Bolzen- und Stiftverbindungen
Transcription
Bolzen- und Stiftverbindungen
Bolzen- und Stiftverbindungen Konstruktionslehre Studiengang Mechatronik 1. Semester Prof. Dr.-Ing. M. Reichle Inhaltsverzeichnis -I- Inhaltsverzeichnis 1 Stiftverbindungen ..................................................................................... 1 1.1 Definition und Einteilung ...................................................................... 1 1.2 Stifte ................................................................................................... 1 2 Bolzen ....................................................................................................... 2 3 Verwendung .............................................................................................. 3 4 Berechnung ............................................................................................... 6 4.1 Berechnung eines Gabelkopfbolzens ................................................... 6 4.2 Berechnung eines Steckstifts mit Querzug ........................................... 7 4.3 Berechnung eines Querstifts mit Drehmomentbelastung ....................... 9 4.4 Berechnung eines Flanschstifts mit Drehmomentbelastung ................. 10 4.5 Zulässige Spannungen und Pressungen ............................................. 10 Literatur ....................................................................................................... 12 Stiftverbindungen -1- 1 Stiftverbindungen 1.1 Definition und Einteilung Stifte dienen zum Verbinden, Befestigen, Mitnehmen, Halten, Zentrieren, Fixieren, Sichern, Verschließen u. dgl. von Maschinenteilen. Sie sind nur für das Übertragen kleiner, stoßfreier und möglichst nicht wechselnder Drehmomente geeignet. Stiftverbindungen sind lösbare Verbindungen. Sie können fest (2 Stifte, Lagesicherung) oder beweglich, d. h. führend ausgeführt werden. Bolzen stellen Gelenkverbindungen her, d. h. mindestens ein Teil ist beweglich (Spielpassung). Die Einteilung der Stiftverbindungen erfolgt nach ihrer geometrischen Form, wie in Bild 1.1 dargestellt. Stiftverbindungen Stiftverbindungen Stifte Stifte Zylinderstifte Kegelstifte Bolzen Bolzen Kerbstifte ohne Kopf mit Kopf Bild 1.1: Systematische Einteilung der Stiftverbindungen 1.2 Stifte Ihrer Form nach unterscheidet man grundsätzlich zwischen Zylinderstiften, Kegelstiften und Kerbstiften. Im Bauteil oder in den Bauteilen sitzen sie mit Vorspannung. Bild 1.2 zeigt eine Auswahl der wichtigsten Stifte. Bolzen -2Zylinderstift DIN EN ISO 2338 Zylinderstift mit Innengewinde DIN EN ISO 8733 Zylinderstift (gehärtet) DIN EN ISO 8734 Knebelkerbstift DIN EN ISO 8743 Zylinderkerbstift DIN EN ISO 8740 Kegelstift DIN EN 22339 Kegelstift mit Gewindezapfen DIN 258 Bild 1.2: Grundformen der Stifte 2 Bolzen In Bild 2.1 sind gebräuchliche Ausführungsformen von Bolzen dargestellt. Werden die zu verbindenden Teile mit einer Spielpassung gefügt, ist eine Sicherung gegen Herausfallen notwendig. Bolzen ohne Kopf DIN EN 22340 Form A ohne Splintloch Form B mit Splintloch Bolzen mit Kopf DIN 5526 Form A ohne Splintloch Form B mit Splintloch Bild 2.1: Grundformen von Bolzen Bild 2.2 zeigt handelsübliche Ausführungen von Kerbstiften. Verwendung -3- Bild 2.3: Kerbstifte 3 Verwendung 1. Lagesicherung Stift Beispiel: Lagesicherung am Beispiel eines Getriebekastens Hinweis: Stift Die Stifte sollten nicht symmetrisch angeStift ordnet werden, um zu verhindern, dass die beiden Gehäusehälften des Getriebes falsch zusammengesetzt werden. Bild 3.1: Lagesicherung eines Getriebekastens Verwendung -4- 2. Kraftübertragung 1 F F Beispiel: 2 b b l b 2 Gabelkopf d Stangenkopf Kraftübertragung an einem Gabelkopf Bild 3.2: Gabelkopf 3. Weitere Anwendungsbeispiele Bild 3.3: Anwendung von Zylinder- und Kegelstiften Verwendung Bild 3.4: Anwendung von Kerbstiften- und Nägeln Bild 3.5: Bolzenverbindungen -5- Berechnung -6- 4 Berechnung 4.1 Berechnung eines Gabelkopfbolzens Anhaltswerte für die Gestaltung, um eine möglichst gleichmäßige Pressungsverteilung zu erreichen, siehe Bild 4.1. l = 3,0 – 4,0 ⋅ d Beanspruchungen: b 1 = 1,5 – 2,0 ⋅ d b 2 = 0,8 – 1,0 ⋅ d • Biegung • Abscheren • Flächenpressung Die Größe der