Virtual Communities – Gruppe, Netzwerk oder Gemeinschaft?
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Virtual Communities – Gruppe, Netzwerk oder Gemeinschaft?
Westfälische Wilhelms-Universität Münster Institut für Soziologie Scharnhorststr. 121 48151 Münster Wintersemester 2007/2008 Erstprüfer: Prof. Dr. Matthias Grundmann Zweitprüfer: Prof. Dr. Rolf Eickelpasch Virtual Community – Gruppe, Gemeinschaft oder Netzwerk? Hausarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister Artium. Vorgelegt am 20.3.2008 von: Karoline Schulte-Frohlinde / Matrikelnummer: 303484 Studiengang: Soziologie (Hf) und Neuere und Neueste Geschichte (Nf) im 9. Fachsemester und Kommunikationswissenschaft (Nf) im 7. Fachsemester. Anschrift: Hammerstr. 33, 48153 Münster. Kontakt: 0251 – 2844876, 0176 – 21506269 oder karofroh@hotmail.com I Titelblatt…….………………………………………………………………… 1 II Inhaltsverzeichnis……………………………………………………………. 2 III Hauptteil……………………………………………………………………… 3 1 Auf den ersten Blick ein Problem…………………….…………………….. 3 2. Das Internet - Eine kurze Bestandsaufnahme……………………………. 6 2.1 Der Wandel im WWW von Web 1.0 zu Web 2.0……………………… 11 2.2 Wer nutzt das Netz?........................................................................... 21 3. Social Software und Virtual Community…………………………………..... 30 3.1 Gemeinschaft und Gesellschaft nach Ferdinand Tönnies…………… 37 3.2 Imagined Communities………….………………….…………………. 40 3.3 Was ist nach soziologischer Definition soziale Gemeinschaft?.......... 45 4. Kommunikation, CMC und Handlungsräume…….……………………… 49 4.1 Subjektkonstruktion, Sozialisation und Identität.................................. 58 4.2 Realität und Virtualität aus mediologischer Sicht….………………… 70 5 Oralität und Virtual Communities............................................................. 84 6 Fazit – Gibt es Gemeinschaft im Netz?….………………………………… 88 IV. Anhang…………………………………………………………………………. 92 IV.A Verzeichnis der Abkürzungen……………………………………………… 92 IV.B Begriffslexikon……………………………………………………………….… 93 IV.C Bildbeispiele..………………………………………………………………… 101 IV.D Gesprächsanalyse, Fragebögen und Interviews………………………… 125 IV.D.1 CC – Beispiel zur Oralität im Netz…………………….…………… 125 IV.D.2 Fragebögen und narrative Interviews ……………………..……… 132 IV.E Daten-DVD mit Medienbeispielen und Herleitungsnachweisen……….. 137 V Literatur……………………………………………………………………....... 138 VI Links…………………………………………………………………………… 146 VII Abbildungsverzeichnis………..……………………………………………… 147 2 III Hauptteil 1 Auf den ersten Blick ein Problem In der vorliegenden Magisterarbeit soll das Konzept der Virtual Community, das Howard Rheingold 1993 mit Erscheinen des Buches ‚The Virtual Community: Homesteading on the Electronic Frontier’1 geprägt hat, vor dem Hintergrund technischer Entwicklungen und den daraus resultierenden Folgen erneut einer Analyse unterzogen werden. ‚Virtual Community’ ist als Konzept seit jeher problematisch wahrgenommen worden. „Virtual Community is certainly one of the most used, and perhaps abused, phrases in the literature on computer-mediated communication (CMC).”2 Da die soziologische Definition von ‚Community’, also Gemeinschaft, deutlich von dem differiert, was unter ‚Virtual Community’ im allgemeinen Sprachgebrauch verstanden wird und wegen des Adjektivs ‚Virtual’ (dt.: virtuell) ist die Bezeichnung seit Erscheinen des Buches von Rheingold unzählige Male auf seine theoretische Anwendbarkeit geprüft worden. Das Konzept ‚Virtual Community’ erlangt Hand in Hand mit so genannter Social Software während der Durchsetzung typischer Web 2.0 Anwendungen eine neue Relevanz.3 Der Wandel von Web 1.0 zu Web 2.0 fällt mit dem Zusammenbruch der Börse im Herbst 2001 zusammen - diese beiden Konzepte werden ebenfalls bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgt und definiert. Eine kurze Chronologie der Technikgeschichte und eine Klärung der mit den verschiedenen Phasen der Entwicklung des Internet jeweils einhergehenden technischen Fachbegriffe ist unverzichtbar, um im Gewimmel der Netze und Anwendungen und deren sozialen und gesellschaftlichen Folgen den Überblick zu behalten. Im Folgenden wird neben der Definition von Social Software eine erste definitorische Annäherung an das Konzept ‚Virtual Community’ vorgenommen und das Konzept zu seinem originären Ursprung zurückverfolgt. An dieser Stelle stellen sich folgende Fragen: Was ist eine ‚Virtual Community’ und was nicht? Wie sind Gruppen, Netzwerke und Gemeinschaften generell im Internet einzuordnen? Können im Internet Gemeinschaften im soziologischen Sinne entstehen oder gibt es nur 1 Rheingold, Howard (1993 [2000]): The Virtual Community: Homesteading on the Electronic Frontier. (Download am 19.2.2008: Introduction - http://www.rheingold.com/vc/book/intro.html; Chapter 1 – The Heart of The WELL - http://www.rheingold.com/vc/book/1.html; Chapter 2 – Daily Life in Cyberspace: How the Computerized Counterculture Built a New Kind of Place http://www.rheingold.com/vc/book/2.html) 2 Wilbur, Shawn P. (2000): An Archaeology on Cyberspaces: Virtuality, Community, Identity. In: Bell, David / Kennedy, Barbara M. (eds.): The Cybercultures Reader. London / New York. S. 45. 3 Eine Googlesuche mit dem Suchbegriff ‚Virtual Community’ ergibt am 22.2.2008 19,3 Millionen Treffer, das Konzept ist also zumindest wohl bekannt. 3 Gruppen, Netzwerke, soziale Netzwerke und Imaginierte Gemeinschaften? Wie ist Virtual Community grundsätzlich zu definieren? Um die sich in Kapitel 2 abzeichnenden Problematiken und die Frage nach der tatsächlichen Anwendbarkeit des Konzepts ‚Virtual Community’ aufzulösen, muss das Konzept Virtual Community aus gemeinschaftssoziologischer Perspektive untersucht werden. Zunächst werden dazu die Ursprünge sozialer Gemeinschaft bei Tönnies4 verortet. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Das führt dazu, dass er ein Grundbedürfnis nach Vergemeinschaftung hat und fest in einer sozialen Umwelt verankert ist.5 „ […] soziale Gemeinschaften [etablieren] sich „unterhalb“ gesellschaftlich[er] […] Strukturen.”6 Daher muss jede Gemeinschaft auch aus gesellschaftstheoretischer und –politischer Perspektive analysiert werden. Aus gemeinschaftssoziologischer Sicht sind sowohl die Motive (Werte, Interessen, Ziele) des Zusammenschlusses einzelner Akteure zu untersuchen, als auch die Strukturiertheit der Beziehungen und der Grad der formalen Organisation von Gemeinschaft. Außerdem müssen die Prozesse der Gemeinschaftsbildung bzw. Vergemeinschaftung, sowie die Strukturelemente von Gemeinschaft untersucht werden. Gemeinschaften müssen gesellschaftlich verortet werden.7 Sonderformen der sozialen Gemeinschaft sind beispielsweise Intentionale8 oder Imaginierte Gemeinschaften9 – auch diese werden als Konzeptbegriffe definiert. Dem gemeinschaftssoziologischen Ansatz folgend wird ‚Virtual Community’ wird außerdem aus etymologischer Perspektive untersucht. „ […] in the sense we are now creating a space in which people of the planet can have that kind of communication relationship. […] When we are all together in Cyberspace we will see, what the human spirit, and the basic desire to connect, can create here.” 10 Die Vertreter der Theorie, dass Virtual Communities Gemeinschaften im soziologischen Sinne sind, konstruieren das Internet bzw. Virtualität als Sozialraum. Eine wachsende Zahl von Nutzern und ständige Verfügbarkeit des Internet sind Voraussetzung für die Entstehung eines sozialen Handlungsraums - ‚Virtual Communities’ sind also aus 4 Tönnies, Ferdinand (1935 [1887]): Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie. Leipzig. 5 Vgl. Grundmann, Matthias (2006a): Sozialisation. Skizze einer allgemeinen Theorie. Konstanz. S. 56. 6 Grundmann, Matthias (2006b): S. 21 7 Vgl. ebd. S. 22ff. 8 Ebd. 9 Anderson, Benedict (1983): Imagined Communities: Reflections on the Origin and Spread of Nationalism. London. 10 Barlow, John Perry (Gründer der Electronic Frontier Foundation) et al. (1. August 1995): What are we doing on-line? Harpers Magazine. S. 40. 4 handlungstheoretischer Perspektive zu untersuchen. In diesem Kontext werden die Begriffe Kommunikation, Raum, das handelnde Subjekt, Sozialisation und Identitätskonstruktion definiert, da sie die theoretische Grundlage für die Definition einer ‚Virtual Community’ bilden. „An increasing number of people are finding their lives touched by collectivities which have nothing to do with physical proximity. A space has opended up for something like ‘community’ on computer networks, at a time when so many forms of ‘real life’ community seem under attack, perhaps even by the same techno-cultural forces that make the Internet culture possible.”11 Bei Barlow und Wilbur wird offensichtlich, dass die Nutzung von Internet durch eine große Anzahl User Folgen hat, die die Wahrnehmung der Wirklichkeit verändern. In der Arbeit soll mittels des mediologischen Ansatzes eine Einordnung von Internet und Virtualität und damit auch von ‚Virtual Communities’ in den historischen Kontext vorgenommen werden. Mediologie ist eine Wissenschaft der Zeichen. Anders als klassische Medientheorien wird hier jedoch die Auffassung vertreten, dass Bedeutung und Sinn nicht nur über Kommunikation übertragen wird, sondern dass das übertragende Medium selbst als Kulturträger fungiert. Somit wird auch die Analyse des technischen Rahmens von Internet über den mediologischen Blick gebührend mit einbezogen. Neuere Ansätze zur Definition virtueller Gemeinschaften, vor allem in der anglo-amerikanischen Communityforschung, ziehen zur Erklärung von ‚Virtual Communities’ die Oralitätsthese von Ong12 hinzu. Ong vergleicht orale mit auralen Kulturen. Das besondere an der „Kultur“, die im Internet entsteht, ist, dass sie sowohl Kennzeichen oraler als auch auraler Kulturen zeigt. In Kapitel 5 werden deshalb ‚Orality’ und ‚Literacy’ verglichen und die Bedeutung der Oralitätsthese für die Untersuchung virtueller Gemeinschaften herausgestellt. Schlussendlich wird Virtuelle Gemeinschaft unter Einbeziehung aller Beobachtungen definiert. Es werden dann drei verschiedene Subtypen von ‚Virtual Community’ identifiziert. Um semantisch überhaupt eine Handlungsgrundlage zu haben wird im kommenden Kapitel zunächst die Entstehungsgeschichte und die technische Entwicklung des Internet nachgezeichnet. Die Betrachtung der technischen Umwelt von ‚Virtual Community’ wird mit einer Analyse der aktuellen Nutzerzahlen und der Zugangsbarrieren zum Internet bzw. zur vollständigen Nutzung der Möglichkeiten, die sich durch das Internet ergeben können, abgeschlossen. Steigende Nutzerzahlen sind die 11 12 Wilbur: S.45. Ong, Walter J. (1982): Orality and Literacy. The Technologizing of the World. London. 5 Voraussetzung für den Erfolg von Anwendungen im Netz; die aus der Produktionswilligkeit der Nutzer entstehende Masse der neuen Anwendungen wiederum lockt neue Nutzer ins Netz. Nicht jeder hat dabei die gleichen Chancen, die Möglichkeiten des Internet, geschweige denn, das Internet überhaupt, zu nutzen. 2. Das Internet – eine kurze Bestandsaufnahme Wenn in dieser Arbeit die Rede vom Internet ist, so wird der Begriff Internet synonym für den Begriff ‚World Wide Web’ (WWW) genutzt. ‚Web’ ist eine Verkürzung der Bezeichnung World Wide Web. Ebenfalls synonym für die Bezeichnung WWW ist mittlerweile der Begriff ‚Netz’ allgemein gebräuchlich - Netz ist wiederum die Verkürzung für Internet, also streng genommen nur vernetzte Rechner. Wenn mit Internet das WWW bezeichnet wird, so ist dies technisch und sachlich falsch. Dadurch, dass aber allgemeiner Konsens über die Inhalte von Internet als Konzept besteht, wird in dieser vorgenommen, da die Arbeit bewusst oben genannten keine definitorische Termini dermaßen Beschränkung eng in den Alltagssprachgebrauch eingebunden sind, dass eine an dieser Stelle konzeptionell sicherlich sinnvolle inhaltliche Festschreibung langfristig vermutlich keinen Bestand hätte. Dementsprechend wird im Folgenden, sofern nicht gesondert gekennzeichnet, das Hypertextsystem13 World Wide Web auch als Internet, Web und Netz bezeichnet. Als wichtig anzumerken bleibt allerdings: ‚Internet’ hat in der Vergangenheit auch schon anderen großen Computernetzwerken als Label gedient, so dass es zu generellen Verständigungsschwierigkeiten kommen kann, wenn man sich ältere wissenschaftliche Arbeiten zum ‚Internet’ ansieht. In den Beiträgen ist beispielsweise oft nicht das heutige World Wide Web mit ‚Internet’ gemeint, sondern das Usenet14, das Unix User Network. Problematisch ist, dass Annahmen, die vor rund zwei Dekaden über ein Netzwerk wie das Usenet getätigt wurden, nicht zwingend übertragbar sind auf die Anwendungen, die heute im WWW zur Verfügung stehen, so dass schon allein aus diesem Grund eine Revision der vorliegenden Hypothesen und Begriffe zum Ent- und Bestehen von Virtual Communities sinnvoll ist. Rechnerverbünde bzw. -Netzwerke eint das Benutzen desselben 13 Hypertextsysteme, auch Hypermediasysteme genannt, sind multilineare Textsysteme (Text beinhaltet in diesem Verständnis jedweden medialen Inhalt, also neben Text z.B. auch Videos, Musikdateien, Graphiken etc.), deren einzelne Einheiten durch so genannte Hyperlinks miteinander verbunden sind. Hypertext- bzw. Hypermediasysteme haben daraus folgend eine Netzstruktur. 14 Netzwerk aus Rechnern, die mit dem Betriebssystem Unix laufen. Unix ist ein rein textbasiertes Betriebssystem. 6 Betriebssystems15 und der jeweilig dazugehörenden Programmiersprache. Die sich dem Nutzer aus diesen verschiedenartigen Computernetzwerken eröffnenden Möglichkeiten der Vernetzung der Rechner und die Probleme, die durch die einheitliche Bezeichnung der Netzwerke WWW und Usenet als Internet entstehen, werden im späteren Verlauf der Arbeit in Kapitel 5 erneut zur Diskussion gestellt werden. Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass das ein WWW Hypertextsystem ist, auf das über das Internet (meint hier: die verbundenen Rechner), zugegriffen werden kann. Die Ursprünge des Internet, also der zu Kommunikationszwecken verbundenen Rechner, wurzeln in der militärischen Aufrüstung während des Kalten Krieges in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts.16 Damals wird das Arpanet (Advanced Research Projects Agency Network) von der US-Amerikanischen Luftwaffe in Auftrag gegeben und vom MIT (Massachusetts Institute of Technology) entwickelt. Das Arpanet ist ein dezentrales Netzwerk, dass die für das Verteidigungsministerium forschenden amerikanischen Universitäten miteinander verbinden sollte und 1969 umgesetzt wird. Die Verbindungen werden damals über Telefonleitungen hergestellt. Nach drei Jahren sind 60 Computer in das Netzwerk eingebunden, nach zehn Jahren 200 (siehe Abbildung 6 in Kapitel 2.2). 1989 gibt das Pentagon das Internet frei – in diesem Jahr sind 100 000 Rechner registriert. Das militärische Arpanet wird 1990 abgeschaltet, die Ära des zivilen Internet beginnt. Mit der Freigabe setzt die Kommerzialisierung des Internet ein. Die National Science Foundation (NSF), eine unabhängige Einrichtung der Regierung der USA, fördert fortan die Entstehung eines kommerziellen Marktes für Internet Service Provider (ISP). Im Jahre 1993, mit der Einführung des graphischen Webbrowsers Mosaic, gibt es weltweit bereits 500 Server17. Ein (Web)Browser ist ein Programm mit dem sich elektronisch verarbeiteter medialer Text anzeigen lässt. Das Wort Browser ist etymologisch zurückzuführen auf das englische Verb ‚to browse’, das sowohl mit ‚äsen’ als auch mit ‚stöbern’ oder ‚schmökern’ zu übersetzen ist. Das Internet kann, bildlich gesprochen, mittels eines Browsers abgegrast werden; es wird ‚gesurft’. Die Erfindung des Browsers 1990 ist die bedeutsamste Neuerung in den Anfangstagen der Computerkommunikation, 15 Programm zur Generierung einer Benutzeroberfläche. Textbasiert sind zum Beispiel Unix und Linux. Graphische Benutzeroberflächen können mit Windows oder Mac OS X erzeugt werden. Die ersten PCs mit Benutzeroberflächen waren Atari, Commodore, Apple Macintosh und Amiga. 16 Vgl. Hafner, Katie / Lyon, Matthew (2000): Arpa Kadabra oder Die Geschichte des Internet. Heidelberg. S. 32ff. 17 ‚Server’ hat zwei Bedeutungen: 1) Software, also ein Programm, dass mit einem anderen Programm (dem Client) kommuniziert und so Zugang zu Diensten verschafft. 2) Hardware, also ein Rechner oder Rechnerverbund, auf dem ein oder mehrere Server laufen. 7 denn erst durch seine Existenz ist eine nahezu grenzenlose Vernetzung von Dokumenten und Anwendungen möglich. Man bezeichnet deshalb Webbrowser auch als die ‚killer application’18 bei der Entwicklung des Internet - denn ohne Browser gäbe es das Internet, so wie es heute existiert, nicht. Auf andere ‚killer applications’ wird später in diesem Kapitel erneut eingegangen. Lange vor der Freigabe des militärischen Internet, des Arpanet, haben im Jahr 1979 Tom Truscott, Steve Bellovin und Jim Ellis an der Universität von North Carolina in den USA zwei Unix Rechner zusammengeschlossen. Ziel war das Anbieten einer freien Alternative zum Arpanet. Zwar gelang es im Laufe der Zeit einige Tausend Rechner zu vernetzen, aber die Anschlussfähigkeit war aufgrund des Datenübertragungsprotokolls (UUCP19) daran gebunden, dass jeder zu integrierende Rechner ebenfalls Rechnerverbund über das entstehenden Betriebssystem Unix Netzwerk, Usenet, dem lief. Im wird aus diesem über Email20 kommuniziert: es besteht einerseits die Möglichkeit persönliche Nachrichten zu verschicken, andererseits die Möglichkeit sich in öffentlichen Foren zu äußern.21 Im Usenet entstehen Mailinglisten und Newsgroups. Mailinglisten sind geschlossene Gruppen, deren Mitglieder sich gegenseitig Nachrichten zukommen lassen. Innerhalb einer Mailingliste sind diese Email-/Briefwechsel öffentlich. Mailinglisten gelten dabei als die Urform der Newsgroup. Eine Newsgroup ist ein Diskussionsforum, das über Rechnerverbünde, in diesem Fall das Usenet, und einen Newsreader22 im Usenet konstruiert werden. Die Newgroups sind in verschiedene Hauptthemengebiete, in so genannte Threads, gegliedert. Innerhalb dieser Threads können einzelne Themen (inhaltlich analog zum Hauptthema) „aufgemacht“ werden. Diese „Unterfragen“ werden ebenfalls als Threads bezeichnet. Am besten lässt sich das am Bild eines schwarzen Bretts veranschaulichen: Jeder dem jeweiligen Rechnerverbundsystem zugeschaltete User kann mittels seines Rechners Botschaften in den Threads hinterlassen, die wiederum von allen anderen teilnehmenden Usern eingesehen 18 killer application: revolutionäre Anwendung im Internet oder WWW die schon existierenden Technologien zum Durchbruch verhilft. 19 Unix to Unix Copy Protocol 20 Die Email wurde 1971 von Ray Tomlinson erfunden, der damals beim privaten Forschungsunternehmen BBN (Bolt, Beranek and Newman) mit dem Aufbau des Arpanet beschäftigt war. Die ersten Mails wurden mit dem von ihm entwickelten Programm SNDMSG/READMAIL verschickt. Vgl. Hafner / Lyon: S.222ff. 21 Technisch betrachtet basieren auch die Nachrichten, die in öffentlichen Foren geposted werden, auf dem Prinzip der Email. Um Email nutzen zu können, muss ein spezielles Programm installiert werden, der so genannte Email-Client oder auch Mail-User-Agent (MUA). Dieses Programm wiederum kommuniziert mit einem Server, der Nachrichten an den gewünschten Empfänger übermittelt. 22 Software zur Erfassung, Verarbeitung, Darstellung und Erstellung von Email. 8 werden können. Alle User könnten nun ihrerseits auf den geposteten Text reagieren, ebenfalls mit einer Botschaft, die wiederum im Forum unter der jeweiligen Unterfrage eingestellt wird und somit ebenfalls für jeden anderen Teilnehmer sichtbar ist. Im Gegensatz zu Webforen23 oder Webmail24, wo die Funktionen der Nachrichtendarstellung und Nachrichtenverarbeitung zentral vorgegeben sind, ist die Darstellungs- und Verarbeitungsweise bei Newsgroups und Mailinglisten abhängig vom jeweilig installierten Newsreader. Das Usenet seinerseits ist ein einziges, rein textbasiertes Forum.25 Ein weiterer Konsens, der im Usenet durch den Dialog der Teilnehmer entstand, ist die Netiquette26. Die Netiquette betrifft sowohl das Mailverhalten als auch das Diskussionsverhalten. Unnötige Crosspostings27 und Multipostings28 werden beispielsweise allgemein nicht geduldet. Das Benutzen eines Pseudonyms ist entweder akzeptiert oder unerwünscht, dies variiert von Hierarchie zu Hierarchie. Der Umgangston, der zum Teil auch mehr als rau sein kann, ist ebenfalls von der Hierarchie, zusätzlich aber vom Gesprächsklima in der jeweiligen einzelnen Gruppe geprägt. Im Laufe der Zeit wurden innerhalb des Usenets die Usenet-Laws29 formuliert.30 Inhaltlich wird die eigentlich eher diffuse Netiquette als Verhaltenskodex auch im World Wide Web allgemein anerkannt. Aufgrund der unterschiedlichen Auffassung von Netiquette können Verhaltensmuster im World Wide Web abhängig vom jeweiligen Kontext also ebenfalls sehr stark schwanken. Der Zugang zum Usenet war durch die vorausgesetzte Benutzung des Datenprotokolls UUCP und die Verteilung der Datenströme auf einige wenige Server 23 Diskussionsforen im World Wide Web. Emailprovider im World Wide Web. 25 Um einen Überblick über die Newsgroups im Usenet zu erhalten, erfolgte eine allgemein als verbindlich angenommene Unterteilung in zunächst sieben Gruppen, die sogenannten Major Seven oder Big Seven. Diese waren comp (Computer), sci (Wissenschaft), soc (Gesellschaft), talk (Geplauder), rec (Kultur), news (das Usenet selbst) und misc (Undefinierbares). Die Major Seven wurden 1995 um die Gruppe hum (Menschen betreffendes) erweitert – man spricht nun von den Big Eight. Jede Newsgroup bildet für sich eine so genannte Hierarchie. 26 Kunstwort aus den englischen Wörtern ‚Net’ und ‚Etiquette.’ Vgl. Döring, Nicola (2003): Sozialpsychologie des Internet. Die Bedeutung des Internet für Kommunikationsprozesse, Identitäten, soziale Beziehungen und Gruppen. Göttingen. S.66ff. 27 Crosspostings sind Beiträge, die in mehreren Foren gleichzeitig geposted werden. Dabei werden sie direkt beim Absenden über die verschiedenen Foren verteilt. 28 Multipostings stehen ebenfalls in mehreren Foren, werden dort aber einzeln abgesetzt und verbrauchen so mehr Speicherkapazität und Rechenzeit bei den verarbeitenden Servern. Sie werden grundsätzlich von den Usenet-Nutzern abgelehnt. 29 Beobachtbare Regelmäßigkeiten im Diskussionsverhalten. 30 Ein interessantes Beispiel wäre Godwin`s Law: Das Godwinsche Gesetz besagt, dass im Verlauf langer Forumsdiskussionen zu einem bestimmten Zeitpunkt von demjenigen, der das Einstellen der Diskussion ohne Ergebnis erzwingen will bzw. mangels vorhandener anderer Argumente, ein Vergleich mit dem NS-Regime oder mit Adolf Hitler in die Diskussion eingebracht wird, um diese zum Erliegen zu bringen. 24 9 begrenzt. Die Administratoren des Usenet jener Zeit hatten nahezu unbegrenzte Macht über die Zulassung neuer Newsgroups und die Inhalte der bestehenden – sie konnten das gesamte Usenet kontrollieren. Dies änderte sich erst mit der Einführung des Datenprotokolls NNTP (Network News Transport Protocol) Mitte der Achtziger Jahre. Über das NNTP konnten Daten über TCP/IP31 (Protokoll) verschickt werden. Der Datentransfer musste nicht mehr zwangsweise über UUCP stattfinden, sondern konnte damit über das ‚Internet’ (den gesamten Rechnerverbund, der das Usenet bildet) selbst erfolgen. Das Usenet war danach nicht mehr nur auf einige wenige Server angewiesen. Im Folgenden wurde nahezu der komplette Datenverkehr auf NNTP umgestellt - NNTP wird zum Protokoll, auf dem die gesamte Kommunikation im Usenet beruht. Dadurch, dass durch die Dezentralisierung jeder NNTP nutzende User über den eigenen Newsreader Newsgroups gründen konnte, stieg die Zahl der Newsgroups nach Einführung von NNTP insgesamt exponentiell an, die 32 Machtposition der regulierenden Superadministratoren war weg gebrochen. Das erste Programm, das das einfache Navigieren durch die zunehmende Masse von Dokumenten im Usenet ermöglichte, das WorldWideWeb (W3), wurde 1990 von Tim Berners-Lee am CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) bei Genf entwickelt. Das W3 war der erste Webbrowser; also das erste Programm, das unidirektionale Verlinkungen zuließ und nicht zwingend bidirektionale benötigte, also Hypertext erst ermöglichte. W3 sollte ursprünglich dem Austausch zwischen Wissenschaftlern bzw. genauer: der Verflechtung wissenschaftlicher Dokumente dienen. Als Tim Berners-Lee den W3 programmierte, ging mit der Erfindung Browsers auch die von Hypertext und die des HyperText Transfer Protocols (HTTP) einher. Genau wie UUCP und NNTP werden mit HTTP Daten über ein Computernetzwerk übertragen. In der ersten Generation konnte W3 ausschließlich Text anzeigen, da es für das textbasierte Betriebssystem Unix programmiert worden war. Am CERN werden einige Rechner auf Basis des HTTP zusammengeschlossen, um W3 überhaupt benutzen zu können – dies sind die ersten Rechner, die das Hypertextsystem World Wide Web bilden, das heutige Internet. So wurde HTTP das Protokoll, auf dessen Ursprüngen auch heute noch die Kommunikation im World Wide Web basiert. Durch die Programmiersprache HTML (HyperText Markup Language) werden die Inhalte der Texte, die im WWW verlinkt sind, seit damals dargestellt. Die meisten Browser sind dazu programmiert HTML-Dokumente bzw. 31 32 Transmission Control Protocol. Vgl. Vgl. Hafner / Lyon: S.289ff. Vgl. IV.C.1: Wachstum des Usenet zwischen 1979 und 1995, S., und Abb. 3 in Kapitel 2.2, S. 101. 10 Hypertexte, die HTML-codiert sind, darzustellen. Berners-Lee benannte das Programm WorldWideWeb/W3 allerdings später in ‚Nexus’ um, um Verwechslungen zu vermeiden, denn der Name dieses Programms war in der Zwischenzeit Namen gebend für das mittlerweile global zugängliche Hypertextsystem World Wide Web geworden. 1992 gelang es dem amerikanischen Studenten Pei-Yuan Wei erstmals, einen Browser zu programmieren, der auch Graphiken anzeigen konnte, „Viola“. 1993 stellte die amerikanische Institution NCSA (National Center for Supercomputing Applications) den ersten rein graphischen Webbrowser33 Mosaic, der von Marc Andreessen programmiert worden war, zum freien Download34 ins WWW. Die Einführung des Mosaic und die daraufhin sprunghaft steigenden Nutzerzahlen waren Vorraussetzung für die Entwicklung eines globalen Marktes für ISP, Hardware- und Softwareanbieter. Die ökonomischen Gewinner der ersten Hochphase der IT-Branche35, der Dot.com-Revolution, waren in erster Linie Unternehmen wie Apple, Microsoft und zum Beispiel der Browseranbieter Netscape. Microsoft stellte mit Windows die Markt führende Anwendung im Bereich Betriebssysteme. Der Webbrowser Netscape Navigator ist quasi der, ebenfalls von Marc Andreessen, mittlerweile Gründer und Inhaber der Firma Netscape, programmierte Mosaic-Nachfolger. Der Internetboom, der durch die globale Einführung World Wide Web und durch die, die Navigation vereinfachenden, Webbrowser ausgelöst wurde, mündete ökonomisch in der so genannten Dot.comBubble36, die im Herbst 2001 zerplatzte. 2.1 Der Wandel im WWW von Web1.0 zu Web 2.0 Genau hier ist der Übergang von Web 1.0 zu Web 2.0 zu verorten. Diese verhältnismäßig inhaltsleeren bzw. mehr als schwammigen Label beinhalten doch zumindest den Versuch einer Annäherung an die nach 2001 im Internet stattfindenden, schwer zu fassenden Veränderungen, seien sie ökonomischer, technischer oder sozialer Natur. Wie viel Einfluss die Einführung dieser beiden 33 Graphische Browser ihrerseits basieren auf ‚graphischen Benutzeroberflächen’. Jedes graphische Betriebssystem erzeugt eine graphische Benutzeroberfläche. Es wird dort über spezielle, eben graphische Oberflächen, also z.B. über das Ansteuern von Icons, mit einem Cursor navigiert. So wird die Handhabung von einer Vielzahl von Programmen auch für Laien möglich. 34 Download hat eine Doppelbedeutung: Mit Download ist gemeint, dass man Programme und Dokumente zur Installation oder zur Archivierung aus dem Netz auf den eigenen Rechner lädt. Streng genommen werden aber zum Beispiel alle medialen Texte, die man sich mittels eines Browsers ansieht, ebenfalls downgeloaded. Sie werden allerdings in den Browser geladen. 35 IT = Information Technology 36 Spekulationsblase an der Börse zwischen ca. 1995 und 2001 11 Sammelbegriffe dennoch auf eine Benennung der Veränderungen nach 2000 hatte, sei illustriert durch 52,4 Millionen Treffer bei einer Google-Suche nach dem Begriff „Web 2.0“ am 15.2.200837. Die Termini Web 1.0 und Web 2.0 wurden anlässlich der Namensgebung einer Medienkonferenz zum Thema Internet von Dale Dougherty, Vizepräsident von O`Reiley Media Inc., konstruiert, um den maßgebenden Veränderungen im Netz nach 2001 gerecht zu werden und zugleich einen nominellen Ansatzpunkt für die Analyse der Entwicklung des WWW zu haben. Die sich aus diesen Überlegungen ergebende ‘Web 2.0 Conference’ fand 2004 erstmals statt. Tim O`Reilley, Präsident von O´Reilley Media Inc., zieht aus dem Zusammenbrechen der Börse und den hundertfachen Insolvenzen von Start-Ups und den daraus resultierenden Entwicklungen im World Wide Web folgenden Schluss: „The pretenders are given the bum's rush, the real success stories show their strength. […] The web was more important than ever, with exciting new applications and sites popping up with surprising regularity.”38 Im World Wide Web wurden nach 2001 Anwendungen jeder couleur en masse vor allem umsonst zur Verfügung gestellt. Die Produktionswilligkeit, mit der der Nutzer Programme mitgestaltete, führte zu einer rasanten Entwicklung einzelner Anwendungen. Marc Andreessen sagt über den Zeitraum nach 2001: „Jedes Jahr gibt es eine völlig neue, durchschlagende Anwendung, die absolute killer application. Erst ist es Ebay, dann Napster, dann PayPal, MySpace39, Facebook, YouTube40 und so weiter.“41 Jede dieser Webanwendungen war revolutionär und hat für sich genommen einen Boom ausgelöst, der jeweils eine Vielzahl von Nachahmeranwendungen provoziert hat. So ist aus dem Markt der Benutzersysteme ein ungleich größerer Markt der Anwendungen entstanden, auf den zudem von jedem Rechner der Erde aus, sofern dieser ans World Wide Web angeschlossen ist, nahezu jedermann, unabhängig von Datum und Uhrzeit, zugreifen kann. Wer tatsächlich die Zugangsbarrieren zum World Wide Web umgehen kann und wem das Web auch in Zukunft verschlossen bleiben wird, das wird in Kapitel 3.1 kurz thematisiert werden. Der Wandel erfasst alle Bereiche der Vermittlung von Inhalten mittels World Wide Web; mehr noch, Telefonie, Fernsehen, Musik, Filme – einfach alles ist über das World Wide Web 37 Sucht man beispielsweise nach dem Begriff „Internet“, ergeben sich mehr als zwei Milliarden Hits. O´Reilley, Tim (2005): What is Web 2.0? (Download am 17.2.2008 unter http://www.oreillynet.com/pub/a/oreilly/tim/news/2005/09/30/what-is-web-20.html) 39 Myspace - Siehe Bildbeispiel IV.C.2 und IV.C.7ff im Anhang, S. 101. 40 Youtube - Siehe Bildbeispiel IV.C.3 im Anhang, S. 102. 41 „Alles wandert ins Netz“. Interview mit Marc Andreessen. In: DER SPIEGEL # 7/11.02.2008. S.72. 38 12 abrufbar und ohne Umwege nutzbar oder abspielbar. „…das Internet [wird] gerade zum wichtigsten Medium überhaupt. Im Grunde kommen jetzt alle Verbraucher zu uns rüber. Telekommunikation, Video, Musik, Nachrichten – alles wandert ins Netz, und zwar massenweise. In den Neunziger haben wir bloß darüber gesprochen, das waren Experimente. Jetzt passiert es wirklich.“42 Wie weit reichend die Konsequenzen beispielsweise für das Verlagswesen sind, soll durch diese verhältnismäßig exemplarischen Beispiele veranschaulicht werden: Der Brockhaus, eine Institution in der deutschen Lexikalandschaft, wird ab dem 15.4.2008 in ein reines Onlineportal umgewandelt.43 Das Traditionsblatt ‚The Capital Times’ aus Madison, Wisconsin, USA, wird am 25.4.2008 aufgrund der schlechten Auflagen der Printausgabe im Sommer 2007 diese zugunsten der Onlineausgabe aufgeben. Das sei marktwirtschaftlich die einzige Chance, die Zeitung als Marke und als körperliches Unternehmen zu erhalten, so die Begründung des Chefredakteurs Dave Zweifel.44 Neben der Entstehung eines Marktes für Nachrichten im Internet, werden konstant weitere Anwendungen eingeführt, die alle möglichen anderen Medien verdrängen. Als weitere gefährdete Branchen seien die Film- und die Musikindustrie zu nennen. Es scheint dennoch generell einen Trend zu geben, Produkte, zum Beispiel mp3s, also Musik, online zu kaufen45 - die Musikindustrie wagt mit dem Verkauf von mp3s online typisch Web 2.0, also durch Verlagerung der Anwendung ins Netz, den ersten Schritt in einen vollständig neuen Markt, der, siehe ‚Brockhaus’ und ‚The Capital Times’, langfristig durchaus in der Lage wäre, den nun noch bestehenden größtenteils abzulösen. Im Folgenden soll nun ein kurzer Überblick über momentan relevante Webanwendungen und viel genutzte Programme gegeben werden, damit ein Gefühl für den Umfang der Menge der Anwendungen entsteht und eine Ahnung dessen, was die Folgen davon sein könnten. Web 2.0 ist nach diesem Vergleich weniger ein klar bestimmbares oder seinerseits bestimmendes Etikett, sondern eher ein radikal anderer Zustand als der im Web 1.0. Die Anwendungspräferenzen und Interessen der Nutzer des Web 2.0 bestimmen das Webangebot, also die Inhalte von Web 2.0. Thematisiert werden außer den von 42 Ebd. „Strategische Neuausrichtung bei Brockhaus“ (Download am 21.2.2008 unter http://www.brockhaus.de/presse/detail.php?nid=17&id=537) 44 Vgl. „Die Zeitung, die aufhört, Zeitung zu sein“. In: SPIEGEL online am 13.2.2008. (Download am 17.2.2008 unter http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,534993,00.html) 45 oder den Tausch von Dokumenten einfach ins Usenet zu verlegen: siehe http://www.usenetvergleich.com/?id=Bittorent 43 13 0´Reilley identifizierten Konzepten Taxonomy, Folksonomy, Publishing und Participation (siehe Abb.3) auch die Begriffe „Mitmach-Netz“46 und Produsage47. Web 1.0 Double Click Ofoto Akamai Mp3.com Britannica Online Personal Websites Page Views Screen Scraping Publishing Content Management Systems Directories (Taxonomy) wird zu ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► Web 2.0 Google AdSense Flickr BitTorrent Napster Wikipedia Blogging Cost Per Click Web Services Participation Wikis Tagging (Folksonomy) Abb.1: Beispiele des Wandels von Anwendungen im Wechsel von Web 1.0 zu Web 2.0.48 Ebenfalls in Anlehnung an Abb.3 werden Webservices, Wikis und Wikipedia und Google Ads erklärt. Neben Onlinespiele werden Chat, Instant Messenger und Private Messages in Webforen als Web 2.0 typische Anwendung identifiziert und definiert. Danach wird der Vollständigkeit halber das Konzept Web 3.0 mit Beispielen aus den Bereichen mobiles Netz und Triple Play vorgestellt. Die Anwendungen, die typisch sind für das Web 1.0 werden an dieser Stelle vernachlässigt, da ihr Charakter durch das folgende Beispiel deutlich wird. Der Wandel von der Taxonomy zur Folksonomy und von Publishing zu Participation als grundsätzliches Prinzip soll hier als besonders signifikant heraus gestellt werden. Die Begriffe Taxonomy und Folksonomy beziehen sich auf das Prinzip des Hortens von Informationen: Taxonomy beinhaltet als Konzept die Vorstellung eines geschlossenen Systems, das nur von autorisierten Accounts49 aus ergänzt oder verändert werden kann und deren Inhalte dem User zwar zur Ansicht zur Verfügung stehen, auf die er jedoch nicht regulierend zugreifen kann, geschweige denn 46 Vgl. Gscheidle, Christoph / Fisch, Martin (2007): Onliner 2007. Das „Mitmach-Netz“ im Breitbandzeitalter. In: Media Perspektiven 08/2007. S. 393. 47 Bruns, Axel (2007): Produsage: Towards a Broader Framework For User-Led Content Creation. (Download am 22.2.2008 unter http://de.scientificcommons.org/21225069). Die Konzepte Prod-User und Prod-Usage sollen auf die Doppelrolle des Nutzers als Produzent (Producer) und Konsument von Inhalten (User) im Web 2.0 hinweisen. 48 In Anlehnung an O´Reilley: ebd.: Fettschreibung soll die starke Relevanz einiger Anwendungen bzw. die der Veränderungen unterstreichen. In Vorbereitung auf die ‘Web 2.0 Conference’ versuchte deren Veranstalter, O´Reilley Media Inc., einen jeweils gemeinsamen Nenner für Web 1.0 und Web 2.0 zu finden, mit dem der grundsätzlichen Charakter der Veränderungen im WWW festhalten kann. Die Abbildung im Text, die Vorlage für die hier erstellte Abbildung ist, muss insofern kritisiert werden, als dass in einem Schema unreflektiert sowohl Anwendungen und Programme, als auch Firmen und generelle Charakterzüge, die jeweils typisch für Web 1.0 bzw. Web 2.0 sind, in einen Topf geworfen werden. 49 Accounts: Benutzerkonten. 14 Verlinkungen50 anbringen kann. Mit Folksonomy, auch collaborative tagging51 oder social tagging, ist gemeint, dass jeder so genannte Tags52, also Links, über das WWW verteilen kann. Tags markieren Teile des Contents53 von Websites54. Taggt man Wörter oder andere Inhalte beispielsweise auf dem eigenen Blog55, so entsteht über kurz oder lang eine eigene Tagcloud56. Einzelbegriffe lassen sich dann wiederum über Metatagsammlungen wie Technorati oder Delicious, Suchmaschinen, abrufen. Diese führen bei einer Suche eines durch den Blogbetreiber getaggten Worts zurück zum Blog. Die Blogosphere57 ist sicherlich eines der interessantesten und dynamischsten Phänomene im Web 2.0, dazu später im Kapitel 5 mehr. Das Setzen von Tags funktioniert ebenso wie das Setzen von Bookmarks. Mit Social Bookmarking Tools58 wie mr-wong.de, einer Metalink- bzw. Metabookmarksammlung, kann das Hypertextsystem WWW durch jeden User mit noch mehr Hyperlinks59 versehen und auch nach eben diesen Bookmarks durchsucht werden. Während in der Taxonomy also nur Einzelne an der Erschaffung, Gestaltung und Verlinkung von Inhalten beteiligt waren, so ist es in der Folksonomy im Endeffekt jeder User. Dieses Grundprinzip der Teilhabe jedes Einzelnen am WWW wird einfacher durch das Begriffspaar Publishing und Participation (siehe Abb. 1) illustriert: Publishing als Grundprinzip des Web1.0 meint, dass das Veröffentlichen von Anwendungen und die Macht über deren Inhalte und ihren Preis in den Händen von Wenigen liegt, mit Participation ist gemeint, dass sich dies grundlegend geändert hat, hin zum Prinzip der Möglichkeit der Partizipation eines jeden Einzelnen. Das heutige WWW wird deshalb landläufig auch als „Mitmach-Netz“ bezeichnet. Diese Formulierung greift aber zu kurz. Das von Axel Bruns 2007 vorgeschlagene ökonomiebasierte Konzept des ‚Prod-usage’ bzw. das des ‚Prod-users’ 50 Link (Verlinkung / (Hyperlink)) / verlinken: das Verlinken von Webcontent, also der Verweis auf anderen Inhalt innerhalb eines Hypertextes. 