Handelspolitik der EU und Verhältnis zur WTO Teil 2 Selektiver

Transcription

Handelspolitik der EU und Verhältnis zur WTO Teil 2 Selektiver
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Handelspolitik der EU und Verhältnis zur WTO
Teil 2 Selektiver Regionalismus 1
Die internationale Dimension der
EU Agrarpolitik
Georg Koopmann
Universität Hamburg
Sommersemester 2009
Vorlesung Europäische Integration
Modul VIII
11. Juni 2009
1
SPANNUNGSFELD EU - WTO: REGIONALISMUS VERSUS
MULTILATERALISMUS
2
2
HANDELSPOLITIK DER EU
4
3
DIE GEMEINSAME AGRARPOLITIK
LITERATUR
23
38
1
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
1
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Spannungsfeld EU - WTO: Regionalismus versus
Multilateralismus
Spannungsfeld EU – WTO:
Regionalismus versus Multilateralismus
• Doppelgesicht des EU-Regionalismus:
- Konstitutiver Regionalismus
- Optionaler/selektiver Regionalismus
• In beiden Fällen ist die EU ein potentieller
Gegenspieler der WTO:
- Gemeinschaftspräferenz: Diskriminierung
aller Drittländer zugunsten der
Mitgliedsländer
- Bilaterale Präferenzen: Diskriminierung
zwischen Drittländern
• WTO: Grundsatz der Nichtdiskriminierung
zwischen Mitgliedsländern
Regionalismus der EU mit doppeltem Gesicht:
1. Regionalismus als konstituierendes Prinzip der EU als (größter) regionaler
Integrationsgemeinschaft: Konstitutiver Regionalismus.
2. Regionalismus als Wahlmöglichkeit in der Handelspolitik der EU neben
Unilateralismus und Multilateralismus: Optionaler bzw. selektiver Regionalismus.
In beiden Fällen ist die EU ein potentieller Gegenspieler der WTO:
1. Die EU basiert auf dem Grundsatz der Gemeinschaftspräferenz und damit umgekehrt - der pauschalen Diskriminierung von Nichtmitgliedern bzw.
Drittländern, die zugleich aber wie die EU und ihre Mitgliedsstaaten ebenfalls
Mitglieder der WTO sind. Diese Handelsordnungspolitik widerspricht dem WTOGrundsatz der Nichtdiskriminierung bzw. Meistbegünstigung zwischen ihren
Mitgliedsländern.
2. Die EU ist ebenfalls der Protagonist des Regionalismus in der laufenden
Handelspolitik. Dabei unterscheidet sie zwischen Drittländern, indem sie mit
einzelnen Ländern oder Ländergruppen Handelsabkommen schließt. Solche
2
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
bilateralen Präferenzen sind ebenfalls ein Verstoß gegen das
Meistbegünstigungsprinzip.
3
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
2
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Handelspolitik der EU
Überblick:
Ziele, Instrumente und Anwendungsbereich
Institutionen, Kompetenzen und Entscheidungsmechanismen
Unilaterale Handelspolitik:
•
Überblick: Defensiv und offensiv; Sektor- und Länder-Schwerpunkte; Instrumente.
•
Das Beispiel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).
•
WTO-Vorgaben.
Wettbewerbspolitik der EU: Internationale Dimension
Regionale und bilaterale Handelspolitik:
•
Die „Europäische Spaghetti-Schale“.
•
Die neue Handelsstrategie der EU.
•
WTO-Vorgaben.
Multilaterale Handelspolitik
4
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Handelspolitik der EU: Übersicht
• Ziele,
Instrumente und Anwendungsbereich
• Institutionen, Kompetenzen und
Entscheidungsmechanismen
• Unilaterale Handelspolitik
• Agrarpolitik der EU: Internationale
Dimension
• Wettbewerbspolitik der EU: Internationale
Dimension
• Regionale und bilaterale Handelspolitik
• Multilaterale Handelspolitik
Ziele, Instrumente und Anwendungsbereich:
Ziele, Instrumente und Anwendungsbereich
• Teleologische Perspektive
• Instrumentelle Perspektive
- „border measures“
- „behind-the-border-measures“
• Anwendungsbereich
- Waren- und Dienstleistungssektor
- Handelsströme und Faktorwanderungen
5
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Teleologische und instrumentelle Perspektive der EU-Handelspolitik:
•
Teleologische Perspektive:
Das Ziel der Gemeinsamen Handelspolitik wird in Artikel 131 des EG-Vertrages
wie folgt beschrieben: „Durch die Schaffung einer Zollunion beabsichtigen die
Mitgliedstaaten, im gemeinsamen Interesse zur harmonischen Entwicklung des
Welthandels, zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen
Handelsverkehr und zum Abbau der Zollschranken beizutragen.“
Zur Handelspolitik der EU zählen demnach alle Maßnahmen, die der genannten
Zielsetzung dienen.
•
Instrumentelle Perspektive:
Hier stehen die Maßnahmen der Gemeinsamen Handelspolitik im Vordergrund. Die
Maßnahmen werden dabei an ihren direkten und indirekten Wirkungen auf den
internationalen Handel der EU gemessen. Zu diesem Maßnahmenkatalog gehören
nicht nur Maßnahmen, die beim Grenzübertritt von Produkten ansetzen („border
measures“), insbesondere Zölle und nichttarifäre Handelsbeschränkungen wie
Quoten, sondern auch solche Maßnahmen, die im Inland bzw. „hinter der Grenze“
ergriffen werden, sofern sie sich signifikant und nachhaltig auf den internationalen
Handel auswirken („behind-the-border measures“). Hierzu zählen in erster Linie
Regulierungen unterschiedlichster Art. Man spricht deshalb auch von
regulatorischen Handelsschranken.
Die Handelspolitik gehört wie die Agrarpolitik und die Wettbewerbspolitik zu den
ursprünglichen Gemeinschaftspolitiken des Rom-Vertrages und damit zu den
Gemeinschaftspolitiken „der ersten Stunde“. Sie schließt grundsätzlich alle Maßnahmen
und Regelungen mit spezifischem Bezug auf den internationalen Handelsverkehr ein.1
Als „Kind der Zollunion“, die sich auf Waren (im Unterschied zu Dienstleistungen)
erstreckt und deren Hauptinstrument der Gemeinsame Zolltarif ist, war die gemeinsame
Handelspolitik zunächst aber vor allem auf den Warensektor und auf „border measures“
konzentriert. Der Dienstleistungs- und Wissenssektor sowie die handelsrelevante Politik
„hinter der Grenze“ („behind-the-border measures“) lagen damit außerhalb ihres
eigentlichen Anwendungsbereichs.
1 Artikel 133 des EG-Vertrages nennt explizit „die Änderung von Zollsätzen, den Abschluss von Zollund Handelsabkommen, die Vereinheitlichung der Liberalisierungsmaßnahmen, die Ausfuhrpolitik
und die handelspolitischen Schutzmaßnahmen, zum Beispiel im Fall von Dumping und Subventionen.“
Andere den internationalen Handel betreffende Maßnahmen und Regelungen sind damit indes nicht
ausgeschlossen.
6
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Die Zollunion war zwischen den sechs Mitgliedern der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft (Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien und
Benelux-Staaten Belgien, Niederlande, Luxemburg) bereits im Jahre 1968 (und für die
1973 um das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark erweiterte
Neunergemeinschaft im Jahre 1977) etabliert. Bis zur Realisierung des EGBinnenmarktes im Jahre 1993 haben einzelne EG-Mitgliedstaaten allerdings auch im
Warensektor noch ein beträchtliches Ausmaß an handelspolitischer Autonomie
behauptet und auf nationaler Ebene z.B. mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen
(Quoten) gegenüber Drittländern praktiziert oder Selbstbeschränkungsabkommen
(Voluntary Export Restraints) und Marktordnungen (Orderly Marketing Arrangements)
mit Drittländern ausgehandelt. Erst mit dem Wegfall der Binnengrenzkontrollen zum
1.1.1993 waren derartige nationale Nischen in der Handelspolitik nicht mehr
durchsetzbar. Im Warensektor der EU ist Außenhandelspolitik daher inzwischen
praktisch alleinige Gemeinschaftssache.
Analog zum Warensektor schrumpft auch bei Dienstleistungen der politische
Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten gegenüber Drittländern in dem Maße, wie die
Integration des Dienstleistungssektors in der Europäischen Gemeinschaft
voranschreitet und folglich Dienstleistungsregulierungen zwischen den Mitgliedstaaten
konvergieren oder gegenseitig anerkannt werden.
Ähnliches gilt auch für handelsrelevante Aspekte des geistigen Eigentumsschutzes und
damit für den Wissenssektor.
Im Vertrag von Nizza (2003) wird die Erweiterung der handelspolitischen
Kompetenzen der Gemeinschaftsorgane vom Waren- auf den Dienstleistungs- und
Wissenssektor auch rechtlich festgeschrieben.
