Fernöstliches Drama in der römischen Arena

Transcription

Fernöstliches Drama in der römischen Arena
Kultur
Dienstag, 12. Juli 2016
S
von Hans-Ruedi Rüegsegger
chwere Kost, was Giacomo
Puccini Anfang des vergangenen Jahrhunderts musikalisch umsetzte. In seiner Oper
«Madame Butterfly» lässt der
italienische Komponist zwei Kulturen
aufeinanderprallen – und lässt dabei
die westliche schlecht aussehen. Benjamin Franklin Pinkerton, ein junger
amerikanischer Marineoffizier, der
vor­
übergehend in Japan stationiert
ist, heiratet die 15-jährige Cio-Cio-San,
eine Geisha, die auch Madame Butterfly genannt wird. Während für ihn die
Heirat nicht mehr als ein exo­tisches
Abenteuer ist, nimmt die junge Japanerin die Ehe sehr ernst. Pinkerton reist zurück in die USA und lässt
nichts mehr von sich hören. Drei Jahre wartet Cio-Cio-San, die nach der Abreise Pinkertons einen Sohn zur Welt
bringt, drei lange Jahre voller Hoffnung auf die Rückkehr ihres Ehemannes. Schliesslich kommt dieser zurück,
aber in Begleitung seiner amerikanischen Ehefrau. Als Cio-Cio-San die Situation rea­lisiert, vertraut sie den beiden ihren Sohn an und nimmt sich
das Leben.
8
Fernöstliches Drama in
der römischen Arena
Das Festival Opéra Avenches zeigt dieses Jahr Giacomo Puccinis Oper «Madame Butterfly».
Bild Joseph Carlucci
Eindrückliche Hauptdarstellerin
Die Südkoreanerin Sae Kyung Rim
überzeugt als Madame Butterfly auf
der ganzen Linie. Mit ihrer Stimme
drückte sie die Freude und den Respekt, einen Amerikaner heiraten zu
dürfen, ebenso aus wie die Hoffnung,
ja der naive Glaube, dass ihr Ehemann
wieder zurückkommt. Und letztlich
waren auch die Zweifel herauszuhören, wenn sie diese denn zugelassen
hätte. Logisch nur, dass Sae Kyung Rim
am Schluss mit dem grössten Applaus
bedacht wurde. Aber auch die anderen Akteure überzeugten: Carlo Ventre
als Pinkerton, der Madame Butterfly
als Spielzeug benutzte, Qiulin Zhang
als Suzuki, die als Vertraute Cio-CioSan vergeblich die Augen öffnen wollte, oder der chinesische Tenor Wei
Nan als Heiratsvermittler Goro, der die
Zuschauer ab und zu zum Schmunzeln brachte.
Puccinis Musik – überzeugend gespielt vom Orchestre de Chambre de
Lausanne unter der Leitung von Nir Kabaretti – wartet nicht mit «Gassenhauern» auf, der Klangteppich gibt aber die
vorherrschende Stimmung perfekt wieder – freudig-erwartungsvoll, hoffend,
verzweifelt. Eric Vigié hat die Oper als
Kammerstück inszeniert. Das Bühnenbild – ein weisses Haus, das sich an japanischer Architektur orientiert – ist
Schauplatz aller Handlungen. Lichteffekte akzentuieren Zeit und Raum. Auf
«Massenszenen» verzichtet der Intendant, bis auf die Hochzeitszeremonie,
an der Geishas – Mitglieder des Choeur
de l’Opéra de Lausanne – Madame Butterfly ihre Ehre erweisen.
Wer «Madame Butterfly» in der Arena in Avenches erleben möchte, hat
heute Dienstag und am kommenden
Freitag eine letzte Gelegenheit. Neu
gibt es Plätze für 40 Franken, «ein Zeichen, dass wir die Oper popularisieren wollen», schreiben die Verantwortlichen.
www.avenchesopera.ch