Lied und Lyrik 2011
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Lied und Lyrik 2011
Grußwort Oberbürgermeister Norbert Kastner anlässlich der Auftaktveranstaltung "Lied & Lyrik" im Riesensaal des Schlosses Ehrenburg am 09.10.2011, 18:00 Uhr _____________________________________________________________ ----- Es gilt ausschließlich das gesprochene Wort ----- Sehr geehrte Festgäste, meine sehr geehrten Damen und Herren, „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren Sind Schlüssel aller Kreaturen, Wenn die, so singen oder küssen Mehr als die Tiefgelehrten wissen, Wenn sich die Welt ins freie Leben, Und in die Welt wird zurückbegeben, Wenn dann sich wieder Licht und Schatten Zu echter Klarheit wieder gatten Und man in Märchen und Gedichten Erkennt die wahren Weltgeschichten, Dann fliegt vor e i n e m geheimen Wort Das ganze verkehrte Wesen fort.“ Was Novalis hier vor etwas mehr als 200 Jahren (1802) lyrisch fasste, beschreibt vielleicht ganz treffend die Inspiration des Festspiels „Lied und Lyrik“. In einer Zeit, in der uns die Stakkato-Grammatik von Nachrichten und Tickern, von immer mehr Information in immer kürzerer Zeit mehr davon ablenkt, die „wahren Weltgeschichten“ auch als solche wahrnehmen zu können, tut „echte Klarheit“ wieder Not. 1 Und, so Novalis, diese Klarheit findet sich in Märchen und Gedichten, nicht in Zahlen und Figuren. Selten hat es so dringend eine neue Kultur des Erzählens gebraucht wie in den letzten Jahrzehnten. Und ganz offenbar ist die Kultur am Entstehen, teils vielleicht schon entstanden. Immer mehr junge Menschen nehmen an „poetry slams“ teil und investieren viel Energie, Können, Kreativität und Emotion in eigene, lyrische Ausdrucksweisen. Die junge deutsche Musik, sogar bis hin zu den Verkaufscharts, hat wieder etwas zu sagen, will, dass wir zuhören. Diese jungen Formen der Lyrik, teils als Lieder, teils als Gedichte, sind gewissermaßen Schiffe auf Entdeckungsfahrten. Doch jedes Schiff kommt aus einem Hafen, jede sinnvolle Navigation braucht Sterne, jedes neue Können braucht altes Können, braucht Erfahrung. An diesem Horizont sind die Festspiele „Lied und Lyrik“ teils die Leuchttürme der Orientierung, teils die Werften, die die Schiffe seetauglich machen und teils die Vermittler des Traumes von den neuen Welten, die jeder Seefahrer sucht. Sie sind aber auch Hüter des alten Wissens und Spiegel in die - zum Teil sehr ernste und lehrhafte - Vergangenheit. Ein Blick auf das Programm macht dies deutlich. Weltstars kommen nach Oberfranken, um ihr Können auf neuen Wegen umzusetzen. Sie kommen auch, um zu lehren, zu experimentieren und das Leuchtfeuer der Faszination „Geschichte in Lied und Lyrik“ weiter zu tragen. Innovation und Tradition bilden dabei den Spannungsbogen, unter dem auf Weltniveau das kreative Schaffen dargeboten wird. Dabei ist bei diesem Festival nicht alles „leichte Kost“. Und das ist gut so. Angesichts der Fortgänge der Weltgeschichte ist das Ausweichen in die Leichtigkeit für Vieles eben nicht der richtige Weg. Das Auseinandersetzen, 2 auch mit schweren Themen muss für uns alle dazugehören, wollen wir von der Wirklichkeit tatsächlich etwas verstehen. Coburg ist für das Spannen eines solchen Bogens der Gegensätze ganz großartig geeignet. Die Geschichte unserer Stadt ist geprägt von der Kraft solcher Spannungsbögen. Sei es im 20. Jahrhundert, aber auch in den Jahrhunderten davor. „Werte und Wandel“ - unser langjähriges Stadtmotto deutet an, dass wir Coburger wissen, dass das Vermitteln von Gegensätzen, dass Lernen aus Vergangenem und das Gestalten von Zukunft aus dem Gelernten zum Wichtigsten gehören, was wir Menschen tun können. Wenn dies, wie hier ganz konkret, in künstlerischer Form - durch Lied und Lyrik - geschieht, so ist dies ein Zeichen dafür, dass wir tatsächlich als Menschen nicht - oder mindestens nicht nur - durch „Zahlen und Figuren“ lernen, sondern im Kern durch Ton, Grammatik und Semantik. Und so haben wir durch das Festspiel die Chance, vielleicht ein Stück von dem zu erkennen, was „die Welt im Innersten zusammenhält“. Eine Chance, die wir nutzen sollten. Eine Chance, die uns geboten wird durch die BaurStiftung, die Beteiligung hervorragender Künstler und durch die Akademie der Schönen Künste. Dafür danke ich Ihnen herzlich! Ich wünsche dem Festspiel einen erfolgreichen Verlauf, hohen Zuspruch und freue mich auf spannende, schöne und neue „Lieder und Gedichte“. In diesem Sinne vielen Dank! 3