Die sektorale Expansion der Gemeinsamen Handelspolitik geht mit einer verstärkten
Fokussierung auf die erwähnten regulatorischen – im Unterschied zu tarifären und
nichttarifären – Handelsschranken einher, die „hinter der Grenze“ bestehen („behindthe-border measures“). In diesem Zusammenhang ist die von Baldwin und Wyplosz
(2006, S. 110-113) vorgeschlagene Unterscheidung der Handelsschranken nach dem
Kriterium der bei ihrer Errichtung anfallenden (oder nicht anfallenden) ökonomischen
Renten und ihrer Verteilung nützlich.1 Dabei repräsentiert die Rente den Gewinn, der
sich aus der Differenz zwischen Inlandspreis („domestic price“) und Grenz-Preis
(„border price“) ergibt:
1 S. hierzu auch die entsprechenden Passagen in Modul IV der Vorlesung.
7
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Typologie von Handelsschranken
• Unterscheidung nach der anfallenden Rente,
d.h. der Differenz zwischen Inlands- und GrenzPreis
– Domestically captured rent (DCR): Gesamte Rente
fließt dem Inland zu (Bsp.: Importzoll)
– Foreign-captured rent (FCR): Rente fällt in vollem
Umfang beim Handelspartner an (Bsp.: Freiwillige
Exportbeschränkung des Auslandes)
– Frictional barriers: Es entstehen keine Renten (v. a.
technische Handelshemmnisse, wie z. B.
unterschiedliche Produktstandards).
•
Domestically captured rent (DCR) barriers. Die typische DCR - Barriere ist der
Importzoll, bei dem die gesamte Rente der Regierung des Inlandes (in der Form von
Zolleinnahmen) zufließt. Aber auch mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen bzw.
Quoten können DCR - Barrieren sein. In diesem Fall vergibt die Regierung die
Einfuhrrechte in der Form von Lizenzen. Der Lizenzinhaber kann das betreffende
Produkt zum Grenz-Preis kaufen und zum Inlandspreis verkaufen, der um das
Zolläquivalent der Quote höher als der Grenz-Preis ist. Wenn die Regierung die
Lizenzen im Inland versteigert bzw. an Inländer vergibt, liegt eine DCR - Barriere
vor; wenn Ausländer die Lizenz erhalten, handelt es sich um eine FCR (foreigncaptured rent) - Barriere (s.u.).
•
Foreign-captured rent (FCR) barriers. Der einschlägige Fall einer FCR - Barriere
ist eine Preisverpflichtung („price undertaking”) oder eine freiwillige
Exportbeschränkung (“voluntary export restraint”) des Auslandes. Dabei fällt die
Rente in vollem Umfang beim Handelspartner an: die ausländische Regierung
kontrolliert die Exportmenge via Lizenzvergabe und vereinnahmt die Rente selber
oder überlässt sie den Exporteuren. Als Beispiel nennen Baldwin und Wyplosz
(2006, S. 111) die Begrenzung der Bekleidungsexporte in die EU durch China im
Jahre 2005. Demgegenüber hätten die USA seinerzeit eine entsprechende Quote
selbst administriert und folglich auch die Rente kassiert.
8
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
•
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Frictional barriers. Hier handelt es sich in erster Linie um technische
Handelshemmnisse wie z.B. unterschiedliche Produktstandards zwischen den
Handelspartnern. Dies kann zu erheblichen Friktionen im internationalen Handel
führen, aber im Unterschied zu DCR – und FCR - Barrieren entstehen keine Renten.
Das klassische Beispiel für eine friktionelle Handelsschranke ist unter dem Namen
„Cassis de Dijon“ bekannt. Dabei handelt es sich um einen französischen
Branntwein, der unter dieser Bezeichnung (wegen zu geringen Alkoholgehalts) nicht
nach Deutschland eingeführt werden durfte. Mit dem entsprechenden Urteil aus dem
Jahre 1979 etablierte der Europäische Gerichtshof insbesondere das Prinzip der
gegenseitigen Anerkennung - in Verbindung mit einem Mindestmaß an
Harmonisierung zwischen den Mitgliedstaaten -, demzufolge jedes in einem
Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ordnungsgemäß in den Markt
eingeführte Produkt auch in jedem anderen Mitgliedstaat in dieser Form akzeptiert
werden muss, also auch „Cassis de Dijon“ in Deutschland.
Die Wohlfahrtswirkungen dieser drei Arten von Handelsbarrieren lassen sich anhand
der folgenden Grafik ablesen:
Wohlfahrtswirkungen unterschiedlicher
Handelsbarrieren
Euro
Importangebot
P’
PFH
A
B
C
D
Importnachfrage
P’-Z
Im’ ImFH
Importe Inland
9
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Bei Errichtung einer DCR-Barriere beläuft sich der Wohlfahrtseffekt im Inland auf B –
C, also Terms-of-trade-Gewinn (positiver Importpreiseffekt) abzgl. Verlust aus
Konsum- und Produktionsverzerrung (Importmengeneffekt). Das Ausland verliert B
(Exportpreiseffekt) + D (Exportmengeneffekt).
Eine FCR-Barriere führt im Inland zu einem Wohlfahrtsverlust in Höhe von A
(negativer Importpreiseffekt) plus C (Importmengeneffekt). Im Ausland beläuft sich der
Wohlfahrtseffekt auf A (Terms-of-trade-Gewinn) - D (Exportmengeneffekt).
Friktionelle Handelsbarrieren haben im Inland den gleichen Effekt wie eine FCRBarriere, da sie keine Rentengewinne (und damit auch keine Rentengewinne im Inland)
implizieren, und wirken auf die ausländische Wohlfahrt genau so wie eine DCRBarriere.
Der Abbau friktioneller Handelsschranken war ein Kernpunkt des in der Einheitlichen
Europäischen Akte von 1986 niedergelegten Programms zur Realisierung des
Europäischen Binnenmarktes, der bis 1992 vollendet sein sollte (und weitgehend
auch vollendet wurde). Die Auswirkungen einer solchen Liberalisierung werden in der
unten stehenden Grafik am Beispiel der Wohlfahrtseffekte dargestellt, die sich in einem
Land (Inland) ergeben, wenn dieses Land friktionelle Handelsschranken gegenüber
einem anderen Land (Partnerland) abbaut und gegenüber dem Rest der Welt (Drittland)
beibehält. Dabei liegt folgende Handelsstruktur zu Grunde:
10
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Handelsstruktur zwischen Inland, Partner- und Drittland
Gut 1
Partner
Gut 2
Inland
Gut 1
Gut 2
Gut 3
Gut 3
Drittland
Wohlfahrtswirkungen des Abbaus
friktioneller Handelsschranken
Euro
Euro
A
EA
P’
P”
F
D
P’-Z
IN
P”-Z
ExP’ ExP”
Exporte
Ausland
ExD” ExP’ Ex’
Importe
Inland
Es zeigt sich, dass das Inland auf dem Markt für Gut 1 einen Wohlfahrtsgewinn in
Höhe von A + F und auf dem Markt für Gut 2 einen Wohlfahrtsgewinn in Höhe von D
erzielt und damit insgesamt A + F + D gewinnt.
11
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Analoge Wirkungen ergeben sich für das Partnerland, wenn dieses Land seinerseits
friktionelle Handelsschranken gegenüber dem Inland abbaut.
Die Mitglieder der Integrationsgemeinschaft realisieren daher beim gegenseitigen
Abbau friktioneller Handelsschranken eindeutig einen Wohlfahrtszuwachs. Die
„klassische Ambiguität“ (Viner’s ambiguity) zwischen Wohlfahrtsgewinn durch
Handelsschaffung und Wohlfahrtsverlust durch Handelsumlenkung gilt bei dieser Art
präferentieller Liberalisierung nicht mehr, da der Abbau von Friktionen für das
liberalisierende Land keine Rentenverluste impliziert.
Das Drittland erleidet in diesem Fall – ebenso wie in den Fällen des präferentiellen
Abbaus von DCR – und FCR – Barrieren – eindeutig eine Wohlfahrtseinbuße.
Das Ziel, friktionelle Handelsschranken zu reduzieren, verfolgt die Europäische Union
auch in ihrer gemeinsamen Handelspolitik gegenüber Drittländern. Dies gilt sowohl auf
der regionalen und bilateralen Ebene in der Form von Präferenzhandelsabkommen
verschiedener Art als auch multilateral im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO.
Ein aktuelles Beispiel ist die Einführung Cassis-de-Dijon-Prinzips in der Schweiz.
Demnach sollen die in der EU bzw. im (auch die Mitglieder der Europäischen
Freihandelsassoziation (EFTA) außer der Schweiz einschließenden) Europäischen
Wirtschaftsraum insgesamt geltenden Produkt- und Produktionsvorschriften von der
Schweiz anerkannt werden. Die Schweiz verspricht sich hiervon Einsparungen in
Höhe von ca. 2 Mrd. Schweizer Franken pro Jahr. Betroffen seien vor allen Dingen
Lebensmittel, Textilien, Wohnungseinrichtungen und Kosmetika. Es wird geschätzt,
dass technische Handelshemmnisse heute gut die Hälfte der schweizerischen
Einfuhren aus der EU in Höhe von rd. 140 Mrd. Schweizer Franken behindern.
Durch „Cassis de Dijon“ würden 80% der Einfuhren von technischen
Handelshemmnissen befreit.1
Insgesamt nimmt die Gemeinsame Handelspolitik zeitlich versetzt im Dienstleistungsund Wissenssektor eine ähnliche Gestalt wie im Warensektor an. Zugleich sind
Handelsschranken binnenwirtschaftlichen Ursprungs („behind-the-border measures“)
gegenüber klassischen Grenz-Schranken („border measures“) in den Fokus der
Gemeinsamen Handelspolitik gerückt. Entscheidende Determinanten dieser
Entwicklung sind die Fortschritte bei der internen Integration und das Bestreben,
Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen der Mitgliedstaaten zu vermeiden.
Darüber hinaus versprechen sich die Mitgliedstaaten von einem gemeinsamen Vorgehen
gegen außen eine Stärkung ihrer internationalen Verhandlungsmacht im Vergleich zu
handelspolitischen Alleingängen.