51 collaborative tagging: Meint das kollaborative Erstellen und Managen von Tags um Websitecontent zu klassifizieren und zu konnotieren. Synonym für social tagging und folksonomy. 52 Tag/ to tag: ursprünglich synonym für die Unterschrift eines Graffiti-Sprayers, meint heute das taggen von Webcontent. Tags sind Metadaten. 53 Content: jedweder medialer Inhalt einer Hypertexteinheit. 54 Website: Hypertextdokument im WWW. 55 Blog: Kurzform von Weblog. Zusammengesetztes Kunstwort aus Web und Logbook (dt..: Tagebuch). Vgl: Alby, Tom (2007): Web 2.0. München. S. 21ff. Siehe auch Bildbeispiel IV.C.11, S. 107ff. 56 Tagcloud: Eine ungeordnete Masse einzelner Tags. Tags mit viel Relevanz, also häufiger Verlinkung, werden größer angezeigt, als solcher mit weniger Relevanz, die verhältnismäßig klein angezeigt werden. Siehe auch Bildbeispiel IV.C.15 im Anhang, S. 109. 57 Kunstwort aus Blog und Logosphere (in etwa: Sphäre der Worte). Blogosphere meint die Gesamtheit aller Blogs bzw. Blogprovider im WWW. 58 Social Bookmarking Tool: siehe auch IV.C.16, S. 110. 59 Einzelne Wörter innerhalb medialer Texte, die getaggt sind nennt man Hyperlinks. 15 charakterisiert hingegen die oben genannten Veränderungen zusammenfassend und trifft damit den Nagel auf den Kopf: Die Verschmelzung der Begriffe Producer und User illustriert die Bindung des Erfolgs von Anwendungen an die Produktions- und Konsumfreudigkeit des Internetnutzers und damit in einem Wort das Erfolgsprinzip des Web 2.0. Bruns’ Ansatz umfasst allerdings noch mehr als nur den Wandel innerhalb des World Wide Web: „Produsage overcomes some of the systematic problems associated with translating industrial-age ideas of content production into an informational-age, social software, Web 2.0 environment.“60 Ein besonderes Kennzeichen ist das Entstehen des so genannten ‚Long Tail’: Durch Killer Applications wie Ebay und das einfache Erstellen von Websites entstehen neue Märkte im Netz.61 Abb. 2: Long Tail62 Bruns erhebt Produsage so zum Funktionsmodus der Informations- bzw. Wissensgesellschaft. Zur Charakterisierung der durch die Computerisierung entstehende Globalgesellschaft und zur historischen Einordnung der momentanen Gesellschaftsform sei später in Kapitel 4 noch ein Wort gesagt. Typisch für die Phase des Web 2.0 ist auch, dass bestimmte Services wie Email, die normalerweise über den zentral installierten MUA abgewickelt werden, ins Netz 60 Vgl. Bruns (2007). Bei Ebay gibt es eine Unzahl so genannter Powerseller, die Umsätze machen, von denen man Leben kann. Daraus ist eine eine besondere Form des Unternehmertums entstanden. Die so genannten Mompreneuers (Kunstwort aus Mom (Mother) und Entrepreneur (engl.: Unternehmer)) werden die Umsätze, die sie mit Online-„Hinterhofverkäufen“ und Online-„Garagenbusinesses“ erwirtschaften, zur festen Größe beim Bruttoinlandsprodukt eines jeden Landes. 62 Download am 8.3.2008 unter: http://www.thelongtail.com/conceptual.jpg 61 16 abwandern. Ein Webmailanbietermarkt entsteht: Email wird so zum wie selbstverständlich genutzten und vor allem nicht mehr hinterfragten Webservice – spricht man von Email, so ist automatisch Webmail gemeint. Einzig große Intranets, wie zum Beispiel Universitätsnetzwerke, verfügen über genug Serverkapazität um eigene Maildomains einrichten zu können. Auf dieser wiederum können die User auf ihre Accounts über ihren eigenen Rechner mittels des Webbrowsers, also wiederum das WWW, zugreifen. Die bekanntesten Webmailprogramme sind heutzutage die von Providern wie Google, Web.de, MSN (hotmail.com) oder Gmx. Auch Bildbearbeitungsprogramme beispielsweise müssen nicht mehr zentral auf dem Rechner installiert werden, sondern sind online verfügbar (Bsp. SplashUp). Selbiges gilt für sämtliche Officeprogramme. Sogar das Hochladen einzelner Bildern muss nicht mehr über einen eigenen Server erfolgen, nicht einmal ein Imagehost63 wie imageshack.us oder photobucket.com ist mehr von Nöten – es gibt Provider wie imagehost.ro, die Gratis-Webspace anbieten, ohne auch nur die persönlichen Daten abzufragen und das Hochladen eines Bildes mit nur zwei Clicks ermöglichen. Rollenspiele werden nicht mehr daheim allein oder mit wenigen anderen Mitspielern auf LAN-Parties64 gezockt65, sondern online mit extrem hohen Teilnehmerzahlen. Online werden sowohl klassische Games gespielt, als auch kommerzielle wie zum Beispiel World of Warcraft (WoW),66 Doom, Half-Life oder Counterstrike. Hinter WoW steckt eine gigantisch große Spielewelt. Über 10 Millionen Accounts sprechen für Millionen von Usern.67 Es gibt auch Spiele, die gemeinsam von den Spielenden entwickelt werden, ohne dass sich einer der Mitspieler davon monetären Gewinn verspricht, wie zum Beispiel Land der Häuptlinge (LdH). Aus demselben Grund warum die Spieler und Programmierer von LdH ihr Spiel gemeinsam fortlaufend optimieren, nämlich der Erschaffung von Etwas um seiner 63 Imagehost: Anbieter von Webspace zum Hochladen von Images. LAN – Local Area Network 65 Das Verb ‚zocken’ wird hier mit Absicht verwendet. Es verweist auf die Existenz der so genannten Gamers Community und die Bedeutung der Spiele in der Lebenswelt der Gamer. Das besondere Kennzeichen des Spiels ist hier quasi verloren gegangen – es wird nicht um des Spielens willen gespielt. Die Spiele sind der Lebensinhalt der Gamer und die Gamer damit sowohl Begründer als auch Zielgruppe der darauf aufbauenden Spieleindustrie. Ein Beispiel dafür sei, dass für die Entwicklung und das Marketing eines Spiels je nach angestrebter Qualität und erwünschtem Markterfolg zwischen 100 und 500 Leute involviert sind und so in Lohn und Brot stehen. Es gibt, ähnlich gesponserten Profisportlern, Game Pros (engl. Game Professionals = Profispieler), die von großen Spieleproduzenten finanziert werden. 66 WoW - Siehe Bildbeispiel IV.C.18, S. 111. 67 ca. 4 – 7 Millionen. Jeder Spieler kann mehrere Accounts erstellen. Da allerdings auch jeder Account kostenpflichtig ist, ist es unwahrscheinlich, dass Spieler mehr als 4 oder 5 Accounts haben. Generell ist es jedoch normal, dass die Spieler mehr als einen Account haben. 64 17 Existenz willen, ist das Netzwerk Wikipedia68 entstanden. Wikipedia ist sicherlich eines der ehrgeizigsten Projekte im Netz überhaupt. Jeder, der will, kann an dieser Online- Enzyklopädie im WWW mitschreiben, die alles, was im Universum existiert erfassen soll. Die Richtigkeit der Artikel soll durch ein Wächtersystem gewährleistet sein, das zwar nicht immer greift, durch das man aber das ‚Vandalentum’69 dennoch im Großen und Ganzen im Griff hat. In Anlehnung an die Bezeichnung Wikipedia entstehen in letzter Zeit massenhaft Wikis70, auch Wikiwebs genannt, zu jedem denkbaren Thema. Wikis sind Webseiten, die nicht nur von jedem gelesen, sondern auch von jedem geändert werden können. Ein Autorisierungsrequest71 kann, falls notwendig, selbstverständlich durch Moderatoren oder Administratoren zwischengeschaltet werden. Google ist eines der erfolgreichsten Unternehmen des Web 2.0 - „Google das mal“ ist zur ultimativen Empfehlung in jeder Lebenslage geworden. Das Unternehmen72, ist allerdings nicht nur mit seiner Suchmaschine73 erfolgreich, es werden außerdem so genannte Applets74 und Gadgets75 zur Verfügung gestellt, die entweder zentrale Anwendung ersetzen oder den Desktop76 sinnvoll ergänzen. Die Masse der Anwendungen kann hier aus Zeitgründen nicht im Einzelnen erklärt werden. Bezug nehmend auf Abb.3 sollen allerdings noch GoogleAds erklärt werden: GoogleAds sind eine Revolution in der Onlinewerbung. Der Sammelbegriff für GoogleAdword und GoogleAdSense. GoogleAdwords sind am besten folgendermaßen zu erklären: Der Werbetreibende kann die Wörter „kaufen“, die sein Produkt am besten beschreiben. Startet ein User bei Google eine Suchanfrage mit gerade jenem Wort, so werden ihm zusammen mit dem Suchergebnis entweder text- oder imagebasierte Anzeigen für das Produkt des Werbenden geliefert, die AdWords. Der Clou ist, dass der Werbende das „Schalten der Anzeige“ nur bezahlen muss, wenn der User die Anzeige auch tatsächlich anklickt.77 Google AdSense sind so zu erklären: Der 68 Wikipedia: Siehe Bildbeispiel IV.C.19 im Anhang, S. 112. Vandalen: User, die mutwillig bei Wikipedia Inhalte zerstören oder Blödsinn schreiben. 70 Wiki (hawaiianisch: schnell). Vgl. auch Gewehr, Jan-Eric / Lochmann, Cordula / Szugat, Martin (2006): Social Software. Unterhaching. S.49 ff. Siehe Bildbeispiel IV.C.20f im Anhang, S. 112f. 71 Request (engl.): Anfrage 72 Das klassisch in den 90ern als Start-Up in einer Garage gegründet wurde, 73 Google Search Bar. Siehe IV.C.23, S. 114. 74 Applet: Programm, das im Rahmen eines anderen Programms betrieben wird, z.B. in einem Webbrowser; Apps: Anwendungsprogramm/Computerprogramm, siehe Software 75 Gadget: siehe auch IV.C.17, S. 110. 76 Desktop: graphische Oberfläche auf dem Bildschirm. siehe ebd. 77 Will man seinem Konkurrenten schaden, kann man durch Klickbetrug (Die Anzeige des Konkurrenten wird wiederholt (z. T. millionenfach) durch Software angeklickt.) dessen Werbeausgaben in exorbitante Höhen treiben. Dem soll die 2006 von Google erstmals ausgewiesene Invalid-Click-Rate (Anteil der ungültigen Clicks an der Gesamtzahl der Clicks) einen Riegel 69 18 Betreiber einer Website78 erlaubt das Schalten von Anzeigen auf seiner Site. AdSense durchsucht den Content79 der Site und generiert Anzeigen anderer Werbetreibender, deren Waren zur Website passen. AdSense generiert nun Textoder Imageanzeigen, die daraufhin auf der Website veröffentlicht werden. Außerdem kann der Betreiber einer Website den Besuchern seiner Website das Durchsuchen des WWW ermöglichen. Klickt der Besucher Anzeigen an, die ihm über die Site gezeigt werden, so erhält der Websitebetreiber von Google für jeden Click einen bestimmten Geldbetrag. Durch Google Ads wird Werbung erstmals tatsächlich quasi personalisiert an einen potentiellen Kunden heran getragen. Eine interessante Weiterentwicklung von Chatprogrammen dieser Tage sind die so genannten Instant Messenger, kurz IMs (Bspe: Skype80, ICQ): Durch IMs sind jederzeit einzelne Verbindungen zwischen zugeschalteten Rechnern zustande zu bringen, so dass stringente, geschriebene Dialoge zwischen den dahinter stehenden Einzelpersonen entstehen können, die strukturell Telefonaten ähneln. Programme wie Skype ermöglichen außerdem die Herstellung von Telefonleitungen inklusive Bildtelefonie und Konferenzschaltungen (VoIP81). Von IP-Adresse82 zu IP-Adresse ist das Telefonieren sogar kostenlos. IMs sind evolutionär betrachtet Nachfolger des ersten Chatprogramms PLANET, das für das Arpanet entwickelt wurde, und der klassischen MUAs des Usenet und des frühen WWW. Sowohl Chatprogramme als auch IMs werden zentral auf dem eigenen Rechner installiert, sie sind somit nicht im eigentlichen Sinne eine Web 2.0 Anwendung, da sie nicht im Browser stattfinden. Skype beispielsweise ist zentral auf dem Rechner installiert, benutzt jedoch das WWW und die Server des WWW um Verbindungen herzustellen. Es bündelt die Anwendungen Telefonie, Datenübertragung und Chat83, ermöglicht selbst aber keine Wiedergabe von Audiodateien oder audiovisuellen Datenpaketen. Dies muss wiederum über webexterne Player84 erfolgen. Während durch IMs Kommunikation zwischen zwei Personen hergestellt wird, können an einem Chat zwei und mehr Personen teilnehmen. Ein für diese Arbeit grundsätzlich anzunehmender vorschieben und zugleich die Clicks für die Werbetreibenden transparenter machen (vgl. „Google macht Umgang mit Klickbetrug transparenter“ In: trojaner-info.de am 26.7.2006. (Download am 19.2.2008 unter http://www.trojaner-info.de/news2/klickbetrug-google-invalid-clicks.shtml). 78 Website: Hypertextdokument im WWW. 79 Content: jedweder medialer Inhalt einer Hypertexteinheit. 80 Siehe auch Beispielbild IV.C.20 und IV.D.7, Skypedialoge im CMC-Beispiel zur Oralität im Netz. 81 Voice over IP, Internettelefonie. 82 Internet-Protokoll-Adresse: Dient zur eindeutigen Adressierung von Rechnern innerhalb eines Netzwerks. Entspricht in ungefähr einer Telefonnummer. 83 Chat und Webchat: Programme zur direkten zeitgleichen Kommunikation. 84 Programme zum Abspielen von Video oder Audiodateien. Siehe auch IV.G Daten-DVD. Ordner: Anhang → Medienbeispiele → Player. 19 Kommunikationsbegriff wird in Kapitel 3.2 noch gesondert geklärt werden. Den klassischen Chat findet man mittlerweile eher im Internet, er ist zum Webchat geworden. Auch bei Chats hat sich ein Verhaltenskodex heraus kristallisiert: Die Chatiquette85 verbietet in der Regel Gepöbel, Beleidigungen und rassistische oder faschistische Äußerungen. Auch Instant Messaging und Private Messaging unterliegen einem inoffiziellen Verhaltenskodex, ähnlich der Chatiquette. Personal bzw. Private Messages (PMs) sind persönliche Nachrichten innerhalb der Öffentlichkeit von Diskussionsforen im Web oder eines Webchat. Sie sind im Prinzip nicht mehr als eine Email innerhalb eines Emailsystems. Es muss kein separates Programm installiert werden; durch die Verlagerung eines Forums ins Netz wird die Anwendung dezentralisiert. Das heißt: die PM erreicht ihren Empfänger über dessen Account beim jeweiligen Forum. Besonders ist dabei, verglichen mit dem klassischen Aufbau von Diskussionsforen, egal in welchem Rechner- oder Textnetz, dass die Email eben Private bzw. Personal ist und von den anderen Nutzern des Forums nicht gesehen werden kann, aber die Email dennoch streng genommen Teil des Forums ist. PMs erlauben schnellere, weniger umständliche, Rechen- und Speicherkapazität sparende und direkte Kommunikation unter Forenteilnehmern im Vergleich zur Kommunikation in Foren in den Anfangstagen der Internets Usenet und WWW. Eine derartige technische Variante ist in Rechnerverbünden wie dem Usenet nicht möglich: Das Usenet ist wie ein Forum strukturiert, hier fehlt aber die Möglichkeit der Private Email (Message) innerhalb des Emailsystems Forum. Diese Möglichkeit ist nur bei Webforen mit einer Anwendungsbündelung gegeben. Die Inhalte der Newsgroups im Usenet sind für alle sichtbar. Wollen zwei Nutzer dort für die anderen unsichtbar Botschaften austauschen, so müsste dies über den MUA (Mail User Agent) geschehen. Das ist umständlich, aufwändig und braucht Rechenzeit und Serverkapazität. Der Austausch von persönlichen Nachrichten in den Webforen, Webchat und Social Networks86 in Web 2.0 und die funktionellen und konzeptionellen theoretischen Konsequenzen, die sich daraus ergeben werden in Kapitel 5 genauer beleuchtet. 85 Kunstwort aus den englischen Wörtern ‚Chat’ und ‚Etiquette’. Soziale Netzwerke. Interessantes Konzept, das in den Kapiteln 2.2, 4 und 5 wieder aufgegriffen und definiert werden wird. 86 20 Was die Zukunft des WWW betrifft: Selbst der Begriff Web 3.087 steht bereits im Raum, allerdings noch relativ undefiniert. Eine Prognose, die das Konzept Web 3.0 beinhaltet, ist die, dass sämtliche Anwendungen inklusive des WWW, aufs Mobiltelefon verlagert werden.88 Ein weiteres Beispiel ist die Möglichkeit des so genannten Triple Play89. Ursprünglich ist dies ein Charakterzug von Geräten, die sowohl Audio und Video als auch Daten verarbeiten können. Heutzutage bedeutet Triple Play allerdings eher die Bündelung der drei audiovisuellen Dienste Fernsehen, Telefonie und Internet. Dabei kann das Medium sowohl der Fernseher, als auch der Rechner oder das Mobiltelefon sein. Ein gutes Beispiel ist die Konsole Wii90, die an den Fernseher angeschlossen wird: Eigentlich zum Spielen mit einem oder mehreren Playern gedacht, kann über sie zusätzlich ins Internet gegangen werde und auch über ein Wii-internes Instant Messenger Programm mit anderen Wii-Nutzern Kontakt aufgenommen werden und es können CDs und DVDs abgespielt werden.91 2.2 Wer nutzt das Netz? 87 Googlesuche am 22.2.2008 ergab 24.500.000 Treffer für den Suchbegriff Web 3.0. Schlussfolgerung: Das Konzept hat einen mittleren Bekanntheitsgrad. 88 Erste Versuche der Umsetzung dieser Medienkombination sind beispielsweise das iPhone (Mobiltelefon mit Touchscreen von Apple, siehe IV.C.24, S. 114, der amerikanischen Firma Apple oder das Blackberry der kanadischen Firma RIM (Research In Motion). Viel versprechender als das iPhone88, bei dem Apple wiederum den Fehler macht Programm und Gerät zu binden, ist beispielsweise die Google-Software Android. Android ist ein Betriebssystem fürs Handy, das mit jedem internetfähigen Mobiltelefon mit den technischen Voraussetzungen für eine graphische Benutzeroberfläche genutzt werden kann und das gratis downgeloaded werden kann. Google besinnt sich also auf sein eigenes Erfolgskonzept, das konform geht mit den Erfahrungen, die in der Ära des Web 2.0 gesammelt wurden, und setzt auf den Vertrieb von Anwendungen. Ein Fehler, Gerät und Software nur als Paket anzubieten wie Apple es macht, ist es insofern, als dass sich bei der Entwicklung des WWW die Verknüpfung von Hardware und Software erwiesenermaßen nicht nur einmal als Fallstrick in der langfristigen Marktpositionierung eines Produkts oder einer Marke erwiesen hat. Warum sollte sich, alle Erfahrungswerte der ersten IT-Bubble zusammennehmend, eine derart enge Verbindung von Software und in diesem Falle Mobiltelefon langfristig lohnen? Die einzige Erklärung, die man für das Handeln von Apple hinzuziehen könnte, ist die, dass Apple seit jeher eine Sonderrolle in der IT-Branche einnimmt. Apple Produkte bestechen in der Regel durch ästhisches Design und derzeit noch unvergleichliche Benutzerfreundlichkeit und haben weltweit Anhänger, die sich niemals, und zwar aus Prinzip nicht, für andere als Apple-Produkte und –Programme entscheiden würden. (Apple-Fans: Siehe dazu IV.D.2, Skypedialog Stoj und Karoline, S. 131.) Ob diese Position so unantastbar ist, wie Apple bei seinem Handeln voraus setzt, wird sich noch zeigen. Die Welle der Empörung, die Apple von Seiten der Kunden ob des sagenhaften Preises und der mangelhaften Ausstattung des IPhone bei dessen Einführung entgegen schlug, lässt jedenfalls Anderes vermuten. 89 Googlesuche am 22.2.2008 ergab 3.010.000 Treffer für den Suchbegriff ‚Triple Play’. Schlussfolgerung: Das Konzept wird im Internet wenig diskutiert. 90 Wii: Spielkonsole von Nintendo. Siehe auch Bildbeispiel IV.C.25, S.114. 91 Siehe auch das Video „Supermarket 2.0“ auf der Daten DVD im Anhang in Medienbeispiele; siehe dazu auch http://2007.kinnernet.com/ (Download am 17.3.2008 unter: http://de.youtube.com/watch?v=e9MgHuitMwU). 21 Viele sind heute „drin“92. Aber was heißt das konkret? Neben der historischen Entwicklung der Spaltung und Host- und Nutzerzahlen wird in diesem Kapitel auf die Digitale die Digitale Kluft eingegangen werden. Neben klassischen Zugangsbarrieren, sowohl technischer, demo- oder geographischer Natur und den Softskills, werden konkrete Nutzergruppen, nach Alter und Fähigkeiten differenziert, ausgemacht. Dass in den Jahren seit 2000 eine verlässliche Netzinfrastruktur entstanden ist, ist nicht zu übersehen. Dieser Wandel von Web 1.0 zu Web 2.0 wäre allerdings ohne den extremen Zuwachs der Nutzerzahlen seit Einführung des WWW nicht möglich gewesen. Eine große Zahl von Nutzern ist für den Erfolg der typischen Web2.0 Anwendungen unbedingt notwendig. Um eine Vorstellung von den Dimensionen des Nutzeranstiegs zu vermitteln, soll zunächst wird die Zahl der Hosts weltweit, also die Anzahl der IP-Adressen im Netz erfasst werden: Im Dezember 1969 werden vier Rechner als ARPANET vernetzt. 1979 entsteht das Usenet, es gibt dann insgesamt 188 vernetzte Rechner. Date ----12/69 06/70 10/70 12/70 04/71 10/72 01/73 06/74 03/77 12/79 08/81 05/82 08/83 10/84 10/85 02/86 11/86 12/87 07/88 10/88 01/89 Hosts --------4 9 11 13 23 31 35 62 111 188 213 235 562 1,024 1,961 2,308 5,089 28,174 33,000 56,000 80,000 | + | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Date ----07/89 10/89 10/90 01/91 07/91 10/91 01/92 04/92 07/92 10/92 01/93 04/93 07/93 10/93 01/94 07/94 10/94 01/95 07/95 01/96 07/96 01/97 07/97 Hosts Networks Domains ---------------- --------130,000 650 3,900 159,000 837 313,000 2,063 9,300 376,000 2,338 535,000 3,086 16,000 617,000 3,556 18,000 727,000 4,526 890,000 5,291 20,000 992,000 6,569 16,300 1,136,000 7,505 18,100 1,313,000 8,258 21,000 1,486,000 9,722 22,000 1,776,000 13,767 26,000 2,056,000 16,533 28,000 2,217,000 20,539 30,000 3,212,000 25,210 46,000 3,864,000 37,022 56,000 4,852,000 39,410 71,000 6,642,000 61,538 120,000 9,472,000 93,671 240,000 12,881,000 134,365 488,000 16,146,000 828,000 19,540,000 1,301,000 Abb. 3: Das Wachstum des Internet - Anzahl der Hosts, Netzwerke und Domains zwischen 1969 und 199793 92 „Bin ich drin?“ Werbekampagne für AOL Deutschland mit Boris Becker im Jahre 1999. Mit dieser Kampagne gewann AOL zwischen Oktober und Dezember 1999 1.2 Millionen Neukunden nur in Deutschland. 93 Download am 4.3.2008 unter: http://www.zakon.org/robert/internet/timeline/#Growth Hosts = Computersystem mit registrierter IP-Adresse; Networks = registrierte Domains; Domains = registrierte Domainname. 22 Zwischen 1979 und 1986 steigt die Zahl der Rechner, die dem Usenet zugeschaltet werden kontinuierlich an und zwar bis zur Einführung von NTTP – zwischen 1986 und 1987 steigt die Zahl der Hosts quasi über Nacht von knapp 5000 auf rund 30.000. Ein weiterer großer Sprung ergibt sich nach der Abschaltung des ARPANET 1989 – bis 1990 vervierfacht sich die Zahl der Hosts innerhalb eines Jahres. Mit Einführung des World Wide Web 1990 wuchs die Zahl der Internetnutzer bis Januar 1993 um rund eine Million auf 1 313 000. Date ----01/95 07/95 01/96 07/96 01/97 07/97 01/98 07/98 Hosts | ----------5,846,000 8,200,000 14,352,000 16,729,000 21,819,000 26,053,000 29,670,000 36,739,000 Date + ----| 01/99 | 07/99 | 01/00 | 07/00 | 01/01 | 07/01 | 01/02 | 07/02 Hosts | ----------43,230,000 56,218,000 72,398,092 93,047,785 109,574,429 125,888,197 147,344,723 162,128,493 Date + ----| 01/03 | 01/04 | 07/04 | 01/05 | 07/05 | 01/06 | 07/06 | Hosts ----------171,638,297 233,101,481 285,139,107 317,646,084 353,284,187 394,991,609 439,286,364 Abb. 4: Anzahl der Hosts zwischen 1995 und 2006.94 Die Einführung von Mosaic zu diesem Zeitpunkt bedeutet eine weitere unglaubliche Zunahme der Hostzahlen: Im Januar 1994 hat sich die Gesamtzahl wiederum fast verdoppelt auf 2 217 000. 1998 wurde ein besseres empirisches Erfassungssystem eingeführt, dass auch rückwirkend genauere Zahlen als in Abb. 6 liefert. So werden beispielsweise für Januar 1995 nicht nur 4 852 000 Hosts gezählt, sondern sogar 5 846 000 (vergleiche Abbildung 7). Zwischen 1993 und dem Börsencrash 2000 steigen die Hostzahlen von 2 Millionen IP-Adressen um über 100 Millionen Adressen im Januar 2001. Momentan gibt es weltweit fast eine halbe Milliarde Hosts. Es ist notwendig, an dieser Stelle die Frage zu stellen, wer tatsächlich von den aktuellen Entwicklungen profitieren kann. 94 Download am 4.3.2008 unter: http://www.zakon.org/robert/internet/timeline/ 23 Abb. 5: Prozentuale Nutzung des Internet auf den Kontinenten weltweit 2007.95 Neben der Tatsache, dass überhaupt Zugang zu einem Rechner mit Internetanschluss vorhanden sein muss, ist die wichtigste Einschränkung, dass nicht je Host nur ein User bzw. Nutzer zu verzeichnen ist. Dass der IP-Anschluss und der anhängige Rechner nur von einer einzelnen Person genutzt wird, ist im weltweiten Mittel betrachtet die absolute Seltenheit; es ist vielmehr so, dass gerade in Afrika, Asien und Russland auf einen Rechner, also auf einen Host bzw. eine IP-Adresse, Hunderte von Nutzern bzw. Usern kommen. Um ein realistisches Bild der Internetnutzung zeichnen zu können, ist es also notwendig, zwischen Host und User zu unterscheiden. Weltweit gibt es derzeit zwar rund eine halbe Milliarde Hosts, aber mehr als eine Milliarde User. In Europa gibt es insgesamt 348 Millionen Nutzer.96 Wie in Abbildung 8 zu sehen ist, entspricht dies einer prozentualen Internetnutzerrate von 43,4%. Spitzenreiter sind die Nordamerikaner – über 70% können auf das Internet zugreifen. 95 „World Internet Penetration Rate“. Quelle: www.internetworldstats.com ausgewertet durch die Miniwatts Marketing Group. (Download am 6.3.2008 unter http://www.internetworldstats.com/stats.htm.) 96 Vgl. ebd.: die Gesamtzahl der Internetnutzer wird Ende des Jahres 2007 auf 1 319 872 109 Milliarden geschätzt. Vgl.: Graphik „Internetnutzer weltweit in Millionen“. 24 Abb. 6: Entwicklung der Nutzerzahlen des WWW in Deutschland zwischen 1997 und 2006. Basis: Erwachsene ab 14 Jahren in Deutschland.97 Erschreckend sind die Zahlen für Afrika und vor allem Asien und zwar insofern, als dass die Asiaten zwar zahlenmäßig die größten Nutzergruppen weltweit stellen, prozentual ist der Anteil der Nutzer an der Gesamtbevölkerungszahl jedoch extrem niedrig. Es sind 510 Millionen Asiaten Online, dies entspricht aber nur einem prozentualen Anteil von 13,7% an der Gesamtbevölkerung Asiens. 44 Millionen Afrikaner sind online, das sind nur 4,7% der Bevölkerung Afrikas. Im Mittel kann nur ein Fünftel aller Menschen auf das Internet zugreifen.98 Für die Nutzerzahlen in Deutschland ergibt sich zwischen 1997 und 2006 folgendes Bild (siehe Abbildung 8): Waren 1998 knapp 10 % der Deutschen online, so waren es fünf Jahre später, 2003, schon über die Hälfte aller Deutschen. Zu ergänzen wären in Abbildung 8 die Nutzerzahlen aus dem Jahr 2007: 40,8 Millionen der deutschen Bundesbürger sind online (zum Vergleich: das ist fast genau so viele wie die Menge der Afrikaner, die online sind), das entspricht einem Anteil von 62,7% an der Gesamtbevölkerung.99 Auf den Zeitraum von 1997 bis 2007 bezogen, also nur 10 Jahre, bedeutet das für Deutschland eine Nutzerzahlensteigerung um 964,6%. 97 In: Internet zwischen Hype, Ernüchterung und Aufbruch. 10 Jahre ARD/ZDF-Onlinestudie. S. 2. (Download am 21.2.2008 unter http://www.br-online.de/br-intern/medienforschung/ard_zdf_onlinestudie/startseite/) 98 „World Population by regions“. 99 Vgl. Eimeren, Birgit van / Frees, Beate (2007): Internetnutzung zwischen Pragmatismus und Youtube-Euphorie. In: Media Perspektiven 08/2007. S. 363. 25 Der einfachste Schluss, der hier zunächst gezogen werden könnte, ist, dass man zwischen Onlinern100 und Nonlinern unterscheiden könnte – Onliner haben Zugang zum Internet, Nonliner nicht. Dass es jedoch auch bei der Nutzung feinere Abstufungen gibt, kann nicht von der Hand gewiesen werden. Derjenige, der einen Rechner für sich allein zur Verfügung hat, kann selbstverständlich mehr Möglichkeiten ausschöpfen als derjenige, der sich die Onlinezeit mit anderen teilen muss. Web 2.0 in vollem Umfang wirklich nutzen kann allerdings nur derjenige, der einen Rechner mit Internetzugang Zuhause hat, also die Möglichkeit hat, an jedem Tag der Woche zu jeder Stunde des Tages aufs Internet zuzugreifen, also 24/7, vor allem auch ohne von instabilen Stromnetzen abhängig zu sein. Manuel Castells sammelt die Einschränkungen 2001 nach der Analyse amerikanischer Datensätze von 2000 unter dem Label ‚Digital Divide’. Darunter fasst er eine globale digitale Spaltung, die sich mit Verbreitung des Internet ebenfalls ausdehnt bzw. immer mehr manifestiert.101 Begrenzter oder kein Zugang zum Netz führen dem entsprechend langfristig zur Marginalisierung eines Teils der Weltbevölkerung. Um zu einem Ausgangspunkt zu kommen, von dem aus man die tatsächliche Nutzergruppe der aktuell möglichen Web-2.0-Anwendungen bestimmen kann, sollen im weiteren Verlauf diese und andere Annahmen Castells auf Deutschland übertragen werden. Um Web 2.0 Anwendungen vor allem im graphischen Bereich bedienen und ausnutzen zu können, ist neben dem permanent verfügbaren Anschluss unbedingt eine Breitbandverbindung wie DSL notwendig.102 In Deutschland werden derzeit 18,6 Millionen DSL-Anschlüsse genutzt.103 Bei DSLAnschlüssen ist zu beachten, dass über die so genannten Router104 mehrere Rechner zu gleichen Bedingungen ans WWW angeschlossen werden können. 100 Siehe Begriffslexikon und (N)Onliner Atlas: http://www.initiatived21.de/N-ONLINER-Atlas.309.0.html 101 Vgl. Castell Manuel (2001): Die Internet-Galaxie. Internet, Wirtschaft und Gesellschaft. Wiesbaden. S.261ff. 102 Ebd.: S. 270. 103 Die 100 000 Kunden, die auf einen Anschluss warten (siehe Abbildung 9), sind ebenfalls von einem äußeren Faktor abhängig: es wird mittlerweile als Geschäftspraxis der Telekom beschrieben, Kunden die bei alternativen Anbietern Verträge abschließen, warten zu lassen und die eigenen Kunden beim Anschluss vorzuziehen. Der Ex-Monopolist ist noch immer derjenige, der über die so genannten ‚Tals’, der Teilnehmeranschlussleitungen, die von den Hauptverteilerstationen aus in die Wohnungen der Kunden laufen, verfügt; Die Telekom ist also für die Freischaltung fast aller Tals verantwortlich. (Vgl. Schmundt, Hilmar (2008): Gedrängel im Nadelöhr. In: DER SPIEGEL 10/08. S.170.) 104 Router: Hardware, die eintreffende Netzwerk-Pakete zu den entsprechenden Zielnetzen weiterleitet. 26 Abb. 7: Breitbandanschlüsse in Millionen in Deutschland zwischen 2001 und 2007105 und DSL-Auststattung 2003 – 2006.106 Dementsprechend kehrt sich das Verhältnis, dass Castells vor allem für Dritte-WeltLänder als Einschränkung beschrieben hat, zumindest für Deutschland und die DSLZugänge, um: Es ist wahrscheinlich, dass je DSL Anschluss mehrere Rechner genutzt werden, also je Host mehrere Rechner angeschlossen sind und damit mehrere Nutzer gleichwertig Zugriff aufs Internet haben. Diese Hypothese wäre allerdings separat zu untersuchen. Betrachtet man die zweite Graphik in Abbildung acht, so wird auf den ersten Blick klar, dass die Bevölkerung ab 50 Jahren über deutlich weniger DSL-Anschlüsse verfügt als die Bevölkerung unter 50 Jahren. Die Bevölkerung unter 50 Jahren ist 2006 im Mittel ca. zur Hälfte online und zwar, zumindest was die Schnelligkeit der Datenübertragung betrifft, web-2.0-fähig. Da diese Zahlen nun von 2006 sind, scheinen sie auf den ersten Blick zu alt um heute, im März 2008, für diese Arbeit in punkto Genauigkeit uneingeschränkt gültig zu sein. Legt man diesem Zahlen jedoch die Zahlen aus Abbildung 7 und dem darauf folgenden Text zugrunde, insbesondere die Steigerung der Nutzerzahlen am Anteil der Gesamtbevölkerung, die zwischen 2006 und 2007 nur rund 3 % beträgt, so kann davon ausgegangen werden, dass die ungleiche Verteilung zum Nachteil der so 105 Vgl. Schmundt, Hilmar (2008): Gedrängel im Nadelöhr. In DER SPIEGEL 10/08. S.170. DSL-Auststattung 2003 – 2006. Quellen: ARD/ZDF Onlinestudien 2003 – 2006. In: Fisch, Martin / Gescheidle, Christoph (2006): Onliner 2006: Zwischen Breitband und Web 2.0 – Ausstattung und Nutzungsinnovation. In: Media Perspektiven 8/2006. S.432. 106 27 genannten Silversurfer107 weiterhin besteht. Die Digital Inclusion ist in Deutschland aber nichtsdestotrotz im weltweiten Vergleich als hoch einzustufen.108 Als weitere Gründe für eingeschränkten Zugang zum Netz führt Castells die Zugehörigkeit zu einer niedrigen Einkommensklasse an (mit Ausnahme von Studenten, da Internet für den Zugang zu Bildung auch im Jahr 2000 bereits immanent wichtig war), Alter, Geschlecht, für die USA Ethnie bzw. Migrationshintergründe, den Beruf und vor allem Bildung auf verschiedenen Ebenen. Castells zufolge ist sowohl die Art der Schule (öffentlich vs. privat) als auch die Qualifikation der Lehrkräfte und das Erziehungskonzept bzw. das familiäre Umfeld maßgeblich für das Erlernen eines qualifizierten Umgangs mit dem Internet.109 Er konstatiert außerdem, dass es unverzichtbar ist, Englisch sprechen zu können, da die Nutzung des WWW sonst ebenfalls eingeschränkt ist. Neben der technischen Voraussetzung eines rund um die Uhr nutzbaren Internetzugangs ist nach Castells eine weitere Dimension für das Entstehen und die Manifestierung der Digital Divide zu analysieren: Castells führt als einen der wichtigsten Gründe für die Entstehung der Digital Divide Bildungsungleichheiten auf unterschiedlichen Ebenen an. Diese Einschränkungen konkretisiert er insofern, als dass er eine Bildungs- bzw. Wissenslücke, ein Digital Gap ausmacht. Nutzern mit geringem Einkommen, mit Migrationshintergrund in naher Vergangenheit, von öffentlichen Schulen mit schlechten Lehrern oder Nutzern aus bildungsfernen Familien bzw. solchen mit ungünstigen Erziehungskonzepten ist der Zugang zum Internet erschwert und zwar insofern, als dass sie die Ressourcen, die diesen Bevölkerungsgruppen über das Internet zur Verfügung stehen würden, nicht zu nutzen, also zu gebrauchen verstehen. Anstatt Inhalte zu erlernen, kommt es in der digitalisierten Umgebung des Menschen darauf an zu erlernen, wie man recherchiert und Inhalte einordnet bzw. sich aneignet. „Die entscheidende Frage besteht darin, vom Lernen zum Lernen des Lernens zu wechseln, weil […] der größte Teil der Information sich online befindet, und das, worum es geht, die Fähigkeit ist, zu entscheiden, nach was man suchen soll, wie man darauf zugreifen kann, wie man es verarbeitet und wie man es für die spezifische Aufgabe nutzt, auf die die Informationssuche zurück geht. […] das neue 107 Silversurfer: Internetnutzer ab dem fünfzigsten Lebensjahr. Digital Inclusion: wird nach dem Digital Opportunity Index (DOI) gemessen. (siehe auch Maplecroft Interactive Maps. Download am 6.3.2008 unter: http://worldahead.maplecroft.http://worldahead.maplecroft.com/loadmap?template=min&issueID=422c om/loadmap?template=min&issueID=422). 109 Vgl. Castells: S. 272ff. 108 28 Lernen [orientiert sich] auf die Entwicklung der Bildungskompetenz, Information in Wissen und Wissen in Handeln zu verwandeln.“110 111 An dieses Zitat schließt sich die Frage nach einer genauen Definition von Information und Wissen an – diese wird in Kapitel 4 erfolgen. Die Wissenslücke, das Digital Gap, das durch diese separierenden Ausgangsbedingungen entsteht, ist nicht auf den ersten Blick offensichtlich. Nach Fisch und Gescheidle nutzen in Deutschland 70% der 14 – 19 Jährigen Instant Messenger, knapp die Hälfte der 20 – 29 Jährigen (49%) und rund ein Fünftel der Nutzer zwischen 30 und 39 Jahren (21%). Sogar 76 % der 14 – 19 Jährigen gibt an regelmäßig in Foren oder Chatrooms aktiv zu sein. Auch von den 30 – 39 Jährigen wird von 29 % diese Möglichkeit des WWW wahrgenommen. 57% der 14 – 19 Jährigen nutzen Wikipedia, aber nur 20% Fotogalerien wie Flickr und nur 11% Blogs. Die 20 – 29 Jährigen nutzen Wikipedia zu 45%, Blogs zu 9% und Fotogalerien ebenso oft wie die Jüngeren. Die Nutzung von Fotogalerien halbiert sich bei den 30 – 39 Jährigen interessanterweise auf die Hälfte. Ab dem 30. Lebensjahr nimmt bei allen dann folgenden Alterskohorten die Nutzung von Wikipedia, Blogs und Fotocommunities rapide ab. Sämtliche Anwendungen, die Fisch und Gescheidle vergleichen, werden von Frauen übrigens durchweg weniger häufig genutzt.112 Es scheint auf den ersten Blick so, als hätte die sich Generation der nach 1983 geborenen (waren bei der Einführung von Mosaic zehn Jahre alt) das Internet von selbst erschlossen. Wirft man aber einen Blick auf die Nutzung typischer Web 2.0 Anwendungen, so wird klar, dass es gravierende Unterschiede bei der Kenntnis und Inanspruchnahme gerade bei bestimmten Anwendungen gibt. Fisch und Gescheidle finden bei der Teilmenge der User über 14 Jahre, die Wikipedia, Blogs oder Fotocommunities bereits besucht haben heraus, dass von den 32% aller User, die Wikpedia nutzen zwar 92% Informationen abgerufen haben, aber nur 7% jemals etwas eingestellt haben oder sich in den Wikiwebs zu Themen geäußert haben. Von den 7%, die Blogs überhaupt kennen und nutzen, haben nur 28% jemals etwas in einen Blog geschrieben; 12% der Teilmenge nutzt Flickr, aber 110 Dutton, William H. (1999): Society on the Line: Information Politics in the Digital Age. Oxford / New York. S. 37. 111 Es sei an dieser Stelle außerdem kurz auf das Konzept des ‚Blended Learning’ verwiesen, also das gemeinsame Erarbeiten von Inhalten über das WWW mittels Wikis und Content Management Systemen wie der Moodle-Plattform, immer ergänzend zu realer Lehre. Siehe IV.C.20, S. 112. 