Verglichen mit heute war es wirklich ein Witz mit den

Transcription

Verglichen mit heute war es wirklich ein Witz mit den
Beatles-Sound
KAPITEL 6
“
Verglichen mit heute
war es wirklich ein
Witz mit den kleinen
Vox-AC-30-Amps.
Doch damals waren
wir noch recht naiv
und in gewisser
Hinsicht auch sehr
bescheiden.
”
GEORGE HARRISON ÜBER DIE ERSTEN JAHRE, LANGE BEVOR ES
GIGANTISCHE PA-ANLAGEN GAB.
1963
IN DIESEM JAHR EROBERTEN DIE BEATLES GANZ ENGLAND. DIE KARRIERE DER
BAND SCHIEN WIE VON SELBST IMMER SCHNELLER VORANZUSCHREITEN UND DIE
BEATLEMANIA GRIFF UM SICH. EPSTEIN UND DIE BEATLES HATTEN 1962 SCHON DIE
BEDEUTUNG PROFESSIONELLER AUSRÜSTUNG BEGRIFFEN UND NUTZTEN NUN
IHRE WACHSENDE POPULARITÄT UND IHR GESTIEGENES EINKOMMEN, UM
BESSERE GITARREN UND AMPS UND EIN NEUES SCHLAGZEUG ANZUSCHAFFEN.
Das Jahr begann mit einer kurzen 5-Tage-Tournee durch Schottland – mitten in einem der
schlimmsten Winterstürme seit Menschengedenken. Epstein arbeitete nur noch wie im
Fieberwahn und buchte einen Termin nach dem anderen. Er nutzte den Hitparadenerfolg von
‘Love Me Do’ und die bevorstehende Veröffentlichung der zweiten Single, um sie als Vorgruppe
von Helen Shapiro, die 1962 zwei Top-Ten-Hits hatte, auf ihre erste reguläre Tour durch England
zu schicken. Die ersten Konzerte dieser Tournee sollten Anfang Februar stattfinden, doch vorher
war noch eine Menge zu erledigen.
Brian Epstein versuchte die Beatles davon zu überzeugen, ihre Show und ihre
Bühnenpräsenz zu perfektionieren. Das Auftreten der Beatles und ihre Art, sich darzustellen,
wurde zur fixen Idee ihres Managers. Für die bevorstehende Tour wollte Epstein, dass die Band
und ihre Ausrüstung einfach gut aussahen. Während die Beatles Ende 1962 für zwei Wochen in
Hamburg waren, schickte Epstein die beiden AC-30-Amps und den Coffin zu Barrett’s Music
Shop in Manchester, wo sie total überholt und mit schwarzer Vinylfolie neu bezogen wurden.
Bill Kinsley von den Merseybeats erinnert sich noch an die Wirkung der neu bezogenen
Amps. „Damals konnte man keinen schwarzen Vox kaufen. Ursprünglich hatten die Beatles die
normalen, hellbraun bezogenen Amps. Manche Leute glaubten, sie hätten diese gegen schwarze
Amps getauscht, sie waren aber nur neu bezogen worden. Auch Pauls Amp, der ursprünglich
schwarz lackiert war, bekam einen neuen Bezug, weil die Farbe bis auf das Holz abgeschabt war.“1
Harrison war „ziemlich verstimmt“, als der Gitarrist der Merseybeats, Aaron Williams, kurze
Zeit später mit einem neuen schwarzen Vox im Cavern auftauchte. „George fragte: ‘Wer hat Dir
den denn bezogen?“ und Aaron antwortete: ‘Den haben wir so in London bei Jennings gekauft.“
Vox hatte zweifellos von den neu bezogenen Amps gehört und dachte, ‘Hey, das ist eine gute
Idee!“ und baute dann den AC-30 auch in Schwarz.“ Tatsächlich aber baute Vox schon seit 1961
schwarze Amps in immer größeren Stückzahlen.
Am 11. Januar erscheint die neue Single ‘Please Please Me’ mit ‘Ask Me Why’ als Rückseite
und stürmte sofort die Hitparade. Epstein buchte die Beatles nun täglich und brachte die neue
Single in allen möglichen Radio- und Fernsehprogrammen unter. Er wollte die Beatles wirklich
an die Spitze bringen.
Anfang 1963 hatte die Ausrüstung der Beatles „professionellen“ Standard erreicht. Lennon
und Harrison spielten ihre bewährten Gitarren, die Rickenbacker 325 von 1958 und die Gretsch
Duo Jet, über die aufgearbeiteten Vox Amps. Die beiden J-160E-Gitarren wurden, nachdem sie
zunächst nur Ersatzgitarren waren, immer häufiger auf der Bühne und in Radio- und
Fernsehaufzeichnungen gespielt. McCartney spielte seinen Hofner-Bass über den Quad-Amp
und den neu bezogenen Coffin. Starr trommelte weiterhin auf seinem mahagonibraunen
Premier-Schlagzeug mit „Ringo Starr“ auf der Front der Bass-Drum. Aber auch das sollte sich
bald ändern.
