TRETS in Aktiv Radfahren, März 2015
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TRETS in Aktiv Radfahren, März 2015
REISE | USA USA Westküste California Dreaming Traumziele für eine Radreise gibt es viele. Die Auswahl wird jedoch eng, wenn zwei kleine Kinder mit an Bord sind. Familie Cammann radelte während der zehnwöchigen Elternzeit von Seattle bis San Diego. Ein Highlight an der amerikanischen Westküste: die Fahrt über die Golden Gate Bridge Text: Sandra Cammann Fotos: Henning Cammann H ighway 101, Camping unter Palmen, jeden Tag Meerblick, tolle Natur – die Pacific Coast Bicycle Route an der Westküste der USA gehört zu den absoluten „Traumstraßen“ für Radreisende. Soviel wussten wir. Dass es dort auch Klapperschlangen, Erdbeben und hohe Berge geben soll, erzählten uns Freunde, Eltern und Bekannte als Warnung. Geplant haben wir die Radreise trotzdem. Zunächst wollen wir in der beginnenden kalifornischen Sommerhitze bis nach San Diego radeln, da es bei unserem Start Mitte April in Seattle viel zu kalt und regnerisch gewesen wäre. Dann geht es mit einem Mietwagen in einer Woche nordwärts, um anschließend den Abschnitt Seattle bis zurück nach San Francisco wieder per Rad zu kurbeln. Startschwierigkeiten Bisher geht die Planung voll auf. Vor einer Woche sind wir in San Francisco gestartet. Noch fallen die Tagesetappen von 60 km schwer, denn wir sind bis oben hin vollgepackt. An jedem Rad hängt zusätzlich ein Kinderanhänger. Im Kindercar beobachtet unser ein Jahr alter Sohn Felix voller Interesse die großen Autos und unsere sechsjährige Tochter Lara tritt fleißig im Hase Trets mit. Die Hitze ist gerade so auszuhalten, und eine super Infrastruktur aus Fahrradwegen, Campingplätzen und Versorgungsmöglichkeiten macht das Radeln angenehm. Leider währt unsere Anfangseuphorie nur bis Marina Beach. Wir haben zwar einen tollen Zeltplatz am Strand, aber so recht will kein Beachfeeling aufkommen. Lara ist kreidebleich, völlig geschwächt und hat in kurzer Zeit hohes Fieber bekommen. Das war auf Radreise immer unsere größte Angst. Doch wir erfahren viel Unterstützung. Ohne großes Aufheben fährt uns die Campingplatz-Betreiberin zum nächsten Arzt. Er verschreibt „antibiotics“, drei Tage Pause und viel 120 | aktiv Radfahren 3/2015 aktiv Radfahren 3/2015 | 121 REISE | USA Dem Monsun entgegen. Mit jedem Pass wird die Landschaft etwas grüner und der Himmel spürbar grauer. B d iim Z lt – FFelix li Badewanne Zelt in der Faltschüssel. Nach gut 7.000 Kilometern in Asien ist das Fahrrad in erfreulich gutem Zustand. Das ist auch gut so, meine Talente als Mechaniker halten sich eher in Grenzen. Dieser Stock muss auch noch mit – jeder Anhänger wiegt schon knapp 80 kg. 122 | aktiv Radfahren 3/2015 Traumplatz im Morgennebel: Frühstück mit Spiegelei unter Palmen am Refugio State Beach. Schlaf. Danach ist zumindest das Fieber rückläufig. Wir riskieren die Weiterfahrt und freuen uns über das Regenverdeck des Hase Trets, das Lara nun vor einer Auskühlung schützt. Der Radweg führt uns mitten durch ein Blumenmeer – fernab von Autos und Abgasen. Schnell sind wir nicht unterwegs, mittendrin überholt uns ein Läufer. Er stoppt und erzählt uns vom großen Big Sur Marathon. In zwei Tagen werden die Straßen für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Da kommt uns der 17-Mile Drive mit einem kleinen Umweg gerade recht. Jeder Meter ist hier hart erkämpft, denn ausnahmsweise haben wir starken Gegenwind. Vorbei an Golfplätzen und teuren Hotels fahren wir zu den ältesten und größten Zypressen der Welt und machen dort erschöpft unsere Mittagspause. Felix stopft Tomaten, Tortellini, Babynahrung