Hochbetagt und Topmodern – Parallelen der Bayerischen
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Hochbetagt und Topmodern – Parallelen der Bayerischen
Hochbetagt und Topmodern – Parallelen der Bayerischen Landesvermessung 1801 und 2001 Vortrag von Prof. Günter Nagel, Präsident des Bayerischen Landesvermessungsamts, am 10.10.2001 im Rahmen der 200-Jahrfeier der Bayerischen Vermessungsverwaltung Vorbemerkung Das Jahr 1801 war eine Zeit des politischen Umbruchs. Der Feudalismus kam zum Erliegen, es bildeten sich neue Staatsstrukturen und die Industrialisierung bahnte sich an. Heute, 200 Jahre, später erleben wir wieder eine Zeit des Umbruchs. Wir stehen im Zeichen der Globalisierung und des Internets mit noch unvorhersehbaren Konsequenzen. Es soll zunächst die Zeit vor 1801, also vor der Geburtsstunde unserer Verwaltung beleuchtet werden, um dann die Ereignisse um 1801 etwas näher zu betrachten. Ein Sprung in die Gegenwart schließt sich an mit dem Versuch, Parallelen der Bayerischen Landesvermessung zwischen den Zeiträumen um 1801 und 2001 aufzuzeigen. Karte von Philipp Apian Vor dem Eingangsportal des Bayerischen Landesvermessungsamts steht die Büste von Philipp Apian, der im 16. Jahrhundert lebte und die bayerischen Landtafeln schuf. Dieses Werk ist insoweit bemerkenswert, als erstmals ein größeres Territorium, Altbayern, in einem verhältnismäßig großen Maßstab völlig neu erfaßt worden ist und zwar mit damals sehr modernen Methoden, z.B. der astronomischen Ortsbestimmung. Die ursprüngliche Aufnahme hatte den Maßstab 1:45 000, der ganz nahe bei dem für uns heute in topographischen Karten gebräuchlichen Maßstab 1:50000 lag. Das Ergebnis der Neuaufnahme ist im Maßstab 1:135000 mit einer bemerkenswerten Genauigkeit auf 24 Landtafeln dargestellt. Hervorzuheben an den Landtafeln ist, dass sie nach Norden ausgerichtet sind. Das war damals noch nicht üblich; meist wurden Landkarten nach Rom oder anderen geistigen Zentren ausgerichtet. Hauptziel des auftraggebenden Herrschers, Herzog Albrecht V., war, eine Karte seines Herrschaftsbereichs zu haben, die er an die Wand hängen konnte, um stolz seinen Besitz zu dokumentieren. Die Apian‘sche Karte hatte lange Bestand. In den Folgejahren wird sie im wahrsten Sinne des Wortes abgekupfert. Der Kupferstich war damals das übliche Verfahren zur Vervielfältigung zeichnerischer Vorlagen. In einem solchen, von Weinerus gefertigten Abkömmling ist die Kartenstruktur nahezu die gleiche geblieben. Sicherung des Grundeigentums Ein zweites Motiv der Geodäsie ist die Grundstücksvermessung. Schon sehr früh war der Wunsch da, einen bestimmten Herrschaftsbereich oder das Eigentum an einem Grundstück zu befrieden und mit Grenzsteinen zu versehen. Bei Grafschaften usw. tat man dies mit schweren Grenzsteinen oder Friedsäulen, die nicht so ohne Weiteres weggeschleppt werden konnten. Im Detail, bei Einzelgrundstücken, ging das nicht so ohne Weiteres. Friedsäulen wären beim Bewirtschaften der Grundstücke hinderlich gewesen. Hier hat sich insbesondere im Fränkischen eine andere Eigenart herausgebildet, das Siebener- oder auch Feldgeschworenenwesen. Die Feldgeschworenen waren ehrenwerte Bürger in ihren Gemeinden. Sie brachten geheime Zeichen unter den Grenzsteinen an, in einer bestimmten Anordnung, die nur ihnen bekannt war. So konnten sie feststellen, ob etwa ein Grenzstein versetzt worden war. Dieses Unterlegen der