1 Vgl. Neue Zürcher Zeitung v. 28.6.2008: „Mit ‚Cassis de Dijon’ zu tieferen Preisen“.
12
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Institutionen, Kompetenzen und Entscheidungsmechanismen:
Institutioneller Rahmen („Big Five“)
• Europäischer Rat (der Staats- und
Regierungschefs)
• Rat der Europäischen Union (früher
Ministerrat)
• Europäische Kommission
• Europäisches Parlament
• Europäischer Gerichtshof
Der institutionelle Rahmen für die Handelspolitik (und generell die Politik) der EU wird
durch die „Big 5“ definiert:1
1. Europäischer Rat (der Staats- und Regierungschefs).
The European Council (of heads of state and governments), founded in 1974,
through its status is the EU’s most influential institution. It provides broad
guidelines for EU policy and leads the way to final compromises among member
states in crucial areas like the budget, Treaty changes or enlargements of the
Community, typically in the form of “conclusions of the Presidency”. The European
Council operates on the basis of consensus.
2. Rat der Europäischen Union (bzw., in der alten Bezeichnung, Ministerrat), der das
zentrale Entscheidungsorgan der EU darstellt.
The Council of the European Union (or, by its old name, Council of Ministers),
which is the EU’s main decision-making body. It is composed of one representative
(i.e. the government minister responsible for the policy area at stake) from each
member state. Its main task is to adopt new EU law (regulations, directives, rules,
1 Adaptiert von Baldwin und Wyplosz (2006, S. 49-54).
13
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
etc.) in the various policy areas. On most issues, the Council decides by qualified
majority voting.
3. Europäische Kommission
The European Commission, which effectively is at the heart of the EU’s institutional
structure. It has three main roles: (1) to propose legislation to the Council of
Ministers and to the European Parliament; (2) to administer and implement EU
policies; and (3) to provide surveillance and enforcement of EU law in coordination
with the European Court of Justice. In particular, it has the “power of initiative”, i.e.
a monopoly on the “right to initiate”, which makes the Commission the gatekeeper
of EU integration and allows it to occasionally become the driving force behind
deeper or broader integration. As noted by Baldwin and Wyplosz (2006, p. 52), this
was especially true under the two commissions, led by Jacques Delors, which during
1985 to 1994 launched and implemented the Single Market Programme. The
Commission makes almost all of its decisions on the basis of consensus, even
though in principle it decides on the basis of a simple majority.
4. Europäisches Parlament
The European Parliament, which is the core democratic control of the EU’s
activities. It shares legislative powers with the Council of Ministers and the
Commission. In addition to this, it oversees the other EU institutions, especially the
Commission.
5. Europäischer Gerichtshof.
The European Court of Justice, which is the highest authority on the application of
EU law. Its role is to settle EU internal disputes over laws and decisions, which by
their nature are open to interpretation, especially disputes between EU member
states, between the EU and member states, between EU institutions and between
individuals and the EU. The Court reaches its decisions by majority voting. As
noted by Baldwin and Wyplosz (2006, p. 54), in the late 1980s a Court of First
Instance was set up to help the ECJ with its ever growing workload.
14
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Kompetenzen und
Entscheidungsmechanismen
• Europäische Kommission: Alleiniges Vorschlagsrecht;
Durchführung und Umsetzung der Handelspolitik; internationale
Verhandlungsführung; Entscheidung mit einfacher Mehrheit
• Ministerrat: Ort der definitiven Entscheidung;
grundsätzlich Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit;
tatsächlich eher Konsens- und „Paket“-Lösungen
• 133er Ausschuss: Entscheidungsvorbereitung für den
Ministerrat; Unterstützung der Kommission bei internationalen
Verhandlungen
• Europäisches Parlament: Mitspracherecht bei
Handelsabkommen; Zustimmungsrecht bei
Assoziierungsabkommen und bei Abkommen,
die einen „besonderen institutionellen Rahmen“ schaffen
(Beispiel: WTO-Abkommen)
• Europäischer Gerichtshof: Rechtsprüfung, z.B. Klärung der
Kompetenzverteilung in der Handelspolitik
Die zentrale Rolle in der Gemeinsamen Handelspolitik spielt die Europäische
Kommission.
Die Kommission verfügt in der Handelspolitik (wie in anderen Politikbereichen auch)
über das alleinige Vorschlagsrecht, sie ist für die Durchführung der gemeinsamen
Handelspolitik und die Umsetzung ihrer Ergebnisse zuständig, und sie vertritt die
Gemeinschaft in den relevanten Verhandlungen mit Drittländern. Die Kommission
entscheidet dabei in der Regel mit der einfachen Mehrheit ihrer Mitglieder.
Das letzte Wort in der Handelspolitik hat im Prinzip der jeweils zuständige
Europäische Ministerrat, der zugleich der Kommission jeweils das Mandat für
anstehende Verhandlungen erteilt.
Moreover, when it comes to very broad and very important trade negotiations, such
as in the multilateral Doha Round, an ad hoc coordination procedure allows the EU
member states to be involved in each stage of the Commission’s negotiations
(Baldwin and Wyplosz 2006, p. 281).
Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs hält sich in der Handelspolitik
weitgehend zurück und gibt von Zeit zu Zeit eher allgemein die Richtung der
Handelspolitik an.
Das Europäische Parlament besitzt ein Mitspracherecht beim Abschluss bilateraler
Handelsabkommen; Assoziierungsabkommen bedürfen seiner Zustimmung. Das
Gleiche gilt seit dem Vertrag von Maastricht für Abkommen, die einen „besonderen
15
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
institutionellen Rahmen“ schaffen, wie z.B. das Abkommen zur Errichtung der
Welthandelsorganisation (WTO-Abkommen) vom 15.4.1994. Seit dem Vertrag von
Nizza ist das Parlament auch befugt, zur Prüfung der Vereinbarkeit eines internationalen
Abkommens mit dem EG-Vertrag den Europäischen Gerichtshof anzurufen.
Der Einfluss des Europäischen Gerichtshofs ist bei grundsätzlichen institutionellen
Aspekten der Handelspolitik beträchtlich, wie z.B. in der Frage der
Kompetenzverteilung zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsorganen in der
Handelspolitik. In das „Tagesgeschäft“ der Handelspolitik dagegen greift der EuGH
kaum ein.
Die handelspolitischen Entscheidungen des EU-Ministerrates werden von Fachleuten
aus den Mitgliedstaaten vorbereitet und angesichts der hohen technischen Komplexität
der Materie häufig auch bereits vorweggenommen. Eine Schlüsselstellung nimmt dabei
der in Art. 133 Abs. 3 EGV vorgesehene „besondere Ausschuss“ ein, der zugleich die
Kommission bei internationalen Verhandlungen „unterstützt“.1 In diesem Ausschuss
sitzen außer den Vertretern der Mitgliedstaaten, die das nationale Interesse artikulieren
und die „Schmerzgrenzen“ ihrer jeweiligen Regierung (und auch der Regierungen
anderer Mitgliedstaaten) in handelspolitischen Fragen kennen bzw. repräsentieren,
ebenfalls – als Anwälte des gemeinschaftlichen Interesses – Mitglieder der
Europäischen Kommission (Generaldirektion „Handel“). Aufgrund ihrer Sachkenntnis
können die Kommissionsvertreter auch ohne formelles Stimmrecht erheblichen Einfluss
auf die Willensbildung im 133er Ausschuss ausüben. Für Mitglieder des Europäischen
Parlamentes bleibt dagegen der Zugang zu diesem Gremium versperrt.2
Soweit der 133er Ausschuss handelspolitische Positionsbestimmungen einvernehmlich
(durch Konsens bzw. Gentleman’s Agreement) trifft – wie in der großen Mehrzahl der
Fälle –, werden diese über den Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten
bei der EU (COREPER) an den zuständigen Ministerrat weitergeleitet und dort in der
Regel „abgesegnet“. Wenn kein Einvernehmen erzielt wird, entscheidet der Ministerrat
„originär“. Dabei gilt grundsätzlich die qualifizierte Mehrheit.
Bei Antidumping- (und Antisubventions-) Maßnahmen gilt die einfache Mehrheit.
Soweit die handelspolitischen Entscheidungen hingegen Materien betreffen, bei
1 Die vertraglich untermauerte Existenz des 133er Ausschusses unterstreicht die Schlüsselrolle der
Handelspolitik in der EU. In anderen gemeinschaftlichen Politikbereichen ist eine derartige Institution
vertraglich nicht vorgesehen.
2 Das Europäische Parlament hatte im Jahre 2001 mit großer Mehrheit (434 Pro-, 10 Gegenstimmen,
eine Enthaltung) eine Öffnung des 133er Ausschusses für Parlamentsmitglieder gefordert (European
Parliament 2001).
16
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
denen im EG-Binnenmarkt Einstimmigkeit vorgeschrieben ist, gilt auch in der
Handelspolitik das Einstimmigkeitsgebot.
Tatsächlich sind (Kampf-) Abstimmungen eher die Ausnahme – und Konsenslösungen
die Regel –, zumal handelspolitische Entscheidungen häufig im Rahmen von „Paketen“
(„package deals“) miteinander – und mit Entscheidungen in anderen Politikbereichen –
verknüpft werden.
Als Beispiel für Paketlösungen wird die Zustimmung Frankreichs zu den
Ergebnissen der multilateralen Uruguay-Runde (1986-1994) unter dem General
Agreement on Tariffs and Trade (GATT) angeführt, die u.a. mit der Bedingung
verbunden war, dass den französischen Bauern zusätzliche Subventionen gewährt
würden (Messerlin 2001, S. 14). Frankreich machte in den 80er Jahren ebenfalls die
Zustimmung zu einigen Binnenmarktrichtlinien von der Verabschiedung des (mit
restriktiven Vollmachten ausgestatteten) „Neuen Handelspolitischen Instruments“
abhängig (Hayes 1993, S. 131).
