Ausgabe 8- August 2012
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Ausgabe 8- August 2012
//social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 //Was macht eigentlich… die Qualitätsverbesserungskommission? //Rückblick Ringvorlesung //Fachtag Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung //„Unter freiem Himmel – unterwegs“ Künstleraustausch in Bethel //Wird von Frauen verübte häusliche Gewalt milder beurteilt? Eine Untersuchung zu Geschlechterunterschieden bei der moralischen Beurteilung von häuslicher Gewalt. //Rückblick auf das Blockseminar zur Schulsozialarbeit //ROCK YOUR LIFE! //Win-win - Praxisbesuche geben Impulse für Studierende und Einrichtungen der Sozialen Arbeit und Pädagogik der Kindheit //Master Minds heute: Jens Oertmann //Exkursion zum Hospiz „Haus Zuversicht“ //Tschüss sagen und auf Wiedersehen wünschen! Fachlehrer Reinhard Varchmin in den Ruhestand verabschiedet //Termine //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 //Was macht eigentlich… die Qualitätsverbesserungskommission? Ein Interview mit Jens Oertmann, Vorsitzender der QVBK Dieser Zehnsilber scheint von den meisten Fachbereichsmitgliedern noch recht einsilbig wahrgenommen zu werden, mutmaßt Jens Oertmann, Student des Master Studiengangs und Vorsitzender der – Achtung – Qua-li-tätsver-bes-se-rungs-kom-mis-sion. Jens Oertmann (JO): Aufgrund von Kompensationszahlungen, die nach dem Wegfall der Studienbeiträge vom Land an die Hochschulen geleistet werden, stehen dem Fachbereich für das kommende Semester wieder finanzielle Mittel zu Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen zur Verfügung. Anträge zur Verwendung dieser Gelder können an die QV-Kommission gerichtet werden. Vielleicht kennen einige diesen „Topf“ noch nicht, daher möchte die Kommission auf ihre Arbeit aufmerksam machen. Anna Eschengerd (AE): Wer kann Anträge stellen? JO: Im Prinzip alle Angehörigen des Fachbereichs, insbesondere die Studierenden. Die Anträge sind an keine formalen Kriterien gebunden, sie können formlos gestellt werden. Die Barrieren sind also relativ niedrig. In einem guten Antrag wird das Anliegen klar und es wird deutlich, wie das Vorhaben die Lehre am Fachbereich befördert. Der Personenkreis, der von der Maßnahme direkt profitiert, sollte nicht zu klein sein. Die Kommission wünscht sich, dass die AntragsstellerInnen zur Sitzung in der der Antrag beschieden werden soll, kommen und Auskunft über ihr Anliegen ge- ben. Das kann Missverständnissen vorbeugen und im Zweifelsfall die Erfolgschancen eines Antrags deutlich erhöhen. AE: Wer ist der Ansprechpartner? JO: Interessierte können sich an die Mitglieder der Kommission wenden. Aus der Gruppe der Studierenden sind dies Nina Bültemeier, Isabell Götz, Nathalie Katz und ich selber. Hinzu kommen Prof. Dr. Bamberg, Herr Rainer sowie Prof. Rust als stellvertretender Vorsitzender. Der Kreis wird komplettiert durch Prof. Dr. Hoffmann als Dekan. Er verfügt allerdings nicht über ein Stimmrecht, besitzt aber einen umfangreichen Überblick über die Vorgänge und aktuellen Gegebenheiten am Fachbereich. Dieses Wissen stellt Herr Hoffmann der Kommission im Rahmen von Entscheidungsfindungen zur Verfügung. Bemerkenswert ist: Von den insgesamt sieben stimmberechtigten Mitgliedern dieses Gremiums haben also vier einen Studentenstatus, was - wenn sich alle einig sind - eine Mehrheit bedeutet. Diese Konstellation spiegelt sich auf Vorschlag von Herrn Hoffmann auch im derzeitigen Vorsitz wieder. AE: Wie wird die QV-Kommission besetzt? JO: Die studentischen Vertreter werden vom Fachschaftsrat vorgeschlagen. Alle Mitglieder der QV-Kommission werden letztendlich dann vom Fachbereichsrat gewählt. Kontakt: Jens.Oertmann@web.de 2 //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 //Rückblick auf die Ringvorlesung „race, class, gender, body in (sozial-) pädagogischen Handlungsfeldern – theoretische Zugänge und qualitative Forschungen Auf Initiative der Professorinnen Dr. Erika Schulze, Dr. Claudia Rademacher und Dr. Cornelia Giebeler fand im vergangenen Sommersemester eine Ringvorlesung statt, die den wissenschaftlichen Fokus legte auf die Rolle der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in einem Arbeitsfeld, das von sozialen Ungleichheiten geprägt ist. (Sozial-)pädagogische Fachkräfte sind in ihrer Arbeit konfrontiert mit Diskriminierungs- und Ungleichheitskategorien wie Geschlecht, Ethnizität, Klasse und Körper. Besonders prägend für das professionelle Handeln sind sie zum Beispiel in der Mädchenarbeit, im Kontext von Interkulturalität, sowie von Armut und Ausgrenzung. In der Ringvorlesung wurden aktuelle Studien vorgestellt, die sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit den Ungleichheitsverhältnissen und ihrer Bedeutung für die soziale und pädagogische Arbeit befassen. Die Vorträge der Ringvorlesung machten deutlich, dass Ungleichheits- und Differenzierungskategorien nicht einseitig