Bevor ihre erste ernsthafte Tournee durch England am 2. Februar begann, arbeiteten die
Beatles nochmals an ihrer Bühnenpräsenz und Starr musste seinen Namen von der Bass-Drum
entfernen. Schließlich wollten die Beatles nicht, dass Tausende neuer Fans in dem Glauben, die
„Ringo-Starr-Band“ gesehen zu haben, nach Hause gingen. Es wurde also höchste Zeit für ein
eigenes Beatles-Logo auf dem Schlagzeug.
McCartney machte zahlreiche Entwürfe dafür, die alle 1981 in dem Buch seines Bruders
Mike, The Macs, veröffentlicht wurden. Nach diesen Skizzen entwarf der Designer Tex O‘Hara
dann das spätere „Bug“-Logo der Beatles. Tex O‘Hara war ein Bruder des Gitarristen Brian,
dessen Band Fourmost auch von Epstein gemanagt wurde.
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D E R B E AT L E S – S O U N D
George sitzt auf dem neu bezogenen
„Wir spielten verschiedene Varianten durch, bis wir eine fanden, die ihnen gefiel. Ich machte
etwa fünf oder zehn Entwürfe, die ich heute noch habe, und zeigte sie ihnen. Die Beatles
entschieden sich für einen Entwurf, der dann auf eine Leinwand übertragen und auf die Front
der Bass-Drum aufgezogen wurde.“2 Diese weiße Leinwand zierte nun Ringos Schlagzeug mit
dem neuen „Bug“-Logo der Beatles, dessen „B“ mit zwei fühlerähnlichen Auswüchsen verziert
war.
Zwischenzeitlich ließ Harrison seine Gretsch Duo Jet aufarbeiten. Fotos von Proben im
Cavern im Januar zeigen Harrison mit einer Gretsch Fire Bird, die der Duo Jet sehr ähnlich war,
nur, dass sie kleine halbkreisförmige Markierungen, so genannte „Thumbnails“, auf dem
Griffbrettrand, zwei Filter-Tron-Pickups und ein schwarzes Pickguard hatte. Die Gitarre war Rot,
obwohl wir das auf den alten Schwarzweiß-Fotos nicht erkennen können. „Ich hatte sie von
irgendwem ausgeliehen, um sie im Cavern auszuprobieren“, erklärte Harrison.3 Auf diesen Fotos
ist auch Ringos Bass-Drum noch ohne Beatles-Logo zu sehen.
AC-30. Die Gretsch Fire Bird, die er
hält, hat er nur kurz ausgeliehen.
Mal Evans – Roady der Beatles
Mit ihrem immer volleren Terminkalender und der ständig anwachsenden
Ausrüstung benötigten die Beatles einen Roady, der Road-Manager Neil Aspinall zur
Hand ging.
Mitte Januar 1963 wurde Aspinall krank und konnte die Beatles nicht nach
London zu einem Fernsehauftritt fahren. Glücklicherweise hatte er kurz zuvor im
Cavern seinen alten Freund Mal Evans getroffen, der für ihn einspringen konnte. Auf
der Fahrt nach London zerbrach die Windschutzscheibe des Lieferwagens. Lennon
erzählte Aspinall davon: „Du hättest Mal sehen sollen. Er zog sich eine Papiertüte mit
kleinen Sehschlitzen über den Kopf, und wir saßen hinten [und versuchten, uns warm
zu halten]. Es war eiskalt ... Mal brach die Reste der Scheibe aus dem Rahmen und
fuhr weiter, er sah aus wie ein Bankräuber.“4
Die Beatles hatten einen Auftritt um die Mittagszeit in London und am gleichen
Abend außerhalb von London. Evans kam mit reparierter Windschutzscheibe zu
Aspinall zurück: „Wir haben nie erfahren, wie er das so schnell hingekriegt hat. Mal
sammelte viele Punkte bei uns, damit er nicht mit dem kaputten Wagen zurückkam
und uns die Reparatur überließ.“5
Evans wurde daraufhin als Roady eingestellt, der sich ab 1963 bis zum Ende der
Beatles zuverlässig um die gesamte Ausrüstung kümmerte. Jeder beschrieb Big Mal
als einen der nettesten Menschen, der sich immer bis ins Detail um alles kümmerte.
Evans wäre eine der wertvollsten Quellen für dieses Buch gewesen, leider wurde er
1976 ermordet.
Am Samstag, den 2. Februar, begann die Tour mit Helen Shapiro. An freien
Tagen schickte Epstein die Beatles zu Auftritten in den Cavern und zu Radio- und
Fernsehauftritten, um Werbung für ihre neue Single zu machen. Zusätzlich buchten
Epstein und George Martin noch einen weiteren Studiotermin bei der EMI und
nahmen am 11. Februar in den Abbey-Road-Studios die erste Beatles-LP mit 14 Titeln
auf: Please Please Me. Die gesamte LP wurde an einem einzigen Tag eingespielt, was schon eine
bemerkenswerte Leistung war. Die Stücke wurden direkt auf einem Zwei-Spur-Tonbandgerät
aufgenommen, und die Band verwendete dazu die gleiche Ausrüstung wie für die Helen-ShapiroTour.
