Stadtteilanalyse Jena
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Stadtteilanalyse Jena
F A C H H O C H SCHULE J E N A Fachbereich Sozialwesen University of Applied Sciences Stadtteilanalyse Jena - Winzerla Annette Elsner Prof. Dr. Ulrich Lakemann ISBN 3-932886-04-6 Jena 2003 Inhaltsverzeichnis 1. Städtische Neubauquartiere - Entwicklung und Perspektiven...............5 1.1 1.2 1.3 1.4 Städte zwischen Rationalität und Urbanität........................................................ 5 Randstädtische Neubauquartiere ......................................................................... 9 Gemeinwesenarbeit, Vernetzung und Quartiersmanagement.......................11 Ausgangsüberlegungen und Fragestellungen des Forschungsprojekts ......16 2. Methoden der Datenerhebung und –analyse...................................... 18 2.1 Bevölkerungsbefragung im Stadtteil Winzerla .......................................................18 2.2 Experteninterviews .....................................................................................................25 3. Der Stadtteil Winzerla ........................................................................... 26 3.1 Entstehung des Stadtteils ..........................................................................................27 3.2 Bevölkerungsstruktur von Jena und Winzerla im Vergleich. ...............................28 4. Grünflächen im Stadtteil ....................................................................... 32 4.1 Grünflächen und Bänke im Wohngebiet.................................................................32 4.2 „Wasserachse“ und Kunst im Wohngebiet .............................................................36 5. Parkplätze im Stadtteil.......................................................................... 40 6. Freizeitverhalten und Freizeitangebote in Winzerla............................ 42 7. Situation der Kinder und Jugendlichen im Wohngebiet...................... 45 7.1 Umfang von Freizeitflächen für Kinder und Jugendliche ....................................46 7.2 Qualität der Freizeitflächen für Kinder und Jugendliche ......................................49 7.3 Störungen durch Kinder und Jugendliche ..............................................................53 8. Nachbarschaft und Haus ...................................................................... 56 8.1 Nachbarschaftsbeziehungen: Bekanntheit und grüßen .......................................56 8.2 Unterhaltungen, Besuche und gegenseitige Hilfe .................................................58 8.3 Subjektive Zufriedenheit mit nachbarschaftlichen Kontakten..............................61 8.4 Sauberkeit im Haus ....................................................................................................62 8.5 Konflikte unter Nachbarn...........................................................................................63 9. Selbsthilfepotenziale im Wohngebiet................................................... 66 9.1 Aktivierung des Selbsthilfepotenzials durch soziale Arbeit..................................67 9.2 Aktivierung auch älterer Menschen .........................................................................67 10. Politik und Ortschaftsrat ..................................................................... 69 11. Kriminalitätsfurcht im Wohngebiet ..................................................... 71 11.1 Unsicherheitsgefühl nach Geschlecht, Alter und Region...................................72 11.2 Gründe für Angst ......................................................................................................76 11.3 Dominante Jugendgruppen im Stadtteil................................................................77 12. Identifikation mit Winzerla .................................................................. 80 13. Zusammenfassung ............................................................................. 85 Literatur ..................................................................................................... 87 2 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Stadtteil Winzerla ............................................................................................19 Abbildung 2: A lter der Bevölkerung in Winzerla und Stichprobe im Vergleich............20 Abbildung 3: Geschlechterverteilung Stichprobe und Stadtteil im Vergleich................21 Abbildung 4: Erwerbsstatus der Befragten (N=334) .........................................................22 Abbildung 5: Größe der Haushalte in unserer Stichprobe...............................................23 Abbildung 6: Familienstatus der Befragten (N=337) ........................................................23 Abbildung 7: Wohndauer in Winzerla ..................................................................................24 Abbildung 8: Wohndauer in der Wohnung .........................................................................25 Abbildung 9: Winzerla und die Stadt Jena .........................................................................26 Abbildung 10: Altersstruktur der Jenaer Gesamtbevölkerung im Vergleich zur Bevölkerung Winzerlas (2001) .....................................................................................29 Abbildung 11: Altersstruktur in Winzerla, Lobeda Ost und Löbstedt im Vergleich (2002) ...............................................................................................................................30 Abbildung 12: Bevölkerungsentwicklung der drei großen Jenaer Neubauquartiere in den Jahren 1995-2001 (Hauptwohnung; Angaben in Prozent) ..............................31 Abbildung 13: Bevölkerungsentwicklung in Winzerla zwischen 1995 und 2001 nach Altersgruppen..................................................................................................................31 Abbildung 14: Quantitative Ausstattung des Stadtteils mit Grünflächen aus der Sicht der Bewohner..................................................................................................................32 Abbildung 15: Beurteilung der Qualität von Grünflächen im Stadtteil............................33 Abbildung 16: Änderungswünsche bei der Gestaltung von öffentlichen Grünanlagen und Grünanlagen in den Innenhöfen nach Anzahl der Nennungen.......................33 Abbildung 17: Einschätzung der "Wasserachse" ..............................................................37 Abbildung 18: Denken Sie, dass man durch Kunst Ihren Stadtteil verschönern kann? ...........................................................................................................................................38 Abbildung 19: Denken Sie, dass man durch Kunst Ihr Wohngebiet verschönern kann? Wenn ja: durch welche? ....................................................................................39 Abbildung 20: Quantität der Parkmöglichkeiten im Stadtteil ...........................................40 Abbildung 21: Welche Möglichkeiten der Parkplatzgestaltung sehen Sie?..................41 Abbildung 22: Wo verbringen Sie und Ihre Familie größtenteils ihre Freizeit? ............42 Abbildung 23: Quantität der Freizeitflächen für Kleinkinder und Kinder........................46 Abbildung 24: Quantität der Freizeitflächen für Jugendliche...........................................47 Abbildung 25: Nutzung freier Räume in den Wohnhäusern durch Kinder und Jugendliche .....................................................................................................................48 Abbildung 26: Beurteilung der Qualität von Freizeitflächen für Kinder und Jugendliche ...........................................................................................................................................49 Abbildung 27: Verbesserungsvorschläge bei der Freiflächengestaltung für Kinder und Jugendliche .............................................................................................................49 Abbildung 28: Störungen durch Kinder und Jugendliche im Stadtteil ..........................54 Abbildung 29: Ursachen einer Störung durch Kinder und Jugendliche im Stadtteil....54 Abbildung 30: Wie viele Nachbarn aus Ihrem Hauseingang kennen Sie mit Namen? (N=336) ............................................................................................................................57 Abbildung 31: Wie viele Nachbarn aus Ihrem Haus grüßen Sie (N=334).....................57 Abbildung 32: Mit wie vielen Nachbarn unterhalten Sie sich? (N=333) ........................58 Abbildung 33: Nachbarschaftliche Besuche ......................................................................58 Abbildung 34: Zonenspezifisch: Wurden Sie von Nachbarn in deren Wohnung eingeladen? .....................................................................................................................59 Abbildung 35: Häufigkeit gegenseitiger Besuche .............................................................59 Abbildung 36: Helfen Sie sich manchmal gegenseitig? ...................................................60 3 Abbildung 37: Helfen Sie sich manchmal unter Nachbarn? Wenn ja: wie?..................61 Abbildung 38: Wünschen Sie sich mehr Kontakte zu Ihren Nachbarn oder sind Sie zufrieden damit, wie es ist? ..........................................................................................62 Abbildung 39: Wie zufrieden sind Sie mit der Sauberkeit im Haus?..............................62 Abbildung 40: Falls weniger oder gar nicht zufrieden: Was stört Sie? ..........................63 Abbildung 41: Gibt es im Haus manchmal Konflikte oder Probleme unter Nachbarn? ...........................................................................................................................................63 Abbildung 42: Welche Anlässe gibt es für Konflikte? .......................................................64 Abbildung 43: Haben Sie Interesse, sich mit einigen anderen Bewohnern hier aus Winzerla zusammen zu tun, um gemeinsam etwas in Winzerla zu verbessern? 