112 Fisch / Gescheidle (2006): S. 434ff. 29 ebenfalls nur 28% haben jemals selbst Fotos eingestellt.113 Daraus ergibt sich, dass nur 2,5 % aller Nutzer die aktuell möglichen Web 2.0-Anwendungen auch tatsächlich aktiv nutzen. Die Nutzer sind vermutlich hochgebildet und mehrheitlich zwischen 14 und 29 Jahre alt. Es kann davon ausgegangen werden, dass nur rund 1 Million deutsche Nutzer Web 2.0-Anwendungen tatsächlich in vollem Umfang bedienen können und das auch tun. Die Gründe für diese wirklich kleine Nutzergruppe liegen auf der Hand: die ungleiche Fähigkeit zur Nutzung muss in der von Castells definierten Bildungs- bzw. Wissenslücke, also der zweiten Dimension der Digital Divide begründet sein, ist also hier auf grundsätzlich vorliegende, institutionalisierte Bildungsungleichheiten in Deutschland zurück zu führen. Die sehr kleine, aktive Web 2.0-Anwendergruppe kann als Wissens-, Bildungs- oder letztendlich als Kommunikations(technik)elite beschrieben werden. Wie diese Gruppe im Vergleich zu den Nutzergruppen, die Web 2.0 Anwendungen passiv nutzen und den Usern, die nur die Grundfunktionen des WWW nutzen, zu definieren ist, wird in Kapitel 4.3 genau beschrieben.114115 Um die, für die Frage nach der Existenz von Gemeinschaft im Netz notwendigen, zu definierenden Begriffe abzuleiten, seien zunächst die wichtigsten Fakten aus Kapiteln 2 noch einmal kurz auf den Punkt gebracht: Es gibt mehrere Internets, aber in der Alltagssprache ist mit Internet das World Wide Web gemeint. Die technischen Entwicklungen und Experimente zwischen 1969 und 1990 führen zur Erfindung des Webbrowsers und damit zur Entstehung des WWW und schlussendlich zur Entwicklung des rein graphischen Browsers Mosaic 1993, dessen Existenz wiederum der Startschuss für die rasante Entwicklung des WWW ist und zum Boom in der IT113 Vgl. die Graphiken „Genutzte Internetangebote zu Web 2.0“ und „Art der Nutzung von Web 2.0Angeboten“ in Fisch / Gescheidle (2006): S. 436 und IV.G Daten-DVD, Anhang → Graphiken und Bilder 114 Neben der Digitalen Spaltung bzw. der sich manifestierenden Digitalen Kluft hat die zunehmende Nutzung des Internet weitere gravierende Folgen: Die IT-Branche entwickelt sich mit der steigenden Zahl der Nutzer zur schmutzigsten Industrie der Welt. Für eine einzige Googlesuche beispielsweise verbrauchen die dahinter stehenden, rechnenden Server so viel Strom zur Kühlung, wie benötigt werden würde, eine Glühlampe 10 Minuten lang brennen zu lassen. Der Traffic auf youtube.com verursacht momentan soviel CO² Ausstoß wie der gesamte jährliche Flugverkehr Deutschlands. 114 Auch wenn dieser Umstand noch keine Medienrelevanz erreicht hat und dementsprechend nur einer kleinen Öffentlichkeit bekannt ist, rüstet sich die IT-Branche schon jetzt mit so genannten Green IT Kampagnen für den Sturm der Entrüstung, der losbrechen wird, sobald dieses Thema in vermutlich naher Zukunft aufs mediale oder politische Tapet gebracht wird. 115 Ebenfalls der enormen Zahl der Nutzer geschuldet ist derzeit die Überlegungen im Parlament der Europäischen Union, Internet, neben Strom und Wasser, zur Grundversorgung des Menschen hinzuzuzählen: „Wäre es nicht sinnvoll […] den Internet-Zugang als Universaldienst zu definieren, der so selbstverständlich zur Wohnung gehört wie Strom, Wasser oder Gas? „Ein solches Vorgehen wird derzeit bei der EU-Kommission in Brüssel beraten“, sagt Erika Mann, die sich als SPD-Abgeordnete im Europaparlament für eine derartige Lösung einsetzt. Bis zum Herbst soll ein so genanntes Grünbuch die Entscheidung beschleunigen.“ Schmundt: ebd. 30 Branche führt. Die Dotcom-Revolution des Web 1.0 endet mit dem Platzen der Dotcom Bubble. Dies wiederum leitet den Wandel im WWW zur Phase Web 2.0 ein. Das Web 2.0 funktioniert nach dem Prinzip des Produsage, es ist ein „MitmachNetz“, aber nur eine Million deutsche User nutzen Web 2.0 aktiv. Der Wandel zu Web 3.0 hat begonnen - unklar ist, welche Auswirkungen dieser tatsächlich langfristig haben wird. Eine weitere Entwicklung ist im Wandel von Web 1.0 zu Web 2.0 bedeutsam: Der Einsatz so genannter Social Software. 3. Virtual Community Im Rahmen des Wandels zu Web 2.0 werden verschiedenartige, so genannte Social Softwares programmiert, was in jüngster Zeit dazu führt, dass mit der zunehmenden Inanspruchnahme der darauf basierenden Social Networks im WWW der bereits 1993 mit Erscheinen des Buches ‚The Virtual Community: Homesteading of the Electronic Frontier’ von Howard Rheingold eingeführte Begriff ‚Virtual Community’ in den Medien und im Internet diskursiv wieder signifikant häufig verwendet wird. Vor dem Hintergrund, dass Rheingolds Buch bereits vor 15 Jahren erschienen ist, also zu einem Zeitpunkt als erst 1,3 Millionen Hosts existierten und selbst angesichts der Tatsache, dass im Jahr 2000, also zum Zeitpunkt der Auflage aus der hier zitiert wird, erst 72,4 Hosts registriert waren, wirkt das Zitat “Millions of people on every continent also participate in the computer-mediated social groups known as virtual communities, and this population is growing fast”116 bei einer Zahl von 1,2 Millarden Usern weltweit Ende 2007, prophetisch. Dies alles macht eine Revision des Konzepts ‚Virtual Community’ unabdingbar, der hier zunächst eine genaue Betrachtung der Bezeichnung Social Software voraus gehen soll. Im Laufe des Wandels des World Wide Web vom Web 1.0 zum Web 2.0 wird ‚Social Software’ zum geflügelten Wort. Nähert man sich dem Terminus interpretierend zunächst über die Übersetzung vom Englischen ins Deutsche und übersetzt ‚Social Software’ mit Soziale Software, so wird klar, dass in diesen Begriff ein breites Spektrum von Funktionen und Leistungen hinein interpretiert werden kann. Social Software heißt nicht, dass die Software für sich genommen sozial ist oder gar handelt, sondern bezeichnet Programme und Anwendungen, die entweder dem Herstellen von Computernetzwerken oder so genannter Social Networks im Web dienen sollen. Implizit wird bei dieser Bezeichnung angenommen, die 116 Rheingold, Howard (2000): Introduction http://www.rheingold.com/vc/book/intro.html). (Download am 19.2.2008 unter 31 Beziehungen, die zwischen den Mitgliedern solcher Netzwerke entständen, seien sozialer Natur. Diese Annahme bedarf einer Überprüfung, die in Kapitel 4 vorgenommen werden wird und im Zusammenhang mit dem Kommunikations- und dem Subjekt- bzw. Identitätsbegriff erfolgen soll. Im Grunde genommen kann man unter den Begriff Social Software alles fassen, was in irgendeiner Form eine technische Verbindung zwischen zwei Einzelgeräten oder Einzelprogrammen ermöglicht, auch wenn damit letztendlich sogar Hardware eingeschlossen ist. Aus dem Verständnis von Social Software als Kommunikationsinstrument bzw. –medium heraus müssten, neben Telefonen, Mobiltelefonen, Konsolen (die an TV-Geräte oder Bildschirme angeschlossen werden müssen) und Spielecomputern wie dem Gameboy, zentrale, also auf dem Rechner installierte Emailprogramme oder technische Strukturen wie die der Newsgroups des Usenet bzw. die Programme, die sie erzeugen, als Social Software eingestuft werden. Erstgenannte Elemente sind eigentlich Hardware - dass der Begriff Social Hardware noch nicht existiert, ist an und für sich schon ein Wunder, gibt es doch Beispiele genug, siehe die Konsole Nintendo Wii, die im Übrigen internetfähig ist und sowohl über ein Email- als auch ein IM-Programm verfügt. Beim Spielen mit Wii gibt es einen Multiplayermodus117, der es mehreren Mitspielern erlaubt mittels eines Controllers gemeinsam Bewegungsspiele zu spielen. Spiele wie Singstar können zwar auch allein gespielt werden, dieses ist aber ein mit Vorliebe auf Partys aufgestelltes Spiel oder eines, das im kleinen Kreis ebenfalls mit mehreren daheim gespielt wird.118 Das noch „junge“ Konzept ‚Social Software’ betrifft im Alltagsverständnis allerdings eigentlich die Software- bzw. Programmsysteme, die hinter so genannten Virtual Communities im WWW stehen. Social Software ist der Motor von Websites bzw. Providern wie youtube.com (Videocommunity), flickr.com (Fotocommunity), myspace.com und StudiVZ (Social Networks), last.fm (Internetradio und Listenercommunity), vox.com (Bloggercommunity) und Ähnlichen. Wichtig ist an dieser Stelle festzuhalten, dass theoretisch und technisch sowohl Netzwerke im Internet auf Social Software basieren als streng genommen auch Spielergemeinschaften, die durch Vernetzung elektronischer Geräte entstehen - in der öffentlichen Wahrnehmung und im allgemeinen Sprachgebrauch sind mit Social Software aber nur die Programme hinter den so genannten Virtual Communities gemeint. „Mit Social Software 117 Multiplayer = mehrere Spieler in einem Spiel. Konsolen werden zur Inbetriebnahme an ein Fernsehgerät angeschlossen. Zumindest die Wii ist damit, was die Bindung von Anwendungen betrifft, ähnlich zu Triple Play eine typische Web 3.0 Anwendung. 118 32 bezeichnet man Software Systeme, die die Zusammenarbeit und die Kommunikation zwischen Akteuren stützen.“119 Das Konzept ‚Virtual Community’ wurde erstmals 1993 mit dem Erscheinen des Buchs120 von Howard Rheingold einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Rheingold selbst ist Psychologe und lehrt unter anderem Soziologie an der Universität in Berkeley, Kalifornien, USA. Seine Erfahrungen, die er in der Virtual Community The WELL sammelte führten ihn zu der Annahme, dass innerhalb von Netzwerken oder Gruppierungen im Internet Gemeinschaft im soziologischen Sinne entstehen kann. The WELL, Whole Earth `Lectric Link, ist eine Gruppierung die 1985 im Usenet entstanden ist, also relativ zeitgleich mit der Erfindung von NTTP und damit dem ersten sprunghaften Anstieg von IP Adressen und damit auch Usern im Netz zusammen fällt. Die Gruppierung wird von Stewart Brand und Larry Brilliant gegründet – sie entsteht aus einem Dialog von Autoren und Lesern des Whole Earth Review.121 The WELL wird heute von der Salon Media Group betreut, die auch verantwortlich ist für salon.com, ein Online News Magazin. Die Teilnehmer von The WELL werden auf der Internetpräsenz im WWW derzeit folgendermaßen beschrieben: “The regulars in this place include noted authors, programmers, journalists, activists and other creative people who swap info, test their convictions and banter with one another in wide-ranging conversations.” 122 Die User oder Mitglieder von The WELL tauschen sich in Foren aus, wie sie beispielsweise in Kapitel 2 beschrieben wurden. Heute allerdings ist der technische Aufbau der Foren im Vergleich zum Aufbau und zur technischen Funktionsweise der Newsgroups der 80er Jahre differenzierter. Howard Rheingold beschreibt das Nutzerverhalten der User oder Mitglieder von The WELL in ‚The Virtual Community’ so: „[…] a few dozen of us, scattered across the country, few of whom rarely if ever saw the others face-to-face, had a few years of minor crises to knit us together and prepare us for serious business when it came our way. Another several dozen read the conference regularly but contribute only when 119 Stegbauer, Christian /Jäckel, Michael (2008): Social Software – Herausforderung für die mediensoziologische Forschung. In: Dies.: Social Software. Wiesbaden. S. 7. S. 7 – 10. 120 Rheingold, Howard (Erstveröffentlichung 1993 / 2000): The Virtual Community. Homesteading On The Electronic Frontier. (Download am 19.2.2008: Introduction http://www.rheingold.com/vc/book/intro.html; Chapter 1 – The Heart of The WELL http://www.rheingold.com/vc/book/1.html; Chapter 2 – Daily Life in Cyberspace: How the Computerized Counterculture Built a New Kind of Place - http://www.rheingold.com/vc/book/2.html) 121 Vgl. http://www.well.com/index.html. Whole Earth Review: Magazin, das aus dem von Steward Brand gegründeten CoEvolution Quarterly hervorgegangen ist und nun Whole Earth heißt. Der Untertitel ist von Anfang an Access to Tools und Ideas. 122 Vgl. http://www.well.com. 33 they have something important to add. Hundreds more every week read the conference without comment, except when something extraordinary happens.”123 Außergewöhnliche Umstände sind für Rheingold, auch das beschreibt er im Buch, reale Vorfälle, also beispielsweise Heirat, Geburten oder Tod.124 Analog zu den Erfahrungen, die Rheingold bei (oder in?) The WELL gemacht hat, beschreibt er den Cyberspace als Raum. Er legt dieser Einstufung als Raum, in dem mittels Computer Mediated Communication (CMC)125 Konversationen entstehen können, die Theorie der ‚Dritten Orte’ des amerikanischen Soziologen Ray Oldenburg126 zugrunde. Oldenburg zufolge sind ‘Dritte Orte’, also (wie im Untertitel beschrieben) Kaffeehäuser, Gemeindezentren, Friseursalons, „ […] largely a world of its own making, fashioned by talk and quite independent of the institutional order of the larger society. […]”127, neben der eigenen Wohnung als erstem Ort und der Arbeitsstelle als zweitem Ort. Und weiter: „Third places exist on neutral ground […] Within these places, conversation is the primary activity and the major vehicle for the display and appreciation of human personality and individuality. […] The character of a third place is determined most of all by its regular clientele and is marked by a playful mood, which contrasts with people's more serious involvement in other spheres.”128 Im letzten Teil der Definition ergibt sich eine interessante Übereinstimmung mit der, zugegebenermaßen euphemistischen Selbstbeschreibung von The WELL auf deren Website. “The WELL is a place made of words, an extraordinary word palace with thousands upon thousands of topics of interest.”129 Sowohl in oder bei ‚Dritten Orten’ als auch bei The WELL ist Konversation mit Anderen das Ziel aller Beteiligten. In der Selbstschreibung scheint bereits durch, was Rheingold konkret beschreibt: Bei der erneuten Betrachtung von Rheingolds Beschreibung von The WELL fällt auf, dass er mit seiner Beschreibung des Nutzerverhaltens bei The WELL das Zusammentreffen von Menschen an Dritten Orten beschreibt, mit dem Unterschied, dass es sich bei The WELL nicht um einen real existierenden Ort handelt, sondern dass dies ein vorgestellter Ort im Netz ist.130 123 Vgl. Rheingold (2000): Chapter 1 – The Heart of The WELL. (Download am 19.2.2008 unter http://www.rheingold.com/vc/book/1.html) 124 Vgl. Rheingold (2000): Introduction. 125 Auf CMC wird in Kapitel 4.1 detailliert eingegangen werden. 126 Oldenburg, Ray (1997, Ertveröffentlichung 1989): The Great Good Place – Cafes, Coffee Shops, Community Centers, Beauty Parlors. New York. 127 Ebd. Zitiert nach Hellmann, Uwe (2007): Das Internet als Dritter Ort? (Download unter: http://markeninstitut.wordpress.com/2007/11/27/das-internet-als-dritter-ort/) 128 Oldenburg. Zitiert nach Rheingold (2000): Chapter 1. 129 Vgl. http://www.well.com/index.html. 130 Die gegebene räumliche Trennung hier außer acht lassend. 34 Abb. 8: Logo von The WELL 2007131 Oder, anders herum, Ray Oldenburg scheint mit seiner Definition ‚Dritter Orte’ den grundsätzlichen Charakter des Internet zu beschreiben. Nicht jeder kann diese Vorstellung von Raum teilen, die zumindest im Selbstverständnis von The WELL fest verankert zu sein scheint. Sowohl der Raumbegriff als damit einhergehend auch ein Begriff von Zeit bzw. ihrer Relativität, und im Vergleich dazu der Begriff des Zeitpunktes, werden in den Kapitel 4 eingehender thematisiert werden. Oldenburg ist davon überzeugt, dass ‚Dritte Orte’ für das Entstehen von Gemeinschaft unabdingbar notwendig sind. „…nothing contributes as much to one’s sense of belonging to a community as much as ‘membership’ in a third place”132 Das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft wird nach Oldenburg durch die Mitgliedschaft in oder zu einem ‚Dritten Ort’, man könnte auch sagen durch die regelmäßige Anwesenheit an einem Ort und die sich dort immer wieder ergebende Konversation mit denselben Menschen, wird ein Gemeinschaftsgefühl getriggert und dadurch ist Gemeinschaft selbst erst möglich. Überraschenderweise schreibt Rheingold zur Atmosphäre „die entsteht, wenn man (...) mit WELL Kontakt aufnimmt [. Sie] ist der Atmosphäre sehr ähnlich, die aufkommt, wenn man kurz ins Café, die Kneipe oder den Aufenthaltsraum reinschaut, um zu sehen, wer da ist, und ob ein kleiner Schwatz angesagt ist"133 Genau deswegen definiert er Virtual Communities als „ […] Gemeinschaften, die aus dem Netz entstehen, wenn genug Leute öffentliche Diskussionen lange genug aufrecht erhalten, mit genügend menschlichen Gefühlen, 131 Download am 7.3.2008 unter: http://www.well.com. Interessant ist das Icon an zweiter Stelle im Wort WELL. Es ersetzt ein ‘e’ und steht für Earth, also Erde oder Welt. Es ähnelt dem @ Symbol insofern, als dass das ‚e’ ebenfalls „eingekreist“ ist. Das E des Wortes Electric entfällt und findet sich ebenfalls im „E-im-@-Kreis“-Symbol an zweiter Buchstabenstelle des Wortes WELL wieder – es soll also die Assoziation einer Electric Earth, einer Virtual World, geweckt werden. Das verkürzte Wort `Lectric könnte zurückgeführt werden auf das lateinische Wort ‚lectare’, was soviel wie amüsieren, ergötzen oder belustigen bedeutet. The WELL ist also eine elektronische oder virtuelle Welt, die unterhält. 132 Oldenburg: Ebd. Zitiert nach Hellmann: Ebd. 133 Rheingold, Howard (1994): Virtuelle Gemeinschaft Soziale Beziehungen im Zeitalter des Computers. Bonn / Paris. S. 41. 35 um persönliche Bindungen im Cyberspace zu bilden.“134 Bei Hagel und Singer sind Virtual Communities so definiert: „Virtual communities build on network users widespread desire to connect with each other around common areas of interest.”135 Die deutsche Übersetzung von Community, Gemeinschaft, ist soziologisch bereits definiert und überhaupt nicht mit dem in Einklang zu bringen, was im alltäglichen Sprachgebrauch und nach Rheingolds Definition unter ‚Virtual Community’ verstanden wird. Nach Definition des Begriffs durch Rheingold ist allerdings klar, dass er mit Virtual Communities keineswegs Gruppen wie Mailinglisten oder Netzwerke wie die Newsgroups im Usenet meint, sondern dass er proklamiert, dass soziale Gemeinschaft im soziologischen Sinne im Netz innerhalb von Gruppen und Netzwerken entsteht. Das Internet oder WWW selbst ist nach Rheingold als Raum zu verstehen, die Websites oder Foren sind die verschiedenen Orte. The WELL ist dementsprechend einer von vielen möglichen ‚Dritten Orten’, die analog zur sozialen Realität, ebenfalls sozial sind. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass sich die Communityforschung im anglo-amerikanischen Raum im Gegensatz zur deutschen Gemeinschaftsforschung Lebensgemeinschaften (Gemeinden) vor und beschäftigt, so allem mit nachbarschaftlich dass der Formierung organisierter Forschungsergebnisse dörflicher Gemeinschaften aus dem anglo- amerikanischen Raum im Kontext der Forschungsfrage auf ihre Validität hin geprüft werden müssen.136 Mit dem Aufkommen der typischen Web 2.0 Anwendungen und daraus folgend dem Einsatz von Social Software, gewinnt das Konzept Virtual Community wie gesagt eine neue mediale, vor allem aber wirtschaftliche Relevanz.137 Die Mitgliederzahlen der Online Communities sind unglaublich groß. Facebook ist gerade mit einer deutschen Version an den deutschen Markt gegangen. Die deutsche Myspace Version gibt es bereits seit August 2006; sie hat derzeit rund 4,5 Millionen Mitglieder.138 134 Ebd.: S. 16. Hagel, John / Singer, Marc (1999): Networth. New York. S. 88. 136 Vgl. Grundmann, Matthias (2006b): Soziale Gemeinschaften: Zugänge zu einem vernachlässigten soziologischen Forschungsfeld. In: Ders. et al.: Soziale Gemeinschaften. Experimentierfelder für kollektive Lebensformen. Berlin. S. 13f. 137 Im Juli 2005 wurde Myspace für 580 Millionen Dollar von Rupert Murdoch gekauft. Der Holtzbrinck Verlag hat StudiVZ 2007 für 85 Millionen Euro gekauft. Facebook wird seit dem Einstieg von Microsoft sogar mit 15 Milliarden Dollar bewertet. Vgl. Bonstein, Julia (10.3.2008): „Stupser contra Gruschler“. In DER SPIEGEL 11/08. S. 110. 138 Ebd. 135 36 Abb. 9: Mitgliederzahlen deutscher und weltweiter Online Communities im Vergleich.139 Brian Cruikshank, Vizepräsident des Marktforschungsunternehmens Ipsos Insight konstatiert bereits 2006: „The frequency of visitation to social networking websites globally implies that many Internet users are no longer simply ‘trying out’ these sites, but rather adopting social-networking as a significant part in their evolving digital lifestyle. What will be interesting to monitor is the affect social networking will have on other online and offline entertainment behaviors that ultimately compete for a share of the consumer’s disposable time.” 140 Es wird deshalb nun neben dem Ursprung einer Theorie der Gemeinschaft in den kommenden Kapiteln das Konzept der Imagined Community vorgestellt und eine soziologische Definition von sozialer Gemeinschaft vorgenommen. Damit einher gehend ist es unabdingbar nötig, CMC und deren Bedeutung für Gruppen und Netzwerke bzw. die aus CMC entstehenden Konversationen genau zu definieren. Ebenfalls zu konkretisieren ist die Annahme Rheingolds, das Internet sei ein Raum oder werde als Raum wahrgenommen, in dem kommuniziert und gehandelt wird. In diesem Kontext muss auch die Frage nach der Emergenz von Öffentlichkeit gestellt werden. Des Weiteren wird die Konstruktion des 139 Vgl. Bonstein. Executive Vice President & Managing Director von Ipsos Insight's Technology & Communications Practice. Siehe dazu auch Graphik im Anhang, Beispielbild IV.C.32, S. 118. Frequentierung von Social Networking Sites zwischen 2005 und 2006 im globalen Vergleich. S. (Download am 25.2.2008 unter: http://www.ipsos-na.com/images/media/mr070703-2.jpg) 140 37 Subjekts und die Entwicklung von Persönlichkeit und Identität im virtuellen Kontext zu bestimmen sein. Daraus folgend ist die Frage zu stellen, ob Beziehungen, die zwischen Menschen im Netz bestehen, sozial sind, ob also im Internet sozial gehandelt werden kann. Damit einhergehend soll die Frage nach der Möglichkeit der Emergenz von Intersubjektivität im Web gestellt werden. Dies alles wird in Kapitel 4 geschehen. Zuallererst werden jedoch die Ursprünge des soziologischen Gemeinschaftsbegriffs bei Ferdinand Tönnies untersucht. 3.1 Gemeinschaft und Gesellschaft nach Ferdinand Tönnies Die soziologische Definition von sozialer Gemeinschaft geht ursprünglich auf den Gemeinschaftsbegriff in Ferdinand Tönnies Publikation Gemeinschaft und Gesellschaft zurück.141 Die erste Auflage von 1887 stieß auf wenig öffentliches Interesse. Die zweite Auflage von 1912 fand in den damals entstehenden Jugendbewegungen viele Rezipienten. Tönnies sah seine Aufgabe nicht so sehr in der Teilhabe an der Konstruktion einer soziologischen Theorie, sondern in der Dokumentation der Entstehung bürgerlich-demokratischer Strukturen.142 Vorbilder sind für Tönnies Hobbes in Großbritannien143 und Spinoza in den Niederlanden, wo die Entstehung von Bürgerlichkeit und die Reflexion dieses Prozesses viel weiter fortgeschritten sind144 und außerdem den Bundesgenossen Hegel.145 Tönnies unterscheidet beim Menschen zwei Grundformen von Rationalität, und zwar „…den Willen, sofern in ihm das Denken, und das Denken, sofern darin der Wille enthalten ist.“146 Matthias Grundmann umschreibt dies so: „… in jedem Handeln [drückt sich ein] Wollen [aus], also ein Denken darüber, mit welchen Mitteln welche Zwecke erreichbar sind, wie Bedürfnisse befriedigen können und das soziale Miteinander organisiert werden kann. […] [Es basiert] auf dem Willen der Akteure, sich sozial zu verbinden, um gemeinsame Interessen besser vertreten zu können.“147 141 Tönnies, Ferdinand (1988): Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie. Darmstadt. 142 Vgl. Bickel, Cornelius (1991): Ferdinand Tönnies. Soziologie als skeptische Aufklärung zwischen Historismus und Rationalismus, Opladen. S. 53. 143 Walther, Manfred (1991): Gemeinschaft und Gesellschaft bei Ferdinand Tönnies und in der Sozialphilosophie des 17. Jahrhunderts oder: Von Althusius über Hobbes zu Spinoza – und zurück, in: ders., S. 83 – 106. 144 Merz-Benz, Peter-Ulrich (1991): Die begriffliche Architektonik von „Gemeinschaft und Gesellschaft“, in: Clausen, Lars / Carsten Schlüter (Hrsg.): Hundert Jahre »Gemeinschaft und Gesellschaft«. Ferdinand Tönnies in der internationalen Diskussion. Opladen. S. 31 - 64. 145 Vgl. Opielka, Michael (2004): Gemeinschaft in Gesellschaft: Soziologie nach Hegel und Parsons. Wiesbaden. S. 24. 146 Tönnies (1988): S. 73. 147 Grundmann, Matthias (2006b): S. 9f. 38 Die dichotome Unterscheidung in Gemeinschaft und Gesellschaft resultiert insofern aus den zwei Willen, als dass aus dieser hervor- „gehet […], wie Wesenwillen zu Gemeinschaft die Bedingungen in sich trägt, Kürwille aber Gesellschaft hervor bringt.“148 Das Wollen wird also bei Tönnies spezifiziert in zwei Ausprägungen unterschieden, in das Grundbedürfnis nach sozialer Bindung (Wesenwillen) und das Streben nach Organisation des Zusammenlebens.149 Wesenwille ist nach Tönnies das „psychologische Äquivalent des Leibes, oder das Prinzip der Einheit des Lebens, sofern dieses unter derjenigen Form der Wirklichkeit gedacht wird, welcher das Denken selber angehört.“150 Kürwille hingegen entspricht dem ‚Ich’, „insofern als es aller übrigen Eigenschaften entkleidet und wesentlich denkend begriffen wird [...]“151 Dabei geht die „…Theorie der Gemeinschaft […] von der vollkommenen Einheit menschlicher Willen aus, welche trotz der empirischen Trennung […] sich erhalte.“152, denn „Die allgemeine Wurzel dieser Verhältnisse ist der Zusammenhang des vegetativen Lebens durch die Geburt; die Tatsache, dass menschliche Willen, insofern, als dass jeder einer leiblichen Konstitution entspricht, durch Abstammung und Geschlecht miteinander verbunden sind und bleiben, oder notwendiger Weise werden“153 Insofern ist für Tönnies die Verbundenheit aller Menschen über den Wesenwillen und den Kürwillen natürlich, die daraus entstehenden sozialen Gebilde jedoch sozusagen ‚kultürlich’154, da sie erst durch die Willen des Menschen entstehen. Gemeinschaften und Gesellschaft bilden nach Tönnies zusammen sozusagen einen Kulturraum. Über die Willen sind alle Menschen eines Kulturraums miteinander verbunden – Beziehungen von Menschen sind Beziehungen der Willen. Tönnies unterscheidet in die organische und mechanische Bindung - Bindung „wird entweder als reales und organisches Leben begriffen – dies ist das Wesen der Gemeinschaft, oder als ideelle und mechanische Bildung – das ist der Begriff der Gesellschaft.“155 Thomas Dierschke präzisiert dies so: „Die Beziehungen, die auf der Grundlage des Wesenwillen bestehen, nämlich die Gemeinschaften, sind demnach lebendige, organisch gewachsene Beziehungen, die auf eine gemeinsame 148 Tönnies (1979):Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie. Darmstadt. S.135. 149 Grundmann (2006b): S. 10f. 150 Tönnies, Ferdinand (1935): Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie. Leipzig. S. 87. 151 Tönnies (1935): S. 88f. 152 Tönnies (1988): S. 7. 153 Tönnies (1988): S. 7. 154 Dieser Begriff stammt aus dem theoretischen Rahmen des methodischen Konstruktivismus und wird auf den Mitbegründer Paul Lorenzen zurückgeführt. 155 Tönnies (1935): S. 5. 39 Vergangenheit zurück blicken können. Die Beteiligten haben ein umfassendes gemeinsames Verständnis von dem, was sie tun. […] Gesellschaft lässt sich […] als ein Beziehungsgeflecht mit ideellem und mechanischem Charakter beschreiben und kann so durchaus auch mit dem verglichen werden, was unter dem Wort Marktwirtschaft verstanden wird.“156 Die Willen der Menschen werden wiederum beeinflusst von der kultürlichen Umgebung und von der natürlichen, also der tatsächlich gegebenen, biologistischen und geographischen und außerdem der von Menschen gemachten, jeweils für das einzelne Individuum verfügbare, technischen Umwelt. Dementsprechend ist Gemeinschaft wie auch Gesellschaft historisch abhängig. Gemeinschaft entsteht und gestaltet sich immer wieder neu aus sich selbst heraus. Grundlage für die Entstehung von Gemeinschaft ist nach Tönnies eine gegenseitig-gemeinsame, verbindende Gesinnung; diese ist als eigener Wille der Gemeinschaft aufzufassen, als Consensus. Consensus bezeichnet das Einverständnis zwischen den Mitgliedern. Die Merkmale für Gemeinschaft sind Einverständnis, Gefallen, regelmäßige Kontakte, gemeinsame Werte, freiwillig anerkannte Autoritäten und ein Kräftegleichgewicht zwischen den Mitgliedern. Nach Tönnies löst übermäßige Konzentration von Entscheidungsmacht auf einzelnen Mitgliedern einer Gemeinschaft diese auf. Tönnies unterscheidet insgesamt drei verschiedene Typen von Gemeinschaft: Die Gemeinschaften des Blutes, des Geistes und des Ortes. Die Gemeinschaft des Blutes entsteht zwischen den Mitgliedern einer Familie und zwischen Verwandten.157 Die Beziehungen der Gemeinschaftsmitglieder sind hier unmittelbar, nicht zweckrational und von unreflektierter Empathie und Instinkt geprägt. Das Verständnis, dass unter den Mitgliedern von Geistesgemeinschaften füreinander entsteht, beruht auf dem sich aus dem gemeinsamen Werthorizont der Mitglieder ergebenden Handlungsrahmen und gemeinsamen Sinnstrukturen, an denen die jeweiligen Handlungen ausgerichtet werden. Geistesgemeinschaften sind beispielsweise religiöse Gruppierungen, Freundeskreise oder Interessengruppen. Die dritte Form der Gemeinschaft ist die der Nachbarschaft, der Ehe und des Hauses. Diese erste Definition von Gemeinschaft und Gesellschaft ist insofern unvollständig, als dass Gemeinschaft und Gesellschaft bei Tönnies Konzeptbegriffe 156 Dierschke, Thomas (2006a): Organisation und Gemeinschaft. Eine Untersuchung der Organisationsstrukturen Intentionaler Gemeinschaftenim Hinblick auf Tönnies Gemeinschaftsbegriff. In: Grundmann et al. (Hrsg.): Soziale Gemeinschaften. Experimentierfelder für kollektive Lebensformen. Berlin. S. 77f. 157 Vgl. Grundmann (2006b): S. 11ff. 40 sind.158 Die Mitgliedschaft zu einer solchen Gemeinschaft basiert auf lokaler Nähe, gemeinsamem Besitz oder Abhängigkeit voneinander. Verbunden sind die Mitglieder untereinander über gemeinsame Verwaltung oder Ordnung oder über gemeinsame Arbeit. Das Verständnis, das hier entsteht, beruht auf Gewöhnung.159 Eine Auflösung dieses Problems und damit die Erfassung von Gemeinschaften sowohl in der Mikround Makroebene, als auch in der Meso- und Exoebene, und eine gültigere Definition von sozialer Gemeinschaft überhaupt, ist erst durch das Konzept der Imaginierten Gemeinschaft von Benedict Anderson möglich. 3.2 Imagined Communities Der amerikanische Politologe Benedict Anderson160 bis zu seiner Emeritierung Professor an der Cornell University veröffentlichte 1983 das Buch ‚Imagined Communities’.161 Das Konzept entstammt der politischen Nationalismusforschung und hat damit direkte Auswirkungen auf die Geschichtswissenschaft, da die Entstehung der einzelnen Nationen im Folgenden historisch anders zugeordnet werden können. Benedict Anderson nimmt Tönnies´ Konzept von Gemeinschaft als Ausgangspunkt, um Gemeinschaften in der differenzierten Postmoderne wieder greifbar zu machen. Grundlage für die „vorgestellte Gemeinschaft“ ist, dass die Wahrnehmung der Wirklichkeit grundsätzlich Ergebnis eines intersubjektiven, gesellschaftlichen Communities Konstruktionsprozess entsteht somit im ist.162 Rahmen Das des Konzept Linguistic der Turn Imagined in den 158 Vgl. Dierschke, Thomas et al. (2006b): Soziologische Gemeinschaftsforschung: Ein programmatisches Fazit. In: Grundmann et al. (Hrsg.): Soziale Gemeinschaften. Experimentierfelder für kollektive Lebensformen. Berlin. S. 190. 159 , „…die erstens tief in ihren jeweiligen, spezifischen Welten [Hervorhebung durch den Autor], in ihren historischen, sozialen, mentalen und technologischen Kontexten verankert sind und nur in diesen Zusammenhängen fasslich werden, zweitens, und noch wichtiger, dass sie in reziproker Weise relativ sind, in diesem Sinne auch nur wechselseitig relative Ansprüche geltend machen können. Jede der beiden Konstruktionen bezahlt ihren Geltungsanspruch mit dem Verlust der Totalkompetenz, muss sich mit jeweils der Teilkompetenz begnügen, die der anderen zum Glück der Totalität fehlt. Gemeinschaft ist wahr, insofern darin das Organische der Wirklichkeit im Sinne des sich selbst erzeugenden Seins begriffen werden kann, aber sie hat nicht das Zeug zum Demiurgen, wie Gesellschaft, die, wie die technologischen und intelligiblen Äquivalente Mechanik und Wissenschaft, wirksam werden kann, aber eben als Fiktion eines organischen Ganzen, dem sie als sein Bestandteil immer schon eingeschrieben ist.“ In: Dunkow, Michael (2000): Ferdinand Tönnies´ Gemeinschaft und Gesellschaft – Eine Zusammenfassung. Winterthur. (Seminararbeit im WS 99/00 im Seminar Lebensstile und sozialer Wandel. Download am 7.3.2008 unter: http://soziologie.ch/texts/docs/Toennies.pdf) S. 9. 160 bis zu seiner Emeritierung Professor an der Cornell University 161 Erstveröffentlichung in Deutschland (1988): ‚Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. Berlin. 162 Vgl. Berger, Peter L. / Luckmann, Thomas (2001): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt / a.M.. S. 175f. 41 Sozialwissenschaften in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts vor einem konstruktivistischen Hintergrund. Aus der objektiven Betrachtungsweise des Historikers ist Nation ein, epochal betrachtet, neuer Begriff - kaum zweihundert Jahre alt, eine „kümmerliche[n] Einbildung[en] der jüngeren Geschichte.“163 Benedict Anderson beschreibt Nation als „eine vorgestellte politische Gemeinschaft – vorgestellt als begrenzt und souverän.“164 Vorgestellt ist die Nation deshalb, weil im Kopf eines jeden, der Mitglied davon ist, eine Vorstellung ihrer Gemeinschaft existiert, obwohl ein Kennenlernen Vis à Vis untereinander aufgrund ihrer räumlichen Ausdehnung ausgeschlossen ist. Begrenzt ist die Nation, weil sie innerhalb genau bestimmbarer, allerdings variabler territorialer Grenzen liegt. Jenseits ihrer Grenzen liegen andere Nationen. Souverän ist sie deshalb, weil sie sich als unmittelbare freie Gemeinschaft versteht. Die Nation wird als Gemeinschaft vorgestellt, weil sie als Verbund von Gleichen verstanden wird, die sich selbst ebenfalls als Gemeinschaft begreifen.165 Der Definition des Soziologen M. Rainer Lepsius zufolge ist Nation „zunächst eine gedachte Ordnung, eine kulturell definierte Vorstellung, die eine Kollektivität von Menschen als Einheit bestimmt.“166 Wenn Lepsius von kulturell definierter Vorstellung schreibt, dann beschreibt er damit den diskursiven Prozess, in dem die Kriterien für die Art der Einheit von Menschen mit Bedeutung belegt werden. Die Kriterien für die Art der Einheit sind in der Ordnungsvorstellung der Nation angelegt und können verschiedener Art sein. „Sind dies ethnische Kriterien, so bestimmt sich eine Nation als ethnische Abstammungseinheit; sind dies kulturelle Kriterien, so stellt sich die Nation als Sprachgemeinschaft dar; sind es Kriterien staatsbürgerlicher Rechtsstellung, so ist die Nation eine Einheit von Staatsbürgern.“167 Die Nation ist eine Konstruktion, die eine homogene Gemeinschaft, ein ‚Wir’, beinhaltet. „National organisierte Gesellschaften bestimmen Grenzen nicht nur nach außen, sondern auch nach innen. Die Form beider Grenzziehungsprozesse variiert: Sie kann selbst wiederum nach ‚innen’-, d.h. durch eine essentialistische , sei es kulturelle, religiöse oder ‚natürliche’ Bestimmung des ‚Wir’, oder ‚außen’-geleitet sein, d.h. durch eine mehr auf Regeln des Ausschlusses beruhende Selbstbestimmung charakterisiert 163 Anderson, Benedict (1988): Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreiches Konzepts. Frankfurt/Main. S.14. 164 Anderson, Benedict (1988): ebd. S.14ff. 165 Vgl. Ebd.: S.15. 166 Lepsius, M. Rainer (1990): Interessen, Ideen und Institutionen. Opladen. S.233. 167 Ebd. 42 sein.“168 Dementsprechend wird also die Identität einer Nation, die eine nationale Gemeinschaft als Kollektividentität begreift, ebenfalls im sozialen Diskurs konstruiert. Neben der Konstruktion der Bedeutung von Nation bzw. des Inhalts des Begriffs Nation findet im diskursiven Prozess der Konstruktion von Repräsentation auch die Konstruktion von Nationalidentität statt. Die Nation schafft sich relational zu anderen Nationalidentitäten ein Bild von sich selbst. Denn „eine Nation konstituiert sich über Selbst- und Fremdbilder. Im Bild von dem Fremden gewinnt man ein Bild von sich selbst. Und umgekehrt: Am Selbstbild formt sich das Bild des Fremden. Insofern ist in jedem Nationalismus immer die Abgrenzung vom Nationfremden eigen.“169 Dieser Prozess wird auch als ‚Othering’ bezeichnet. Der Begriff geht auf Irit Rogoff zurück und meint die Konstitution des Anderen durch Abgrenzung vom Anderen und daraus folgend die Konstitution des Selbst. Für Mona Singer ist Identifikation die „Definition einer Andersheit, die die Wir-Identität der Definierenden erst zu einer bezugsvollen Identität macht. Jede Identifikation ist ein Akt der Unterscheidung und der Grenzziehung und ist damit immer auch unlösbar mit dem wovon sie sich absetzen will, verbunden. Und das bedeutet, dass wenn wir über andere reden, zugleich über uns selbst reden.“170 Nationalidentität muss definiert werden als die Identifikation eines Kollektivs mit der Vorstellung, die es sich von Nation und Nationalkultur gemacht hat. Nationalbewusstsein, Sprache, Literatur, und eigene Geschichtsschreibung sind Kategorien kollektiver Identifikation. Sie bilden die überwölbende Sinninstanz kollektiver Identität.171 Der Kollektivierungsprozess, in dessen Zuge eine ‚Wir’Gruppe und ein ‚Wir’-Ideal gebildet werden, ist ein Prozess der Grenzziehung. Bei der Grenzziehung ist die Unterscheidung eines Innens vom Außen konstitutiv. Die Grenzziehung selbst findet innerhalb Nationalkultur statt. „Ethnisch-nationale der Konstitution Semantiken des haben Diskurses die der Funktion, gesellschaftliche Einheit zu simulieren. […] Schon aus logischen Gründen ist dann alles, was jenseits des Einschlusshorizonts der jeweiligen Nation liegt, fremd.“172 Sprache und deren Bedeutung für die Konstruktion von Wirklichkeit wird im Rahmen 168 Bielefeld, Uli (1991): Das Konzept des Fremden und die Wirklichkeit des Imaginären. In: Ders.: Das Eigene und das Fremde. Hamburg. S. 99. 