Am 22. Februar machte sich Epsteins Werbestrategie für die zweite Single bezahlt, und
‘Please Please Me’ erreichte die vorderen Plätze der Hitparade. Am 17. Februar traten die Beatles
mit Playbackbegleitung für eine Aufzeichnung der bedeutenden Show Thank Your Lucky Stars auf.
Vor der Kamera stand McCartney mit seinem Hofner-Bass, Harrison und Lennon mit ihren
elektroakustischen J-160E-Gitarren und Starr mit seinem Premier-Schlagzeug und dem „Bug“Logo.
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B E AT L E M A N I A
Inzwischen ging die Shapiro-Tour weiter, und Lennon hatte
Probleme mit seiner Rickenbacker 325. Auch die nachgerüsteten
Volumen-Knöpfe von Hofner fielen einer nach dem andern ab.
Lennon spielte eine Weile mit nur zwei Reglerknöpfen und
montierte dann neue Knöpfe von Burns. Anfang der 60er Jahre
hatte Burns in Essex eine Produktion von Bässen und
Elektrogitarren aufgebaut. Gerüchteweise war es auch Burns, der
Lennons Gitarre schwarz lackiert hatte, aber wie wir bereits
gesehen haben, stimmt das nicht. Später sollte Burns noch einige
Veränderungen an der Elektrik der Rickenbacker für Lennon
vornehmen.
Im Laufe der Shapiro-Tour entwickelten sich die Beatles zur
Hauptattraktion der Show, und mit ihrer wachsenden Popularität
beschlossen sie, nach London zu ziehen. London bot als Zentrum der englischen Musikindustrie
einen schnellen Zugang zu Radio- und Fernsehstudios und vor allem zu den Studios der EMI in
der Abbey Road. Martin und Epstein hatten vor, alle drei Monate eine neue Single der Beatles
auf den Markt zu bringen und mindestens zwei LPs pro Jahr zu produzieren. Nach der ShapiroTour fanden Lennon und McCartney Zeit, um einen neuen Song zu schreiben, und am 5. März
wurde in Studio 2 die dritte Single mit ‘From Me To You’ aufgenommen. Wieder war der Fotograf
Dezo Hoffmann dabei und fotografierte die Beatles und ihre Ausrüstung. Lennon und Harrison
spielen ihre J-160Es über die Vox-AC-30-Amps, Starr sein Premier-Schlagzeug mit „Bug“-Logo
und McCartney seinen Hofner-Bass über eine eigenartige Bass-Anlage: Um den Anforderungen
der Studiotechniker gerecht zu werden, spielte McCartney über eine große TannoyLautsprecherbox und den von Ken Townsend bereits ins
Gespräch gebrachten Leak-TL12-Verstärker aus Studiobeständen. Die Box stand hinter einer großen Schallwand
und wurde dort aufgenommen.
Außerdem wurde an diesem Tag die Rückseite der
neuen Single ‘Thank You Girl’ eingespielt und zwei neue
Songs von McCartney und Lennon, die aber erst Jahre
später veröffentlicht wurden: ‘The One After 909’ und ‘What
Goes On’.
Noch eine Tour durch England
Unmittelbar nach der Shapiro-Tour und den knapp
bemessenen Studioterminen ging die Gruppe schon wieder
auf eine England-Tournee mit den amerikanischen Musikern
Tommy Roe und Chris Montez. Roe hatte im Sommer 1962
mit ‘Sheila’ einen Hit herausgebracht und Montez nur
wenige Monate später die Hitsingle ‘Let’s Dance’. Die Tour
begann am 9. März, und obwohl die Beatles als Vorgruppe
gebucht waren, wurde doch sehr schnell klar, wen das
Publikum sehen wollte.
Noch heute erinnert sich Tommy Roe, der vorher noch
nie von den Beatles gehört hatte, gerne an diese Tour. „Sie
erzählten mir, dass sie ‘Sheila’ schon in Hamburg im StarClub gespielt hatten. Wir waren einen Monat lang unterwegs
und hatten viel Zeit, uns zu unterhalten. Sie waren sehr an
Amerika interessiert, wollten gerne dort spielen und stellten
viele Fragen. John gab mir seine Gibson, damit ich im Bus
Songs schreiben konnte, und ich begann damals mit
Tex O’Haras Skizzen für das Bug-Logo
der Beatles.
17. Februar in den ABC-TeddingtonFernsehstudios bei der Aufzeichnung
von Thank Your Lucky Stars. Ringos
Schlagzeug mit Bug-Logo.