Ranga Yogeshwar Macher Die innovativsten Unternehmen im

Transcription

Ranga Yogeshwar Macher Die innovativsten Unternehmen im
uck
erdr
d
n
So
3
201
Ranga Yogeshwar
FortschrittMacher
Die innovativsten
Unternehmen
im Mittelstand
Kürzlich hat ein deutscher Fußballclub die Champions
League gewonnen – doch auch mittelständische Firmen
aus Deutschland müssen sich keineswegs verstecken.
Vor allem dann nicht, wenn es um Innovationskraft geht.
Es wird Zeit, diese „heimlichen Sieger“ aus dem Verborgenen zu holen und ins Rampenlicht zu stellen. Denn
Innovation ist Zukunftsaufgabe, nicht Nischenthema.
Nobelpreis
oder Grand Prix?
Ach, was gibt es nicht alles für
schöne Zerstreuungen: Champions
League und DSDS, Eurovision
Song Contest, früher „Grand Prix“
genannt, und Dschungelcamp.
All dies beschäftigt, bewegt und
begeistert viele Menschen in unserem Land. Doch wo bleibt die Aufmerksamkeit, wenn es um Innovationen geht? Um Neuentwicklungen,
die höchst spannend sind – und
mit denen schon heute die Weichen
für die Technologien und Prozesse
der Zukunft gestellt werden?
2
Ranga Yogeshwar gehört zu den
führenden Wissenschaftsjournalisten
Deutschlands. Als Moderator zahlreicher TV-Sendungen und als Buchautor wurde der Diplom-Physiker
vielfach ausgezeichnet. Sein besonderes
Engagement gilt den Themen Innovation und Wissensvermittlung.
Innovation wird in Sonntagsreden
hoch gelobt, doch wer kennt sie
wirklich, die Innovationsmotoren
unserer Zeit? Hand aufs Herz: Sie
kennen Bastian Schweinsteiger
und Robert Lewandowski, Daniela
Katzenberger und Dieter Bohlen.
Aber was sagen Ihnen die Namen
Serge Haroche und Davin Wineland,
Dan Shechtman, Robert Lefkowitz
und Brian Kobilka? Leuchten Ihre
Augen, wenn jemand über Shinya
Yamanaka und John Gurdon redet?
Vermutlich nicht. Und das, obwohl
diese Menschen 2012 für ihre bahnbrechenden Forschungsarbeiten auf
den Gebieten Physik, Chemie und
Medizin den Nobelpreis erhalten
haben. Eine Auszeichnung, die um
einiges bedeutsamer sein dürfte
als der Eurovision Song Contest.
Nicht nur herausragende Wissenschaftler stehen oftmals im Schatten,
auch hochinnovative Unternehmen
werden von der Öffentlichkeit zu
wenig beachtet. Da sind Firmen an
der Spitze des Fortschritts, gehen
neue Wege, haben eine fantastische
Marktposition – und fast niemand
bemerkt es. TOP 100 ist von der Idee
beseelt, dies zu ändern. Denn es
ist an der Zeit, die Prioritäten unserer
Aufmerksamkeit neu zu setzen.
Daher freut es mich sehr, dass es
uns erneut gelungen ist, hier mittelständische Innovationstreiber zu
versammeln, die bislang leicht
übersehen wurden, und sie so ins
Rampenlicht zu stellen. Firmen,
die auf anderen Spielfeldern unterwegs sind als Thomas Müller und
Mario Gómez, aber ebenfalls über
exzellente Qualitäten verfügen.
In diesem Sinne – freuen Sie sich
auf Superstars der etwas anderen
Art, und lesen Sie dieses Buch!
3
Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg
Eine Herzenssache
„Wir können soziale
Dienste nur unterhalten, indem
wir Innovationen
auf sozialem Gebiet
durchsetzen.“
T. Göbel und
I. Hastedt,
Vorstände
Die Pflege älterer Menschen ist
eine der zentralen Zukunftsaufgaben
staatlicher und privater Daseinsvorsorge, denen sich unsere Gesellschaft bisher aber nur zögerlich
stellt. Ein Traditionsunternehmen,
das Wohlfahrtswerk für BadenWürttemberg in Stuttgart, ist auf
diesem Gebiet schon seit fast zwei
Jahrhunderten Trendsetter und
arbeitet, manchmal gegen zähen
Widerstand, daran, neue technische
und pflegerische Lösungen zu finden. Eine wichtige Rolle spielen
dabei Themen-Paten.
Einer ganz besonderen Frau verdanken wir das Wohlfahrtswerk für
Baden-Württemberg: Königin Katharina von Württemberg, die 1817 den
„Zentralen Wohltätigkeitsverein“
gründete, in dem sie gemeinsam
mit bürgerlichen Männern und
Frauen an der Linderung der Not
ärmerer Mitbürger arbeitete. Damit
legte sie den Grundstein für die
Sozialpolitik in Württemberg. Heute
ist das Wohlfahrtswerk einer der
größten Träger der Altenhilfe in
Baden-Württemberg und betreut
rund 2.000 Menschen.
258
Das Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg fördert neue Wohnformen, etwa
Senioren-Wohngemeinschaften, und
hat mit der Einführung der sogenannten
Advantgarde-Küche Neuland betreten:
Speisen werden so aufbereitet, dass
Menschen mit Schluckbeschwerden
sie problemlos essen können und
sie den gleichen Genuss bieten wie
gewöhnliche Mahlzeiten.