gesehen werden können, da keine Kategorie allein wirksam ist. Vielmehr stellt das Ineinandergreifen und Überkreuzen der Kategorien für die soziale und pädagogische Arbeit eine komplexe Herausforderung dar. Acht Vorträge waren geplant, wovon einer wegen Krankheit ausfiel. Alle Veranstaltungen waren mit durchschnittlich rund sechzig Teilnehmern und Teilnehmerinnen gut besucht. Die anschließenden Diskussionen verliefen angeregt und beitragsreich. Das gesamte Programm der Ringvorlesung ist auf den Internetseiten des Fachbereichs dokumentiert. HIER 3 //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 //Fachtag Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung Auf Initiative von Fachlehrerin Güler Arapi fand ein Fachtag am 19. Juni am Fachbereich statt. „Mit Kindern ins Gespräch kommen“, lautete der Titel der Veranstaltung. Zugleich markiert der Satz die zentrale Aufforderung an das pädagogische Personal in Einrichtungen der Kindheitspädagogik, wenn es um die Sensibilisierung für vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung geht. Zur Veranstaltung Rund siebzig Personen nahmen im Laufe des Fachtages an den Workshops und Vorträgen teil. Güler Arapi zieht eine positive Bilanz: „Ich freue mich besonders, dass ein ganzer Kurs aus dem Bereich Migrationspädagogik der Universität Bielefeld anwesend war. Das zeigt das Interesse am Thema über Institutionsgrenzen hinweg. Ich bin begeistert, wie viele Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Einrichtungen der Kindheitspädagogik aus einem großen Umkreis gekommen sind und sich intensiv mit dem Thema befasst haben.“ Hochschule Magdeburg-Stendal, die zu Kindheit und Differenz lehrt und forscht, in ihrem Vortrag Race-, Gender- und Powerconscious. Konflikte und Potentiale von Gleichheit und Differenz in der Kindheit. Besonderen Dank richtet Organisatorin Güler Arapi an Miriam El Dajani (Fachberaterin für Kindertageseinrichtungen der Stadt Bielefeld) und die Studierenden des P2-Projektes vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung in der Kindheit. Studentin Jaqueline Siggelow über ihre Erfahrung mit der Leitung eines Workshops: „In diesem Workshop habe ich die Methode Persona Doll das erste Mal mit Erwachsenen angewendet. Es war am Anfang eine eigenartige Situation, weil Kinder viel offener und neugieriger auf die Persona Doll reagieren. Gut gefiel mir, dass alle probiert haben, sich darauf einzulassen und auch am Ende immer lockerer wurden. In der Feedbackrunde sagten einige der Teilneh- Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen kamen aus verschiedenen Städten und Gemeinden in OWL. Der Fachtag diente dazu, einen Einblick in den Ansatz Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung mit Kindern von drei bis zehn Jahren zu vermitteln und im Zuge von zwei Workshops, Fragen zu vertiefen. Einen wichtigen Impuls gab Prof. Dr. Maisha Eggers von der ... 4 //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 merinnen und Teilnehmer, dass dieses kurze Setting ihnen geholfen habe, die Methode und die Magie der Puppen zu verstehen. Mir hat es Spaß gemacht und ich bin um eine Erfahrung mit meiner Persona Doll reicher.“ Zur Methode Beispielhaft wurde die Methode Persona Doll in einem Workshop vorgestellt und diskutiert. Mit Hilfe der Puppen Persona Doll können Lernsituationen gestaltet werden, die Kinder ermutigen und anregen, ihre Gedanken zu äußern und sich in andere einzufühlen. Persona Doll Puppen sehen unterschiedlich aus, erhalten von der Pädagogin in einem intensiven Auseinandersetzungsprozess eine Biographie mit individuellen Merkmalen und stehen für einen Vielfaltsaspekt wie Geschlecht, Migration, Mehrsprachigkeit, Hautfarbe, Regenbogenfamilie, gleichgeschlechtliche Partnerschaft, Religion, Körper, Adoption, soziale Schichtzugehörigkeit, etc. In spezifischen Gruppensituationen werden die Persona Doll den Kindern vorgestellt und regelmäßig eingesetzt. Mit Hilfe der Persona Doll werden Ziele wie Vielfalt ermöglichen, Identität stärken, Diskriminierung thematisieren und gegen Diskriminierung aktiv werden verfolgt und umgesetzt. Die Persona Doll fungieren als exemplarischer Stellvertreter oder exemplarische Stellvertreterin für eine spezifische Fragestellung zu einem Aspekt von Vielfalt in der Gesellschaft. Studierende des P2-Projektes Mit Kindern ins Gespräch kommen…- Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung mit Kindern von Frau Arapi gestalteten den Workshop, der die Methode und die Entwicklung einer Persona Doll anhand ihrer persönlichen Erfahrungen aus Praxiseinsätzen innerhalb des P2-Projektes vorstellte. Im Rahmen des P2 Projektes kooperierte Güler Arapi mit Anke Krause, die den Ansatz Kinderwelten Berlin e.V. - Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung in der Kindheit in Deutschland mit entwickelte. Der Fachtag war zugleich die Eröffnung einer zweiwöchigen Ausstellung über die Methode Persona Doll im Fachbereich, die von Studierenden des P2-Projektes erarbeitet worden ist. Zum Thema Güler Arapi, Organisatorin des Fachtages begründet ihr Engagement für das Thema: „Ungleichheit ist ein wichtiges Thema in unserer Gesellschaft. Im Bereich der Kindheitspädagogik betrifft es sowohl die Kinder als auch die Einrichtungen. Hier muss weiter für das Thema sensibilisiert werden.