewebeproben von Organismen genommen werden. Der Vorteil von ökologischen Beobachtungen am kontaminierten Standort liegt in der direkten Erkennung (ohne
Extrapolation) einer negativen Beeinträchtigung von ökologischen Werten.
Beeinträchtigungen
werden direkt
erkannt
Der Nachteil aller ökologischen Felduntersuchungen besteht jedenfalls darin,
dass aufgrund von Resilienz (Anpassung an Störeinflüsse) und Redundanz bereits entstandene Schädigungen unter Umständen nicht erkannt werden und
dass hohe Variabilitäten (Temperatur, Niederschlag etc.) eindeutige Aussagen
schwierig machen. Um ein besseres Bild der Gesamtsituation zu erhalten, sollten solche Studien über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden und idealerweise alle Jahreszeiten abdecken (GAUDET 1994).
Nachteile der
Felduntersuchungen
4.4.2.2
Beweisgewichtung – Weight of Evidence Approach
Die Kombination aller drei Beweislinien (chemische Konzentrationen, Ergebnisse von Bioassays und ökologischen Untersuchungen) hat den großen Vorteil,
auf verschiedenen Wegen zu einer schlüssigen Gesamtaussage zu gelangen
und so eine fundierte Beweislage zu bestimmten ökologischen Aussagen zu erhalten. In Zuge der Beweisgewichtung sollen die Ergebnisse aller Untersuchungen in ein nachvollziehbares Gesamtschema integriert werden. Dazu ist es
notwendig, vorab allen Testergebnissen die gleiche Einheit zuzuordnen (z. B.
%-Response) um sie in weiterer Folge vergleichbar zu machen (MESMAN et al.
2006).
kombinierte
Messungen
In einem weiteren Schritt erfolgt die Gewichtung der einzelnen Ergebnisse, dazu bieten sich folgende Vorgangsweisen an:
Gewichtung der
Ergebnisse
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
59
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
Laut dem Ansatz von SUTER et al. (2000) wird nach der Bearbeitung der Ergebnisse innerhalb der jeweiligen Beweislinie (Vereinheitlichung der Effekt-Größen)
überprüft, ob eine Integration aller drei Beweislinien möglich ist und ob daraus
eine signifikante nachteilige ökologische Beeinträchtigung abgeleitet werden
kann. Sollten Ungereimtheiten zwischen den Beweislinien vorhanden sein, wird
eine Gewichtung vorgenommen, wobei Tests und Untersuchungen, die folgende Bedingungen erfüllen, größere Bedeutung zugemessen wird:
•
•
•
•
•
•
•
Der verwendete Test steht in direkter Verbindung zum Assessment Endpoint,
eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung konnte ermittelt werden,
der Test berücksichtigt möglichst gut die zeitabhängige Variabilitäten am
Standort,
die verwendeten Proben entsprechen den Standortbedingungen,
ein standardisiertes Testprotokoll (z. B. ISO) ist vorhanden,
bei Vorhandensein größeren Datenmengen, die z. B. eine bestimmte Aussage verifizieren, werden diese bevorzugt,
es sind geringe Unsicherheiten bei der Extrapolation vorhanden.
SUTER et al. (2000) schlagen ein einfaches Schema für die Beurteilung der Ergebnisse vor: Ein (+) bedeutet, dass ein signifikanter nachteiliger Effekt erkannt
wurde, (–) bedeutet, dass kein nachteiliger Effekt beobachtet werden konnte
und (+/–) wird bei Unklarheiten über die mögliche Testaussage vergeben. Aus
diesen Einzelbeurteilungen wird dann ein Gesamt-Schluss gezogen.
Nach dem Ansatz von MESMAN et al. (2006) sollten alle Beweislinien dieselbe
Bedeutung bzw. dasselbe Gewicht erfahren, da alle verwendeten Ansätze und
Testsysteme ihre Vor- und Nachteile haben. Ebenfalls gilt das Statement: “All
organisms are unequal, but equally important” (MESMAN et al. 2006). Ausnahmen von diesem generellen Ansatz werden nur dann gemacht, wenn beispielsweise spezifische funktionelle Organismengruppen, bestimmte Schlüsselarten
oder auch geschützte oder bedrohte Arten besondere Berücksichtigung erfahren sollen. Des Weiteren kann in Ausnahmefällen eine Abweichung der Gleichgewichtung auch dadurch entstehen, dass z. B. bei den Ergebnissen bestimmter
Tests hohe Variabilitäten zu beobachten waren. In diesem Fall wird diesen Ergebnissen geringere Bedeutung zugemessen, das heißt auch ein geringeres
„Gewicht“.
MESMAN et al. (2006) schlagen zur Gewichtung einzelner Testsysteme vor, anstatt simple (+) und (–) Symbole zu verwenden, eine Zahl (auf die 2. Kommastelle berechnet) zwischen 0,00 (kein nachteiliger Effekt erkennbar) und 1,00
(großer nachteiliger Effekt erkennbar) zu verwenden, um die quantitative Aussage eines Tests über die Größe des gemessenen Effekts nicht zu verlieren.
Der Umgang mit der Gewichtung aller drei Beweislinien erfordert einiges an Erfahrung und die Gewichtung muss, bevor eine endgültige Beurteilung der negativen Beeinträchtigung erfolgt, genauestens überprüft und nachvollziehbar dargestellt werden.
Gesetzt den Fall, dass die unterschiedlichen Beweislinien (auch nach der Gewichtung) verschiedene Ergebnisse liefern, deren Aussagen sich nicht zu einer
Gesamt-Aussage vereinbaren lassen, ist in jedem Fall die Durchführung weiterer (evtl. länger andauernder) Untersuchungen unumgänglich.
60
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
4.4.3
Abgestufte Vorgangsweise (Tiered Approach) zur
ökologischen Risikobeurteilung
Ein stufenweises Vorgehen (Tiered Approach) innerhalb einer Risikobeurteilung
unterteilt den Beurteilungsprozess in einzelne Phasen, wobei mit jeder nachfolgenden Stufe die Tiefe der Untersuchungen zunimmt, die Ergebnisse detaillierter werden und eine mögliche ökologische Schädigung realitätsnäher abgebildet wird.
Die wesentlichen Vorteile eines stufenweisen Vorgehens liegen darin, dass
schrittweise von einer einfachen Beurteilung zu einem detaillierten bzw. komplexen Untersuchungsprogramm übergegangen wird. Üblicherweise werden auf
niedrigen Stufen generische Kriterien angewandt, während auf höheren Stufen
die Standortspezifität zunimmt. Lässt sich auf einer niedrigen Stufe keine verlässliche Aussage über das vorhandene Risiko treffen, so erfolgt eine vertiefende Untersuchung auf der nächstfolgenden Stufe. Höhere Stufen weisen in der
Regel eine höhere Flexibilität in der Auswahl der Untersuchungsmethoden je
nach ökologischer Fragestellung auf.
Vorteile des
stufenweisen
Vorgehens
Sobald auf einer Stufe die Qualitätskriterien eingehalten werden (z. B. keine
Überschreitung der Grenzwerte, Ausschluss eines Risikos für ökologische Rezeptoren) ist die Beurteilung beendet und es müssen keine weiteren Untersuchungen durchgeführt werden. Dies führt in der Regel zu erheblichen Zeit- und
Kosteneinsparungen.
Grundsätzlich ist bei Vorliegen eines erheblichen Risikos (Überschreitung der
Qualitätskriterien) auf einer niedrigen Stufe nicht notwendigerweise eine Sanierung des Standortes durchzuführen. Stattdessen kann eine Beurteilung auf der
nächsthöheren Stufe erfolgen. Dadurch können realistischere Aussagen zu
dem am Standort vorherrschenden Risiko getroffen werden und umfangreiche
Sanierungsaufwendungen aufgrund konservativer generischer Kriterien möglicherweise vermieden werden.
4.4.3.1
Stufenweises Vorgehen in ausgewählten Ländern
Anhand einer Literaturstudie über die Länder Deutschland, Niederlande, Großbritannien, USA und Kanada konnten ausführliche Informationen über die Durchführung eines stufenweisen Vorgehens zur ökologischen Risikobeurteilung gesammelt werden. Ein stufenweises Vorgehen (Tiered Approach) kommt in diesen Ländern standardmäßig zum Einsatz.
Die Ansätze der einzelnen Länder zeigen nur geringe konzeptionelle Unterschiede. Lediglich einzelne Beurteilungskriterien sowie die Auslösekriterien zur
Entscheidung, ob eine ökologische Risikobeurteilung durchgeführt werden soll,
unterscheiden sich in den einzelnen Ländern je nach den gewünschten Schutzzielen. In Großbritannien wurde z. B. ein „Tier 0“ zur Entscheidung über die
Durchführung einer ökologischen Risikobeurteilung eingeführt. In Kanada gelten seltene oder bedrohte Arten als Schutzziel und ihre Bedrohung ist ein Kriterium, das eine ökologische Risikobeurteilung auslösen kann. In den Niederlanden wurden Auslösekriterien zur ökologischen Risikobeurteilung etabliert, wie
z. B. eine bestimmte Flächengröße eines Standorts für eine definierte Nutzung
(siehe Kapitel 4.4.1.1). Allen Vorgehensweisen ist gemein, dass der Prozess
der ökologischen Risikobeurteilung beendet wird, sobald ein ökologisches Risiko mit Sicherheit auszuschließen ist.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
61
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
Großbritannien
Gesetzliche Grundlagen
Als gesetzliche Grundlage wird Part II A des „Environmental Protection Act“
(1990) verwendet. Dieses Gesetz enthält grundlegende Verordnungen zur
Überwachung von negativen Einflüssen auf Mensch und Umwelt, ausgehend
von kontaminierten Flächen.
Generell wird in Großbritannien das weithin anerkannte Quelle-Pfad-RezeptorModell angewendet, wobei je nach zu schützendem Rezeptor (z. B. Mensch,
Wasser, Flora & Fauna, Ökosysteme) unterschiedliche Methoden zur Risikobeurteilung zum Einsatz kommen.
In diesem allgemeinen Ansatz wird zwischen der Risikobeurteilung anhand des
Vergleichs mit generischen Daten beziehungsweise Screening-Values oder
standortspezifisch entwickelten Modellen unterschieden. In einigen Fällen werden auch beide Ansätze verwendet (HERBERT 1999).
Risk Based Land Management
Das Konzept des Risk Based Land Management (RBLM; BARDOS 2003) baut
auf dem im CLARINET entwickelten Modell auf und umfasst folgende grundsätzliche Umwelt-Ziele:
•
•
•
Fitness for Use
Protection of the Environment
Long Time Care
Während sich der Punkt “Fitness for Use“ allein auf den Menschen bezieht, wird
bei “Protection of the Environment“ auf folgende zwei Faktoren geachtet:
•
•
Schutz vor oder Reduktion von negativen Einflüssen auf die Umwelt (z. B.
Gesundheit der Ökosysteme, Erhaltung der Biodiversität),
Erhaltung der Qualität und Quantität von Ressourcen (z. B. Land, Boden,
Wasser, Kulturerbe).
Der Begriff “Long Time Care“ bezieht sich auf verbleibende Schadstoffkonzentrationen in Böden. Es müssen passende Monitoring- und Kontrollmaßnahmen
ergriffen werden, um die langfristige Nutzung eines kontaminierten Standorts zu
optimieren.
Tiered Approach
62
Außerdem wird in diesem Modell zur ökologischen Risikobeurteilung ein Tiered
Approach vorgeschlagen, der sich in drei Stufen mit folgenden allgemein gehaltenen Teilaspekten gliedert (siehe Abbildung 9).
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
Stufenweises Vorgehen
Stufe 1
z informativ, kostensparend
z breite Anwendbarkeit, leichte Handhabung
z Screening (chemisch oder biologisch)
Stufe 2
z verifizierbare standortspezifische Informationen
z Checkliste Ziele/Wege/Werkzeuge
z Festlegen der Aktivitäten in Stufe 3
z beenden ja/nein?
Vermittlung
Begriffsmodell
z beenden ja/nein?