Grenzsteine ist im Fränkischen noch heute sehr verbreitet. Wissenschaft der Erdmessung Ein drittes Motiv kommt in unserem Berufszweig noch hinzu, die Wissenschaft. Im 17. Jahrhundert, will man die Figur der Erde etwas genauer ergründen. Isaac Newton sagt theoretisch voraus, daß die Erde nur in erster Näherung keine Kugel sein kann. Nach seinen Überlegungen mußte sie die Form eines Ellipsoids haben, d.h. einer Kugel, die an den Polen etwas abgeplattet und am Äquator etwas ausgebaucht ist. Da die Erde im Inneren flüssig ist, schleudert der Erdkörper am Äquator aufgrund der Erddrehung die Erdmassen etwas nach außen. Für diese Theorie fehlte allerdings der Beweis. Und so kommt es, dass die französische Akademie der Wissenschaften, die im 18. Jahrhundert in der Erdmessung führend war, Expeditionen entsendet, einmal in die Nähe des Äquators nach Peru und eine weitere in den hohen Norden nach Lappland. An beiden Stellen wird ein Meridianteilstück gemessen und daraus jeweils der Radius der Erde an dieser Stelle bestimmt. Tatsächlich kann festgestellt werden, dass der Erdradius am Äquator etwas kleiner und im hohen Norden etwas größer ist. Auf diese Weise konnte die Dimension des Erdellipsoides berechnet werden und es entstand das sogenannte Laplace Ellipsoid. Politische Ausgangssituation um 1800 Wie sieht es kurz vor der Geburtsstunde der Bayerischen Vermessungsverwaltung in Bayern auf dem Gebiet der Meßtechnik aus? Es lebt Adrian von Riedl, der von Kurfürst Karl Theodor gerne den Auftrag bekommen hätte, eine neue Karte von ganz Bayern zu erstellen. Hierzu ist er alleine allerdings nicht in der Lage. Die Ideen der Französischen Revolution breiten sich sehr rasch in Europa aus und kommen schließlich auch nach Bayern. In der Schlacht bei Hohenlinden am 03.12.1800 siegt Frankreich über Österreich und besetzt Bayern. Trotz seines Sieges war Napoleon mit den bayerischen Karten, Abkömmlingen der Apian`schen Karte, nicht so glücklich; er war ja als Kartenliebhaber auf diesem Gebiet sehr anspruchsvoll. Deshalb gab er den Befehl, eine genaue topographische Karte von Bayern zu schaffen. Die französischen Offiziere begannen auch unverzüglich mit diesem Projekt. Sie kamen allerdings nicht sehr weit. Am 09.02.1801 wurde der Frieden von Lunéville geschlossen. Bayern wird zu einem souveränen Staat und die Franzosen zogen wieder ab. Ihre Idee, eine neue Karte von ganz Bayern zu schaffen, blieb jedoch erhalten. Gründung des Topographischen Bureaus Kurfürst Maximilian IV. Joseph, der spätere König Max I., gründete mit Urkunde vom 19. Juni 1801 das Topographische Bureau, die Keimzelle der Bayerischen Vermessungsverwaltung. Ziel war die Herstellung einer genauen topographischen Karte des neu zusammengefügten Landes Bayern. Die Frage war nun, wie kann so ein Projekt verwirklicht werden? Außer bei Adrian von Riedl war in Bayern kaum geodätisches Wissen vorhanden. Führend auf dem Gebiet der Messtechnik waren die Franzosen. Darum bat Kurfürst Maximilian IV. Joseph, französisch erzogen und ermutigt von seinem mächtigen Minister, dem Grafen Montgelas, die nun mit Bayern verbündeten Franzosen um eine entsprechende Aufbauhilfe. Und so kommt es, dass der französische Ingenieurgeograph Charles Rigobert Marie Bonne die Leitung über dieses Projekt bekommt. Messung der Basislinie Um ein Land von der Größenordnung Bayerns zu vermessen, ist es erforderlich, einen Vergleichsmaßstab