und Apfelmus in sich hinein. Lara knabbert an einem Keks. Kekse zum Mittagessen – das finden die Kinder natürlich super. Auf Tour ist eben alles anders. staunen über die Steilküste mit ihren wilden Sandstränden. Tierische Erlebnisse Baywatch Nach einem weiteren Tag auf dem Campingplatz mit Spielen, Baden und reichhaltigem Essen wollen wir wieder in den Tritt kommen. Auf dem Weg nach Big Sur herrscht viel Verkehr. Kein Wunder – schließlich sind hier die touristischen Highlights. So fahren wir an den Villen von Schauspielern und Superstars vorbei und An Los Angeles geht es zu unserem Glück am Strand vorbei. Trotzdem ist viel los auf dem Radweg: Überall tummeln sich Surfer, Fitnessfreaks, Skater – aber auch Obdachlose. Diese sind jedoch meist sehr zurückhaltend und allgemein erleben wir eine große Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft. Radfahrer geben Vor San Simeon ertönt plötzlich vom Wasser lautes Geschrei. Mitten auf einer Brücke stoppen wir und sehen zunächst nur riesige Steine im Wasser und auf einem Anleger liegen. Doch irgendwie bewegt sich alles. Direkt am Highway kann man hier eine riesige Kolonie See-Elefanten beobachten. Es ist unglaublich, wie die Tiere trotz ihrer Größe im Wasser umherspringen oder am Strand mit ihren Babys kuscheln. Lara und Felix kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Überhaupt gibt es am Wegesrand oder auf dem Zeltplatz für die Kinder viel zu sehen: Pelikane im Tiefflug, Geier auf Felsen, Elche am Straßenrand und Eidechsen, die über unsere Füße laufen. Nicht ganz so angenehm sind die Waschbären, die alles Essbare auf Campingplätzen „klauen“ und Gerüchten zufolge sogar Zeltreißverschlüsse öffnen können. Ein Cable Car quält sich die steilen Straßen in San Francisco hinauf. Wir setzen lieber auf unsere treuen Drahtesel. „Coffee time“ – so viel Luxus gehört auf Tour dazu. uns ihre Telefonnummern – für den Notfall. Auf dem Campingplatz bekommen wir Feuerholz und Trinkwasser sowie Schokolade für die Kinder geschenkt. Eine Familie besucht uns und bringt Pizza für alle mit, eine andere lädt uns zu einer Übernachtung bei sich ein. So auch hier, wo sich ein Rennradfahrer als Guide durch das Gewusel anbietet. Wir sind in der ersten Reihe dabei und fahren kilometerlang auf dem Strandradweg durch die Baywatch-Kulisse. Mittlerweile ist es tagsüber ziemlich heiß. Zehn Liter Trinkwasser schleppen wir täglich mit und trotzdem ist bereits am frühen Nachmittag alles verbraucht. Jeder Schattenplatz wird zum Verschnaufen genutzt. Das Thermometer klettert regelmäßig auf 40° Celsius und wir sind nach vier Wochen unterwegs recht froh, als wir San Diego erreichen. Hier wartet auf uns ein vollklimatisierter Chevrolet Suburban, mit dem wir in einer Woche problemlos samt Fahrrädern, Anhängern und Gepäck im riesigen Kofferraum nach Seattle fahren. Seven Devils Das Wetter ist hier wie erwartet angenehm kühl und regnerisch. Mittlerweile sind wir gut eingefahren und können direkt mit längeren Tagesetappen starten. Schon nach einigen Tagen fühlen wir uns wieder wie in Kaliforni- aktiv Radfahren 3/2015 | 123 REISE | USA Outdoor-Katzenwäsche und mittags „Mahlzeit on the road“ – Alltag auf Radreisen. Carmel Beach: Paradies am 17-Mile Drive für Surfer und Sonnenanbeter – natürlich auch für Radfahrer en – überall Sand und ein ständiges Brummen von Motoren. Wir sind in den Oregon-Dunes – einem Outdoorspielplatz der Amerikaner. Wie in einer Wüste breiten sich die hohen Sanddünen über mehrere Kilometer aus. Zu Hunderten heizen hier Quads durch die „Berge“. Eine Wanderung in die Dünen wäre wahrscheinlich lebensgefährlich. Daher beobachten