“ Kinder werden in heterogenen Gruppen betreut, in denen sie ihre eigene Identität in Auseinandersetzung mit vertrauten und fremden Impulsen anderer Gruppenmitglieder entwickeln. Hier findet ein früher Sozialisationsprozess statt, den das pädagogische Personal empfindsam begleiten kann. Güler Arapi: „Die vorurteilsbewusste Begleitung der Kinder setzt voraus, dass die Pädagoginnen und Pädagogen bereit sind, ihre eigenen Konstruktionen in Bezug auf gesellschaftliche Kategorien wie Geschlechtszugehörigkeit, soziale Schichtzugehörigkeit, Migrationsgeschichte, Körperlichkeit etc. und damit verbundene Wertungen zu reflektieren. Die Einrichtungen der kindlichen Bildung und Erziehung sollten als Orte gestaltet und als Sozialräume erlebt werden, die unterschiedliche und komplexe Identitäts-, Familien- und Migrationsentwürfe als Ausgangspunkt ihrer pädagogischen Arbeit nehmen. Das setzt voraus, dass Pädagoginnen und Pädagogen sich, ihr Handeln, ihre pädagogischen Ansätze und ihre Institutionen dahingehend reflektieren, inwiefern Einseitigkeiten, Zuschreibungen, Wertungen, Ungleichheit und Diskriminierung vorhanden sind und/ oder (aktiv) hergestellt werden.“ 5 //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 //„Unter freiem Himmel – unterwegs“ Künstleraustausch in Bethel Unter diesem Motto fand in der Woche vom 6. bis zum 12. August der zweite Teil eines Künstleraustauschs zwischen dem evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge und dem Künstlerhaus Lydda der von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel im Lindenhof in Bethel statt. Das Workshop-Programm hat Menschen mit und ohne Handicap die Möglichkeit gegeben, intensiv künstlerisch zu arbeiten und die Kontakte mit den TeilnehmerInnen aus Berlin zu vertiefen. Jürgen Heinrich, Leiter des Künstlerhauses Lydda und Lehrbeauftragter am Fachbereich freute sich über die positive Fortsetzung der Erfahrungen aus dem ersten Workshop, der vor einem Jahr in Berlin stattfand: „Ich war beeindruckt, wie intensiv die Künstler in Berlin sogleich an die Arbeit gegangen sind. Ideen haben sich entwickelt und sind in Kunstwerke aus Holz, Porenstein auf Papier oder Leinwand gemündet. Ich habe Werke und eine kleine Künstlergemeinschaft erlebt mit ausstrahlender Wirkungskraft. Daran möchten wir mit den hervorragenden Bedingungen hier im Lindenhof anknüpfen.“ Jürgen Heinrich Leiter des Künstlerhauses Lydda und Lehrbeauftragter am Fachbereich Die Workshopwoche begleiteten zwei Studierende des Fachbereichs gemeinsam mit Studierenden anderer Hochschulen der Region als Praktikanten. Am Donnerstagabend fand als kulturelles Rahmenprogramm eine Lesung der Schreibwerkstatt „Lyddaratur“ statt. Das ist eine Gruppe literarisch schreibender Menschen mit und ohne geistige(r) Behinderung oder Psychiatrieerfahrung, die von der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Anna Bella Eschengerd begleitet wird. Autor Andreas Langer beim Vortrag im Zuge der Lesung. 6 //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 //Wird von Frauen verübte häusliche Gewalt milder beurteilt? Eine Untersuchung zu Geschlechterunterschieden bei der moralischen Beurteilung von häuslicher Gewalt. Ein Text von Silja Scheuermann, Christa Schirmacher, Christian Wulf und Marco Metzner Wird häusliche Gewalt, die von Frauen ausgeht, aufgrund von Geschlechtsrollenstereotypen milder beurteilt wird als Gewalt, die von Männern ausgeht? Im Rahmen des Seminars „Häusliche Gewalt und Stalking – Psychologische und rechtliche Aspekte“ haben Studierende in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Mönig und Prof. Dr. Bamberg untersucht, inwieweit sich die von Gabriel, Gassmann und Locher (2007) in ihrer Studie „Geschlechtsunterschiede bei der moralischen Beurteilung häuslicher Gewalt“ berichteten Befunde replizieren lassen. Dabei interessierte besonders deren These, dass häusliche Gewalt, die von Frauen ausgeht, aufgrund von Geschlechtsrollenstereotypen milder beurteilt wird als Gewalt, die von Männern ausgeht. Hintergrund für ihre These ist die in der Literatur dokumentierte Diskrepanz zwischen Hellfeldstudien und Dunkelfeldstudien. Während in Hellfeldstudien ca. 90% der Täter männlich sind (siehe z.B. Mönig, 2007), kommen Dunkelfeldstudien zum Teil auf eine annähernde Gleichverteilung von Tätern und Täterinnen häuslicher Gewalt (vgl. Archer 2000). Gabriel et al. (2007) vermuten, dass die Anzahl von männlichen Opfern weiblicher Gewalt, die sich nicht an die Polizei wenden, höher sei, weil sie befürchteten, als männliches Opfer häuslicher Gewalt weniger ernst