festzulegen. Hierzu misst Oberst Bonne so präzise wie nur möglich eine Basislinie von München Oberföhring nach Aufkirchen. Im relativ ebenen und unbewohnten Erdinger Moos werden transportable horizontale Stege gelegt. Darauf werden 5 genau geeichte Meßlatten von jeweils 5 m Länge in wechselnder Folge aneinander gereiht. Kleine Höhenunterschiede werden mit einem Senkblei abgelotet. Danach geht es auf dem anderen Niveau wieder weiter. Auf diese Weise ist in über 40 Tagen mit einer größeren Meßtruppe die Basislinie mit einer Länge von 21,65 km gemessen worden. Beide Endpunkte, in Oberföhring und Aufkirchen, sind heute noch vorhanden und mit Steinpyramiden versehen. Die Messung im Metermaß ist insoweit überraschend, als damals in Bayern noch das Fußmaß üblich war. Die Detailmessung erfolgte im Fußmaß, bis 1872 endgültig das Metermaß eingeführt wurde. Triangulierung Die aufwändig gemessene Basislinie mußte nun auf das ganze Land übertragen werden. Dies geschah im Zuge einer Triangulierung. Dabei werden wenigstens zwei Winkel jeweils eines Dreiecks gemessen. Auf diese Weise kann die Basislinie rechnerisch auf die anderen Dreiecksseiten übertragen werden. Schließlich können die Koordinaten der trigonometrischen Festpunkte berechnet werden. Als Nullpunkt dieses Koordinatensystems wurde die Spitze des Nordturms der Münchener Frauenkirche gewählt. Die Dreiecksseite von diesem Ursprung zur Kirchturmspitze in Aufkirchen wurde mit einer astronomischen Meßmethode orientiert. Die Winkelmessung geschah zunächst mit einem sogenannten Bordakreis, den der Franzose Jean Charles Borda entwickelt hatte. Mit diesem Gerät, das zwei auf einem Teilkreis gegeneinander verdrehbare Fernrohre besitzt, kann der Winkel zwischen 2 Zielvisuren in einer Positionsebene gemessen werden. Dieser Winkel muß dann noch rechnerisch in die horizontale Ebene reduziert werden. Die Geräte, die wir heute dazu benützen, sind etwas anders konstruiert; es sind Theodolite, die damals allerdings sehr groß und schwerfällig waren und deshalb hauptsächlich stationär in Sternwarten eingesetzt worden sind. Instrumentenbau Nun kommt in Bayern eine bemerkenswerte Entwicklung in Gang. Namen wie Reichenbach, Fraunhofer und Utzschneider finden sich zusammen. Sie entwickeln einen Theodolit, der wesentlich kleiner ist als die bisher bekannten und darüber hinaus sogar noch wesentlich genauer. Georg Friedrich von Reichenbach, ein genialer Konstrukteur, der in England gearbeitet hatte und die dortigen Erfahrungen mit nach Bayern brachte, konstruierte eine Kreisteilmaschine, mit der es möglich war, die Teilstriche auf dem Theodolit so präzise anzubringen, dass man auf eine Winkelsekunde genau ablesen konnte. Um hierzu eine Vorstellung zu geben: Eine Winkelsekunde entspricht auf 1 km Entfernung einem Abstand von einem halben Zentimeter. Der zweite im Bunde ist Joseph von Fraunhofer; er konstruierte hervorragende Linsen. Dies war erforderlich, um die Ziele im Fernrohr genau genug einstellen zu können. Motor für die Neuentwicklung war Joseph von Utzschneider, der das Ganze finanziert und gemanagt hat. Johann Georg von Soldner, ein Franke, der zunächst in Berlin wirkte und von Utzschneider nach München geholt wird, schafft die theoretischen Grundlagen des Messungssystems. Die Dimensionen des von den Franzosen bestimmten Laplace Ellipsoids waren bekannt. Auf diesem Körper zu rechnen wäre allerdings etwas