6/2013 - Schweizer Familie
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6/2013 - Schweizer Familie
Menschen Die Wildschützerin und ihre Schnüffler Sie trainiert Hunde, die mit ihren feinen Nasen im Virunga Nationalpark im Kongo Wilderer aufspüren. Für ihren Einsatz erhält die Tierärztin Marlene Zähner den Umweltpreis Trophée de femmes. Text Susanne Rothenbacher Foto Judith Stadler und André Uster M arlene Zähners Hände sind klein und kräftig. Es sind Hände zum Zupacken – und so fühlt sich auch ihr Händedruck an: fest und bestimmt. Ein Händedruck, heisst es, kann viel über einen Menschen erzählen. Zumindest auf die 53-jährige Tierärztin trifft dies zu. Genauso beherzt, wie sie die Hand ihres Gegenübers ergreift, geht sie an, was sie in ihrem Leben schaffen will. Und das ist viel. Seit zwei Jahren pendelt die Aargauerin zwischen Afrika und der Schweiz hin und her. Im Virunga Nationalpark im Kongo baut sie eine Hundestaffel auf, die im Kampf gegen Wilderer eingesetzt werden soll. Für dieses Engagement konnte sie am 6. Februar den Umweltpreis Trophée de femmes entgegennehmen. Bloodhounds sind schuld daran, dass es Marlene Zähner in den Kongo verschlagen hat. Diese aussergewöhnlichen Hunde begleiten die Aargauerin seit ihrer Kindheit. Als Marlene Zähner nach dem Studium einige Jahre in den USA arbeitete, entdeckte sie dank ihrer Bloodhounds das Mantrailing – eine besondere Form der Personensuche. Sie brachte die Methode in die Schweiz und machte sie europaweit bekannt. «Bloodhounds», sagt Marlene Zähner, «sind starke Persönlichkeiten. Gutmütig, aber eigenwillig. Deshalb liebe ich sie auch. Reine Befehlsempfänger sind nicht mein Ding. Weder unter den Hunden noch unter den Menschen.» 18 Schweizer Familie 6/2013 Seit Jahrhunderten werden die sabbernden, schlappohrigen Riesen darauf gezüchtet, selbständig einer Fährte nachzugehen. Dabei leisten sie Unglaubliches. Sie können Duftpartikel wahrnehmen, die mehrere Tage alt sind – und ihnen während Stunden unbeirrbar folgen. «Eine meiner Hündinnen hat einmal die Spur einer Frau gefunden, die drei Wochen zuvor verschwunden ist», sagt Marlene Zähner. Bloss – diese Hunde-Persönlichkeiten davon zu überzeugen, ihre Fähigkeiten in den Dienst des Menschen zu stellen, braucht viel Wissen und Erfahrung. «Deshalb dachte ich, die spinnen, als im Dezember 2010 der Sicherheitschef des Virunga Nationalparks fragte, ob ich Bloodhounds in den Kongo schicken könne.» «Ein ungewöhnlicher Mensch» Anfragen dieser Art sind für Marlene Zähner nichts Ungewohntes. Sie ist nicht nur Expertin für Mantrailing, sie züchtet seit Jahrzehnten selbst Bloodhounds. Zudem arbeitet sie seit Jahren mit Polizeidiensten in Deutschland und in der Schweiz zusammen. Daneben zählt sie zu den Gründern der Stiftung Certodog, die heute zu den grössten Anbietern von Hundekursen gehört, und führt im aargauischen Kleindöttingen ein Wohlfühl- und Kurszen trum für Menschen, Pferde und Hunde. Es war nicht die Arbeit in Afrika, die Marlene Zähner scheute. «Ich sah wirklich nicht, wie man im Kongo eine Staffel mit Bloodhounds aufbauen konnte.» Also kramte sie ihr bestes Französisch hervor, um dem Mann die Idee auszureden. Doch die Hunde-Expertin hatte nicht mit Emmanuel de Merode gerechnet. Der 43-jährige adlige Belgier leitet seit 2008 den Virunga Nationalpark und ist «einer der ungewöhnlichsten Menschen, die ich je kennengelernt habe», wie Zähner sagt. Er übernahm die Leitung des Parks, nachdem 2007 der damalige Direktor sechs seiner Ranger angestiftet hatte, eine