genommen zu werden. Nach Gabriel et al. (2007) könnte diese Bagatellisierung weiblicher Gewalt an Männern den Einfluss traditioneller Geschlechtsrollenste- Das Foto zeigt Christa Schirmacher, Marco Metzner, Silja Scheuermann und Christian Wulf. reotype widerspiegeln, wonach Frauen nicht wirklich physisch aggressiv und gefährlich sein können. Die von Gabriel et al. berichteten Befunde (Untersuchungsstichprobe: 128 Studierende) stützen diese Hypothese. Gabriel et al. verwenden eine experimentelle Vignetten-Studie, die von den Studierenden repliziert wurde. In einer Vignetten-Studie lesen unterschiedliche Gruppen von UntersuchungsteilnehmerInnen die immer gleich formulierte Fallgeschichte. In der nun durchgeführten Studie unterscheiden sich die Geschichten lediglich durch das Geschlecht des Täters und des Opfers. Dazu verwendeten die Studierenden in der einen Version der Geschichte einen männlichen Täternamen und einen weiblichen Opfernamen; in der anderen Geschichte verhielt es sich umgekehrt. Insgesamt nahmen an der Studie 128 Personen (64 Frauen und 64 Männer, Durchschnittsalter 28 Jahre, Altersrange 16-62) teil. ... 7 //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 Die Effekte des Geschlechts auf die Einschätzung der UntersuchungsteilnehmerInnen, wie unmoralisch sie das Verhalten des Täters bzw. der Täterin fanden (10-stufige Skala von 1=neutral bis 10= unmoralisch), sind signifikant (p<.05): Bei Verwendung eines männlichen Täternamens und eines weiblichen Opfernamens liegt der Mittelwert bei M=8,8. Bei Verwendung eines weiblichen Täternamens und eines männlichen Opfernamens liegt der Mittelwert bei M=7,8. Die Ergebnisse der von den Studierenden durchgeführten Studie bestätigen die Befunde von Gabriel et al. (2007). Sie zeigen, dass die Verwendung eines männlichen bzw. weiblichen Namens einen starken Einfluss darauf hat, wie unmoralisch das Gewaltverhalten wahrgenommen wird. Damit bestätigen auch die Befunde dieser Studie, dass das gleiche aggressive Verhalten tatsächlich unterschiedlich bewertet wird - je nachdem, ob es von einem Mann oder einer Frau gezeigt wird. Offenkundig beeinflussen internalisierte Geschlechtsrollenstereotype unsere Wahrnehmung. Darüber hinaus konnten weitere Ergebnisse gefunden werden, wie Geschlechtsrollenstereotype die Wahrnehmung häuslicher Gewalt beeinflussen (z.B. über Attributionsprozesse, zugeschriebene Verletzungsintentionalität, wahrgenommene Schwere der Tat und Identifikation mit dem Täter). Literatur: Archer, J. (2000). Sex differences in aggression between heterosexual partners: A metaanalytic review. Psychological Bulletin, 126, 651-680. Gabriel, U., Gassmann, S. & Locher, R. (2007). Geschlechtsunterschiede bei der moralischen Beurteilung häuslicher Gewalt. Trauma & Gewalt, 42-52. Mönig, U. (2007). Häusliche Gewalt und die strafjustizielle Erledigungspraxis. Baden-Baden: Nomos. 8 //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 //Rückblick auf das Blockseminar zur Schulsozialarbeit Ein Text der Lehrbeauftragten Georg Husemann und Ulrike Rosenthal Im Sommersemester 2012 fand auf Initiative von Prof. Dr. Beelmann erstmalig ein Blockseminar zur Schulsozialarbeit statt. Ein Seminartag im April und zwei Seminartage im Juni. Wir sind beide als Schulsozialarbeiter für das Land NRW tätig und legten den Schwerpunkt auf die Darstellung der alltäglichen Praxis und auf Übungen, die von den Studierenden selbst durchgeführt wurden. Zunächst sollten die Studierenden im Rollenspiel einer Schulkonferenz eine Stellenbeschreibung für einen neu einzustellenden Schulsozialarbeiter beschließen. Hierzu vertraten sie die Gruppen ‚Schulleitung’, Kollegium’, ‚Elternvertreter’ und ‚SV’. Schnell wurde deutlich, wie unterschiedlich und vielfältig die Ansprüche an Soziale Arbeit im System Schule sind. Die Gefahr einer Verzettelung und der Überforderung des Schulsozialarbeiters war nach dieser Einheit allen klar: Mann und Frau, Feuerwehr und Psychologin, Animateurin und Berater, Streitschlichter, Suchthelferin, Sexualtherapeut und Online-Mobbing-Experte sollte man sein – die Liste der Wünsche wurde lang und länger. Wie man damit umgehen kann, haben wir den Studierenden erläutert. Es folgte eine kompakte Darstellung des deutschen Schulsystems und seiner unterschiedlichen Auswirkungen für die Jugendlichen sowie der gesetzlichen Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit in NRW, welche in der BASS 21-13 Nr.6 festgelegt sind. Aufgabe zum zweiten Seminartag war dann für die Studierenden, sich selbst an eine Schule mit Schulsozialarbeit zu wenden, mit dem dortigen Kollegen zu telefonieren und dessen Arbeitsschwerpunkte im Seminar darzustellen. So konnten sie die Informationen des ersten Tages mit der Realität vergleichen. Eingeübt wurden anhand eines Falles Arbeitsformen, die so in der Schulsozialarbeit durchgeführt werden: Eine kollegiale Beratung zu diesem Fall nach einer vorgegebenen Struktur (Sitzung des