In der gemeinsamen Handelspolitik der EU ist generell die Neigung zur
Konsensentscheidung anscheinend besonders stark ausgeprägt (Johnson 1998,
Woolcock 2000).
In this context, a North-South divide in the trade politics of the European Community
has often been pointed to, with the Northern member countries in favour of
liberalisation and the Southern members leaning towards a protectionist stance. In actual
fact, however, trade policy coalitions in the Council of Ministers increasingly tend to
change from issue to issue (Baldwin 2007). For instance, as observed by Dür (2007),
Spain was the main advocate of free trade agreements with Chile and Mexico, whereas
it took a much more defensive position in the case of the agreement with South Africa
(Frennhoff Larsén 2007).
Institutionally, a two-fold delegation of competences lies at the centre of trade policymaking in the EU: from Member States to the Council of Ministers and from the
Council of Ministers to the European Commission (Meunier and Nicolaidis 1999, p.
480). However, as noted by Dür and Zimmermann (2007, pp. 779-781), the relationship
between the European Commission and the Council of Ministers is quite controversial
in the literature. Drawing on the principal-agent metaphor, some authors stress member
state dominance.1 These authors call attention to the many tools available to the
1 See, e.g., Aggarwal and Fogarty 2004; De Bièvre and Dür 2005; Meunier 2005; and Van den Hoven
2004.
17
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
principals (the member states) to monitor and control the agent (the Commission): the
member states appoint the Commissioner responsible for trade; they have to agree on a
mandate for the Commission; they control the Commission throughout trade
negotiations by way of the Article 133 Committee; and they have to ratify all
agreements reached. Other authors emphasise the relative autonomy of the Commission
pointing to (1) its information advantages resulting from the Commission’s engagement
in negotiations with third countries (Johnson 1998, p. 59; Zimmermann 2007, pp. 160161); (2) the Commission’s ability to use its right of initiative as part of a ‘divide and
conquer’ strategy, in which it buys off reluctant member states with issue linkages
(Schöppenthau 1999, p. 170); and (3) the Commission making use of “cognitive
framing”, i.e. stressing common interests rather than conflicting ones, in order to
engineer consensus among member states (Woll 2006). Overall, according to Dür and
Zimmermann (2007, p. 781), the European Commission’s autonomy in trade policy
may vary depending on the stage in the negotiation process, with limited autonomy in
setting the overall trade agenda and more autonomy in determining the negotiation
venue, as well as the size and number of negotiating partners, involving more autonomy
when negotiating with a relatively small country such as South Africa than when
negotiating with China or in the WTO.
Handelspolitik der EU als ein Mehr-Ebenen-Spiel:
Handelspolitik als Mehr-Ebenen-Spiel
Grundmodell
Erweitertes Modell
(EU-Variante)
International
Ebene IIb
International
Ebene II
National
Ebene I
Quelle: Young (2002); eigene Darstellung.
18
EU
Ebene IIa / Ebene Ib
Mitgliedstaaten
Ebene Ia
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Handelspolitik findet, wie in der voranstehenden Folie dargestellt, in der Regel auf
mehreren Ebenen statt, die zueinander in Beziehung stehen.1 Das Grundmodell des
Mehr-Ebenen-Spiels umfasst die
•
innenpolitische Ebene und die
•
internationale Verhandlungsebene.
Auf beiden Ebenen der Handelspolitik finden strategische Prozesse statt, die auch die
Vorgänge auf der jeweils anderen Ebene mit einbeziehen. Eine Regierung, die z.B. mit
einer anderen Regierung ein Freihandelsabkommen aushandelt, ist sich der inländischen
Konsequenzen eines solchen Abkommens wohl bewusst; gleichzeitig ist inländischen
Interessengruppen, die Einfluss auf die Politik nehmen wollen, der internationale
Verhandlungsprozess und das Für und Wider alternativer Ergebnisse gewärtig: Die
innerstaatliche und zwischenstaatliche Ebene der Handelspolitik „kommunizieren“
miteinander.
Der diplomatische Spielraum der Unterhändler, die simultan an den beiden
Verhandlungstischen agieren, wird daher von zwei Seiten begrenzt: von Seiten
inländischer Interessengruppen und von Seiten der Unterhändler anderer Länder. Für
beide Seiten muss das Verhandlungsergebnis akzeptabel sein. Diese Restriktionen
determinieren die Menge der gewinnträchtigen Lösungen/Optionen (win-set). Mit
anderen Worten: Ein internationales Abkommen (auf der Ebene II) muss zu einer
Lösung führen, die innenpolitisch ausreichende Unterstützung findet. Es muss sich also
um eine Lösung handeln, die in der Schnittmenge zwischen den Kreisen bzw. Ellipsen
auf der nationalen Ebene (Ebene I) liegt.
Das Grundmodell erhält eine weitere Ebene, wenn Länder – z.B. die Mitglieder einer
Integrationsgemeinschaft - sich zusätzlich untereinander abstimmen müssen, bevor bzw.
während sie Verhandlungen mit Drittstaaten führen. Diese Ebene erfüllt eine
Doppelfunktion:
•
Sie fungiert als internationale Ebene, auf der die Mitglieder der
Integrationsgemeinschaft miteinander verhandeln (Ebene IIa).
1 Das Konzept des Mehr-Ebenen-Spiels liefert generell einen Analyserahmen für strategische
Interaktionen
in
der
internationalen
Wirtschaftspolitik.
Grundlegend
hierzu
vgl.
Evans/Jacobson/Putnam (1993), Milner (1997) und Putnam (1988). Zur Anwendung auf die
Handelspolitik vgl. Grossman/Helpman (1995), Helpman (1999) und Young (2002), letzterer unter
besonderer Berücksichtigung der Handelspolitik der Europäischen Gemeinschaft.
19
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
•
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Sie fungiert zugleich als nationale Ebene, von der aus die Mitglieder der
Integrationsgemeinschaft mit Drittstaaten verhandeln (Ebene Ib).
Ein passendes Beispiel hierfür liefert die Handelspolitik der Europäischen Union.
In politökonomischer Sicht stellt sich die EU-Handelspolitik als ein Spiel auf drei
Ebenen (national, europäisch, international) bzw. als ein doppeltes Zwei-Ebenen-Spiel
dar. Dabei repräsentiert die EU einmal die internationale Ebene, auf der die
Mitgliedstaaten eine gemeinsame Position zu erreichen suchen, und zum anderen die
nationale/inländische Ebene, von der aus die Gemeinschaft mit anderen
Ländern/Ländergruppen in Verhandlungen eintritt. Eine wichtige Rolle spielen in
beiden Fällen die Vertreter spezifischer Interessengruppen (Industrieverbände,
Nichtregierungsorganisationen etc.), die vom internationalen Handel betroffen sind und
daher eine ihnen genehme Handelspolitik durchsetzen möchten. Die Interessenvertreter
versuchen auf der nationalen Ebene, Einfluss auf die Haltung „ihrer“ Regierungen im
innergemeinschaftlichen Aushandlungsprozess zu nehmen, und sind zugleich mit
wachsender Intensität bestrebt, auch unmittelbar – auf der EU-Ebene – bei der
handelspolitischen Positionsbestimmung der Gemeinschaft gegenüber Drittländern
mitzuwirken.
Aufgrund dieser dreistufigen Ausformung des handelspolitischen
Entscheidungsprozesses in der EU könnte die Menge der gewinnträchtigen Lösungen
auf der internationalen Ebene für die EU geringer sein als für die ausländischen
Regierungen, mit denen sie verhandelt. Die Ursache hierfür wäre darin zu sehen, dass
der „win-set“ der EU in den internationalen Verhandlungen aus den Vorverhandlungen
zwischen den Mitgliedstaaten gefiltert wird. Dies könnte zugleich erklären, warum die
EU international als ein besonders schwieriger und schwerfälliger Verhandlungspartner
betrachtet wird (Meunier 1998; Young 2002). Mit gewachsener Mitgliederzahl in der
EU – und dementsprechend erhöhter Schwierigkeit, einen gemeinsamen Nenner für die
Verhandlungen zu finden – könnte es für Drittländer noch problematischer geworden
sein, mit ihr zu verhandeln. Die komplizierte Entscheidungsfindung in der EUHandelspolitik wird daher auch als ein nichttarifäres Handelshemmnis eigener Art
angesehen (Senti 2002, S. 114).
Unilaterale Handelspolitik:
Ähnlich wie in den Vereinigten Staaten ist auch in der Europäischen Union die
Handelspolitik mehrgleisig angelegt. Die EU- Handelspolitik findet parallel auf
20
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
unilateraler, regionaler und bilateraler und auf multilateraler Ebene statt.1 Die drei
Ebenen der Handelspolitik sind dabei nicht unabhängig voneinander: Die multilaterale
Ebene definiert den Spielraum der Handelspolitik auf den beiden anderen Ebenen; die
Möglichkeiten unilateraler Handelspolitik werden darüber hinaus auf der regionalen und
bilateralen Ebene eingegrenzt.