66 Abbildung 44: Glauben Sie, dass sich die Leute aus dem Rathaus um Winzerla kümmern? ........................................................................................................................69 Abbildung 45: Seit einem Jahr gibt es in Winzerla einen Ortschaftsrat. Wird sich dadurch für Winzerla etwas verändern? .....................................................................70 Abbildung 46: Wird sich durch den Ortschaftsrat etwas verändern; wenn ja, was? ...70 Abbildung 47: Einschätzung der Kriminalität Winzerlas im Vergleich zum Rest der Stadt .................................................................................................................................71 Abbildung 48: Vergleich des subjektiven Sicherheitsgefühls im Stadtteil tagsüber und nachts ...............................................................................................................................72 Abbildung 49: Subjektives Sicherheitsgefühl in Winzerla bei Nacht: Männer und Frauen..............................................................................................................................73 Abbildung 50: Subjektives Sicherheitsgefühl in Winzerla bei Nacht nach Alter...........73 Abbildung 51: Subjektives Sicherheitsgefühl in Winzerla bei Nacht nach Zonen........75 Abbildung 52: Gründe für subjektives Unsicherheitsgefühl im Stadtteil........................76 Abbildung 53: Was glauben Sie, wie Einwohner anderer Stadtgebiete Winzerla finden? .............................................................................................................................80 Abbildung 54: Gründe für Besuche Winzerlas durch Bewo hner anderer Stadtteile ....81 Abbildung 55: Welche der folgenden Aussagen über Winzerla trifft auf Sie zu? ........82 Abbildung 56: Warum wolle n Sie in Winzerla bleiben? ....................................................83 Abbildung 57: Warum würden/wollen Sie aus Winzerla wegziehen? ............................84 4 1. Städtische Neubauquartiere - Entwicklung und Perspektiven Im Zentrum unseres Forschungsprojekts steht das Jenaer Wohngebiet „Winzerla“. Es handelt sich dabei um ein randstädtisches Neubauquartier in Plattenbauweise mit fünf- und mehrgeschossigen Zeilenbauten. Das Projekt wurde in den Jahren 2001/02 durchgeführt im Rahmen des Hochschul- und Wissenschaftsprogramms (HWP) des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Um die empirischen Ergebnisse unserer Einzelfallstudie in einen übergreifenden Diskussionskontext stellen zu können, werden in diesem Kapitel zunächst einige Überlegungen zur ost- und westdeutschen Stadtentwicklung in den letzten Jahrzehnten angestellt. Speziell betrachten wir dabei die Situation der randstädtischen Neubauquartiere und die Frage, welche Möglichkeiten es gibt, auf die zum Teil eskalierenden Problemsituationen in diesen Wohngebieten zu reagieren. Im Anschluss an eine Darstellung unserer Forschungsmethoden werden in den folgenden Kapiteln die Ergebnisse aus einer Bevölkerungsbefragung und aus mehr als zwanzig Expertengesprächen zum Wohngebiet präsentiert. Die quantitativen und qualitativen Daten bilden die empirischen Grundlagen für die weitere Arbeit im und am Wohngebiet Winzerla. 1.1 Städte zwischen Rationalität und Urbanität Mehr denn je drücken sich in den Städten heute die übergreifenden gesellschaftlichen Strukturprinzipien von Arbeitsteilung und Rationalität im Sinne von Funktionalität oder Effektivität aus. Es dominiert also die Zweckmäßigkeit und der Zweck ist vor allem in randstädtischen Neubauquartieren fast ausschließlich das Wohnen. Für die gesamte Stadt sind die Zwecke sicherlich differenzierter zu betrachten. Eine Stadt, in der man nur wohnen kann wäre keine Stadt, da sie viele Bedürfnisse ihrer Bewohner unberücksichtigt lassen würde und sie deshalb wahrscheinlich schon bald keine Bewohner mehr hätte. Die Stadt berücksichtigt also mehr Funktionen: Neben das Wohnen tritt das Arbeiten. Die Wege zwischen beiden erfordern die Fortbewegung. Daneben tritt der Konsum, die Freizeit und vieles mehr. Städte sind in ihrer Gesamtheit also "bunter" als manche auf das Wohnen reduzierte Stadtteile. Dennoch ist auch ihr Gestaltungsprinzip eine rationale und effektive Funktionalität. Grundlegende Mechanismen dieser funktionalen Differenzierung der Stadt sind der Wettbewerb, die Arbeitsteilung und in deren Folge ein Segregationsprozess mit reichen, mittelständischen und armen Milieus sowie einer funktionalen Verinselung. Helga Zeiher (1990) hat dies mit Blick auf das städtische Leben von Kindern verdeutlicht: Kinderleben in der Stadt findet vor diesem Hintergrund auf funktional spezialisierten räumlichen "Inseln" statt, zwischen denen die Eltern die räumlichen Verbindungen durch entsprechende Fahrten herstellen müssen. Alles in allem funktioniert die Stadt wie eine komplexe, gut geölte Maschine, die aus mehreren Modulen besteht. Die Transaktionen zwischen diesen Modulen verursachen allerdings wiederum zusätzliche Kosten. Diese hochgradige Funktionalisierung von Teilräumen in der Stadt und ihre fehlende Zusammenführung zu einer Einheit kann auch die sozialen Beziehungen funktionalisieren und sie auf das reduzieren, was der jeweilige Ort als Verhalten vorsieht. An einem Ort, an dem z.B. nur Fortbewegung als Funktion vorgesehen ist, kommt es nur schwer zu Formen sozialen Verhaltens, die nichts mit Fortbewegung zu tun haben. In konkreten Situationen drückt sich die Funktionsspezialisierung der Stadt im relativ harmlosen Fall in der Anonymität auf Bahnhöfen aus, im weniger harmlosen Fall in der Toleranz und Ignoranz gegenüber öffentlich ausgeübter Gewalt. Dabei haben 5 sich auch die Formen sozialer Kontrolle ausdifferenziert. Sie findet nicht mehr als immanenter, tagtäglicher und so als „natürlich“, wenn auch manchmal lästig oder ärgerlich empfundener Bestandteil sozialer Beziehungen statt. In der funktionalisierten Stadt treten an die Stelle einer solchen direkten sozialen Kontrolle organisierte und zum Teil auch technisch mediatisierte Kontrollformen. Das Aufgebot an staatlicher Kontrolle muss steigen, um die zunehmende Kriminalität einzudämmen. Auch die möglich gewordene vollkommene Überwachung des Stadtraums durch Kameras ist kein technisches, höchstens noch ein rechtliches oder ethisches Problem. Hinter diesen Formen der Stadtentwicklung steht eine entsprechende, bis heute dominierende Planungsideologie der modernen Großstadt, die Hartmut Häussermann wie folgt beschreibt: "Rationalisierung und Ökonomisierung waren »modern«, und diese Gedanken hatten auch tiefgreifende Einflüsse auf den Wohnungsbau und die Stadtplanung. Rationalisierung wurde in den Köpfen von Architekten und Stadtplanern zum Leitbegriff für die Gestaltung auch der außerbetrieblichen Lebenswelt. Das Prinzip der kurzen Wege wurde auf die Planung der Stadt und der Wohnung übertragen: Alles sollte »zweckmäßig« werden. Die Stadt sollte wie eine Fabrik organisiert werden: Trennung der unterschiedlichen Funktionen, ihre räumliche Verortung in verschiedene Zonen der Stadt und ihre Verknüpfung durch die verschiedenen Verkehrsarten nach dem Prinzip des Fließbandes. ... Auch die Wohnung wurde wie eine Maschine geplant. Eine ganze Architektengeneration befaßte sich mit der Rationalisierung der Bewegungsabläufe in der Wohnung und mit der Arbeitsorganisation in der Küche. Der Mensch wurde zu einem abstrakten Wesen, das sich den Bedingungen des modernen Lebens anzupassen hatte. Und die neue Ästhetik orientierte sich ungeniert an der