169 Langewiesche, Dieter (2000): Nation, Nationalismus, Nationalstaat in Deutschland und Europa. München. S.49 170 Singer, Mona (1998): Fremd. Bestimmung. Zur kulturellen Verortung von Identität. Tübingen. S. 30 171 Nassehi, Armin (1990): Ethnizität und funktionale Differenzierung. Kurzfassung des Vortrags auf dem Soziologentag 1990 in Frankfurt. S.2f. 172 Nassehi, Armin (1995): Der Fremde als Vertrauter. Soziologische Beobachtungen zur Konstruktion von Identitäten und Differenzen. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 47, H.3, S. 452. 43 der Konstruktion von Identität in Kapitel 4.2 noch gesondert thematisiert werden. Es kann für die Bildung von Nationalidentität überspitzt festgehalten werden: „Das Bild des Fremden ist das Horrorkabinett des verdrängten Eigenen.“173 Erdheim führt dazu weiter aus: „Das Bewusstsein einer nationalen organischen Einheit bedurfte des Fremdenhasses, um die realen Konflikte unbewusst zu machen. Was die Gesellschaft zusammenhielt, war alles andere als Sympathie.“174 Schon Nietzsche hat bei der Analyse von Kollektivierungsprozessen festgehalten: „Je bestimmter eine organische Einheit (z.B. eine Gemeinde, Herde) sich zum Bewusstsein kommt, umso stärker ist ihr Hass gegen Fremde. Die Sympathie mit den Zugehörigen und der Hass gegen das Fremde wachsen miteinander.“175 Die Herstellung einer ‚Wir’Gruppe hatte neben der Betonung der eigenen Größe also auch die Konstruktion eines gefährlichen inneren und äußeren Feinds zur Folge.176 Jeismann verortet die Ausbildung nationaler Semantiken und nationaler Identität als Reaktion auf innere oder äußere Krisen.177 Sowohl Lepsius als auch Anderson legen dem Begriff Nation und der Bildung eines Bewusstseins von Nation kulturelle Wurzeln zugrunde, denn „nationale Kulturen konstruieren Identitäten, indem sie Bedeutungen der ‚Nation’ herstellen, mit denen wir uns identifizieren können; sie sind in Geschichten enthalten, die über die Nation erzählt werden, in den Erinnerungen, die ihre Gegenwart mit der Vergangenheit verbinden und in den Vorstellungen, die über sie konstruiert werden.“178 Der Bildung von Nationalidentitäten ist also die Bildung von Nationalkultur vorausgesetzt. Nation ist „gesellschaftliche Konstruktion, […] Imagination und Erfindung, die nur so lange ihre politische Wirkung behält, wie sie im kulturellen Gedächtnis und vor allem in der gesellschaftlichen Werteordnung lebendig bleibt.“179 Der Bildung einer Nation muss also die Konstituierung eines Nationalbewusstseins vorausgehen; die Vorstellung einer nationalen Gemeinschaft muss in den Köpfen vorhanden sein, damit reale Auswirkungen wie die Nationsbildung stattfinden können. Erst mit der Schaffung von Territorialstaaten, die von den Fürsten der Renaissance durchgesetzt werden, wird 173 Erdheim, Mario (1988): Die Repräsentanz des Fremden. In: ders. (Hg.): Psychoanalyse und Unbewusstheit in der Kultur. Frankfurt/M. S. 246. 174 Ebd. 175 Nietzsche, Friedrich (1931): Die Unschuld des Werdens. Bd.2. Leipzig. S.376. 176 Vgl. Bielefeld: S.111. 177 Vgl. Jeismann, Michael (1992): Das Vaterland der Feinde. Studien zum nationalen Selbstverständnis in Deutschland und Frankreich. Stuttgart. S.13. 178 Hall, Stuart (1994a): Die Frage der kulturellen Identität. In: Ders. Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2. Hamburg. S.201. 179 Langewiesche, Dieter (2004): Nachwort zur Neuauflage. Eric J. Hobsbawms Blick auf Nationen, Nationalismus und Nationalstaaten. In: Hobsbawm, Eric J.: Nation und Nationalismus. Frankfurt/Main. S.225. 44 die Grundlage für größere und homogenere sozial-politische Einheiten gelegt, die die Basis für die Entwicklung eines Nationalbewusstseins sein können. Die Verstaatlichung einzelner Gebiete geht mit einer ethnischen und sprachlichen Vereinheitlichung einher. Die Durchsetzung einer Schriftsprache und die Verbreitung und Zugänglichkeit zum gedruckten Wort für breite Bevölkerungsschichten ist in erster Linie Grundlage für die Ausbildung eines Nationalbewusstseins. Durch die Verschriftlichung Sprachraum gesprochener angehörenden, Umgangssprachen Menschen „der wurden sich Hunderttausende, die, ja einem Millionen Menschen in ihrem eigenen Sprachbereich gewahr - und gleichzeitig der Tatsache, dass ausschließlich jene Hunderttausende oder Millionen dazu gehörten.“180 Die Vorstellung einer Gemeinschaft von Menschen, die dieselbe Sprache sprechen und die klar abzugrenzen ist von anderen Gemeinschaften von Menschen, die diese Sprache eben nicht sprechen, ist zugleich der Beginn der national vorgestellten Gemeinschaft.181 Der Brite Stuart Hall knüpft die Entstehung von Nationalkultur in der Vorstellung eines Kollektivs an die Nutzung verschiedener diskursiver Strategien.182 Er wählt zunächst die Erzählung der Nation aus, die im Zusammenhang von Geschichten, Vorstellungen, geschichtlichen Ereignissen, nationalen Symbolen und Ritualen diskursiv konstruiert wird. Das Alltagsleben des Einzelnen wird hier an das Schicksal der Nation gebunden. In diesem Kontext erscheint nationale Identität als ursprünglich, traditionell verwurzelt und natürlich. „Traditionen, die so erscheinen als wären sie alt, oder dies behaupten, sind oft erst vor kurzem entstanden oder manchmal erfunden.“183 Die Natürlichkeit und Unveränderbarkeit des Konstrukts Nation bzw. Nationalidentität ist nach Hobsbawm eine notwendige historische Fiktion. „'Invented tradition' is taken to mean a set of practices, normally governed by overtly or tacitly accepted rules and of a ritual or symbolic nature, which seek to inculcate certain values and norms of behaviour by repetition, which automatically implies continuity with the past. In fact, where possible, they normally attempt to establish continuity with a suitable historic past. [...] However, insofar as there is such reference to a historic past, the peculiarity of 'invented' traditions is that the continuity with it is largely factitious. In short, they are responses to novel situations which take the form of reference to old situations, or which establish their own past by quasi180 Anderson, Benedict (1988): Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreiches Konzepts. Frankfurt / Main. S. 51. 181 Hall (1994a): S.201. 182 Vgl. ebd. S.202ff. 183 Hobsbawm, Eric J. (1992): The Invention of Tradition. Cambridge. S. 1. 45 obligatory repetition.184 Diese angenommene Natürlichkeit der Tradition und der Verhältnisse scheint beispielsweise bei Tönnies an vielen Stellen durch und führt zur dogmatischen Trennung in organische oder mechanische Beziehungen.185 Diese begrenzte Perspektive führt zur Dichotomie von Gemeinschaft und Gesellschaft und damit einher gehend entsteht die Ausschließlichkeit, dass Bindungen bzw. Beziehungen entweder als organisch, bei Tönnies gleichbedeutend mit real, oder als mechanisch einzustufen sind. Dadurch ist die Bildung von Gemeinschaften bei Tönnies noch von der realen Verbindung der einzelnen Mitglieder einer Gemeinschaft abhängig. 3.3 Wie ist soziale Gemeinschaft soziologisch definiert? Nach soziologischer Definition ist soziale Gemeinschaft eine soziale Entität, also eine Gruppe von Individuen, die an einem bestimmten, real begrenzten geographischen Ort und zu einer bestimmten Zeit bzw. Zeitpunkt in einem klar abgesteckten Sozialraum handeln miteinander umgehen. Die Individuen innerhalb einer bestimmten sozialen Gruppe teilen gemeinsame Interessen; ein gemeinsamer Wertehorizont konstituiert sich. Vergemeinschaftung findet immer innerhalb eines sozialen Raums innerhalb eines bestimmten, umweltabhängigen Handlungsrahmens statt. Notwendig für das Bestehen von Gemeinschaft ist die Reziprozität der Beziehungen der Individuen innerhalb einer sozialen Gemeinschaft, kommunikative Dichte, gemeinsame Lebenspraxis oder -Kultur, Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit. „Gemeinschaften sind es, die jenseits individueller Handlungsinteressen eine gemeinsame Lebenspraxis konstituieren. Sie setzen eine gewollte Zusammenkunft individueller Akteure und den Willen nach einer gemeinsamen Lebenspraxis und Führung voraus. Mehr noch: Sie lassen sich nicht anhand formaler Kriterien der Mitgliedschaft bestimmen, sondern lediglich durch das konkrete Handeln individueller Akteure in Hinblick auf ein gemeinsames Handlungsziel.“ 186 Hinreichend für die Existenz von sozialer Gemeinschaft ist die Konstitution eines Innen, die Motive für und das Ausmaß von Selbstbindung und eine formalrechtliche Verfassung. Innerhalb von Gemeinschaften werden sowohl Gemeinschafts- als auch (Teil-)Individual184 Ebd. Interessant in Bezug auf die Annahme eines natürlichen Verhältnisses ist beispielsweise dies: „Und folglich ist auch die Sphäre des gemeinschaftlichen Lebens und Arbeitens den Frauen vorzüglich angemessen, ja notwendig. Ihnen ist das Haus, und nicht der Markt, das eigene oder Freundes Gemach, und nicht die Straße, Stätte des Wirkens.“ Ferdinand Tönnies (1979): Gemeinschaft und Gesellschaft. S. 135. 186 Grundmann, Matthias (2006b): S. 9. 185 46 Identitäten konstruiert. Nachhaltig müssen Gemeinschaften insofern sein, als dass sich die Zugehörigkeit zu ihr auf die weitere Lebensführung des mitwirkenden Individuums auswirken muss. Soziale Gemeinschaften zeichnen sich, mit Ausnahme der anthropologisch bedingten Form von Gemeinschaft - ‚Familie’ - vor allem durch freiwillige Selbstbindung aus. Funktionell sind soziale Gemeinschaften unabdingbar notwendig, um verlässliche Sozialbeziehungen aufzubauen, um also ein lebenswichtiges soziales Netz zu knüpfen – nach Darwin hat jeder Mensch das Grundbedürfnis Teil einer Gemeinschaft zu sein, da der „Mensch […] ein soziales Tier“ 187 ist. Eine besondere Form der Gemeinschaft ist die der Intentionalen Gemeinschaft. In Intentionalen Gemeinschaften leben die Menschen zusammen, teilen eine gemeinsame Lebenswelt und die Individuen haben daraus folgend einen Lebensstil.188 gemeinsamen Intentionale Gemeinschaften und Gemeinschaft überhaupt konstituieren sich durch Ausbildung einer Gemeinschaftsidentität in Abgrenzung zu anderen Gruppen. Konstitutiv für die dadurch konstruierte Gruppenidentität sind somit die jeweilige Eigen- bzw. Selbstzuschreibungen und die Zuschreibungen auf die jeweilige Nicht-Gemeinschaft. Sowohl Formen der privaten Lebensführung (Partnerschaften, Wohngemeinschaften, Kommunen) als auch politische und religiöse Gruppierungen (Parteien, Religionsgemeinschaften) und Organisationen Formationen (Genossenschaften, können Subgemeinschaften Vereine) Gemeinschaften bilden. Soziale bilden sind bzw. Gemeinschaft soziale in Gruppen. ihnen werden Diese können dazu sich genutzt, Kollektivinteressen zu optimieren; vom Individuum werden soziale Gemeinschaften zur Optimierung der Individualinteressen genutzt. Die zentralen Dimensionen der sozialen Gemeinschaft sind gemeinsame ‚Werte’, ‚soziale Beziehungen’ und die Form der ‚Organisation’ innerhalb der Gemeinschaft – diese Dimensionen formen das Gemeinschaftsleben.189 Die drei Dimensionen werden ergänzt durch die Dimension der Ökonomie. Jeder dieser Dimensionen können ‚Realitäten’ oder ‚Visionen’ zugeschrieben werden.190 Die ersten drei Dimensionen lassen sich außerdem auf jeweils zwei Ebenen untersuchen. 187 Darwin, Charles (1859; deutsche Übersetzung von Victor Clarus 1872): Über die Entstehung der Arten. Bd. II: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl. Berlin. S.71 188 Vgl. Grundmann (2006a): S. 22. 189 Ebd.: S. 21. 190 Vgl. Grundmann, Matthias (2006c): Gemeinschafts-Experimente. Soziale Gemeinschaften – Experimentierfelder des Zusammenlebens. (Unveröffentlichter Foliensatz aus dem Seminar Sozialisation und Gemeinschaft, SoSe 2006, WWU Münster) 47 Gemeinschaftstyp, Dimensionen und die nun im Folgenden beschriebenen Ebenen und Realitäten bzw. Visionen bedingen einander gegenseitig. ‚Werte’ können auf der individuellen und der gemeinsamen (bzw. Gemeinsamkeit erzeugenden) Ebene gesondert analysiert werden. Auf der individuellen Ebene können Interessen und Motive festgestellt werden, auf der Gemeinsamen allgemeine, den Gesellschaftstyp kennzeichnende Werte und gesellschaftspolitische Leitvorstellungen. Auf der zweiten Ebene sind außerdem konkrete, Beziehung und Lebensführung betreffende Normen auszumachen. Werte können gesellschaftspolitische, religiöse und spirituelle Realität erlangen. ‚Soziale Beziehungen’ können auf der persönlichen und emotionalen (Freundschaft, Einverständnis, Intimität) oder auf der institutionalisierten bzw. zweckbestimmten Ebene (Arbeit / Organisation von sozialen Beziehungen innerhalb einer sozialen Gemeinschaft) beschrieben werden. Die Realität von Beziehungen umfasst private und kollektive Bindungen oder beispielsweise Konfliktlösungsstrategien. Die Dimension ‚Organisation’ kann durch Analyse von Organisationsgrad, also Grad der Institutionalisierung und juristischen Normbildung, und -Struktur bestimmt werden. Abhängig von dieser Dimension sind verschiedene Realitäten: Hierarchien, funktionale Differenzierung, also zum Beispiel das Herausbilden von Funktionsrollen, und das Entstehen von realen Körperschaften, also beispielsweise Institutionen. Die Dimension der Ökonomie bestimmt sowohl private, als auch kollektive oder genossenschaftliche Realität. Bis hierher wurden bereits folgende Gemeinschaftstypen identifiziert: Die Gemeinschaften des Blutes, des Geistes und des Ortes, Imaginierte Gemeinschaften und die verschiedenen Formen der Intentionalen Gemeinschaft. Für alle diese Gemeinschaften gilt: je größer die Zahl der Mitglieder einer Gemeinschaft, desto geringer ist die Kontaktdichte bzw. die Chance auf tatsächliche Begegnung der Mitglieder innerhalb der Gemeinschaft. Aus diesen Definitionen von sozialer Gemeinschaft ergeben sich stets folgende Bezugspunkte zur Definition des zu analysierenden Gemeinschaftstyps: Ökonomie, öffentliche Diskurse, Recht und Normen bzw. Werte. Diese werden durch die Dimensionen ‚Beziehungen’ und ‚Organisation’ ergänzt.191 Soziale Gemeinschaften können insgesamt aus vier Perspektiven beobachtet werde: aus etymologischer, handlungstheoretischer, gesellschaftstheoretischer 191 192 und gesellschaftspolitischer.192 Die etymologische Ebd. Grundmann (2006b): S.15ff. 48 Perspektive, also die Analyse der Benennung des Gemeinschaftstyps gibt Auskunft über den Nutzen der Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft für deren Mitglieder, zum Teil auch über die Motive der Mitgliedschaft oder die jeweils geteilten Interessen bzw. Intentionen. Handlungstheoretisch kann Gemeinschaft über die Analyse der Prozesse des Aushandelns des Gemeinsamen innerhalb einer Gemeinschaft und die Untersuchung von Kommunikation und der Formen des Interessenaustauschs greifbar gemacht werden. Auch die Art der Zugehörigkeit und die Handlungsalternativen, die im Rahmen der Norm einer Gemeinschaft liegen, können hier empirisch erfasst werden. In gesellschaftstheoretischer Hinsicht sind die Prozesse sozialer Schließung zu untersuchen, die Organisation des Gemeinsamen und die Tradierung Handlungsorientierungen. bzw. Institutionalisierung gemeinsamer Wert- und Aus der gesellschaftspolitischen Perspektive ist die kollektive Bindung im Vergleich zur Individualbindung zu betrachten. In dieser Sphäre kann es auch zur Ideologisierung von Gemeinschaft kommen. 193 „Forschungspraktisch folgt […] , dass man nicht von vorneherein eine bestimmte Wirkung eines bestimmten Ereignisses auf ein gegebenes Subjekt unterstellen darf, sondern dass dieses Ereignis so zu nehmen ist, wie das Subjekt es wahrgenommen und interpretiert hat, und diese erfordert eine Rekonstruktion seines spezifischen Hintergrundes.“194 Grundsätzlich sind Gemeinschaften in dieser Arbeit zu verstehen als „Akteurskonstellationen, deren Zusammenhang durch eine auf ein gemeinsames Merkmal bezogene kollektive Identität und deren soziale Ordnung durch identitätsgeleitetes Handeln hergestellt wird.“195 Kommt man zurück zur Hauptfrage, also danach, ob Gemeinschaft im Sinne Tönnies im Internet, also sowohl im Usenet (Bsp. The WELL) als auch im World Wide Web im Rahmen von Web 2.0 Anwendungen, entstehen kann, dann müssen zunächst einige Begriffe und Konzepte definiert werden. In Kapitel 4 werden aus Kapitel 2 und 3 folgend Information und Wissen, Zeit und Zeitpunkt, sowie Kommunikation und CMC definiert werden. Es wird außerdem ein jeweils schlüssiger Identitäts-, Subjekt-, Sozialisations-, Handlungs- und Raumbegriff eingeführt werden. Eine besondere Rolle werden in diesem Kontext Sprache, Wahrnehmung, Bewusstsein und Realität 193 Vgl. Grundmann (2006b): S.13. Geulen, Dieter (2000): Zur Konzeptualisierung des Verhältnisses von externen und internen Bedingungen im Prozess lebenslanger Sozialisation. In: Hoerning, Erika M. (Hg.): Biographische Sozialisation. Stuttgart. S. 197. 195 Gläser, Jochen (2004): Der unmögliche Subtyp. Unter welchen Oberbegriff passen „virtuelle Gemeinschaften? In: In: K.-S. Rehberg (Hg.): Soziale Ungleichheit - Kulturelle Unterschiede. Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Frankfurt. S. 1885. 194 49 spielen. Es wird in Kapitel 4 versucht werden, den Rückbezug zum Versuch der Definition von Virtual Communities stets aufrecht zu erhalten. 4. Kommunikation, CMC und Handlungsräume Nimmt man mit der Benennung von Virtual Community durch Rheingold an, dass unter Umständen tatsächlich eine Form von virtueller Gemeinschaft emergiert, dann muss diese Form von Gemeinschaft aus soeben präzisierten Perspektiven und in allen gerade beschriebenen Dimensionen und Ebenen untersucht werden. Dies ist durch verschiedene Studien im Usenet ansatzweise versucht worden. Die geringe Zahl der IP-Adressen und User zu Usenet-Zeiten ließ aber im Großen und Ganzen nur den Rückschluss zu, dass es sich bei den Mailinglisten und Newsgroups nach soziologischer Definition mehrheitlich nur um Gruppen und Netzwerke handelt. Durch die in Kapitel 2. beschriebene Entstehung des World Wide Web und den in Kapitel 2.1 beschriebenen Wandel von Web 1.0 zu Web 2.0 und Web 3.0 werden die technischen Möglichkeiten der Nutzung im Internet 2008 beschrieben. Damit einher gehend wurde der ökonomische und gesellschaftspolitische Kontext der Internetentwicklung genau beleuchtet. Auch die Bedeutung der Existenz des Internet für die juristische Dimension wurde zumindest ansatzweise hingewiesen. Damit wären die Dimensionen Recht, Ökonomie und technische Gegebenheiten zumindest aus gesellschaftsökonomischer und -politischer Ebene ansatzweise beschrieben. Empirisch wurde der Kreis der Nutzer, die Web 2.0 Anwendungen aktiv nutzen auf ca. 2,5% der Onliner in Deutschland eingekreist, das entspricht rund einer Million Menschen. Weltweit gibt es aus Kapitel 2.3 folgend 1,2 Milliarden Onliner. Es ist also zu überprüfen, wie viel Prozent der Weltbevölkerung Web 2.0 Anwendungen passiv nutzen. Außerdem ist zu bestimmen, wie viel Prozent der Onliner in Deutschland Web 2.0-Anwendungen konstant passiv gebrauchen. Die Gruppen der aktiven und passiven User von Web 2.0 Anwendungen und die Gruppe derjenigen, die das Netz eher eingeschränkt nutzen, werden im Verlauf von Kapitel 4.2 genau definiert und benannt werden. Erst damit wäre die quantitative Analyse der demographischen Gegebenheiten im Internet vollständig. Anschließend ist zu präzisieren, welche sozialen Folgen die Existenz einer noch relativ undefinierten Sphäre hat, in der, zumindest theoretisch, Milliarden von Menschen miteinander in Kontakt treten könnten. An dieser Stelle wird offensichtlich, dass ‚Virtual Community’ auch aus handlungstheoretischer Perspektive untersucht werden muss, damit überprüft 50 werden kann, ob soziale Interaktion im Netz stattfindet, aus der Intersubjektivität entstehen kann. Eine diskursive Näherung an das Konzept ‚Virtual Community’ wurde in Kapitel 3.1 bereits begonnen, wird aber erst in Kapitel 5 vollständig zuende geführt. Vernachlässigt wurden bislang die handlungstheoretische Perspektive, die etymologische und die gesellschaftstheoretische Perspektive, sowie die Dimensionen ‚Beziehungen’, ‚Organisation’, und ‚Ökonomie’ innerhalb von so genannten Virtual Communities. Außerdem muß im weiteren Verlauf eine Analyse der Ebenen der Dimensionen Beziehungen, Werte und Organisation erfolgen. Inwieweit gerade die letzten beiden Punkte im Rahmen dieser Arbeit geleistet werden können, soll zunächst dahin gestellt bleiben. Nach Kapitel 3 davon ausgehend, dass der virtuelle Raum vereinzelt als soziales System aufgefasst wird, muss im Folgenden untersucht werden, wie ein soziales System grundsätzlich strukturiert ist und welche Funktionen es hat. Zunächst wird damit ein grundlegendes Verständnis dafür entwickelt wie ‚soziales System’ definiert wird. „Die Elemente sozialer Systeme, also ihre nicht weiter auflösbaren Letzteinheiten, bezeichnet Luhmann als Kommunikationen.“196 Luhmann identifiziert somit zunächst Handlung als falschen Ausgangspunkt für die Bildung sozialer Systeme. Er sieht Handlung als Produkt eines Systems und nicht als Ursache. Kommunikation ist in diesem Verständnis unausweichlich eine soziale Operation und geht folgerichtig mit jedem sozialen System einher. Kommunikation ist nach Luhmann eine obligatorische, auf jede soziale Situation folgende Operation. Hieraus lässt sich folgern, dass jede Kommunikation eine Anschlusskommunikation nach sich zieht. Kommunikation hat eine emergente Realität, das heißt eine höhere Seinsstufe entsteht aus der Niederen durch Selbstdifferenzierung und neuen Selbstaufbau und bildet dementsprechend einen Sachverhalt sui generis - Kommunikation bildet also durch sich selbst eine Klasse. Kommunikationen und Kommunikationssysteme generieren die Elemente, aus denen sie bestehen, selbst; sie sind autopoietisch. Das Konzept der Autopoiesis wird angewandt, weil alles, was funktional für die Bildung und Aufrechterhaltung eines Systems ist, durch das System selbst produziert und reproduziert wird und das jeweils in einer Umwelt unter Beschränkung durch diese. Dies fasst Luhmann für Kommunikation so zusammen: „Nur Kommunikation kann Kommunikation beeinflussen; nur Kommunikation kann Einheiten der Kommunikation 196 Kneer, Georg/ Nassehi, Armin (1993): Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme. München. S. 65. 51 dekomponieren und nur Kommunikation kann Kommunikation kontrollieren und reparieren.“197 Kommunikation selbst entsteht durch die Synthese von drei verschiedenen Selektionen, „deren Selektivität und deren Selektivitätsbereich überhaupt erst durch Kommunikationen konstituiert werden.“198 Diese sind die Selektion der Mitteilung, die Selektion der Information dieser Mitteilung und selektives Verstehen oder Missverstehen dieser Mitteilung und ihrer Information. Es gibt keine kausalen Abhängigkeiten zwischen diesen Komponenten, sie sind im zirkulären Sinne wechselseitig füreinander Vorraussetzung. Kommunikation kann nicht in Einzelschritte zerlegt werden; auch wenn jeder Schritt für sich erkannt und analysiert werden kann, die Selektionen existieren ausschließlich zusammen. Alle drei Operationen sind zugleich aufeinander bezogen. Nur zusammen erzeugen sie Kommunikation, das heißt also auch, dass Kommunikation nur zustande gebracht wird, wenn die Selektionen zur Kongruenz gebracht werden.199 Selektion als Voraussetzung für die Entstehung von Kommunikation zu nehmen heißt, dass das Prinzip des Verstehens die basale Voraussetzung für das Entstehen von Kommunikation ist. Mit Verstehen ist das Verstehen der Differenz von Information und Mitteilung gemeint. Kommunikation erkennt und versteht die Differenz zwischen dem Inhalt einer Information und den Gründen, aus denen der Inhalt mitgeteilt wird. Alle drei Komponenten des Differenzierungs- bzw. Verstehensprozesses müssen jeweils als Selektion erfahren werden und eben dadurch unterschieden werden. Dieser Vorgang wiederum unterscheidet Kommunikation von Wahrnehmung.200 Wenn die Selektionen nicht vollzogen werden, entsteht keine Kommunikation: „Die Wahrnehmung bleibt zunächst ein psychisches Ereignis ohne kommunikative Existenz.“201 Daraus zieht Luhmann den Schluss, dass der Mensch nicht kommunizieren kann: „Nur die Kommunikation kann kommunizieren.“202 Dieses Zitat illustriert, was Luhmann als Prämisse zu übernehmen fordert: Der Mensch sei als Aktant durch das soziale System Kommunikation abzulösen. Nicht der Mensch, vielmehr das Bewusstsein, ist kommunizierendes Element in einem sozialen System bzw. Hersteller von Kommunikation, sondern Kommunikation ist autopoietisch. 197 Luhmann, Niklas (1995): Soziologische Aufklärung 6. Opladen. S.101 f. Ebd.: S. 118. 199 Ebd.: S. 115 f. 200 Wahrnehmung ist nicht ohne weiteres anschlussfähig. Jeder nimmt wahr; das Wahrgenommene ist jedoch im psychischen System eingeschlossen und für alle anderen psychischen Systeme intransparent. Das Wahrgenommen kann vom psychischen System eingebracht werden, aber nur wenn die Eigengesetzlichkeit des Kommunikationssystems übernommen wird. 201 Ebd. 202 Luhmann, Niklas (1990): Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt am Main. S. 31. 198 52 Kommunikation stellt sich innerhalb des eigenen Systems rekursiv immer wieder neu her. Auf der Ebene organischer, neuronaler und psychischer Prozesse ist Kommunikation ausgeschlossen. Der Mensch selbst ist kein System, sondern eine bestimmte Menge unterschiedlicher eigenständiger Systeme ohne gesamtautopoietische Einheit. Nach Luhmann wirken die Systeme zwar insofern aufeinander ein, als dass beispielsweise Bewusstsein ohne das Vorhandensein eines organischen Körpers gar nicht erst möglich ist, aber sie sind füreinander in erster Linie zu verarbeitende Umwelteinflüsse. Wichtig ist an dieser Stelle, explizit zwischen Kommunikationssystem und dem psychischen System des Menschen, dem Bewusstsein, zu differenzieren: Jedes Bewusstsein denkt für sich, es würde kommunizieren, genau das tut es aber nicht: Es denkt die Kommunikation eben nur. Das psychische System ist nur eines der Systeme des Menschen und damit von den anderen Systemen des Menschen, beispielsweise dem neuronalen System, zu trennen. Das Bewusstsein ist ein autopoietisches System. Sein kleinstes Element ist der Gedanke. Existenziell für das Bestehen eines autopoietischen Systems ist, wie oben bereits erwähnt, die selbstreferentielle Geschlossenheit des Systems. Es verarbeitet Umwelteindrücke nur zu systemeigenen Bedingungen und es produziert die eigenen kleinsten unteilbaren Elemente aus eigenen, bereits bestehenden selbst. Bezüglich des Systems Bewusstseins heißt das, dass der einzelne existente Gedanke nur der aktuell gedachte ist und zugleich auf unzählige, im Hintergrund präsente, andere verweist. Signifikantes Merkmal ist die Anschlussfähigkeit; damit ist gemeint, dass auf jeden Gedanken ein neuer Gedanke folgen muss, da sonst der autoreproduktive Prozess des Systems unterbrochen ist und dann auch das System aufhört zu existieren. Ebenfalls notwendig für das Bestehen eines autopoietischen Systems ist die bereits genannte Geschlossenheit. Gemeint ist damit, dass die im psychischen System stattfindenden Prozesse ebenfalls nur nach systemeigenen Bedingungen funktionieren. Diese Prozesse sind zudem für alle anderen psychischen Systeme nicht wahrnehmbar, also intransparent für andere psychische Systeme in einem einzelnen System eingeschlossen. Die an Kommunikation beteiligten psychischen Systeme sind somit füreinander Black Boxes.203 Das Bewusstsein nimmt im Kontext der Rekonstruktion eines sinnhaften Kommunikationsbegriffs auch insofern eine Sonderrolle ein, als dass nur das psychische System die Kommunikation reizen kann, 203 also ein „Rauschen im Programm“ ausmacht. Eine Irritation der Kneer, Georg / Nassehi, Armin: S. 72. 53 Kommunikation durch Bewusstsein kann zum Systemproblem werden, das die Anschlusskommunikation verhindern kann und so den Zusammenbruch des Kommunikationssystems auslösen kann. Problematisch ist bei Luhmann in erster Linie die dogmatische Trennung der Systeme. Die Systeme Kommunikation und Bewusstsein sind innerhalb des Systems Mensch keineswegs so autark, wie Luhmann behauptet. Sie existieren zwar separat voneinander, können sich jedoch gegenseitig maßgeblich beeinflussen. Habermas rückt Handlung wieder in den Fokus. Er differenziert Gesellschaft in System und Lebenswelt. Er schlägt zur Beschreibung der oben aufgeführten Problematik das Modell der ‚Kolonisierung der Lebenswelt’ durch systemische Imperative vor. Die Systeme Ökonomie und Politik haben sich zusammen mit der funktionalen Differenzierung von Gesellschaft entwickelt.204 „Wenn […] diese Steuerungsmedien Einfluss auf die Lebenswelt nehmen, „kolonialisieren“ sie sie […]. Dieser Umstand beschreibt […] das Problem moderner, funktional differenzierter Gesellschaften. Sie verlieren die kommunikative und damit die verständnis-orientierte Erdung.“205 Innerhalb der Lebenswelt kumuliert das kulturelle Hintergrundwissen. Vor dem Hintergrund der Lebenswelt treten Individuen miteinander kommunikativ handelnd in Aktion: „Kommunikatives Handeln spielt sich innerhalb der Lebenswelt ab, die den Kommunikationsteilnehmern im Rücken bleibt. Diesen ist sie nur in der präreflexiven Form von selbstverständlichen Hintergrundwissen präsent“206 Habermas entlehnt den Handlungsbegriff bei Weber, der in Handeln, Soziales Handeln und Verhalten unterscheidet, immer voraussetzend, dass „Handeln an sich […] ein menschliches Verhalten [sei], […] mit einem subjektiven Sinn verbunden.“207 Nach Bahrdt ist Handeln im Unterschied zu sozialem Handeln auf Objekte gerichtet.208 Weber forciert damit eine dichotome Weltaufteilung, „indem er subjektive Faktoren und ihren Bezugspunkt in der materielle und in der sozialen Welt unterscheidet. Sinn ist in diesem Zusammenhang eine sozial vermittelte Kategorie209, die sich auf die Bildung allgemeingültiger Typen stützt und konsensbasiert ist. Damit ihre Handlungen konsensbasiert sein können, orientieren sich Menschen in ihrer 204 Vgl. Nikolow, Esther Dschamilja (2008): Entscheidungsfindung zwischen Subjektivität und Determinismus. Westfälisch Wilhelms Universität Münster. (unveröffentlichte Magisterarbeit. Prüfer: Prof. Dr. Matthias Grundmann). S. 33. 205 Ebd. 206 Habermas, Jürgen (1995): Theorie des kommunikativen Handelns. Bd.1. Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung. Suhrkamp: Frankfurt a.M. S. 449. 207 Weber, Max (2005): Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Frankfurt am Main. S. 3. 208 Bahrdt, Hans Paul (1994): Schlüsselbegriffe der Soziologie. München. S. 31. 209 Weber, Max (2005): S. 4. 54 Konzeption an Argumenten, d.h. sie handeln rational.“210 Soziales Handeln definiert Weber wie folgt: „Soziales Handeln, (einschließlich des Unterlassens oder Duldens) kann orientiert werden am vergangenen, gegenwärtigen oder für künftig erwartbare Verhalten anderer. […] Die ’anderen’ können Einzelne und Bekannte, oder unbestimmt viele und ganz Unbekannte sein.“211 Verhalten ist in diesem Sinne zu verstehen als nicht-intentional, spontan, reflektiert und unbewusst. „Wie jedes Handeln kann auch das soziale Handeln bestimmt sein I. zweckrational: durch Erwartungen des Verhalten von Gegenständen der Außenwelt und von anderen Menschen und unter Benutzung dieser Erwartungen als „Bedingungen“ oder als ‚Mittel’ für rational, als Erfolg erstrebte und abgewogene eigene Zwecke, - 2. wertrational: durch bewußten Glauben an den – ethischen, ästhetischen, religiösen, und wie immer sonst zu deutenden – unbedingten Eigenwert eines bestimmten Sichverhaltens rein oder als solchen und unabhängig vom Erfolg, - 3. affektuell, insbesondere emotional: durch aktuelle Affekte und Gefühlslagen, - 4. traditional: durch eingelebte Gewohnheit.“212 Das zweckrationale Handeln bei Weber betrachtet Habermas als Grundlage aller anderen Handlungstypen213 und entwickelt in Anlehnung an den Handlungsbegriff Webers die Theorie des ‚Kommunikativen Handelns’. ‚Kommunikative Handlungen’ entstehen dann „…wenn die Handlungspläne der beteiligten Aktoren nicht über egozentrische Erfolgskalküle, sondern über Akte der Verständigung koordiniert werden. Im kommunikativen Handeln sind die Beteiligten nicht primär am eigenen Erfolg orientiert; sie verfolgen ihre individuellen Ziele unter der Bedingung, dass sie ihre Handlungspläne auf der Grundlage gemeinsamer Situationsdefinitionen aufeinander abstimmen können. Insofern ist das Aushandeln von Situationsdefinitionen ein wesentlicher Bestandteil der für kommunikatives Handeln erforderlichen Interpretationsleistungen.“214 Insofern ist ‚Kommunikatives Handeln’ auch intersubjektives Handeln, also weder strategisch, nicht erfolgsorientiert, aber auf das gemeinsame Ziel, in diesem Fall Verständigung, ausgerichtet. „Kommunikatives Handeln stützt sich auf einen kooperativen Deutungsprozess, in dem sich die Teilnehmer auf etwas in der objektiven, der sozialen und der subjektiven Welt zugleich beziehen, auch wenn sie in ihren Äußerungen thematisch nur eine der drei Komponenten hervorheben. […] 210 Nikolow: S. 25. Weber, Max (1972): Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen. S. 11. 212 Weber, Max (2005): S. 17. 213 Vgl. Habermas : S. 22. 214 Ebd.: S. 385. 211 55 Verständigung bedeutet die Einigung der Kommunikationsteilnehmer über die Gültigkeit einer Äußerung; Einverständnis die intersubjektive Anerkennung des Geltungsanspruchs, den der Sprecher erhebt.“215 Das gemeinsame Ziel ist die Verständigung, Ziel des Verständigungsprozesses jedoch Einverständnis. „Einverständnis beruht auf gemeinsamen Überzeugungen.“216 Diese sind zusammen mit dem kulturellen Hintergrundwissen in die Lebenswelt eingebettet. Damit steht bei Habermas, anders als bei Luhmann, Handlung im Zentrum der Entstehung sozialer Systeme, denn „das Eingreifen in die materielle Welt der Gegenstände unterliegt Kausalitätsbeziehungen, die sich empirisch erklären lassen. Die tätige Auseinandersetzung mit der sozialen Welt unterliegt […] Regeln, diese sind aber wandelbar und damit kontingent.“217 Esther Nikolow fasst zusammen, „ […] dass die vom Menschen selbst geschaffenen Strukturen begrenzend auf ihn zurückfallen. Bisher genannt[…] waren Normierung von Handlungen und Sprache. Handlungen in dem Sinne, dass in spezifischen Situationen bestimmte Reaktionen des Gegenübers vorausgesagt werden können. Für Sprache gelten Normen insbesondere für die Regelung des symbolischen Zeichengebrauchs.“218 Besagte Strukturen bilden den Handlungsrahmen, in dem Individuen sozial interagieren. In diesem Verständnis ist jeder Sozialraum auch, wenn nicht in allererster Linie ein kommunikativer Raum, in dem innerhalb diskursiver Prozesse Bedeutung hergestellt wird. Entsteht in diesem Kontext ein komplexes semantisches System, eine Sprache, das von allen in jenem Raum lebenden Teilnehmern gesprochen wird, ist für alle die natürliche und ‚kultürliche’ Umweltumgebung gleich und konstituiert sich ein Wertebzw Normenkanon, so kann auch vom Entstehen eines Kommunikativen Kulturraums gesprochen werden. Das Entstehen von Netiquette und Chatiquette weist auf die Emergenz eines, unter Umständen gemeinschaftsbildenden, auf die Virtualität begrenzten Norm- bzw. Wertekanon hin. Inwiefern dadurch hier auch ein Handlungsrahmen abgesteckt wird, kann an dieser Stelle noch nicht schlüssig beantwortet werden. Wenn nun das Internet als sozialer Raum und dementsprechend als Handlungsraum219 verstanden wird, in dem Individuen miteinander agieren, so stellt sich hier die Frage, ob die Interaktion der in der 215 Ebd.: S. 184. Ebd.: S. 387. 217 Nikolow: S. 24. 218 Ebd.: S.30. 219 “action frame of reference” – es werden vier Subsysteme des allgemeinen Handlungssystems der Gesellschaft unterschieden: Organische Systeme, Persönlichkeitssysteme, Soziale Systeme und Kulturelle Systeme. Vgl. Parsons, Talcott / Shils, Edward (Hg.) (1959): Toward a General Theory of Action. Cambridge. S.110ff. 216 56 sozialen Realität gleich gesetzt werden kann und ob auch im Internet Intersubjektivität entsteht. An dieser Stelle stellt sich die Frage danach, wie Verständigung bzw. Verständnis zwischen Individuen, die im Internet agieren, entstehen kann. Rheingold schreibt dazu lapidar: „CMC is a way to meet people, whether or not you feel the need to affiliate with them on a community level. It's a way of both making contact with and maintaining a distance from others.”220 Auffällig ist, dass Rheingold mit CMC offensichtlich auch die Möglichkeit der Konversation mehrerer Individuen meint. Es ist also schwierig Communication, Kommunikation, Konversation und Kommunikatives Handeln zu trennen und sinnvoll zueinander in Bezug zu setzen. Deshalb sei zunächst CMC definiert: „…die Mensch-Computer-Kommunikation stellt einen speziellen Fall […] [der Kommunikation] dar. Bei CMC handelt es sich […] um die Verkopplung von wenigstens zwei Mensch-Computer-Kommunikationen mit Hilfe einer Computer-Computer-Kommunikation, also einer Sequenz der Form »Mensch (ego) – [Computer (i) – Computer (ii)] – Mensch (alter)».“221 Andreas Metzner stuft CMC als eine Form der mittelbaren Kommunikation ein. „Mittelbare Kommunikation liegt dann vor, wenn keine raum-zeitliche Co-Präsenz vorliegt und trotzdem kommuniziert wird, entweder mittels eines Boten oder/und mittels eines Mediums (= medienvermittelte, medialisierte bzw. mediatisierte Kommunikation). Im einfachsten Fall geschieht das mittels eines Symbolons, das dem Boten mitgegeben wird, mittels eines geschriebenen Textes […], der von Personen befördert wird, unter Nutzung von Transportmitteln, unter Nutzung von Übertragungsmedien, und schließlich: durch […] CMC.“222 Nach Metzner ist CMC ‚Kommunikatives Handeln’, also Handeln, hier wohl eher tippen, das auf andere bezogen und an andere gerichtet ist. Es ist außerdem ist zwischen der zeitgleichen synchronen (Telefonieren, Chat, VoIP, IM) und der asynchronen, zeitversetzten Kommunikation (Email, Posts in Foren) zu unterscheiden. Durch CMC sind verschiedene Kommunikationsmuster realisierbar (1 : 1 (eins zu eins); 1 : n (einer an viele), m :1 (viele an einen) und m : n (viele an viele)). 