Unilaterale Handelspolitik
• Definition
Einseitige Anwendung handelspolitischer
Instrumente mit defensiver oder offensiver
Zielsetzung
• Beispiele
- Gemeinsame Agrarpolitik: defensiv und
offensiv
- Maßnahmen zum Schutz der
Binnenmärkte (Schutzklausel, Antidumping,
Antisubvention): defensiv
- Maßnahmen zur Öffnung von
Auslandsmärkten (Handelshemmnis-Verordnung
von 1995): offensiv
- Öffnung der Binnenmärkte für Produkte
von Entwicklungsländern: offensiv
Unilaterale Handelspolitik ist durch einseitige Anwendung handelspolitischer
Instrumente gekennzeichnet. Die dabei verfolgte Zielsetzung kann defensiver oder
offensiver Art sein. Beispiele unilateraler Handelspolitik der Europäischen Union sind
•
die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), mit defensiver und offensiver Zielsetzung;
•
(defensive) Maßnahmen zum Schutz der Binnenmärkte und (offensive) Maßnahmen
zur Öffnung ausländischer Märkte; und
•
die (offensive) präferentielle Öffnung der Binnenmärkte für Produkte von
Entwicklungsländern.
1 Auf die in der Europäischen Kommission gebräuchliche Unterscheidung zwischen autonomer und
vertraglicher Handelspolitik angewendet, wäre die unilaterale Handelspolitik der autonomen und die
regionale, bilaterale und multilaterale Handelspolitik der vertraglichen „Abteilung“ zuzuordnen.
21
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Im folgenden Kapitel wird eingehender die Gemeinsame Agrarpolitik der EU bzw. die
internationale Dimension der GAP dargestellt.
22
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
3
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Die Gemeinsame Agrarpolitik
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist ein Beispiel für beide Varianten unilateraler
Handelspolitik der EU: Durch zum Teil exorbitant hohe Zölle und eine hohe
Subventionierung der heimischen Erzeugung werden ausländische Agrarprodukte vom
europäischen Inlandsmarkt ferngehalten (defensive Variante). Gleichzeitig werden
inländische Erzeugnisse mittels Exporterstattung auf den Weltmarkt gedrückt (offensive
Variante). Politökonomisch ist die GAP ein Beispiel für effektives Lobbying, bei dem
ein relativ kleiner Sektor sich relativ große wirtschaftliche Vorteile eingehandelt hat.
Der Anteil des Agrarsektors (einschließlich Jagd-, Forst- und Fischwirtschaft) an der
gesamten Bruttowertschöpfung in der EU 25 betrug 2005 lediglich 1,9%, sein Anteil
an der gesamten Beschäftigung 5%.1
Die Gemeinsame Agrarpolitik begann im Jahre 1962 mit der doppelten Zielsetzung, das
Einkommen der Landwirte zu sichern und eine geregelte Versorgung der Bevölkerung
mit Lebensmitteln zu gewährleisten. Zu diesem Zweck sollten die Preise für
Agrarprodukte hoch (und damit für die Landwirtschaft einträglich) und stabil (und
damit für die Bevölkerung kalkulierbar) sein. Das Hauptinstrument hierfür – der Drehund Angelpunkt der GAP – wurde die inländische Preisstützung und damit das
Einziehen eines Preisbodens in den Inlandsmarkt. Dabei wird der Absatzpreis im
Inland auf einem Niveau garantiert, das über dem entsprechenden Weltmarktpreisniveau
liegt. Dies geschieht, indem variable Zollsätze (im GAP-Jargon „variable
Abschöpfungen“) erhoben werden, die den Weltmarktpreis auf den inländischen
Garantiepreis hoch schleusen.2
Solange der Garantiepreis unter dem Autarkiepreis liegt (die EU also Importeur des
Produktes ist), ergeben sich analoge (Wohlfahrts-)Wirkungen wie bei einem
Importzoll:
1 Zum Vergleich: Die entsprechenden Anteile des Dienstleistungssektors betrugen 78% bzw. 77% und
der verarbeitenden Industrie 20% bzw. 18% (WTO 2007, S. 2).
2 In den multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) – unter dem damaligen General
Agreement on Tariffs and Trade (GATT) - wurde das Instrument der variablen Abschöpfung für
künftig unzulässig erklärt und darf daher seit 1995 nicht mehr genutzt werden. Es wurde daraufhin
durch feste Zölle ersetzt.
23
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Wohlfahrtswirkungen eines Importzolls
Preis
A
PZ
PW
P*Z
a
b
d
c
e
N
Menge
Import (bei Zoll)
Nettoeffekt im Inland:
Verlust an Konsumentenrente (a+b+c+d) ·/. Gewinn an
Produzentenrente (a) ·/. Zolleinnahmen (c+e)
= Produktionsverzerrung (b) + Konsumverzerrung (d) ·/. Terms-oftrade-Gewinn (e)
In der folgenden Folie wird die Funktionsweise des Systems der „variablen
Abschöpfungen“ verdeutlicht (vgl. Baldwin/Wyplosz 2006, S. 205-207):
Ökonomik der “variablen Abschöpfungen”
Preis
Nachfrage
Inland
Angebot
Inland
Nachfrage
Inland
Preis
Angebot
Inland
paut
Z’
Preisboden
(Pw+Z, bzw.
Pw’+Z’)
Z
Preisboden
A
Pw’
Pw
Pw
B
C1
C2
Importe
(mit
“Boden”)
Z
Za
Ca C
Menge
Importe (ohne Preisboden)
24
Z
Za
Ca C
Menge
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Über die „klassischen“ Wirkungen eines Importzolls hinaus hat das System der
inländischen Preisstützung seine eigene Dynamik entwickelt. Es hat, im Verein mit
einem technologisch bedingten – und durch die hohen Preise zusätzlich geförderten –
starken Produktivitätsfortschritt („grüne Revolution“), dazu geführt, dass bei vielen
Agrarprodukten die inländische Produktion die inländische Nachfrage übersteigt. In
diesem Fall werden die Überschussmengen/die Überproduktion vom Staat bzw. von
der Gemeinschaft zum Garantiepreis aufgekauft und im Prinzip exportiert. Für die
exportierten Mengen ergibt sich dabei eine Subvention (pro exportierter Einheit) in
Höhe der Differenz zwischen Garantie- und Weltmarktpreis. Die (Wohlfahrts)Wirkungen dieser Subvention entsprechen den Wirkungen einer Exportsubvention:
Wohlfahrtswirkungen einer Exportsubvention
Preis
PS
PW
P*S
a b
c
e
f
d A
g
N
Menge
Export (bei Subvention)
Nettoeffekt im Inland:
Verlust an Konsumentenrente (a+b) ·/. Gewinn an Produzentenrente
(a+b+c) + Ausgaben für Subventionierung (b+c+d+e+f+g)
= Konsumverzerrung (b) + Produktionsverzerrung (d) + Terms-of-tradeVerlust (e+f+g)
„Haushaltstechnisch“ gesehen wechselt die Europäische Gemeinschaft im Zuge dieser
Entwicklung aus der Position eines „Zolleinnehmers“ (grünes Feld in der folgenden
Folie) in die Position eines „Subventionsgebers“ (rotgestricheltes Feld):
25
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Wandlung der EU vom Importeur zum
Exporteur von Agrarprodukten
Preis
PW = Weltmarktpreis
A
PINI = Inlandspreis bei Nettoimport
PINE
PA = Autarkiepreis
PA
PINE = Inlandspreis bei Nettoexport
PINI
= Zolleinnahmen
PW
= Subventionen
N
Menge
Export
Import
In der nächsten Folie wird das Zusammenspiel zwischen inländischer Preisstützung und
Angebotsexpansion in der europäischen Landwirtschaft dargestellt ((vgl.
Baldwin/Wyplosz 2006, S. 211-212):
Preisstützung und Angebotsexpansion im EU-Agrarsektor
Preis
A1 A2 A3
A4
Preis
Nachfrage
Inland
Angebot
Inland
p1aut
p2aut
p3aut
a
p4aut
b
c d
e
Preisboden
A’
Preisboden
B
A
C1
C2
Pw
Aufkauf
durch EU
Nachfrage
Inland
Menge
26
Ca
Za
Menge
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Von den 1960er zu den 1990er Jahren wurde die Europäische Gemeinschaft in der Tat
bei den meisten Agrarprodukten vom (Netto-) Importeur zum (Netto-) Exporteur. Dabei
stiegen die Kosten der GAP kräftig an: ihr Anteil am Budget der Gemeinschaft
erhöhte sich zwischen 1965 und 1969 explosionsartig von 8% auf 80%. Seither ist
dieser Anteil wieder zurückgegangen, die Agrarausgaben bestreiten aber noch immer
einen hohen Anteil (ca. 40%) des Gemeinschaftshaushaltes (Baldwin/Wyplosz 2006, S.
214).
Im Jahre 2002 wurden in der EU insgesamt 107 Mrd. US-$ entweder zur Preisstützung
für Agrarprodukte (61 Mrd. $) oder als Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe
(46 Mrd. $) ausgegeben. Dies ist annähernd die Hälfte der Summe (235 Mrd. $), die in
der gesamten OECD für Agrarsubventionen dieser Art (Producer Support
Estimate/PSE) aufgebracht wurde. Etwa drei Viertel der PSE-Leistungen sind in
irgendeiner Form an die Höhe der Erzeugung gekoppelt und verzerren deshalb die
internationalen Handelsströme im Agrarsektor (Tangermann 2004).1
Gegenwärtig werden etwa 80 Prozent der gesamten EU-Agrarausgaben für die Marktund Preispolitik (erste Säule der GAP) verwendet, während für die Politik für den
ländlichen Raum (zweite Säule der GAP) ca. 20 Prozent zur Verfügung stehen. In der
ersten Säule sind inzwischen die Direktzahlungen deutlich höher als die traditionellen
Ausgaben für Marktinterventionen (Kirschke/Häger 2008, S. 50).