industriellen Produktion ein technisches, zweckmäßiges Aussehen galt als besonders chic" (Häussermann 1999: 17). In diesen, die räumliche Gestaltung der Städte prägenden Leitbildern drücken sich einerseits gesellschaftliche Bedingungen aus, andererseits wirken die räumlichen Gegebenheiten wiederum auf soziale Bedingungen zurück. Dieter Keim (1979) hat städtische Milieus als sozialwirksame Raumstruktur und raumwirksame Sozialstruktur beschrieben. Räumliche Bedingungen prägen also einerseits soziale Beziehungen, und andererseits beeinflussen soziale Beziehungen wiederum räumliche Bedingungen. In städtischen Milieus drücken sich demnach Nutzungsstrukturen aus, die das Verhältnis der Bewohner gegenüber dem "Sachkomplex" des Quartiers und ihre Aneignung der Sachumwelt verdeutlichen. Gleichzeitig sind sozialstrukturelle Eigenschaften des Milieus in Zusammenhang mit Wohnverhältnissen und dem Ausstattungsgrad des Quartiers zu betrachten. Räumliche Enge und bauliche Normierung sind in vielen Beispielen als Blockaden für soziale Beziehungen im Stadtteil identifiziert worden. Die Bewohner müssen viel „soziale Energie“ aufbringen um diese Blockaden zu überwinden; oftmals schaffen sie es nicht. Angesichts der Interaktion zwischen Sozialem und Raum könnte man als Parallele zu den sozio-technischen-Systemen, die eine Interaktion zwischen Mensch und Maschine kennzeichnen, von sozio-räumlichen-Systemen sprechen. Hinter jeder Gestaltung von Raum steckt dabei ein bestimmtes Menschenbild, in dem sich Planungsideologien und letztendlich wiederum Herrschafts- und Machtstrukturen ausdrücken. Diese ziehen ein starres oder flexibleres sozio-räumliches-System mit entsprechenden Freiheits- bzw. Unfreiheitsgraden für den Menschen nach sich. Sozio-räumlicheSysteme unterscheiden sich also in dem Ausmaß, in dem sie den Menschen Entfaltungsspielräume lassen. 6 Zum Wechselverhältnis zwischen Raum und Sozialem wurden einige "klassische" Thesen formuliert, die Keim (1979: 48 f.) folgendermaßen zusammengefasst hat: ⇒ Je mehr in einem Wohnquartier materielle, institutionelle und Aktivitätsstrukturen deckungsgleich sind, also ineinander greifen, desto wirksamer sind diese Eigenschaften für sozialstrukturelle Zusammenhänge. Sie bilden umso deutlicher das Gerüst und die Begrenzung eines einheitlichen sozialen Lebens. (Überlagerungsthese von Chombart de Lauwe). ⇒ Solange wirtschaftliche und kulturelle Möglichkeiten von Bewohnergruppen beschränkt sind (benachteiligte Bewohnergruppen), bleibt der Einfluss eines erneuerten Wohnumfeldes auf ihre Reproduktionsweise ineffektiv, d.h. überholte sozialstrukturelle Zusammenhänge können sich längerfristig halten (Coings Ungleichzeitigkeitsthese). ⇒ Wenn Sachanlagen, Geräte und andere materielle Ausstattungen innerhalb der Reproduktionsweise von Bewohnern gemeinsam benötigt werden, bilden sich sozialstrukturelle Zusammenhänge heraus, die wesentlich über den Gebrauch solcher Ausstattungen vermittelt sind (Geigers analoge Sachdominanzthese). ⇒ Wenn in einem Wohnquartier subkulturelle Entwicklungen als Bestandteil der Reproduktionsbedingungen entstehen, dann verändern Subkultur-Gruppen die raumstrukturellen Milieueigenschaften - und zwar umso mehr, je schwächer die politisch-administrativen Akteure auftreten. Das heißt materielle Bedürfnisse, und "moralische Ordnung" prägen die räumlichen Strukturen und das Milieu. Eigensinnige Gestaltung der Quartiersstrukturen sind durch Fähigkeiten der Bewohner geprägt. (Chombart de Lauwes Modifizierungsthese). Die vier Thesen zeigen die Potenziale der Raumstrukturen für soziale Beziehungen auf, verdeutlichen aber gleichzeitig auch deren Grenzen. Die gemeinsame Nutzung von Raum und Anlagen kann grundsätzlich eine Basis für weitergehende soziale Beziehungen sein. Diese werden sich aber nur dann längerfristig entfalten können, wenn dem nicht ökonomische Benachteiligungen z.B. durch Arbeitslosigkeit und Armut entgegenstehen. Die Ursachen dafür findet man in der Regel außerhalb der Stadtgrenzen in gesellschaftlichen Umbruchsituationen und globalisierten Märkten. In der gemeinsamen Nutzung von öffentlichem Raum, der zudem vielfältige Nutzungsmöglichkeiten vorsieht oder offen lässt, können sich demgegenüber urbane Sozialbeziehungen entfalten. In dem Begriff 'Urbanität' drückt sich Aufgeschlossenheit und Toleranz gegenüber dem anderen aus. Es handelt sich dabei auch um Toleranz gegenüber Unterschiedlichkeiten und Widersprüchen. Urbanität würde sich also z.B. nicht in der Verwischung kultureller Unterschiede und der einfachen Integration verschiedener Kulturen ausdrücken, sondern in der Akzeptanz ihrer Unterschiedlichkeit, ohne dass daraus Abgrenzung, Segregation und Diskriminierung resultieren. Dem entsprechen auch Erving Goffmans (1971) Studien zum urbanen Verhalten in seinen zahlreichen differenzierten Facetten, wie es zum Beispiel auf öffentlichen Plätzen in wenig funktionalisierten Lebenswelten möglich ist. Es umfasst die Bereiche der nichtzentrierten Interaktion in der Öffentlichkeit: flanieren, beobachten, möglichst wenig hinhören und der zentrierten Interaktion: nach der Uhr fragen, ein Gespräch beginnen und der zugänglichen Interaktion: aus einem zufälligen Gespräch wird eine Szene, bei der andere zuschauen, sich einmischen usw. Wesentlich ist, dass diese Regeln urbanen Verhaltens für alle Individuen und Gruppen im Stadtraum gleichermaßen gelten. 7 Städtische Lebenswelten, die solche Verhaltensweisen zulassen, sind oftmals ganzheitlicher und in vielerlei Hinsicht weniger rational, weniger effektiv oder funktional sondern multifunktional. Ein Hinterhof gehört z.B. ebenso dazu wie eine brach liegende Fläche. Ein Stadtteilzentrum ebenso wie ein vielfältig nutzbarer Platz. Sie lassen Freiräume in Gestaltung und Nutzung. Ihr Gestaltungsprinzip ist das was Häussermann / Siebel (1987) als "Neue Urbanität" beschrieben haben. Neue Urbanität lässt Planungen offen, macht sie angesichts einer offenen Zukunft revidierbar und erlaubt die Freiheit des Irrtums. Sie berücksichtigt eine Pluralisierung von Lebensstilen, sie wertet die Stadt als Lebenswelt auf durch Gärten, Eigenarbeit, Nachbarschaftshilfe und Kooperation. In der Vorstellung von "Neuer Urbanität" wird für jeden die Wahl von Aneignung und Distanz offen gehalten, ebenso wie die Suche nach Kontakt oder Anonymität, nach privaten oder öffentlichen Kommunikationsformen. In räumlicher Hinsicht hat Andreas Feldtkeller (1994) die Straße mit dicht angrenzenden privaten Häusern als eine Form städtischer Öffentlichkeit charakterisiert, in der eine solche Polarisierung möglich ist. Solche Straßen bieten prinzipiell die Chance einer Verzahnung von Öffentlichkeit und Privatheit. Trotz der harten räumlichen Grenze sind bei entsprechender Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten (und nicht bei eindimensionaler Nutzung mittels Vorbeifahren oder -gehen) Übergänge möglich. Die Straße ist nach Feldtkeller vergleichbar mit einem Tisch, um den Leute herumsitzen. Der Tisch erzeugt einerseits Distanz, andererseits durch die gemeinsame Benutzung auch Verbundenheit. Dieser öffentliche Raum ist in vielen Städten kaum noch zu finden; der Tisch ist durch einen magischen Trick aus der Mitte einer Anzahl von Menschen, die um ihn herumsitzen, verschwunden. Dadurch entfällt die Möglichkeit der Kommunikation, denn zwischen den Menschen ist nichts Trennendes und nichts verbindend Greifbares mehr vorhanden. So ist das Verhältnis zwischen Privatheit und Öffentlichkeit angesichts der hochgradigen Funktionalisierung und Differenzierung von Städten gestört. Hans Paul Bahrdt (1961) stellte bereits in seinem Klassiker „Die moderne Großstadt“ fest, dass mit dem Auseinandertreten dieser beiden Grundformen gesellschaftlichen Lebens und ihrer bewussten Gestaltung die Stadt im soziologischen Sinne erst beginnt. Erst in der Polarität zwischen Privatheit und Öffentlichkeit sind städtische Sozialbeziehungen möglich. Stattdessen herrscht in der heutigen Gesellschaft die Veröffentlichung des Privaten und die Privatisierung des Öffentlichen vor, wie sie Richard Sennett in seinem berühmten Buch „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens - Die Tyrannei der Intimität“ (1983) beschrieben hat. Nach Sennett haben in der modernen Gesellschaft die Anonymität, vor allem aber die Komplexität so stark zugenommen, dass sie den Menschen in das Private „vergrault“. Um das Ausmaß an Komplexität und damit verbundener Entfremdung noch aushalten zu können, schneiden sich die Menschen die Gesellschaft in psychologisierte „Häppchen“ zurecht. Diese Personalisierung der Gesellschaft zeichnet sich aus durch ein übermäßiges Interesse an Personen. Nicht die Inhalte erwecken Vertrauen oder Misstrauen sondern die Art ihrer Darstellung. Für Sennett ist dies gleichbedeutend mit einem Verfall des öffentlichen Lebens, das zu Beginn der Neuzeit durch Normen, Verhaltens- und Umgangsformen geregelt wurde. Mag von vielen die Abschaffung dieser Umgangsformen und der mit ihnen verbundenen Befangenheiten befürwortet werden, so war die aus ihnen resultierende soziale Distanz doch wichtig für Gesellschaftlichkeit. Durch das gestörte Verhältnis zwischen Öffentlichkeit und Privatheit droht heute vielen Stadtteilen die „Einkapselung“ des Menschen in seine private Wohnwelt („cocooning“) und vielen sozialen Beziehungen die Überforderung durch Intimisierung. 