Berggorilla- Familie umzubringen – als Warnung für Die Preisträgerinnen Am Mittwoch, 6. Februar, hat die Stiftung Fondation Yves Rocher zum siebten Mal den Umweltpreis «Trophée de femmes» verliehen. www.yves-rocher-fondation.org Der erste Preis, dotiert mit 5000 Euro, was 6100 Franken entspricht, ging an Marlene Zähner aus Widen AG. Den zweiten Preis, dotiert mit 3000 Euro (ca. 3700 Franken), gewann Judith Ellens aus Zürich. Judith Ellens hat die Organisation «Eaternity – Klimafreundliches Essen» mitgegründet. www.eaternity.ch Den dritten Preis (2000 Euro, ca. 2500 Franken) gewann Monica Biondo aus Rosshäusern BE. Sie setzt sich für bedrohte Meerestiere wie Rochen und Haie ein. www.galuchat.ch «Starke Persönlich keiten»: Tierärztin Marlene Zähner, 53, über ihre Blood hounds Furaha, Arwen und Yetta (v. l.). Schweizer Familie 6/2013 19 Menschen LESERINNENAUFRUF Wir suchen starke Frauen im Einsatz für die Natur «Ich wurde so etwas wie ihre Hoffnung»: Marlene Zähner mit Rangern im Virunga Nationalpark im Kongo. Sie engagieren sich mit Leib und Seele für den Umweltschutz? Dann bewerben Sie sich für den Umweltpreis Trophée de femmes 2014. Die Yves Rocher Fondation unterstützt die drei besten Projekte mit Preisgeldern im Gesamtwert von 10 000 Euro. www.yves-rocher-fondation.org Die Tierärztin Marlene Zähner gewann mit ihrem Projekt zum Schutz des kongolesischen Virunga Nationalparks und der dort lebenden, vom Aussterben bedrohten Tiere den ersten Preis der Trophée de femmes 2013. Auch in diesem Jahr sind die Umweltstiftung Yves Rocher Fondation und die «Schweizer Familie» auf der Suche nach Frauen, die Grosses für unsere Umwelt leisten. Frauen, die sich mit Herzblut für die Natur einsetzen, die aussergewöhnliche Projekte initiiert haben und Menschen für ihre Sache motivieren konnten. Ihnen gebührt Anerkennung und Unterstützung. «Wenn man nicht bereit ist, Risiken einzugehen, kann man nichts bewegen auf dieser Welt.» Marlene Zähner Mit ihrem Projekt «Kampf gegen Wilderei und Schutz bedrohter Arten im Virunga Nationalpark im Kongo, Afrika» gewann Marlene Zähner den ersten Preis der Trophée de femmes 2013. Fondation, der «Schweizer Familie» und von schweizerischen Umweltorganisationen kürt die drei besten Projekte, welche mit Preisgeldern im Gesamtwert von 10 000 Euro gefördert werden. SENDEN SIE IHRE BEWERBUNG BIS ZUM 30. SEPTEMBER 2013 AN: Yves Rocher, Stichwort «Umweltpreis», Postfach, 9029 St. Gallen. Bitte stellen Sie eine formlose Projektmappe zusammen, die folgende Elemente enthält: Beschreibung und Ziel Ihres Projekts, bereits realisierte Aktionen, beteiligte Personen oder Institutionen, Finanzierung sowie Fotos, Artikel oder Filme usw. Weitere Informationen sowie ein Bewerbungsformular finden Sie unter www.yves-rocher-fondation.org oder unter www.schweizerfamilie.ch/trophee. Nationaler Umweltpreis Trophée de femmes 2014 1. Preis: 5000 Euro 2. Preis: 3000 Euro 3. Preis: 2000 Euro Die Siegerin nimmt ausserdem an der internationalen Ausscheidung in Paris teil, bei welcher der erste Preis mit 10 000 Euro dotiert ist. Foto: zvg Setzen auch Sie sich für die Natur ein? Dann bewerben Sie sich jetzt mit Ihrem Projekt für den nationalen Umweltpreis Trophée de femmes 2014. Eine Jury aus Vertretern der Yves Rocher ein Mensch, der stets weiss, was er will – dabei, wie sie vorschlug, geeignete Hunde aufzutreiben. Wie sie eine Skizze der Zwinger zeichnete, die gebaut werden müssen. Und ein Ausbildungskonzept für die künftigen Hundeführer schrieb. «Am Schluss bot ich an, die Hunde selbst