Wirkungen der GAP auf den Weltmarktpreis:
Da die EU ein „großer Spieler“ in der Weltwirtschaft ist, wirken sich ihre Aktionen
nachhaltig auf den Weltmarkt und vor allem auf die Preisbildung am Weltmarkt aus.
Dies gilt natürlich in besonderem Maße bei Exportsubventionen, da in diesem Falle
Anbieter aus anderen Ländern unmittelbar betroffen sind. In der GAP-Terminologie
heißen Exportsubventionen Exportrestitution; sie sind das Pendant zu den erwähnten
variablen Abschöpfungen auf der Importseite. Da die subventionierten Exportpreise
deutlich niedriger sind als die inländischen Erzeugungskosten, liegt zugleich ein
klassischer Fall von Dumping vor. Beim Dumping wird zwischen Kosten- und
Preisdumping unterschieden. In der Gemeinsamen Agrarpolitik ist beides gegeben: Die
1 PSE-Leistungen bilden den Großteil – und den für den internationalen Handel relevanten Teil – der für
2002 auf insgesamt 318 Mrd.$ pro Jahr veranschlagten Agrarsubventionen in der OECD (Tangermann
2004).
27
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Verkaufspreise im Ausland liegen unter den inländischen Erzeugungskosten
(Kostendumping) und ebenfalls unter den Verkaufspreisen im Inland (Preisdumping).
In der folgenden Folie wird gezeigt, wie das Zusammenspiel von Schutz des
Inlandsmarktes und Dumping auf Exportmärkten sich auf den Weltmarktpreis auswirkt:
Wirkungen der GAP auf den Weltmarktpreis
IN
(mit
Preis Protektion)
EA
(ohne Dumping)
EA
(mit Dumping)
PWF
PWF = Weltmarktpreis bei
Freihandel
PW P = Weltmarktpreis bei
Protektion des
Inlandsmarktes
PWD = Weltmarktpreis bei
Dumping im Ausland
PW P
PWD
PW PD
IN
(ohne
Protektion)
MP MF MPD MD
PW PD = Weltmarktpreis bei
Protektion und
Dumping
IN
= Importnachfrage
EA
= Exportangebot
Menge
Ohne Schutz des Inlandsmarktes und ohne Dumping läge der Weltmarktpreis bei PwF,
d.h. er läge dort, wo die Exportangebotskurve EA (ohne Dumping) und die
Importnachfragekurve IN (ohne Protektion) sich schneiden. Durch Protektion des
Inlandsmarktes verschiebt sich die Importnachfragekurve nach links, d.h. bei einem
gegebenen Preis wird weniger nachgefragt. Der Weltmarktpreis fällt auf PwP; die
international gehandelte Menge sinkt auf MP. Durch Dumping verschiebt sich die
Exportangebotskurve nach rechts, d.h. zu einem gegebenen Preis wird mehr angeboten.
Der Weltmarktpreis fällt auf PwD; die international gehandelte Menge erhöht sich auf
MD. Wenn beides zusammenkommt – Protektion und Dumping -, fällt der
Weltmarktpreis auf PwPD; die international gehandelte Menge steigt oder fällt; bei der
hier gewählten Steigung und Lage der Kurven erhöht sie sich auf MPD.
28
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Volkswirtschaftliche Kosten der GAP:
Den Handelspartnern der EU entstehen durch die gemeinsame Agrarpolitik und die von
ihr bewirkte Reduktion der Weltmarktpreise hohe Kosten in der Form entgangener
Absätze und Erlöse in der EU, in Drittländern und im eigenen Land. Mehr als ein Drittel
der gesamten volkswirtschaftlichen Kosten, die von der GAP verursacht werden, wird
von den Handelspartnern getragen.1 In relativ besonders hohem Maße sind
Entwicklungsländer betroffen, deren Agrarexportpotential durch die EU-Subventionen
in einem Ausmaß (etwa 50 Mrd. $ pro Jahr) gemindert wird, das etwa der Hälfte der
von den EU-Mitgliedstaaten insgesamt geleisteten Entwicklungshilfe entspricht (Ismail
2003, S. 569).
Reformschritte in der GAP:
Eine wirksame Reform der GAP müsste bei der Preisstützung ansetzen, also bei der
Abkopplung des Inlandspreises vom Weltmarktpreis bzw. bei dem Keil, der zwischen
Inlands- und Weltmarktpreis getrieben wird. Dies hat jedoch eine politisch sehr
einflussreiche Agrarlobby lange Zeit verhindert. Deren Macht, die in keinem Verhältnis
zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Agrarsektors steht, resultiert zum Teil aus
einer Befürwortung der hohen Agrarsubventionen in der breiten Bevölkerung.
1 Den Rest der auf insgesamt mindestens 75 Mrd. $ geschätzten Kosten teilen sich Verbraucher und
Steuerzahler in der Gemeinschaft selbst (Borrell/Hubbard 2000).
29
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik:
Überblick
• Reform von 1988: Eindämmung der
Überproduktion
• Reform von 1992: Einstieg in die
Entkopplung von Produktion und
Subvention
• Reformen von 2003 und 2004:
Fortsetzung der Entkopplung
Um dem Dilemma zwischen fehlender politischer Akzeptanz eines Abbaus der
Preisstützung und den Kosten für den Aufkauf der Überproduktion zu entkommen,
wurde zunächst an der Produktionsschraube gedreht (und damit am Symptom
laboriert), d.h. zur Eindämmung der Überproduktion wurden Produktionsquoten
verhängt bzw. Höchstmengen zum garantierten Abnahmepreis festgelegt, zunächst bei
Zucker (1968), dann bei Milch (1986) und schließlich bei allen Haupterzeugnissen
außer Rindfleisch (1988). Das Problem der Überschussproduktion wurde so jedoch
nicht gelöst:
„The wheat and butter mountains continued to grow along with subsidized exports,
budget expenditures continued to rise, and, despite this, average farm incomes
continued to fall relative to the EU-wide average” (Baldwin/Wyplosz 2004, S. 230).
Die erste Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik, die an der Ursache des Problems
ansetzte, nämlich an den überhöhten Inlandspreisen bzw. der Abkopplung des
Inlandspreises vom Weltmarktpreis, kam 1992. Nach ihrem Initiator, dem damaligen
Agrarkommissar der Gemeinschaft, wurden diese Reformen MacSharry-Reformen
genannt. Die MacSharry-Reformen wurden maßgeblich von außen angestoßen, nämlich
durch die multilateralen Liberalisierungsverhandlungen im Rahmen des GATT
(Uruguay-Runde). Ein Hauptziel der 1986 begonnenen Uruguay-Runde war die
Revision protektionistischer/interventionistischer Agrarpolitik. Treibende Kraft bei der
30
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Liberalisierung war die Cairns Group der Agrarexportländer (so benannt nach dem Ort
in Australien, an dem die Gruppe gebildet wurde). Die Europäische Gemeinschaft (im
Verein mit Japan) widersetzte sich dagegen hartnäckig einem substantiellen Abbau des
Agrarschutzes und brachte damit Ende 1990, als die multilateralen Verhandlungen
eigentlich hätten abgeschlossen werden sollen, die Uruguay-Runde an den Rand des
Scheiterns (und die Vertreter der Cairns Group zum Verlassen des
Verhandlungstisches):
„This crisis threatened the whole future of the world trading system – an outcome
that most EU exporters could not accept (over 80 per cent of EU exports involve
industrial goods). EU governments began to face very serious pressure from their
own industrialists and export-oriented service sectors. In the end, this pressure was
sufficient to force a reform of the CAP that was substantial enough to allow a
Uruguay Round agreement that was acceptable to the Cairns Group. The reform
package, which was called the MacSharry reforms after the EU Farm Commissioner
responsible for it, was adopted in mid-1992. The Uruguay Round deal was struck 18
months later“ (Baldwin/Wyplosz 2004: 231).
Die Essenz der MacSharry-Reformen war eine Senkung der Stützpreise und der Beginn
kompensatorischer Direktzahlungen an die Landwirte. Dies war zugleich der Start des
Prozesses der Entkopplung von Produktion und Subvention. D.h.: Das Ausmaß der
Subventionierung hing nicht länger (allein) von der erzeugten Menge (dem
Flächenertrag), sondern auch von der für die Erzeugung genutzten Fläche (der
Flächengröße) ab.
Die MacSharry-Reformen machten den Weg zu einem Verhandlungsergebnis in der
Uruguay-Runde frei, das seinerseits bedeutende Auswirkungen auf die Gemeinsame
Agrarpolitik hatte:
•
Die variablen Importabgaben und mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen mussten
in feste Zölle umgewandelt (Tarifizierung) und zugleich gesenkt werden.
•
Die interne Subventionierung der Landwirtschaft musste reduziert werden.
•
Ähnliches galt für die Exportsubventionen.
In der Agenda 2000 (beschlossen auf dem Europäischen Rat 1999 in Berlin) wurden die
MacSharry-Reformen weiter geführt (d.h. die Stützpreise weiter abgesenkt und die
hieraus resultierenden Einbußen teilweise durch zusätzliche Direktzahlungen
kompensiert). Darüber hinaus wurde vereinbart, die (realen) Budgetausgaben für die
Gemeinsame Agrarpolitik zu „kappen“, d.h. eine Obergrenze festzusetzen. Im Jahre
2002 wurde diese Obergrenze mit 43 Mrd. € pro Jahr bis zum Jahre 2013 quantifiziert;
die Agrarausgaben sollten auf diesem Niveau „eingefroren“ werden.