8 Ist die Trennung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit also aufgehoben und damit die These von Norbert Elias (1939; 1982) widerlegt, der den Zivilisationsprozess beschrieb mit einem zunehmenden Vorrücken der Peinlichkeitsschwelle, einer Zunahme von Selbstzwangmechanismen und einer stärkeren Affektkontrolle? Diese These stimmt nach wie vor, wenn man sich vergegenwärtigt, welchem Ausmaß an Selbstzwang und Affektkontrolle es bedarf, sich den Spielregeln der modernen Gesellschaft zu unterwerfen. Ab einer gewissen Reizschwelle gerät das Verhältnis zwischen Privatheit und Öffentlichkeit aber ins Ungleichgewicht. Sind die Rationalitätsanforderungen der Stadt-Gesellschaft so hoch, dass sie nur noch den rationalen Teil des Menschen anfordern, ja ihn überfordern, muss sich der irrationale Teil andere Verwirklichungsformen suchen. Nur geht es dabei nicht mehr darum, authentische, lebensweltliche Kommunikationsformen entstehen zu lassen. Es geht vielmehr darum, sich gut zu inszenieren: "Im Jahr 2000 wird jeder für 15 Minuten berühmt sein" sagte Andy Warhol in den 60er Jahren. Dieses Bedürfnis, sich von der Masse abzuheben, über die Medien zum Star zu werden ist heute ausgeprägter denn je. Elektronische Medien können neue Öffentlichkeiten schaffen; diese sind aber globalisiert und haben vielleicht die ganze Welt als regionalen Bezugspunkt. Globalisierte Massenmedien könnten in Zukunft verstärkt dazu neigen, regionale, kleinräumige und zum Teil über lange Zeit gewachsene Lebenszusammenhänge völlig außer Acht zu lassen und damit zu einer allmählichen Abnahme ihrer Bedeutung beitragen (vgl. Sennett 1983; Feldtkeller 1994). Waren zuvor die Massenmedien im Alltagsgebrauch weitestgehend zumindest an nationale Grenzen gebunden, so ist durch das Internet eine neue Dimension dieser Reduktion lokaler Bedeutung erreicht. Paul Virilio (1990: 479) stellt dazu fest : „Wenn uns der Platz am Ende der Straße, der zu Fuß in zehn Minuten zu erreichen ist, ebenso fern vorkommen wird, wie Peking, was bleibt dann von der Welt? Was bleibt von uns?“ 1.2 Randstädtische Neubauquartiere Die bisherigen Ausführungen zur Rationalität und Ausdifferenzierung von Städten treffen auf kaum einen anderen Milieutypus so zu wie auf das randstädtische Neubauquartier. In Westdeutschland drückt sich in ihnen die Wohnungsbaupolitik der 60er, 70er und frühen 80er Jahre aus. Typisch für diese Zeit war die Bewegung der Stadtbevölkerung aus den Innenstädten an den Stadtrand („Suburbanisierung“). Die randstädtischen Neubausiedlungen ermöglichten einen höheren Wohnkomfort als es die Innenstädte bieten konnten. Ihre Raumstruktur ist geprägt durch fünf- und mehrgeschossige Zeilenbauten mit einem hohen Grad an Gleichförmigkeit und Normierung. In den randstädtischen Neubausiedlungen dominiert die Wohnfunktion, so dass sie oftmals als "Wohnsilos", "Schlafstädte" oder „Arbeiter-Schließfächer“ bezeichnet wurden. Vor diesem Hintergrund ergeben sich nur in geringem Maße Anknüpfungspunkte für soziale Kontakte und die Anonymität ist in der Regel größer als in anderen Stadtteilen. Dadurch werden häufiger als in den anderen Quartieren als Nachbarn primär die Mitbewohner des Hauses oder sogar nur der Etage angesehen, nicht aber die der anderen Häuser. Solche Quartiere sind hauptsächlich mit Einrichtungen ausgestattet, die notwendig sind, um den Grundbedarf an Versorgungsleistungen abzudecken (Supermärkte, Kindereinrichtungen und Schulen). Es fehlen aber relativ häufig Freizeiteinrichtungen vor allem im kulturellen Bereich. Dadurch werden diese Stadtteile nicht als freizeitrelevant wahrgenommen. Allenfalls die oftmals zahlreichen Grünflächen und ländlichen 9 Gebiete in unmittelbarer Umgebung erhöhen aus der Sicht der Bewohner die Freizeitattraktivität des Neubauquartiers. In den ostdeutschen Plattenbausiedlungen zeigte sich bis zur Wende ein etwas anderes Bild als in Westdeutschland. Durch die von vornherein erheblich stärkere bevölkerungsstrukturelle Mischung aller Statusgruppen, den oftmals sehr ähnlichen Erwerbskontext im gleichen Kombinat und die auch ökonomischen Vorteile guter Nachbarschaft, war das Interesse an funktionierenden sozialen Netzwerken groß. So wiesen viele ostdeutsche Plattenbausiedlungen bis zur Wende ein reges soziales Leben auf, obwohl die räumlichen Strukturen dem eigentlich entgegen standen. Seit der Wende sind in den ostdeutschen Neubausiedlungen aber ähnliche Veränderungen festzustellen wie in Westdeutschland bereits seit den 70er Jahren. So findet eine zunehmende Entmischung der Bevölkerung statt. Ökonomisch besser gestellte Bewohnergruppen in den mittleren und höheren Sozialstatusgruppen ziehen allmählich in andere Stadtteile. Überproportional häufig wollen auch jüngere Personen bis 35 Jahre sowie Kernfamilien in der Expansionsphase umziehen (Herlyn / Hunger 1994). In die frei werdenden Wohnungen rücken verstärkt ökonomisch schwächere Haushalte nach; auch der Anteil von Problemgruppen nimmt zu. Diese Quartiere weisen mehr und mehr Anzeichen zu Ghettoisierung und sozialer Segregation auf. Das Wohnen in ihnen ist oftmals Teil eines Stigmas, das den entsprechenden Bevölkerungsgruppen ohnehin anhaftet. Neben der Zunahme sozio-ökonomischer Ungleichheit sind diese Prozesse in den ostdeutschen Bundesländern auch mit einer Zunahme von Wohnalternativen außerhalb der Neubauquartiere begründbar. So entstand nach der Wende attraktiver Wohnraum durch die Sanierung der Innenstädte oder den Neubau von Einfamilienhaussiedlungen am Stadtrand. Zusammen mit der Abwanderung eines nicht unerheblichen Bevölkerungsanteils in die westdeutschen Bundesländer und der drastischen Abnahme der Geburtenrate kommt es zu mittlerweile erheblichen Leerständen in vielen ostdeutschen Plattenbausiedlungen (vgl. Rietdorf 1997: 34 ff.). Die stattfindenden bevölkerungsstrukturellen Wandlungen mit einem zunehmenden Anteil sozial schwacher Schichten ziehen eine deutliche Schwächung sozialer Netzwerke in diesen Stadtteilen nach sich. Solche Netzwerke beruhen auf gegenseitigen Hilfserwartungen. Wenn ein Haushalt aber kaum die Ressourcen für die Stabilisierung des eigenen minimalen Lebensstandards aufbringen kann, wird es ihm nicht möglich sein, andere zu unterstützen. Die Inanspruchnahme von Beziehungen in Netzwerken hängt also davon ab, ob man die Möglichkeit hat, "zurückzuzahlen" und davon, wie die Verpflichtung zur Gegenseitigkeit innerhalb des Netzwerks aufgefasst wird. Die sozialwissenschaftliche Forschung zeigt, dass fehlende oder "brüchige" primäre soziale Netzwerke zahlreiche Nachteile für die materielle, und immaterielle Lebensqualität der Betroffenen nach sich ziehen. Fragen der psychischen Gesundheit und sozialen Integration hängen vom Ausmaß sozialer Netzwerke ab. Insbesondere Haushalte mit psychosozialen und finanziellen Problemen wären aber auf ein ausgeprägtes informelles Netzwerk angewiesen, da sie zum einen hauswirtschaftliche und familiäre Dienstleistungen des Marktes nicht bezahlen können, zum anderen aber einen hohen Zeitanteil für Erwerbsarbeit aufwenden müssen. So ist das Gleichgewicht von „Geben und Nehmen“ in randstädtischen Neubauquartieren stärker als in anderen Stadtteilen oftmals grundlegend gestört. Ein Vergleich der Situation von Sozialhilfeempfängern in verschiedenen städtischen Milieus zeigt beispielsweise, dass diese Bevölkerungsgruppe in randstädtischen Neubauquartieren auf das schwächste soziale Netzwerk und damit die geringsten wechselseitigen Unterstützungsbeziehungen trifft (Herlyn/ Lakemann/ Lettko 1991). 