umständlich gewesen. Der Formelapparat ist wesentlich komplizierter, als wenn man eine Kugel zugrunde legt. Soldner ersetzt das Erdellipsoid durch eine Kugel, die bestangeschmiegt den Zentralpunkt München berührt. Damit konnten die Rechenformeln wesentlich vereinfacht und die Koordinaten der einzelnen trigonometrischen Punkte leichter berechnet werden, denn Rechenmaschinen gab es damals noch nicht. Ein weiterer Vorreiter tritt noch hinzu. Es ist Pater Ulrich Schiegg OSB, Mönch der Benediktinerabtei Ottobeuren. Ulrich Schiegg war Astronom und trat nach der Säkularisation in die Dienste der Steuervermessungskommission ein. Er führte die Messungen fort, schuf die administrativen Grundlagen, insbesondere die Blatteinteilung der Flurkarten, und entwarf 1808 weit vorausschauend die Instruktion für die Geometer und Geodäten. Parzellarvermessung Man konnte nun die Koordinaten der vorweg bestimmten trigonometrischen Punkte in die jeweiligen Flurkartenblätter eintragen und mit der Einzelaufnahme beginnen. Diese Pazellarvermessung geschah mit dem Meßtisch, auf dem das noch rohe Flurkartenblatt befestigt wurde. Die Aufnahme der Flurstücksgrenzen, Gebäude usw. erfolgte mit der Kippregel, einem Lineal mit beweglich aufgesetztem Fernrohr. Wieder war es Reichenbach, der eine geniale Konstruktionsidee hatte. Er brachte oberhalb und unterhalb des Fernrohrfadenkreuzes zwei zusätzliche Strichmarken an. Mit diesen sogenannten Distanzfäden konnte der Abschnitt einer Meßlatte abgelesen und so auf die Entfernung des aufzunehmenden Punktes geschlossen werden. In der entsprechenden Richtung und im entsprechenden Maßstab abgetragen, entstand nach und nach der Inhalt der gesamten Flurkarte. Auf diese Weise wurden für ganz Bayern Flurkarten geschaffen, die dem Hauptzweck dienen sollten, die Grundsteuer gerecht erheben zu können. Wie gesagt, Rechenmaschinen gab es damals noch nicht. Deshalb wurden die einzelnen Flurstücke zeichnerisch in Dreiecke zerlegt und die Flächen dieser Dreiecke aufgrund der graphisch entnommenen Maße im Flächenmaß Tagwerk bestimmt. Außer der Fläche wurde auch noch die Ertragsfähigkeit der Grundstücke durch örtliche Erhebungen erfaßt. Das Produkt aus Fläche mal Bonität ergab das Maß für die Besteuerung der Grundstücke. Diese Angaben wurden schließlich in das Grundsteuerkataster eines jeden Eigentümers eingetragen. Herstellung topographischer Karten Parallel zur Katastervermessung wurde auf der gleichen geodätischen Grundlage mit der Herstellung topographischer Karten begonnen, die vorrangig das Militär forderte. Bei der topographischen Geländeaufnahme wurden auch die dritte Dimension (z.B. Berge, Täler) und sonstige topographische Gegebenheiten wie Flüsse, Wege, Bewuchs, erfaßt. Hierzu wurde zunächst mit dem Meßtisch gearbeitet, später mit Theodoliten, in die ein Kompaß eingebaut war (Bussolentachymeter). Ergebnis der Aufnahme war ein Positionsblatt im Maßstab 1:25000, das für den Gebrauchszweck in den topographischen Atlas des Maßstabs 1:50000 übertragen wurde, ein Maßstab wie wir ihn auch heute noch gewohnt sind. Vervielfältigung der Karten Eine weitere Frage war zu lösen: Wie sollen die Karten vervielfältigt werden? Hier kommt ein weiterer glücklicher Umstand zugute. Alois Senefelder, der zu dieser Zeit in München lebt, erfindet 1798 die Lithographie, eine Drucktechnik, die es erlaubt, relativ kostengünstig zeichnerische Produkte, so auch