Peter Robert Keil: Wider diesen schönen Schein

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Peter Robert Keil: Wider diesen schönen Schein
AR UA HS SM TE EN L L U N G E N
Das Unzeitgemäße in einer unzeitgemäßen Zeit
Unangepasst und gerade deshalb inspirierend
Peter Robert Keil: Wider diesen schönen
Schein - unsere Welt ist keine Scheibe.
Ausstellung ‚Neue Keil Werke‘ bis zum 31.12.2014 in der Keil-Collection, Heidelberg
Zwischen dem 7. Dezember
2013 und dem 31. Mai 2014
standen die Türen der ersten
temporären Peter-Robert-KeilGalerie in der Berliner Potsdamer Straße für Besucher offen.
Die Rückkehr des 1942 geborenen Berliner Malers, Zeichners
und Majolika-Künstlers in die
Hauptstadt bot eine ausgezeichnete Gelegenheit, um dessen umfangreiches Werk neu
zu entdecken - so dürfte dies
nun auch dem interessierten
Besucher in der Heidelberger
Keil-Collection möglich sein.
Wie so oft vollziehen sich
Entdeckungen allerdings auch
über Umwege. Denn auf den
ersten Blick hatte man eher
den Eindruck: Die Kunst von
Peter Robert Keil ist unzeitgemäß - die These des Betrachters
lautet jedoch: Sie ist dies auf
wohltuende und erfrischende
Art und Weise.
Die Frage lautet nun, wie es
zu dieser positiven Wendung
kommt. Die Gemälde von Keil
fallen in gewisser Weise aus
unserer Zeit, weil ihnen die
ästhetische Finesse und der
schöne Schein fehlen. Sie sind
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ARTPROFIL
Peter Robert Keil; ohne Titel, WVPRK 0152; Original Figuration,
dynamisch geprägt und nicht
Signatur unten rechts, 105 cm x 100 cm
perfektionistisch konzipiert,
© VG Bild-Kunst, Bonn 2014
sie sind krass inszeniert und
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äußerst bunt, oft auch obszön und aggressiv.
Die Proportionen entgleiten und die Blicke
der Porträtierten haben etwas Blödes, etwas
Idiotisches. Exemplarisch ist dies auf dem
mehrfigurigen, unbetitelten Gemälde WVPRK
0824 zu sehen: Die Großstadt-Gruppe der
neun nackten Frauen steht dem Betrachter
frontal gegenüber. Die schwarzen Konturen
verstärken den Eindruck der Isoliertheit der
einzelnen Figuren. Wendet man den Blick
danach auf das Gemälde WVPRK 0889 (ohne
Titel) bekommt man den Eindruck, dass hier
insgesamt das Konzept und ein kühler Kopf
fehlen.
Ich schlage nun vor, dass genau das inspirierend und vitalisierend ist. Denn man wird
den Verdacht nicht los, dass wir in einer Zeit
leben, in der die informierte Intelligenz zu einer
Massenbegabung geworden ist (vgl. Botho
Strauss; Lichter des Toren; Der Idiot und die
Zeit). Die Jugend ist smart, die Kunst ist smart,
selbst Autos, Telefone und Häuser sind smart.
Das für Smarties und andere schlaue Dinge
so attraktive Ideal besteht darin, glatt und
perfekt, vernetzt und kommunikativ zu sein.
Die Dysfunktionen des alltäglichen menschlichen Daseins und das verlässlich wiederkehrende Nicht-Verstehen der uns umgebenden
„Blackboxes“ werden in diesem Idealbild
wegretuschiert. Langeweile und Zweifel, Kanten und Brüche stören, weil sie beschleunigte
Kommunikationsflüsse verlangsamen.
Das Verhältnis dieser nun präsentierten, erfolgreichen Gegenwartskunst zu ihrer eigenen Zeit
ist in diesem Zusammenhang seit einigen Dekaden immer dasselbe: Es gibt im Grunde gar
kein Verhältnis. Man musste nur benachbarte
Peter Robert Keil: Aber nur heute bin ich dazu bereit; WVPRK 0791; 2012, Original
Figuration, 150 cm x 105 cm (154 cm x 109 cm), Signatur unten rechts, Mischtechnik/
Stoff, Holzrahmen © VG Bild-Kunst, Bonn 2014
Galerien besuchen oder die beiden Sonderaus-
sein, wenn sie Traum und Mythos ist. In der
der Moderne und ist zum Imperativ in allen
stellungen in der Neuen Nationalgalerie gleich
aktuellen Ausstellung von Peter Robert Keil in
Lebensbereichen geworden. Der deutsche
nebenan gesehen haben, die zur selben Zeit
Heidelberg wird diese These auf intelligente
Philosoph Rüdiger Bubner sprach diesbezüg-
stattfanden („BubeDameKönigAss“ und “Karl
Weise künstlerisch hinterfragt.
lich von der „Ästhetisierung der Lebenswelt“.