10 Auch eine hohe Arbeitslosigkeit, die offensichtlich durch massive strukturelle Krisen verursacht wurde, verändert diese Netzwerkstrukturen trotz einer ähnlichen Notlage nicht grundsätzlich in Richtung stärkerer gegenseitiger Unterstützung. Schon die klassische Arbeitslosenstudie von Jahoda/ Lazarsfeld und Zeisel (1983, zuerst 1933) zeigte die lähmenden Folgen struktureller Arbeitslosigkeit für Individuen, Familien und die Stadt. In individualisierten Gesellschaften ist die Bewältigung der Folgen von Arbeitslosigkeit noch weniger in solidarischen sozialen Netzwerken möglich als in den dreißiger Jahren. Sie wird zur „Privatsache“ der Betroffenen und ihrer Familien, tritt aber nicht an die Öffentlichkeit des Stadtteils. Arbeitslosigkeit ist „Gift“ für soziale Netzwerke. Wenn diese primären Netzwerke schwach sind, kann nur durch einen Aufbau sekundärer Netzwerke versucht werden, die Defizite zu kompensieren und die gravierenden Folgen der beschriebenen Entwicklungen aufzufangen. Ebbe/ Friese (1989) bezeichnen mit dem Begriff sekundäres oder formelles soziales Netzwerk alle stadtteilbezogenen institutionalisierten, rechtlich verankerten Beziehungen zwischen Organisationen (im weitesten Sinne) bzw. zwischen Organisationen und Klienten. Die Beziehungen im sekundären sozialen Netzwerk dienen als Ersatz für verschwundene und nicht mehr ersetzte informelle Relationen. Vor diesem Hintergrund sind in vielen Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf Projekte der Gemeinwesenarbeit und Vernetzung entstanden. Diese können einen Teil der problematischen Entwicklungen zwar mildern oder aufhalten, grundsätzlich hängen die Chancen der großen Neubauquartiere aber von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Eine Studie zum experimentellen Wohnungs- und Städtebau kommt dabei zu folgenden Ergebnissen: „Die Perspektiven großer Neubauquartiere sind umso günstiger, je besser die wirtschaftliche und soziale Perspektive der Region bzw. der betreffenden Stadt ist, je größer ihre Bedeutung für die Gesamtstadt ist, je besser ihr Image aus Sicht der Stadt als Ganzes ist, je besser die politischen und Verwaltungsstrukturen ihren spezifischen Problemfragen entsprechen - 'Gebietslobbies' sind unerläßlich, je besser sie an den Stadtorganismus einerseits und an die Landschaft andererseits angeschlossen sind, je vielfältiger ihr Wohnraumangebot ist, je kleiner bzw. überschaubarer sie (in Relation zur Größe der jeweiligen Stadt bzw. Gemeinde) sind, je engagierter die lokalen Akteure (Bewohner, Verwaltung, Politik, Wohnungsunternehmen) Entwicklungschancen wahrnehmen und vorhandene Potentiale nutzen.“ (ExWoSt 1996: 83; zit. nach Rietdorf 1997: 50) 1.3 Gemeinwesenarbeit, Vernetzung und Quartiersmanagement Gemeinwesenarbeit ist gegenüber dem Stadtteilmanagement der klassische Ansatz, um Fehlentwicklungen in städtischen Milieus aufzufangen. Es handelt sich um ein zielgruppenübergreifendes sozialarbeiterisches Arbeitsprinzip, das am Alltag der Klientel, seiner Lebenswelt und seinem Lebensraum orientiert ist. Die Gemeinwesenarbeit vermeidet im Kontrast zu anderen sozialarbeiterischen Methoden eine Spezialisierung ihrer Angebote und Zielgruppen, sondern leitet ihre konkreten Aufgaben von den Bedürfnislagen und sozialen Strukturen eines Gemeinwesens ab. Als 11 Gemeinwesen werden dabei insbesondere Stadtteile oder andere kleinräumige Einheiten, wie z.B. Dörfer angesehen. Der "Klient" der Gemeinwesenarbeit ist somit das ganze Wohnmilieu und nicht nur Individuen, Familien oder einzelne Bevölkerungsgruppen. Gemeinwesenarbeit zielt auf eine intakte Nachbarschaft sowie eine Verbesserung sozialer Infrastruktur unter der Voraussetzung von Bürgerbeteiligung und Selbsthilfe ab. Vor diesem Hintergrund ergeben sich folgende Aufgabenschwerpunkte der Gemeinwesenarbeit (Iben u.a. 1981): • • • • • • • • • • • • Ansprache zuständiger Stellen zur Verbesserung der Miet- und Wohnsituation Anregungen für eine Stadtteilzeitung Zielgruppenarbeit, besonders für Kinder, Jugendliche und alte Menschen Schaffung von Gemeinschaftsräumen für Bewohneraktivitäten Anregung von Festen, Ausflügen etc., um gegenseitiges Kennen lernen zu ermöglichen und Gemeinschaftsgefühle zu fördern Ergänzung durch traditionelle Formen von Sozialarbeit: Einzelberatungen und konkrete Hilfeleistungen Stärkung bzw. Initiierung sozialer Netzwerke der Bewohner Stärkung bzw. Initiierung von Selbsthilfe / semiprofessionellen Netzwerken in den Bereichen Gesundheit, gemeindenahe Psychiatrie, Gesundheitsläden; Aktivierung von Laienhilfe Aufgreifen kultureller Impulse von Bewohnergruppen, Verwandlung in Aktionen, Vernetzung mit anderen Kulturprojekten und Verbindung mit Kulturpolitik Aktivitäten im Rahmen der lokalen Ökonomie: Vernetzung alternativer Projekte und Beschäftigungsinitiativen; Sanierung ehemals besetzter Häuser und ähnlicher Projekte, Gründung von ”Tauschbörsen”, Gemeinwesenarbeit kann solche Initiativen anregen, organisieren, betreuen; soziale Ressourcen und soziales Kapital zusammenbinden Vernetzung der sozialen Einrichtungen in einem Stadtteil Erarbeitung lokaler Bestandsaufnahmen und Analysen; Entwicklung entsprechender Umsetzungsperspektiven Ein wesentliches Ziel der Gemeinwesenarbeit ist die Aktivierung und Beteiligung der Bürger des jeweiligen Gemeinwesens. Ohne eine angemessene, ernsthafte und kontinuierliche Bürgerbeteiligung ist jedes Projekt der Gemeinwesenarbeit zum Scheitern verurteilt. Zwei Problemfelder deuten sich dabei an: Erstens ist nicht vorbehaltlos vorauszusetzen, dass sich die Bewohner eines Stadtteils überhaupt im Rahmen einer Gemeinwesenarbeit engagieren wollen. Es stellt sich somit die Frage, welche Hindernisse auf Seiten der Bürger deren Beteiligung und Engagement einschränken bzw. welche Beteiligungspotenziale vorhanden sind. Zweitens ist zu berücksichtigen, dass in der Regel ein starkes Machtgefälle zwischen den in einem Stadtteil planenden bzw. dort tätigen Organisationen und den unorganisierten Bewohnern besteht. Selbst wenn Beteiligungsbereitschaft vorliegt, stellt sich immer noch die Frage, welche Hindernisse auf Seiten der Institutionen bestehen, um Bürger zu Experten und Gestaltern ihrer eigenen Lebenswelt zu machen bzw. welche Bereitschaft vorliegt, entsprechende Konzepte bei Planung und Umsetzung zu berücksichtigen. Verschiedene Modelle der Bürgerbeteiligung sind entwickelt worden, die mehr oder weniger erfolgreich versuchen, die beiden Probleme in den Griff zu bekommen: ♦ Anwaltsplanung: Ein professioneller Planungsexperte hat die Aufgabe der Interessenvertretung und Beratung der betroffenen Bürger (vgl. Davidoff 1965; Affeld 1974). Er ist Vermittler zwischen Verwaltung und Betroffenen. Dieses Konzept beruht auf der Überlegung, "... daß ein Haupthindernis gegen eine angemessene Be12 rücksichtigung der Interessen von Planungsbetroffenen bei der Durchführung von Planungsmaßnahmen in deren Unkenntnis des komplexen formalen Planverfahrens begründet ist" (Schmidt-Relenberg u.a. 1973: 54). Eingewendet wurde gegen dieses Modell, dass die überlokal getroffenen Entscheidungen ebenso wie die Skepsis der Betroffenen vom Anwaltsplaner häufig kaum überwindbar sind (Körber/ Siebel 1971; Offe 1977: 144). ♦ Das Modell des Ombudsman, das vor allem in den skandinavischen Ländern angewendet wurde, ist anzusehen als eine Art "Beschwerdebriefkasten mit Verstärkereffekt" (Offe 1977: 145). Aufgabe des Ombudsmans ist es, Beschwerden aktiv kontrollierend zu verfolgen. Ein Problem dieses Modells liegt sicherlich in der "Expost-Perspektive" und damit in der unzureichenden Einbindung des Ombudsmans in den gesamten Prozeß der politischen Planung (vgl. Offe 1977: 146). ♦ Während die beschriebenen Partizipationsmodelle immer eine vermittelnde Instanz zwischen betroffenen Bürgern und der Verwaltung voraussetzen, gilt dies nicht für die Form der Bürgerinitiative. Bürgerinitiativen werden getragen "... von dem Verständnis, daß es in einem pluralistisch regulierten Interessenausgleich hauptsächlich auf eine wirkungsvolle Darstellung der Berechtigung eigener Vorstellungen und Wünsche ankommt" (Schmidt-Relenberg u.a. 1973: 53). Bürgerinitiativen sind demnach vom Anspruch her selbstorganisiert und von ihrer inhaltlichen Orientierung auf ein spezifisches Thema konzentriert, das häufig aber auch erst dann öffentlich artikuliert wird, wenn ganz zentrale Planungsentscheidungen bereits getroffen sind. ♦ Im Gegensatz zur Bürgerinitiative, die eher als eine Bewegung von "unten" anzusehen ist, wird die Planungszelle von der Verwaltung organisiert. Dabei werden nach einem Zufallsverfahren 25 Bürger ausgewählt, die - von 2 Fachleuten und 2 Prozessbegleitern unterstützt - für 3 Wochen an einer Planungsaufgabe arbeiten (Dienel 1978). Hierdurch sollen die Schwächen bisheriger Partizipationsverfahren wie z.B. der geringe Informationsstand oder die ungleiche Berücksichtigung verschiedener Sozialschichten gemildert werden: "... die langfristigen Effekte liegen angeblich bei der Umstrukturierung schichtenspezifischer Machtverhältnisse, einer Neuverteilung der Rollen im politischen Teilsystem und einer Weiterentwicklung politischer Kultur" (Korte 1986: 61). Kritisiert wurde an diesem Modell der tendenziell systemstabilisierende Charakter durch den Interessen und Vorschläge, die nicht in das System der Planung "passen" nur schwer artikulierbar sind (Korte 1986: 62). ♦ Ähnliche Probleme können sich auch im Modell des Beirats ergeben. Seine Mitglieder setzen sich aus Vertretern verschiedener Gruppen (z.B. Eigentümer, Mieter, Arbeitnehmer des angesiedelten Gewerbes) zusammen