Stufe 3
z Überprüfung
z Bioassays/Monitoring/Feldstudien/
Feststellen der Unsicherheitsfaktoren
z Risiko oder Auswirkungen? Effekte? Schaden?
Entscheidungsfindung
Quelle: modifiziert nach RBLM; BARDOS 2003
Abbildung 9: Tiered Approach zur ökologischen Risikobeurteilung in Großbritannien.
Contaminated Land Report
Der “Contaminated Land Report“ (CLR 11, DEFRA 2004) dient dazu, für alle Beteiligten die technischen Rahmenbedingungen zur Anwendung eines RiskManagement-Prozesses in Übereinstimmung mit den Gesetzen und Richtlinien
des UK bereitzustellen. Dieses Modell beurteilt standortbezogen sowohl schädliche Einflüsse auf den Menschen als auch auf die Umwelt. Prinzipiell wird in
Verbindung mit kontaminierten Standorten ein dreistufiges Vorgehen vorgeschlagen:
1) Ein Preliminary Risk Assessment bedeutet die Entwicklung eines Standortmodells, welches Nutzung, Rezeptoren, Ausbreitungspfade und Risiken
beinhaltet sowie Informationen über
•
•
•
•
•
•
•
jetzige und zukünftige Landnutzung,
frühere Landnutzung,
vorhandene Ökosysteme (z. B. Indikatorarten),
benachbarte Standorte,
Zustand des Standortes,
Hydrogeologie und
Hydrologie.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
63
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
2) Ein Generic Quantitative Risk Assessment tritt in Kraft, wenn eine Verbindung zwischen Quelle, Pfad und Rezeptor besteht. Es werden weitere Informationen eingeholt über
•
•
•
•
•
•
Schadstoffe und deren Ausbreitungspfade,
Interaktionen mit Rezeptoren,
Bodenbeschaffenheit,
gesetzliche Regelungen,
Zeitrahmen und
finanzielle Mittel.
3) Ein Detailed Quantitative Risk Assessment bedeutet die Durchführung einer Risikobeurteilung.
Laut CLR 11 bieten sich folgende Möglichkeiten zur Risikobeurteilung für
schützenswerte ökologische Rezeptoren an:
•
•
•
•
•
Toxizitätstests für Indikatorarten und Bodenfunktionen,
Messung von Schadstoffkonzentrationen im Gewebe,
Datenerhebungen von ökologischen Feldmessungen,
Expositionsmodelle,
Vergleich mit intakten Ökosystemen.
Im CLR 11 werden im Zuge der Risikobeurteilung für Ökosysteme mögliche
schützenswerte Assessment Endpoints auf unterschiedlichen Ebenen vorgeschlagen:
1) Ökosystem-Ebene
•
•
•
•
•
Reduktion Ökosystem-Produktivität (%),
Veränderung Nahrungsnetz und Regeneration,
Veränderung im Energiefluss,
Reduktion N-Kreislauf,
Zerstörung oder Abbau von Habitaten.
2) Gemeinschafts-Ebene
•
•
•
•
Reduktion Biodiversität,
negative Effekte oder Veränderungen in der Struktur,
Wertminderung Fischereiwirtschaft,
Reduktion der Biodiversität in einem benthischen Ökosystem.
3) Populations-Ebene
•
•
•
•
Reduktion des Populationsreichtums,
Rückgang der Reproduktion,
Veränderungen in Alter, Geschlecht und Größe der Population,
Fehlen von Spezies, die üblicherweise am Standort vorkommen.
4) Organismen-Ebene
•
•
•
•
64
Veränderungen in der Reproduktion,
Veränderungen in Wachstum oder Biomasse,
Verhaltensänderungen, Entwicklungsstörungen,
Veränderungen in Bezug auf Krankheiten und Mortalität,
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
Nach Ermittlung aller benötigten Daten erfolgt die Entscheidung über eine Sanierungsoption unter Miteinbeziehung aller standortspezifischen Parameter.
Contaminated Land Assessment
WEEKS et al. (2004) schlagen für das Contaminated Land Assessment, wie auch
schon zuvor im Report “Assessing Risks to Ecosystems from Land Contamination“ erwähnt, ebenfalls einen Tiered Approach vor, allerdings mit einigen kleineren Änderungen wie z. B. der Einführung eines Tier 0. Somit gliedert sich die
ökologische Risikobeurteilung wie folgt:
Tier 0
•
•
Ermittlung, ob ein Standort unter Part II A4 fällt und somit eine ökologische
Risikobeurteilung erforderlich ist.
Entwicklung eines Conceptual Site Model (CSM) in Abhängigkeit vom Vorhandensein von Ausbreitungspfaden, Rezeptoren und Schadstoffquellen, den
spezifischen am Standort vorhandenen Rezeptoren und der Toxizität der
Schadstoffe.
Tier 1
•
•
•
Repräsentative Probenahme,
Vergleich chemischer Schadstoffdaten mit Schwellenwerten,
Ermittlung von PECs (predicted environmental concentrations) für jeden
Schadstoff und Vergleich mit PNECs (predicted no effect concentrations)
wenn keine Soil Quality Guideline Values (SQGVs) vorhanden sind.
Tier 2
•
•
•
•
•
•
Austesten der Bioverfügbarkeit,
Festlegung von Hintergrundwerten,
Ermittlung aller gefährdeten Rezeptoren,
Verhalten von Schadstoffgemischen,
Auffinden von Hotspots,
Durchführung von Bioassays.
Tier 3
•
•
•
Bestimmung der Ausmaße der Risiken auf die Rezeptoren,
Vergleich Toxizitätstests – Effekte auf Populationen (z. B. NahrungskettenModellierung),
Ermittlung von „chronischen“ Testdaten.
Entstehen bei der Betrachtung der einzelnen Aspekte in einer Stufe Unsicherheiten oder fehlen Daten, muss in jedem Fall die nächste Stufe einer Risikobeurteilung durchgeführt werden.
4
„Significant harm is being caused or there is a significant possibility of such harm being caused; or
pollution of controlled waters is being, or is likely to be caused."
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
65
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
Niederlande
Als Grundlage wird in den Niederlanden das Bodenschutzgesetz (Ferguson &
Kasamas 1999)) verwendet, welches sowohl den Bodenschutz als auch das
Altlastenmanagement behandelt.
In Bezug auf die Bodenqualität werden in den Niederlanden zwei verschiedene
Richtwerte eingesetzt:
•
•
Überschreitung von
Auslösekriterien
Zielwert (Target Value) – repräsentiert einen sauberen Boden
Eingriffswert (Intervention Value) – repräsentiert eine Konzentration, bei der
95 % der Spezies in einem Ökosystem vor negativen Effekten geschützt werden (unter Miteinbeziehung von Bodenbeschaffenheit und -zusammensetzung).
Generell wird ein Boden als kontaminiert angesehen, wenn bestimmte Auslösekriterien überschritten werden. In der ersten Phase der Untersuchung werden
25 m3 der kontaminierten Erde herangezogen und die Konzentrationen mit den
Intervention Values verglichen. Bei Überschreitung wird die Kontamination als
Serious Contamination angesehen und der Standort muss saniert werden. Ziel
ist es, 95 % der Spezies zu schützen. Es wird der HC5 (HC = Hazardous
Concentration) herangezogen und mit einem Sicherheitsfaktor von 100 versehen,
da an den kontaminierten Standorten multiple Stressoren vorkommen können.
Dieser Wert stellt dann den Zielwert dar.
Auch in den Niederlanden wird ein Tiered Approach verwendet und in folgende
Stufen unterteilt (RUTGERS et al. 2001):
Stage 1 – Beschreibung der zukünftigen Nutzungsklasse:
•
Festlegung von Bodenfunktionen.
Stage 2 – Ermittlung der ökologischen Aspekte:
•
•
•
Festlegen von Indikatorarten,
Auswirkungen auf das Grundwasser,
Störungen der Nährstoffkreisläufe etc.
Stage 3 – Standortspezifische Messungen:
•
•
•
•
•
Messung von Chemikalienkonzentrationen in Boden, Fauna und Flora,
Abschätzung der Mobilität von Schadstoffen (z. B. Bioverfügbarkeit),
Abschätzung von Effekten auf Rezeptoren,
Auswirkungen von Schadstoffinteraktionen,
Bioassays, Toxizitätstests etc.
Abbildung 10 zeigt schematisch den Ablauf des ökologischen Risikobeurteilungsprozesses in den Niederlanden.
66
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologisch
he Risikobeurteillung – Ökologiscche Risikobeurte
eilungskonzepte
e
Ök
kologische
e Risikobe
ewertung – schema
atischer Ab
blauf
Stufe 1
Beschreibung der
d
Landnutzung
Stufe 2
Beschreibung der
d
ökkologischen Asp
pekte
Definition derr (geplanten)
Landnutzung
g (Absprache
zw. Behörde
en, Planern
und Exp
perten)
Verlinkung derr ökologschen
Aspekte mitt der Landnutzung (Art de
er Landschaft,
ökologische Fu
unktionen, …)
Stufe 3
Untersuchunge
en
am Standort
zeittabhängige Messu
ung
von Schadstoffkonzentrration,
Zielwerten, …
Bestimmung des
d Schadens:
Untersuch
hung von
standortsp
pezifischen
Indikatoren un
nd Parametern
(Chemie, Toxikologie,
T
Ökologie, ze
eitabhängige
Effekte, …) an
nhand ökologischer Kriterien
K
Beispiele:
biologische Sanie
erung,
Phyto-Sanierung,
S
Sanierung
am Sta
andort,
S
Sanierung
extern, Bodenw
wäsche,
Immobilissierung
Effekte/Schäden
nichtt akzeptabel in Be
ezug
au
uf die Landnutzung
Effekte/Schäd
den
akzeptabel in Bez
zug auf
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ung
Effekte/Schäden
derzeit akzeptabel in Bezug auf
d Landnutzung und
die
u
Messergebnisse
e
Monitoring
erstrebenswert
e
Monitoring
notwendig
Quelle: JENSEN et al. 20
006, modifiziert nach RUTGERS et al. 2000
Abbildung
g 10: Risikobe
eurteilungspro
ozess in den Niederlanden.
N
Deutsch
hland
Gesetzliiche Grundllagen
In Deutsschland werd
den als Grundlagen zum
m Schutz de
es Bodens das
d Bodenschutzge
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dSchG, 199
98) und die
e Bundes-B
Bodenschutzvverordnung
(BBodScchV, 1999) herangezoge
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gänzt.
Umweltbun
ndesamt „ REP
P-0337, Wien 20
011
67
7
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
Sicherung der
Bodenfunktionen
Zweck des BBodSchG ist es, nachhaltig die Funktionen des Bodens zu sichern
oder wiederherzustellen. Jeder Boden muss folgende Funktionen erfüllen:
1) Natürliche Funktionen
•
•
•
Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und
Bodenorganismen,
Bestandteil des Naturhaushalts, insbesondere mit seinen Wasser- und
Nährstoffkreisläufen,
Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen
aufgrund der Filter-, Puffer- und Stoffumwandlungseigenschaften,
insbesondere auch zum Schutz des Grundwassers.
2) Funktionen als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte
3) Nutzungsfunktionen
•
•
•
•
Rohstofflagerstätte,
Fläche für Siedlung und Erholung,
Standort für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung,
Standort für wirtschaftliche und öffentliche Nutzungen, Verkehr, Ver- und
Entsorgung.
Laut BBodSchG werden zur Untersuchung und Bewertung von schädlichen Bodenveränderungen folgende Werte verwendet (ersichtlich in der BBodSchV):
1) Vorsorgewert – bei Überschreitung unter Berücksichtigung geogener oder
anthropogener Hintergrundbelastungen besteht Besorgnis, dass eine schädliche Bodenveränderung stattgefunden hat.
2) Prüfwert – bei Überschreitung unter Berücksichtigung der Bodennutzung
muss eine einzelfallbezogene (= standortbezogene) Prüfung durchgeführt
werden, ob eine Altlast beziehungsweise eine schädliche Bodenveränderung
vorliegt.