Landkarten, vervielfältigen zu können. Das bis dahin bekannte Verfahren der Vervielfältigung über den Kupferstich wäre für die zahlreichen Karten viel zu teuer gewesen, denn Kupfer gab es in Bayern nicht. Dafür gab es Lithographiesteine, nämlich in Solnhofen. Die zum Zwecke des Kartendrucks erzeugten Lithographiesteine sind heute noch im Landesvermessungsamt aufbewahrt; Es sind ca. 27000 mit einem Gewicht von ca. 1600 Tonnen. Dieses größte Lithographiesteinlager der Welt, steht aufgrund seiner Einmaligkeit unter Denkmalschutz. Organisation des amtlichen Vermessungswesens Auf die Geschichte um das Jahr 1801 folgt nun ein Sprung in die Gegenwart. Organisatorisch ist heute noch das Bayerische Staatsministerium der Finanzen für das amtliche Vermessungswesen zuständig. Nachgeordnet ist das Bayerische Landesvermessungsamt mit den wesentlichen Aufgabengebieten Lage- und Höhenfestpunkte, topographische Geländeaufnahme, Topographische Karten, Luftbilder, Digitales Geländemodell und Amtliches Topographisch-Kartographisches Informationssystem. Für das Kataster sind verwaltungsmäßig auf der Mittelebene 5 Bezirksfinanzdirektionen zuständig. Sie führen die Aufsicht über die 79 Vermessungsämter, deren Aufgabe die Katastervermessung und die Führung des Grundstücks- und Bodeninformationssystems ist. Satellitenpositionierungsdienst Für die Festpunktbestimmung setzen wir heute das Globale Positionierungssystem (GPS) ein. Dieses System haben die Amerikaner insbesondere für militärische Zwecke entwickelt. Es besteht aus 25 Satelliten, die in ca. 20000 km Höhe die Erde auf exakt abgestimmten Bahnen umkreisen, so dass man an jeder Stelle der Erde zu jeder Zeit mindestens 4 solcher Satelliten beobachten kann. Diese Satelliten senden hochgenaue Peilsignale aus, mit denen die Entfernungen zu den Satelliten gemessen werden können. Über bestimmte Rechenmechanismen kann man so die Lage des Ortes bestimmen, auf dem der Satellitenempfänger steht. Ohne zusätzliche Hilfsmittel erreicht man damit eine Genauigkeit in der Größenordnung von wenigen Metern. Das ist zwar schon sehr respektabel, wenn man die große Entfernung zu den Satelliten bedenkt. Eine Genauigkeit von ca. 10 m schafft man sogar mit einem einfachen Handempfänger, der heute für ca. 400 DM erhältlich ist. Wir Geodäten stellen jedoch insbesondere im Kataster höhere Genauigkeitsanforderungen, wir brauchen den Zentimeter. Hierzu haben wir den Satellitenpositionierungsdienst der Deutschen Landesvermessung SAPOS® eingerichtet. SAPOS® besteht aus einem System von Permanentstationen, deren geodätische Lage genau bekannt ist. Eine solche Permanentstation empfängt ständig die Satellitensignale, die durch verschiedene Einflüsse, z.B. ionosphärische Störungen, geringfügig verfälscht sind. Auf Grund ihrer bekannten Lage kann in jeder Permanentstation festgestellt werden, welche Abweichung dort in einem bestimmten Zeitpunkt gerade vorliegt. Die Permanentstationen empfangen ständig die Satellitensignale und senden sie per Datenleitung nach München an die Rechenzentrale des Bayerischen Landesvermessungsamts. Dort werden Korrekturdaten bestimmt und diese über Mobiltelefon (GSM) einem Nutzer mitgeteilt, der sich irgendwo innerhalb eines Dreiecks von Permanentstationen befindet. Die errechnete Korrektur bringt der Nutzer an die Daten an, die er gerade selber empfängt. Auf diese Weise kann die Position der beweglichen Station