Biegebeanspruchung hängt von den Belastungs- und Einspannverhältnissen (Passungen, Starrheit der Gabel) ab. Günstig: b2 F 2 b1 • Bolzenenden im Gabelkopf starr einge- F • Gleichmäßig verteilter Kraftangriff am b2 F 2 spannt. Stangenkopf. Bild 4.1: Pressungsverteilung an ei- Mb max = nem Bolzen F b2 b1 2 2 F 2 • Bolzen liegt frei auf. • Punktförmiger Kraftangriff in der Mitte des Stangenkopfes. Mb max = Bild 4.2: (4.1) Ungünstig: F 2 Mb F ⋅ b1 12 Punktförmiger Kraftangriff F ⋅ (b1 + b2 ) 4 (4.2) Berechnung -7- F 2 Praktische Annahme für Berechnung: F 2 b1 4 • Bolzen liegt frei auf. Mb F 2 F 2 • Punktförmiger Kraftangriff in zwei Punk- b2 2 ten des Stangenkopfes. Mbmax = Bild 4.3: Kraftangriff in zwei Punkten F b1 b 2 F b ⋅ ( + ) = ⋅ ( 1 + b2 ) 2 4 2 4 2 (4.3) Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man, wenn überall gleichmäßig verteilter Kraftangriff und biegeweiche Gabel angenommen wird. Damit ergibt sich die Biegespannung b F b1 ⋅ ( + b2 ) 8 ⋅ F ⋅ ( 1 + b2 ) Mb 2 σb = = 4 2 3 = Wb d π ⋅ d3 π⋅ 32 (4.4) und die Scherspannung τ ab 1 ⋅F 2 ⋅F = 2 = A π ⋅ d2 (4.5) Ungeachtet obiger Überlegungen zu Einspannung und Kraftangriff rechnet man die Flächenpressung (Leibungsdruck) zu: p Gabel = F 2 ⋅ b2 ⋅ d (4.6) F b1 ⋅ d (4.7) p S tan ge = 4.2 Berechnung eines Steckstifts mit Querzug Entscheidend für die Dimensionierung sind die Biegespannung an der Einspannstelle und die Flächenpressung in der Einspannung. Berechnung -8- h σb F b h+b/2 F pb d Bild 4.4: pq Steckstift mit Querzug σb = Mb F⋅h 32 ⋅ F ⋅ h = = 3 Wb d π ⋅ d3 π⋅ 32 (4.8) Das Kräftepaar übt auf den Bolzen ein Moment aus. b M = F ⋅ (h + ) 2 (4.9) Aus diesem Moment resultiert eine Flächenpressung p b . M pb = = W b b F ⋅ (h + ) 6 ⋅ F ⋅ (h + ) 2 = 2 b2 d ⋅ b2 d⋅ 6 (4.10) Aus der Querkraft F ergibt sich die Flächenpressung p q . pq = F A Pr ojektion = F d⋅b (4.11) Die maximal auftretende Flächenpressung p max beträgt demnach: pmax = pb + p q = 4 ⋅ F ⋅ (1,5 ⋅ h + b) d ⋅ b2 (4.12) Berechnung -9- 4.3 Berechnung eines Querstifts mit Drehmomentbelastung D Pressung Mt Anhaltswerte: d/D = 0,2 ÷ 0,3 Stahl / Stahl s D N /D ≈ 2 D N /D ≈ 2,5 Guss / Stahl d DN Bild 4.5: Querstift mit Drehmomentbelastung Die Flächenpressung in der Welle ergibt sich aus der Biegung des Bolzens im inneren der Welle: pmax Welle = M 6⋅M = W d ⋅ D2 (4.13) Die Flächenpressung in der Nabe beträgt: pNabe = F = A M 1 ⋅ D −D D −D D+ N d⋅ N 2 2 pNabe = M d ⋅ s ⋅ (D + s) mit 1 (DN − D) = s 2 (4.14) Die Scherspannung im Stift berechnet sich aus der Umfangskraft und der Scherfläche zu: τ Stift = F 2⋅M 4 4⋅M = ⋅ = A D π ⋅ d 2 ⋅ 2 D ⋅ π ⋅ d2 (4.15) Berechnung - 10 - 4.4 Berechnung eines Flanschstifts mit Drehmomentbelastung b d b Fu um 90° in Zeichenebene gedreht pb aus Biegung pu aus Umfangskraft D pmax Summe Mt Mt Bild 4.6: Flanschstift mit Drehmomentbelastung Umfangskraft je Stift: z = Anzahl der Stifte FU = 2 ⋅ Mt D⋅z (4.16) pb = Mb FU ⋅ b ⋅ 6 3 ⋅ FU = = W 2 ⋅ d ⋅ b2 d⋅b (4.17) pu = FU b⋅d (4.18) pmax = pb + pU = τ= 4 ⋅ FU b⋅d 4 ⋅ FU π ⋅ d2 (4.19) (4.20) 4.5 Zulässige Spannungen und Pressungen In Tabelle 4.1 sind zulässige Spannungen und Pressungen für Bolzen- und Stiftverbindungen für verschiedene Werkstoffe zusammengestellt. Berechnung - 11 - Tabelle 4.1: Zulässige Spannungen und Pressungen Bei Kerbstiften sind die oberen Werte x 0,7 zu nehmen; bei seltenen Bewegungen sind höhere Werte zulässig. Literatur R OLOFF /M ATEK Muhs,D; Wittel, H; Jannasch, D; Voßiek, J.: Roloff/Matek, Maschinenelemente. Vieweg-Verlag Wiesbaden, 18. Auflage, 2007 H ABERHAUER / Haberhauer, H.; Bodenstein, F: B ODENSTEIN Maschinenelemente. Springer-Verlag, Berlin, 11. Auflage, 2001 R OLOFF /M ATEK Muhs,D; Wittel, H; Jannasch, D; Voßiek, J.: Roloff/Matek, Maschinenelemente. Vieweg-Verlag Wiesbaden, 18. Auflage, 2007 H ABERHAUER / Haberhauer, H.; Bodenstein, F: B ODENSTEIN Maschinenelemente. Springer-Verlag, Berlin, 11. Auflage, 2001 D ECKER Decker, Karl-Heinz: Maschinenelemente. Carl-Hanser-Verlag, München, 16. Auflage, 2007 K ÖHLER /R ÖGNITZ Köhler, Günter: Maschinenteile. Teubner-Verlag, Stuttgart, 6. Auflage, 1981 S TEINHILPER / Steinhilper, W.; Röper, R: R ÖPER Maschinen- und Konstruktionselemente. Springer-Verlag, Berlin, 1982