223 Metzner betont, dass vor allem in der aktuellen Web 2.0 Umgebung im Netz CMC „die Grenzen herkömmlicher medialer Kommunikation in gemeinsamen Umgebungen zu überschreiten [ermöglicht], indem die den Zugang zu 220 Rheingold (2000b): Chapter 1. Metzner-Szigeth, Andreas (2006): Cyber-Identitäten und Virtuelle Gemeinschaften – SozialPsychologische Überlegungen, in: Metzner-Szigeth, Andreas / Ursua, Nicanor (Hrsg.): Netzbasierte Kommunikation, Identität und Gemeinschaft, Berlin. S. 51. 222 Metzner: ebd. 223 Vgl. ebd. f. 221 57 computergenerierten virtuellen Handlungs(um)welten ermöglicht. Dabei wird nicht mehr nur kommuniziert, sondern auch virtuelle interagiert, z.B. in den Spielewelten der MUDs (Multi User Dungeons).“224 Demnach entsteht Intersubjektivität zwischen den im Internet handelnden Individuen sowohl durch Kommunikatives als auch durch Soziales Handeln im Netz. Rheingold scheint jedenfalls mit CMC beides zu meinen, also sowohl zeitgleiche Konversationen als auch zeitversetzt verschickte oder gepostete und erhaltene Textnachrichten. Er sagt, dass an ‚Dritten Orten’ im Netz mittels CMC Verständnis hergestellt wird. Damit erschließt sich hier, warum Rheingold den virtuellen Raum als Handlungsraum beschreibt, wenn er Parallelen zu Dritten Orten zieht. Charles Soukup geht sogar soweit CMC als virtuellen Dritten Ort zu beschreiben.225 An dieser Stelle wäre wiederum ein Modell aus der Wirtschaft Zweck zu entfremden. Der Voice Long Tail226 von Christopher Wood ist originär konstruiert worden, um eine visuelles Modell zu haben, mit dem so genannten „Konversationsmärkte“ im Internet abgebildet werden können. VoIP wird als Branchenzweig mit Zukunft gesehen. Um das Konversationspotential im Internet zu dokumentieren werden in der Graphik The Voice Long Tail Online Communities, also Social Networks wie Facebook, mit einbezogen, um zu demonstrieren, welches Gesprächspotenzial im Internet besteht. Die Kopplung von Internettelefonie und Communitynutzern als Kunden der VoIPMärkte weist auf ein viel interessanteres Phänomen hin. Es wird nicht länger mittel eines Kommunikationsmediums Verständigung zwischen nur zwei Personen hergestellt: Individuen nutzen Telefon, Mobiltelefon (mit SMS, MMS, Email), Instant Messenger, Email, Foren und Plattformen, sowie Personal Messages in Foren und auf Plattformen, um über Kreuz zu interagieren. Dieser Umstand wird hier als Cross Communication (CC)227 benannt. Um daran teilzunehmen ist es unabänderbar notwendig, mehrmals am Tag bestimmte Portale aufzusuchen bzw. mit dem Instant 224 Ebd.: S. 53. Vgl. Soukup, Charles (2006): Computer-mediated communication as a virtual third place: building Oldenburg’s great good places on the world wide web. London. 226 The Voice Long Tail - Siehe Beispielbild IV.C.35, S. 120. 227 Vgl. mit Marc Prensky’s Konzept der Digital Natives und Digital Immigrants (siehe auch Kapitel 4.2, S. 76f) „Digital Natives are used to receiving information really fast. They like to parallel process and multi-task. They prefer their graphics before their text rather than the opposite. They prefer random access (like hypertext).” Prensky, Marc (2001): Digital Natives, Digital Immigrants. In: On the horizon. (Download am 15.3.2008 unter: http://www.marcprensky.com/writing/Prensky%20%20Digital%20Natives,%20Digital%20Immigrants%20-%20Part1.pdf) S. 3. 225 58 Messenger online zu sein und auch ein Mobiltelefon zu haben.228 Welche Auswirkungen das hat, wird in Kapitel 5 beschrieben werden. 4.1 Subjektkonstruktion, Sozialisation und Identität Generell die Annahme voraussetzend, dass moderne, differenzierte Gesellschaften nur mit selbstständigen Persönlichkeiten funktionieren können, entwickelt Hurrelmann das Modell des produktiv Realität erzeugenden Subjekts, das sich vor allem gegen die von Durkheim entwickelte Vorstellung, das Subjekt adaptiere vorgegebene gesellschaftliche und sozialen Strukturen lediglich, richtet.229 Persönlichkeit umfasst ein spezifisches Gefüge aus Merkmalen, Eigenschaften, Einstellungen und Handlungskompetenzen. Die Kombination der Elemente stellt den individuellen Teil von Persönlichkeit, weitere Anteile ergeben sich aus dem Sozialcharakter einer Gesellschaft.230 Persönlichkeit ist einerseits abhängig von den genetischen Anlagen des Menschen und andererseits von der Gesamtsumme der auf ihn einwirkenden Umwelteinflüsse. Persönlichkeitsentwicklung ist dementsprechend ein ständig stattfindender Austauschprozess zwischen dem Subjekt, dessen gesellschaftlich vermittelter Umwelt und seinen Anlagen. Die Betonung liegt beim diesem Ansatz auf der produktiven Komponente innerhalb des so genannten Sozialisationsprozesses. Ziel des Sozialisationsprozesses ist die Genese der Persönlichkeit, des Selbstbilds und der Identität, kurz, die Subjektwerdung, die Vermittlung bzw. Erlangung von Handlungskompetenz und daraus folgend die Integration in die jeweils existente Gesellschaft. Sozialisation ist dann erfolgreich, wenn ein „hohes Maß an Symmetrie von objektiver und subjektiver Wirklichkeit (und natürlich Identität)“231 erlangt wird. „Sozialisation bezeichnet den Prozess der Entstehung von Persönlichkeit in produktiver Auseinandersetzung mit den natürlichen Anlagen, insbesondere den körperlichen und psychischen Grundmerkmalen (der ‚inneren Realität’) und mit der sozialen und physikalischen Umwelt (der ‚äußeren Realität’).“232 Persönlichkeit ist in diesem Kontext ebenfalls zu definieren. Roth beschreibt Persönlichkeit konzeptionell so: „Menschen zeigen in dem was sie tun ein zeitlich überdauerndes Muster. Dies 228 Ebd. S. 2: Digital Natives „are used to the instantaneity of hypertext, download music, phones in their pockets, a library on their dektop, beamed messages and instant messanging. They´ve been networked most or all of their lives. They have little patience for lectures, step-by-step-logic, and “telltest” instruction.” Siehe auch IV.D.1, CC-Beispiel, S. 125. 229 Vgl. Hurrelmann, Klaus (2002): Einführung die die Sozialisationstheorie. Weinheim/Basel. S.20. 230 Tillmann (2000): Sozialisationstheorien. Reinbek. S.12. 231 Berger, Peter L. / Luckmann, Thomas (2001): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt a.M.. S.175. 232 Hurrelmann, Klaus (2002): Einführung in die Sozialisationstheorie. Weinheim/Basel. S. 7. 59 nennen wir ihre Persönlichkeit. Sie ist eine Kombination von Merkmalen des Temperaments, des Gefühlslebens, des Intellekts und der Art zu handeln, zu kommunizieren und sich zu bewegen. Personen unterscheiden sich gewöhnlich untereinander in der Art dieser Kombination. Zur Persönlichkeit gehören insbesondere die Gewohnheiten, d.h. die Art und Weise, wie sich eine Person normalerweise verhält.“233 Hurrelmann stellt bei seinem Theorieansatz die Erlangung von Handlungskompetenz in den Mittelpunkt und bedient sich dabei des symbolischen Interaktionismus nach Mead (siehe unten). Vorraussetzung für die Bildung von Handlungskompetenz ist ein „Zustand individueller Verfügbarkeit und der angemessenen Anwendung von Fertigkeiten und Fähigkeiten zur Auseinandersetzung mit der äußeren Realität, also den sozialen und dinglich-materiellen Lebensbedingungen.“234 Auf der Grundlage der Basiskompetenzen werden diese speziellen „Fertigkeiten und Fähigkeiten, die Vorraussetzung für ein soziales Handeln sind, nur über einen symbolisch vermittelten Prozess der Interaktion von Menschen miteinander verstanden […], der sich über wechselseitige Interpretation von sozialen Situationen vollzieht.“235 Während der frühen Phasen der Sozialisation sollen also grundsätzliche Verhaltens-, Kommunikations- und Interaktionsstrategien eingeübt werden. Die Vermittlung von Fertigkeiten und Fähigkeiten ist an ein System von Symbolen gebunden, dieses System kann z.B. Sprache sein (siehe auch Identitätskonstruktion nach Hall, S. 63.). „Der Heranwachsende gewinnt mit der Einübung in die Grundmodi des Sprachgebrauchs die Fähigkeit, die Subjektivität der eigenen Erlebnisse von der Objektivität der vergegenständlichten Wirklichkeit, der Normativität der Gesellschaft und der Intersubjektivität der sprachlichen Kommunikation selbst abzugrenzen.“236 Es wird in diesem Zuge also auch ein Bewusstsein für die soziale Realität entwickelt. Hurrelmann macht als primäre Sozialisationsinstanzen soziale Netzwerke wie Familie und Freundeskreis aus, als sekundäre gesellschaftlich etablierte Sozialisationsinstanzen wie Kindergarten, Schule und Bildungseinrichtungen; die tertiären Sozialisationsinstanzen sieht er in formellen wie informellen sozialen Organisationen, also in Freizeitorganisationen, in Medien und in Peergroups.237 Während der primären Sozialisation findet die Internalisierung, die Erfassung der 233 Roth, Gerhard (2007): Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern. Stuttgart. S. 15 234 Hurrelmann, Klaus (1986): Einführung in die Sozialisationstheorie. S. 160. 235 Hurrelmann (1986): ebd. 236 Habermas (1995): S. 445. 237 Vgl. Hurrelmann, Klaus: (2002): S. 32 ff. 60 objektiven Welt statt, in die das Individuum hineingeboren wird. Einen großen Stellenwert während der primären Sozialisation hat der Erwerb von Sprache. Sprache ist zugleich Inhalt und Instrument der Sozialisation. Während des Spracherwerbs eignet sich das Individuum Bedeutungswelten an, vor deren Hintergrund die eigene Identität positioniert wird. Sprache ist basal notwendig, um Bedeutung und Sinn zu konstruieren. „Sinn entsteht aus Lücken. Der Mensch ist ein Sinn suchendes Tier, immer darauf aus, Bedeutung zu bilden.“238 Die gesamte anthropologische Evolution des Menschen ist begleitet von der Entwicklung von Sprachen. Sprache hat stets einen Doppelcharakter: Zum einen kann sie ein Kriterium der Zugehörigkeit sein. Wenn ein Mensch eine bestimmte Sprache spricht, so wird er zur jeweiligen Sprach- bzw. der daraus hergeleiteten Kulturgemeinschaft gerechnet. Zum anderen ist Sprache gleichzeitig jedoch auch das Repräsentationssystem, innerhalb dessen Bedeutungen konstruiert werden. „Representation is the process in which members of a culture use language (broadly defined as any system which deploys signs, any signifying system) to produce meaning. [...] Things do not have in themselves any fixed, final or true meaning. It is in us – in society, within human cultures – who make things mean who signify.” 239 Eine Vereinheitlichung von Sprache und die Einführung einer dazugehörigen Schriftsprache ist demnach nicht nur ein Kriterium, auf dessen Grundlage das Bewusstsein von der Existenz einer Sprachgemeinschaft erwächst, sondern zugleich das Instrument, mit dem in einem diskursiven Prozess Inhalte und Bedeutungen konstruiert bzw. miteinander verknüpft werden. „Die Sprache […] [ist] ein innerer Bereich, den Sprechende gemeinsam schufen und aufrechterhielten.“240 Aus Symbolen und Repräsentationen werden zusammen mit kulturellen Institutionen auch nationale Kulturen gebildet.241 „Eine nationale Kultur ist ein Diskurs – eine Weise, Bedeutungen zu konstruieren, die sowohl unsere Handlungen als auch unsere Auffassungen von uns selbst beeinflusst und organisiert.“242 Esther Nikolow präzisiert dies so: Es ist „wichtig, […] Metarepräsentationen […] sprachlich [so] zu verobjektivieren und zu entäußern, dass sie von seinem Gegenüber verstanden 238 Wilfried Korfmacher (Professor am Fachbereich Design der Fachhochschule Düsseldorf) über Kommunikationsdesign. In: „Design muss manchmal enttäuschend sein“ (am 3.10.2004 auf WELT ONLINE; Download am 9.3.2008 unter: http://www.welt.de/printwams/article116092/Design_muss_manchmal_enttaeuschend_sein.html) 239 Hall, Stuart (1997): Representation – Cultural Representation and Signifying Practises. London. S.61. 240 Said, Edward (1978): Orientalism. New York. S.136. 241 Vgl. Hall, Stuart (1994a): Die Frage der kulturellen Identität. In: Ders. Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2. Hamburg. S.201. 242 Ebd. 61 werden. Diese Handlung bedarf eines hohen Strukturierungsrades, um ihr Ziel erreichen zu können.“243 Im Prozess der Grenzziehung nach innen und außen findet gleichzeitig die Etablierung des bezeichnenden Repräsentationssystem, innerhalb Repräsentationssystems dessen die Definition statt. der Das Andersheit vorgenommen wird, ist ein binärer Identifikationsraum, der zugleich eine Wertung enthält. „Nur dadurch, dass man den Unterschied zwischen Innen und Außen, Oben und Unten, Männlich und Weiblich, Dafür und Dagegen scharf pointiert, kann ein Anschein von Ordnung geschaffen werden. […] Der Versuch, die […] Ereignisse […] unter einem noch völlig unerprobten Blickwinkel wahrzunehmen und zu beurteilen, konnte nur erfolgreich sein, wenn der Wahrnehmung gleichsam gewisse Markierungen geboten, Grenzziehungen vorgenommen wurden, die nicht nur das Eigene vom Fremden, Feindlichen trennten, sondern Wert und Bedeutung dieses Eigenen durch einen hohen Grad an Gefährdung betonten.“244 Um die moderne Dichotomie von Identität und Differenz zu unterbrechen, führt Derrida den sich durch einen Buchstaben vom Wort ‚différence’ unterscheidenden Begriff ‚différance’ ein. Dieser bedeutet sowohl Unterschied als auch Aufschiebung.245 Der Begriff soll verdeutlichen, dass „die Bedeutung eines Zeichens immer nur durch den aufschiebenden Umweg über andere Zeichen zu erfassen ist, und nie durch einen direkten Bezug zum Zeichen selbst.“246 Diese Produktion und Erfassung von Bedeutung, die im Reflexionsraum zwischen dem Eigenen und dem Anderen konstruiert wird, geschieht ausschließlich über verschiedene Repräsentationssysteme. „Nicht das Andere definiert das Eine, indem es sich selbst als das Andere definiert: es wird von dem Einen, das sich als das Eine versteht, als das Andere gesetzt.“247 Dem Individuum ist der signifikante Andere entgegengesetzt, dessen Rollen und Einstellungen er übernimmt. „Die Alterität ist eine grundlegende Kategorie des menschlichen Denkens. Keine Gemeinschaft definiert sich jemals als die Eine, ohne 243 Esther: S. 28. Douglas, Mary (1985): Reinheit und Gefährdung. Eine Studie zur Vorstellung von Verunreinigung und Tabu. Berlin. S. 15f. 245 Vgl. Hall, Stuart (1994b): Alte und neue Identitäten, alte und neue Ethnizitäten. In: Ders.: Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2. Hamburg. S.75. 246 Supik, Linda (2005): Dezentrierte Positionierung. Bielefeld. S. 46. 247 Beauvoir, Simone de (1994): Beauvoir, Simone de (1994): Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. Reinbek. S. 14. 244 62 sich sofort die Andere entgegenzusetzen.“248 Der Andere hat insofern einen Doppelcharakter, als dass er zum einen Teil der Umwelt bzw. äußeren Realität ist und zum anderen als Vermittler zwischen Umwelt und Individuum fungiert; der Andere filtert die äußere Realität dabei vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen, so dass die durch ihn vermittelte Umwelt zugleich immer von seinen Einschätzungen und Vorstellungen gefärbt ist. „Durch seine Identifikation mit signifikanten Anderen wird [das Individuum] fähig, sich als sich selbst und mit sich selbst zu identifizieren, seine eigene subjektive kohärente und plausible Identität zu gewinnen.“249 Der Identitätserwerb durch die Identifikation des signifikanten Anderen ist Voraussetzung für das Vermögen zur Identifikation des generalisierten Anderen. Durch die Identifikation mit der Allgemeinheit gewinnt die Selbstidentifikation an Festigkeit und Dauer. Hat sich die Vorstellung des generalisierten Anderen im Bewusstsein des Individuums angesiedelt, so ist es subjektiv im Besitz eines Selbst und einer Welt und somit gesellschaftlich handlungsfähig. Während der sekundären Sozialisation werden rollenspezifisches Wissen und Subwelten sowie deren spezifisches Vokabular internalisiert. Institutionalisierte Rollen und stark differenzierte Rollenbilder haben sich im gesellschaftsevolutionären Prozess der Differentialisierung ergeben.250 Sozialisationstheorien haben also neben der Subjektwerdung und der Persönlichkeitsentwicklung außerdem die Ausbildung von Identität und die Erarbeitung eines schlüssigen und wirksamen Selbstbilds als Bestandteile des Sozialisationsprozesses im Fokus. „Mit Identität ist dabei die Kontinuität des Selbsterlebens auf der Basis des Selbstbilds gemeint.“251 Mead unterscheidet bei der Konstruktion eines theoretischen Identitätsbegriffs zwischen dem personalen Identitätsanteil, dem „I“, und dem sozialen Anteil, dem „Me“.252 Während Selbstwahrnehmung, das „I“, das Selbstbild, Selbstbewertung und aus den Selbstreflexion Ergebnissen der von individuellen Handlungskompetenzen und der eigenen Verhaltensweisen hervorgeht, beinhaltet das „Me“ die Aneignung der sozialen Anforderungen der Umwelt an das Individuum. Die Differenz zwischen „I“ und „Me“ eröffnet einen Reflexionsspielraum, innerhalb dessen durch permanente Neuaushandlung des Verhältnisses zwischen diesen beiden Polen Identität aktiv durch das Individuum konstruiert wird. Um Identität in diesen Kontext einordnen zu können, ist hier der Identitätsbegriff von Stuart Hall kurz 248 Ebd.: S. 13. Berger / Luckmann (2001): S.142. 250 Vgl. ebd.: S.139ff. 251 Hurrelmann, (1986): S. 167. 252 Vgl. Mead, George Herbert (1988): Geist, Identität und Gesellschaft. Frankfurt am Main. S. 207 ff. 249 63 vorgestellt. Das Konzept, das Hall von Identität hat, setzt sich folgendermaßen zusammen: Identität ist immer an einem bestimmten Knotenpunkt eines Diskurses gebildet, sie ist immer eine temporäre Positionierung. “I use `identity` to refer to the meeting point, the point of suture, between on the one hand the discourses and practises which attempt to `interpellate`, speak to us or hail us into place as the social subjects of particular discourses, and on the other hand, the processes which produce subjectivities, which produce us as subjects which can be `spoken`. Identities are thus points of temporary attachment to the subject positions which discursive practises construct for us.”253 Identität und Differenz konstituieren sich innerhalb eines Repräsentationssystems gegenseitig und sind für die Existenz des anderen jeweils unbedingt notwendig. Differenz ist dabei nicht als oppositionelles Gegenstück zur Identität zu verstehen, sondern als Essentialismus. In der kontemporären Gesellschaft haben Massenmedien auf allen Ebenen und in allen Phasen der Sozialisation zunehmend an Bedeutung gewonnen. „Die gesamte soziale und materielle Umwelt wird […] stark mediatisiert. Massenmedien sind zu einem durchgehenden Bestandteil der sozialen Lebensbedingungen geworden und treten gleichzeitig in allen Lebensphasen und Lebenssituationen als Vermittler der äußeren Realität auf.“254 Medien sind dabei zugleich Teil der äußeren Realität des Menschen. Lothar Mikos stuft dem folgend auch Medien als Sozialisationsinstanz ein.255 Neben dem Subjekt werden auch Tätigkeiten und Interaktionen, Institutionen und die Gesamtgesellschaft von Medien und Medieninhalten durchdrungen und beeinflusst. Medien wirken somit als vertikaler Faktor auf den gesamten Sozialisationsprozess ein, da „Medien […] sowohl direkt und teilweise gar offensiv als auch indirekt und mittelbar auf das Individuum einwirken, sein Verhalten positiv bzw. negativ sanktionieren, konditionieren, bewerten, unterstützen oder auch ablehnen.“256 In klassischen Ansätzen ist bislang konsequent postuliert worden, dass Medien während der Nutzung kein Feedback an das Individuum geben, dass also keine wechselseitige Interaktion zwischen Medium und Individuum stattfindet und 253 Hall (1996): Who needs identity? In: Hall, Stuart/ du Gay, Paul (Hrsg.) (1996): Questions of cultural Identity. London. S. 5. 254 Hurrelmann, Klaus (2002): S. 255. 255 Vgl. Mikos, Lothar (2004): Medien als Sozialisationsinstanz und die Rolle der Handlungskompetenz. In: Hoffmann, Dagmar / Merkens, Hans (2004): Jugendsoziologische Sozialisationstheorien. Weinheim/München. S.158f. 256 Hoffmann, Dagmar (2006): Bedarf es einer Mediensozialisationstheorie? CD-Rom-Beilage. In: K.S. Rehberg (Hg.): Soziale Ungleichheit - Kulturelle Unterschiede. Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München 2004. Frankfurt. S.3325. 64 dementsprechend das Moment der Spiegelung im Interaktionsprozess Subjekt – Medium wegfällt. Daraus folgend wurde vorschnell der Schluss gezogen, dass weder Rollenidentifikation, noch Verhaltensadaption oder Werteinternalisierung im Kontext der Mediennutzung stattfinden kann. Dies führte dazu, dass Medien zur bloßen Freizeitbeschäftigung degradiert werden und die tatsächliche Sozialisationsmacht der Medien ausgeklammert wird.257 „Medien [können allerdings] sowohl direkt und teilweise gar offensiv als auch indirekt und mittelbar auf das Individuum einwirken, sein Verhalten positiv bzw. negativ sanktionieren, konditionieren, bewerten, unterstützen oder auch ablehnen.“258 Dies bedeutet im Rückschluss, dass Rollenübernahmen und damit die Aneignung von Umwelt und dazugehörigen Werten und Normen auch während der Mediennutzung geschehen. „Die Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Anderen findet nicht mehr nur in direkter Kommunikation innerhalb sozialer Kontexte statt, sondern auch über die symbolischen Welten der Medienprodukte in der Medienrezeption und -aneignung. In der Rezeption einzelner Medienprodukte kommt es zur Wahrnehmung des Selbst am Anderen.“259 Die Identifikation des Individuums mit und die Abgrenzung von medialen Akteuren ist somit auch Grundlage der Identitätsbildung. Das Individuum setzt sich innerhalb des Interaktionsprozesses Medium – Subjekt „sinnverstehend mit dem Medienangebot auseinander, mit der Möglichkeit, einen identitätsstiftenden Gewinn aus dieser Beschäftigung mit sich am gesellschaftlich Anderen zu ziehen.“260 Die Medien und damit auch das World Wide Web werden zu einer „kulturellen Ressource […], die der Einzelne bei der Bewältigung der Aufgabe, über die Form seiner Lebensführung und damit seine soziale Identität zu entscheiden“261 nutzt. Denn „Identitätsarbeit anhand medialer Texte ist in einer sich immer weiter ausdifferenzierenden Gesellschaft eine Notwendigkeit, weil nur noch die Medien zwischen den verschiedenen Lebensbereichen vermitteln können.“262 Betont wird in aktuellen Ansätzen also vor allem die interaktionistische Perspektive: Das Individuum tritt mit seiner Umwelt in 257 Hoffmann, Dagmar (2007): Bedarf es einer Mediensozialisationstheorie? S.3325f. In: Hoffmann, Dagmar / Mikos, Lothar: Mediensozialisationstheorien. Neue Modelle und Ansätze in der Diskussion. Wiesbaden. S.3324 – 3334. 258 Hoffmann (2007): S.3325. 259 Mikos (2004): S.162. 260 Charlton, Michael / Neumann, Klaus (1986): Medienkonsum und Lebensbewältigung in der Familie. München /Weinheim. S.52. 261 Weiss, Ralph (2002): Schluss: Entgrenzte Schaustellung – öffentlich verfügbares Selbst?. In: Weiß, Ralph / Groebel, Jo (Hrsg.): Privatheit im öffentlichen Raum. Medienhandeln zwischen Individualisierung und Entgrenzung. Opladen. S.163. 262 Vgl. Mikos (2004): S.163. 65 Interaktion. Es besteht dabei eine Wechselseitigkeit von intentionaler und nichtintentionaler Einflussnahme der das Individuum umgebenden Umwelt und innerer Aneignungsprozesse. Um Medien als Ressource für Bildung von Identität nutzen zu können und um die über mediale Inhalte vermittelten Werte und Normen erlernen zu können, muss der Umgang mit Medien erlernt werden. Es sind spezielle Fertigkeiten und Fähigkeiten notwendig, um medial handlungsfähig zu werden. Mediale Handlungsfähigkeit wird mit dem Begriff Medienkompetenz umschrieben. Das Konzept Medienkompetenz seinerseits ist nur denkbar, wenn man das produktiv Realität erzeugende Subjekt voraussetzt. Bettina Hurrelmann erweitert das Modell des gesellschaftlich handlungsfähigen, produktiv Realität erzeugenden Subjekts und bezieht die Mediatisierung der Gesellschaft mit ein: „Die Mediatisierung aller Wirklichkeitsbezüge schließlich impliziert die Notwendigkeit, im Handeln über intersubjektive Kommunikation hinaus zu denken, die Ambivalenz auszuhalten, dass eigene wie fremde Wirklichkeitskonzepte und Normvorstellungen durch die Medien präformiert, aber auch erweitert werden, dass in der Mediengesellschaft öffentliches Handeln nicht im ‚herrschaftsfreien Diskurs’ und besseren Argument gesichert ist, sondern einer mediengerechten Inszenierung bedarf. Gesellschaftlich handlungsfähig ist das Subjekt unter diesen Bedingungen vermutlich aufgrund eines flexiblen, toleranten und dialogischen Umgangs mit Alterität in sich selbst und anderen in der unmittelbaren sozialen Interaktion und aufgrund eines kritischkonstruktiven, aber auch distanzierten bis spielerisch-ironischen Umgangs mit den anonymen Anforderungen von Institutionen und Systemen.“263 Soziale und mediale Realitäten sind wirklich. „Die Wirklichkeit der Alltagswelt erscheint […] objektiviert, das heißt konstituiert durch eine Anordnung der Objekte, die schon zu Objekten deklariert worden waren, längst bevor ich auf der Bühne der Welt erschien. Die Sprache, die im alltäglichen Leben gebraucht wird, versorgt unaufhörlich mit den notwendigen Objektivationen und setzt mir die Ordnung, in welcher diese Objektivationen Sinn haben und in der die Alltagswelt mir sinnhaft erscheint.“264 Wirklichkeit ist demnach eine gesellschaftliche Konstruktion. Der unmögliche Anachronismus ‚Ich gehe ins Internet’ ergibt nur Sinn, wenn Virtualität der sozialen Realität als gleichwertiger diskursiver Konstruktionsraum gegenüber 263 Hurrelmann, Bettina (2002): Zur historischen und kulturellen Relativität des „gesellschaftlich handlungsfähigen Subjekts“ als normativer Rahmenidee für Medienkompetenz. In: Groeben, Norbert / Hurrelmann, Bettina: Medienkompetenz. Vorraussetzungen, Dimensionen, Funktionen. Weinheim / München. S.122 264 Berger/Luckmann (2001): S. 24. 66 gestellt wird. Soziale Realität und Virtualität reizen und beeinflussen sich gegenseitig – das Internet hat messbare und nachvollziehbare Auswirkung auf Wirtschaft, Recht und Medienindustrie. Die Wahrnehmung eines virtuellen Raums ist also geknüpft an seine diskursive Konstruktion. Bei Foucault sind „Diskurse mit Ermächtigungs- und Ausschlusskriterien verkoppelt […]. Dazu zählen etwa akademische Grade oder Rezensionsweisen. Diese Kriterien unterscheiden mögliche legitime Sprecher von nicht-legitimen Sprechern; sie konstituieren damit Subjekt-Positionen. Sowohl die Aussagen wie auch die Menge möglicher Sprecher sind unterschiedlichen Verknappungsprozessen unterworfen: Ritualen der Qualifikation, Kommentierungen, die den Stellenwert von Aussagen im Diskurs bewerten, Wahr-Falsch-Urteilen, die bewahrenswerte „Ergebnisse“ selektieren u. a.“265 Berger und Luckmann präzisieren hier ferner: „Wer zum Typus der Wissenden oder Nichtwissenden gehört, das wird, wie das Wissen selbst, das von den einen an die anderen weitergegeben werden soll, zur Angelegenheit gesellschaftlicher Definition. […] Das Problem logischer Kohärenz entsteht [also] zuerst auf der Ebene der Legitimierung, dort wo Konflikte zwischen verschiedenen Legitimationen […] und ihren Sachverwaltern auftreten.“266 Foucault verweist auf die „Unterscheidung von marginalen und dominanten Diskursen […]. Diskurse dominieren dann, wenn sie legitimiert sind, über die Legitimität von Wirklichkeitsperspektiven. […] Erst das Wissen über und die allgemeine Akzeptanz von Verhaltenskodizes macht [Werte und Normen] sozial verbindlich267 und [wird damit] relevant für individuelles Handeln.“268 Und weiter: „Es geht um die Teilhabe an diesen [Wirklichkeits-] Setzungsprozessen […] Wissen beinhaltet aus dieser Perspektive in erster Linie eine Anleitung zum „wie“, nicht aber zum „warum“ von Handlungen. Der Spielraum, in dem jeder einzelne handelt, entspricht nicht den Grenzen der Lebenswelt, sondern einer bestimmten Teilmenge dieser.“269 Wie es zur Entwicklung eines virtuellen Bewusstseins kommt, also zur Entstehung der Wahrnehmung des Internet als Raum, lässt sich am Besten durch eine Betrachtung der Entstehung des Medialitätsbewusstseins nachvollziehen. Groeben entwickelt unter Rückgriff auf den Subjektbegriff von Bettina Hurrelmann ein 265 Keller, Rainer (2008): Wissenssoziologische Diskursanalyse. Grundlegung eines Forschungsprogramms. Wiesbaden. S. 136f. 266 Berger/Luckmann (2001): 75f. 267 Vgl. Greve, Werner (1994): Handlungserklärung. Die psychologische Erklärung menschlicher Handlungen. Bern. S. 40. 268 Nikolow: S. 34f. 269 Ebd. 67 siebendimensionales Modell der Medienkompetenz.270 Eine der sieben Dimensionen umfasst sowohl Medialitätsbewusstsein als auch Medienwissen. Mit Medialitätsbewusstsein ist gemeint, dass das Individuum schon während der primären Sozialisation lernt, zwischen Medialität und Realität und zwischen fiktionalen und dokumentarischen Formen zu unterscheiden. Medienwissen strukturiert Groeben in die horizontalen Faktoren 1) Wissen über wirtschaftliche, rechtliche und politische Rahmenbedingungen einzelner Medien, 2) Wissen über spezifische Arbeits- und Operationsweisen von spezifischen Medien und Mediengattungen, 3) Wissen zur inhaltlichen Bewertung der Intention von Inhalten und 4) das Wissen um Medienwirkungen.271 Entsprechend dieser Definition von Medienbewusstsein und -Wissen, wären die gleichen Fähigkeiten im Erlernen des Umgangs mit dem Internet dringend notwendig. Es wäre zu überlegen, ob zukünftig bei der Entwicklung von Virtualitätsbewusstsein in einem Atemzug auch von virtuellen Kernkompetenzen272 gesprochen werden kann, die beispielsweise schon in der Schule vermittelt werden müssen. Eingeschlossen wären in diesen Prozess der Entwicklung eines Virtualitätsbewusstseins auch die Unterscheidung zwischen sozialer und virtueller Realität und die Unterscheidung der Formen Fiktion und Dokumentation, sowie die Aneignung eines Basisinternetwissens. Die Erschließung der Fertigkeiten und Fähigkeiten wiederum ist nur möglich über so etwas wie virtuelle Sozialisation, während der ein Virtualitätsbewusstsein und auch Virtuelle Identitäten ausgebildet werden. Oft werden Virtuelle Identitäten im Vergleich zur realen oder wirklichen Identität als defizitär bezeichnet oder als Möglichkeit endlich das wahre ‚Ich’, die ‚echte Identität’ ans Tageslicht zu kehren. Andreas Metzner-Szigeth schlägt eine andere Perspektive vor, die auch dieser Arbeit zugrunde liegen soll. Es ist „nicht zwischen fiktiv-virtuellen und real-lebensweltlichen Identitäten zu unterscheiden, denn auch außerhalb von ‚virtueller Realität’ und Internet-Kommunikation, im ‚richtigen Leben’ also, kann man fiktive Identitäten annehmen, Rollen spielen, nur eben nicht so leicht […]. Das Repertoire für Fiktionen ist schon im RL273 vorhanden, der menschlichen Lebenswelt, und die VR274 schöpft hier aus den vollen ohne absolut Neuartiges hervor zu 270 Vgl. Groeben, Norbert (2002): Dimensionen der Medienkompetenz: Deskriptive und normative Aspekte. In: Groeben, Norbert / Hurrelmann, Bettina (2002): Medienkompetenz. Vorraussetzungen, Dimensionen, Funktionen. Weinheim / München. S.160ff. 271 Vgl. ebd.: S.167f. 272 In Anlehnung an Medienkompetenz. 273 Real Life 274 Virtual Reality 68 bringen.“275 Unterscheidet man in eine moderne und in eine postmoderne Identität, dann ist Identität im modernen Sinne „das Bewusstsein einer Person, sich von anderen Menschen zu unterscheiden (Individualität) sowie über die Zeit (Kontinuität) und verschiedene Situationen (Konsistenz) hinweg im Kern dieselbe, durch bestimmte Merkmale ausgezeichnete Person zu bleiben […]“276 Postmoderne Identitätskonzepte stellen Veränderung bzw. Vielfalt in den Mittelpunkt. „Identität wird heute als komplexe Struktur aufgefasst, die aus einer Vielzahl einzelner Elemente besteht (Multiplizität), von denen in konkreten Situationen jeweils Teilmengen aktiviert sind oder aktiviert werden (Flexibilität). Eine Person hat also aus dieser Perspektive nicht nur eine wahre Identität, sondern verfügt über eine Vielzahl von gruppen-, raum-, rollen-, tätigkeits- oder körperbezogene Teil-Identitäten. Diese TeilIdentitäten bilden zusammen kein stabiles oder homogenes Ganzes, sondern eher ein – in lebenslanger Entwicklung befindliches – Patchwork […] oder […] Pastiche […].“277 Identität soll im Kontext dieser Arbeit postmodern verstanden werden. Die Gründe hierfür liegen darin, dass es „sowohl im philosophischen als auch lebenspraktischen Sinn, […] keine Möglichkeit gibt, letztbegründet zu entscheiden, was denn nun (an einer „virtuellen“ Online-Identität) „wirkliche“ Identität ist und was nicht.“278 Jede Identität ist für sich genommen ohnehin eine Konstruktion. „Ohne den Moment des Imaginativen ist menschliche Identität […] gar nicht möglich.“279 Es wird klar, dass Online-Identitäten große Anteile am (virtuellen) Selbstbild des Users haben. Im Rückschluss stellt bei demjenigen, der virtuelles Bewusstsein und eine oder mehrere virtuelle Identitäten ausbildet, der virtuelle Identitätsanteil auch einen Teil der individuell wahrgenommen personalen und sozialen „realen“ Identität. Michael Wesch, Anthropologe an der Kansas State University vergleicht Cyberidentitäten mit denen, die in Stammeskulturen konstruiert werden. „In tribal cultures, your identity is completely wrapped up in the question of how people know you. When you look at Facebook, you can see the same pattern at work: people projecting their identities by demonstrating their relationships to each other. You define yourself in terms of who your friends are.”280 275 Metzner: S. 66. Döring, Nicola (2003): Sozialpsychologie des Internet. Die Bedeutung des Internet für Kommunikationsprozesse, Identitäten, soziale Beziehungen und Gruppen. Göttingen S.325f. 277 Ebd. 278 Metzner: S. 65. 279 Ebd.: S. 49. 280 In: Wright: ebd. 276 69 Um im virtuellen Raum als sozialem Raum agieren zu können ist es also unabdingbar nötig, virtuelle Teil-Identitäten zu konstruieren, denn sonst ist soziales bzw. kommunikatives Handeln in dem Umfang, in dem es nötig wäre um Virtual Communities zu bilden, nicht denkbar. Die Vorteile virtueller Identität liegen in der Unsichtbarkeit von sozialer Position, Geschlecht, Habitus281 und körperlicher Gegebenheiten. „Because we cannot see one another in cyberspace, gender, age, national origin, and physical appearance are not apparent unless a person wants to make such characteristics public.”282 Aber auch hier stellt sich wiederum die Frage, nach welchen Kriterien und wie sich die Subjekte im Sozialraum Internet positionieren bzw. positioniert werden und ob auch hier habituelle Besonderheiten entwickelt werden, die vielleicht sogar zu Prozessen sozialer Schließung führen können. Auch diese Frage ist hier nicht zu lösen. Festzuhalten bleibt allerdings die wichtige Rolle der Sozialisation im Prozess der Gemeinschaftsbildung bzw. Vergemeinschaftung: „Aus sozialisationstheoretischer Perspektive lässt sich [sagen] […], dass Gemeinschaften eine besondere, sozial integrative Bedeutung zukommt.“283 Medialitätsbewusstsein muss im Vorlauf oder parallel zu Virtualitätsbewusstsein entwickelt werden, da erstens im Netz Medienprodukte konsumiert und durch das Individuum eingeordnet werden müssen und zweitens für das Vermögen zur Vorstellung abstrakter bzw. abstrahierter, imaginierter sozialer Handlungssphären vermutlich vorauszusetzen ist. Zu überlegen ist hier außerdem, ob die Handlungstheorie um den Ansatz des Virtuellen Handeln zu erweitern ist, was im Rahmen dieser Arbeit nicht vorgenommen werden kann. Es ist nicht zu leugnen, dass im Netz zwar im Sinne Habermas’ kommunikativ gehandelt wird, wie aber der von Metzner-Szigeth ergänzte Ansatz des „virtuellen“ Handlungsrahmens einzuordnen ist, kann hier nicht beantwortet werden. Denkbar wären Erweiterungen im Sinne des ‚Virtual Acting’, ‚Virtual Social Networking’ oder ‚Virtual Socializing’.284 Das Erlernen von ‚Virtual Social Networking’ und ‚Virtual Socializing’ ist ebenfalls nur prozesshaft im Rahmen einer sozusagen virtuellen Sozialisation denkbar. Die Differenzierung von Medialitätsbewusstsein und Virtualitätsbewusstsein macht ein 281 „Jeder Habitus ist aufgrund seiner Erzeugungsbedingungen individuell.“ Bauer, Ullrich (2002): Selbst- und/oder Fremdsozialisation. Zur Theoriedebatte in der Sozialisationsforschung. Eine Entgegnung auf Jürgen Zinnecker. In: Zeitschrift der Soziologie für Erziehung und Sozialisation (ZSE) 4/02. S. 75. 282 Rheingold (2000b): Chapter 1. 283 Grundmann (2006b): S. 17. 284 Siehe dazu auch Kapitel 4.2. 70 weiteres Problem offensichtlich. Das Internet läuft zwar per se unter der Definition Medium, de facto werden aber mehr Eigenschaften als nur die eines Mediums gebündelt bzw. Medialität kann in vielerlei Form über das Internet konstruiert werden. Um dieses definitorisch scheinbar unüberschaubare Dilemma aufzulösen, soll in Kapitel 4.2 ein konstruktivistischer Kunstgriff über den mediologischen Ansatz erfolgen, so dass Virtual Communities in der virtuellen Wirklichkeit verorten werden können. 