Kleine Zelle – große Wirkung
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Kleine Zelle – große Wirkung
BRENNSTOFFZELLE Kleine Zelle – große Wirkung 72 Pilotprojekt: KWK im eigenen Keller Die Brennstoffzellen-Technologie ist auf dem Vormarsch und soll Privathaushalten bald eine nahezu vollständige autarke Energieversorgung ermöglichen. Eigenheimbesitzer können damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, denn Brennstoffzellen-Heizungen produzieren nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung Strom und Wärme zugleich. Das erhöht den Wirkungsgrad des Gesamtsystems signifikant. Die Effizienz der BrennstoffzellenTechnologie als Beitrag zur Energiewende wird aktuell im dreijährigen Demonstrations- und Forschungsprojekt ene.field erprobt. SANITÄR+HEIZUNGSTECHNIK 12/2014 Dabei setzt der Heizungshersteller Vaillant gemeinsam mit dem Brennstoffzellen-Lieferant sunfire auf die Vorteile der Solid Oxid Fuel Cell (SOFC-Brennstoffzelle). 80 Vaillant-Kunden haben sich als Pioniere zur Verfügung gestellt, um die Praxistauglichkeit von Brennstoffzellen-Heizgeräten drei Jahre lang in ihren Häusern zu testen. Unter diesen Testpersonen befindet sich auch Wolfgang Seidewitz aus dem sächsischen Schildau, der schon seit geraumer Zeit bekennender Fan der BrennstoffzellenTechnologie ist, mit der er sich im Zuge der Energiewende eingehend beschäigt hat. Da kam ihm die Teilnahme am Demonstrationsprojekt ene.field gerade recht. „Brennstoffzellen werden einen Steigflug erleben, denn die Anlage ist an den Strom- und Wärmebedarf eines Eigenheims angepasst“, sagt Wolfgang Seidewitz. Der Hauseigentümer ist überzeugt von dem, was er seit Juni 2014 bei sich im Keller stehen hat. Das in Schildau installierte Brennstoffzellen-Heizgerät ist eines der neuesten Generation mit SOFC-Technologie. Wolfgang Seidewitz zeigt sich optimistisch, dass die Brennstoffzelle auch nach den drei Testjahren in seinem Keller bleiben wird: „Der Winter wird es zeigen“, so der Un- ▲ Wolfgang Seidewitz aus dem säch- sischen Schildau erhielt das erste Brennstoffzellen-Heizgerät in Sachsen im Rahmen des Demonstrationsprojekts ene.field. Technologiepartner sind die Vaillant GmbH und die sunfire GmbH. ternehmer, der vor allem in den kommenden kalten Jahreszeit von der gekoppelten Wärme-Strom-Produktion im Verhältnis 2:1 profitieren möchte. Die Verbundnetz Gas AG (VNG) hat den Einbau der Brennstoffzelle in Schildau über ihr Förderprogramm „Heizungskeller 2.0 – Innovation Brennstoffzelle“ unterstützt. Umwandlung von chemischer in elektrische Energie Dabei ist die Brennstoffzelle eigentlich keine neue Erfindung. Schon 1838 entstand die Idee dazu, aber erst in den 1960er Jahren wurde sie durch die NASA praktisch umgesetzt. Brennstoffzellen nutzen die chemische Energie von Erdgas oder Biogas zur direkten Umwandlung in elektrische Energie. Dazu dienen Elektroden, die durch Elektrolyte voneinander getrennt sind. Um genügend Leistung zu erbringen, werden die einzelnen, dünnen Zellen zu sogenannten Brennstoffzellen-Stacks aufgereiht. Ist das Brennstoffzellen-Heizgerät an das Erdgasnetz angeschlossen, wandelt ein Reformer das Erdgas zunächst in ein wasserstoffreiches Gas um. Dieses reagiert dann im Brennstoffzellen-Stack mit dem Sauerstoff der Lu in einer geräuschlosen „kalten Verbrennung“. Bei dieser Verbrennung entstehen Strom und Wärme. teile. Als