3) Maßnahmenwert – bei Überschreitung ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Bodennutzung eine schädliche Veränderung/Altlast wahrscheinlich →
eine Sanierung, Sicherung oder Beschränkung ist notwendig.
Mit diese Werten sind Verfahren zur Ermittlung von umweltgefährdenden Stoffen in Böden, biologischen und anderen Materialien festzulegen. Im Rahmen
der Untersuchung und Bewertung sind des Weiteren zu berücksichtigen:
•
•
•
•
Art und Konzentration der Schadstoffe,
deren Möglichkeiten zur Ausbreitung in die Umwelt,
Aufnahme durch Mensch/Tier/Pflanze,
Nutzung des Grundstücks.
In der BBodSchV wird darauf hingewiesen, dass Sanierungsuntersuchungen
immer standortspezifisch durchzuführen sind und in jedem Fall auch die Auswirkungen auf die Umwelt betrachtet werden müssen.
68
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Ökologische Risikobeurteilungskonzepte
Forschungsverbund ERNTE
Das Ziel des im Einklang mit den umweltpolitischen Zielen der Bundesregierung
agierenden Forschungsverbundes ERNTE, welcher sich mit der Erprobung und
Vorbereitung einer praktischen Nutzung ökotoxikologischer Testsysteme beschäftigt, war es, die notwendigen Voraussetzungen für die praktische Anwendbarkeit dieser Methoden unter realen Bedingungen zu schaffen (Teststandardisierung). Biologische Tests sollen routinemäßig zur effizienteren Beurteilung
von Böden beziehungsweise Bodensubstraten in Ergänzung bestehender rückstandsanalytischer Methoden genutzt werden. Dazu wurde 2006 eine Handlungsempfehlung erstellt, in welcher neben der Beschreibung der Anwendungsmöglichkeiten von biologischen Testsystemen auch bereits ein Beurteilungsschema enthalten ist. Je nach Art und Schwere der Kontamination werden
Screeningtests wie VOA-Tests (VOA = Vor-Ort-Analytik) oder länger andauernde ISO-Tests durchgeführt. Je nachdem, ob die Rückhaltefunktion oder die Lebensraumfunktion eines Bodens geschützt werden soll, kommen entweder biologische Tests (z. B. Leuchtbakterientest) oder Biotests am Feststoff (z. B. Atmungstest) zur Anwendung. Häufig ist auch eine kombinierte Anwendung beider Testsysteme sinnvoll (RÖMBKE et al. 2006).
Handlungsempfehlung sichert
Praktikabilität der
Tests
In diesen Handlungsempfehlungen wird zur ökologischen Risikobeurteilung ein
stufenweises Vorgehen (Tiered Approach) mit folgenden Schritten vorgeschlagen:
1) Standortbeschreibung
•
•
Zusammenstellung aller relevanten Informationen,
•
Einschätzung der Datenlage.
Klärung der geplanten Nutzung, Identifikation von Schutzzielen und
Wirkungspfaden,
2) Festlegung des zutreffenden Szenarios
•
Zusammenstellung einer standortspezifischen Testbatterie.
3) Beurteilung
•
•
nach stofflichen Kriterien (BBodSchG – Beurteilung von Gesamtgehalten),
•
Gesamtbeurteilung unter Integration aller vorliegenden chemischen und
biologischen Daten.
nach biologischen Kriterien (Beurteilung von Rückhalte- und/oder
Lebensraumfunktion),
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
69
Ökologische Risikobeurteilung – Grundkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich
5
Status Quo in
Österreich
GRUNDKONZEPT ZUR ÖKOLOGISCHEN
RISIKOBEURTEILUNG IN ÖSTERREICH
Im internationalen Vergleich zeigt sich seit mehr als zehn Jahren und zuletzt
auch im Rahmen einer Studie des Joint Research Centre Ispra (CARLON 2007),
dass in Österreich – im Gegensatz zu anderen Ländern – noch kein Ansatz für
eine ökologische Risikobeurteilung (Gefährdungsabschätzung) bei kontaminierten Standorten existiert. Da kontaminierte Böden aber unmittelbare Auswirkungen auf die belebte Umwelt und Ökosysteme haben können, kann zurzeit nicht
ausgeschlossen werden, dass an kontaminierten Standorten bei Bodenschäden
Fehleinschätzungen möglich sind und in Einzelfällen signifikante Risiken und
Auswirkungen auf die belebte Umwelt nicht erkannt werden.
Der vorliegende Bericht bietet neben einem Überblick über international existierende Ansätze und Kriterien für ökologische Risikobeurteilungen auch eine Zusammenfassung der Voraussetzungen für eine mögliche Umsetzung einer ökologischen Risikobeurteilung in Österreich. Im Folgenden sind diese als allgemeine Rahmenbedingungen (siehe Kapitel 5.1) zusammengefasst. Anhand des
internationalen Überblicks und der beschriebenen Rahmenbedingungen wurden
in weiterer Folge Vorschläge für die Anwendung einer ökologischen Risikobeurteilung an kontaminierten Standorten in Österreich konkretisiert und in einem
erweiterten ExpertInnenkreis diskutiert. Die Empfehlungen für eine mögliche
Umsetzung der ökologischen Risikobeurteilung (siehe Kapitel 5.2) sowie zur
weiteren Entwicklung des Themenfeldes wurden aufgrund der Ergebnisse der
Diskussionen erarbeitet.
5.1
Leitbild Altlastenmanagement
Rahmenbedingungen für eine ökologische
Risikobeurteilung
Ausgehend von Diskussionen, die sich im Rahmen des Prozesses zur Erstellung des österreichischen „Leitbildes Altlastenmanagement“ (LEBENSMINISTERIUM
2009) ergeben haben und in Zusammenhang mit dem ÖNORMEN-Paket Altlasten wurde folgender allgemeiner Rahmen für Risikobeurteilungen definiert:
•
•
Bei kontaminierten Standorten sind stoffliche Belastungen des Untergrundes
gegeben.
Aufgrund dieser stofflichen Belastungen kann i) unmittelbar bereits eine Beeinträchtigung des Bodens, von Gewässern oder der Luft gegeben sein und
ii) es in weiterer Folge zu einer Beeinträchtigung (nachteiligen Beeinflussung)
der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und der Gesundheit des Menschen kommen.
In anderen Worten ausgedrückt, können Verunreinigungen der Umweltmedien
Wasser, Boden und Luft Umweltschäden darstellen, die in weiterer Folge auch
zu Risiken/Gefahren für Menschen und Ökosysteme führen. Wird dabei tatsächlich auf die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes abgezielt, so handelt es
sich um eine Wertung, die Messungen und eine nachfolgende Beurteilung voraussetzt. Wertungen werden hierbei immer durch Menschen getroffen und beruhen entweder auf der subjektiven Haltung Einzelner oder werden innerhalb
sozialer Systeme im gesellschaftlichen Konsens ermittelt. Damit sind auch
70
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Grundkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich
Wertvorstellungen zur Bedeutung der Natur und von Ökosystemen von Menschen geprägt. In Zusammenhang mit der ökologischen Risikobeurteilung an
kontaminierten Standorten heißt das zusammengefasst:
•
•
Wohlstand und Fortschritt unserer Gesellschaft beruhen darauf, dass Menschen ihre Umwelt gestalten und natürliche Ressourcen nutzen. Auch in intensiv genutzten Bereichen wie z. B. Städten und Äckern lassen sich Ökosysteme beschreiben, die aus früheren Ökosystemen (z. B. Wäldern) hervorgegangen sind oder diese verdrängt haben. Damit ist auch bei ökologischen
Risikobeurteilungen ein Nutzungsbezug berechtigt und sinnvoll.
Voraussetzung für unterschiedliche Nutzungsformen ist jeweils, dass Böden
und Gewässer bestimmte Funktionen in Naturkreisläufen nachhaltig erbringen, sodass auch Ökosystem-Dienstleistungen und -güter langfristig genutzt
werden können.
Zur Beschreibung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes sind als wesentliche Elemente die maßgeblichen ökologischen Funktionen von Böden und Gewässern und die daraus resultierenden Ökosystem-Dienstleistungen und -güter
nutzungsspezifisch hervorzuheben. Für eine standortspezifische Beurteilung eines „guten Bodenzustandes“ bzw. die Frage, ob Bodenfunktionen und Ökosystem-Dienstleistungen und -güter dauerhaft gewährleistet sind, müssen geeignete Indikatoren und Parameter festgelegt und aussagekräftige Messgrößen definiert werden. Des Weiteren sind Beurteilungsmodelle zu nutzen bzw. zu entwickeln. In Zusammenhang mit der Durchführung einer ökologischen Risikobeurteilung an kontaminierten Standorten lässt sich daraus Folgendes zusammenfassen:
•
•
•
•
Beurteilung der
Ökosystemleistungen
Grundsätze für die Beurteilung und Wertung von ökologischen Wirkungen
(z. B. als Nachteil oder als Umweltschaden) müssen im Kreis maßgeblicher
Gruppen (v. a. Wissenschaft, ExpertInnen aus den Bereichen Privatwirtschaft
und öffentlicher Dienst) im Rahmen eines Diskussionsprozesses erarbeitet
werden.
Als operative Voraussetzungen zur Beschreibung und Beurteilung von ökologischen Werten müssen Indikatoren und Parameter benannt und mit geeigneten Messgrößen dargestellt werden.
Als Voraussetzung für einen Vergleich der Veränderungen von ökologischen
Bodenfunktionen und Ökosystemleistungen an kontaminierten Standorten
müssen nutzungsbezogene Referenzsituationen (Ausgangszustand bzw. unbelastete Referenz) beschrieben werden.
Darüber hinaus sind für die Abschätzung von Veränderungen sowie Risiken
Vorgehensweisen, Simulationen oder Modelle im weitesten Sinne anzudenken.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
71
Ökologische Risikobeurteilung – Grundkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich
5.2
5.2.1
abgestuftes
Vorgehen in einer
Triade
nutzungsbezogene
Kriterien der
Vorgangsweise
Im Rahmen einer derart abgestuften Vorgangsweise sollten klare Kriterien definiert werden, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zeitpunkt entsprechende Untersuchungen durchgeführt werden sollten bzw. ob eine ökologische Risikobeurteilung (im weiteren Sinn) notwendig und zweckmäßig ist. Als
wesentlichstes Kriterium für eine integrierte Untersuchung ökologischer Aspekte
und die Durchführung einer ökologischen Risikobeurteilung wird auf die Nutzung(en) eines kontaminierten Standortes abgezielt (siehe Kapitel 5.2.1.1).
Darüber hinaus werden außerdem nutzungsbezogene Kriterien zur Größe der
Flächen vorgeschlagen (siehe Kapitel 5.2.1.2). Der Grundgedanke dieses Konzeptes zielt dabei auf die bereits dargestellten Rahmenbedingungen (siehe Kapitel 5.1) ab, die als theoretisch-konzeptiver Rahmen Betrachtungen zu ökologischen Werten (im erweiterten Verständnis von ökologischen Bodenfunktionen
und resultierenden Ökosystem-Dienstleistungen und -gütern) ins Zentrum rücken.