und werden nach einem bestimmten Proporzsystem von der planenden Verwaltung berufen. Im Unterschied vor allem zu Bürgerinitiativen ist die Arbeit des Beirats nicht öffentlich, sondern dient der Beratung von Verwaltung und Politikern. Neben der eingeschränkten öffentlichen Interessenartikulation ergibt sich als Problem die oftmals fehlende Repräsentanz unterprivilegierter Schichten (Herlyn u.a. 1976: 116 f.). ♦ Im Kontrast zum Beirat dient das Bürgerforum weniger der Beratung von Verwaltung sondern der Stimulierung einer Artikulation von stadtplanungsbezogenen n Iteressen durch eine Intensivierung der öffentlichen Diskussion. Wie z.B. die Erfahrungen des "Münchner Forums" zeigen, konnte aber auch mit diesem Modell nicht das allen Partizipationsverfahren inhärente Problem gelöst werden, auf welche Weise das Informations- und Machtgefälle zwischen Verwaltung und betroffenen 13 Bürgern wesentlich reduzierbar oder aufzuheben ist (Herlyn u.a. 1976: 118 f.; Offe 1977: 150 f.). Dieses Problem verstärkt sich vor allem dadurch, "... daß diejenigen Bevölkerungsgruppen, bei denen die größten bzw. vielfältigsten sozialen Probleme zu vermuten sind, von sich aus am wenigsten befähigt sind, ihre Bedürfnisse politisch zu artikulieren" (Kaufmann u.a. 1979: 512). Anzunehmen ist, dass viele dieser Modelle für die gegenwärtige Situation ostdeutscher Neubauquartiere ungeeignet sind. Beer (1997: 217 ff.) stellt auf der Basis empirischer Untersuchungen beispielsweise fest, dass viele Bewohner skeptisch sind gegenüber einzelnen Interessenvertretern, die für sich in Anspruch nehmen, dass sie die Interessen der Bürger eines Stadtteils z.B. gegenüber der Verwaltung oder großen Wohnungsgesellschaften vertreten. Auch die Planungszelle ist nur in einer bestimmten Phase der Stadtteilentwicklung sinnvoll einsetzbar und hat im übrigen den Nachteil, dass durch sie keine Quartiersöffentlichkeit hergestellt wird. Erfahrungen mit Beiräten zeigten eine selektive, nicht auf das gesamte Quartier ausgerichtete Perspektive und nur eine mittelfristige zeitliche Orientierung. Modelle der Anwaltsplanung richten sich eher auf die Interessen unterprivilegierter Bevölkerungsgruppen und Bürgerinitiativen dienten häufig eher der Abwehr geplanter Maßnahmen nicht aber der aktiven Mitgestaltung von Planungsprozessen. Gleichzeitig führen oftmals eine ungenügende Vernetzung von Planungs- und Beteiligungsprozessen ohne Zusammenarbeit der Akteure, eine fehlende Kontinuität mit starker Ungleichzeitigkeit von Planung und Realisierung sowie eine fehlende Bereitschaft, überhaupt Planung „von unten“ zuzulassen zu einem Misslingen von beteiligungsorientierten Planungsprozessen (vgl. Beer 1997: 226 f.). Vor diesem Hintergrund ist wahrscheinlich, dass für die ostdeutschen Großsiedlungen Beteiligungskonzepte zu entwickeln sind, die spezifische Modalitäten in der Entwicklungsgeschichte, Bevölkerungsstruktur und der Identifikation mit dem Wohngebiet zu berücksichtigen haben. Beer (1997: 219 ff.) nennt dazu vor allem dialogorientierte Instrumente wie z.B. „Gemeinsame Hofbegehungen und Spaziergänge im Stadtteil, um die Defizite gemeinsam zu begutachten und erste Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten - ‚Talk im Wohngebiet’ - Veranstaltungen zu sozialen Themen ‚Älter werden und Alt sein im Wohngebiet’ oder ‚Sport und Gesundheit im Wohngebiet’ etc., - Bewohnerbefragung und Interviews, - Einwohnerfragestunden, - Auswertung von Schulaufsätzen und Darstellung der Ergebnisse, - Bürgerversammlungen, - Ausstellungen zum Rahmenplan und zu Wohnumfeldmaßnahmen“ (Beer, 1997: 219). - Als eine angemessene Beteiligungsform nennt sie das Bürgerforum (siehe oben), in dem alle Beteiligten in einem kontinuierlichen Prozess und mit Entscheidungsmacht ausgestattet die Zukunft des Wohngebiets planen. Dabei kann es z.B. um folgende Themen gehen: „Verdichtung durch zusätzlichen Wohnungs- und Gewerbebau, - Veränderung der verkehrlichen Situation in den Wohngebieten, - funktionale Ergänzungen durch zusätzliche Dienstleistungen und soziokulturelle Einrichtungen, - Freiraumkonzepte und Verbesserung der ökologischen Qualitäten, - Verhältnis von Wohnungsbaugesellschaft bzw. -genossenschaft zu den Mietern“ (Beer, 1997: 220). - 14 Grundsätzlich gilt für gelingende Beteiligungsprozesse, dass sie die Bewohner zu einem frühen Zeitpunkt in einem kontinuierlichen Austausch zwischen allen Interessenvertretern und ausgestattet mit Fähigkeiten zur Mitentscheidung in die aktive Gestaltung des Wohnquartiers einbeziehen. Dies kostet viel Zeit und Geld, vermeidet aber zahlreiche Folgeprobleme, die erheblich kostenintensiver sein können. So zeigen alle Erfahrungen mit städtischen Entwicklungsprozessen, dass eine eigene aktive Gestaltung der sozialräumlichen Umwelt durch die Bewohner ihre Identifikation mit dem Wohngebiet erhöht und Vandalismus, Kriminalität sowie Wegzugsabsichten reduziert (vgl. auch Rietdorf 1997: 49). Die Frage, welches Modell der Bürgerbeteiligung das geeignete ist, hängt ab von den spezifischen Potenzialen und Problemen des Wohngebietes. Kein stadtteilorientierter Ansatz wird arbeitsfähig sein, ohne diese herausgefunden zu haben. Geeignet dafür ist das Konzept der aktivierenden Befragung (vgl. Hinte / Karas 1989: 41 ff.). Dabei ist die Kooperation von Bewohnern, Wissenschaftlern und Praktikern beim Design, der Durchführung und Auswertung einer Befragung zum Wohngebiet in jedem Fall notwendig. Die Bürgerinnen und Bürger werden nicht als "Forschungsobjekte" betrachtet, sondern es wird eine gleichwertige Subjektbeziehung zwischen den Forschern und den Betroffenen angestrebt. In diesem Sinne setzt sich aktivierende Befragung insgesamt zum Ziel, in einem sozialen Beziehungsgefüge zwischen Forschern, Betroffenen und Experten eine wissenschaftliche Analyse des Wohngebietes durchzuführen und auf der Basis der Ergebnisse Veränderungsprozesse in Gang zu setzen. Diese Prozesse werden dann wiederum beschrieben und auf ihre Effektivität zur Lösung eines bestimmten Problems hin kontrolliert. Über die ursprüngliche Intention der Gemeinwesenarbeit, eine Machtentwicklung von „unten“ zu erreichen gehen neuere Ansätze hinaus. Der Ansatz stadtteilbezogener sozialer Arbeit sieht die staatlichen Institutionen nicht grundsätzlich als Gegner, sondern als Bündnispartner an. Die stadtteilbezogene soziale Arbeit übernimmt vor diesem Hintergrund nicht grundsätzlich parteiliche sondern primär moderierende Funktionen (vgl. Hinte 1985). Dabei ist es auch ein Ziel dieses Ansatzes, den ASD stärker sozialräumlich zu orientieren (vgl. Oelschlägel 2001: 657). Diese Ansätze können Bestandteile einer übergreifenden institutionellen Vernetzung sein. So wird von den systemischen und ganzheitlichen Konzepten im Rahmen sekundärer Netzwerke eher erwartet, dass sie den zunehmend komplexen Anforderungen an die Leistungsfähigkeit sozialer Dienste gerecht werden. Dies impliziert nicht nur eine qualitativ bessere, sondern auch eine ökonomisch effektivere soziale Arbeit. Einrichtungen zu vernetzen heißt in diesem Sinne, die unterschiedlichen Handlungsweisen zum Wohle der Zielgruppen und ökonomisch effizienter zusammenzuführen. Vernetzung setzt eine genaue Kenntnis der Problematik und der Ressourcen des Stadtteils und an der Problemlösung beteiligter Institutionen voraus, insbesondere hinsichtlich ihrer finanziellen, personellen und organisatorischen Ausstattung sowie ihrer inhaltlichen Programmatik. Transparenz der Konzepte, klare administrative und pädagogische Verantwortlichkeiten sowie eine dauerhafte und ernsthafte Motivation aller Beteiligten sind erforderlich, damit eine Vernetzung wirksame Effekte für das Wohngebiet nach sich zieht. Dabei gilt es zahlreiche Hindernisse zu überwinden: "Statt einen fachlichen Meinungsaustausch zu führen, werden Statements abgegeben, häufig bleibt unklar, um was es geht, was veranlaßt werden soll und wer Verantwortung übernimmt. Wechselseitige Blockaden von Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung werden so zu einem Hindernis für die angestrebte Kooperation" (Hege/Schwarz 1992: 193). 