Heilung der bisher tödlich verlaufenden Molybdän
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Heilung der bisher tödlich verlaufenden Molybdän
DGPT-Nachrichten Heilung der bisher tödlich verlaufenden Molybdän-Cofaktor-Defizienz Günter Schwarz1, Jochen Reiss2 1Institut für Pflanzenbiologie der Technischen Universität Braunschweig 2Institut für Humangenetik der Universitätskliniken Göttingen Die Molybdän-Cofaktor-Defizienz ist eine autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselkrankheit, für die bis jetzt weder eine kausale noch eine symptomatische Therapie bekannt war. Der Molybdän-Cofaktor wird auch universeller „Cofaktor“ genannt, da er in allen eukaryontischen Molydän-enthaltenden Enzymen die gleiche Struktur aufweist. Ebenso wie seine Struktur ist auch seine Biosynthese in allen Organismen – also Mensch, Tier, Pflanzen und Bakterien – konserviert. Dieser Syntheseweg lässt sich in drei Schritte unterteilen: Aus GTP wird ein Pteringrundgerüst synthetisiert (Precursor Z), im zweiten Schritt werden zwei Schwefel-Atome übertragen (dies führt zum Molybdopterin), bevor abschließend das katalytisch aktive Metall Molybdän inseriert wird und der reife Cofaktor entsteht, der in verschiedene Apoenzyme eingebaut werden kann (Abb. 1). Die an der Cofaktor-Synthese beteiligten menschlichen Gene wurden von unseren beiden Laboratorien gemeinsam identifiBIOspektrum · 1/05 · 11.Jahrgang DGPT-Nachrichten 89 Abb. 1: Biosynthese des Molybdän-Cofaktors mit den beteiligten Genen, ihren Produkten und dem Intermediat Precursor Z. ziert. Nachfolgend erfolgte die Charakterisierung der krankheitsverursachenden Mutationen in betroffenen Patienten und deren Familien. In drei der vier identifizierten Gene wurden solche Gendefekte gefunden. Dies entspricht den drei Typen A, B und C dieser Krankheit, wobei der Typ A mit Mutationen im Gen MOCS1 weitaus am häufigsten ist. Patienten mit derartigen Mutationen können keine Precursor Z mehr bilden. Bei allen drei Formen manifestiert sich kurz nach der Geburt ein progressiver Phänotyp, der zunächst durch nicht therapierbare Krämpfe auffällig wird. Der Ausfall der Molybdän-Cofaktor-abhängigen Sulfit-Oxidase führt zur Akkumulation des zelltoxischen Sulfits, was zur Neurodegeneration und in den meisten Fällen zum Tod im frühen Kindesalter führt. In der Göttinger Arbeitsgruppe wurde ein murines Tiermodell für die häufigste Form der Molybdän-Cofaktor-Defizienz vom Typ BIOspektrum · 1/05 · 11.Jahrgang A konstruiert, um mögliche Therapien testen zu können. Die Molybdän-Cofaktor-defizienten Mäuse sterben innerhalb der ersten 12 Lebenstage. Diese Überlebensspanne und die hier beobachtete Varianz entsprechen – bezogen auf die Entwicklungsreife – der Situation bei den Patienten. Pathologische und biochemische Untersuchungen bestätigten die Vergleichbarkeit mit dem bekannten humanen Krankheitsbild. Der im Tiermodell und bei den Patienten fehlende Molybdän-Cofaktor ist in isolierter Form extrem instabil, weshalb er weder künstlich synthetisiert noch aus anderen Organismen isoliert werden kann, um ihn für therapeutische Zwecke einzusetzen. Gleiches gilt für die Zwischenprodukte der Molybdän-Cofaktor-Synthese, wobei das erste Intermediat – Precursor Z – mit einer Halbwertszeit von etwa einer Stunde am stabilsten ist. Dieser Precursor Z kann von den oben beschriebenen defizienten Mäusen nicht synthetisiert werden. Daher wurde in der Braunschweiger Arbeitsgruppe unter Mitwirkung von José Santamaria ein neues Aufreinigungsverfahren für das Zwischenprodukt entwickelt, was die Isolierung in präparativen Mengen und hinreichender Reinheit ermöglichte, um seine chemische Struktur aufzuklären und ihn therapeutisch einzusetzen. Während Endprodukte des anabolischen Stoffwechsels schon des Öfteren zu Therapiezwecken aus anderen Säugetieren bzw. auch Bakterien isoliert wurden, ist dies das erste Beispiel der Therapie einer Erbkrankheit mit der biosynthetischen Vorstufe eines fehlenden Endproduktes. Der isolierte und hochreine Precursor Z wurde direkt in die Leber von neugeborenen Cofaktor-defizienten Mäusen injiziert, um das schnelle Erreichen des Wirkortes zu gewährleisten. Durch wiederholte Behandlung wurden die Tiere vollständig geheilt. Beide Geschlechter wuchsen aus und waren fertil. Biochemische und pathologische Parameter sowie das Verhalten wurden normalisiert. Gesunde Kontrolltiere zeigten nach entsprechender Behandlung keinerlei negative Effekte. Da das Therapeutikum eine natürliche Zwischenstufe bei der menschlichen Molybdän-Cofaktor-Synthese darstellt, sind