zentimetergenau bestimmt werden. Das Verfahren kann sogar für bewegte Objekte, z.B. die Verkehrsnavigation, eingesetzt werden. Höhenmessung Wir messen nicht nur die Lage, sondern auch die Höhe von Punkten. Dabei beziehen wir uns auf den Amsterdamer Pegel und übertragen die dortige mittlere Meereshöhe mit einem Nivelliergerät auf ein ausgedehntes Netz von Nivellementpunkten. Ein Nivelliergerät kann man sich als ein Fernrohr mit einer aufgesetzten Wasserwaage vorstellen. Bei hohen Bergen wäre das Nivellieren allerdings etwas mühevoll. Daher werden große Höhenunterschiede mit einer Winkel- und Streckenmessung überbrückt. Nun hat die Erde die Eigenschaft, dass die ruhende Meeresoberfläche, die man sich unter dem Festland fortgesetzt vorzustellen hat, gar nicht so rund ist. Sie ist nur in erster Annäherung keine Kugel, in zweiter Annäherung ein Ellipsoid; im Weiteren spricht man vom Geoid, das gegenüber dem Idealkörper eines Ellipsoides recht unregelmäßig geformt ist. Die Ausbuchtungen und Dellen nehmen Größenordnungen von über 100 m an. Früher hat sich Bayern auf den Adriapegel bei Triest bezogen, der etwas tiefer liegt als der Nordseepegel. Die Österreicher beziehen sich noch heute auf den Adriapegel und dementsprechend sind die dort angegebenen Höhen ca. 30 cm tiefer als jene in Bayern. Die Höhenfestpunkte sind meist an Hauswänden in Form von Metallbolzen angebracht. Auf Bergspitzen wird die Höhe vielfach durch trigonometrische Punkte dargestellt. Luftbildmessung Wie soll nun das sichtbare Gelände in eine lesbare Karte übertragen werden? Früher hat man ausgewählte topographische Gegebenheiten mit dem Meßtisch oder einem Tachymeter erfaßt, d.h. Punkt für Punkt wurden Wege, Gewässer, Geländehöhen usw. „abgetastet“. Heute benutzen wir vorzugsweise eine andere Methode, die Luftbildmessung. Sie geschieht mit Spezialflugzeugen, in die eine Kamera mit einem Bildformat von 23 x 23 cm eingebaut ist. Wir vergeben solche Befliegungsaufträge an Privatfirmen. Das Flugzeug fliegt die Landschaft streifenförmig ab, und zwar so, dass sich die erzeugten Luftbilder teilweise überdecken. Im Überlappungsbereich kann der Bildinhalt photogrammetrisch ausgemessen werden. Nun ist die Erdoberfläche gerade in Bayern nur selten ganz eben, dementsprechend ist der Bildinhalt verzerrt, z.B. ist im Luftbild ein Flächenstück auf einem Berg etwas größer dargestellt als ein entsprechend großer Ausschnitt im Tal. Deshalb setzen wir das Luftbild in ein sogenanntes Orthophoto um, das überall den Regelmaßstab 1:5000 aufweist. Dazu wird das Luftbild in kleine Bildelemente zerlegt, die rechnerisch auf eine Ebene projiziert werden. Auf diese Weise ist es möglich, das Orthophoto mit anderen Kartenprodukten zu überlagern, beispielsweise mit einer Katasterkarte. Gebietstopographen Leider sind nicht alle Informationen, die in einer Karte dargestellt werden sollen, aus dem Luftbild zu ersehen. Zur ergänzenden Aufnahme von Straßenbezeichnungen, Ortsnamen, zur Klassifizierung unterschiedlicher Flächen wie Gewerbegebiet, Baugebiet usw., ferner von Details in Waldgebieten haben wir unsere Gebietstopographen. Sie sind mit einem GPSEmpfänger ausgestattet, der es ermöglicht, ausgewählte Punkte zu bestimmen und auf der elektronisch gespeicherten Kartengrundlage in einem Laptop darzustellen. Zur Steigerung der Datenaktualität von Verkehrswegen und Straßen benützen die Gebietstopographen ein