15 Als Weiterentwicklung zur Gemeinwesenarbeit sind auch Projekte der Gemeinwesenökonomie zu erwähnen (vgl. Oelschlägel 2001: 658). Ihr Ziel ist eine ökonomische Stärkung des Stadtteils. Sie berücksichtigen beispielsweise, dass die Bewohner benachteiligter Stadtteile angesichts hoher Arbeitslosenquoten oftmals viel Zeit aber wenig Geld haben – eine Überlegung, die zur Gründung zahlreicher Tauschringe führte. In diesen wird Zeit und nicht Geld als Gegenleistung für Dienstleistungen geboten. Die Bewohner unterstützen sich wechselseitig nach eigenen Bedürfnissen bzw. Fähigkeiten und Kräften. Die hier vorgestellten Ansätze münden in einen umfassenden Ansatz des Quartiersmanagements. Hier kommen sowohl sozialwissenschaftliche und sozialarbeiterische wie auch stadtplanerische und administrative Aufgaben zusammen. Es geht um Aktivierung, um Vernetzung, Mittelbeschaffung und Projektinitiierung. Quartiersmanager verstehen sich als Koordinatoren und Moderatoren, sie sind intermediäre Instanzen; im Idealfall gelingt es ihnen, die Kräfte aller Beteiligten aufeinander abzustimmen und zu bündeln, Synergieeffekte zu erzeugen und so die Entwicklung des Wohngebiets sichtbar voranzubringen. Im Problemfall sitzen Quartiersmanager zwischen allen Stühlen. „Der Quartiermanager (oder die Quartiermanagerin) bildet die Schnittstelle zwischen den beteiligten Akteuren mit dem Ziel der Vernetzung und Integration, um langfristig eine eigenständig tragfähige Entwicklung des Quartiers herzustellen. Er arbeitet und bewegt sich also im Spannungsfeld zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und anderen Akteuren im Stadtteil, der Verwaltung und Politik, Wirtschaft, Sozial- und Beschäftigungspolitik und weiterer Öffentlichkeit. Insofern nimmt er eine intermediäre Rolle ein“ (Arbeitspapiere 2001: 2) . 1.4 Ausgangsüberlegungen und Fragestellungen des Forschungsprojekts Unser Untersuchungsstadtteil Winzerla war wie viele ostdeutsche Neubauquartiere bis zur Wende ein attraktives und sozial durchmischtes Wohngebiet. Heute droht auch Winzerla zunehmend das Schicksal sozialer Entmischung, sozialer Randständigkeit, leer stehenden Wohnraumes und kultureller wie wirtschaftlicher Verödung. Es besteht die Gefahr, dass viele soziale und nachbarschaftliche Ressourcen an Bedeutung verlieren, stadtteilnahe Dienstleistungs- und Gewerbebetriebe in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und vor allem jüngere Menschen ihren Stadtteil zunehmend als unattraktiv erfahren. Eine Schwächung sozialer Netzwerke hätte entsprechende Konsequenzen für die Alltagsorganisation von Familien und anderen Lebensformen. Es stellt sich somit die Frage, wie die Bewohner Winzerlas die alltäglichen Lebensbedingungen im Stadtteil sowohl mit Blick auf die sozialen Beziehungen, als auch hinsichtlich der eigenen privaten Lebensweise beurteilen. Die problematischen Veränderungen randstädtischer Neubausiedlungen in Westund Ostdeutschland wurden in Abschnitt 1.2 bereits dargestellt. Gleichzeitig deuten sich in den Neubauquartieren der neuen Bundesländer und so auch in Winzerla aber noch eine ganze Reihe von sehr wichtigen Potenzialen an, auf deren Basis es gelingen könnte, die vermuteten negativen Entwicklungen aufzufangen. Insbesondere ist die vergleichsweise lange Wohndauer im Stadtteil zu nennen. In der Folge und unter den spezifischen Bedingungen vor der Wende haben sich zahlreiche Kontakte herausgebildet, die zu einer vergleichsweise hohen Identifikation mit Nachbarschaft und Stadtteil führen. Unser Ziel war es, empirisch genau herauszufinden, wo die Potenzi16 ale des Stadtteils Winzerla liegen, um entsprechende Strategien zu ihrer Stärkung entwickeln zu können. Im Hintergrund steht die Frage, inwiefern es gelingt, vorhandene Netzwerke und Gemeinschaften zu erhalten und zu festigen. Kann das sozialräumliche Milieu in Winzerla einen Filter bieten für die Konsequenzen des gesamtgesellschaftlichen Umbruchs oder wird es, da es sich selbst radikal verändert, solche Entwicklungen noch verstärken (vgl. Keim 1979; Hradil 1995: 13)? So ist durchaus denkbar, dass es in der Folge gesamtgesellschaftlicher Strukturveränderungen zu einer Potenzierung sozialer Ungleichheiten kommen kann, die unter anderem an folgendem ‘Auflösungssyndrom’ festgemacht wird: “Es kommt zur Emanzipation, aber noch mehr zur Segregation, die als Vorruhestand die Älteren, als Arbeitslosigkeit die Arbeiter und als Rückkehr in die Familie die Frauen trifft und für die meisten einen empfindlichen Statusverlust bedeutet” (Vester 1995:42). Es ist davon auszugehen, dass nicht nur Arbeitslosigkeit sondern bereits die zunehmende Konkurrenz im Erwerbssektor ‘Gift’ für soziale Netzwerke ist. Es ist schwer vorstellbar, dass zwei Nachbarn, die im Betrieb um den gleichen Arbeitsplatz konkurrieren, außerhalb des Betriebes gute Freunde sind und sich gegenseitig unterstützen. Vielmehr wird durch Arbeitslosigkeit und Konkurrenz der bereits beschriebene Rückzug aus der städtischen Öffentlichkeit in den privaten Wohnbereich zusätzlich verstärkt, zumal formalisierte Kontaktanlässe abgenommen haben und Freizeit außer Haus teuer geworden ist. Vor diesem Hintergrund werden sich auch in Jena Modernisierung und Deklassierung parallel entwickeln. "Die Modernisierung der Sozialstruktur vermittelt also insgesamt die gespaltene Erfahrung zwischen ‘Individualisierung’ und ‘Deklassierung’: der Öffnung des sozialen Raums in der sicheren Mitte und der privilegierten Spitze steht die Schließung für jene gegenüber, die in dieser Mitte ihre Sicherheiten verlieren oder gar in prekäre Lebensverhältnisse absteigen müssen” (Vester 1993:47). Es besteht starker Anlass zu der Vermutung, dass der Stadtteil Winzerla ebenso wie das Neubauquartier Lobeda eher als andere Jenaer Stadtteile von langfristigen Deklassierungstendenzen bedroht sind. Solche Tendenzen lassen sich in fast allen stadt- und industriesoziologischen Untersuchungen der neuen Bundesländer belegen (vgl. z.B. Herlyn / Bertels 1994; Lange / Schöber 1993; Richter / Förster / Lakemann 1997). Sie werden gerade dort besonders ausgeprägt sein, wo die ökonomischen, räumlichen und sozialen Strukturen ohnehin geschwächt sind und den gesamtgesellschaftlichen Problemen nur wenig entgegenzusetzen haben. Dies gilt in Jena vor allem für die randstädtischen Neubauquartiere Lobeda und Winzerla. Auch innerstädtisch wird die soziale Ungleichheit steigen, wenn nicht die Potenziale der vom "Absinken" bedrohten Stadtteile rechtzeitig genutzt werden (vgl. Friedrichs 1995). Es wird Stadtteile geben, die von ihrem baulichen Erscheinungsbild und ihrer Sozialstruktur eine Aufwertung erfahren, andere werden einer Abwertung unterliegen. Angesichts einer stadtteilspezifischen Differenzierung von Sanierung und Mieten wird es zu einer Umsetzung bzw. Verdrängung ‘wenig solventer’ Bevölkerungsschichten aus "besseren" Wohnquartieren kommen, wie es seit den 60er Jahren in Westdeutschland feststellbar war (vgl. Tessin u.a. 1983). Solche Prozesse führen zu einer schwerwiegenden Konzentration von Arbeits- und Wohnungsproblemen insbesondere in Neubauquartieren wie Winzerla. Wie weit die in Winzerla noch vorhandenen sozialen Netzwerke genutzt und gestärkt werden können und wie weit die Institutionen und politischen Gremien bereit sind, diesen Prozess zu stützen, ist noch weitgehend offen. Im Rahmen weitergeführter 17 und begleiteter Gemeinwesenarbeit wäre der Versuch möglich, solche Prozesse gezielt mit zu unterstützen und ihren Verlauf für weitere vergleichbare Projekte der Stadtteilkultur- und Gemeinwesenarbeit zu beobachten und auszuwerten. Unsere Untersuchung liefert dazu anhand einer Bewohnerbefragung und durch zahlreiche Expertengespräche die empirischen Grundlagen. 2. Methoden der Datenerhebung und –analyse Eine quantitative und eine qualitative Forschungsstrategie ist in Kombination miteinander am ehesten geeignet, die zum Teil komplexen Zusammenhänge in einem Stadtteil abzubilden. Wir entschieden uns in einem ersten Arbeitsschritt für eine Bevölkerungsbefragung mit dem Ziel, quantitative Aussagen über Winzerla aus der Sicht seiner Bewohner zu machen und quantitative Grundlagendaten über die Strukturen im Stadtteil zu erarbeiten. 2.1 Bevölkerungsbefragung im Stadtteil Winzerla Gemeinsam mit Vertretern des Stadtplanungsamtes und des Jugendamtes wurde für die Bevölkerungsbefragung ein Fragebogen entwickelt. Grundlage dafür waren die in den Jahren 1995 und 1996 durchgeführten Bevölkerungsbefragungen in Lobeda West und Lobeda Ost, die entsprechend der Stadtteilproblematik erweitert und modifiziert wurden1. Der Fragebogen umfasst neben anderen vor allem die folgende Fragekomplexe: Freizeit: Freizeitumfang, Freizeitaktivitäten und die Nutzung von Freizeitangeboten in Winzerla Freiflächen: In welchem Ausmaß werden Grünflächen, Spielplätze und Parkplätze genutzt? Welche Verbesserungswünsche gibt es? Nachbarschaftsbeziehungen und soziale Netzwerke: Wie stellen sich Nachbarschaftsbeziehungen in Ausmaß und Qualität dar; wie haben sie sich verändert? Selbsthilfe: Welche Selbsthilfepotenziale gibt es in Nachbarschaft und Stadtteil? Abweichendes Verhalten und Subkulturen im Stadtteil: Wie stark ist das Ausmaß von Kriminalität und Zerstörung im Stadtteil? Werden (jugendliche) Subkulturen von den Einwohnern des Stadtteils als störend empfunden? Einschätzung des Stadtteils als Lebensraum: Wie stark ist die Identifikation mit dem Stadtteil und wie stark sind Umzugswünsche ausgeprägt? Gemeinsam mit dem Stadtplanungsamt wurde das gesamte Neubauquartier in sieben Teilquartiere unterteilt, die sich in Entstehungszeitraum, Bebauungsdichte, Lage im Stadtteil und ähnlichen Merkmalen unterscheiden und eine unterschiedliche Beantwortung der Fragen vermuten ließen (vgl. Abbildung 1). 