wir das Spektakel lieber von der Straße aus. Etwas ruhiger wird es in Charleston. Schilder weisen den Weg aus dem Tsunamigefahrengebiet – hoch auf die Berge. So ganz wohl ist uns nicht dabei, denn die Straßen haben teilweise große Risse und Verwerfungen. Trotz Bauchgrummeln wählen wir für unsere Übernachtung einen Platz direkt am Pazifik. Die Sonne geht glühend unter und wirft ein magisches Licht auf unser Zelt – bestimmt kommt in dieser Nacht kein Tsunami. Boxenstopp – Felix hat die Windel voll. Papa Henning sorgt für einen schnellen Wechsel. 124 | aktiv Radfahren 3/2015 Wir fahren gerade wieder auf die Straße, als wir in letzter Sekunde die kalifornische Königsnatter vor uns auf der Straße entdecken. Lara stößt einen spitzen Schrei aus, als die schwarzrote Schlange erschrocken in die Luft schnellt. Nichts passiert. Heute geht es durch die „Seven Devils“. Sieben kurze aber sehr steile Anstiege über mindestens 20 Kilometer verteilt. Bereits der erste raubt uns die Puste. Auf der Straße sind Kreidemarkierungen und gemalte Teufelsgesichter von anderen Radfahrern. So wissen wir, welchen Das brauchen Sie beim Radkauf Die beliebte BikeMedia-Radkatalog App t t t t t Über 2.000 Räder Anschauliche Bilder und Detailansichten Genaue Spezifikationen Testberichte zur Orientierung Händlersuche Damit bekommen Sie einen genauen und umfassenden Überblick über die Fahrrad-Modelle des aktuellen Jahres und des Vorjahres. 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Lara sammelt alle auf und bastelt sich eine Halskette daraus. Wir bleiben lieber bei den bewährten Nudeln und ergänzen die Vorräte in einem „Organic“-Laden in Mendocino. Immerhin gibt es als Nachtisch heute eine Puddingschnecke. Radweg durch die Sandkiste: Felix und Lara testen den feinen Sandstrand von Venice Beach. 0'(*(.**$%$$)%*' Rauf und runter: Vorbei an Los Angeles führt der Radweg oft direkt am Strand entlang. Kalifornischer Mammutbaum: Diese Riesen werden bis zu 95 Meter hoch und sind teilweise über 2000 Jahre alt. ). !&!)%!$,!!#%*)+!, 3(%. !) -$6)-.!) ,*/.!)+%'')'' ')+%# „Teufel“ wir bereits überwunden haben. Die schwerste Hürde kommt zum Schluss: abwärts auf einer schlaglochübersäten Straße. towierten Biker mit den langen Bärten aus. Erst abends verstummt das Brummen der Motoren und in den Redwoods kehrt wieder Ruhe ein. Durch Berge und Wälder Ein paar Tage später führt uns der Highway 101 wieder durch die Berge. Je höher wir fahren, desto wärmer wird es. Hier fehlt der kühlende Seewind. Es geht über den gefürchteten Bergpass Leggett Hill, an dem gerüchteweise viele Radreisende ihr Gepäck abwerfen. Bei uns sind zwar die Anhänger immer schwerer geworden, da Felix und Lara fleißig Stöcke und Steine zum Spielen sammeln – aber Wegwerfen kommt für beide wohl eher nicht in Frage. Zwischendurch überlegen wir ernsthaft, ob wir hoch schieben und die Kinder zu Fuß gehen – oder doch etwas zurücklassen. Schnell merken wir, dass die 280 Meilen vor San Francisco biegen wir ab in die Avenue of Giants. Vorbei an kleinen verwaisten Städten führt uns die Straße mitten durch ein Gebiet mit riesigen Bäumen. Die Sonne scheint, aber nur einzelne Strahlen schaffen es, uns den Weg zu leuchten. Friedlich radeln wir vor uns hin und dann das: Scharen von Motorradfahrern donnern auf ihren Maschinen an uns vorbei. In Percy ist gerade das Event des Jahres: 4000 Biker werden erwartet. Lara und Felix verkriechen sich auf einem Rastplatz in einem hohlen Baum. Zu unheimlich sehen die tä- '!)' $) '*$(%.(&- ""0'"' &*)2%+%!,.!,,.*#,+$%!%(/() ""$*$')$ ,))'*$' /() 0'""$*$')$'!( !, */,!)0*,-$'5#!'-*1)'* /" ,,,''*'!')$ """ ''$ )" ! 