Eine lernende Organisation
Eine derart wichtige Aufgabe ist
nur mit einer zukunftsorientierten
Organisation zu meistern, die den
gesetzlich limitierten Spielraum
für Neuerungen nutzt. In deren Zentrum steht die monatliche Einrichtungsleiterkonferenz mit einer
einleitenden Informationsrunde.
Darin berichtet der Vorstand, was
sich „in Berlin“ so tut, während die
Einrichtungsleiter über neue Bedürfnisse und Probleme der betreuten
Menschen informieren. So lassen
sich Trends rasch identifizieren und
die Leistungsangebote marktgerecht
aktualisieren. Wichtige organisatorische Hilfsmittel für Neuerungen
sind das Intranet und ein elektronisches Archiv, das aufwendig
gepflegt wird.
Adresse
Falkertstraße 29
70176 Stuttgart
Telefon 0711 61926-0
Telefax 0711 61926-199
www.wohlfahrtswerk.de
E-Mail
info@wohlfahrtswerk.de
Beschäftigte (D)
1.400
Branche
Gesundheitswesen
Gedächtnis für Innovationen
Da Veränderungen im Pflegebereich
oft vielschichtig sind und ihre Zeit
brauchen, besteht die Gefahr, dass
man Themen aus den Augen verliert. Um das zu verhindern, haben
die Schwaben ihre Themen-Paten
etabliert: Die kommen zum Zug,
wenn unklar ist, ob ein Trend für
die tägliche Arbeit relevant werden
könnte oder nicht. Ein Pate erhält
und sammelt alle Informationen zu
einem bestimmten Thema – sei
es zur Personalrekrutierung im Ausland, zum Quartiersmanagement
oder zu pflegenden Angehörigen.
Sobald sich sein Thema als obsolet
herausstellt oder in konkreten
Handlungsbedarf mündet, tritt er
ab. Bei all diesem Innovationsgeist
ist aber über die Jahrhunderte
eines immer gleich geblieben: das
tiefe Bedürfnis des Menschen nach
Zuwendung und Wärme.
259
„
Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg
Ingrid Hastedt sieht erheblichen
Innovationsbedarf bei der Betreuung
älterer Menschen und engagiert
sich stark dafür.
Innovation kann
nur aus uns selbst
kommen.
Sie sind die Vorsitzende einer
bedeutenden sozialen Einrichtung.
Ist das für Sie ein Traumberuf?
Ja, weil ich hier etwas für die Menschen bewegen kann. Aber das
kostet auch immens viel Kraft: In
der Pflegebranche bewegen wir uns
in einem stark regulierten Sektor.
Manche Innovation können wir erst
dann flächendeckend umsetzen,
wenn Aufsichtsbehörden überzeugt
sind oder gar die Gesetzgebung
geändert wurde. Wir brauchen dringend mehr Handlungsspielraum,
und auch die Bürokratie darf uns
nicht länger auffressen.
Das hört sich nicht nach einem
innovationsfreudigen Umfeld an …
Es kommt darauf an, was man daraus
macht. Innovation heißt für mich:
im Kleinen erproben und dann viel
geduldige Überzeugungsarbeit
leisten. Für die benötigen wir Unterstützung in der Branche, manchmal
auch einen gesellschaftlichen Lernprozess, der Jahre dauern kann.
Um die Meinungsbildung voranzutreiben, bieten wir etwa Fachtagungen an, initiieren Masterarbeiten
und veröffentlichen Artikel in Fachzeitschriften. Daneben engagieren
wir uns durch Mitarbeit in der Dienstleistungsnormung bei den einschlägigen Institutionen, damit eine
Regulierung durch den Staat gar
nicht erst erforderlich wird.
Welche gesellschaftlichen Trends
stellen Sie denn vor besondere
Herausforderungen?
Wir Führungskräfte analysieren
ständig, was eine Unterjüngung der
Gesellschaft und sinkende Renten
für die Versorgung der Menschen im
Alter bedeuten. Ich beschäftige
mich daher intensiv mit Themen wie
„technikunterstütztes Wohnen“,
„Zukunft des Pflegemarkts“ und
„alternative Wohnformen“. Da wir
Dienstleistungen von Menschen für
Menschen erbringen, sind für uns
auch die Entwicklungen am Personalmarkt von zentralem Interesse.
Außerdem machen wir uns natürlich
Gedanken, wie wir bürgerschaftliches Engagement fördern können.
„Gute Ideen kommen mir häufig bei
Tagungen. Da habe
ich Muße, meine
Gedanken schweifen
zu lassen.“
Ingrid Hastedt,
Vorstand
Welche Trends halten Sie für die
wichtigsten?
Ein zentrales Thema ist die Betreuung von Menschen mit Demenz. Wie
man das soziale Netz der Betroffenen stärken kann, wird zurzeit in
vielerlei Hinsicht erprobt. Dazu zählt
zum einen Entlastung für pflegende
Angehörige, zum anderen neue
technische Systeme, dank derer
ältere Menschen in ihrer vertrauten
Umgebung bleiben können. Wir sind
natürlich auch dabei, wenn Praxiseinrichtungen für Modellvorhaben
gesucht werden. Mit den Innovationen für individuelle Bedarfssituationen, die wir in der Pipeline
haben, wird es uns nicht an Nachfrage fehlen. Uns geht die Arbeit
so schnell nicht aus.
261
„
Wohlfahrtswerk
für Baden-Württemberg
www.top100.de