Otto Götz“.) Entweder reflektieren Maler auf
In beiden Fällen berufen sich Künstler und
In diesem Kosmos der Konzepte hat die in
abstrakter Ebene über die Malerei als solche
Galeristen auf die unverbindliche Kreativität
Porträt und Landschaft übersetzte, sinnliche
und begnügen sich mit dem Formalismus von
der Kunst. Hauptsache, künstlerische Ge-
Fantasie keinen Platz. Denn diese ist schreck-
Farben, Formen und Konzepten. Oder man ze-
genstände und Handlungen erwecken den
lich alt. Außerdem verlangt sie nach Bildern
lebriert auf surrealistische Weise das Geheim-
Anschein, irgendwie neu und innovativ zu
der Körperlichkeit sowie der animalischen
nis: Dabei ist ausgemacht, dass die Wirklichkeit
sein. Ebenso scheint es zwingend zu sein, dass
Energien im Menschen. Damit entspricht die
außerordentlich fiktional und unheimlich
man sich auf schicke Weise etwas ausgedacht
charakterlose, weil reibungslose Produkt-
ist; die Welt scheint dann nur bildwürdig zu
hat. Kreativität war das strukturelle Ideal
Finesse vieler zeitgenössischer Arbeiten immer
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ersten kommt noch ein Grünton hinzu, dem
Komplementärkontrast zu Rot, bei dem
zweiten ein knalliges Orange, dem Komplementärkontrast zu Blau. Der Arbeitsprozess
von Peter Robert Keil beginnt meist mit
Farbschlieren, Flecken und Spritzern auf der
Leinwand, bis er an den Punkt kommt, an
dem er mit einer dunklen Kontur Gesichter mit
einem bestimmten Ausdruck herausarbeitet.
Dies lässt sich bei den ebenfalls in Heidelberg
zu sehenden, abstrakter gehaltenen Werken
„Aber nur heute bin ich bereit dazu“ (WVPRK 0791) und WVPRK 0889 (ohne Titel) gut
nachvollziehen. Bei diesem Übereinanderlegen
von mal pastosen, mal transparenteren Farbschichten bleiben die einzelnen Arbeitsschritte
auch im Nachhinein in der Regel sichtbar. Der
Tradition der Expressionisten folgend, wird das
Abstrakte und das Figürliche demnach nicht
getrennt und isoliert voneinander behandelt,
sondern als eine Einheit gesehen und in den
klassischen Bildsujets des Porträts oder der
Landschaft integriert.
Doch was heißt für Keil figürlich? Geometrische Figuren wie Kreise und Rechtecke?
Eher weniger. Wassereimer, Kuscheltiere
oder Photoshop-Models? Eher weniger. Keil
malt die Abgesonderten der Gesellschaft und
die Außenseiter der Seele. Er heißt Transvestiten, Punks und innere Dämonen herzlich
willkommen. Zu sehen sind aggressive und
animalische Teufelsfratzen. Zu sehen sind die
Lippen, Brüste und Schenkel von „leichten
Peter Robert Keil; ohne Titel; WVPRK 0353, 1979, Original Figuration, 148 cm x 105 cm
© VG Bild-Kunst, Bonn 2014
Mädchen“. Doch entgegen den Sehgewohnheiten einer pornografisierten Mediengesellschaft blicken den Betrachter Menschen mit
weniger der Lebenswelt der Bürger. Die Krux
sich auch mit Keils Kunst, mag diese nun als
enttäuschten Sehnsüchten direkt ins Auge, wie
an der Gegenwartskunst ist also, dass sie ex-
schön oder hässlich empfunden werden. Sie
zum Beispiel „Das Mädchen Necki“ (WVPRK
trem kopflastig geworden ist. Weil dies aber
rebelliert laut und roh gegen das digital und
0776) oder die Dame im Werk „Ohne Titel“
einen allgemeinen Konsens darstellt, gibt es
rational eingeebnete Weltbild. Sie verteidigt
(WVPRK 0353) - Menschen, die keinen Platz
immer weniger Künstler, die tatsächlich ihrem
auf unmittelbare und direkte Weise das Ana-
in einer leistungsoptimierten Gesellschaft ge-
eigenen Kopf folgen und aus dem Dogma des
loge und Emotionale. Man könnte quasi von
funden haben. Diesbezüglich schreibt Botho
konzeptionellen Designs ausbrechen.
„Rock’n‘Roll“ auf der Leinwand sprechen.