4.2 Realität und Virtualität aus mediologischer Sicht Die bis hierher erklärten Begriffe, das Abkürzungsverzeichnis und das Begriffslexikon im Anhang zeigen zusammen mit der Präzisierung der Internetnutzerzahlen in Kapitel 2, dass die von Rheingold implizit vorgeschlagene Definition der Virtual Reality als Sozial- oder vielleicht sogar Kulturraum heute nicht mehr abwegig ist. Für die Kommunikationselite (siehe S. 29) gewinnt Internet als virtuelle Sphäre zwangsläufig eine ähnliche Relevanz wie die soziale Realität in der Lebenswelt. Dass sich damit einhergehend auch ein virtueller Sprachraum oder sogar Kulturraum gebildet hat, kann hier zwar nur hypothetisch vermutet werden, die Masse der Beispiele in Kapitel 5 und der Umfang des Anhangs lässt dies jedoch stark vermuten. Rheingold konstatiert: „In virtual communities, the sense of place requires an individual act of imagination.”285 Das Individuum selbst, und nur das Individuum, kann virtuelle Realität konstruieren. Konstruieren mehrere Individuen virtuelle Realität und tauschen sich darüber aus, so wird im Laufe der Zeit Konsens darüber entstehen, welche Grenzen und auch Werthorizonte für virtuelle Realität(en) abzustecken sind. Hier bleibt immer noch, Virtual Communities aus gesellschaftstheoretischer und etymologischer Perspektive zu untersuchen. Gesellschaftstheoretisch kann dies vermutlich am besten über die Mediologie geschehen. „Wenn der Mediologe auf jemanden trifft, der mit dem Finger auf den Mond zeigt, dann betrachtet er nicht den Mond, sondern den Finger und die Geste des Zeigens.”286 Wissenschaftliche Objekte 285 Rheingold (2000b): Chapter 2. Hier zitiert nach Weber, Thomas (1999): Nachwort - Zur mediologischen Konzeption von Jenseits der Bilder 286 In: Régis Debray: Jenseits der Bilder. Eine Geschichte der Bildbetrachtung im Abendland. Rodenbach. S. 403 - 411. (Download am 28.2.2008 unter: http://www.avinus-magazin.eu/html/jenseits_der_bilder.html) Im Original : Merzeau, Louise (1998): Ceci ne touera pas cela. In : Cahiers de médiologie, Nr. 6. S. 27. „Celui de l’idiot à qui l’on montre la lune, et qui regarde le doigt ; celui de l’étranger, qui ouvre de grands yeux sur ce que nous ne voyons même plus ; celui du funambule, qui ne voit pas le vide mais la corde où il avance en équilibre.“ (Download am 11.3.2008 unter: http://www.mediologie.org/) 286 Debray (1991): Cours de médiologie general. Paris. 286 71 sind in der Mediologie demnach sowohl Subjekte als auch Zeichen bzw. vor allem die Konstruktion der Zeichen, also Sprache, Bilder und Medien aller Art: „Die Kommunikation hält sich aufgrund ihrer Matrixverbindung mit den Massenmedien in erster Linie an das Universum der sprachlichen und verwandten Zeichen (die ‚musikalische Sprache’, die ‚filmische Sprache’), während die Übermittlung jenseits und unterhalb des Verbalen noch ganz andere Sinnträger einschließt: Gesten und Orte genauso wie Wörter und Bilder, Zeremonien ebenso wie Texte, Körperliches und Architektonisches ebenso wie ‚Intellektuelles’ und ‚Moralisches’“.287 1979 veröffentlichte Régis Debray die Studie ‚Le pouvoir intellectuel en France’. Dort wurde der Begriff Mediologie erstmals verwendet, jedoch nicht programmatisch. Das ändert sich in der 1991 veröffentlichten Publikation ‚Cours de médiologie général’288 289 - Thomas Weber konkretisiert dabei die Etymologie der Bezeichnung Mediologie so: „…der Begriff Mediologie [bezieht] sich keineswegs nur auf Massenmedien […]. Das Wort „Medio“ steht nicht für „Medium“, sondern bezeichnet ein Ensemble von technisch und sozial bestimmten Mitteln der symbolischen Übermittlung.“290 Nach Debray existiert das Medium nicht. „Man kann es ersetzen durch Institutionen (Schule), technische Apparate (ein Radiogerät, eine Kinoleinwand, eine Kathodenröhre), Material (Papier, Leinwand, Magnetband, Ziegelstein), soziale Codes (Grammatik, Syntax) und allgemeine Kommunikationsformen (mündliche, schriftliche, gedruckte, audiovisuelle, informatische).“291 Aktuell wäre dieses Zitat um den Apparat Computer zu erweitern, Material müsste um die (technisch möglichen) Anwendungen und Webservices ergänzt werden, also um alle Programme oder Programmsysteme, die Inhalt darstellen oder bündeln können und die erst mit Beginn der Phase Web 2.0 überhaupt möglich geworden sind. „Soziale Codes“ schließt Netiquette und Chatiquette ebenso ein wie Internetneologismen, aber auch sich eventuell entwickelnde Habitus. Virtuelle Realität fällt unter das, was Debray als Medio bezeichnet. Es bleibt zu überlegen, ob für die natürliche, ‚kultürliche’ und 287 Debray, Régis (2000): Introduction à la médiologie. Paris. S. 9. „La communication „s’en tient prioritairement, du fait de son lien matriciel avec les mass-médias, à l’univers des signes linguistiques ou apparentés (le langage musical, le langage filmique), alors que la transmission inclut, au-delà et en deçà du verbal, bien d’autres supports du sens: des gestes es des lieux autant que de mot et des images, de cérémonies autant que des textes, du corporel et de l’architectural autant que ‘l’intellectuel’ et du ‘moral’.“ 288 Beide Paris. 289 1992 erscheint, ebenfalls in Paris ‚Vie et mort de l’image. Une histoire du regard en Occident’, zugleich die Doktorarbeit von Régis Debray. 290 Weber, Thomas. 291 Debray (1991): S. 18. 72 technische Umwelt nicht vereinfachend der Begriff Mediosphäre292 anstatt Umwelt oder Welt genutzt wird – man würde damit der Vielfalt der Sphären, Ebenen oder Systeme einen Sammelbegriff gegenüberstellen, der einen Wirklichkeitsraum umschreibt, in den alle derzeit relevanten technischen, gesellschaftlichen und sozialen Gegebenheiten fallen und in dem auch die verschiedenen Realitäten problemlos ko-existieren könnten. Mit der Veröffentlichung ‚Transmettre’ von 1997 führt Debray den Begriff des ‚Tansmettre’ (der Übermittlung) im Unterschied zu Kommunikation ein. Er unterscheidet dort unter anderem auch in ‚matière organisée, kurz M.O., und ‚organisation materielle’, kurz O.M. „Unter M.O. ist z.B. ein Kunstwerk zu verstehen, während O.M. eher eine Institution oder eine Form der gesellschaftlichen Organisation bezeichnet.“293 Nach Debray ist ‚Transmettre’ eine „Übermittlung […] eine durch einen individuellen und kollektiven Körper – in der Doppelbedeutung von ‚dies ist mein Leib’ und ‚die Körperschaften’ – optimierte Kommunikation. Es gibt durchaus Kommunikationen, die unmittelbar und direkt sind, von ‚Herz zu Herz’ gehen, aber eine Übermittlung ist niemals unmittelbar oder unpersönlich. […] Ferner gibt es zwar Kommunikationsakte, doch Übermittlung ist immer ein Prozess in Form einer Prozession294.“295 Dabei fungieren „ […] Bilder […] [und Symbole] neben anderen Trägermedien und Symbolhandlungen als zentrale Transmitter. Dass Übermittlung über Körper/schaften erfolgt, trifft in besonderer Weise auf die Bildübermittlung zu, denn Bilder werden von Körpern generiert, aufgeführt und rezipiert und über Körper/schaften übertragen.“296 Thomas Weber präzisiert dies insofern, als dass er sagt, dass „…die kulturelle Übermittlung ist [immer] […] an materielle Bedingungen [geknüpft], und zwar in doppelter Weise: zum einen durch die konkrete Organisation des Materials, also z.B. von Farbe und Leinwand zu einem Gemälde, zum anderen durch die materielle Organisation, das heißt die 292 In Anlehnung an das noch folgende Sphärenmodell von Debray. Vgl.: Weber, Thomas. Siehe als Beispiel auch: Debray, Régis (1997): Transmettre. Paris. „L’historien tient qu’il n’y a pas d’Empire (O.M.) sans routes (M.O.), et le géographe qu’il n’y a pas de routes sans Empire.“ S. 31. 294 Im Griechischen paradosis, was mit ‚Tradition’ übersetzt wird. 295 Debray, Régis (2000): S. 4. „Une transmission est une communication optimisées par un corps, individuel ou collectif – au double sens de «ceci est mon corps» et de «les grand corps». S’il est des communications immédiates, directes, joyeusement, transitive, une transmission est ni immédiate ni impersonnelle. Ce peut être une relation interpersonnelle, techniquement appareillée, mais ou l’interface technique n’est pas condition suffisante. Ensuite, s’il y a des actes de communication, la transmission est toujours un processus, en forme de procession (en grece paradosis, traduit par tradition).“ 296 Mersmann, Birgit (2007): Mediologie als Methode. Eröffnungsvortrag zur gleichnamigen Tagung am 18.5.2007 in Berlin. (Download am 11.3.2008 unter: http://www.mediologie.avinus.de/2007/12/04/eroffnungsvortrag-birgit-mersmann/#_ftn1) 293 73 gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.“297 Er ergänzt diese Erklärung durch die Unterscheidung und den Vergleich von Kommunikation und Übermittlung: „Während Kommunikation prinzipiell ein räumlicher Transport ist, der ein Netz knüpft (wie z.B. das WWW), bei dem es immer einen Sender und einen Empfänger gibt, die zwar an unterschiedlichen Orten, nicht aber in verschiedenen Zeitaltern sein können, ist die Übermittlung ein Transport in der Zeit, der zeitlich voneinander entfernte Subjekte miteinander verbinden […] kann. Sie erfordert nicht die physische Präsenz eines Senders und kann sich über Jahrhunderte hinweg vollziehen.“298 Er vergleicht außerdem im folgenden Kommunikation als aktuelle Information, die weitergegeben wird, mit Übermittlung jahrhundertealter als Weitergabe Kenntnisse und eher faktischer, eines unter Umständen gesamtgesellschaftliches Wissenskontingents. Beide werden über Medien allerlei Art weitergegeben.299 Der Vergleich der hier zwischen Wissen und Information gezogen wird, sei in seiner Tragweite später noch einmal aufgegriffen. In Bezug auf die Untersuchung des Begriffs Virtual Community wäre somit neben den aus der soziologischen Gemeinschaftsforschung adaptierten Perspektiven, Realitäten, Dimensionen und Ebenen, die Untersuchung der „Mediosphäre“ ebenfalls vorzunehmen, da nur so ein vollständiges Bild der Umgebung und somit die Entstehungsvoraussetzungen Virtueller Gemeinschaften konkret erfasst werden können. Nach Debray sind sowohl O.M.s als auch M.O.s Kulturträger und somit in diesem Rahmen untersuchenswert. Die Parallelelen zur Ebene der Dimension ‚Organisation’ in der soziologischen Gemeinschaftsforschung sind deutlich – als Fazit wäre darauf hinzuweisen, dass somit außerdem die technische Struktur von beispielsweise Plattformen wie Facebook, Myspace untersuchen ist. und Studivz aus organisationssoziologischer Sicht zu Es ist zu fragen, ob die Online Communities das Vermögen entwickeln, zum Kulturträger zu werden. Das kann hier ebenfalls analytisch nicht geleistet werden. Die Notwendigkeit der Ausführlichkeit von Kapitel 2 erschließt sich hier jedoch noch einmal explizit.300 Die Mediologie eignet sich zur Annäherung an das Konzept Virtual Community insofern, als dass sie „keine Medientheorie [ist] (wie etwa die von Baudrillard oder Virilio), sondern eher eine Wissenschaftsdisziplin in Gründung, die sich nicht nur durch einen Gegenstand, sondern durch die von ihr angewandte Analysemethode 297 Weber, Thomas: ebd. Ebd. 299 Ebd. 300 Auch die, auf den ersten Blick unwissenschaftlich wirkenden, als Beispiele angeführten Videos aus dem Internet gewinnen in dieser Perspektive als Kulturträger erst ihre vollständige Bedeutung. 298 74 definiert.“301 Die Kultur- und Bildwissenschaftlerin Birgit Mersman, Redakteurin des Online Magazins ‚Transmitter’, unterstreicht die Vorteile der Analysemethode: „Mediologie als Methode ist enorm vielseitig in ihrer Anwendbarkeit, wendig im Umgang und produktiv im Hinblick auf ihren Output. Sie verfügt über ein unschätzbares inter- wie transdisziplinäres Potential, das es überhaupt erst auszuschöpfen gilt. […] Den kulturellen Übermittlungsprozessen von Bildern, insbesondere den interkulturellen, wird nur selten Rechnung getragen. Dies ist umso erstaunlicher, als dass Bilder nicht einfach nur übertragen werden, sondern auf ihren globalen Wanderwegen immer auch etwas von sich selbst, ihrem kulturellen Erbe, ihrer Tradition, ihrer Kodifizierung mit übertragen.“302 Debray bemängelt, dass oft die Mittel und Techniken, mit denen Bedeutungen konstruiert und übertragen werden, analytisch vernachlässigt werden. So werde das Verständnis der Wirkung von Symbolen beeinträchtigt. „Übermittlung entfaltet sich als ein historisches Kontinuum, durch das sich Kultur als Tradition ausbildet und definiert. Weil Bilder maßgeblich an diesem Prozess beteiligt sind, stellen sie materialisierte Repräsentationen des kollektiven Gedächtnisses dar. Aufgeladen mit Kultur, transformieren sie selbst zu Kulturtransmittern. Als solche sind sie automatisch in interkulturelle Übertragungsund Austauschprozesse eingebunden.“303 Dies ist für die Ausgangsfrage dieser Magisterarbeit insofern interessant, als dass das Internet in doppelter Weise gesellschaftlich wirksam wird: Zum einen wird es Teil der Mediosphäre, also der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, zum anderen ist mit der Erfindung des graphischen Browsers das Internet zu einem globalen Distributionsinstrument von „Bildern“ (gemeint sind mediale Texte aller Art) geworden. Dass heißt auch, dass alle diejenigen, die in der Lage sind eine virtuelle Realität wahrzunehmen, außerdem in der Lage sind, sozusagen globalisierte Codices und Werte wahrzunehmen und außerdem die Normen, die ausschließlich in der virtuellen Wirklichkeit entstehen. Welche Folgen die Entstehung eines virtuellen Kulturraums mit einer unbestimmten Menge sich darin aufhaltender Individuen langfristig haben kann, dass kann ebenfalls in dieser Arbeit nicht erfasst werden. Besonders sind bei der Mediologie als Analysemethode die Berücksichtigung der Korrelation der technologischen, soziologischen, religiösen, politischen oder künstlerischen Einflussfaktoren und eine starke Berücksichtigung der 301 Ebd. Mersmann, Birgit (2007): Mediologie als Methode. Eröffnungsvortrag zur gleichnamigen Tagung am 18.5.2007 in Berlin. (Download am 11.3.2008 unter: http://www.mediologie.avinus.de/2007/12/04/eroffnungsvortrag-birgit-mersmann/#_ftn1) 303 Ebd. 302 75 Technikgeschichte.304 Debray unterscheidet deshalb in zwei Achsen, die zu untersuchen sind: die vertikale Achse umfasst die technischen, symbolischen und politischen Umstände und Gegebenheiten des zu analysierenden Sachverhalts. Die horizontale Achse entwickelt er bereits in ‚Cours de médiologie général’. Debray bindet hier die Entwicklung von Zeichen, Sprache, Kunst und Musik an die anthropologische Entwicklung und differenziert in drei verschiedene Zeitalter: die Logosphäre, die Graphosphäre und die Videosphäre. Die Sphären sind jeweils besonders durch die in ihnen genutzten Medien charakterisiert: Logosphäre ist durch mündliche Tradierung und handschriftliche Aufzeichnungen geprägt, die Graphosphäre beginnt mit der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg und den Beginn der Videosphäre datiert Debray auf die Einführung des Farbfernsehens 1968.305 306 Die Einteilung in drei Sphären wird vor allem im ‚Cahiers de médiologie’ Nr. 6 (1998) kritisiert: Daniel Bougnoux veröffentlicht mit ‚Si, j’étais médioloque’ einen offenen Brief an Debray, dass er entgegen Debrays Meinung sehr wohl findet, dass Massenmedien ein Hauptsujet der Mediologie seien.307 Yves Jeanneret stellt die Bezeichnung Mediologie generell in Frage und schlägt anstatt dessen „Mediographie“ vor308 und Louise Merzeau identifiziert eine vierte Sphäre, die Hypersphäre309, um die Digitale Revolution stärker zu betonen.310 Dieser letzte Ansatz sei maßgeblich für das historische Verständnis bzw. die Einordnung von Virtualität und damit auch Virtual Communities in den gesamtgesellschaftlichen Kontext. An dieser Stelle wird vorgeschlagen, die Dritte Sphäre von Debray, die Videosphäre, komplett zu ignorieren oder diese als Vorlauf der „Hypersphäre“ zu relativieren. Louise Merzeau ist im theoretischen Diskurs nicht allein mit ihrer 304 Vgl. Weber, Thomas. Als Vorbilder Debrays werden an der Stelle der Prähistoriker Leroi – Gourhan, McLuhan und als besonderer Einfluss die Rezeption des Essay ‚Das Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit’ von Walter Benjamin genannt. 305 Ebd. 306 Ebd. „Diese Einteilung stützt sich nicht allein nur auf einen Medienwechsel, sondern wird erst möglich durch das Zusammenspiel von symbolischen Formen, Medien und kollektiver Organisation, die sich verändern. Erst dann hat aus mediologischer Sicht ein epochaler Paradigmenwechsel stattgefunden, der auch die Machtverhältnisse und ihre Legitimierung, die Mechanismen des Glaubenmachens miteinbegreift. […] So hat etwa die Einführung des Buchdrucks keineswegs nur eine höhere Auflage von Büchern und insbesondere der Heiligen Schrift ermöglicht, sondern auch eine Veränderung der Denkweise angestoßen.“ 307 Bougnoux, Daniel (1998): Si, j’étais médioloque. In : ‚Cahiers de médiologie’ Nr. 6. S. 63. 308 Jeanneret, Yves (1998) : La médiographie à la croisée des chemins. In : ‚Cahiers de médiologie’ Nr. 6. S. 93ff. 309 Merzeau: S. 37ff. 310 An dieser Stelle sei auf das Video ‚The Machine is Us/ing Us’ des Anthropologen Dr. Michael Wesch verwiesen (Projekt-HP: http://mediatedcultures.net/). In dem Video wird die Entwicklung und Bedeutung von Text zu Hypertext und des WWW bzw. von Web 2.0 Anwendungen in weniger als fünf Minuten auf den Punkt gebracht. (zu finden in IV.G Daten-DVD, Anhang → Medienbeispiele → Medienbeispiele → 1 – WESCH - The Machine is Us/ing US. Download am 7.3.2008 unter: http://de.youtube.com/watch?v=NLlGopyXT_g). 76 Einschätzung der Bedeutung der Einführung von Hypertext und damit einhergehend des WWW bzw. des Internet, wie man es heute kennt. Abb. 10: Vom Gespräch zu CMC.311 Marc Presnky312 konstatiert bereits 2001 radikale Veränderungen des Lernverhaltens amerikanischer Studierender. „Our students have changed radically. Today´s students are no longer the people our educational system was designed to teach.”313 Er verortet die Ursache dieser Veränderungen in den aktuellen Veränderungen und Erneuerungen der technischen Umwelt und der permanenten Interaktion der Studierenden damit. Die Studenten, die er beschreibt, „have spent their entire lives surrounded by and using computers, videogames, digital music players, video cams, cell phones, and all the other toys and tools of the digital age.314 Today´s average college grads have spent less than 5 000 hours of their lives reading, but over 10 000 hours playing video games (not mention 20 000 hours watching TV), computer games, email, the Internet, cell phones and instant messaging are integral parts of their lives.”315 Hier stellt sich also erneut die Frage, wie die Gruppe derjenigen zu bezeichnen ist, die das Internet als Raum wahrnehmen und die anderen User im Netz als Aktanten. Prensky schlägt die Unterscheidung in „Digital Natives“ und 311 Graphik von Gary Fogelson. In: Wright, Alex (2.12.2007): Friending, Ancient or Otherwise. New York Times Online (Download am 17.3.2008 unter: http://www.nytimes.com/2007/12/02/weekinreview/02wright.html?_r=1&oref=slogin) 312 Amerikanischer Autor und Programmierer mit Wirtschaft- und Technikabschlüssen von Harvard und Yale. 313 Prensky (2001): S. 1. Interessant ist vor allem die Wortwahl Presnkys´: ‚the people’ könnte hier auch mit ‚das Volk’ übersetzt werden. 314 Die Vorstellung eines neuen Zeitalters findet sich also nicht nur bei Merzeau (Hypersphäre), sondern auch bei Prensky (Digital Age), oder bei Barlow, John Perry et al. (August 1995): What are we Doing On-Line? Harpers Magazine. „With the development of the Internet, and with the increasing pervasiveness of communication between networked computers, we are in the middle of the most tranforming technological event since the capture of fire. I used to think it was the biggest thing since Gutenberg but now I think you have to go back farther.” S. 36. 315 Presky (2001a): S. 1; Prensky, Marc (2001b): Digital Natives Digital Immigrants Part II: Do they really think they are different? In: On the horizon. NCB University Press Vol.9 / No.6. New York. S. 1: „Our children today are being socialized in a way that is vastly different from their parents. […] over 10 000 hours playing videogames, over 200 000 emails and instant messages sent and received, over 10 000 hours of talking on digital cell phones; over 200 000 hours watching TV (a high percentage fast speed MTV), over 500 000 commercials seen – all before kids leave college. And, maybe at the very most, 5000 hours of book reading.” 77 „Digital Immigrants“ vor. „It is very likely that our students` brains have physically changed – and are now different from ours – as a result how they grew up. But wether or not this is literally true, we can say with certainty that their thinking patterns have changed. […] Some refer to them as the N-[for Net]-gen or the D-[for Digital]gen. But the most useful designation I have found for them is Digital Natives. Our students today are all “native speakers” of the digital language of computers, video games and the Internet.”316 Die Digital Natives sind sozusagen ‚Eingeborene’, Muttersprachler317 im Internet. „Those of us who were not born into the digital world but have, at some later point in our lives, become fascinated by and adopted many or most of the aspects of the new technology are, and always will be compared to them, Digital Immigrants.” 318 Natives und Immigrants verfügen vermutlich gleichermaßen in unterschiedlichem Umfang bzw. Ausmaß über ein Virtualitätsbewusstsein, sind virtuell sozialisiert und können virtuell „socializen” bzw. „networken“. „Today´s older folks were „socialized“319 differently from their kids, and are now in the process of learning a new language.”320 In dieser Arbeit sollen die Konzepte Digital Native und Digital Immigrant jedoch nicht an das Alter der Nutzer geknüpft, sondern so verstanden sein, dass die aktiven Web 2.0 Nutzer Natives sind, die passiven jedoch Immigrants. Erneut von der Interpretation der aktuellen Nutzerzahlen der ARD/ZDF Online Studie (siehe auch Kapitel 2.2, S. 24ff.) kann davon ausgegangen werden, dass ca. 8, 6 Millionen Menschen Web 2.0 Anwendungen überhaupt nutzen, das sind 21% aller deutschen Onliner.321 Aktiv sind davon, wie gesagt, rund eine Million Menschen, passiv hingegen ca. 6,8 Millionen Menschen, das sind ca. 79% aller Web 2.0-Nutzer. Hier tut sich wiederum das von Castells beschriebene Digital Gap auf: Eine riesige Zahl verhältnismäßig junger Nutzer kann aufgrund mangelhafter 316 Ebd. (2001a): S. 1. Man könnte fast soweit gehen zu fragen „Sprichst Du Internet?“ angesichts der riesigen Menge von Fußnoten, die in dieser Magisterarbeit nicht zur Zitation, sondern zur Begriffsklärung verwendet werden. Sowohl das anhängige Abkürzungsverzeichnis und das Begriffslexikon als auch das CC – Beispiel zur Oralität im Netz und Analyse der Gesprächsequenz, sowie die Interviews zeigen, dass die hier emergierenden Begriffe oft keine bloßen Anglizismen sind, sondern für sich sinnhafte Konzepte. Nach Hall also Repräsentationen, die für sich stehen, deren Bedeutung diskursiv in einer kulturellen Sphäre konstruiert wird und deren Existenz abhängig ist von Etwas, das bereits benannt ist und das auf die Lebenswelt (nach Habermas), die Welt oder Umwelten (nach Luhmann), die Wirklichkeit, den semantischen Raum, die ökonomische Sphäre, also einfach alles maßgeblich Einfluss nimmt: dem Internet. 318 Ebd. f. 319 Hier erschließt sich endlich der Rückbezug zur vorgeschlagenen „virtuellen Sozialisation“. 320 Prensky (2001a): S. 2. 321 Weltweit gibt es im Oktober 2007 180 Millionen Blogger. Geht man davon aus, dass der prozentuale Anteil der Blogger an der Zahl der User weltweit ungefähr dem Anteil der Natives und Immigrants entspricht, dann können 15% aller User weltweit als Natives klassifiziert werden. Siehe 321 dazu auch Anhang IV.C.?? Blog Traffic weltweit: unique users October 2007. Quelle: ComScore. (Download am 27.2.2008 unter: http://blogs.guardian.co.uk/digitalcontent/category/deals/) 317 78 didaktischer Konzepte, die neue Technologien und den Umgang mit ihnen nicht in den Schulunterricht einbetten, und eine sozusagen unvollständige virtuelle Sozialisation Web 2.0-Anwendungen nicht vollständig bedienen und ist deshalb von den Ressourcen, die das Internet bieten kann, abgeschnitten. Zudem ist die eingeschränkte virtuelle Sozialisation insofern gefährlich als dass, wenn die Anleitung zum reflektiven Umgang mit Virtualität, Virtualitätsbewusstsein und beispielsweise Virtuellen Identitäten fehlt, die gesellschaftlichen Strukturen, die sich im Internet zu entwickeln beginnen, weder erkannt, noch zum individuellen Vorteil in einer globalisierten Welt genutzt werden können.322 Um diejenigen, die das Netz in erster Linie zur Informationssuche nutzen, von den Natives und Immigrants zu unterscheiden, taucht in der Blogipelago323 neuerdings das Meme324 ‚Digital Tourist’325 häufig auf.326 Mit Digital Tourists seien hier diejenigen bezeichnet, die das Netz nur äußerst eingeschränkt nutzen, also wie gesagt zur Informationssuche und für Email oder Online-Shopping. Es liegt gar nicht im Vermögen der Digital Tourists, so umfassend im Netz zu agieren, wie Natives und Immigrants dies tun. Würde das Internet als Kulturraum und als Handlungsraum mit einer eigenen Sprache327 klassifiziert werden, so wären viele Phänomene im Internet leichter zu bestimmen und dem gesamtgesellschaftlichen Kontext zuzuordnen.328 322 Mehr noch: Fälle wie die Amokläufe und Schulmassaker weltweit, die Selbstmorde nach Portalstalking oder -Mobbing, Kindesmißbrauch durch „nette Onkel“ die Kinder und Jugendliche in Chats kennelernen oder, im extremsten Fall, der Kannibale von Rothenburg, der sein Opfer im Internet fand zeigen, dass der Umgang mit dem Netz kein Kinderspiel(zeug) ist und die Nutzung angeleitet werden muss. 323 Blogipelago: Kunstwort aus Blog und ‚archipelago’ (engl. Archipel, Inselgruppe oder –Kette) 324 Memes: Neologismus zur Beschreibung eines Schlagworts, das im Internet die Runde macht. 325 Siehe auch IV.D Fragebögen und Interviews. S. 132ff. 326 Siehe auch Map of Online Communities im Anhang. Die Vorstellung der Natives der Virtualität als Raum geht so weit, dass „Karten“ davon existieren. 327 Gruppen wie „Smilies sind was für Sozialverhaltenskrüppel“ bei studivz.net illustrieren, dass es mittlerweile eine Sprache im Netz gibt, die weit über Smilies und Kürzel (lol, rofl, omg, imho etc…) hinausgeht. Die Netz-Natives beginnen, sich gegenüber denjenigen, die sich dieses „Internetjargons“ nicht bedienen können, die eben nicht „Internet“ sprechen, abzugrenzen. Dabei ist vor allem zu beachten, dass sich ähnlich zu Schichten, Klassen, Milieus oder wie auch immer, ähnliche Gruppen im Internet zu konstituieren beginnen. Rabiate semantische Konzepte und die die Konstruktion von Internetgruppenidentitäten liegen einer neuer Form von Gruppenrivalität zugrunde (siehe Gruppen wie EMO=AIDS bei myspace.com). Dies ist könnte sich zu einer neuen Form des Rassismus entwickeln, bei dem die Grenzen von Identitäten nicht durch Ethnie und Nationalität oder den ökonomischen und sozialen Status gesetzt werden, sondern durch den Grad der Bildung, den des Wissens um das aktuelle Tagesgeschehen bzw. die neuesten technischen Entwicklungen. Soziales Ansehen hängt im Netz nicht von Körper, Aussehen, Sportbegabung oder materieller Begütertheit ab, sondern von semantischem Vermögen, Eloquenz und Intellekt und der Produktionsfähigkeit und dem kritischen und reflektierten Konsum der über das Internet erhältlichen Informationen. 328 Zur Konkretisierung der Vorstellung von Natives, Immigrants und Tourists und auch von Virtualitätsbewusstsein zu bekommen sei hier auf IV.C.37, S.122ff und IV.D Fragebögen und Interviews, S. 132f, verwiesen. 79 Ausgehend vom epochalen Blick, den Debray dennoch überzeugend einführt, könnten in der Symbol-, Sprach-, Medien- und Kommunikationstechnikentwicklung Vergleiche zum Konzept des ‚sozialen Mutterschoßes’ gezogen werden. Nach Arnold Gehlen ist der Mensch ein biologisches Mängelwesen329; Adolf Portman konstatiert, der Mensch sei eine physiologische Frühgeburt.330 Nach Gehlen ist der Mensch organisch unspezialisiert und bei der Geburt organisch unfertig, also quasi auf dem Stand eines Embryos stehen geblieben. Er zeichnet sich vor allem durch Instinktreduktion aus. Portman beschreibt den Menschen als Lebewesen, das erst im extrauterinen, also im ersten Lebensjahr körperlich, also organisch, und funktionell so weit reift, dass er, seiner Art entsprechend, als höheres Säugetier erkannt werden kann. Daraus resultiert, dass der Mensch lebensnotwendig auf den so genannten sozialen Mutterschoß angewiesen ist. Die ersten drei Sphären nach Debray sind für die Entstehung des Internet und insbesondere des WWW, also auch die Erfindung von Hypertext und des W3 1990, notwendig Vorraussetzung für die Emergenz der von Louise Merzeau vorgeschlagene ‚Hypersphäre’. Hypersphäre bezeichnet nicht das Internet selbst, sondern das Zeitalter, die Ära, in der Menschen beginnen, Hypertextnetzwerke zu konstruieren - das Digitale Zeitalter. Die Einführung von Hypertext im Jahr 1990 ist in der Tat eine Revolution, die der Erfindung des Buchdrucks gleichkommt. Durch Hypertext ist die Entstehung des World Wide Web erst möglich: Mit dem WWW entsteht ein unüberschaubar riesiges (Hyper)Textuniversum, zu dem zunächst einmal jeder der Zugang hat, auch Zutritt hat. Erst mit der Existenz von Hypertext konnte der Mensch anfangen, überhaupt ein Virtualitäts- und damit auch Netzwerkbewusstsein zu entwickeln. Angelegt und damit bereits „vorbereitet“ ist die Vorstellung von Virtualität, also auch der Fähigkeit der Wahrnehmung eines virtuellen sozialen Raums, bereits zuvor in zahlreichen fiktiven Geschichten in Literatur und Film.331 Dass allerdings für die Nutzung aller Möglichkeit 329 Gehlen, Arnold (1940): Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt. o.A. Portmann, Adolf (1953): Das Tier als soziales Wesen. o.A. 331 Schon Salman Rushdie sagte in seiner ersten Veröffentlichung, dem Science Fiction Roman Grimus: „Certain kinds of science aspire to the condition of poetry.”331 (Rushdie, Salman (1975): Grimus. London. S. 6. Zitiert nach Spivak. (Download am 11.3.2008: http://english.emory.edu/Bahri/Grimus.html)) Nur kurz erwähnt seien hier der Film ‚Matrix’, die Animationskurzfilmsammlung ‚Animatrix’, die Science Fiction Reihe ‚Shadowrun’ und der Roman ‚Gelb’ von Jeff Noon. Hervorragende ältere literarische Beispiele für die mediale Verbreitung eines konstruktivistischen Grundgedankens sind der Roman ‚20 000 Meilen unter dem Meer’ von Jules Verne und ‚Candid’ von Voltaire. Überhaupt ist Konstruktivismus ein Thema, dass in vielen Subkulturen immer wieder aufgegriffen wird. Siehe beispielsweise auch die Texte der Hamburger Schule Band Tocotronic (bezeichnenderweise außerdem Urheber des Albums ‚Digital ist Besser’). Hier ‚Hi Freaks’: „ […] Gegenüber einer Welt, deren Umriss uns gefällt - Ganz klein am Horizont kann man Dinge sehen, Dinge die wir nicht verstehen - Das Geschehen lässt uns auseinander gehen hinein in einen Wald aus Zeichen – […] Was wir sehen bedeutet nichts - Der so genannte Realismus fällt 330 80 des Netzes auch ein immenses Repertoire an Fähigkeiten und Fertigkeiten erlernt werden muss, war beim Vergleich mit aktuellen Mediensozialisationstheorien absehbar. Die Untersuchung, welche dies genau sind, ist hier in vollem Umfang nicht zu leisten, da es an dieser Stelle den Rahmen vollends sprengen würde. Verwiesen sei aber auf die in Kapitel 2 erwähnten global erkennbaren Zugangsbarrieren und die notwendige Entwicklung von Virtualitätsbewusstsein und Aneignung von Internetwissen. Notwendig für das Agieren im virtuellen Raum ist in jedem Fall ein grundlegendes Verständnis für Hypertext, dem das Erlernen von Lesen und Schreiben und auch Tippen voraus gehen muss. Die Veränderung der Denkweise, die Debray an den jeweiligen epochalen Wechseln verortet, könnten anthropologisch jeweils als evolutionäre Ausweitung der Abstraktions- bzw. Konstruktionsfähigkeit des Menschen beschrieben werden. Im Rahmen eines technischen Mutterschoßes, innerhalb dessen sich erst Medien und dann Hypertext (und Internet) entwickelt werden, wird auch ein virtueller, als real wahrgenommener Raum konstruiert. Mit der fortschreitenden Veränderung der technischen (medialen und virtuellen) Umwelt, geht mit der schrittweisen Entwicklung des Bewusstseins einher und des Abstraktionsvermögens des Menschen, das reziprok zur technischen Entwicklung immer komplexer wird.332 Damit einher geht außerdem eine immer extremere Differenzierung von Rollen und Identitäten in der sozialen und gesellschaftlichen Realität. Die Erfindung von Sprache bzw. Zeichen und Schrift waren jeweils Meilensteine in der anthropologischen Entwicklung des Menschen. Neben Régis Debray macht auch Benedict Anderson mit der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg eine Veränderung der Wahrnehmung aus und zwar die Veränderung des Zeitverständnisses bzw. die Wahrnehmung von Zeit und Zeitpunkt - der mittelalterliche Zeitbegriff, der eine grundsätzliche Vorherbestimmung und Abhängigkeit von Schicksal beinhaltet und außerdem stark religiös beeinflusst ist, verändert sich grundlegend. Parallelen könnten zur Veränderung des Raum- und Realitätsbegriffs gezogen werden und auch zur erneuten Relativierung von Zeit: Im Internet kann unabhängig von der Uhrzeit agiert werden; es ist nicht einmal nicht weiter ins Gewicht - Dein Gesicht ist eine Welt, deren Umriss mir gefällt […] Gegenüber eines Traums, der ein anderer ist als noch vor Tagen als wir erstmals wagten […] Ein Schatten an der Wand, dessen Umriss uns gefällt - Wir sind gewillt zu übersehen, was wir jetzt noch nicht verstehen […] Gegenüber eines Gegenübers, das mal wieder nicht ich selber bin, so gesehen kommts hin: was wir täglich sehen, sind Dinge, die wir nicht verstehen.“ (Siehe Medienbeispiele auf DatenDVD für Trailer von Matrix und Songtext.) 332 Vergleiche die anthropologische Entwicklung des Menschen von Anbeginn der Zeit bis zu den frühen Kulturen bei Herbert Wendt und den technischen und wissenschaftshistorischen Verlauf von der Antike über die Alte Geschichte bis zu den Anfängen des Früh-Mittelalters (aus archäologischer Sicht) bei Ceram. 81 notwendig, dass die interagierenden Individuen zur selben Zeit anwesend sind (siehe synchrone, asynchrone und mittelbare Kommunikation). Darüber hinaus, und das ist das Erstaunliche, erfährt das Verständnis von Raum eine Relativierung.333 Räumliche Trennung wird von den Individuen als verhältnismäßig irrelevant empfunden – über das Internet ist ein virtueller Raum gegeben in dem die Individuen sowohl direkt miteinander als auch mit mehreren über die Online Communities334 verhältnismäßig unanhängig vom geographischen Standort und der Uhrzeit interagieren können. Evolutionär bzw. epochal betrachtet ist der Zeitraum zwischen Erfindung des Buchdrucks und dem Platzen der Dotcom Bubble notwendig, damit die Menschheit intellektuell ein verhältnismäßig hohes Abstraktionslevel erreichen kann, so dass die, durch die technischen Voraussetzungen entstehenden Möglichkeiten der virtuellen Vernetzung überhaupt erst erkannt und wahrgenommen werden können und selbst das nur über die Vorstellung des Virtuellen Raums als Sozialraum. Hier schließt nun die für die Definition virtueller Gemeinschaften notwendige gesellschaftstheoretische Perspektive an. Man erkennt die enorme Unsicherheit bezüglich der Charakterisierung des aktuellen Gesellschaftstyps anhand der Vielfalt der momentan existierenden Label. Informations-, Wissens-, Internet-, Online- oder Cybergesellschaft sind nur einige davon. Betrachtet man auch Gesellschaft eher aus mediologischer Sicht, also im epochalen Kontext, dann fällt auf, dass vor allem ‚Wissen’ und ‚Information’ als Präfixe denkbar ungeeignet sind – sowohl Wissen als auch Information haben bereits mit der Erfindung des Buchdrucks und vermutlich noch mehr mit der Entstehung des Zeitungswissens (was Information betrifft) bzw. der Etablierung von Bildungsinstitutionen (Schulen und Universitäten) ungemein viel Bedeutung gewonnen. Sie eignen sich daher nicht um die momentane Gesellschaft angemessen zu benennen. Die Präfixe ‚Internet’, ‚Cyber’ und ‚Online’ begrenzen den Blick und fokussieren die Geschehnisse im Netz selbst, vernachlässigen dabei aber die tatsächliche Konstitution der „Realgesellschaft“, wenn man die derzeit bestehende im gesamthistorischen Kontext betrachtet. Dazu sei aber zunächst noch einmal verwiesen auf die Veränderung der individuellen Wahrnehmung und damit auch die Änderung der Konstruktion von Wirklichkeit und beispielsweise auch von Öffentlichkeit im Laufe der Zeit. 333 334 Siehe CC Beispiel – Situation – Räumliche Trennung ist irrelevant. S. 125. siehe CC Beispiel und Kapitel 5 (S. 84). 82 Mit dem Aufkommen und der Verfügbarkeit von dokumentarischen und fiktionalen Formen wie Zeitung und Roman für breite Bevölkerungsschichten im ausgehenden 18. Jahrhundert entsteht die Vorstellung von Gesellschaft in Form „…eines sozialen Organismus, der sich [scheinbar] bestimmbar durch eine homogene und leere Zeit bewegt…“335 Damit einher geht, wie in Kapitel 3.2 beschrieben, die Entstehung der Vorstellung nationaler Gemeinschaften und homogener Sprachgemeinschaften bzw. Kulturräume. So entsteht "jenes bemerkenswerte Vertrauen“ und Einverständnis unter den Mitgliedern imaginierter Gemeinschaften in die eigentlich doch „anonyme Gemeinschaft“.336 Diese ist eine genaue Beschreibung der Gemeinschaften im Internet, also virtueller Gemeinschaften zu sein und zugleich eine der Web 2.0 bzw. durch CC gestützten Gemeinschaften in der sozialen und gesellschaftlichen Realität. Am besten geeignet, um die derzeitige Gesellschaftsform zu beschreiben scheint demnach die Netzwerkgesellschaft.337 Prensky berschreibt das ebenfalls als Phänomen: Digital Natives „[…] function best, when networked.