31
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Auch die große GAP-Reform von Juni 2003, deren Implementierung Anfang 2005
begonnen hat, knüpft an die MacSharry-Reformen an. Kernelemente dieser Reform
sind:
•
Entkopplung („decoupling“): Einführung einer Betriebsprämie bzw. Flächenprämie
(„single payment“) für Landwirte in der EU, deren Höhe von der Produktion
unabhängig ist. Entscheidend ist die Größe der landwirtschaftlich genutzten Fläche.
Dabei ist die Art der Nutzung unerheblich. Es muss also nicht mehr wie noch im
alten (MacSharry-) System z.B. eine bestimmte Getreidesorte angebaut werden.
•
Kreuzverpflichtung („cross-compliance“): Die Zahlung der Einheitsprämie ist an
die Einhaltung bestimmter Standards in den Bereichen Umwelt,
Lebensmittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz geknüpft und mit der
Verpflichtung verbunden, das Land in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen
Zustand zu erhalten.
•
Modulation und ländliche Entwicklung: Die Zahlungen für größere Betriebe
werden während acht Jahren schrittweise (leicht) gekürzt, und die auf diese Weise
frei werdenden Mittel in die „zweite Säule“ der GAP (Projekte zur Entwicklung des
ländlichen Raums) umgeschichtet.
Die Betriebsprämienregelung bzw. Flächenprämienregelung galt zunächst für die
wichtigsten Sektoren wie Getreide, Fleisch und Milch; seit 2006 sind auch Tabak,
Olivenöl und Baumwolle einbezogen.
Ein wesentlicher Impuls für die Reform kam von der WTO. So erklärte die EUAgrarkommissarin (Mariann Fischer Boel), dass die Reform die Chancen für einen
erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde erhöhe.1 Durch den Abbau
handelsverzerrender Subventionen in der EU sollten vor allem die Entwicklungsländer
für eine aktive Beteiligung an den multilateralen Liberalisierungsverhandlungen im
Rahmen der Doha-Runde gewonnen werden. Im Sommer 2004 erklärte sich die EU
insbesondere bereit, die Exportsubventionen im Agrarsektor vollständig abzubauen. Im
Gegenzug wird von (weiter fortgeschrittenen) Entwicklungsländern erwartet, dass sie
ihrerseits im Industriesektor Zölle abbauen.2
1 Vgl. Neue Zürcher Zeitung v. 27.12.2004: „Paradigmawechsel in der EU-Agrarpolitik“.
2 Vgl. Financial Times v. 17.6.2005: „Mandelson gives pledge on cuts to agricultural export subsidies“.
32
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Die Subventions-„Boxen“ in der Doha-Runde:
Orangefarbene Box: Abzubauende Subventionen, die an die Produktionsmenge oder
an den (Stütz-) Preis gebunden/gekoppelt sind und daher den internationalen Handel
verzerren. Beispiel: Staatliche Aufkäufe von Getreide oder Milchprodukten zum
Garantiepreis.
Blaue Box: Tolerierte bzw. begrenzt erlaubte Subventionen. Es handelt sich um
teilweise entkoppelte Subventionen. Sie knüpfen an der Produktion an, ohne aber den
tatsächlichen Umfang der Produktion widerzuspiegeln. Das typische Beispiel sind
Flächenprämien, die in Verbindung mit Produktionsbegrenzungsprogrammen bei einer
festen Anbaufläche und einem festen Ertrag ansetzen.
Grüne Box: Unbegrenzt erlaubte Subventionen. Hier wird davon ausgegangen, dass die
Subventionen vollständig entkoppelt und somit produktionsneutral sind. Dies gilt z.B.
für Umweltschutzsubventionen oder für Subventionen für Forschung, Entwicklung und
Ausbildung, und es wird von der Europäischen Kommission - zu 90% - auch für die in
der EU im Jahre 2005 eingeführte Betriebsprämie reklamiert, die an der Größe der
Nutzfläche, unabhängig von der Art der Nutzung, orientiert ist (s.o.).
Die WTO hat auch wesentlich dazu beigetragen, dass die EU eine Liberalisierung ihres
hochgradig protektionistischen Protektions- und Handelsregimes im Zuckersektor in die
Wege geleitet hat. Dieser Sektor war von der Reform im Juni 2003 ausgenommen
worden.
Der Preis für Zucker auf dem EU-Markt liegt bei mehr als dem Dreifachen des
Weltmarktpreises. Dieser den Produzenten garantierte Preis wird durch
entsprechende Einfuhrzölle abgesichert und heizt die Inlandserzeugung in einem
Maße an, das die Nachfrage nach Zucker in der EU weit übersteigt. Die
Überschussmengen werden exportiert, obgleich sie international nicht
wettbewerbsfähig sind, indem für jeden Euro verkauften Zuckers 3 Euro und 30 Cent
Subvention gezahlt wird (Oxfam International 2004, S. 12). Auf diese Weise ist die
EU zum zweitgrößten Zuckerexporteur in der Welt aufgestiegen, nach Brasilien und
vor Thailand, Australien und Kuba.
Australien, Brasilien und Thailand haben einige Aspekte des WTO-Zuckerregimes im
Streitschlichtungsverfahren der WTO erfolgreich angefochten.
33
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Es ist vorgesehen, den garantierten Mindestpreis für Zucker in der EU und damit den
Preisboden für dieses Erzeugnis auf dem Inlandsmarkt um etwa 40 Prozent zu senken.1
Wohlfahrtswirkungen einer Entkopplung von Produktion und Subvention in
der GAP:
In der folgenden Folie werden die inländischen Wohlfahrtswirkungen der GAP für den
Fall einer vollständigen oder auch „reinen“ Entkopplung („pure decoupling“) bei
einem Produkt wie z.B. Weizen dargestellt. Dabei ist angenommen, dass die inländische
Preisstützung bei diesem Produkt beseitigt und damit der Preisboden weggezogen wird.
Es ist außerdem angenommen, dass die Produzenten für den hierdurch erlittenen
Einkommensverlust in vollem Umfang entschädigt werden. Der Einfachheit halber wird
schließlich unterstellt, dass der Weltmarktpreis von diesen Entwicklungen nicht
beeinflusst wird.
Wohlfahrtswirkungen einer Entkopplung
von Subvention und Produktion
Preis
Stützkäufe vor
Entkopplung
A
PS
c
a
PW
d
b
e
N
Menge
Importe nach
Entkopplung
Nettoeffekt im Inland:
Gewinn an Konsumentenrente (a+b+e) ·/. Verlust an Produzentenrente
(a+b+c) + Einsparung des Staates durch vermiedene Stützkäufe (b+c+d+e)
= Gewinn an Konsumentenrente (a+b+e) ·/. Nettobudgeteffekt (a-d-e)
1 Vgl. Financial Times v. 14.6.2005: „”Overhaul of EU sugar sector ‘could force Europe’s producers to
shut down’”.
34
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Das Wegziehen des Preisbodens bedeutet, dass der Inlandspreis von PS auf Pw und
damit vom Stützpreisniveau auf das Weltmarktpreisniveau fällt. Dies führt dazu, dass
die inländische Erzeugung – das Angebot - sinkt und der inländische Konsum – die
Nachfrage – steigt. Das Land wird vom Exporteur zum Importeur des Produktes, da die
Exportsubventionen entfallen und beim Weltmarktpreis die inländische Nachfrage das
inländische Angebot übersteigt.
Aufgrund dieser Entwicklungen bei Produktion, Konsum und internationalem Handel
steigt die Konsumentenrente um die Summe der Felder a, b und e; die Produzentenrente
sinkt um a+b+c; und der Staat spart Ausgaben in Höhe von b+c+d+e aufgrund
vermiedener Stützkäufe. Da der Staat den Verlust an Produzentenrente durch
Direktzahlungen annahmegemäß vollständig kompensiert, entspricht der gesamte
Wohlfahrtseffekt dem Gewinn an Konsumentenrente abzgl. der Nettoausgaben des
Staates (d.h. der Differenz zwischen den Kompensationszahlungen an die Produzenten
und der Einsparung aufgrund vermiedener Stützkäufe). Dieser Effekt ist in jedem Fall
positiv. Er entspricht der Summe aus den Feldern b, d und 2*e.
Es zeigt sich also, dass die inländische Preisstützung ein sehr ineffizientes politisches
Instrument ist. Die Ursache liegt darin, dass der Marktmechanismus unterbrochen wird.
Bei vollständigem Ersatz der Preisstützung durch Direktzahlungen wie z.B. die
erwähnten Betriebsprämien bliebe der Marktmechanismus dagegen intakt. Die
inländischen Konsumenten würden besser gestellt, ohne dass die inländischen
Produzenten Einbußen erlitten. Das Ergebnis wäre also pareto-optimal.
Auch die ausländischen Handelspartner der EU würden insgesamt profitieren: Die
Gewinne ausländischer Produzenten aufgrund höherer Preise wären höher als die mit
höheren Preisen verbundenen Verluste für ausländische Konsumenten.
Die Realität der Gemeinsamen Agrarpolitik ist aber trotz der eingeleiteten Reformen
von vollständiger/reiner Entkopplung und effizientem Marktmechanismus noch weit
entfernt. Deshalb wird in der WTO und konkret in der laufenden Doha-Runde weiter
über den Abbau von Subventionen und Importschutzzöllen im Agrarsektor
verhandelt.