Messfahrzeug mit einer eingebauten GPS-Antenne. Die Fahrstrecke wird dabei in einem Laptop aufgezeichnet und kann anschließend digital weiterverarbeitet werden. Amtliches Topographisch-Kartographisches Informationssystem (ATKIS®) Die erfaßten topographischen Daten werden in das Amtliche Topographisch-Kartographische Informationssystem (ATKIS®) umgesetzt. Die Präsentation daraus wirkt im Vergleich zu einer topographischen Karte weniger anschaulich als eine topographische Karte. Der Vorteil von ATKIS®-Daten besteht darin, logische Abfragen an ihren Inhalt stellen zu können. Beispielsweise kann durch Anklicken einer Straße danach gefragt werden, um welche Straßenart es sich handelt und wie ihre Bezeichnung lautet. Ein Anwender könnte Informationen hinzu speichern, z.B. die Beschaffenheit des Straßenbelags, die Fahrbahnbreite, das Verkehrsaufkommen usw. Es gibt entsprechende Programme, bestimmte thematische Karten, z.B. eine Straßenkarte aus den ATKIS®-Daten abzuleiten. Die ausgewählten Daten haben Priorität, während andere in den Hintergrund treten. Topographische Karten Natürlich wollen wir auf die gewohnten topographischen Karten nicht verzichten. Die ATKIS®-Daten sind in Bayern so strukturiert, dass die Topographische Karte des Maßstabs 1:25000 (TK 25) automatisch daraus abgeleitet werden kann. Aber wir wollen ja nicht nur die TK 25 haben, sondern auch Karten in einem kleineren Maßstab. Nun könnte man vordergründig daran denken, die TK 25 einfach zu verkleinern, z.B. mit einer Reprokamera. Wenn wir auf diese Weise z.B. auf den Maßstab 1:100000 gehen würden, dann wäre eine solche Karte nicht mehr lesbar, allenfalls mit einer Lupe. Deswegen muß der Karteninhalt generalisiert werden, d.h. die Kartengrundlage muß so ausgedünnt und auch vergröbert werden, daß die Verkleinerung im Duktus wieder dem Ausgangsmaßstab entspricht. Bei dieser Generalisierung sind Straßen aufzuweiten, manche Details müssen weggelassen werden, die Häuser sind zusammenzuschieben. Die Generalisierung ist ein sehr komplexer Vorgang, der heute noch nicht und wahrscheinlich auch nicht in naher Zukunft ohne menschlichen Eingriff befriedigend gelöst werden kann. Digitales Geländemodell Zur Aufnahme der Geländeoberfläche setzen wir ein neues Verfahren ein, das Laserscanning. Dabei wird von einem Flugzeug ein Laserstrahl ausgesendet, der hin und her pendelt. Das Flugzeug ist über das GPS-System orientiert, d.h. es ist in jedem Moment genau positioniert und der Laserstrahl ist dies über eingebaute Richtungssensoren folglich auch. Der so orientierte Strahl wird von den getroffenen Geländepunkten zurückgeworfen. Über die Laufzeit des Strahls kann das Gelände „abgetastet“ werden. Der Laserstrahl fällt auch auf Bäume, Häuser und sonstige Gegenstände, die aus der Erdoberfläche hervorragen bzw. auf ihr stehen. Diese Punkte sollen herausgefiltert werden. Bei Bäumen fällt manchmal der Messstrahl durch Lücken bis auf den Erdboden, manchmal bleibt er an einem Ast oder an den Blättern „hängen“. Über Rechenmechanismen können Punkte am Boden herausgefiltert werden. Natürlich bleiben Unklarheiten bestehen, die wiederum unsere Topographen in der Natur klären müssen. Schließlich können wir das Digitale Geländemodell (DGM) von ganz Bayern erzeugen und dieses z.B. in einem sogenannten Drahtgittermodell darstellen. Wir benützen das DGM zur Entzerrung der Luftbilder. Hierzu müssen wir die Höhenunterschiede