Beratungsteams), Übungen zur Gruppendynamik mit der Klasse und eine Einheit zum Thema Gewaltprävention. Ergänzend dazu immer wieder kurze Übungen und Spiele, mit denen man im Freizeitbereich oder zum Kennen lernen in Klassen agieren kann. Das Fazit der Studierenden war für uns beide sehr erfreulich. Alle lobten den aktivierenden und abwechslungsreichen Ablauf der drei Tage. Jeder hat Anregungen für das weitere Studium mitgenommen, sei es für die Bachelorarbeit, das Praktikum oder bei der Entscheidung für bestimmte vertiefende Seminare. Wir danken allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für die interessierte Mitarbeit und würden uns freuen bald wieder in Bielefeld mit einer neuen Gruppe unsere Arbeit zu diskutieren und zu reflektieren. Unser Fazit: Wir sind überzeugt, dass Schulsozialarbeit hilft, die pädagogische Qualität der Schule weiter zu entwickeln. Sie erweitert das Repertoire der pädagogischen Arbeitsformen und vergrößert die Lernchancen für viele Mädchen und Jungen. Deshalb hoffen wir, dass vielleicht einige Studierenden neugierig geworden sind, sich über dieses abwechslungsreiche Arbeitsfeld der ‚Sozialen Arbeit’ zu informieren. 9 //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 //ROCK YOUR LIFE! Eine bundesweite Initiative, die SchülerInnen, Studierende und Unternehmen in Kontakt bringt. Finden wir gut, stellen wir Ihnen deshalb im Fachbereichsmagazin vor… ROCK YOUR LIFE! (kurz: RYL!, engl. „Beweg dein Leben“) ist eine gemeinnützige Bildungsinitiative in Trägerschaft der ROCK YOUR LIFE! gGmbH. Dabei werden Schüler über zwei Jahre während des Übergangs von der Hauptschule in die Ausbildung/ die weiterführende Schule begleitet und unterstützt. Die Chancen sollen verbessert werden, nach dem Schulabschluss einen Ausbildungsplatz zu bekommen oder eine weiterführende Schule zu besuchen. Die Studierenden organisieren sich dazu in lokalen Vereinen an Hochschulstandorten in Deutschland. Derzeit existieren bundesweit 27 Standorte, an denen sich über 1000 Studierende ehrenamtlich engagieren. Zwölf Studierende der Zeppelin Universität haben ROCK YOUR LIFE! als Pilotprojekt am Standort Friedrichshafen gegründet. ROCK YOUR LIFE! initiiert durch CoachingBeziehungen Einblicke in die verschiedenen Lebenswelten von SchülerInnen, Studierenden und Personen, die in Unternehmen Verantwortung tragen. Ziel ist es, Brücken zum Berufseinstieg zu bauen und andere Perspektiven auf die gemeinsame Welt kennen und respektieren zu lernen. Es geht darum, Erfahrungen weiterzugeben, die hilfreich für den anderen sind. Die Tandempartner treffen sich alle ein bis zwei Wochen und arbeiten gemeinsam an den Träumen, Visionen und Potentialen des Schülers, stets im Hinblick auf seinen Einstieg in die Ausbildung, den Beruf oder auf die weiterführende Schule. Je nachdem, was den individuellen Fähigkeiten, Stärken und Vorstellungen am meisten entspricht. ROCK YOUR LIFE! ist nicht nur individuell für die Zukunft der SchülerInnen von Bedeutung. Die Initiative handelt aus der Überzeugung, dass Erfolg nicht ausschließlich eine individuelle Leistung ist, sondern von Teams, Gruppen, Kontexten und schließlich Gesellschaften erarbeitet wird. Der Verein geht auf Unternehmen zu und wirbt für die Ausbildung von SchülerInnen als unternehmerische Zukunftsinvestition. Für Studierende bietet sich die Möglichkeit, eine interessante und intensive Erfahrung zu machen. Die studentischen Coaches werden durch das bundesweite Netzwerk in ihrer laufenden Arbeit unterstützt. Zum Beispiel durch eine Coaching-Ausbildung sowie kontinuierliche Betreuung und Fortbildungsmöglichkeiten. Die ROCK YOUR LIFE! Online-Community bietet die Möglichkeit, sich mit ROCK YOUR LIFE! Coaches in ganz Deutschland auszutauschen und sie bei regionalen oder deutschlandweiten Events auch persönlich kennenzulernen. Kontakt: Merisha Janke ROCK YOUR LIFE! Bielefeld e.V. Wir bauen Brücken zwischen Schülern, Studierenden und Unternehmen. Deutschlandweit. Mail: merisha.janke@bielefeld.rockyourlife.de Web: www.bielefeld.rockyourlife.de 10 //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 //Win-win - Praxisbesuche geben Impulse für Studierende und Einrich tungen der Sozialen Arbeit und Pädagogik der Kindheit Sozialen Arbeit und Pädagogik der Kindheit Das Praxisreferat und die Tutorinnen und Tutoren bieten jedes Semester gemeinsam das Seminar „Wir besuchen die Praxis - Berufsbilder und -felder der Sozialen Arbeit und Pädagogik der Kindheit“ an. Seit dem Sommersemester 2009 haben Studierende auf diese Weise Gelegenheit, verschiedene Einrichtungen mit ihren Arbeitsansätzen und als potenzielle Praktikumsstellen oder Arbeitgeber kennen zu lernen. Im vergangenen Sommersemester besuchten die TeilnehmerInnen das Amt für Integration und interkulturelle Angelegenheiten – Interkulturelles Büro sowie Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwanderungsfamilien; das Wohnhaus „Begleitete Elternschaft“ der