derlei negativen Effekte auch nicht zu erwarten. Bei größeren Tieren konnte der Wirkstoff mit gleicher Effektivität auch intraperitoneal bzw. intravenös injiziert werden. Auch dies ist wichtig für die Übertragbarkeit der Prozedur auf den Menschen. Der konservierte Biosynthese-Weg des Molybdän-Cofaktors erlaubt eine Ergänzung („Komplementation“) von Mutationen über Art- und Gattungsgrenzen hinweg. Außerdem erlaubt dies auch eine Übertragung der hier im Tiermodell beschriebenen Therapie auf den Menschen. Derzeit bereiten wir uns auf die erste Behandlung eines an der Molybdän-Cofaktor-Defizienz leidenden Patienten mit der beschriebenen Methodik vor. Literatur Schwarz, G., Santamaria-Araujo, J.A., Wolf, S., Lee, H.J., Adham, I.M., Grone, H.J., Schwegler, H., Sass, J.O., Otte, T., Hanzelmann, P., Mendel, R.R., Engel, W., Reiss, J. (2004): Rescue of lethal molybdenum cofactor deficiency by a biosynthetic precursor from Escherichia coli. Hum Mol Genet 13: 1249–55 Günter Schwarz Jahrgang 1970, Biologiestudium an der József-Attila-Universität in Szeged / Ungarn (1990 – 1992) und an der Technischen Universität Braunschweig (1992 – 1995). 1995 Diplom in Biologie; 1995 – 1998 Dissertation am Botanischen Institut der TU Braunschweig in der Abteilung von Prof. Dr. R. R. Mendel; im Anschluss daran 1998– 2000 Wissenschaftlicher Assistent. 1999 Hein- Jochen Reiss Jahrgang 1959, Studium der Biologie an der Universität Bayreuth in Oberfranken und an der Washington State University in den USA. Diplom- und Doktorarbeit am Lehrstuhl für Genetik der Universität Bayreuth über die bakteri- rich-Büssingpreis des Braunschweiger Hochschulbunds. 2000–2001 Postdoktorand als DAAD-Stipendiat am Center for Molecular Medicine and Structural Biology der State University of New York (Stony Brook, USA) im Labor von Prof. H. Schindelin. 2001–2003 Wissenschaftlicher Assistent und Gruppenleiter am Institut für Pflanzenbiologie der TU Braunschweig. 5/2003 Habilitation an der TU Braunschweig zur Erlangung der Venia legendi in die Lehrgebiete Biochemie und Molekularbiologie. 2004 Ruf zum C3/W2 Professor für Biochemie an die Universität zu Köln. elle Molybdän-Cofaktor-Synthese. Seit 1987 zunächst Post-Doc und dann Arbeitsgruppenleiter am Institut für Humangenetik der Universität Göttingen. Habilitation 1999 an der dortigen Medizinischen Fakultät. Seit 3 Jahren arbeitet er mit Hilfe eines selbst erzeugten Tiermodells an der Therapie der Molybdän-CofaktorDefizienzen sowohl mit biochemischen als auch mit gentherapeutischen Methoden. 90 Korrespondenzadressen: PD Dr. Günter Schwarz Institut für Pflanzenbiologie Technische Universität Braunschweig Spielmannstraße 7 D-38106 Braunschweig PD Dr. Jochen Reiss Institut für Humangenetik Universitätskliniken Göttingen Heinrich-Düker-Weg 12 D-37073 Göttingen Wissenschaftliche Arbeitsschwerpunkte PD Dr. Schwarz ● Humane Molybdäncofaktor-Defizienz und ihre Therapie ● Enzymologie der Molybdäncofaktor-Biosynthese ● Molekulare Grundlagen der Bildung inhibitorischer Synapsen ● Struktur und Funktion pflanzlicher Molybdänenzyme Wissenschaftliche Arbeitsschwerpunkte PD Dr. Jochen Reiss Seit 1994 fördert die DFG meine Forschungsarbeiten zur Molybdän-CofaktorDefizienz. Im Rahmen dieser Arbeiten wurden zunächst die an der Molybdän-Cofaktor-Biosynthese beteiligten Gene identifiziert und anschließend die krankheitsverursachenden Mutationen in diesen Genen charakterisiert. Es folgte die Etablierung eines murinen Tiermodells für die häufigste Form dieser Krankheit – den Typ A. Mit Hilfe dieses Tiermodells erarbeiten wir zurzeit verschiedene Therapiemöglichkeiten für diese und andere Krankheiten. Dies schließt auch die Erzeugung weiterer Tiermodelle ein. Bei den Therapieformen verfolgen wir sowohl biochemische Möglichkeiten als auch gentherapeutische Ansätze. Die biochemischen Substitutionstherapien werden in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Günter Schwarz in Braunschweig durchgeführt. Während wir bei dem Molybdän-Cofaktor-Defizienz Typ A bereits klinische Studien vorbereiten, sind für den Typ B zunächst nur Tierversuche geplant. Bei der Gentherapie verwenden wir zur Zeit verschiedene Protokolle für die Injektion von nackter Plasmid-DNA, wollen aber demnächst in Zusammenarbeit mit der Abteilung Neurologie der Universität Göttingen auch rekombinante Adeno-assozierte Viren (rAAVs) verwenden. Sollten diese Versuche erfolgreich sein, wollen wir diese therapeutischen Strategien auch bei Tiermodellen für andere Erbkrankheiten, wie etwa die lysosomalen Speicherkrankheiten, verwenden.