der Erdoberfläche kennen. Damit lassen sich Einzelausschnitte des Luftbildes auf dieses Modell blenden und dann in die Ebene projizieren, um letztendlich zum Orthophoto zu gelangen. Das DGM dient aber auch dazu, beispielsweise die Ausbreitung von Funkrichtungen zu simulieren, um die Aufstellung von Funkmasten optimieren zu können, es dient auch zur Darstellung hochwassergefährdeter Gebiete. Das DGM kann auch mit dem digitalen Orthophoto kombiniert werden. Dadurch entsteht ein zwar synthetisches, aber sehr anschauliches Modell der Landschaft, das von verschiedenen Seiten betrachtet und auch für Navigationszwecke verwendet werden kann. Das DGM ist auch in einem neuen Produkt des Bayerischen Landesvermessungsamtes, der CD TOP 50, hinterlegt. Auf 2 solcher Scheiben ist der Inhalt der topographischen Karten des Maßstabs 1:50000 von ganz Bayern enthalten, die datentechnisch auf das DGM gelegt werden können. Damit bietet sich die Möglichkeit, Geländeausschnitte von verschiedenen Richtungen räumlich zu betrachten. Mit einer Rot-Grün-Brille kann sogar ein Stereoeffekt erzeugt werden, z.B. zur Planung einer Bergtour. Katastervermessung Bei der Katastervermessung wird heute als Messgerät ein elektronisches Tachymeter eingesetzt. Damit werden Entfernung und Richtung z.B. zu Grenzpunkten gemessen. Die Daten werden auf ein Laptop übertragen und dort weiter verarbeitet zur Digitalen Flurkarte (DFK), die ähnlich wie ATKIS® aufgebaut ist. Die DFK wird in Kombination mit den beschreibenden Daten zum Amtlichen Liegenschaftskataster Informationssystem (ALKIS®) entwickelt. Es sind Überlegungen im Gange, beide Systeme, ALKIS® und ATKIS®, datentechnisch miteinander zu verbinden. Schlußbetrachtung Im Grunde genommen hat sich in den zurückliegenden 200 Jahren gar nicht so viel geändert. Die insbesondere Anfang des 19. Jahrhunderts vielfach aus dem Nichts heraus entwickelten Methoden sind verfeinert und auch vereinfacht worden. Im Ansatz sind sie gleich geblieben. Bemerkenswert ist, dass das amtliche bayerische Vermessungssystem von Anfang an ein Informationssystem war, das verschiedenen staatspolitischen Zwecken dienen sollte. Sowohl die Katasterkarten, als auch die topographischen Karten beruhten auf einer einheitlichen geodätischen Basis. Die Karten konnten lückenlos über die gesamte Fläche Bayerns aneinander gefügt werden. All das sind Forderungen, die auch unsere modernen Geoinformationssysteme erfüllen müssen. Auch die wichtige Frage der Aktualisierung war vorgesehen. Echte Entwicklungssprünge sehe ich in der Fernerkundung. Ich meine damit die Luftbildmessung, das Laserscanning und ich zähle im weitesten Sinne auch GPS dazu, also das Satellitenmessverfahren. Eine wesentliche Neuerung sehe ich darin, dass unsere heutigen Geobasisdaten, ALKIS® und ATKIS®, von datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten einmal abgesehen, liberalisiert werden. Vielfach ist es jetzt schon möglich, dass unsere Daten von jedermann über das Internet tagaktuell abgerufen werden können. Unsere Daten können mit weiteren Informationen verknüpft und mit einfachen Messmethoden in die Natur übertragen werden. Informationen aus der Natur lassen sich auch auf einfache Weise in das Datensystem einbringen und von dort in die Natur übertragen. Damit werden Geoinformationssysteme dynamisch. Was dies für die Zukunft bedeutet, vermag heute noch niemand so recht vorherzusehen.