von Bodelschwinghschen Stiftungen, wo Eltern mit einer geistigen Behinderung oder körperlichen Einschränkungen stationär bei der Bewältigung ihres Alltags zum Wohle ihrer Kinder unterstützt werden und den Halhof, in dem der Kinder- und Jugendverband ‚SJD – Die Falken‘ im Auftrag der Jugendberufshilfe der REGE mbH berufsvorbereitende Maßnahmen für Jugendliche im Rahmen der Manufaktur ‚Natur‘ und der Manufaktur `Heuhotel` durchführt. Vor den Praxisbesuchen erarbeiten die Studierenden im Seminar Themenfelder und Fragen, die sie mit den GesprächspartnerInnen vor Ort erörtern möchten. Die Einrichtungen stellen sich den Besuchern vor, zeigen die Räumlichkeiten und diskutieren dann über Arbeitsweisen und Ziele der Arbeit. Christiane Möcker, Leiterin des Praxisreferats des Fachbereichs begründet ihre Initiative für das Zusatzangebot damit: „dass die Studierenden die Einrichtungen vor Ort kennen lernen. Wenn man direkt in Berührung kommt, kann man sich eigenes Bild machen und tiefere Einblicke ins Arbeitsfeld gewinnen. Nicht zu Letzt hilft es im persönlichen Gespräch herauszufinden, ob die Einrichtung ein für sie geeigneter Praktikumsplatz oder eine potenzielle Arbeitsstelle sein kann.“ Die ehemalige Studentin Kim-Mona Frauli, die in mehreren Semestern an dem Angebot teilgenommen hatte, äußerte: „Mir hat das Angebot sehr gefallen, weil es außer bei Bewerbungen selten die Gelegenheit gibt, in persönlichen Kontakt zu treten. Auch habe ich feststellen können, dass ich im Gespräch mit den Fachkräften vor Ort und mit unserer Gruppe neue eigene Fragen in Bezug auf das Arbeitsfeld entdeckt habe und diese auch berechtigt sind und gefragt werden dürfen. Das hat mir sehr viel Sicherheit gegeben.“ Tutorin Rosemarie Kiehling leitet das Seminar gemeinsam mit Christiane Möcker, ihr Eindruck „Diese Praxisbesuche erweitern den Horizont. Es wird deutlich, wie unterschiedlich in den Einrichtungen gearbeitet wird. Ich erlebe den Austausch als sehr anregend. Die Einrichtungen profitieren auch von der frischen und unverstellten Perspektive der Studierenden. Die Gäste spiegeln den Einrichtungen ihre Eindrücke.“ In diesem Sinne habe eine Mitarbeiterin einer besuchten Einrichtung kommentiert, dass ihr durch das Vorstellen Ihrer Einrichtung noch einmal bewusst geworden sei, was die Einrichtung und sie selbst als Mitarbeiterin für eine anstrengende, aber auch schöne, wichtige und wertvolle Arbeit leisten, die Spaß macht. ... 11 //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 Studentin Hilke Meier: „Ich bin von dem Angebot vollauf begeistert und werde weiter fortlaufend daran teilnehmen. Ich finde es wichtig, weil Netzwerke für die spätere Berufstätigkeit geknüpft werden können. Ich kenne dann schon verschiedene Einrichtungen und kann auf Kontakte zurückgreifen. Auch wurde mir klarer, in welches Arbeitsfeld ich nicht möchte. Gleichzeitig finde ich es schön, die Vielfalt des Berufes als SozialarbeiterIn kennen zu lernen. So bewusst war mir das vorher nicht. Hinzu kommt, dass ich mich während der Exkursionen auch sehr gut begleitet fühle.“ Christiane Möcker und Rosemarie Kiehling sehen sich auch als Botschafterinnen des noch jungen Studiengangs Pädagogik der Kindheit. „Viele Einrichtungen kennen den Studiengang noch nicht und wissen nicht, was sie damit verbinden sollen. Hier leisten wir mit unserer Kontaktpflege eine wichtige Informationsarbeit, von der die Studierenden dann hoffentlich später profitieren“, so Christiane Möcker. So sind die Praxisbesuche ein Mosaiksteinchen der intensiven Kontaktpflege zwischen Fachbereich und Praxis. Die Anmeldung zum Seminar „Wir besuchen die Praxis -Berufsbilder und -felder der Sozialen Arbeit und Pädagogik der Kindheit“ erfolgt auch in diesem Semester über das Portal ILIAS. //Master Minds Unter diesem Titel werden in loser Reihenfolge Studierende des Masterstudiengangs „Angewandte Sozialwissenschaften“ mit ihren Projekten vorgestellt. Heute: Jens Oertmann (29 Jahre) Vorbildung: • Ausbildung zum Heilerziehungspfleger • Studium der Sozialen Arbeit an der FH Bielefeld ist ständiger Begleiter im 4-semestrigen Studienverlauf und wird auf der Basis erworbener Kenntnisse über wissenschaftstheoretische Hintergründe und Methoden der qualitativen sowie der quantitativen Sozialforschung fortwährend konkretisiert. Auf diese Weise wird die Möglichkeit geschaffen, ein selbstgewähltes Thema (welches am Ende auch Gegenstand der Masterarbeit ist) mehr als nur oberflächlich bearbeiten zu können. Warum ein Masterstudiengang hier am FB? In meinen Augen liegt die Stärke des Masterstudiengangs „Angewandte Sozialwissenschaften“ in seiner projektbezogenen Struktur. Die bereits zu Studienbeginn vorhandene - häufig noch sehr vage formulierte - Forschungsidee Projekt, Umsetzung und Meilensteine Im Rahmen meines Projektes beschäftige ich mit dem Thema Bürgerschaftliches Engagement von Menschen mit Behinderung. Zumindest im deutschsprachigen Raum werden