zu bringen. Ich war ja so was von ahnungslos.» go. Sie zeigt den Rangern, wie sie mit den Hunden arbeiten müssen. Doch sie tut noch viel mehr. Sie bringt den jungen Männern Medikamente und Vitamine, Bücher und Spiele. Sie regt sie an, Englisch zu lernen. «Ich wurde so etwas wie ihre Mutter, ihre Hoffnung für die Zukunft», sagt sie. Marlene Zähner war auch im letzten Stundenlang warten am Zoll Frühling im Kongo, als im Park erneut Mit sechs Welpen im Gepäck nach Afrika Gefechte ausbrachen und auch in Rumanzu fliegen ist eine logistische Bravour- gabo geschossen wurde. Sie hat geholfen, leistung – und braucht Nerven. «Nach Verwundete zu verarzten. Angst um ihr zwei Tagen standen wir in Ruanda an der Leben hatte sie nicht. «Wenn man nicht Grenze zum Kongo. Die Hunde waren ir- bereit ist, Risiken einzugehen, kann man gendwie in einem viel zu kleinen Minibus nichts bewegen auf dieser Welt.» verstaut. Stundenlang liess man uns warDie Bloodhounds haben im Virunga ten. Als uns die Zollbeamten endlich Nationalpark bereits viel bewegt. Sie hadurchwinkten, war es dunkel – und viel zu ben die Ranger zu Wilderern geführt, die gefährlich, um weiterzufahren.» Was tun? einen jungen Elefantenbullen geschossen Wo die Hunde unterbringen? «Unter kei- und ihm den Kopf abgetrennt haben. nen Umständen wollte ich sie allein las- «Nun wissen die Wilderer, dass wir sie finsen. Da entschied Emmanuel de Merode den können. Das war bislang nicht so.» kurzerhand, knapp zwei Stunden durch In den nächsten Tagen wird Marlene Zähdie Nacht zu fahren und uns abzuholen.» ner wieder in den Kongo reisen. Wie immer So kam es, dass Marlene Zähner und die auf eigene Kosten. «Die Kassen des Virunga sechs Welpen eskortiert von einem Last- Nationalparks sind leer. Und Geld hat mich wagen-Konvoi voller schwer bewaffneter nie besonders interessiert.» Mit dabei: eine Ranger in Rumangabo, dem Hauptquar- weitere junge Bloodhound-Hündin. Die tier des Virunga Nationalparks, eintrafen. Ranger haben sie Furaha getauft: Das ist Zwei Jahre sind seit dieser denkwürdi- Swahili und bedeutet Glück. gen Reise vergangen. Seither fliegt Marlene Zähner alle acht Wochen in den Kon- www.congohounds.info ■ JE BEW TZT ERB EN! alle, die seine illegalen Geschäfte mit Holzkohle publik machen wollten. Zwar haben die Menschenaffen den Virunga Nationalpark weltberühmt gemacht. Doch der Park ist viel mehr als die Heimat der letzten Berggorillas. Er ist der älteste, landschaftlich vielseitigste und artenreichste Nationalpark Afrikas. Und er ist bedroht. Die seit Jahren anhaltenden Bürgerkriegswirren in der Region haben vor seinen Grenzen nicht haltgemacht. Rebellen jeder Couleur nutzen ihn als Versteck. Wilderer haben den Bestand der Säugetiere drastisch dezimiert. 1959 lebten im Park noch fast 30 000 Flusspferde, heute sind es noch knapp 1000. Elefanten gab es weit über 3000, heute sind es nicht einmal mehr 350. Und nun wollen auch noch Mineralölfirmen ausgerechnet dort nach Erdöl suchen. Den Park zu schützen ist gefährlich. 140 Ranger wurden in den letzten 17 Jahren im Dienst getötet. Ohne Emmanuel de Merode, ohne dessen Mut, Hartnäckigkeit und Verhandlungsgeschick, sind sich Kenner sicher, wäre der Virunga Nationalpark längst verloren. Und weil Emmanuel de Merode eine Hundestaffel wollte, meldete er sich selbst bei Marlene Zähner, nachdem diese seinen Sicherheitschef abgewimmelt hatte: «Auf jeden meiner Einwände meinte er bloss, ja, das ist wunderbar.» Und so ertappte sich die Tierärztin – selbst durchaus Schweizer Familie 6/2013 21