Bausteine:
Grundlegender Widerspruch, angelegt in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) seit
ihrem Beginn 1958 (Stresa-Konferenz: Entwicklung der Konzeption) bzw. 1964
(erstmalige Festsetzung von Garantie- bzw. Richtpreisen, mit denen der Keim für
35
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Überschussproduktion und exzessives Staatsausgabenwachstum für die Landwirtschaft
gelegt wurde), zwischen Interventionismus und Protektionismus auf der einen Seite und
Liberalisierung der Märkte auf der anderen Seite, jeweils im Vergleich zur vorigen
nationalen Agrarpolitik in den Mitgliedstaaten. Entsprechend ist auch die Diskussion
über eine Reform der GAP – ein ständiger Begleiter der GAP selber – durch
Spannungen zwischen Interventionisten und Anhängern freier Märkte geprägt. Dieser
innergemeinschaftliche Konflikt setzt sich in den Außenbeziehungen der Gemeinschaft
in Foren wie GATT/WTO fort.
Aus EU-Agrarpolitik (Petrick 2008), S. 246 und S. 251-252:
The year 2008 marks the fiftieth anniversary of the Common Agricultural Policy (CAP),
one of the oldest examples of a substantive supranational policy arena in post-war
Europe. In many ways it had an impact on, and even constituted the early evolution of,
European integration. Sotte claims that “the 1957 Rome Treaty would have remained an
international agreement among many if it had not been followed by the 1958
Conference of Stresa, and if a true European policy had not been born along with the
CAP, which in fact remained the only true European policy, at least till the beginning of
structural policies towards the end of the 80s.”1 At the same time, the CAP has been the
persistent target of harsh criticism, in particular with regard to its inconsistency with
fundamental principles of a market order.2
Conclusions
The CAP reforms of the last two decades represent a gradual evolution in warranted
beliefs about the best approach to agricultural policy in the EU.46 The relevant
stakeholders slowly came to recognise that the original semantics underlying the CAP
gave rise to policies and practices that were no longer regarded as acceptable or
reasonable. However, the search for new policy futures did not become compelling until
the mid-1980s. And it seems possible that the transition would have taken longer in the
absence of dramatic changes in the larger political and budgetary climate of the EU.
While it took over two decades for the semantic transition to bear fruit, it is now clear
that policy is guided by a paradigm that finds sustainability to be a more useful guide
than justice. It is worth noting however, that in the EU’s new member states structural
problems in agriculture, coupled with a lack of commitment to payments for
environmental and cultural landscapes, have impeded the transition from the semantics
of justice to the semantics of sustainability.
The evolution was gradual, and it occurred in several steps:
36
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
• a growing public perception that rural areas represented more than merely agricultural
production, and that an increasingly urbanised polity had a legitimate interest in the
rural countryside;
• a corresponding willingness by politicians to experiment with new policy measures
reflective of this broader conception of the rural countryside;
• a reform of existing measures that made fi nancial payments to farmers more
transparent, which in turn stimulated a debate on the legitimacy of such payments;
• a receptivity to expert analysis and information that created a new way of thinking
about rural policy;
• several European conferences that involved all major stakeholders and provided a
forum for debate and the re-creation of imagined futures under different policy
scenarios;
• the explicit acknowledgement of a new paradigm in which rural policy gradually
replaced agricultural policy.
37
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
LITERATUR
Aggarval, Vinod K. and Edward A. Fogarty (2004)
Explaining Trends in EU Interregionalism, in: Vinod K. Aggarval and Edward A.
Fogarty (eds.), EU Trade Strategies: Between Regionalism and Globalism,
Houndmills: Palgrave.
Baldwin, Matthew (2007)
EU Trade Politics – Heaven or Hell? in: John Peterson and Alasdair R. Young (eds.),
The European Union and the New Trade Politics, London and New York:
Routledge, pp. 132-148.
Baldwin, Richard E and Charles Wyplosz (2004)
The Economics of European Integration, London etc.: McGraw-Hill.
Baldwin, Richard E. and Charles Wyplosz (2006)
The Economics of European Integration (2nd Edition), London etc.: McGraw-Hill.
Borrell, Brent and Lionel Hubbard (2000)
Global Economic Effects of the EU Common Agricultural Policy, Economic Affairs,
Bd. 20, Nr. 2, S. 18-26.
De Bièvre, Dirk and Andreas Dür (2005)
Constituency Interests and Delegation in European and American Trade Policy,
Comparative Political Studies, Vol. 38, No. 6, pp. 1271-1296.
Dür, Andreas (2007)
EU Trade Policy as Protection for Exporters, Journal of Common Market Studies,
Vol. 45, No. 4, pp. 833-856.
Dür, Andreas and Hubert Zimmermann (2007)
Introduction: The EU in International Trade Negotiations, Journal of Common
Market Studies, Vol. 45, No. 4, pp. 771-787.
European Parliament (2001)
Resolution on Openness and Democracy in International Trade (2001/2093(NI)).
Evans, Peter B., Harold K. Jacobson and Robert D. Putnam (eds.) 1993
Double-edged Diplomacy: International Bargaining and Domestic Politics,
Berkeley: University of California Press.
Frennhoff Larsén, Magdalena (2007)
Trade Negotiations between the EU and South Africa, Journal of Common Market
Studies, Vol. 45, No. 4, pp. 857-882.
Grossman, Gene. M. and Elhanan Helpman (1995)
The Politics of Free Trade Agreements, American Economic Review, Vol. 85, No. 4,
pp. 667-690.
Hayes, J.P. (1993)
Making Trade Policy in the European Community, New York: St. Martin’s Press.
Helpman, Elhanan (1999)
Politics and Trade Policy, in: Richard Baldwin, Daniel Cohen, André Sapir and
Anthony Venables (eds.), Market Integration, Regionalism and the Global Economy,
Cambridge: Cambridge University Press.
38
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Ismail, Faizel (2003)
On the Road to Cancún. A Development perspective on EU Trade Policies and
Implications for Central and East European Countries, The Journal of World
Investment, Vol. 4, No. 3, August, pp. 563-584.
Johnson, Michael (1998)
European Community Trade Policy and the Article 113 Committee, London: Royal
Institute of International Affairs.
Kirschke, Dieter und Astrid Häger (2008)
Agrarpolitik in der Europäischen Union: Abkehr vom Protektionismus?
Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Nr. 118: Ludwig-ErhardStiftung Bonn, S. 49-54.
Messerlin, Patrick A. (2001)
Measuring the Costs of Protection in Europe, Washington, DC: Institute for
International Economics.
Meunier, Sophie (2005)
Trading Voices. The European Union in International Commercial Negotiations,
Princeton (NJ) and Oxford (England): Princeton University Press.
Meunier, Sophie (1998)
Divided But United: European Trade Policy Integration and EU-US Agricultural
Negotiations in the Uruguay Round, in: Carolyn Rhodes (ed.), The European Union
in the World Community, Boulder (CO): Lynne Rienner.
Meunier, Sophie and Kalypso Nicolaidis (1999)
Who Speaks for Europe? The Delegation of Trade Authority in the European Union,
Journal of Common Market Studies, Vol. 37, No. 3, pp.477-501.
Milner, Helen V. (1997)
Interests, Institutions and Information: Domestic Politics and International
Relations, Princeton (NJ): Princeton University Press.
Oxfam International (2004)
Dumping on the World. How EU Sugar Policies Hurt Poor Countries, Oxfam
Briefing Paper 61, Oxford, March.
Petrick, Martin (2008)
The Co-evolution of Semantics and Policy Paradigms: 50 Years of Europe’s
Common Agricultural Policy, Intereconomics, Vol. 43, No. 4, July/August, pp. 246 252.
Putnam, Robert D. (1988)
Diplomacy and Domestic Politics: The Logic of Two-level Games, International
Organization, Vol. 42, No. 3, pp. 427-460.
Schöppenthau, Philip von (1999)
Die Europäische Union als Akteur der internationalen Handelspolitik: Die
Textilverhandlungen der GATT-Uruguay-Runde, Wiesbaden: Deutscher
Universitäts-Verlag.
Senti, Richard (2002)
The Role of the EU as an Economic Actor within the WTO, European Foreign
Affairs Review, Vol. 7, No. 1, pp. 111-117.
Tangermann, Stefan (2004)
Farming Support. The Truth Behind the Numbers, OECD Observer, No. 243, May,
pp. 38-39.
39
c:\dokume~1\hilfsk~1\lokale~1\temp\modul viii-110609_text.doc
Vorlage:Nomos5_D.Dot09.06.2009 13:14:00
Van den Hoven, Adrian (2004)
Assuming Leadership in Multilateral Economic Institutions: The EU’s
“Development Round” Discourse and Strategy, West European Politics, Vol. 27, No.
2, pp. 256-283.
Woll, Cornelia (2006)
The Road to External Representation: The European Commission’s Activism in
International Air Transport, Journal of European Public Policy, Vol. 13, No. 1, pp.
52-69.
Woolcock, Stephen (2000)
European Trade Policy: Global Pressures and Domestic Constraints, in: Wallace,
Helen; Wallace, William (eds.), Policy-Making in the European Union, 4th Edition,
Oxford: Oxford University Press, pp. 373-393.
WTO (World Trade Organisation) (2007)
Trade Policy Review European Communities, Secretariat Report, WTO document
WT/TPR/S/177, Geneva, 22 January.
Young, Alasdair R. (2002)
Extending European Cooperation. The European Union and the ‘New’ International
Trade Agenda, Manchester and New York: Manchester University Press.
Zimmermann, Hubert (2007)
Wege zur Drachenzähmung. Die EU und die USA in den Verhandlungen um die
Aufnahme Chinas in die WTO, 1985-2001, Baden-Baden: Nomos.
40