72
Maßgebliche nutzungsrelevante Bodenfunktionen
In Zukunft soll in Österreich ein standort- und nutzungsbezogener Ansatz zur
Risikobeurteilung umgesetzt werden. Als konzeptive Voraussetzung für die
Vergleichbarkeit und zur Vereinfachung der Risikobeurteilung stellen einheitlich
definierte Nutzungsklassen ein wesentliches Element dar. Im Rahmen der ökologischen Risikobeurteilung sollten für die gewählten Nutzungsklassen vergleichbare schützenswerte Funktionen und Serviceleistungen generalisiert zusammengefasst werden. Dem Stand der Diskussionen in Österreich entsprechend sind fünf Nutzungsklassen vorgesehen:
•
•
•
•
•
besonders
schutzwürdige
Bodenfunktionen
Kriterien für die Durchführung
Die Prüfung, ob auf einem kontaminierten Standort in Österreich eine ökologische Risikobeurteilung im weiteren Sinn durchgeführt werden soll, sollte in einem ersten Schritt anhand der Ergebnisse der allgemeinen (Vor-)Erhebung von
Unterlagen gemäß ÖNORM 2085 zu einem kontaminierten Standort erfolgen. In
weiterer Folge kann es dem Ansatz einer Triade (siehe Kapitel 5.2.2) folgend,
aber auch zu einem späteren Zeitpunkt (z. B. aufgrund konkreter chemisch-analytischer Untersuchungsergebnisse) zweckmäßig bzw. notwendig werden, ökotoxikologische Untersuchungen durchzuführen. Eine ergänzende Umsetzung
ökologischer Untersuchungen bleibt auf Einzelfälle beschränkt, wenn an einem
kontaminierten Standort eine besondere Berücksichtigung von Naturschutzaspekten notwendig ist (siehe Kapitel 5.2.1.3).
5.2.1.1
Nutzungsklassen
vereinfachen die
Risikobeurteilung
Empfehlungen zur Anwendung einer ökologischen
Risikobeurteilung an kontaminierten Standorten
Kinderspielplatz,
Wohnen,
Landwirtschaft und Gartenbau,
Freizeit und Erholung,
Industrie, Gewerbe und Verkehr.
Als maßgebliche zu schützende Werte im Rahmen der ökologischen Risikobeurteilung werden – neben dem Einzelfall (geschützte Arten oder Habitate) –
insbesondere der Schutz von Systemfunktionen (Bodenfunktionen) und mit die-
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Grundkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich
sen einhergehende Dienstleistungen angesehen. Eine entsprechende konzeptive Ausrichtung steht in guter Übereinstimmung mit aktuellen wissenschaftlichen Diskussionen, aber auch mit österreichischen Gesetzen und Richtlinien
zum Schutz des Bodens und seiner Funktionen.5 So beschreibt die ÖNORM
S 2088-2 (1. Juni 2000) z. B.: „Von Altablagerungen oder Altstandorten kann
eine Gefährdung der Umwelt ausgehen, wenn Schadstoffe die Qualität der
Schutzgüter Wasser (Grundwasser, Oberflächengewässer), Boden und Luft
beeinträchtigen. […] Durch diese Belastungen der Umwelt können Ökosysteme
und damit die Funktionen der Böden und des Untergrundes sowie Pflanzen,
Tiere und Menschen gefährdet werden. Es kann somit zu einer nachteiligen
Beeinflussung der Gesundheit des Menschen und der Leistungsfähigkeit des
Naturhaushaltes kommen. […] Durch die direkten oder indirekten Auswirkungen
von Altablagerungen oder Altstandorten können unter Anderem folgende Funktionen des Bodens gefährdet sein:
•
•
•
•
•
Produktionsfunktion (Nahrung, forstwirtschaftlicher Zuwachs)
Filter- und Pufferfunktion (chemisch-physikalische Qualität des Wasserhaushaltes, Grundwasser)
Transformationsfunktion (Stoffumwandlung durch mikrobiologische Prozesse)
Speicherfunktion (Quantität des Wasserhaushaltes)
Lebensraumfunktion."
Im Zuge dieser Studie wird vor allem den Bodenfunktionen mit direktem Bezug
zu ökologischen Fragestellungen besondere Bedeutung beigemessen. Jene
Bodenfunktionen, die vor allem in Zusammenhang mit dem hydrologischen Kreislauf und dem Wasserhaushalt bei kontaminierten Standorten (möglichen Verunreinigungen des Grundwassers) stehen, werden vorerst nicht eingehender betrachtet. Insbesondere bei der Nutzungsklasse „Industrie, Gewerbe und Verkehr“
können aber auch in größerem Umfang unversiegelte Flächen, die beispielsweise
zur Grundwasserneubildung sowie zur Filterung und zum Rückhalt von Schadstoffen beitragen, vorliegen. Dementsprechend wird daher auch bei der Abschätzung von Sickerwasserbelastungen und der Beurteilung möglicher Auswirkungen auf das Grundwasser ein vereinfachter, integrativer Ansatz unter Einbeziehung geeigneter Biotests zum Screening auf Schadstoffbelastung empfohlen.
Auf dieser Grundlage – Nutzungsklassen und Bodenfunktionen sowie Ökosystem-Dienstleistungen – wurde ein Workshop mit österreichischen ExpertInnen
durchgeführt. Für die einzelnen Nutzungsklassen wurde die Relevanz unterschiedlicher Funktionen und Ökosystem-Dienstleistungen des Bodens bewertet.
Die Ergebnisse sind in Tabelle 5 dargestellt:
5
In der Europäischen Bodencharta von 1972 (EUROPARAT) wird der Boden als eines der wertvollsten Güter der Menschheit bezeichnet, welches prinzipiell in seiner Form und Funktion langfristig erhalten werden soll und damit eines generellen Schutzes bedarf.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
73
Ökologische Risikobeurteilung – Grundkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich
Tabelle 5: Bewertung von Bodenfunktionen in Abhängigkeit von der Nutzung (+++ maßgeblich bis – nicht relevant).
(Quelle: Umweltbundesamt)
Bodenfunktionen
Nutzungsklassen
Kinderspielplatz Wohnen
Industrie,
Gewerbe & Verkehr
Landwirtschaft &
Gartenbau
Nutzung &
Erholung
Habitatfunktion
+
+++
–
+++
+++
Produktionsfunktion
(z. B. Nahrung)
–
+++
–
+++
+
Schadstofffilter- &
Schadstoffabbaufunktion
+
++
+
++
+++
Speicherfunktion (z. B.
Wasser, Nährstoffe, C)
–
+++
–
+++
+++
Aus dieser Tabelle lassen sich folgende Aussagen zusammenfassen:
Nutzungsklasse „Kinderspielplatz“:
•
•
Für diese Nutzungsklasse wurde keine der Bodenfunktionen als „maßgeblich“ (+++) erachtet.
Generell steht bei dieser Nutzung die humantoxikologische Betrachtung im
Vordergrund; im Vergleich zu möglichen humantoxikologischen Risiken ist
die Bedeutung ökologischer Funktionen (und auch der Lebensraumfunktion
im weiteren Sinne, d. h. für Tiere und Pflanzen) bei dieser Nutzung als nachrangig anzusehen. Des Weiteren ist in dieser gesellschaftlich sensiblen Nutzungsklasse eine Toleranz- bzw. Akzeptanzgrenze (im Sinne einer zulässigen Schadstoffkonzentration) nicht argumentierbar. Somit soll in der Nutzungsklasse keine ökologische Risikobeurteilung stattfinden; zur Beurteilung
dieser Standorte sei auf die Prüfwerte der ÖNORM S 2088-2 verwiesen.
Nutzungsklassen „Wohnen“, „Landwirtschaft und Gartenbau“ sowie
„Freizeit und Erholung“:
•
•
•
Für diese drei Nutzungsklassen wurden jeweils drei Bodenfunktionen als besonders wichtig (+++) eingestuft.
Für diese Nutzungen ist jedenfalls die Relevanz der Bodenfunktionen anhand
eines einfachen Flächengrößenkriteriums, z. B. gemäß Kapitel 5.2.1.2 zu
prüfen.
Ist das Flächengrößenkriterium überschritten, wird empfohlen, bereits im
Rahmen der Voruntersuchungen (siehe Kapitel 5.2.3.1) ökotoxikologische
Untersuchungen durchzuführen.
Nutzungsklasse „Industrie, Gewerbe und Verkehr“:
•
•
•
74
Dieser Nutzungsklasse wurden Bodenfunktionen zugewiesen; diese werden
allerdings nicht als maßgeblich (+++) beurteilt.
Die Kriterien zur Flächengröße (siehe Kapitel 5.2.1.2) sind nur dann zu prüfen, wenn am konkreten Standort tatsächlich spezifische ökologische Funktionen oder Serviceleistungen wesentlich sind.
Ist das Flächengrößenkriterium für einen potenziellen Bodenschaden überschritten, wäre im Rahmen der Voruntersuchungen (siehe Kapitel 5.2.3.1) ein
Vergleich der Ergebnisse chemischer Analysen mit ökotoxikologisch abgeleiteten Prüfwerten (gemäß der ersten Beweislinie der Triade) zweckmäßig.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Grundkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich
5.2.1.2
Maßgebliche nutzungsbezogene Flächengrößen
Ableitung der Flächengrößenkriterien
Im Zusammenhang mit den Nutzungsklassen können im regionalen oder auch
nationalen Kontext verschiedene Überlegungen zu marginalen, bzw. umgekehrt
zu erheblichen Flächengrößen angestellt werden. Für eine Ableitung oder Definition von nutzungsbezogenen, maßgeblichen Flächengrößenkriterien (Schwellenwerte – als Durchführungskriterien) können dabei generell folgende vier
Themenkreise diskutiert werden:
•
•
•
•
Kriterien für
maßgebliche
Flächengrößen
Betrachtungen zur Mindestgröße von stabilen bzw. funktionierenden Ökosystemen (siehe Niederlande in Kapitel 4.4.1.1).
Betrachtungen zur Bedeutung von Bodenfunktionen oder ÖkosystemDienstleistungen innerhalb eines bestimmten größeren Gebiets (z. B. regional, national), eines bestimmten Naturraumes (z. B. Voralpenland) oder administrativer Einheiten (z. B. Bezirk, Bundesland) und Bestimmung von Flächengrößen, die im jeweiligen geografischen Gebiet als Schwellenwerte angesehen werden können. Bei deren Unterschreitung kann von einem marginalen (geringfügigen, akzeptablen) Funktionsverlust ausgegangen werden.
Betrachtungen in Zusammenhang mit dem Ziel einer Wiederverwertung und
nachhaltigen Nachnutzung kontaminierter Standorte sowie übergeordneten
umweltpolitischen Zielen (siehe Nachhaltigkeitsstrategie und Umweltqualitätsziele: Reduktion des Flächenverbrauches in Österreich).
Betrachtungen zur Flächennutzung in Österreich und den Anteilen der unterschiedlichen Nutzungsklassen sowie nutzungsbezogenen „üblichen“ Größen
(z. B. der durchschnittliche Garten eines Einfamilienhauses).
Als Grundlage für die Festlegung von nutzungsbezogenen maßgeblichen Flächengrößenkriterien können zwar wissenschaftliche Informationen herangezogen werden. Eine Diskussion aller am Management kontaminierter Standorte
beteiligten Gruppen sowie insbesondere auch von ExpertInnen aus dem Bereich Raumplanung wird jedoch noch notwendig sein. Dementsprechend stellt
Tabelle 6 nur exemplarisch dar, wie sich eine mögliche, zweckmäßige Abstufung von nutzungsbezogenen Schwellenwerten darstellen kann.
Tabelle 6: Schwellenwerte für maßgebliche nutzungsrelevante Flächengrößen. (Quelle:
Umweltbundesamt)
Nutzungsklasse
marginale Flächengröße erhebliche Flächengröße
[m² unversiegelte Fläche]
[m² unversiegelte Fläche]
(„Bodenkontamination“) („potenzieller Bodenschaden“)
Wohnen
50
250
Landwirtschaft & Gartenbau
500
5.000
Freizeit & Erholung
500
5.000
Industrie, Gewerbe &
Verkehr
500
10.000
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
75
Ökologische Risikobeurteilung – Grundkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich
Anwendung der Flächengrößenkriterien
nur unversiegelte
Flächen werden
berücksichtigt
Die in Tabelle 6 dargestellten Schwellenwerte als Auslösekriterien zur Durchführung einer ökologischen Risikobeurteilung beziehen sich jeweils nur auf unversiegelt vorliegende Flächen. Da versiegelte Flächen keine Relevanz bezüglich ökologischer Bodenfunktionen besitzen, werden diese – sofern auch in der
unmittelbar geplanten Nachnutzung keine anderweitige Verwendung dieser Flächen angedacht wird – nicht in die Betrachtung mit einbezogen. Das heißt, an
einem kontaminierten Standort wird nur dann eine ökologische Risikobeurteilung durchgeführt, wenn die Flächengröße der unversiegelten Fläche eines der
Kriterien erfüllt (siehe Beurteilung der Flächengrößenkriterien).