Menschen mit Behinderung regelmäßig nur als 12 //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 Zielgruppe, nicht jedoch als Akteure bürgerschaftlichen Engagements wahrgenommen. Dementsprechend sind (nicht nur) in Einrichtungen der Behindertenhilfe Strukturen zur Engagementförderung entstanden, die bereits in ihren Grundannahmen ausschließlich Menschen ohne Behinderung in den Blick nehmen. Diese Konstellation ist nicht nur vor dem Hintergrund des für die deutsche Behindertenpolitik bindenden Leitbildes der Inklusion als problematisch zu erachten, sie verkennt auch die tatsächliche Lebenswirklichkeit: So zeigen Erfahrungen aus Engagementförderprojekten: wird bürgerschaftliches Engagement Menschen mit Behinderung in Form entsprechender Angebote und Unterstützungsmöglichkeiten zugänglich gemacht, melden sich auch Interessenten. Mein Erkenntnisinteresse fokussiert sich vor diesem Hintergrund auf die Frage, wie Menschen mit Behinderung den Zugang zu einem bürgerschaftlichen Engagement realisieren (können) und welche Förderstrategien in diesem Zusammenhang sinnvoll erscheinen. Methodisch ist geplant, qualitative Interviews mit Menschen mit Behinderung zu führen, welche bereits ein Engagement ausüben. Ziel ist es, den Weg der Interviewten zum Engagement nach zu zeichnen und zu erfahren, welche Motive dabei leitend waren und welche Faktoren begünstigend oder hemmend gewirkt haben. Aus den Ergebnissen sollen abschließend Empfehlungen für eine systematische Förderung des bürgerschaftlichen Engagements von Menschen mit Behinderung abgeleitet werden. Meilensteine: • Entwicklung der Projektidee / Konkretisierung der Fragestellung • Wahl einer geeigneten Erhebungsmethode / Aneignung der Erhebungsmethode • Gewinnung von Interviewpartnern / Führen der Interviews • Auswertung der Interviews • Verfassen der Masterarbeit Was schätze ich am Masterstudiengang Das Projekt ist nicht nur der eigene ständige Begleiter, es wird im Verlauf des Studiums auch regelmäßig zum Thema in Lehrveranstaltungen und Prüfungen. So werden z.B. Auswertungsverfahren am eigenen Material erprobt und reflektiert. Hausarbeiten können thematisch so gewählt werden, dass sie im Umfeld des Projektes verortet sind. Dadurch ist die Erzeugung von Synergieeffekten möglich, da gesammelte Erkenntnisse auch über die Prüfungsleistung hinaus für das Projekt nutzbar gemacht werden können. 13 //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 //Exkursion zum Hospiz „Haus Zuversicht“ eine Reportage von Anna Bella Eschengerd Zugespitzt formuliert klingt das Exkursionsziel für die Studierenden etwas nach einer Reise ohne Wiederkehr, ist ein Hospiz doch ein Ort, an dem unheilbar kranke Menschen die letzte Zeit ihres Lebens verbringen. Dementsprechend unsicher wirken die fünfzehn Studierenden aus dem Seminar „Gesundheit und Krankheit im Alter – ethische und soziale Aspekte“ von Vertretungsprofessor Reinhard Bornemann, als sie am Dienstag, den 15. Mai vor Tür der freundlich wirkenden Altbauvilla in Bethel stehen. Wie würde es „drinnen“ sein? Wie unmittelbar kann der Eindruck werden? Die Gruppe der Studierenden wird von der Sozialarbeiterin und Lehrbeauftragten am Fachbereich Beate Dirkschnieder empfangen. Im Flur hinter der Haustür fallen zwei kunstvoll verzierte Holzbänke auf. Sie stehen in einem sichtbaren Widerspruch zum medizinischen Inventar eines Raumes zur Linken, in dem Pflegerinnen und Pfleger Medikamente zusammenstellen und in Akten blättern. Die Gastgeberin führt die Gruppe durch das Treppenhaus in einen hellen Seminarraum im Dachgeschoss. Das Treppenhaus ist mit stark farbigen Kunstwerken geschmückt. Im Vorbeigehen nehmen die Besucherinnen und Besucher die Flure wahr, dort steht ein zusammengeklappter Rollstuhl, die Türen – vermutlich der Gästezimmer – sind zu. Als die Tür zum Seminarraum hinter der Gruppe geschlossen wird und alle in einem Kreis Platz nehmen, wird die Unsicherheit thematisiert. Eine Studentin beschreibt ihre zwiespältigen Gefühle an diesem Ort, der irgendwie melancholisch und heiter zugleich macht und formuliert: „Es ist ein komisches Gefühl, mit Sterbenden in einem Haus zu sein.“ Beate Dirkschnieder fragt die Studierenden direkt: „Was ist gutes Sterben und ein guter Tod?“ Die Frage bleibt unbeantwortet, die Studierenden wirken von einer Frage dieses existenziellen Ausmaßes überfordert. Die Sozialarbeiterin nimmt die Befangenheit und die Äußerung der Studentin auf: „Das Hospiz ist nicht nur dieses Haus, sondern die Überzeugung, dass der Tod zum Leben gehört. Hier wird in erster Linie gelebt und nicht gestorben.