innovativer Stromspeicher, der den nicht benötigten Strom zwischenspeichert und je nach Bedarf ein- oder ausspeist, wird beispielswiese das S10Hauskrawerk mit Lithium-Ionen-Akkus des Osnabrücker Unternehmens E3/DC eingesetzt. Es misst im Sekundentakt den Stromverbrauch aller elektrischen Geräte und speichert in den gleichen Intervallen den Strom aus verschiedenen Energiequellen, so auch aus Brennstoffzellen-Heizgeräten. SOFC – die neue Generation der Brennstoffzelle Die vom Dresdner Unternehmen sunfire entwickelte SOFC geht allerdings noch einen entscheidenden Schritt weiter. Sie zählt zu den Hochtemperatur-Brennstoffzellen, bei der ein keramischer Festelektrolyt verwendet wird. Die Arbeitstemperatur liegt bei ungefähr 900 Grad Celsius. Dies erlaubt einen relativ einfachen, kostengünstigen und integrierten Reformierungsprozess. SOFC-Systeme arbeiten mit einem Gesamt-Wirkungsgrad von 90 Prozent, während ein elektrischer Wirkungsgrad von über 50 Prozent erzielt werden kann. „Gegenüber Gas-Brennwertgeräten haben Brennstoffzellen den Vorteil, dass sie sowohl Wärme als auch Strom erzeugen und damit aus dem eingesetzten Gas hochwertige Energie gewonnen wird“, weiß Christian von Olshausen, CTO von sunfire. Großes CO2-Einsparpotenzial Brennstoffzellen gelten als die KWKTechnologie mit dem höchsten Potenzial zur CO2-Vermeidung. Sie bestehen, so ein weiterer Vorteil, aus nur wenigen, mechanisch beanspruchten Teilen, sind ro- bust und geräuscharm. Gegenüber Motoren als Basis für KWK-Anlagen versprechen Brennstoffzellen einen deutlichen Technologiesprung: Im Vergleich zur üblichen arbeitsteiligen Strom- und Wärmeerzeugung verbrauchen sie bis zu 25 Prozent weniger Primärenergie und senken den CO2-Ausstoß um bis zu 50 Prozent. Doch vor dem breiten Einsatz im Markt müssen vor allem Kosten reduziert und Wirkungsgrade verbessert werden. Dazu dienen verschiedene Pilotprojekte, die teilweise staatlich gefördert werden und Anreize schaffen sollen, als Testperson Brennstoffzellen-Heizgeräte über drei Jahre auszuprobieren. Neben dem Demonstrationsprojekt ene.field gehören der Praxistest Callux und Förderprogramme einiger Bundesländer dazu. ▼ Sächsische Hochtechnologie: Die Dresdner sunfire GmbH lieferte Vaillant die Hochtemperatur-Brennstoffzelle (SOFC) für Sachsens erstes Brennstoffzellen-Heizgerät in einem Privathaushalt. Ideale Strom- und Wärmeerzeuger Auf Basis dieser SOFC-Brennstoffzelle hat Vaillant das erste wandhängende Brennstoffzellen-Heizgerät als Vorserien-Gerät entwickelt, das effizient und emissionsarm elektrische Energie und Wärme aus Gas (Methan, Wasserstoff) erzeugt. „Brennstoffzellen sind ideale dezentrale Strom- und Wärmeerzeuger“, sagt von Olshausen. Während die Wärme direkt genutzt wird, kann der Strom je nach Bedarf selbst verwendet, zwischengespeichert oder ins öffentliche Netz eingespeist werden. Auch ein Zusammenschluss mehrerer Brennstoffzellen-Heizgeräte zu virtuellen Krawerken ist möglich und eröffnet dem Endkunden weitere wirtschaliche Vor▶ Display vom Brennstoffzellen- Heizgerät der Firma Vaillant bei Wolfgang Seidewitz in Schildau. Bilder 1 bis 3: Vaillant GmbH / © 2014 Michael Schmidt - www. schmidt.fm SANITÄR+HEIZUNGSTECHNIK 12/2014 73 BRENNSTOFFZELLE Marktreife bis 2016 geplant Vor fünf Jahren startete mit Callux ein deutschlandweiter, großer Praxistest unter dem Motto „Brennstoffzelle fürs