Ausschlusskriterien
für eine ökol.
Risikobeurteilung
Der Einsatz von Flächengrößenkriterien soll in erster Linie dazu dienen, Standorte, die aufgrund ihrer geringen Fläche keinen wesentlichen Beitrag zu einer
umfassenden und räumlich integrierten Betrachtung aller ökologischer Funktionen und Serviceleistungen liefern, bereits vorab von der Durchführung einer
ökologischen Risikobeurteilung auszunehmen. Dieses gilt prinzipiell für Standorte, die sich unterhalb der marginalen Flächengröße befinden sowie für Standorte ohne erhöhte ökologische Relevanz unterhalb der erheblichen Flächengröße (siehe Beurteilung der Flächengrößenkriterien).
Beurteilung der Flächengrößenkriterien
Überschreitung der erheblichen Größe
Schwellenwerte
zur Flächengröße
Im Sinne eines Schwellenwertes für die Notwendigkeit zur Durchführung einer
ökologischen Risikobeurteilung löst eine Überschreitung der nutzungsspezifisch
„erheblichen“ Flächengröße in jedem Fall weitere Untersuchungen im Sinn von
einer (chemische Untersuchungen in der Nutzung Industrie, Gewerbe und Verkehr) bzw. von zwei Beweislinien (chemische Untersuchungen plus Bioassays
in den Nutzungen Wohnen, Landwirtschaft und Gartenbau sowie Freizeit und
Erholung) der Triade aus (siehe Kapitel 5.2.3).
Flächengröße zwischen marginal und erheblich
Liegt die Flächengröße innerhalb dieses Zwischenbereichs, so ist standortspezifisch zu entscheiden, ob eine ökologische Risikobeurteilung durchzuführen ist.
Hierdurch wird eine entsprechende Flexibilität zur Berücksichtigung standortspezifischer Betrachtungen im lokalen Kontext zugelassen. Weist z. B. eine unversiegelte Fläche in bebautem Gebiet, deren Größe sich zwischen der marginalen und erheblichen Größe einreiht, eine wichtige Produktionsfunktion oder
besonderen Erholungswert auf, so kann eine ökologische Risikobeurteilung erforderlich sein.
Unterschreitung der marginalen Größe
Liegt die Flächengröße unterhalb des marginalen Schwellenwerts, wird eine etwaige gesamtökologische Funktionseinschränkung oder ein Funktionsverlust
generell als unerheblich beurteilt. Eine ökologische Risikobeurteilung ist in diesem Fall nicht notwendig.
76
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Grundkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich
5.2.1.3
Berücksichtigung von Aspekten des Arten- und Naturschutzes
Befindet sich eine kontaminierte Fläche bekannterweise im Bereich oder der
Umgebung besonders geschützter Werte, kann es im Einzelfall notwendig sein,
eine umfassende ökologische Zustands- und Risikobeurteilung durchzuführen.
besonders
geschützte
ökologische Werte
Zu diesen besonders geschützten ökologischen Werten können zählen:
•
•
•
•
Gesetzlich unter Schutz gestellte Arten sowie Lebensräume (z. B. geschützte
Arten laut den Naturschutzgesetzen der Länder, Naturschutzgebiete, Nationalparks, Biosphärenreservate, Landschaftsschutzgebiete, Naturparks etc.),
Arten auf der Roten Liste6 (z. B. gefährdete Arten, vom Aussterben bedrohte
Arten etc.),
Biotope auf der Roten Liste7,
lokal bedeutsame Arten oder sensitive Habitate.
Zumeist handelt es sich dabei um Sonderfälle. Daher können keine Routineszenarien definiert werden, d. h. eine Bearbeitung wird über das vorgeschlagene
Konzept für eine ökologische Risikobeurteilung (siehe Kapitel 5.2.3) hinausgehen und sollte insbesondere immer in Zusammenarbeit mit zuständigen (Naturschutz-)Behörden durchgeführt werden.
5.2.2
Die drei Beweislinien der Triade
Die Kombination von chemischen Messungen (erste Beweislinie der Triade –
Chemie), Bioassays (zweite Beweislinie – Toxikologie) und weiterführenden
ökologischen Zusatzuntersuchungen (dritte Beweislinie – Ökologie) hat den
Vorteil, umfassende Untersuchungsergebnisse zur Beurteilung des Bodenzustandes an kontaminierten Standorten sowie zu möglichen Störungen der
Strukturen oder von Prozessen in Ökosystemen zu liefern.
umfassende
Erhebung des
Bodenzustands
Im Rahmen der Umsetzung einer ökologischen Risikobeurteilung in Österreich
wird grundsätzlich die Anlehnung an die Triade empfohlen, wobei die diese mit
der herkömmlichen chemischen Analytik beginnt, nach Zweckmäßigkeit um toxikologische Untersuchungen erweitert wird und zuletzt durch Untersuchungen
zur Ökologie ergänzt werden kann (siehe Kapitel 5.2.2.4). Bezüglich ihrer inhaltlichen Umsetzung in den einzelnen Stufen der Risikobeurteilung siehe Kapitel
5.2.3.
6
Die Rote Liste für Arten enthält eine umfassende Auflistung aller geschützten, gefährdeten, vom
Aussterben bedrohten (etc.) Arten und soll dazu dienen, alle vorhandenen lokalen Gesetze (z. B.
Naturschutzgesetze der Länder, Jagd- und Fischereigesetze und auch Ergebnisse von Studien –
z. B. Publikationen in Lokalmagazinen) übersichtlich darzustellen und der Bevölkerung zugänglich
zu machen. Informationen können über das „Österreichische Artenschutzinformationssystem“
(OASIS) unter www.umweltbundesamt.at/oasis abgerufen werden.
7
Die Rote Liste für Biotoptypen enthält eine Auflistung aller gefährdeten Lebensräume in Österreich. Informationen können unter
www.umweltbundesamt.at/umweltschutz/naturschutz/lebensraumschutz/rl_biotoptypen
abgerufen werden.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
77
Ökologische Risikobeurteilung – Grundkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich
Risikobeurteilungsprozess – Triade mit sich ergänzenden
Beweislinien
1. Chemie
ReferenzReferenzdaten
daten
2. Toxikologie
StandortStandortdaten
daten
3. Ökologie
Quelle: Umweltbundesamt
Abbildung 11: Triade mit sich ergänzenden Beweislinien im Risikobeurteilungsprozess.
vollständige Triade
nur in Sonderfällen
Eine routinemäßige Anwendung der vollständigen Triade als initiale ökologische
Untersuchungsmethode ist auszuschließen. Die vollständige Umsetzung des
Konzeptes der Triade bleibt ausschließlich auf Sonderfälle beschränkt, bei denen z. B. besondere Aspekte des Naturschutzes (siehe Kapitel 5.2.1.3) zu berücksichtigen sind.
Bezüglich einer einfachen Kombination (i) eines Vergleiches chemischer Schadstoffkonzentrationen mit ökotoxikologischen Prüfwerten (erste Beweislinie) und
(ii) einfacher Bioassays zur Überprüfung der Toxizität einer Bodenprobe (zweite
Beweislinie) wird empfohlen, nutzungsspezifisch zu prüfen, ob beide Linien bereits zum Zeitpunkt der Voruntersuchung (siehe Kapitel 5.2.3.1) von kontaminierten Standorten auf Basis der Durchführungskriterien (siehe Kapitel 5.2) einzusetzen sind. Bioassays als Ergänzung zu chemischen Untersuchungen bieten hierbei den großen Vorteil, dass festgestellte negative ökotoxikologische
Auswirkungen „wirkungsbezogene“ Messgrößen sind. Diese ergänzen die Ergebnisse des Vergleichs chemischer Konzentrationen mit ökotoxikologischen
Prüfwerten sinnvoll oder überprüfen z. B. auch negative chemische Befunde
(z. B. bei Auftreten von Co-Kontaminanten, die chemisch-analytisch nicht bestimmt wurden). daher liegen in der Kombination im Sinne von Beweislinien belastbarere und aussagekräftigere Informationen vor, durch die Schlussfolgerungen hinsichtlich möglicher Umweltwirkungen bei kontaminierten Standorten
treffsicherer werden.
5.2.2.1
Nachteile der
chemischen Analyse
78
Erste Beweislinie der Triade (chemische Analysen vs. Prüfwerte)
Der Vergleich chemischer Messwerte mit ökotoxikologisch abgeleiteten Prüfwerten ist im internationalen Kontext (siehe z. B. Niederlande) ein etabliertes
und für eine erste Beurteilung eines potenziellen ökologischen Risikos plausibles Vorgehen. Zu berücksichtigen ist dabei aber immer auch die Tatsache, dass
die allgemein übliche chemische Analytik keine umfassende Bestimmung von
Schadstoffen umfasst, sondern jeweils nur ein eingeschränkter Parameterum-
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Grundkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich
fang untersucht wird. Gleichzeitig lässt die chemische Analytik keine wirkungsbezogenen Aussagen zu – insbesondere bei einem komplexen Schadstoffmix
und möglichen synergistischen (oder antagonistischen) Effekten.
Dennoch wird eine Verwendung von ökotoxikologisch abgeleiteten Prüfwerten
im Rahmen der ersten Stufen einer ökologischen Risikobeurteilung in Österreich aufgrund ihrer Einfachheit sowie Praktikabilität als zweckmäßig betrachtet
und mittel- bis langfristig empfohlen (siehe Kapitel 6.1.1).
5.2.2.2
Zweite Beweislinie der Triade (Bioassays/Testbatterien)
Die Verwendung von Bioassays in der ökologischen Risikobeurteilung liefert einen wesentlichen Beitrag zur Charakterisierung der ökotoxikologischen Situation bzw. einer möglichen Beeinträchtigung ökologischer Prozesse an einem
kontaminierten Standort. Mehrere standardisierte Testprotokolle sowohl für terrestrische als auch für aquatische Bioassays stehen zur Beurteilung von kontaminierten Bodenproben zur Verfügung und sind im weiteren Sinn auch zur
ökotoxikologischen Beurteilung eines kontaminierten Standortes einsetzbar
(siehe Tabelle 3). Diese Tests decken unterschiedliche funktionelle und taxonomische Gruppen ab und ermöglichen Aussagen sowohl zur akuten als auch
zur chronischen Toxizität. In aktuellen Publikationen verschiedener Länder (z. B.
Deutschland) zeigt sich, dass vor allem eine intelligente Kombination mehrerer
Bioassays in Form von Testbatterien umfassendere Aussagen über die Auswirkungen von Schadstoffen oder Schadstoffgemischen auf ein bestimmtes Ökosystem, bzw. zumindest auf ausgewählte Bodenfunktionen (und ÖkosystemDienstleistungen), ermöglichen.
Testbatterien
ermöglichen
fundierte Aussagen
Prinzipiell sollten Bioassays im österreichischen Ansatz der ökologischen Risikobeurteilung für zwei grundsätzlich unterschiedliche Fragestellungen zum Einsatz kommen:
1. Als sogenannte Screening-Tests zur Untersuchung der Toxizität einer Bodenprobe; wobei ein oder auch mehrere einfach durchzuführende sensitive
Bioassays ausgewählt werden sollen. Diese sollen Hinweise auf standortspezifische Schadstoffbelastungen (z. B. Auftreten von unbekannten oder
nicht untersuchten Schadstoffen, Wirkungen von Schadstoffgemischen,
Schadstoff-Verfügbarkeit) geben.
2. Als Zusammenstellung mehrerer Bioassays in Form einer Testbatterie zur
konkreten Beurteilung der zu schützenden ökologischen Funktionen oder
Serviceleistungen in den einzelnen Nutzungsklassen (siehe Kapitel 5.2.1.1).
Anhand der Ergebnisse der jeweiligen Testbatterie soll ein Rückschluss auf
die tatsächlich am Standort vorhandene ökologische Beeinträchtigung ermöglicht werden.