“338 Ob daraus und aus der Perfektion des Netzwerkens und Socializens online über Plattformen, Foren, VoIP und Instant Messenger und nicht zuletzt auch Handys unter Umständen eine globale Virtuelle Gesellschaft, sozusagen eine Hypersociety, im Entstehen begriffen ist soll hier zumindest als Frage formuliert werden. Nun soll das Konzept ‚Virtual Community’ endlich auch aus etymologischer Perspektive betrachtet werden - vor allem das Adjektiv ‚Virtual’ wurde bislang sträflich vernachlässigt. Virtual, zu Deutsch virtuell, hat seine etymologischen Ursprünge im französischen ‚virtuel’ und im mittellanteinischen ‚virtualis’, Dies heißt ‚als Möglichkeit vorhanden’ und leitet sich ab vom lateinischen ‚virtus’, was Kraft, Tüchtigkeit, Tugend und auch Mannhaftigkeit bedeutet. Virtuell ist also das, „was nach Anlage oder Vermögen als Möglichkeit vorhanden ist; was intrinsisch alle Bedingungen seiner Realisierung erfüllt; auch scheinbar; denkbar.“339 Da Virtual Communities in virtuellen Umwelten, so genannten Virtual Realities, entstehen, soll Virtuelle Realität ebenfalls noch einmal kurz definiert werden. Metzner-Szigeth unterscheidet zwischen dem artifiziellen Raum340 als Produkt der VR-Technik und 335 Anderson (1988): S.30. Ebd. 337 Vgl. Castells: S.9ff. 338 Prensky: S. 2. 339 Brockhaus u. a.. Zitiert nach: Münker, Stefan (1997): Was heißt eigentlich Virtuelle Realität? In: Münker, Stefan / Roesler, Alexander: Mythos Internet. Frankfurt am Main. S. 109. 340 Artifizieller Raum: durch VR-Technik hergestellte virtuelle Realität. 336 83 dem Kybernetischen341. Im kybernetischen Raum wird mittels CMC kommuniziert. Der kybernetische Raum ist der, von dem Rheingold spricht, wenn er The WELL als Ort formuliert und Vergleiche zu den Dritten Räumen von Ray Oldenburg zieht. Insgesamt ist hier festzuhalten, dass mit dem Entstehen des kybernetischen Raums von einer bestimmten Gruppe nicht nur „virtuelle Realität“ wahrgenommen werden kann bzw. konstruiert wird, sondern dass darin vermutlich auch Virtuelle Identitäten und Virtuelle Gemeinschaften entstehen könnten. An dieser Stelle sei vorgeschlagen für den artifiziellen (virtuellen) Raum in Zukunft die Bezeichnung Touchable Virtual Reality oder, für Anwendungen in der weiter entfernten Zukunft, Sensual Virtual Reality, vorgeschlagen sein. Kapitel 2 bis 4 zusammenfassend ist festzustellen, dass Konzepte und Theorien interdisziplinär zusammengetragen werden müssen, um sich dem Konzept Virtual Community adäquat zu nähern: Produsage und Web 1.0, 2.0 und 3.0 sind Wirtschaftskonzepte, Das Konzept der Imagined Communities stammt aus der Nationalismustheorie, also aus einem historischen Kontext. Imagined Community ist ein, den evolutionären anthropologischen Prozess betrachtendes Konzept; damit einher geht Abstraktion des Subjektbegriffs, Kommunikationsbegriffs, Systembegriffs und der Definition von Gemeinschaft. Diese Konzepte sind als soziologische Themen bezüglich ihres Inhaltes immer auch in dem historischen Kontext zu sehen, in dem sie stehen. Die Beleuchtung aller äußeren Umstände ist also tatsächlich unumgänglich notwendig, um Virtual Community identifizieren, analysieren und theoretisch fassen zu können. Das Wissen um technischen Grundstrukturen und die durch wissenschaftliche Analyse von Sozialität (in und an der sozialen Realität) gebildeten Theorien werden genutzt, um den virtuellen Netzraum von innen heraus zu erschließen. 5 Oralität und Virtual Communities Kapitel 2 bis 4 haben gezeigt, dass „Menschen neue Medien annehmen und ihre Lebensweise mit erstaunlicher Geschwindigkeit verändern [können]. Computer […] und Kommunikationsnetzwerke liefern die technologische Infrastruktur der Computer Mediated Communication [und der Cross Communication]; das Raumkonzept, in dem sich Worte, menschliche Beziehungen, Daten, Reichtum und Macht der 341 Kybernetischer Raum: der imaginierte virtuelle Raum. 84 Menschen zeigen, die CMC-Technologien benutzen, ist der Cyberspace.“ 342 Daraus schlussfolgert Rheingold: „Virtuelle Gemeinschaften sind kulturelle Aggregate, die dann entstehen, wenn genug Menschen oft genug im Cyberspace aufeinander stoßen.“343 Virtual Communities „[…] fulfill our need to be recognized as human beings, and as members of a community,” sagt der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Lance Strate.344 „We all want to be told: You exist.”345 Sprachen wird in diesem Kontext eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Schon Anderson betont eine herausragende Eigenschaft von Sprache - sie vermag „[…] vorgestellte Gemeinschaften hervorzubringen [...]."346 Neuere Ansätze aus der Anthropologie347, der Kulturwissenschaft und der Kommunikations- und Medienwissenschaft greifen deshalb die Oralitätsthese von Walter J. Ong auf.348 Lance Strate begründet das so: “Orality is the base of all human experience.”349 Vor allem mit Stammeskulturen und deren Ritualen werden Virtual Communities aktuell verglichen. Anders als in Stammeskulturen, in denen hochgradig formalisierte Rituale konstruiert werden, scheinen „[…], social networks […] a level of casualness and familiarity that would be unthinkable in traditional oral cultures”350 zumindest online gesellschaftsfähig gemacht zu haben. Hier sind wiederum Rückbezüge zur Theorie der ‚Dritten Orte’ von Oldenburg herzustellen – ohne einen ‚Raum’ kann keine orale Kultur existieren. Während bei Oldenburg das Entstehen von Gemeinschaft an den sozialen Raum geknüpft ist, ist bei Ong die Entstehung von Gruppen an orale Kommunikation geknüpft. „Oral communication unites people in groups.”351 Walter Ong war Professor für Literaturwissenschaft an der St. Louis University und Schüler von Marshall McLuhan. Er vergleicht oral basierte Kulturen mit schriftbasierten und unterscheidet dazu in ‚Orality’ und ‚Literacy’. Dabei unterstreicht er vor allem die unterschiedliche Wirklichkeitskonstruktion: Die Welt einer oralen 342 Rheingold (1994): Der Alltag meiner virtuellen Gemeinschaft. In Faßler, Manfred / Halbach, Wulf R. (Hg.): Cyberspace – Gemeinschaften, Virtuelle Kolonien, Öffentlichkeiten. S. 95f. 343 Ebd. 344 Lance Strate ist Associate Professor am Institut für Communication and Media Studies an der Fordham University. In: Wright: Ebd. 345 Ebd. 346 Anderson (1988): S. 115. 347 Siehe vor allem Michael Wesch (Projekt-HP: http://mediatedcultures.net/). 348 „If you examine the Web through the lens of orality, you can’t help but see it everywhere. […] Orality is participatory, interactive, communal and focused on the present. The Web is all of these things.” Irwin Chen, a design instructor at Parsons who is developing a new course to explore the emergence of oral culture online. In: Wright: ebd. 349 „We evolved with speech […] We didn’t evolve with writing.” Lance Strate In: Wright: ebd. 350 Wright: ebd. 351 Ong, Walter J. (1982): Orality and Literacy. The Technologizing of the World. London. S. 69. 85 Kultur352 ist „dynamic and relatively unpredictable, an event-world rather than an object-world [...] and [also] highly personal and polemic, at least in part because of its orality.“353 Die Welt einer schriftbasierten, einer auralen Kultur hingegen ist traditionell. „Its traditionalism is closely related to the problems of acquiring, storing, and retrieving knowledge […] 354 In oral cultures, speech itself is used to manage neutral objective information less than in typographic, technological cultures.355 1982 unterscheidet Ong in „Orality and Literacy” außerdem in ‚primary’ und ‚secondary orality’ „to describe the tendency of electronic media to echo the cadences of earlier oral cultures. “356 Ong präzisiert das Verhältnis von Primärer und Sekundärer Oralität so: „Primary orality, literacy, and secondary orality are interacting vigorously with one another in confusing complex patterns.”357 Die Unterscheidung in primary und secondary orality “seems especially prescient in light of the social-networking phenomenon.”358 Lance Strate betont die Bedeutung dieses Ansatzes für die Gemeinschaftsforschung (im Internet). „Secondary orality has a leveling effect. In a primary oral culture, you would probably refer to me as ‘Dr. Strate,’ but on MySpace, everyone calls me ‘Lance’.” 359 Diese Besonderheit von CMC hat Sara Kiesler schon 1986 beschrieben: „Computer mediated communications can break down hierarchical and departmental barriers, standard operating procedures, and organizational norms."360 Ongs Ansatz wird auch von der ‚Toronto School of 352 „Oral cultures tend to develop personality structures somewhat different from those of writing cultures.” Ong (1973/74): S.14. Welche Persönlichkeitsstrukturen kann Hypertext dann hervorbringen? 353 Ong (1973/74): S.12ff. 354 “An oral culture, we must remind ourselves, is one in which nothing can be “looked up”. […] An oral culture is deeply aware of this evanescent quality of words. Homer expresses this awareness when he sings of “winged words”. At the same time oral cultures consider words more powerful than do men from technological cultures […]. If words have wings, this can mean not only that they do not endure in time or place but also that they are strong. It takes more strength to fly than to walk. […] An oral culture faces a major problem in preserving its knowledge. […] Basically, the solution is to standardize utterance making it highly fixed or “traditional”. Of course, in a way, all words are standardizations, more or less fixed, but oral cultures, much more than writing cultures, standardize whole phrases and traffic constantly in proverbial and other fixed expressions. […] In this kind of culture highest marks are given to superlatively skilled performance of what is already known and expected. There is little if any interest in “originality” or “creativity” in plot or character such as grew up with the late typographical phenomenon called the Romantic Age.” Ong, Walter J. (1973/74): Orality, Literacy, and Personality. S. 5ff. (Script zur Vorlesung an der Lincoln University) (Download am 17.3.2008 unter: http://libraries.slu.edu/sc/ong/digital/lectures.html) Das Konzept der Oralität wurde erstmals in dem Aufsatz „The Literate Orality of Popular Culture” in Ong: Rhetoric, Romance, and Technology: Studies in the Interaction of Expression and Culture, Ithaca, erwähnt. 355 Ong (1973/74): S.13. 356 Wright: ebd. 357 Ong, Walter J. (1979): Literay and Orality in Our Times. ADE Bulletin 58. S. 3. S. 1 – 7. 358 Ebd. 359 In: Wright: ebd. 360 Kiesler, Sara (1986): The hidden messages in computer networks. Harvard Business Review. S. 64. 86 Communication’361 verfolgt, denn Ong beschreibt ‚Literacy’ als „ […] absolutely necessary for the development not only of science but also of history, philosophy, explicative understatement of literature and of any art, and indeed for the explanation of language itself.”362 Heute wird Oralität in Kultur- und Medienwissenschaften und in der Umgangssprache konträr zu anderen Medienformen positioniert.363 „The framing of orality […] encourages its place within the paragone of the printed and spoken word, and suggests a single-sensory conception of media – that orality exists in a dialectical relationship with literacy, and that communication is a competition between eye and ear.”364 Courtney MacNeil kritisiert die Oralitätsthese bzw. deren Anwendbarkeit: „The characterization of literacy and orality as existing in an unequal dichotomy creates what Foley calls the “Great Divide” between the two genres365, and encourages the notion of orality as a primitive or undeveloped medium.” Darüber hinaus wird das Problem der Terminologie weiterhin verkompliziert durch Ongs „differentiation between primary and seconday orality. […] His model denies the potential for an equivalency between the printed and the spoken word.”366 Dieser Gedanke findet sich bereits bei Richard Lanham: „ […] the computer´s oscillation between reader and writer reintroduce the oscillation between literate und oral coordinates that stands at the center of classical Western literature.”367 Das führt dazu, dass die Trennung von Orality und Literacy nicht aufrecht erhalten werden kann.368 “We can no longer think of orality as the absence of writing… [but] as an organization of discourse ruled by rhythm. The manifestation of a gestural mode, of a 361 Vertreter: Harold Innis, Eric Havelock, Marshall McLuhan, Walter Ong. “Orality is the marker of tribal man.” Playboy Interview Marshall McLuhan (März 1969). (Download am 16.3.2008 unter: http://www.columbia.edu/~log2/mediablogs/McLuhanPBinterview.htm) Der Vergleich von gesprochenen zu geschriebenen Formen „helps to appreciate the nature of the spoken word.“ McLuhan, Marshall (2001): Understanding Media: the Extensions of Man. London. S.79. 362 Ong (1982): S. 15. 363 Vgl. Wright: „“The term “orality” is used, both in media studies and in the everyday world: as existing in competition with other media forms.” 364 MacNeil, Courtney (2007): Orality. (Universität Chicago; Download am 16.3.2008 unter: http://csmt.uchicago.edu/glossary2004/orality.htm) 365 Foley, John Miles (2002): How to Read an oral Poem. Chicago. S. 26. 366 „For Ong, orality exists either in isolation from literacy, or as subservient to it: in the schema of primary and secondary orality, mutual interdependency between the two media is not a recognized possibility. […] The hierachical notion of „ secondary orality“ […] seems unable to keep up with the ongoing cyber-revolution that was, in Ong´s era, in its earliest phase; in a world of e-mail communication music downloading and Chat Rooms, the question is not wether, but rather of how the oral and textual are integreated. […] the advent of contemporary internet culture has encouraged the recognition that oral and textual need to be viewed from a hierarchical perspective.” MacNeil, Courtney (2007). 367 Lanham, Richard A. (1983): Literacy and the Survival of Humanism. New Haven. S. 106. 368 „Jay David Bolter observes, the everschifting nature of modern hyper-text is not unlike that of the fluid mutability of the [Homeric] oral performance.” MacNeal: ebd. Vgl. auch Bolter, Jay David (1991): Writing Space - The Computer, Hypertext and the History of Writing. Hillsdale. S. 191. 87 corporality and a subjectivity within language. With the means of the spoken within the spoken. Within the means of the written within the written.”369 In diesem Sinne definieren auch Wesling und Slawek Oralität: „Orality is not what is spoken, but what allows one to speak. Orality forms the speaking subject, and rhythm takes the most active part in this work with language.”370 Courtney MacNeils Definition von Oralität baut darauf auf: „Whether orality manifests itself through an epic, a folktale, a lyric, a lament, a dirge, or a charm, the medium is innately connected with cultural knowledge.”371 Sie legt besonderen Wer darauf in Erinnerung zu rufen, dass „to this day, the majority of the world´s inhabitants use orality as their primary communicative medium, and the “global village”372 of modern media is in fact not as “global” as the lens of Occidentialism might lead us to believe.373 […] Orality is a means through which we exchange information.”374 Abschließend fast sie zusammen „the study of orality[…] must recognize all of the medium´s diverse functions; while the Western conception is primarily aesthetic, it is important to recall that the medium also serves the practical purposes of knowledge-exchange and transmission within a community.”375 Auch John Perry Barlow konstatiert 1995 die Veränderung der Distribution von Wissen und Information im Internet. „I think we´re moving away from information – through information actually – and back toward experience.”376 Legt man der Betrachtung von Virtual Communities aus gemeinschaftssoziologischer und mediologischer Sicht zusätzlich die Oralitätsthese zugrunde, so können sowohl die besonderen technischen Formen von Kommunikation als auch die mittels dieser „Medien“ weitergegebenen „kultürlichen“ Besonderheiten greifbar gemacht werden. Oralität selbst (mündlich und schriftlich!) kann außerdem im Sinne der Mediologie als Kulturträger verstanden und untersucht werden.377 369 Meschonnic, Henri (1989): La rime et la vie. Paris. S. 275. Zitiert nach Wesling, Donald / Slawek, Tadeusz (1995): Literary Voice. The Calling of Jonah. New York. S. 171. siehe dazu auch Meschonnic, Henri (1982): Critique du rythme. Paris. S. 35. „Elle [die Dichtung] est une activité de langage, un mode de signifier qui expose plus que tous les autres que l’enjeu du langage, de son historicité, est le sujet, le sujet empirique comme fonction de tous les individus. Elle fait une exposition du sujet." 370 Wesling / Slawek: ebd. 371 MacNeil: ebd. 372 Siehe auch McLuhan, Marshall (1962): The Gutenberg Galaxy: The Making of Typographic Man. Toronto. Und McLuhan, Marshall / Powers, Bruce R. (1989): The Global Village: Transformations in World Life and Media in the 21st Century. New York. 373 MacNeil: ebd. 374 Ebd. 375 Ebd. 376 Barlow: S. 40. 377 Siehe als Versuch eines Ansatzes auch CC Beispiel, Fragebögen und Interviews. 88 6 Fazit – Gibt es Gemeinschaft im Netz? Bevor die Hauptfrage der Arbeit, also wie Virtual Communities zu definieren sind, wieder ins Zentrum gerückt wird, sollen zunächst noch einmal die Thesen von Barlow, Gründer der ‚Electronic Frontier Foundation’ und Rheingold, Autor von „The Virtual Community“ in Erinnerung gerufen werden. „Beide vertreten die Geburt eines neuen Typs menschlicher Gemeinschaft, die „online“ Menschen miteinander verbindet, die Interessen oder Werte teilen, und auf diese Weise Unterstützung oder Freundschaft befördern. Die Bildung virtueller Gemeinschaften wird hierbei als eine Art naturwüchsiger Prozess begriffen, der mit der „Besiedlung“ oder „Kolonisierung“ des Cyberspace in Gang gesetzt wird und von dem man hofft, er könne so etwas wie eine massenhafte „soziale Bewegung“ des Aufbruchs in den Cyberspace einleiten.“378 Nachdem in Kapitel 3 und 4 das Grundbedürfnis des Menschen nach Gemeinschaft genau beleuchtet worden ist und der Cyberspace als sozialer Raum, virtuelle Gemeinschaften und virtuelle Identitäten definiert worden sind, sind die Definitionen von Virtuellem Raum und Virtueller Gemeinschaft von Barlow, Rheingold, Hagel und Singer in Kapitel 1 und 3 nachzuvollziehen und können in ihrer Bedeutung und Präzision erkannt werden. Konform damit gehen auch frühe Definitionen von Virtual Community nach Barry Wellmann: „People bring to their online interactions such baggage as their gender, stage in cy-world, cultural milieu, socioeconomic status, and off-line connections with others.”379 Virtualität muss der realen Identität insofern als ebenbürtig gegenübergestellt werden, als dass sie Teil der sozialen Realität und der Lebenswelt ist. Reguläre Analysen „almost always treat[s] the internet as an isolated social phenomenon without taking into account how interactions on the net fit with our aspects of people´s lives. The Net is only one for many ways in which the same people may interact. It is not a separate reality.”380 Gemeinschaften müssen nicht nur „solidary groups of densely-knit neighbors [sein] but could also exist as social networks of kin, friends, and workmates who do not necessarily live in the same neighbourhoods. It is not that the world is a global village, but as McLuhan originally said, one´s “village” could span the globe. […]”381 Nimmt man alle technischen Möglichkeiten zusammen, mit denen Menschen sich über Internet miteinander in Verbindung setzen können, so entstehen zig 378 „Zusammen mit dieser „zivilgesellschaftlichen“ Bestimmung des Internet wird auch eine deutlich ant-etatistische und anti-kommerzielle Ausrichtung deutlich.“ Metzner: S. 74. 379 Gulia, Milena / Wellman, Barry (1997 [veröffentlicht 1999]): Net Surfers don´t ride alone: Virtual Communities as Communities. In: Wellman, Barry: Networks in the Global Village. Boulder. S. 3. 380 Ebd. 381 Ebd. S. 2. 89 verschiedene Formen von Virtual Community. „Virtuelle Gemeinschaft taugt [dabei jedoch] bestenfalls als Sammelbezeichnung, nicht aber als Begriff.“382 Virtual Community ist somit vielmehr eine weitere Kategorie theoretisch definierbarer Gemeinschaft, vergleichbar mit ‚sozialer Gemeinschaft’, ‚Intentionaler Gemeinschaft’ oder ‚vorgestellter Gemeinschaft’. Besonderes Kennzeichen von Virtual Communities ist , dass sich „ […] im Falle der virtuellen Gemeinschaften die Beteiligten im „richtigen“ Leben (RL) nicht kennen müssen, sich nie gesehen haben und vielfach auch nie sehen werden, also keine F2F-Kommunikation unterhalten (haben bzw. werden).“383 Es sind drei verschiedenen Subtypen von Virtual Community differenzierbar: eine Form von Virtual Community mit Merkmalen der Imaginierten Gemeinschaft, eine Form von Virtual Community mit Merkmalen von sozialer Gemeinschaft und soziale, „reale“ Gemeinschaften, die Web-2.0-gestützt sind. Unter die Virtuelle Imaginierte Gemeinschaft fallen alle Netzwerke, die durch Social Software entstehen und zwar sowohl so genannten Social Networks384, also Plattformen, als auch Blogs oder beispielsweise Wikipedia und auch Diskussionsforen. Umgangssprachlich wird für diese Art von Virtual Community immer öfter der Begriff ‚Online Community’ eingesetzt. Die Mitglieder dieses Typs von Virtual Community haben Accounts bei denselben Portalen (Video- oder Fotocommunities wie Flickr oder Youtube), Plattformen (Myspace, Facebook, StudiVZ) oder Themencommunities (soulsurfers.com, surfblog.com). Dort, also im gleichen Netzwerk, sind Individuuen unter Umständen Mitglied in der gleichen (Groß-)Gruppe385, aber sie kennen sich ebenfalls nicht persönlich. Ethnie und Nationalität sind verhältnismäßig irrelevant; sie werden durch die Zugehörigkeit zum jeweiligen Social Network ergänzt (oder gar 382 Gläser: S. 1890. Metzner – Szigeth: S.75. 384 Siehe auch IV.C.34, S. 121: The World Map of Social Networks. Quelle: Datensätze von Alexa (siehe auch Abbildungen 1 und 2) aufbereitet mit den Programmen von valleywag.com durch Lucas Shaw von der Firma Wandamere (http://www.wandamere.com/). Zeitliche Einstufung: Deutlich neuer als C.4; Mindmapping gewinnt erst in allerjüngster Zeit solch enorme Popularität. Man findet „Maps“ (siehe auch Map of Online Communities) zu fast jedem Thema und in tausendfachen symbolischen und textlichen Varianten. Download am 25.2.2008 unter: http://valleywag.com/tech/data-junkie/theworld-map-of-social-networks-273201.php 385 BEISPIELE: Portale als Virtual Communities: youtube.com (IV.C.3, S. 102, youporn.com, flickr.com (IV.C.26, S. 115), last.fm (IV.C.27, S. 115). Interessant ist in diesem Zusammenhang die Entstehung der Blogipelago. Die so genannte Blogger Community, also die Gesamtheit aller Blogger, kann am besten mit dem Konzept der imaginierten Gemeinschaft erfasst werden. Beispiele IV.C.11ff: Alias Blogs (siehe Captain Pansen, S. 109), Scientific Blogs (S. 107f. siehe Bildbeispiele Sozlog und Internet Gesellschaft), siehe auch Hard Blogging Scientiests; Political- und Erlebnisblogs (siehe surfblog.de, S. 108). Social Networks: studivz.net (siehe IV.C.28ff, S. 116ff), facebook.com, meinespd.de, myspace.com (Es können nicht nur Bilder, sondern auch Videos, Musikplayer mit den Playlists der Seitenbetreiber oder Slideshows mit HTML in die Seite integriert werden.) Siehe außerdem Gruppen bei StudiVZ: Beispiel IV.C.31, S. 117. 383 90 ersetzt?). Zugehörigkeit zu nationalen Gemeinschaften, Ethnie oder originären Sprach- bzw. Kulturräumen verliert in der Virtualität an Relevanz.386 “Members of virtual communities take for granted that computer networks are also social networks spanning large distances.” 387 Deshalb entstehen im Internet Gemeinschaften, die denen in der sozialen Realität gleichen – der Typ der virtuellen sozialen (oder intentionalen) Gemeinschaft. Hier wirkt unter anderem Oralität als gemeinschaftsbildende Konstante und außerdem die Tatsache, dass eine bestimmte Anzahl Menschen das Internet als (sozialen) Raum wahrnimmt. Diese Form von Virtual Community umfasst auch Gemeinschaften, die im Netz aus Internetkontakten entstehen und die dann im Folgenden zu realweltlichen Kontakten werden. „In der VR werden Beziehungen geknüpft, deren Überführung in das RL von vorne herein angestrebtes Ziel und essentieller Bestandteil derselben ist, unabhängig davon, wie oft dies tatsächlich geschieht.“388 Der dritte Typ von Virtual Community wiederum bezieht sich auf Gemeinschaften, deren Grundstein zwar in der sozialen Realität gelegt ist; der Prozess der Vergemeinschaftung findet jedoch im Internet mittels CC statt. „ […] bereits existierende soziale Netzwerke, Clubs, Verbindungen (sportliche, akademische, betriebliche, Hobby, thematische etc.) [drängen] ins Netz und [bilden] virtuelle Filialen, [es] entstehen systematische Verbindungen.“389 Die Individuen nutzen das Internet zwar in erster Linie als Kommunikationsmedium, aber auch zur Übermittlung von Links und allen möglichen Medienformaten. So entstehen im Internet Web 2.0 gestützte soziale Gemeinschaften und innerhalb dieser Gemeinschaften auf Oralität basierende Austauschbeziehungen ähnlich zu denen in Stammeskulturen. Der Computer und das Internet sind für diese Art der Kommunikation notwendig Voraussetzung. In dieser Arbeit ist gezeigt worden, dass ‚Virtual Community’ weder nur ein (soziales) Netzwerk noch eine Gruppe ist, sondern ein soziologisches Subjekt sui generis, denn sie ist eine Sonderform der soziologischen Gemeinschaft. Zukünftige Forschungsfelder für die Soziologie tun sich damit für die Sozialwissenschaften, insbesondere die Soziologie, Psychologie und die Medien- und Kommunikationswissenschaft auf. 386 Und wird nicht nur durch Social Networks ersetzt. Auch Interessengruppen, politische Parteien oder der Musikgeschmack können online personale Identität stiftend wirken. 387 Milena / Wellmann: S. 2. 388 Metzner-Szigeth: S. 76. 389 Metzner-Szigeth: Ebd. 91 IV. Anhang IV.A Verzeichnis der Abkürzungen: * - Küsschen Ajax – Asynchronous JavaScript and XML Arpanet – Advanced Research Projects Agency Network CERN - Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire CMC – Computer Mediated Communication CSS – Cascading Style Sheets DHTML – Dynamic Hypertext Mark-Up Language, heutzutage auch DOM-Scripting DOI - Digital Opportunity Index E/e – E/electronic HP - Homepage HTML – HyperText Mark-up Language HTTP – HyperText Transfer Protocol IM – Instant Message oder Instant Messenger imho – in my honest / humble opinion IP (-Adress) – Internet-Protocol-Adress IRC – Internet Relay Chat ISP – Internet Service Provider IT – Information Technology LAN – Local Area Network LdH – Land der Häuptlinge lol – laughing out loud MIT – Massachusetts Institute of Technology MUA – Mail-User-Agent NCSA - National Center for Supercomputing Applications NSF – National Science Foundation NNTP - Network News Transport Protocol omg – Oh my god! PM – Private oder Personal Message rofl – rolling on the floor laughing TAL – Teilnehmeranschlußleitung TCP – Transmission Control Protocol. Usenet – Unix User Network UUCP – Unix To Unix Copy Protocol 92 VoIP – Voice over IP VR – Virtual Reality W3 – WorldWideWeb Web – Kurzform für World Wide Web WELL, The – Whole Earth `Lectric Link WoW – World of Warcraft WWW – World Wide Web XHTML – Extensible Hypertext Mark-Up Language XML – Extensible Mark-Up Language IV.B Begriffslexikon Account: Benutzerkonto Adspend: Anteil der Onlinewerbekosten an den Gesamtwerbekosten eines Unternehmens Adword: siehe GoogleAds AdSense: siehe Google Ads Anwendung: Sammelbegriff für Programme und Portale auf dem Rechner und im Web. Applet: Programm, das im Rahmen eines anderen Programms betrieben wird, z.B. in einem Webbrowser Apps: Anwendungsprogramm/Computerprogramm, siehe Software Avatar: Entweder Profilbild in Foren oder auch Spielfigur wie zum Beispiel in Second Life (inwieweit Second Life als Spiel zu definieren ist, würde hier zu weit führen) Betriebssystem: Programm zur Generierung einer Benutzeroberfläche. Textbasiert sind zum Beispiel Unix und Linux. Graphische Benutzeroberflächen können mit Windows oder Macintosh erzeugt werden. Die ersten PCs mit Benutzeroberflächen waren Atari, Macintosh und Amiga. BitTorrent: (Oft illegal) von Einzelusern zur Verfügung gestellter Content, der gratis downgeloaded werden kann. Blended Learning: Internet gestütztes Lehren und Lernen. Blog: Kurzform von Weblog. Zusammengesetztes Kunstwort aus Web und Logbook (zu dtsch.: Tagebuch). Blogipelago: Kunstwort aus Blog und ‚archipelago’ (engl. Archipel), also einer Inselgruppe oder –Kette, meint die Gesamtheit aller Blogs und die dahinter 93 stehenden Blogprovider im WWW. Meme aus dem, noch, so genannten textbasierten Netzwerk bzw. Hypertext- /Hyperlinsystem, der Blogosphere. Blogipelago erfasst metaphorisch die Struktur der „Blogosphere“ viel besser. Das Konzept ist allerdings noch so gut wie unbekannt. Eine Googlesuche ergab am 29.2.2008 nur 588 Treffer. Die Kreation solcher Wörter würde sicherlich in den Bereich der →compass-rose-shaped-island (siehe auch Abb.? Map of Online Communities“) fallen, also die Definition der Virtualität aus der Virtualität heraus. Blogosphere: Kunstwort aus Blog und Logosphere (in etwa: Sphäre der Worte). Blogosphere meint ebenfalls die Gesamtheit aller Blogs und die dahinter stehenden Blogprovider im WWW. Bookmarks: ursprünglich “Lesezeichen” auf dem eigenen Rechner, die beim Surfen durchs WWW vom User gesetzt werden um Sites später wiederfinden zu können. Browser: siehe Webbrowser. Chat: siehe S. 29ff. Chatroom: Chatraum in dem ein Mehrbenutzer-Chat stattfindet. Chatiquette: Kunstwort aus den englischen Wörtern Chat und Etiquette Client: Computerprogramm das die Verbindung mit einem Server (siehe Server) aufnimmt um mit ihm Nachrichten auszutauschen. collaborative tagging: Meint das kollaborative Erstellen und Managen von Tags um Websitecontent zu klassifizieren und zu konnotieren. Synonym für social tagging und folksonomy. Comment: öffentlicher Kommentar auf Social Network Sites oder in der Blogipelago. Content: jedweder medialer Inhalt einer Hypertexteinheit. Content Management System: Programmsystem zur Verwaltung von Inhalt von Websites oder Intranets. Crosspostings sind Beiträge, die in mehreren Foren gleichzeitig geposted werden. Dabei werden sie direkt beim Absenden über die verschiedenen Foren verteilt. Desktop: graphische Oberfläche auf dem Bildschirm Dezentral: findet im WWW bzw. Online statt Digital Divide: Siehe Text S. 26ff. Digital Gap: → siehe Digital Divide Digital Immigrants: → siehe Digital Natives Digital Natives: (siehe IV.D.2 Fragebögen und Interviews, S. 125ff.) 94 Digital Tourists: → siehe Digital Natives Document / Dokument: medialer Text, der in einem bestimmten Format abgespeichert worden ist. Dotcom Bubble: Spekulationsblase an der Börse zwischen ca. 1995 und 2001 Dotcom Revolution: Entstehung eines globalen Marktes für Hard- und Software. Download hat eine Doppelbedeutung: Zum einen ist mit Download gemeint, dass man Programme und Dokumente zur Installation oder zur Archivierung aus dem Netz auf den eigenen Rechner lädt. Streng genommen werden aber zum Beispiel alle medialen Texte, die man sich mittels eines Browsers ansieht, ebenfalls downgeloaded. Sie werden allerdings in den Browser geladen. Email: Um Email nutzen zu können, muss ein spezielles Programm installiert werden, der so genannte Email-Client oder auch Mail-User-Agent (MUA). Dieses Programm wiederum kommuniziert mit einem Server, der Nachrichten an den gewünschten Empfänger übermittelt. Email Client: → siehe Mail User Agent Flatrate: Internetzugang rund um die Uhr. Folksonomy: siehe Text S. 14ff. Godwin´s Law: 1990 von Mike Godwin eingeführtes Konzept. GoogleAds: siehe Text S. Hardware: elektronische Geräte Hierarchie: Jede der Newsgroups im Usenet bildet eine Hierarchie. Homepage: Website oder Internetpräsenz einer Person, Institution/Organisation oder Firma. Host: Entweder Anbieter von Content oder eines Services oder synonym für eine registrierte IP-Adresse (Achtung! ≠ User; Nutzer) Hypertext: mit Hyperlinks versehener medialer Text Hypermediasystem: synonym für Hypertextsystem Hypertextsysteme sind multilineare Textsysteme (Text beinhaltet in diesem Verständnis jedweden medialen Inhalt, also neben Text z.B. auch Videos, Musikdateien, Graphiken etc.), deren einzelne Einheiten durch so genannte Hyperlinks miteinander verbunden sind. Hypertext- bzw. Hypermediasysteme haben daraus folgend eine Netzstruktur. 95 Image: Jegliches Bild im Netz, also auch Bewegliche wie .gifs. Imagehost: Anbieter von Webspace zum Hochladen von Images Invalid Click Rate: Anteil der ungültigen Clicks an der Gesamtzahl der Clicks. Internet: Computernetzwerk zwischen Rechnern oder Servern oder zwischen Rechnern über Server. Internetpräsenz: siehe → Homepage oder → Website Internet Relay Chat: rein textbasieretes Chatsystem in dem beliebig viele Teilnehmer über so genannte Channel Kontakt treten können. Ebenfalls möglich ist das Zwiegespräch unter zwei Teilnehmern, dies wird Query genannt. Voraussetzung der Nutzung von IRC ist, wie bei der Ursprungsform der Email, dass ein IRCProgramm zentral auf dem Rechnergespeichert wird, der so genannte IRC-Client. Es gibt aber aus entwicklungstechnischen Gründen mittlerweile nicht mehr nur IRCClients, die zentral auf dem Rechner installiert sind, sondern auch Updates für den Browser, mit denen derartige Funktionalitäten in den Browser selbst eingebunden werden. IRC selbst ist der direkte Vorgänger von IMs, Querys sind die Vorformen der PM. iPhone: internetfähiges Mobiltelefon mit Touchscreen von Apple iPod: Gerät zum Abspielen von mp3s und Videos. iTunes: Programm zum Abspielen von Audiodateien killer application: revolutionäre Anwendung im Internet oder WWW die schon existierenden Technologien zum Durchbruch verhilft. Klickbetrug: Das Google AdWord eines Konkurrenten wird wiederholt (z. T. millionenfach) angeklickt und treibt so dessen Werbeausgaben in die Höhe. (Hyper)Link / verlinken: Verweis auf ein anderen Inhalt innerhalb eines Hypertextes. Linux: Betriebssystem Long Tail: These von Chris Anderson, nach der sich im Internet vor allem Nischenprodukte besonders gut verkaufen lassen. Mac OS: Betriebssystem für Macintosh bzw. Apple Rechner Major Seven: siehe Big Seven. Mash-Up: Kombination verschiedener Inhalte, zum Beispiel zweier Websites. Inhalt auf Website 1 wird getaggt, beim Navigieren mit dem Cursor zum getaggten Inhalt von Website 1 erscheint der Content von Website 2 in einem Pop-Up Window. 96 Meme: Neologismus zur Beschreibung eines Schlagworts, das im Internet die Runde macht. Mailingliste: siehe S. 8ff. Mail User Agent: Programm, dass Email darstellt und verarbeitet. Mompreneur: Kunstwort aus Mom (Mother) und Entrepreneur (engl.: Unternehmer) Mosaic: erster voll funktionsfähiger gratis downloadbarer Browser Multipostings stehen ebenfalls in mehreren Foren, werden dort aber einzeln abgesetzt und verbrauchen so mehr Speicherkapazität und Rechenzeit bei den verarbeitenden Servern. Sie werden grundsätzlich von den Usenet-Nutzern abgelehnt. Multiplayer: mehrere Spieler in einem Spiel. Netiquette: Kunstwort aus den englischen Wörtern Net und Etiquette. Netscape Navigator: Browser Newsgroup: Siehe S. 8ff. Newsreader: Programm zur Erfassung, Verarbeitung, Darstellung und Erstellung von Email. Nexus: Browser Nonliner: Möglichkeit der Internetnutzung durch diesen Nutzer ist eingeschränkt oder gar nicht gegeben. Nutzer: → User Onliner: Möglichkeit der Internetnutzung durch diesen Nutzers ist voll gegeben. Participation: siehe Text S.14ff. Pinnwand: Im Browserfenster sind über der Pinnwand noch einige der Gruppen zu sehen. Bei den grauen Gruppen können nur diejenigen, die in derselben Gruppe sind, sehen, dass man ebenfalls Mitglied ist. „Die Sichtbarkeit“ kann individuell eingerichtet bzw. eingeschränkt werden, genauso wie die Sichtbarkeit des OnlineSeins oder die Abstufung der Sichbarkeit der Fotoalben (mir Unbekannte dürfen im Modus ‚eingeschränkte Sichtbarkeit’ meine Fotoalben nicht sehen) → siehe auch IV.C.30, S. 117. Player: Entweder Spieler in einem elektronischen Spiel, siehe auch Gamer, aber ebenfalls synonym für Programm zum Abspielen von Audio- und Videofiles. Pop-Up Window: Extrafenster im Browser. 97 (to) post/ a post/ a posting: Das Hinterlassen einer Text- oder Bildnachricht in einer Newsgroup oder in einem Forum im WWW. Steht außerdem synonym für das Hinterlassen von so genannten Comments auf persönlichen Profilseiten oder die Recommendations, also Empfehlungen, auf kommerziellen Seiten/Anbietern wie Amazon oder z.B. bei Preisvergleichsseiten und auch als Bewertungen von Einzeldokumenten bei so genannten Communities wie YouTube, Flickr oder Last.FM. Powerseller: Verkäufer mit mit einer schnellen Warenumschlagsgeschwindigkeit bei Ebay. Produsage / Produser: Die Konzepte Prod-User und Prod-Usage sollen auf die Doppelrolle des Nutzers als Produzent (Producer) und Konsument von Inhalten (User) im Web 2.0 hinweisen. Programmiersprache: „Sprache“ nur in dem Sinne, dass Programme in Programmiersprachen geschrieben werden. Protokoll: siehe Text S. 8ff. Provider: Anbieter von Services oder Serverkapazität. Publishing: siehe Text S. 14ff. Request: Anfrage Router: Hardware, die eintreffende Netzwerk-Pakete zu den entsprechenden Zielnetzen weiterleitet. Server hat zwei Bedeutungen: 1) Software, also ein Programm, dass mit einem anderen Programm (dem Client) kommuniziert und so Zugang zu Diensten verschafft. 