126 | aktiv Radfahren 3/2015 !-.!''!)%! %,!&.%(!-$*+* !,+!,%'/).!,!-.!''/)#0%!'!"!' ! %!'!"!' !,!,'#4%! !,1'' 4 %!'!"!' 4!' Jetzt testen! REISE | USA 2 Ausgaben für nur 5 Euro! wanderlust Das Magazin für die neue Art zu wandern Sofort bestellen unter: www.wanderlust-magazin.de/+bva oder +49 (0) 2225/7085-386 Aktionscode: BVA Infos 128 | aktiv Radfahren 3/2015 Anreise: z.B. Gabelflug Frankfurt – Seattle/ San Diego-Frankfurt mit KLM ab etwa 850 Euro oder San Francisco ab 650 Euro, Fahrräder etwa 100 USD/Strecke Tipps zur Tour: Die Pacific Coast Bicycle Route ist fast durchgängig ausgeschildert. Die Infrastruktur ist optimal für Radfahrer und auf deren Bedürfnisse ausgerichtet. Spezielle Hiker-Biker-Sites gibt es auf staatlichen Campingplätzen ab 5 Euro pro Erwachsenen. Private Campingplätze kosten um 30 Dollar die Nacht. Besonders Insider-Tipps Geheimtipps: Zelten am Pazifik unter Palmen gibt es für 5 Dollar pro Person am Refugio State Beach. Der 17-Mile Drive in Monterey mit beeindruckender Natur und einsamen Seehundbuchten ist für Fahrradfahrer kostenlos. Ein Kaffeestopp in der Big Sur Coast Gallery & Coffee direkt am Highway 1: über die Gallery findet man den Eingang zum Café, das im ersten Stock besonders auf der Terrasse einen weiten Ausblick über die Küste von Big Sur bietet. Traumhafte Wandertouren Zum Sammeln Tourenkarten Vertrauensgarantie: Sie gehen keine weiteren Verpflichtungen ein. Ihr Testabo endet automatisch. Literatur: „Bicycling the Pacific Coast: A Complete Route Guide, Canada to Mexico“ von Vicky Spring und Tom Kirkendal Landkarten: „Bicycle Tour Maps“ der USA Adventure Cycling Association Beste Reisezeit: Wird die Tour in zwei Teilen gefahren, ist der Zeitraum April/ Mai von San Francisco bis San Diego ideal und Juni/Juli für Seattle bis San Francisco. Wer die Strecke in einer Tour fährt, startet besser von Juli bis September. Wertvolle Reise-Infos: www.visitcalifornia.de Wir sind vor Ort Kurz vor San Francisco treffen wir auf mehrere Radreisende, die aus dem Süden kommen und von uns gehört haben. Man spricht von der „German Bikefamily“. Alle wollen die Kinder sehen und bestaunen unsere Räder mit den Anhängern. Kurz darauf überholt uns eine große Gruppe Rennradfahrer bei Nieselregen und Wind. Ihr Motto: „Sierra to the Sea“. Auch sie haben etliche Kilometer durchs Gebirge zurückgelegt – allerdings ohne Gepäck. Etwa 60 Leute der Gruppe belegen das einzige Hotel in Tomales. Wir fragen höflich, ob es möglich ist, im angrenzenden Countypark neben dem Spielplatz unser Zelt aufzustellen. Und haben Glück. Am nächsten Tag treffen wir die Rennradgruppe 50 km weiter auf der Olema Ranch und stellen unser Zelt dazu. Der Organisator lädt uns persönlich ein, mit allen an der großen Tafel zu essen. Aus Lautsprecherboxen dröhnt das Lied „The Final Countdown“. Noch eine Etappe, dann sind sie in San Francisco und haben sich ihren Traum erfüllt. Wir auch. an den Wochenenden sollten Plätze und Motelzimmer vorgebucht werden. Wegen der Windrichtung und der seeseitig besseren Sicht empfiehlt sich eine Streckenführung von Nord nach Süd. Final Countdown Auf der Strecke von Seattle bis San Diego ist man fast ausschließlich auf zwei Straßen unterwegs: bis Legget auf dem Highway 101 und ab dort auf der California 1. Starke Küstenwinde kommen meist aus Nordwest. Typischer Frühnebel kann die Sicht behindern. Während der Norden meist kühl und verregnet ist, herrscht im Süden Kaliforniens Hitze und Trockenheit. Im Sommer kommt es oft zu Waldbränden. © istockphoto.com/matthewleesdixon Manchmal geht nur noch Schieben: Kurz hinter Elk geht es einen Kilometer mit fast 20 Prozent bergauf.