5.2.2.3
Genotoxizitätstests
Die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen und die Diskussionen in
verschiedenen Ländern (siehe Kapitel 3.2.7) lassen darauf schließen, dass
Genotoxizitätstests (= Mutagenitätstests) in erster Linie humantoxikologische
Relevanz besitzen und somit für eine ökologische Risikobeurteilung keine relevanten Informationen liefern. Der für eine ökologische Risikobeurteilung (im
weiteren Sinn) in Österreich vorgestellte Ansatz sieht konzeptiv den Schutz von
ökologischen Werten, d. h. ausgewählten Bodenfunktionen und Ökosystem-
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
vorwiegend humantoxikologische
Relevanz
79
Ökologische Risikobeurteilung – Grundkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich
Dienstleistungen, im Mittelpunkt. Da dazu kein unmittelbarer Rückschluss aus
Testergebnissen von Genotoxizitätstests möglich ist, wird der Einsatz dieser
Tests in Österreich nicht empfohlen. Darüber hinaus werden genotoxische (mutagene) Wirkungen von Schadstoffen bei der Durchführung von entsprechend
lang andauernden chronischen Tests (z. B. Tests über mehrere Generationen)
miterfasst.
5.2.2.4
aktives und
passives Monitoring
Anwendung nur in
Sonderfällen
Zusätzlich zu den bereits vorhandenen Ergebnissen aus der ersten und zweiten
Beweislinie können in einer dritten Linie ökologische Freilandstudien wie z. B.
die Untersuchung von Abundanz- oder Strukturveränderungen innerhalb der am
Standort vorkommenden Spezies zum Einsatz kommen. Des Weiteren könnten
beispielhaft Nahrungsnetze modelliert oder bei einem Verdacht auf Bioakkumulation von Schadstoffen die Entnahme von Gewebeproben diverser Organismen
durchgeführt werden. Die Untersuchung und Beobachtung von am Standort lebenden Arten (passives Biomonitoring) und das Aussetzen und Beobachten
von geeigneten Indikatororganismen am kontaminierten Standort (aktives Biomonitoring) stellen weitere Möglichkeiten zur standortspezifischen Erfassung
des ökologischen Zustandes dar.
Die Umsetzung der dritten Beweislinie wird im Rahmen eines Standardkonzeptes für eine abgestufte ökologische Risikobeurteilung nicht empfohlen. Ihre mögliche Umsetzung sollte, unter Hinzuziehung maßgeblicher Naturschutzbehörden,
immer dann geprüft werden, wenn besondere ökologische Werte gemäß Kapitel
5.2.1.3 vorliegen.
5.2.3
Schutz ökologischer
Werte
Dritte Beweisline der Triade (ökologische Untersuchungen)
Ablauf einer abgestuften ökologischen Risikobeurteilung
Eine ökologische Risikobeurteilung in Österreich sollte insbesondere auf den
Schutz ökologischer Werte (diese umfassen unter anderem ausgewählte Bodenfunktionen und Ökosystem-Dienstleistungen) ausgelegt werden.
Als Ablauf einer integrierten Untersuchung und ökologischen Risikobeurteilung
wird ein abgestuftes Vorgehen, welches nach jeder Stufe die erneute Prüfung
der Aus- oder Weiterführung von Maßnahmen vorsieht, vorgeschlagen. Als zielführend wird ein generell in drei Phasen (Prüfung der Durchführungskriterien,
Voruntersuchungen, Detailuntersuchungen) geteiltes Vorgehen vorgeschlagen
(siehe Abbildung 12).
Für die stufenweise Umsetzung der Untersuchungs- und Beurteilungsschritte
wird die nutzungsspezifisch abgestufte Anwendung der Triade empfohlen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch die allgemein übliche chemische
Analytik keine umfassende Bestimmung von Schadstoffen erbringt und keine
wirkungsbezogenen Aussagen ermöglicht (siehe Kapitel 5.2.2.1), wird eine Modifizierung der möglichen Kombination von Untersuchungen innerhalb der einzelnen Untersuchungsschritte mit Bezug zu den Nutzungsklassen und maßgeblichen Bodenfunktionen vorgeschlagen bzw. empfohlen.
2 Beweislinien
genügen meist
80
Ein Standardkonzept für eine abgestufte ökologische Risikobeurteilung kann
sich dabei weitgehend auf die ersten zwei Beweislinien der Triade beschränken.
Allgemein wäre dabei die Umsetzung einer im weiteren Sinne ökologischen Ri-
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Grundkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich
sikobeurteilung an kontaminierten Standorten, d. h. der Vergleich chemischer
Schadstoffkonzentrationen mit ökotoxikologischen Prüfwerten und Bioassays
als Toxizitäts-Screening sowie Bioassays in Form von Testbatterien vorgesehen.
Abbildung 12 stellt die Integration der Durchführungskriterien (Zuordnung zu
Nutzungsklassen und Anwendung der Flächengrößenkriterien) sowie den Einsatz der Triade innerhalb der einzelnen Stufen der Risikobeurteilung in Österreich dar. Es werden die jeweiligen Kriterien bzw. die einzelnen Beweislinien
untereinander verglichen und bewertet. Danach erfolgt die Entscheidung für die
weitere Vorgehensweise. Werden bestimmte Kriterien erfüllt (und kann somit
das Vorliegen eines ökologischen Risikos ausgeschlossen werden), kann der
Beurteilungsprozess in jeder Phase beendet werden.
Quelle: Umweltbundesamt
Abbildung 12: Möglicher Ablauf einer abgestuften ökologischen Risikobeurteilung für
kontaminierte Standorte in Österreich.
(Treten konkrete Hinweisen auf ein ökologisches Risiko während der Voroder Detailuntersuchungen auf, können auch diese zu einer
nachträglichen Auslösung einer ökologischen Risikobeurteilung führen).
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
81
Ökologische Risikobeurteilung – Grundkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich
5.2.3.1
Prüfung der Durchführungskriterien
Bevor mit der eigentlichen ökologischen Risikobeurteilung begonnen wird, ist
festzustellen, ob bei einem Standort eine solche überhaupt zweckmäßig ist.
Dies erfolgt einerseits über die Zuordnung des kontaminierten Standorts zu einer bestimmten Nutzung (und somit der Überprüfung des Vorhandenseins
maßgeblicher Bodenfunktionen oder Ökosystem-Serviceleistungen – siehe Kapitel 5.2.1.1) und andererseits über das Überprüfen der Flächengrößenkriterien
(siehe Kapitel 5.2.1.2). Des Weiteren soll erfasst werden, ob der Standort einer
bekannten Arten- oder Naturschutzwidmung unterliegt (siehe Kapitel 5.2.1.3).
5.2.3.2
Voruntersuchungen
Durchführung ergänzender ökotoxikologischer Untersuchungen
In den Nutzungsklassen „Wohnen“, „Landwirtschaft und Gartenbau“ sowie „Freizeit und Erholung“ sollen bereits im Zuge der ersten Untersuchungen (Voruntersuchung), in Ergänzung zum Vergleich chemischer Schadstoffkonzentrationen mit ökotoxikologischen Prüfwerten, für Routineuntersuchungen geeignete
Toxizitätsscreening-Tests zum Einsatz kommen.
Ökotoxikologische Beurteilung der Ergebnisse von Voruntersuchungen
Die Beurteilung der Ergebnisse von Voruntersuchungen in Hinblick auf ökotoxikologische Fragestellungen erfolgt je nach Nutzungsklasse nach einer oder
zwei Beweislinien des Triade-Konzeptes. Bei kontaminierten Standorten, an
denen die Nutzungsklasse „Industrie, Gewerbe und Verkehr“ vorliegt, beschränkt
sich diese Beurteilung auf einen Vergleich der ermittelten chemischen Schadstoffkonzentrationen mit ökotoxikologisch begründeten Prüfwerten. Bei den übrigen drei Nutzungsklassen sind zusätzlich die Ergebnisse des mit Bioassays
durchgeführten Toxizitätsscreenings zu beurteilen.
5.2.3.3
Detailuntersuchungen
Überprüfung der Bodengesundheit
Im Rahmen der Detailuntersuchung an kontaminierten Standorten sollten im
Allgemeinen die Grundlagen für eine ökologische Risikobeurteilung im weiteren
Sinne geschaffen werden. Dabei kann die Überprüfung der Bodengesundheit
durch entsprechende toxikologische Untersuchungen im Vordergrund stehen.
Bei kontaminierten Standorten, die der Nutzungsklasse „Industrie, Gewerbe und
Verkehr“ entsprechen, wäre im Sinne der Umsetzung des Konzeptes der Triade
eine zweite Beweislinie über Toxizitätsscreening-Tests zu führen.
Bei den Nutzungsklassen „Wohnen“, „Landwirtschaft und Gartenbau“ sowie
„Freizeit und Erholung“ erfolgt eine standortbezogene Überprüfung der Bodengesundheit, bei der Bioassays in Form von Testbatterien (siehe Kapitel 3.2.6)
eingesetzt werden. Diese sind je nach zu schützenden ökologischen Werten
(Assessment Endpoint bzw. Beurteilungsebene/-ziel; siehe Kapitel 3.1.1) für eine definierte Nutzungsklasse zusammenzustellen.
82
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Grundkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich
Beurteilung der Bodengesundheit und nutzungsspezifischer
Bodenschäden
Die Beurteilung der Ergebnisse nach dem zweiten Untersuchungsschritt im
Rahmen von Voruntersuchungen in Hinblick auf toxikologische Fragestellungen
erfolgt bei allen Nutzungsklassen über zwei Beweislinien des Triade-Konzeptes.
Bei kontaminierten Standorten, an denen die Nutzungsklasse „Industrie, Gewerbe und Verkehr“ vorliegt, ergibt sich eine integrierte Beurteilung des nutzungsspezifischen Bodenschadens aus dem Vergleich der ermittelten chemischen Schadstoffkonzentrationen mit ökotoxikologisch begründeten Prüfwerten
sowie aus den Ergebnissen des ergänzend durchgeführten Toxizitätsscreenings, welche im Vergleich mit Richtwerten in Hinblick auf eine signifikante Beeinflussung der Testorganismen zu beurteilen sind. Damit fließen neben den
Ergebnissen der chemischen Messungen auch tatsächlich gemessene „wirkungsbezogene“ Ergebnisse aus den jeweils durchgeführten Bioassays mit in
die Beurteilung ein.
Bei den Nutzungsklassen „Wohnen“, „Landwirtschaft und Gartenbau“ sowie
„Freizeit und Erholung“ stehen umfassende Ergebnisse von Testbatterien zur
Verfügung.
Ermittlung des ökologischen Gesamtrisikos bei der Detailuntersuchung
In Einzelfällen kann unter spezifischen Voraussetzungen (z. B. Berücksichtigung von Naturschutzaspekten) eine vollständige Umsetzung des Triade-Konzeptes zweckmäßig sein, bei der als dritte Beweislinie auch ökologische Untersuchungen durchgeführt werden.
In entsprechenden Sonderfällen sollten im Allgemeinen bereits bei der Planung
von Detailuntersuchungen ÖkologInnen beigezogen werden.
Beurteilung des ökologischen Gesamtrisikos
Zur Beurteilung des am Standort vorliegenden ökologischen Gesamtrisikos liegen neben weit reichenden chemischen Untersuchungen und Ergebnissen aus
Bioassays bzw. Testbatterien vielfältige und je nach ökologischer Fragestellung
unterschiedliche Ergebnisse vor, welche ausschließlich in der engen Zusammenarbeit mit ÖkologInnen zu interpretieren und zu bewerten sind.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
83
Ökologische Risikobeurteilung – Empfehlungen
6
Konzept und
Validierung
EMPFEHLUNGEN
Zur praktischen Umsetzung des aufgezeigten Konzeptes zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich wäre es notwendig, eine Handlungsempfehlung zu
konzipieren (siehe Kapitel 6.1) und diese anhand einer praktischen Erprobung
an Demonstrationsstandorten zu validieren (siehe Kapitel 6.2). Eine derartige
Handlungsempfehlung sowie auch die Ergebnisse von Demonstrationsstandorten sollten dabei auch begleitend im Rahmen eines ExpertInnenkreises diskutiert werden.