Eigenheim“. Der Praxistest sollte dabei helfen, die Technologie bis zum Jahr 2017 zur Marktreife zu bringen. Projektpartner bei Callux sind neben Herstellern von Brennstoffzellen-Heizgeräten auch zahlreiche Energieversorger, wie EnBW oder EWE. Fast 500 BrennstoffzellenHeizgeräte von Vaillant, Baxi Innotech oder Hexis sind seitdem im Feld erprobt worden. Mit 100 Brennstoffzellen-Heizgeräten sammelten Vaillant und sunfire so Erfahrung in mehr als 600.000 Betriebsstunden. Dabei überzeugten die Geräte im Schnitt durch sehr hohe Zuverlässigkeit (>97 Prozent). Kostensenkungspotenziale von mehr als 50 Prozent konnten realisiert werden. KWK-Technologie im Praxistest Das Demonstrations- und Forschungsprojekt ene.field läu jetzt seit ziemlich genau zwei Jahren. Neben Vaillant-Proband Wolfgang Seidewitz aus Sachsen nimmt auch Eugen Klys aus dem baden-württembergischen Esslingen am Feldversuch mit dem BrennstoffzellenHeizgerät von Vaillant teil. Anstatt seine alte Gasheizung überholen zu lassen, entschied er sich für eine vollständige energetische Umrüstung seines Eigenheims. „Wir dachten: Wenn wir investieren, dann richtig und umweltfreundlich“, so Eugen Klys. Hauptgrund für diese Entscheidung waren die überdurchschnittlich hohen Stromkosten der Familie. Die lagen bei 3.800 Euro im Jahr. Das soll sich nun ändern. Eine Photovoltaikanlage in Südausrichtung auf dem Dach und ein Brennstoffzellen-Heizge- ▼ Blick in die Brennstoffzellenfertigung im Sunfire Ceramic Center (SCC) in Dresden. rät im Keller sollen fortan eine weitgehend autarke Energieversorgung absichern. Auch in Esslingen kommt als Stromspeicher das Hauskrawerk S10 von E3/DC zum Einsatz. „Das Ehepaar Klys wird mit der KWK-Technologie durchschnittlich etwa 75 Prozent seines Eigenbedarfs abdecken und zu Spitzenproduktionszeiten sogar noch kräig Strom ins öffentliche Netz einspeisen können“, prognostiziert Patrick Spöttle, der das Brennstoffzellen-Heizgerät installiert hat. Der Energiewende ein Stück näher Welche Technologiesprünge im Bereich von Brennstoffzellen-Heizgeräten möglich sind, zeigen die Veränderungen dieser Generation im Vergleich zu dem Vorgänger-Gerät: Die neue Gerätegeneration ist um 25 Prozent leichter und kompakter als die vorherige. Zudem konnten die Projektpartner Vaillant und sunfire die Herstellkosten um mehr als die Häle reduzieren. Das SOFC-Heizgerät produziert zeitgleich zwei Kilowatt Wärme und ein Kilowatt Strom bei einem elektrischen Wirkungsgrad von 3034 Prozent. Bis 2017 schließlich soll die Marktfähigkeit der BrennstoffzellenHeizungen erreicht sein. Sie schmiegt sich perfekt an die Entwicklung im Gasbereich und ist daher gerade im Sinne der dezentralen Energiewende eine bedeutsame Weiterentwicklung. Da in Deutschland sehr viele Haushalte und Unternehmen an das Erdgasnetz angeschlossen sind, ist für die Lieferung des Brennstoffs nicht der Auau einer neuen Infrastruktur notwendig. Neben dem Einsatz in BZ-Heizgeräten für den Hausenergiemarkt findet die SOFCTechnologie von sunfire auch ihre Verwendung in weiteren Anwendungen, wie die unabhängige Stromerzeugung an Gaspipelines oder für die klimafreundliche Energieerzeugung von Nebenaggregaten und Versorgungssystemen auf Schiffen. www.sunfire.de www.vaillant.de ◀ Prüfung eines Brenn- stoffzellen-Stack bei sunfire in Dresden. Bilder 4 und 5: sunfire GmbH 74 SANITÄR+HEIZUNGSTECHNIK 12/2014