Strauss: „Zu Beginn des einundzwanzigsten
Ganz anders verhält es sich übrigens mit der
Dabei werden insbesondere die Primärfar-
Jahrhunderts ist der Typus des Außenseiters
Musik und dem Film. Dies sind künstlerische
ben Blau, Gelb und Rot in einer aggressiven
aus Gesellschaft wie Literatur so gut wie
Medien, die sich meist auf Gefühle und
Geste auf den Malgrund aufgetragen, wie
verschwunden. Der Einzelgänger, der sich
Wahrnehmungen beziehen, die im Alltag der
beispielsweise die beiden Gemälde WVPRK
fern von neuen Foren hielte, die nur nach Ein-
meisten präsent sind: Sehnsüchte und Ängste,
0152 und WVPRK 0353 (beide ohne Titel)
gemeindeten zählen, besäße heute keinerlei
Liebe und Tod. Und ganz anders verhält es
in Heidelberg ausdrücklich zeigen. Bei dem
Nimbus mehr, sondern erschiene wohl den
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meisten als schrullige Figur. Konformitäten,
Korrektheiten und Konsensivitäten, das ‚juste
milieu‘ der kritischen Öffentlichkeit wird von
dem Bakterienschwärmen neuer Medien
lediglich verstärkt.“ Auch den eigenartigen
Idioten in uns allen kennen nur noch die
wenigsten. Er ist nutzlos und der Nutzlose ist
heutzutage würdelos - er ist ein „Loser“ oder
„Low Performer“. Also hat vor allem die junge
Generation Angst vor dem Idioten in sich und
derer um sich selbst herum.
Der scheinbare Anachronismus des expressiven
Realismus, der seit dem mittelalterlichen Verismus die europäische Kunstgeschichte wie ein
roter Faden durchzieht, offenbart sich zuletzt
als zeitlos. Beim Malen und Zeichnen von
Menschen und Lebenswelten, und zwar genau
so, wie sie subjektiv erlebt werden, scheint es
sich um eine Tradition zu handeln, die immer
modern war und ist. Im historischen Rückblick
stellt sich zudem heraus, dass die meisten der
Peter Robert Keil; ohne Titel, WVPRK 0889; 1979, Original Figuration, 71 cm x 99 cm,
Signatur unten links, Karton © VG Bild-Kunst, Bonn 2014
zahlreichen Stilblüten der zweiten Hälfte des
20. Jahrhunderts flüchtige Modeerscheinun-
deckung der Keil’schen Bilderwelt lohnen
findet im Firmengebäude der Gesellschaft für
gen waren. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts
könnte; oder anders gefragt: Was bringt uns
innovative Marktforschung (GIM) statt. Allein
zeigt sich daher Keils Kunst nicht nur kraftvol-
die Konfrontation mit den traurigen Clowns
der Kontrast zwischen der gediegenen Alt-
ler und wilder denn je, sondern fast schon pro-
und den idiotischen Außenseitern an den
bauvilla in der Heidelberger Weststatt und den
gressiv, weil sie die in Philosophie und Literatur
Wänden? Im Idealfall zweierlei: Zum einen
expressiven, lauten Gemälden Peter Robert
zu beobachtende Renaissance des Realismus
den Hinweis, dass die Tradition der expressiven
Keils schafft eine spannende und anregende
vorweggenommen hat (vgl. Maurizio Ferrari;
„l’art pour l’homme“ sich nach wie vor gegen
Ausstellungsatmosphäre. Interessant daran ist
Manifest des neuen Realismus).
die selbstgefällige „l’art pour l’art“ behaupten
nicht zuletzt, dass nicht Berlin, die selbster-
Abschließend stellt sich erneut die Eingangs-
kann. Und zum anderen einen frischeren Blick
nannte Hauptstadt der Kreativen, sondern das
frage, warum sich die Neu- oder Wiederent-
für die Möglichkeiten des Lebens - Möglich-
traditionsreiche Heidelberg diese neuen Wege
keiten, die vielfältiger und spezieller sind als
einschlägt - Wege auf denen weniger die
es unsere angeblich so liberale Zeit erlaubt.
Menschen zur Kunst, sondern die Kunstwerke
Die grobe und haptische Malerei Keils raut
zu den Menschen kommen werden.
Dr. Hannes Fernow
die spiegelglatten Interfaces des digitalen
Zeitalters wieder etwas auf und lässt freier
atmen - weshalb man sagen muss: Zum Glück
Weitere Infos:
haben wir mit Keil noch einen Unzeitgemäßen
Keil Collection Heidelberg
Goldschmidtstraße 4-6
69115 Heidelberg
Deutschland
unter uns.
Die Chance, ein paar dieser erfrischenden und
vitalen Augen-Blicke zu erleben, bietet sich all
denjenigen, die ab dem 19. Oktober 2014 die
Gelegenheit nutzen, an einer Serie interaktiver Ausstellungsformate in Heidelberg und
Umgebung teilzunehmen. Den Auftakt wird
Peter Robert Keil; ohne Titel, WVPRK 0824;
Original Figuration, 155 cm x 150 cm, Mischtechnik auf Stoff © VG Bild-Kunst, Bonn 2014
die Präsentation einer der umfangreichsten
deutschen Keil-Sammlungen machen. Die
Vernissage der Ausstellung „Neue Keil Werke“
Geschäftsführer und Ansprechpartner:
Wilhelm Kampik
Telefon: +49 (0) 6221- 832845
Web: www.keil-collection-heidelberg.de
E-Mail:
Kampik@keil-collection-heidelberg.de
oder: info@keil-collection-heidelberg.de
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