6.1
Erstellung einer Handlungsempfehlung
Es wird vorgeschlagen, die Handlungsempfehlung zur Durchführung einer ökologischen Risikobeurteilung in Österreich auf die ersten zwei Beweislinien der
Triade (Prüfwerte für ökotoxikologisch relevante Schadstoffkonzentrationen und
Bioassays bzw. Testbatterien) zu beschränken. Hierzu wären die in den folgenden Abschnitten beschriebenen Kriterien zu erarbeiten und zu definieren. Durch
die vorgeschlagene praktische Erprobung an Modellstandorten würden erste
Erfahrungen gewonnen, sodass eine Veröffentlichung der Handlungsempfehlung in Form einer Arbeitshilfe erfolgen könnte.
6.1.1
Ökotoxikologisch abgeleitete Prüfwerte
Der Vergleich konkreter Messwerte von Bodenproben an kontaminierten Standorten mit ökotoxikologisch abgeleiteten Prüfwerten (erste Beweislinie der Triade – siehe Kapitel 5.2.2.1) kann grundsätzlich für alle Nutzungsklassen vorgesehen werden. Dieser Vergleich liefert eine erste Information über eine – durch
bestimmte Schadstoffe ausgelöste – mögliche Beeinflussung von ökologischen
Prozessen am Standort. Dieser in einzelnen Ländern bereits praktizierte Ansatz
wurde auch von österreichischen ExpertInnen als möglicher zweckmäßiger erster Beurteilungsschritt erachtet.
Daraus ergibt sich für die Erarbeitung der Handlungsempfehlung die Notwendigkeit zur Zusammenstellung von ökotoxikologisch abgeleiteten Prüfwerten für
die häufigsten im Altlastenbereich vorkommenden Schadstoffe oder Schadstoffgruppen. Diese ökotoxikologischen Prüfwerte sollten so konzipiert werden,
dass bei ihrer Unterschreitung mit hoher Sicherheit keine mehr als geringfügigen negativen Auswirkungen auf Testorganismen auftreten und somit kein Risiko für das betrachtete Ökosystem zu erwarten ist. Werden diese ökotoxikologischen Prüfwerte überschritten, ist zu entscheiden, ob entweder die Weiterführung der ökotoxikologischen Risikobeurteilung erfolgt oder Maßnahmen gesetzt
werden (handlungsauslösende Prüfwerte).
Zur Festlegung ökotoxikologischer Prüfwerte im Rahmen einer österreichischen
Handlungsempfehlung wird des Weiteren empfohlen, internationale Kriterienkataloge auf eine mögliche Eignung der Übernahme der angeführten Werte zu
prüfen. Nach einer entsprechenden mehrjährigen Anwendung zur Beurteilung
von kontaminierten Standorten könnten dann entsprechende Prüfwerte mittelbis langfristig auch in eine ÖNORM übernommen werden.
84
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Empfehlungen
6.1.2
Auswahl von Bioassays für Screening-Tests
Screening-Tests (als Teil der zweiten Beweislinie der Triade – siehe Kapitel
5.2.2.2) sollten in der österreichischen Vorgehensweise zur ökologischen Risikobeurteilung bereits in der Voruntersuchungsphase zum Einsatz kommen
(siehe Kapitel 5.2.3.2).
Um diese Tests zukünftig routinemäßig bereits in der Anfangsphase der Beurteilung einzusetzen, ist es notwendig, dass in einer Handlungsempfehlung für
ausgewählte Nutzungsklassen zweckmäßige Screening-Tests angegeben werden. Diese sollten einerseits eindeutige und leicht zu interpretierende Ergebnisse liefern, andererseits aber auch sensibel auf möglichst viele Schadstoffe reagieren, um sicherzugehen, dass bei der chemischen Analytik keine toxischen
Stoffe bzw. Auswirkungen übersehen wurden. Des Weiteren sollten in der
Handlungsempfehlung geeignete Interpretationshilfen sowohl für den Einzeltest
als auch für Tests in Kombination angeführt werden.
6.1.3
Zusammenstellung geeigneter Testbatterien
Um umfassende Aussagen über die ökologische Situation am Standort tätigen
zu können ist es notwendig, mehrere geeignete Bioassays in Form von funktionsspezifischen Testbatterien zusammenzustellen. Diese Testbatterien (zweite
Beweislinie der Triade – siehe Kapitel 5.2.2.2) sollten im Rahmen der Handlungsempfehlung für ihren Einsatz in der Phase der Detailuntersuchung (siehe
Kapitel 5.2.3.3) zumindest für die Lebensraum- und die Produktionsfunktion zusammengestellt und ausgearbeitet werden. Da im Gegensatz zu ScreeningTests bei Testbatterien die Ermittlung der Gefährdung eines bestimmten ökologischen Werts im Vordergrund steht, ist bei der Zusammenstellung mehrerer
Bioassays in Form einer Testbatterie darauf zu achten, dass durch möglichst
unterschiedliche Tests (in Hinblick auf Auswahl verschiedener taxonomischer und
funktioneller Organismengruppen, unterschiedlicher Überlebensstrategien und
repräsentativer Expositionspfade) die Beurteilung der zu schützenden Funktion
oder Serviceleistung ermöglicht wird. Insbesondere sind auch die Interpretationshilfen der einzelnen funktionsspezifischen Testbatterien essenzieller Bestandteil der konzeptiven Handlungsempfehlung.
6.1.4
Auswahl der Tests
Auswahl
aussagekräftiger
Tests
Entwicklung eines Beurteilungsschemas
Für den Vergleich chemisch ermittelter Schadstoffkonzentrationen mit ökotoxikologischen Prüfwerten gilt, dass bei Überschreitung dieser Werte jedenfalls
weitere Untersuchungen oder Maßnahmen durchzuführen sind.
Die Ergebnisse der einzelnen für ein Toxizitäts-Screening verwendeten Tests
müssen in Hinblick auf ihre Aussagekraft beurteilt werden. Das könnte beispielsweise über die in Prozent gemessene Wirkung aller Tests erfolgen; d. h.
wenn z. B. bei 50 % der durchgeführten Tests 50 % der untersuchten Organismen eine Wirkung (Mortalität, Wachstumshemmung etc.) zeigen8, dann kann
8
Aussagekraft der
verwendeten Tests
Welche Kriterien (%-Wirkung) zur Beurteilung herangezogen werden, ist nach Festlegung und
Prüfung der Tests in der finalen Handlungsempfehlung festzulegen.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
85
Ökologische Risikobeurteilung – Empfehlungen
nachweislich von einer toxischen Wirkung der Bodenprobe gesprochen werden
und es müssen detailliertere Untersuchungen (oder Maßnahmen) durchgeführt
werden.
Das Ergebnis der Untersuchung einer Testbatterie (und somit die potenzielle
Gefährdung einer ökologischen Funktion oder Dienstleistung) könnte – wie
auch schon die Ergebnisse der Screening-Tests – ebenfalls über die Integration
der in Prozent gemessenen Wirkungen der Einzeltests in ein Gesamtschema
beurteilt werden.9
Gesamtbeurteilung
Um die Ergebnisse der einzelnen Beweislinien in ein Gesamt-Beurteilungsschema zu integrieren, ist es notwendig, die Einzelergebnisse auf Plausibilität
und Aussagekraft zu überprüfen. Dies könnte zum Beispiel in Form einer Beweisgewichtung (siehe Kapitel 4.4.2.2) erfolgen. Nach der Prüfung aller Ergebnisse und Durchführung einer Beweisgewichtung sollte in den allermeisten Fällen eine umfassende Beurteilung von ökologischen Funktionen und Serviceleistungen möglich sein.
Bei Unklarheiten sollte in Einzelfällen außerdem die Möglichkeit bestehen, auch
ökologische Felduntersuchungen (dritte Beweislinie der Triade – siehe Kapitel
5.2.2.4) – durchzuführen. Diese Untersuchungen sind allerdings nicht Teil des
für Österreich vorgeschlagenen Standardkonzepts und müssen in jedem Fall
unter Beteiligung von ÖkologInnen durchgeführt werden.
6.2
Eignungskriterien
der ausgewählten
Tests
Praktische Erprobung an Demonstrationsstandorten
Bereits im Rahmen der Erarbeitung der konzeptiven Handlungsempfehlung sollte die praktische Eignung der ausgewählten Tests überprüft werden. Hauptaugenmerk sollte dabei auf der Aussagekraft des Tests liegen – d. h. ob mit Hilfe
der Testergebnisse tatsächlich auf die Toxizität eines Bodens bzw. auf die Gefährdung eines ökologischen Wertes geschlossen werden kann. Des Weiteren
muss auch die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse gezeigt werden, da diese
die Grundlage jeder naturwissenschaftlichen Arbeit ist und in weiterer Folge
auch die Ableitung von belastbaren Aussagen über den ökologischen Zustand
des untersuchten Standortes ermöglicht. Nicht zuletzt sollte auch die praktische
Handhabbarkeit von Test und Testbatterien ermittelt werden, um diese routinemäßig im Zuge einer ökologischen Risikobeurteilung an kontaminierten
Standorten einsetzen zu können. Sind alle ökologisch relevanten Kriterien eines
Tests erfüllt und ist der Test mit passablem Aufwand und Kosten durchzuführen, sollte dieser als geeignet eingestuft werden. Danach kann dieser Test in
eine Testbatterie zur Beurteilung der Gefährdung einer ökologischen Funktion
oder Serviceleistung aufgenommen werden.
9
Möglichkeiten zur Bewertung der Ergebnisse von Testbatterien (für Rückhalte- und Habitatfunktion) sind zum Beispiel in den ERNTE-Handlungsempfehlungen (RÖMBKE et al. 2006) und in
der ISO-Norm 17616 (2008) beschrieben. Für den österreichischen Ansatz passende Kriterien
(d. h. bezogen auf alle zu schützenden ökologischen Funktionen oder Dienstleistungen) sind nach
Auswahl der Tests im Rahmen der Handlungsanweisung abzuleiten.
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Ökologische Risikobeurteilung – Empfehlungen
Nach erfolgter Recherche, der Überprüfung der Eignung der Tests sowie der
Entwicklung des Beurteilungsschemas, sollte unbedingt auch die praktische Erprobung des Gesamtkonzepts (Handlungsempfehlung) an ausgewählten Standorten erfolgen (Demonstrationsstandorte). Dabei wird empfohlen, für ein österreichisches Standardkonzept zur ökologischen Risikobeurteilung die definierten
Durchführungskriterien (siehe auch Kapitel 5.2.1) sowie die ersten zwei Beweislinien der Triade (siehe Kapitel 5.2.2.1 und Kapitel 5.2.2.2) nutzungsabhängig
(also für definierte Nutzungsklassen), funktionsspezifisch und in einer abgestuften Vorgangsweise anzuwenden.
Überprüfung im
Feldversuch
Nach der Überprüfung im Feld sollte die konzeptive Handlungsempfehlung
adaptiert und verbessert werden. Diese Überarbeitung sowie eine Abwägung
von Aufwand, Kosten und Nutzen wären anschließend im erweiterten ExpertInnenkreis zu diskutieren, damit über die weitere Vorgehensweise sowie eine mögliche Routineanwendung ökologischer Risikobeurteilungen an kontaminierten Standorten entschieden werden kann.
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
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Ökologische Risikobeurteilung – Literaturverzeichnis
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Ökologische Risikobeurteilung – Glossar
8
GLOSSAR
Die in diesem Glossar aufgelisteten Fachtermini sind derart definiert, wie sie im
Zusammenhang dieser Studie bzw. dieses Berichtes verstanden und verwendet
wurden.