“ Dann erzählt sie über die Entwicklung der Hospizidee, insbesondere ihrer Pionierin Cicely Saunders, und webt immer wieder ein, wie im Haus Zuversicht gearbeitet wird. So können die Studierenden zunächst zuhören und langsam in Kontakt kommen. Im Hospiz können zehn Menschen als Gäste leben. Die Bezeichnung „Gäste“ scheint auf mehreren Ebenen treffend, im Sinne des Worte Hospiz, was lateinisch Raststätte, Herberge und Gastfreundschaft heißt, und weil es für eine Wahrnehmung der Menschen als Reisende spricht, denen man Heimstatt bietet, bevor sie die Passage des Sterbens vollziehen. Das Hospiz besteht seit 14 Jahren, und fünf MitarbeiterInnen sind von Anfang an bis heute dabei. Das Team besteht hauptamtlich aus ... 14 //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 Krankenschwestern/-pflegern, einer Sozialarbeiterin, einer Verwaltungskraft, einer Hauswirtschafterin sowie aus zahlreichen Ehrenamtlichen, die für den hohen Standard der Versorgung und die Lebensqualität enorm wichtig seien, so Beate Dirkschnieder. Als wichtige Voraussetzung für eine Berufswahl in der Palliativversorgung nennt sie eine konstruktive Auseinandersetzung der Mitarbeiter mit der eigenen Sterblichkeit, eine Liebe zu Menschen, die sich in der Freude am Gegenüber äußert. Auf der praktisch-professionellen Seite nennt sie Teamfähigkeit an erster Stelle. Die MitarbeiterInnen aus unterschiedlichen Professionen müssen sich gegenseitig vertrauen und als Botschafter einzelner Facetten einer gemeinsamen Gesamtsicht schätzen, wenn sie diese intensive Arbeit zum Wohle der Gäste und ihrer selbst erfüllen wollen. An diesem beruflichen Feld Interessierte sollten ihrer Erfahrung nach sensibel in den Kontakten mit Gästen und Angehörigen sein. In diesem Zusammenhang spricht sie über die Holzbank im Flur unten. Sie sagt, oft werden auf dieser Bank wichtigere und tiefere Gespräche mit Gästen und Angehörigen geführt, als am Krankenbett. Die Fähigkeit, konstruktiv zu beraten, sei wichtig, ebenso wie eine gute Kenntnis des Hilfesystems. Die Gäste seien darauf angewiesen, dass ihre AnsprechpartnerInnen schnell Verbindungen herstellen können zu den für ihre konkreten Fragen und Probleme relevanten Anlaufstellen. Das Gespräch im Dachgeschoss entwickelt sich immer weiter vom Vortrag der Gastgeberin zu einem wechselseitigen Fragen und Antworten mit den Studierenden über Erwartungen und Realität im Hospiz. Die Anspannung weicht sichtlich dem Interesse an einzelnen Aspekten der Arbeit und des Miteinanders. Als die BesucherInnen wieder durch das Treppenhaus Richtung Haustür gehen, öffnet ein Mann von innen eine Zimmertür und tritt auf den Flur – „Guten Tag!“ Genau, einen guten Tag, das wünschen wir uns gegenseitig, bevor die Gruppe das Haus verlässt. Herrn Dr. Bornemanns Vertretungsprofessur ist mit dem Sommersemester 2012 ausgelaufen. Wir freuen uns, dass er im Rahmen eines Lehrauftrages mit seiner engagierten Lehre am Fachbereich weiterhin wirkt! 15 //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 //Tschüss sagen und auf Wiedersehen wünschen! Fachlehrer Reinhard Varchmin in den Ruhestand verabschiedet Am 27. Juni haben sich das Kollegium des Fachbereichs und Fachlehrer Reinhard Varchmin voneinander verabschiedet. Nach über dreißig Jahren endet nun die Dienstzeit des Kollegen, Freundes und Lehrers. Herr Varchmin wurde für seine Lehre der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession geschätzt. Seine ästhetisch-sensible Haltung gegenüber der „Kunst des Helfens“ machte ihn zu einem weltoffenen, aufgeschlossenen und versierten Gesprächspartner für Kolleginnen und Kollegen wie für Studierende. Konsequent und beharrlich hat sich Reinhard Varchmin für die personalrechtliche Stellung der Fachlehrerinnen und Fachlehrer engagiert. Wir sagen tschüss… //Neu am Fachbereich Frau Prof. Dr. Melanie Plößer übernimmt ab dem 1. September das Lehrgebiet „Sozialarbeitswissenschaft“. Frau Prof. Dr. Gudrun Dobslaw ist für das Lehrgebiet „Psychosozialer Intervention und Beratung“ ebenfalls ab dem 1. September berufen worden. Die Professur „Erziehung und Bildung im Kindesalter – Bildungsbereich Sprache“ übernimmt auch zum 1. Oktober Frau Dr. Yüksel Ekinci-Kocks. Ihnen ein herzliches Willkommen! Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit. Das Lehrgebiet „Gesundheit - insbesondere Gesundheit im Kontext von Lebenslagen und Lebensalter“ wird ab dem 1. Oktober von Herrn Prof. Dr. Thomas Altenhöner am Fachbereich besetzt. 16 //social4 Das Magazin des Fachbereichs Sozialwesen Ausgabe 8: August 2012 //Termine 24.- 27. September 2012 Einführungswoche für die Erstsemester Informationen zum Programm HIER Do, 29. November 2012 Praxistag am Fachbereich 10.00 – 14.00 Uhr Informationen zum Programm HIER Do, 29. November 2012 Vortrag von Frau Dr. h.c. Sumaya Farhat-Naser über ihr Friedenserziehungsprojekt mit Frauen und Jugendlichen in Palästina 17.00 Uhr - Raum 53 Der nächste FB4 Forschungssalon findet im November statt. Informationen dazu entnehmen Sie bitte in Kürze den Internetseiten des Fachbereichs Impressum Redaktion: Anna Bella Eschengerd anna_bella.eschengerd@fh-bielefeld.de Gestaltung: Marcel Hillebrand marcel.hillebrand@fh-bielefeld.de Fachbereich Gestaltung Die nächste Ausgabe wird voraussichtlich im Ende des Jahres 2012 erscheinen.17