2) Hardware, also ein Rechner oder Rechnerverbund, auf dem ein oder mehrere Server laufen. Slideshow: ein Programm, in das Fotos eingespeist werden, die dann ähnlich einer Diashow nacheinander gezeigt werden. Kann mittels HTML in Hypertext auf Websites integriert werden. Silversurfer: Internetnutzer ab dem fünfzigsten Lebensjahr. Social Bookmarking Tool: Programm oder Metatagsammlung, mit oder zur der jeder Tags hinzufügen kann, also Content für andere bookmarkt. Social Network: „Soziales“ Netzwerk im Netz, das auf Social Software basiert. Social Software: Software zur Herstellung von Social Networks im Net. Software: Programm 98 Stream: konstanter Datenstrom vom Host über einen Server zu einem Browser. Meint, dass Content wie Musik oder Videos direkt in den Browser geladen und angehört bzw. –gesehen werden können. Ein Download auf den eigenen Rechner ist nicht mehr nötig. Tab: Browserfenster im Browserfenster. So können mehrere Sites gleichzeitig im Browser geöffnet sein, die ähnlich wie bei einem Aktenreiter immer wieder aufgerufen werden können. Tag / to tag: ursprünglich synonym für die Unterschrift eines Graffiti-Sprayers, meint heute das Taggen von Webcontent. Tags sind Metadaten. Tagcloud: Eine ungeordnete Masse einzelner Tags. Tags mit viel Relevanz, also häufiger Verlinkung, werden größer angezeigt, als solche mit weniger Relevanz, die verhältnismäßig klein angezeigt werden. Taxonomy: siehe Text S. 14ff. Top 8: Die Avatare der „besten Freunde“ auf der Myspaceprofilseite. Ursprüngliche war die Anzeige auf acht Freunde limitiert. Heute können beliebig viele Topfriends angezeigt werden. Die Art der Einpassung ins Profil ist über HTML durch den User selbst programmierbar. Thread: siehe Text S. 8. Traffic: Sammelbegriff für vielerlei Art von Datenverkehr oder Datenaufkommen / Kontingent Triple Play: ursprünglich ist damit die Bindung von Audioplay, Videoplay und Datenverarbeitung in einem Gerät gemeint. Heute die Bündelung von TV, Telefonie und Internet auf einem Gerät, wahlweise dem Fernseher, dem Mobiltelefon oder dem Rechner. Unix: Betriebssystem Usenet: Unix ist ein rein textbasiertes Betriebssystem (siehe Verzeichnis der Abkürzungen). Usenet Laws: Beobachtbare Regelmäßigkeiten im Diskussionsverhalten. User: Jemand, der generell die Möglichkeit hat Online zu gehen. Vandale: User, der mutwillig bei Wikipedia Inhalte zerstört oder Blödsinn schreibt. 99 Web 1.0: Konzept für das WWW im Zeitraum zwischen 1993 und 2000. Modus: Taxonomy. Web 2.0: Konzept für das WWW ab 2000. Modus: Folksonomy. Web 3.0: Konzept für das WWW nach Web 2.0. Das WWW wird über handyfähige Betriebssysteme und graphische Benutzeroberflächen auf dem Handy ins Anzeigen des Mobilfunknetz integriert. (Web)applet: siehe → Applet. (Web)Browser: Programm zum Durchsuchen und Hypermediasystems World Wide Web. (Graphische) Webbrowser basieren auf ‚graphischen Benutzeroberflächen’. Jedes graphische Betriebssystem erzeugt eine graphische Benutzeroberfläche. Es wird dort über spezielle, eben graphische Oberflächen, also z.B. über das Ansteuern von Icons, mit einem Cursor navigiert. Web(chat): → siehe Chat Webforen: Diskussionsforen im World Wide Web Webmail: Emailprovider im World Wide Web Website: Hypertextdokument im WWW. Whole Earth Review: Magazin, das aus dem von Steward Brand gegründeten CoEvolution Quarterly hervorgegangen ist und nun Whole Earth heißt. Der Untertitel ist von Anfang an ‚Access to Tools and Ideas’. (Nintendo) Wii: Konsole von Nintendo. Siehe auch Bildbeispiel IV.C.25, S. 114. Wiki (hawaiianisch) : schnell. Windows: Betriebssystem von Microsoft. XML HTTP Request ist die Lokalisierungsanfrage an den Webbrowser bei einer Suche nach einer XML HTTP Adresse, also einem XML Dokument, dass unter einer HTTP Adresse abgelegt ist. 100 IV.C Bildbeispiele IV.C.1 Wachstum des Usenet zwischen der Gründung 1973 und 1995.390 Datum ---1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 Sites ----3 15 150 400 600 900 1,300 2,200 ~MB --- ~Posts -----2 10 0.05 20 35 120 225 1.0 375 2.0 946 Groups -----3 241 | + | | | | | | | | Datum ---1987 1988 1990 1991 1992 1993 1994 1995 Sites ------5,200 7,800 33,000 40,000 63,000 110,000 180,000 330,000 ~MB --2 4 10 25 42 70 157 586 ~Posts -----957 1933 4,500 10,000 17,556 32,325 72,755 131,614 Groups -----259 381 1,300 1,851 4,302 8,279 10,696 ~ annähernd: MB - megabytes pro Tag, Posts - articles pro Tag IV.C.2 Myspace hinter den Kulissen - Startseite des Myspace Users Captain Pansen.391 390 Wachstum des Usenet zwischen der Gründung 1979 und 1995. Download am 4.3.2008 unter: http://www.uniklinikum-giessen.de/med3/history/internet/Geschichte_Internet.html) 391 von hier aus wird wie bei einem Content Management System (→ siehe Begriffslexikon) alles gesteuert. Myspace hinter den Kulissen. Download am 19.3.2008 unter: http://home.myspace.com/index.cfm?fuseaction=user. 101 IV.C.3 Screenshot der Startseite von youtube.com392 IV.C.4 Screenshot Startseite piratebay.org393 392 393 Download am 2.3.2008 unter: http://de.youtube.com Download unter am 1.3.2008 unter: http://thepiratebay.org/ 102 IV.C.5 Mash Up IV.C.6 Info Tag bei Google Maps 103 IV.C.7 Screenshot des myspace.com Profils des Users Captain Pansen mit einem last.fm-Widget und im Widget ist ein kleines Albumcover, ein Infotag zu sehen.394 394 Screenshot des myspace.com Profils des Users Captain Pansen mit last.fm-Widget und Mash-Up. Download am 2.3.2008 unter: http://profile.myspace.com/index.cfm?fuseaction=user.viewprofile&friendid=3264338 104 IV.C.8 Screenshot eines Teils des Myspaceprofils des Users Captain Pansen mit verschiedenen Videoplayern und den Avataren der „Top 8“. 395 395 Videos The Cure „Just like heaven” und The Destillers “Drain the Blood” (von youtube.com und von myspace.video durch HTML-Tags) integriert. Links im Bild sind die Interessen zu sehen; rechts im Bild die „Freunde“. → Top 8 siehe Begriffslexikon; Screenshot eines Teil des Myspaceprofils des Users Captain Pansen mit verschiedenen Videoplayern. Download am 1.3.2008 unter: http://profile.myspace.com/index.cfm?fuseaction=user.viewprofile&friendid=32643318 105 IV.C.9 Screenshot des Myspaceprofils von Captain Pansen396 mit Slideshow und Anfang der „Comments.“397 396 mit durch HTML integrierte Slideshow und Graphik links im Bild, rechts im Bild „Freunde“ und die „Comments“ mit dem Avatar des Nachrichtenschreibers links neben dem Text. → Slideshow & → Comments siehe Begriffslexikon. Hier wird auch anderer graphischer und medialer Content geposted. 397 Screenshot des Myspaceprofils von Captain Pansen mit Slideshow und Anfang der Comments Download am 1.3.2008 unter: http://profile.myspace.com/index.cfm?fuseaction=user.viewprofile&friendid=32643318. 106 IV.C.10 Screenshot des Bandprofils der Donots bei Myspace.398 IV.C.11 Blog Internet Gesellschaft der Dozenten Thies Albers und Thomas Dierschke des Instituts für Soziologie der WWU Münster.399 398 Screenshot des Bandprofils der Donots. Die gerade zunächst in Japan ein Album veröffentlicht haben. Der einzige Track im Payer ist vermutlich der Opener des Albums und „soll für sich stehen“. Man kann, sofern man ein Profil bei myspace.com hat, „Freund“ der Donots werden, zum Beispiel dem Streetteam beitreten oder den Podcast der Band („Die relaxte Kluftpuppe), sowie diverse Newsletter abonnieren oder abbestellen. Man erhält Bulletins und kann persönliche Comments hinterlassen. Von der Band werden beispielsweise exklusive Fotos zur Verfügung gestellt oder Brainstorming-Wettbewerbe organisiert. Download am 2.3.2008 unter: http://profile.myspace.com/index.cfm?fuseaction=user.viewProfile &friend-ID=41454008 399 Download unter: http://www.internet-gesellschaft.net. 107 IV.C.12 Sozlog von Dr. Tina Guenther als Beispiel für einen Science Blog 400 IV.C.13 Surfblog.de als Beispiel für eine Erlebnisblogcommunity401 400 Sozlog von Dr. Tina Guenther als Beispiel für einen Science Blog Download am 2.3.2008 unter: http://sozlog.de/ 401 Surfblog.de als Beispiel für eine Erlebnisblogcommunity. Download am 2.3.2008 unter: http://www.surfblog.de/. 108 IV.C.14 Aliasblog des Users Captain Pansen402 IV.C.15 Tagcloud403 402 Aliasblog des Users Captain Pansen. Download am 2.3.2008 unter: http://captainpansen.vox.com/ Tagcloud → siehe Begriffslexikon. Download am 1.3.2008 unter: http://jilltxt.net/wpcontent/uploads/2006/10/tagcloud-bards-to-blogs.png 403 109 IV.C.16 Social Bookmarking Tool ‘mr-wong.de’404 IV.C.17 Screenshot vom Desktop mit last.fm-Player und Google Gadget405 404 Startseite des Social Bookmarking Tool Mister Wong. Download am 5.3.2008 unter: http://www.mister-wong.de/ . Rechts unten im Bild eine Tagcloud im Kontext. 405 Am 2.3.2008. Siehe auch Begriffslexikon. 110 IV.C.18 World of Warcraft406 406 World of Warcraft: Bild 1) typische Lebensformen Elf, Zwerg und Mensch. Download am 5.3.2008 unter: http://www.damageonline.com/World_of_Warcraft.pid.PC1779G.htm // Bild 2) Interaktion zweier Avatare. Download am 5.3.2008 unter: http://www.netzwelt.de/picture/images/articles/wow_screen02_1110908038.jpg // Bild 3) Getümmel von Avataren – die Namen der Figuren stehen in blau über den Avataren.Rechts oben im Bild der Standort in WoW. Download am 5.3.2008 unter: http://www.philoking.com/wpcontent/uploads/2007/01/WindowsLiveWriter/WorldofWarcraftPoorFrameRatesonWindowsVi_F89F/sc reenshotwow21.jpg 111 IV.C.19 Wikipedia Hauptseite407 IV.C.20 Diskussionswiki im Learnweb der WWU Münster408 407 408 Wikipedia Startseite - Download am 2.3.2008 unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Hauptseite. Mein eigenes Profil. 112 IV.C.21 Diskussionswiki bei Wikipedia. Screenshot am 1.3.2008409 IV.C.22 Screenshot vom Desktop mit mehreren offenen Skype-Fenstern. 409 Screenshot eines Diskussionswiki bei Wikipedia. Download am http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:Datenverkehr&action=edit§ion=2 1.3.2008: 113 IV.C.23 Google Search Bar410 IV.C.24 Apple iPhone411 IV.C. 25 Nintendo Wii412 410 Siehe Begriffslexikon; Download am 2.3.2008 unter: http://www.google.de/ iPhone - Download am 5.3.2008 unter: http://www.handyexperte.de/blog/?p=23 412 Download am 5.3.2008 unter: http://www.wii-reviews.de/ 411 114 IV.C.26 Screenshot von flickr.com413 IV.C.27 last.fm414 Profil und last.fm Dashboard am 1.3.2008 413 Fotocommunity; Download am 2.3.2008 unter: http://www.flickr.com/. Listenercommunity; Screenshot eines last.fm-Profils (Download unter: http://www.lastfm.de/user/Karottek/ und eines last.fm Dashboard (der persönlichen Startseite; Download am 1.3.2008 unter: http://www.lastfm.de/dashboard/) 414 115 IV.C.28 Screenshot einer Startseite bei Studivz.net 415 IV.C.29 Screenshot eines Profils bei studivz.net 416 415 Screenshot einer persönlichen Startseite bei studivz.net. Download am 2.3.2008 unter: http://www.studivz.net/Profile/97f76cd11bc6095e 416 Screenshot eines Profils bei studivz.net. Download am 2.3.2008 unter: http://www.studivz.net/Profile/97f76cd11bc6095e 116 IV.C.30 Screenshot einer Pinnwand bei studivz.net417 IV.C.31 Screenshot von Gruppen im Studivz418 417 Screenshot einer Pinnwand bei studivz.net. Im Browserfenster sind über der Pinnwand noch einige der Gruppen zu sehen. Bei den grauen Gruppen können nur diejenigen, die in derselben Gruppe sind, sehen, dass man Mitglied ist. „Die Sichtbarkeit“ kann individuell eingerichtet werden. (Download am 2.3.2008 unter: http://www.studivz.net/Profile/97f76cd11bc6095e) 418 Screenshot von Gruppen im Studivz auf der Seite von KSF (Download am 2.3.2008 unter: http://www.studivz.net/Profile/97f76cd11bc6095e). 117 IV.C.32 Frequentierung von Social Networking Sites zwischen 2005 und 2006 im globalen Vergleich.419 IV.C.33 Blog Traffic420 419 Frequentierung von Social Networking Sites zwischen 2005 und 2006 im globalen Vergleich. Quelle: Ipsos Insights 2007. Download am 25.2.2008 unter: http://www.ipsosinsight.com/pressrelease.aspx?id=3556 420 Datenaufkommen / -kontingent in der Blogosphere insgesamt in Gigabyte. weltweit: unique users October 2007. Quelle: ComScore. (Download am 27.2.2008 unter: http://blogs.guardian.co.uk/digitalcontent/category/deals/) 118 IV.C.34 The World Map of Social Networks421 421 The World Map of Social Networks. Quelle: Datensätze von Alexa (siehe auch Abbildungen 1 und 2) aufbereitet mit den Programmen von valleywag.com durch Lucas Shaw von der Firma Wandamere (http://www.wandamere.com/). Zeitliche Einstufung: Deutlich neuer als C.4; Mindmapping gewinnt erst in allerjüngster Zeit solch enorme Popularität. Man findet „Maps“ (siehe auch Map of Online Communities & Schema F) zu fast jedem Thema und in tausendfachen symbolischen und textlichen Varianten. Download am 25.2.2008 unter: http://valleywag.com/tech/data-junkie/the-world-map-ofsocial-networks-273201.php 119 IV.C.35 Long Tail of Conversation422 422 The Long Tail og Conersation Download am 13.3.2008 unter: http://www.saunderslog.com/images /2006/01/Voice%20Long%20Tail.JPG 120 IV.C.36 ‘The Map of Online Communities and Other Points of Interest’ nach Randall Munroe. 423 423 (Download am 25.2.2008 unter http://xkcd.com/256/.) Auf alten Weltkarten steht am Rand der Welt oft „Hic sint leones” (lat. „Hier sind Löwen“). In dieser Karte steht am Rand „Here be anthropomorphic dragons” (engl.: „Hier seien menschenähnliche Drachen“). 121 IV.C.37 Fragebogen 122 123 124 V.D Gesprächsanalyse, Fragebögen und Interviews V.D.1 CC – Beispiel (zur Oralität im Netz) Zur Entstehung von CC im Internet unter Einbeziehung von Social Software (hier: der Instant Messenger Skype und die Plattform StudiVZ). Avatare Stebbl Marie Karoline/KSF Suse Stoj Situation: Suse und Marie haben zusammen Graphikdesign studiert und beide gerade das Diplom gemacht. Suse ist daraufhin nach Dresden geflogen, um ihren Freund Stebbl zu besuchen, der kurz zuvor von Münster nach Dresden versetzt worden ist und in diesem Zusammenhang den Wohnort gewechselt hat. Danach ist Suse zunächst zu ihrer Schwester Steffi nach Mainz gefahren, dann zu ihrer anderen Schwester Bini. Suse und Karoline wohnen zusammen in einer WG mit Julia, Joe und dem Terrier Pipi. Stoj ist der Exfreund von Julia und seit der Beziehung zu Julia mit Joe, Karoline, Suse und Stebbl befreundet. Marie kennt er ebenfalls persönlich, die Bindung ist allerdings eher nicht als enge Freundschaft zu bezeichnen, der Grad der Bindung würde eher dem entsprechen, was landläufig unter die Formulierung ‚gute Bekannte’ fällt. Stebbl und Karoline hingegen kennen Marie gut und sind mit ihr befreundet. Besonderheiten dieses Beispiels: Kleinschreibung, Slang & Umgangsprache, auffällig viele technische und aktuelle (populär)kulturelle Bezüge. Klar erkennbare Codes, die in einem diskursiven (an Oraliät angelehnten) Prozess konstruiert worden sind. Deutlich erkennbar sind auch 125 persönliche Stilblüten und somit eine „orale“ Positionierung. Die eigene Sprache bzw. die verwendeten Wörter sind identitätsstützend. Das geht soweit, dass Individualitäten aus eine 1:1 Kommunikation bei Skype öffentlich gemacht werden, weil jeder der an der öffentlichen Konversation beteiligten Akteure, den Charakterzug kennt und so für keinen der Mitlesenden Verständnisprobleme ergeben. Außerdem ist an einer Stelle das regulierende Eingreifen von Suse auf den Dialog zwischen Stebbl und Stoj auf Stebbls Pinnwand als Durchsetzen einer umgebungsabhängigen (also konkret von dieser Gemeinschaft abhängenden) ‚Netiquette’ zu deuten. Gesprächssequenz - Tabellarischer Ansatz zur semantischen Analyse Gruppeneigene Codes Slang / Jargon „Individualitäten“/ persönlicher Stil Lautmalereien Technische Begriffe Technik- / Internetneologismen „heimisch werdsch sonntag, wenn ich den weg vom mannheimwochenend antret! so bis dahin alles blitzeblank und galant, zz! heue abend wird hier erstma geschicket und geschönt, wie damals bei´n kommanders, nur neue leutokäyschen! jahaaaa... kuss fürn hund“ → hier quasi alles auf einmal. 424 Apfelbuch, Apfelcam, herz an herz, mstopia, nürch, heimie etc. Foddos, bidde, herzken, ey, neee, Strebertussi, isch etc. suse: kusses, liebste kinder und kinderinnen, gesusedrückt, ksf: hach, suseillu, susetypo und karotext etc. pahahahahaaaaaa, kischer kischer!, hach, luv ya (= love you) ibook, .exe, apfelbuch = Laptop von Apple, apfelcam = die Kamera, die beim Macbook installiert ist (implizit voraussetzend, dass alle integrierten Anwendungen des Macbook bekannt sind) etc. Nerd etc. „pahahahahaaaa... dann is nächste zeit jawohl erstmal Ä-kording anjesacht, wa! kusses from your typotusses***“ 424 → hier quasi alles auf einmal. *** = drei Küsschen 126 Pinnwände im StudiVZ Pinnwand Marie am 22.2.2008: Pinnwand Suse am 22.2.2008 Suse (FH Münster) schrieb am 22.02.2008 um 14:16 Uhr ey und will unbedingt die diplomfoddos sehen, wenn ich wieder da bin! kusses, herzken~ Suse (FH Münster) schrieb am 20.02.2008 um 17:41 Uhr muss i denn, muss i denn zuhum städele hinaus, städele hinaus... mitm rad, mitm rad, mitm rad, kamerad! neee, am sonntag abend wieder in mstopia! bis dahin gutgehenlassen, herzchen! gesusedrückt Pinnwand Suse am 22.2.2008 KSF .... (Uni Münster) schrieb am 22.02.2008 um 13:22 Uhr HAAAAAAAAAAHAHAHAHAHAHAHAHHAAAA Stoj (Uni Osnabrück) schrieb am 22.02.2008 um 13:01 Uhr [10:21:05] Karoline : heute hab ich mein tagebuch geschrieben, dass stoj die coolste sau is. [10:23:55] Karoline : der hat nämlich ein ibook und kann gut tanzen. trinken auch gut!!!! [10:24:11] Karoline : hach KSF .... (Uni Münster) schrieb am 22.02.2008 um 09:31 Uhr du warst zu früh fort, deshalb noch dies: [09:35:54] Karoline : luv ya nürch [09:36:32] Karoline : ich wollt ich wär ein hund ist für erwachsene und muss susetypo und suseillu und karotext haben!!!!!!!!!!! [09:37:00] Karoline : ich bin übrigens neuerdings kord.exe (thanks marie) [09:37:27] Karoline : karo+word=kord, das schreibprogramm, ergo .exe KSF ....(Uni Münster) schrieb am 21.02.2008 um 20:50 Uhr mein heimie kommt zurück!! nee, ich halt alles in schuss, frag joe, aber magistern hat gerad priorität.. ich freu mich auf dich, du geliebtes eheweib! Stoj (Uni Osnabrück) schrieb am 21.02.2008 um 14:58 Uhr 127 Nee, komm heim. Aber lass den Ossi weg. Ausser Mars Volta, da darf er. Aber das ist ja in Köln. Stoj (Uni Osnabrück) schrieb am 21.02.2008 um 14:57 Uhr Bleib weg. KSF .... (Uni Münster) schrieb am 20.02.2008 um 16:48 Uhr ja. komm heim. marie (FH Münster) schrieb am 20.02.2008 um 12:30 Uhr komm zurück!! Stoj (Uni Osnabrück) schrieb am 19.02.2008 um 12:49 Uhr Frechheit! Ich bin ein nerd, und keine Strebertussi!! Pinnwand KSF am 22.2.2008 Suse (FH Münster) schrieb am 22.02.2008 um 14:05 Uhr pahahahahaaaaaa, ihr seid zuuuu wutzig! kischer kischer! liebste kinder und kinderinnen, hach isch freu mich auf euch! Suse (FH Münster) schrieb am 22.02.2008 um 10:40 Uhr pahahahahaaaa... dann is nächste zeit jawohl erstmal Ä-kording anjesacht, wa! kusses from your typotusses*** Suse (FH Münster) schrieb am 20.02.2008 um 17:39 Uhr heimisch werdsch sonntag, wenn ich den weg vom mannheimwochenend antret! so bis dahin alles blitzeblank und galant, zz! heue abend wird hier erstma geschicket und geschönt, wie damals bei´n kommanders, nur neue leutokäyschen! jahaaaa... kuss fürn hund Pinnwand von Stoj am 22.2.2008 Stebbl (FH Bingen) schrieb am 22.02.2008 um 10:03 Uhr ick wollt auch schon meinen! hier so rambo und so, ick hab den noch nicht gesehen. hab mir aber vorgestern mal planet terror ausse dvd-thek ausgeliehen! net schlecht, wenne ma auf viel blut, innen nach außen und wenig handlung stehtst.... rein damit in die maschine und glubscher (das sagt man 128 glaub ich hier) auf. rambo ist aber auf der liste ganz oben würd da aber ehr auf deine anwesenheit auf dem partnersitz zählen! muahahhaah. cheers Stebbl (FH Bingen) schrieb am 22.02.2008 um 00:00 Uhr datt mit dem ossi hab ich nich gehört! Suse (FH Münster) schrieb am 21.02.2008 um 19:18 Uhr laberlaber schnack schnack /// usw. Suse (FH Münster) schrieb am 19.02.2008 um 12:22 Uhr boooooooooooaaaaaaaaaah, stoj!!! ... du siehst aus wie ne oberstrebertuss! bahhhh aaahhh Stebbl (FH Bingen) schrieb am 16.02.2008 um 20:12 Uhr der osten läßt mich modern...alta! da kann ich nix für ehhh. warst du schon im tempel und hast dem john r. gehuldigt? Pinnwand von Stebbl am 22.2.2008: Susanne (FH Münster) schrieb am 22.02.2008 um 14:08 Uhr fiese möps, ihr! Stoj (Uni Osnabrück) schrieb am 22.02.2008 um 12:55 Uhr Spatz, wenn du einen Partnersitz für uns reservierst, bin ich sofort dabei. Aber sag Suse nichts, ich glaub, die is ganz schön eifersüchtig Stoj (Uni Osnabrück) schrieb am 22.02.2008 um 00:08 Uhr Brahahahaha!!! Tschuldige, ich wollte Grenzgänger sagen... Stoj (Uni Osnabrück) schrieb am 18.02.2008 um 15:26 Uhr John J. wird dieser oder nächster Woche beigewohnt. Zeitmangel verschafft mir diesen unbefriedigenden Zustand. Ätzend. Und bei dir? Ihr seid doch hoffentlich beide rein? Stoj (Uni Osnabrück) schrieb am 15.02.2008 um 16:00 Uhr Stebbl, du müffelst! 129 Skypedialoge Zu Skype: Die Übertragung von Nachrichten durch Skype erfolgt, wenn beide Nutzer gleichzeitig online sind. Als IM kann Skype eigentlich nur genutzt werden, wenn eine Flatrate vorhanden ist und der Nutzer oft online ist, da sich die potenziellen Interaktionspartner sonst verpassen. Voraussetzung ist, dass überhaupt Gesprächspartner vorhanden sind; es ist also eine große Menge Nutzer mit Breitbandzugang und ausreichendem Arbeitsspeicher für das Entstehen von Kommunikation über einen IM notwendig. Die jeweils anderen Skype Nutzer können als „Kontakt“ zum Account des Nutzers hinzugefügt werden. Der Status der anderen Benutzer in der Kontaktliste wird durch Icons angezeigt. Über Skype kann allerdings, wie bereits erwähnt, ebenfalls telefoniert werden. Dabei ist sowohl VoIP möglich, als auch Videotelefonie und außerdem Datenübertragung von Nutzer zu Nutzer. Über den IM können Links verschickt werden. Suse und Karoline am 22.2. über den Skype-Account von Suses Schwester Steffi in Mainz, deshalb wird Susanne im Folgenden als Steffi angezeigt: [09:16:00] Karoline : bis dahin küss ich dich in gedanken [09:25:51] Steffi : auf meinem schreibtisch liegt die karte vom Name gelöscht verlag. schick mir ma bidde name und tel.nr! danke [09:27:01] Karoline : Name und Telefonnummer wurden gelöscht [09:27:18] Karoline : ich will immer noch "ich wollte ich wär ein hund" machen. [09:27:49] Karoline : ausserdem wäre ich für die kinderbücher "pipi, der punkerhund" und james, der piratenhund" [09:28:00] Karoline : das wär so geil.. [09:28:04] Karoline : bitte bitte. [09:28:09] Karoline : ich wollt ich wär ein hund [09:28:12] Karoline : bitte! [09:34:58] Steffi : jajajajjajajaaaa [09:35:17] Steffi : so, ich überlegs mir! [09:35:33] Steffi : herz an herz und schüss, my dear Die letzten vier Nachrichten von Karoline wurden nicht übermittelt, da Suse den Rechner ausgeschaltet hat. Die Nachrichten wurden daraufhin von Karoline bei Skype ausgeschnitten und auf die Pinnwand von Suses Studivz-Profil kopiert. [09:35:54] Karoline : luv ya nürch [09:36:32] Karoline : ich wollt ich wär ein hund ist für erwachsene und muss susetypo und suseillu und karotext haben!!!!!!!!!!! [09:37:00] Karoline : ich bin übrigens neuerdins kord.exe (thanks marie) [09:37:27] Karoline : karo+word=kord, das schreibprogramm, ergo .exe 130 Stoj und Karoline am 22.2.2008: [12:09:13] Stoj : ich mach hier meinen kram fertig und schau dann, wie es um meine zeit bestellt ist. werd mein apfelbuch heute wahrscheinlich abholen können, daher nicht ganz sicher mit zeit. meld mich gegen 4-halb fünf. [12:09:24] Karoline : uiuiui!!!! [12:09:36] Karoline : dann gibts demnächst stojfotia [12:09:45] Stoj : aber ja, aber ja!! [12:09:53] Karoline : also noch mehr stojfotia als jetz schon.. [12:09:55] Karoline : hach hach [12:10:00] Stoj : hahaha [12:10:34] Karoline : wenigstens kannst mit den apfelcam keine arschfotos mehr machen [12:10:51] Karoline : ausser von dir selber [12:11:19] Stoj : nee, die hab ich eh nich dran, weil is nur ein ibook, kein neues. aber photoshop läuft gut. und icomic. jaul! [12:11:56] Karoline : oh, das meint ich gar nich. also du bist kein arsch. aber du kannst nur noch deinen eigenen hintern fotografieren. wie bart simpson mit der spionkamera [12:12:11] Karoline : aso.. [12:12:13] Karoline : aha. [12:12:17] Karoline : apple. ts. [12:12:20] Karoline : alles quatsch. [12:12:33] Stoj : laberlaber brabbelbrabbel faselfsael [12:12:53] Karoline : ich warte bis vergleichbare anwendungen im web auftauchen und dann benutz ich die mit meinem billigrechner und hab das gleiche ergebnis. [12:13:15] Stoj : nie im leben. dafür setz ich mich jetzt täglich in mir vorher unbekannte cafes und proll. [12:13:33] Karoline : apple ist metaphorisch gesprochen "viel lärm um nichts" [12:13:38] Karoline : es sieht nur schön aus. [12:13:47] Stoj : für schmales geld nehm ich gerne viel lärm [12:14:02] Karoline : und gehst dann mit der ästhetik prollen [12:14:13] Karoline : allerdings sind eh nur blenderfans davon begeistert [12:14:36] Stoj : ausserdem hat der 12" und is perfekt für die uni. du wirst von den ergebnissen begeistert sein und schrreist: stoj, stoj, mehr apfelsachen machen, losloslos!!! [12:14:54] Stoj : warts nur ab! [12:15:02] Karoline : ich warte dann demütig auf die vorlage für mein geschrei nürch [12:15:11] Stoj : das kannst du [12:15:15] Karoline : feini.. [12:15:32] Karoline : los, wir beide weiterarbeiten und dann tierarztparty.. [12:16:03] Stoj : zystenpolonäse und furunkelbreakdance. ich bin fan - ich geh hin. [12:16:20] Karoline : geilo [13:08:36] Stoj : lol@suse studivzprofil!! 131 IV.D.2 Fragebögen und narrative Interviews Es wurde bisher zwischen Onlinern und Nonlinern unterschieden. Um diese binäre Unterscheidung zu verfeinern, wurde das Konzept der Digital Natives, Digital Immigrants und Digital Tourists hinzugezogen. Es wurde ein Bekanntenkreis Fragebogen an zehn entwickelt, der Personen zwischen im direkten 22 Jahren Verwandtenund 54 und Jahren weitergegeben worden ist, die zur in Kapitel 2 beschriebenen Kommunikationselite gehören dürften. Alle ausgefüllten Fragebögen sind auf der Daten-DVD425 zu finden. Es wurden sowohl Natives als auch Immigrants und Tourists bzw. ein Silversurfer identifiziert. Interessant ist, dass sich nur eine Minderheit im Internet als Teil einer Gemeinschaft fühlt, aber viele Natives und Immigrants das Internet als Erweiterung der sozialen Realität betrachten. Es wurden im Folgenden drei schriftliche Interviews mit Digital Natives und Immigrants geführt. Suse ist ein Immigrant, der sich im Internet als Teil einer Gemeinschaft erlebt und der Virtualität als Erweiterung der sozialen Identität empfindet. Stoj, ein Native, empfindet genauso. Danimon, ebenfalls ein Native, fühlt sich nicht als Teil einer Gemeinschaft, sieht das Internet aber als Teil der sozialen Realität und könnte in der Organisation ihrer sozialen Beziehungen nicht auf das Internet verzichten. Suse, 26 Jahre, weiblich Wie sieht Dein Internettag aus? Starten der Chatprogramme Skype, ICQ. Emails checken bei StudiVZ, Myspace gmx und web.de. Danach führe ich mir auf meiner Startseite Intro.de neuste Infos und auch Artikel in der Rubrik „Steil“ zu Gemüte. Im Folgenden checke ich online mein Konto (dies jedoch nicht täglich). Zuvor antworte ich, falls neue e-mails und nachrichten vorhanden, auf die Einträge in den genannten Communities (Myspace, StudiVZ). Je nachdem wie viel Zeit ich am Rechner verbringe oder daran konzentriert arbeite, überprüfe ich diese Accounts mehrmals am Tag, um entweder meine Freizeit zu planen oder mir kleine Pausen zur Ablenkung oder zur Sozialkontaktpflege zu nehmen. Welche Webservices nutzt Du? Mitfahrgelegenheit.de, Map24.de, 425 Unter Anhang – Eigenes – Fragebögen – ausgefüllte Fragebögen. Zur Fragebogenentwicklung siehe entsprechenden Ordner. 132 deuthschebahn.de, Widgets, wetter.de, etc. Wo hast Du überall Accounts? Siehe Frage 1 und laFraise.com Hast Du eine besondere „Interneterinnerung“? Mein erster Account bei Web.de, den ich immer noch habe, hat mich enorm begeistert, so dass ich jahrelang intensive Unterhaltungen und Freundschaften (im Ausland) aufrechterhalten habe, die sonst telefonisch und postal kaum möglich oder sehr anstrengend gewesen wären. Ein weiterer Fortschritt war natürlich DSL. Die Flatrate hat jegliche Form des Informierens und des „Unterhaltens“, egal wann und wo, möglich gemacht. Kriegst Du manchmal einen "Tunnelblick" vorm Internet und vergisst die Zeit? Auf jeden Fall. Ich verliere mich dann von einer interessanten Seite zur nächsten. Die Zeit vergeht dabei im Fluge, dass ich es manchmal gar nicht registriere, dass ich schon viel länger daran sitze, als ich geplant hatte. Vor allem, wenn ich über Kreuz kommuniziere, sprich mehrer Accounts gleichzeitig nutze und man sich dabei noch links zu Filmen und Songs schickt. Ebenso eröffnet mir diese Situation auch viele „Wege“ zu neuen Informationen, die mich dann in dieser Zeit begeistern, weshalb es mich dann im Endeffekt doch nicht immer ärgert. Ist das Internet für die Vernetzung Deiner sozialen Kontakte wichtig? Inwiefern? Sicher. Denn vieles, was ich sonst in anderen Medien nicht mitbekomme, erhält durch das Internet gleich eine ganz andere Art der Bedeutung. Ich kann mir sofort ein Bild machen und weiß über jegliche Details zu Veranstaltungen (Ausstellungen, Konzerte, Filme etc.) bescheid, welche ich dann im Folgenden in meine Freizeitplanung einbeziehe und daraufhin meine sozialen Kontakte mit diesen Interessen verbinde. Ebenso, wie schon erwähnt, ist das Pflegen von Kontakten im Ausland, oder im Falle von Zeitdruck viel einfacher. Oftmals auch intensiver (mittlerweile durch Telefonie über z.B. Skype) und prägnanter, wenn man sich untereinander kurze Informationen oder Daten schickt. Der Fakt, dass man in der Nutzung von Instantmessages nebenbei auch noch anderes erledigen kann, ist für mich damit noch effektiver. Nimmst Du Virtualität als Teil Deiner (sozialen) Realität wahr? Ich denke 133 schon. Denn allein, welche Kontak- und Informationsmöglichkeite ich nutzen kann, begünstigt mir den Zusammenhalt meiner Freundeskreise und Pflege jedes einzelnen Kontaktes für sich. Danimon, 26 Jahre, weiblich Wie sieht Dein Internettag aus? Aufstehen und Macbook (liebevoll Apfelbuch genannt) aufklappen. Befindet sich im Nachts nur im Ruhezustand und ist sofort verfügbar. Emails checken (AppleMail vergleichbar mit MS Outlook verwaltet alle Webmailaccounts) und iTunes öffnen. WDR5 Echo des Tages, Indiefeed.com und Arnd Zeiglers Fußball Kolumne im Podcast hören. Währenddessen Kaffee kochen, frühstücken und Zeitung lesen. Zumindest Seite 1 bis 3. Starten der Chatprogramme (Skype) und (Adium -> fasst ICQ, AIM und MSN zusammen). StudiVZ, Myspace.com, Spiegel.de, Internetforum, Twitter.com, last.fm starten und Neuigkeiten überprüfen. Homepages (nicht privat) updaten. „Apfelbuch“ ist gleichzeitig Kommunikationsbasis und Stereoanlage. Welche Webservices nutzt Du? Webmail Accounts, Google Gadgets, Widgets für Dashboard, RSS-Feeds, Omni Growl, Peel... Wo hast Du überall Accounts? studivz.net, myspace.com, twitter.com, vox.com, virb.com, facebook.com, last.fm, flickr.com, photobucket.com, comunio.de, pownce.com, wordpress.com, blogspot.com, diverse Foren. Rest siehe oben. Hast Du eine besondere „Interneterinnerung“? Ende der 1990er Jahre. Mit 56k Modem und AOL am heimischen PC sitzend. Internet in Zeitlupe. Immense Kosten, wenig Leistung. Trotzdem ausreichend Ablenkung. Kriegst Du manchmal einen "Tunnelblick" vorm Internet und vergisst die Zeit? Ja, das passiert schnell, da das Internet so intensiv vor allem für das Pflegen der privaten Kontakte aber auch Job-bedingt genutzt werden muss. Ist das Internet für die Vernetzung Deiner sozialen Kontakte wichtig? 134 Inwiefern? Ja, sehr. Viele der Kontakte a) sind nur so b) viel leichter zu kontaktieren. Einige dieser Freundschaften sind durch Web2.0 entstanden und warum sollte man auch nicht weiter über Web2.0 kommunizieren... Außerdem ist tippen angenehmer als telefonieren. Hehe. Nimmst Du Virtualität als Teil Deiner (sozialen) Realität wahr? Ja, auf jeden Fall. Ich habe definitiv ein Online Leben, dass sich teilweise vom Real Life unterscheidet. Somit ist die Virtualität ein Teil meiner sozialen Realität. Stoj, 29 Jahre, männlich Wie sieht Dein Internettag aus? Im Folgenden die Nutzung beim ersten Einschalten am Tag, bzw. nach Abwesendheit vom PC über einen längeren Zeitraum (alles daheim). Email-Konten prüfen (alle via Outlook), Starten der Chatprogramme (Skype, Icq, msn), Anmeldung in das Intranet des Arbeitgebers, mehrere Tabs im Browser öffnen und folgende Seiten über gespeicherte Links aufrufen: studiVZ, MySpace, Onlinebanking, Spiegel.de, DIY (http://www.thisisfakediy.co.uk/news), Penner.de (Browsergame), Uni-Server, communio.com (Browsergame), kicker.de. Folgenutzung abhängig von gebotenen Aktualitäten. In aller Regel wird auf gesendete Mails zunächst geantwortet, dann auf mögliche Einträge und Nachrichten bei MySpace und studiVZ. Des Weiteren mögliche Aktionen bei den Browsergames - die Intensität aber abhängig von Reaktionen, die von Nöten sind. Im weiteren Tagesverlauf werden diese Aktionen vier bis fünfmal wiederholt, abhängig von der Zeit, die vor dem PC verbracht wird. Mal mehr, aber auch mal weniger. Welche Webservices nutzt Du? Rapidshare.de (Dateien up- und Download), wWbmail, atoolo.com (Dateienauslagerung), Google Gadgets, Widgets, rssfeeds. Weitere siehe oben. Zu dem Services, die man automatisch nutzt, die mir aber nicht ad hoc einfallen, da sie mehr aus der Situation heraus bedient werden müssen. Wo hast Du überall Accounts? Siehe oben, plus noch Ebay, kicktipp.de, youtube.com, photobucket.com, flicker.com, last.fm, vox.com (+ weitere Blogs), 135 Webmail (Google, Gmx, web.de), … Hast Du eine besondere „Interneterinnerung“? Erinnerungen aus der Zeit Mitte bis Ende der Neunziger: Gute Erinnerungen an die Ebay-Anfangszeit, da dort sehr häufig aktiv gewesen. Ebenso an Napster und Kazaa sowie weitere „Musik- und Filmtauschbörsen“. Des Weiteren noch an AOL, da es noch nie einen beschisseneren Webmail- und Internetprovider gegeben hat - Das war selbst zu der Zeit unterirdisch. Freude über die zunehmende Geschwindigkeit bei den Verbindungen (DSL) und den Übergang von Web 1.0 zu Web 2.0. Kriegst Du manchmal einen "Tunnelblick" vorm Internet und vergisst die Zeit? Ja, sehr häufig sogar. In der Regel dann, wenn ich mich in den Untiefen mancher Musikblogs bewege und von Link zu Link klicke und viel lese. Das geschieht nach ca. einer halben Stunde der intensiven Recherche und endet bei erfolgreicher Selbstdisziplinierung - nach mehreren Stunden. Ist das Internet für die Vernetzung Deiner sozialen Kontakte wichtig? Inwiefern? Ja. Daher wichtig, weil viele Kontakte a) über das Internet entstanden sind und b) diese und weitere Kontakte darüber gepflegt werden via Mail, StudiVZ, Myspace, … Viele dieser Kontakte sind untereinander vernetzt, sodass manche Gruppenunterhaltungen über das Internet getätigt werden, sowie Absprachen für Konzertbesuche etc. (Beispiel Bulletin) Nimmst Du Virtualität als Teil Deiner (sozialen) Realität wahr? Das sollte sich ja mittlerweile mehr als bestätigt haben… Ja, das tue ich. Die „Virtualität“ ist Teil meiner (sozialen) Realität. Ich drücke mich (auch) über das Internet aus. Für das Ausfüllen der Fragbögen, die Interviews und die Erlaubnis der Nutzung der Pinnwände und Skypedialoge möchte ich mich herzlich bei meiner Mutter und meinem Bruder Julius, bei Suse, Marie und Joe, bei Stoj, Stebbl, Vitus und Resa und bei Henning und Danimon bedanken. 136 IV.E Daten-DVD mit Medienbeispielen und Herleitungsnachweisen 137 V Literatur Alby, Tom (2007): Web 2.0. München Alles wandert ins Netz. 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(Download am 17.2.2008 unter : http://www.oreillynet.com/pub/a/oreilly/tim/news/2005/09/30/ what-is-web-20.html)…………………………………………………………………… 14 Abb. 2: Long Tail (Download am 8.3.2008 unter: http://www.thelongtail.com/conceptual.jpg)........... 16 Abb. 3: Das Wachstum des Internet - Anzahl der Hosts, Netzwerke und Domains zwischen 1969 und 1997 (Download am 4.3.2008 unter: http://www.zakon.org/robert/internet/timeline/#Growth)......................................... 22 Abb. 4: Anzahl der Hosts zwischen 1995 und 2006 (Download am 4.3.2008 unter: http://www.zakon.org/robert/internet/timeline/)............................................. 23 Abb. 5: Prozentuale Nutzung des Internet auf den Kontinenten weltweit 2007. Vgl. „World Internet Penetration Rate“. Quelle: www.internetworldstats.com ausgewertet durch die Miniwatts Marketing Group. (Download am 6.3.2008 unter http://www.internetworldstats.com/stats.htm.)....... 23 Abb. 6: Entwicklung der Nutzerzahlen des WWW in Deutschland zwischen 1997 und 2006. Basis: Erwachsene ab 14 Jahren in Deutschland. In: Internet zwischen Hype, Ernüchterung und Aufbruch. 10 Jahre ARD/ZDF-Onlinestudie. S. 2. (Download am 21.2.2008 unter http://www.br-online.de/br- intern/medienforschung/ard_zdf_online/studie/startseite/) ………......................... 24 Abb. 7: Breitbandanschlüsse in Deutschland zwischen 2001 und 2007. In: Schmundt, Hilmar (2008): Gedrängel im Nadelöhr. In: DER SPIEGEL 10/08. S.170. UND: DSL-Auststattung 2003 – 2006. Quellen: ARD/ZDF Onlinestudien 2003 – 2006. In: Fisch, Martin / Gescheidle, Christoph (2006): Onliner: Zwischen Breitband und Web 2.0 – Auststattung und Nutzungsinnovation. In: Media Perspektiven 8/2006. S. 431 – 440……………………………………..…….. Abb. 8: The WELL Logo 2007 (Download am 8.3.2008 26 unter http://www.well.com).............................................................................................. 34 Abb. 9: Mitgliederzahlen deutscher und weltweiter Online Communities im Vergleich. In: Bonstein, Julia (10.3.2008): „Stupser contra Gruschler“. In DER SPIEGEL 11/08. S. 110………………………………………………………………… 36 147 Abb. 10: Vom Gespräch zu CMC. Graphik von Gary Fogelson. In: Wright, Alex (2.12.2007): Friending, Ancient or Otherwise. New York Times Online (Download am 17.3.2008 unter: http://www.nytimes.com/2007/12/02/weekinreview/02wright.html?_r=1&oref=slo gin)......................................................................................................................... 76 148