Abgestufte Vorgangsweise – die Erkundung, Beurteilung und Sanierung von Altablagerungen und Altstandorten wird allgemein als iterativer Prozess beschrieben
(siehe z. B. ÖNORM S 2085 – Sanierungszielstudie). Ein zweckmäßiger Verfahrensablauf und die Anzahl der Erkundungs- und Beurteilungsschleifen sind am
konkreten kontaminierten Standort im Einzelfall Schritt für Schritt festzulegen.
Dabei ist besonders zu berücksichtigen, mit welchem Zeit- und Kostenaufwand
welches Ziel erreicht werden soll bzw. kann.
Akute Exposition – kurze Expositionsdauer (häufig Messung der Mortalität)
Beurteilungsebene/-ziel – auch: Assessment Endpoint; Beschreibung jener Güter oder
Werte (→ ökologische Werte oder auch → Rezeptoren), deren dauerhafte Schädigung im Sinne einer Risikobeurteilung geprüft werden soll
Bioakkumulation – Anreicherung eines Schadstoffs im Gewebe eines Organismus
Bioassay – biologische Testmethode zur Ermittlung der Toxizität eines kontaminierten
Umweltmediums (z. B. Boden- oder Wasserprobe)
Biodiversität – auch: biologische Vielfalt; bezeichnet die Variabilität unter allen lebenden Organismen und beinhaltet sowohl genetische Vielfalt, Artenvielfalt, die Vielfalt an Ökosystemen als auch die Vielfalt von Funktionen und Prozessen in Ökosystemen
Bioindikatoren → Zeigerarten
Biomonitoring – Verwendung von Pflanzen und Tieren am Standort zur Bestimmung
der Umweltqualität (Messung physiologischer Zustände, Messung von Schadstoffgehalten, Untersuchungen des Bestandes und von Populationsveränderungen, etc.)
aktives Biomonitoring – Einbringen von Organismen am Standort
passives Biomonitoring – Betrachtung ortsansässiger Organismen
Bioverfügbarkeit – der Anteil an der Gesamtschadstoffmenge im Boden, der mit Organismen in Interaktion treten kann
Biozönose – Lebensgemeinschaft
Bodenfunktionen – Eigenschaften des Bodens, die für den Menschen bzw. die Natur
von Nutzen sind: Lebensraumfunktion, Produktionsfunktion, Filter- und Pufferfunktion, Transformationsfunktion, Speicherfunktion (laut ÖNORM S 2088-2)
Chronische Exposition – lange Expositionsdauer, üblicherweise ein signifikanter Teil
der Gesamtlebensspanne (eine chronische Exposition in Tests dient der Messung subletaler Wirkungen)
Dominanzverhältnis – das Verhältnis der Populationsgrößen der Arten innerhalb eines
Ökosystems
Dose-Response-Kurve – siehe Dosis-Wirkungs-Kurve
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Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
Ökologische Risikobeurteilung – Glossar
Dosis-Wirkungs-Kurve – Beziehung zwischen der verabreichten Menge einer Substanz
und der Auswirkung dieser Substanz auf einen Testorganismus
EC50 (median effective concentration) – Konzentration eines Schadstoffs, die bei 50 %
der Testorganismen zu einer in der Regel subletalen Wirkung führt
Exposition – die gleichzeitige Anwesenheit eines oder mehrerer Stressoren und von einem oder mehreren Organismen bei gegebener Interaktionsmöglichkeit
Funktionelle Gruppen – eine Gruppe von unterschiedlichen Organismen, die ökologische Grundfunktionen ausüben können (Primärproduzenten, Konsumenten und
Destruenten)
Genotoxizität – negative Auswirkungen von Substanzen auf das Erbgut
IC50 (inhibiting concentration) – Konzentration, die einen Hemmeffekt einer biologischen Funktion in der Höhe von 50 % bewirkt (z. B. 50%ige Leuchthemmung im
Leuchtbakterientest)
Informationsfunktion – von Ökosystemen geleistete Beiträge zur Befriedigung intellektueller und emotionaler menschlicher Bedürfnisse. Sie liefern Informationen und
dienen als Grundlage und Orientierung für religiöse, künstlerische und wissenschaftliche Aktivitäten.
Intervention Value – Eingriffswert, bei dessen Überschreitung Maßnahmen zu setzen
sind
kanzerogen – Krebs auslösend
Konnektivität – die Enge der Verbindungen innerhalb bzw. zwischen Ökosystemen
Kontamination – eine mehr als geringfügige Verunreinigung
Konzentrations-Wirkungs-Kurve – Beziehung zwischen der Konzentration einer Substanz in einem Medium und der Auswirkung dieser Substanz auf Testorganismen
LC50 (median lethal concentration) – Konzentration eines Schadstoffs, bei der 50 %
der Testorganismen sterben
Lebensgemeinschaft – das Vorhandensein und die Interaktion von Populationen mehrerer Arten an einem Standort
LID (lowest ineffective dilution) – niedrigste Verdünnungsstufe, für die ein Effekt einer
definierten Höhe nicht mehr nachgewiesen werden kann
LOEC (lowest observed effect concentration) – niedrigste Konzentrationsstufe einer
Konzentrationsreihe, in der erstmals ein signifikanter Effekt auftritt
LOAEC (lowest observed adverse effect concentration) – niedrigste Konzentrationsstufe einer Konzentrationsreihe, in der erstmals ein signifikanter nachteiliger Effekt auftritt (in den meisten Fällen sind LOAEC und LOEC identisch)
Mutagenität – Mutationen hervorrufend, → Genotoxizität
NOEC (no observed effect concentration) – höchste Konzentrationsstufe einer Konzentrationsreihe, für die ein Effekt nicht mehr nachgewiesen werden kann
NOAEC (no observed adverse effect concentration) – höchste Konzentrationsstufe
einer Konzentrationsreihe, für die ein nachteiliger Effekt nicht mehr nachgewiesen
werden kann (in den meisten Fällen sind NOAEC und NOEC identisch)
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95
Ökologische Risikobeurteilung – Glossar
Nutzungsklasse – die Zuordnung eines kontaminierten Standorts zu einer bestimmten
übergreifenden Verwendung
Ökologische Messgröße – auch: Measurement Endpoint; die bei ökologischen oder
ökotoxikologischen Untersuchungen quantitativ beobachtbare oder messbare
Auswirkung von Schadstoffen
Ökologische Risikobeurteilung – Risikobeurteilung an einem kontaminierten Standort,
bei der spezielle ökologische Belange wie z. B. → Bodenfunktionen oder → Ökosystem-Services untersucht werden
Ökologische Werte – ökologische → Bodenfunktionen, schützenswerte Arten und →
Ökosystem-Services
Ökosystem – setzt sich aus der abiotischen Umwelt (Habitat) und allen darin lebenden
Organismen zusammen; es finden Stoff- und Energieumsätze sowie Stoffaustausch statt
Ökosystem-Services – Ökosystemleistungen mit direktem Bezug zur menschlichen
Nutzung
Ökotoxizitätstest – biologische Testmethode zur Ermittlung der Toxizität einer bestimmten chemischen Substanz
PEC (predicted environmental concentration) – vorhergesagte Konzentration einer
bestimmten chemischen Substanz in der Umwelt
PNEC (predicted no effect concentration) – vorhergesagte Konzentration einer bestimmten Substanz in der Umwelt, für die ein signifikanter Effekt nicht mehr
nachgewiesen werden kann
Population – eine Gruppe von Organismen derselben Art
Produktions- und Nutzungsfunktion – von Ökosystemen produzierte Ressourcen, die
von Menschen geerntet oder abgebaut werden (z. B. Energieträger oder Biomasse) sowie das zur Verfügung stellen von Raum zur Besiedlung, für Ackerbau usw.
Redundanz – Vorhandensein von mehreren Arten, die dieselbe Funktion in einem Ökosystem erfüllen. Eine hohe Redundanz erhöht die Stabilität eines Ökosystems, da
bei Ausfall einer Art die Funktion des Gesamtsystems erhalten werden kann.
Regulationsfunktion – Beiträge der Ökosysteme zur Erhaltung der allgemeinen Umweltqualität und zur Aufrechterhaltung aller anderen ökologischen Funktionen,
z. B. durch die Regulierung des globalen Klima- und des Wasserhaushaltes.
Resilienz – die Fähigkeit eines Ökosystems Störungen zu tolerieren, sodass sich mittelbis langfristig keine qualitativen Veränderungen zeigen. Kann auch mit „Elastizität
ökologischer Systeme“ bezeichnet werden
Resistenz – Widerstandkraft einer Art gegen Störeinflüsse (im Fall von kontaminierten
Standorten gegen chemische Stressfaktoren)
Response – die Reaktion eines Organismus auf einen ausgeübten chemischen Reiz
(Schadstoff)
Rezeptor – ein Organismus, der mit einem Schadstoff interagiert
Risiko – Produkt aus Ausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit eines möglichen Schadens
innerhalb eines bestimmten Zeitraums
Schaden – negative Veränderung eines Umweltzustands
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Ökologische Risikobeurteilung – Glossar
Schlüsselarten – Arten, die innerhalb eines Ökosystems eine essenzielle Funktion erfüllen und ohne die dieses Ökosystem daher nicht funktionieren würde
Secondary Poisoning – Kontakt mit einem (oder Ingestion eines) kontaminierten Organismus
Taxonomische Gruppen – systematische Zuordnung von verwandten Organismen zu
einer Gruppe (Bakterien, Pilze, vaskuläre Pflanzen, Wirbeltiere, etc.)
Testbatterie – die Zusammenstellung mehrerer Toxizitätstests (z. B. Bioassays), die zur
Beurteilung einer Probe eingesetzt werden
Test-Endpunkt – die zu messende Größe in einem Toxizitätstest (z. B. Mortalität)
Test-Medium – verwendetes Umweltmedium für einen Toxizitätstest (z. B. Boden oder
Wasser)
Test-Organismus – der für einen Toxizitätstest ausgewählte Organismus (z. B. Regenwurm)
Tiered Approach → Abgestufte Vorgangsweise zur Erkundung und Beurteilung
Toxic Pressure – der abgeschätzte ökologische Effekt aller Schadstoffe in einer kontaminierten Probe. Wird in den Niederlanden zur Ermittlung der „Dringlichkeit“ der
Durchführung einer ökologischen Risikobeurteilung eingesetzt.
Toxizitätstest – umfasst → Ökotoxizitätstests sowie → Bioassays
Triade – Kombination dreier Beweislinien in der ökologischen Risikobeurteilung: Messung der chemischen Konzentration, Toxizitätstests sowie ökologischen Untersuchungen
Trophische Ebenen – fortschreitende Stufen der Nahrungskette
Umweltdienstleistungen → Ökosystem-Services
Weight of Evidence – Gewichtung der einzelnen Untersuchungsergebnisse innerhalb
der Triade
Zeigerarten – Arten, die eine enge Bindung an bestimmte Umweltbedingungen aufweisen und somit als Anzeiger für bestimmte Bedingungen oder Veränderungen an
einem Standort verwendet werden können
Umweltbundesamt „ REP-0337, Wien 2011
97
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Die Orientierung an ökologischen Gesichtspunkten stellt ein gesetzliches Ziel der Altlastensanierung in Österreich dar. Der vorliegende
Report gibt einen Überblick zu ökologischen Prinzipien und deren Bedeutung für eine funktionierende Umwelt. Er beschreibt international
angewandte Risikobewertungskonzepte und bringt Vorschläge zur Umsetzung ökologischer Risikobeurteilungen für kontaminierte Standorte.
Neben grundlegenden ökologischen Prozessen werden auch die von
Ökosystemen bereitgestellten Dienstleistungen für den Menschen dargestellt, da auch diese durch Schadstoffe beeinträchtigt oder geschädigt werden können.
Zur Messung der Störeinflüsse bei kontaminierten Standorten wird
neben chemischen Analysen und Ökotoxizitätstests insbesondere auf
den Einsatz von Bioassays (biologische Tests mit ausgewählten
Organismen an Standortproben) eingegangen. Ihr Einsatz wird im
Rahmen einer abgestuften Vorgehensweise zur ökologischen Risikobeurteilung in Österreich empfohlen.
ISBN 978-3-99004-139-0