1 Lakemann 1995, 1996 18 Abbildung 1: Stadtteil Winzerla Quelle: Stadt Jena. Dezernat Stadtplanung und Bauwesen. Stadtplanungsamt: Lebendiges Wasser lebendige Stadt. Ideenwerkstatt zur Wasserachse Jena - Winzerla. Jena 2001, S. 3 19 Diese Zonen lassen sich folgendermaßen charakterisieren: Zone 1: Altneubaugebiet Zone 2: Direkter Bezug zum Landschaftsraum Zone 3: Privatisierungsgebiete der SWVG Zone 4: Nördliches Randquartier Zone 5: Quartiere an der Siemsenstraße (stark verdichtet) Zone 6: Wohngebiet an der Wasserachse Zone 7: Städtebaulich monotonstes Gebiet. Studierende des Fachbereichs Sozialwesen führten die Interviews im Sommer und Herbst 2001 durch. Die Befragung fand in 2er Teams statt. Die Anzahl der jeweiligen Interviews wurde quotiert nach der geschätzten Einwohnerzahl in den einzelnen Zonen. Innerhalb dieser Gebiete wurde jedem Team ein begrenzter Aktionsradius von 200 bis 300 Haushalten zugewiesen. In diesem Rahmen erfolgte die Auswahl der Interviewpartner nach dem Zufallsprinzip („random route Verfahren“) und wurde beginnend von der oberen Etage eines Hauses in jedem fünften Haushalt durchgeführt. Kam hier kein Interview zustande, wurde im sechsten, siebenten usw. nachgefragt, bis Interviewbereitschaft vorlag. Von da an wurden wiederum die Bewohner des darauf folgenden fünften Haushalts angesprochen. Auf diese Weise bekamen wir in Winzerla insgesamt 337 Interviews . Zusammensetzung der Stichprobe Als sozio-demografische Grundlagendaten und mit Blick auf die Repräsentativität unserer Untersuchung lassen sich die folgenden Aussagen zur Stichprobe machen: Alter Wie auch die folgende Abbildung zeigt, ergibt sich im Hinblick auf die Altersverteilung unserer Stichprobe im Vergleich zur Gesamtbevölkerung des Stadtteils folgendes Bild:2 Abbildung 2: Alter der Bevölkerung in Winzerla und Stichprobe im Vergleich >65 Jahre 60<65 Jahre 45<60 Jahre 27<45 Jahre 25<27 Jahre 18<25 Jahre 16<18 Jahre 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 16<18 Jahre 18<25 Jahre 25<27 Jahre 27<45 Jahre 45<60 Jahre 60<65 Jahre >65 Jahre Stichprobe 5,3% 17,5% 3,3% 29,7% 16,0% 8,3% 16,6% Winzerla 4,1% 12,2% 2,5% 34,0% 24,8% 7,9% 14,5% 2 Bei der Berechnung werden nur BewohnerInnen bzw. Interviewte ab 16 Jahren berücksichtigt (vgl. Jenaer Statistik, Quartalsbericht IV/2000; 10. Jg., Heft 37: 45/ Stand 31.12.2000) 11 der von uns Befragten waren unter 16 Jahren. 20 3,3% aller Befragten waren unter 16 Jahren alt. Sie wurden in diesem Vergleich nicht berücksichtigt. Unsere jüngste Interviewpartnerin war 12 Jahre alt; unser ältester Interviewpartner zählte 95 Jahre. Etwas unterrepräsentiert sind in unserer Befragung die Altersgruppen der erwerbstätigen Bevölkerung von 27 bis 45 Jahren (4,3% weniger) und 45 bis 60 Jahren (8,8% weniger). Die Ursache dafür ist wahrscheinlich in den Interviewzeiten zu finden, die schwerpunktmäßig am Tag und nur selten in den späteren Abendstunden lagen. Besonders junge Leute zwischen 18 und 25 Jahren nahmen demgegenüber überproportional oft (5,3% mehr) an den Interviews teil. Geschlecht An unserer Befragung haben sich mehr Frauen als Männer beteiligt. Knapp zwei Drittel aller Interviewten waren weiblich. Dies sind 9,4% mehr als in der Bevölkerung Winzerlas. Der höhere Anteil der Frauen in der Stichprobe konnte auch schon bei den Befragungen in Lobeda Ost und Lobeda West festgestellt werden. Möglicherweise ist das auf eine stärkere Bindung der weiblichen Bevölkerungsteile an den Haushalt aufgrund eingeschränkter Erwerbstätigkeit und umfangreicherer Kinderbetreuung zurückzuführen. Da Frauen und Kinder, anders als die meist außerhalb des Stadtteils arbeitenden Männer, die Hauptnutzer des Lebensraums Stadtteil sind, können sie diesen auch am besten einschätzen. Eine stark verzerrende Einschränkung der Repräsentativität unserer Stichprobe ergibt sich daraus nicht. Abbildung 3: Geschlechterverteilung Stichprobe und Stadtteil im Vergleich 70% 60% 61,7% 50% 52,3% 47,7% 40% 38,3% 30% 20% 10% 0% männlich weiblich Stichprobe Winzerla-gesamt Insgesamt wurde bei der Stichprobe eine annähernde Repräsentativität erreicht, die durch die flächendeckende räumliche Streuung der Interviews im Stadtteil noch gestärkt wird. Weitere Vergleichsdaten zur Bevölkerung Winzerlas liegen leider nicht vor. 21 Erwerbstätigkeit 61,9% aller Befragten unserer Stichprobe waren nicht erwerbstätig; die meisten davon Rentner/ Vorruheständler, Arbeitslose sowie Studenten und Schüler. 38,1% gaben an erwerbstätig zu sein; die meisten davon in unbefristeter Anstellung. Abbildung 4: Erwerbsstatus der Befragten (N=334) selbständig Sonstiges/ erwerbstätig in Ausbildung in Umschulung Hausmann/Hausfrau in befristeter Anstellung Rentner/ Vorruheständler in unbefristeter Anstellung Student arbeitslos Schüler Sonstiges nicht erwerbstätig Babyjahr nicht Erwerbstätige : 61,7% Erwerbstätige : 38,3% Insgesamt gaben nur 13,5% der Befragten unserer Stichprobe an, arbeitslos zu sein. Das sind etwas mehr als im Gesamtdurchschnitt der Stadt3 und weniger als im Stadtteil Winzerla 4. 3 Die Arbeitslosenquote der Stadt Jena betrug im ersten Quartal 2001 zwischen 12,6% und 13,1% (vgl. Jenaer Statistik; Quartalsbericht I/2001: 16) 4 im Durchschnitt mehr als 20,1% im Jahr 2001 22 Haushaltssituation Betrachtet man die Größe der Haushalte in unserer Stichprobe so ergibt sich folgendes Bild (vgl. auch Abbildung 5): • • • • • Ein Viertel aller Befragten (24,9%) leben allein in der Wohnung. 31,3% zusammen mit noch einer weiteren Person im 2-PersonenHaushalt; 24,4% in einem 3-Personen- Haushalt und 16,7% in einem 4 Personen- Haushalt sowie 3% mit 5 oder mehr Personen gemeinsam. Abbildung 5: Größe der Haushalte in unserer Stichprobe Haushaltsgröße (Anzahl der Personen) 35% 30% 31,2% 25% 24,9% 24,6% 20% 15% 16,3% 10% 5% 3% 0% 1 Person 2 Personen 3 Personen 4 Personen 5 und mehr Personen Ein Viertel aller Befragten lebt in Singlehaushalten; ein knappes Drittel mit einer und etwa ein Viertel zusammen mit zwei Personen. In fast jedem zweiten Haushalt unserer Stichprobe leben Kinder. In mehr als einem Fünftel dieser Haushalte werden die Kinder von nur einem Elternteil erzogen. Abbildung 6: Familienstatus der Befragten (N=337) Sonstiges 0,3% WG 6,5% Single 24,9% Ehe/ Lebensgemeinschaft 23,1% Familie mit Kindern 35,0% Alleinerziehende mit Kindern 10,2% 23 Wohndauer Die Befragten leben im Durchschnitt seit 10 Jahren im Stadtteil. Setzt man das in Bezug zum Baubeginn der Siedlung kann davon ausgegangen werden, dass der Großteil der von uns befragten Winzerlaer Erstbezieher der neu gebauten Häuser waren. Mehr als ein Viertel lebt weniger als 5 Jahre hier; 7,8% weniger als 1 Jahr. Ein knappes Drittel aller Befragten gibt eine Wohndauer zwischen 10 und 15 Jahren an (vgl. auch Abbildung 7). Abbildung 7: Wohndauer in Winzerla 15-20 Jahre 19,4% 20 Jahre und mehr 6,6% 10-15 Jahre 31,6% 0-1 Jahr 7,8% 1-5 Jahre 19,4% 5-10 Jahre 15,2% Mehr als die Hälfte aller Interviewten wohnt weniger als 12 Jahre im Stadtteil und ist dementsprechend erst nach der politischen „Wende“ dorthin gezogen. Betrachtet man ergänzend dazu die Wohndauer in der Wohnung, so zeigen sich die folgenden Ergebnisse: Die durchschnittliche Wohndauer in der Wohnung beträgt 8 Jahre; etwas mehr als jeder Zehnte Befragte lebt erst seit einem Jahr oder weniger in seiner derzeitigen Wohnung. Ein Viertel aller Befragten ist innerhalb des Stadtteils mindestens einmal umgezogen. 24 Abbildung 8: Wohndauer in der Wohnung 0-1 Jahr 12,5% 15-20 Jahre 17,5% 1-5 Jahre 8% 10-15 Jahre 27,5% 5-10 Jahre 13,1% Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse zur sozio-demografischen Struktur unserer Stichprobe eine annähernde Repräsentativität in Alter und Geschlecht, wobei die mittleren Alterskategorien etwas unterrepräsentiert, die Frauen etwas überrepräsentiert sind. Fast zwei Drittel der Befragten sind nicht erwerbstätig. Ein Viertel sind Singles; die Familie mit Kindern ist zu einem Drittel vertreten. Mehr als die Hälfte der Befragten lebt seit mindestens 10 Jahren in Winzerla. Auch die durchschnittliche Wohndauer in der Wohnung ist mit acht Jahren recht lang. Neben den quantitativen Daten wurden in unserer Untersuchung auch qualitative Daten über Winzerla im Rahmen von Experteninterviews erhoben. 2.2 Experteninterviews Der zweite Forschungsschritt umfasste insgesamt 21 qualitative Experteninterviews vor allem mit Vertretern stadtteilansässiger sozialer Vereine, Einrichtungen und Organisationen, Vertretern von Handel und Gewerbe, den beiden großen Wohnungseigentümern und Verantwortlichen in Ämtern. Dazu waren im Vorfeld aus dem umfangreichen Datenmaterial der Winzerlaer Bevölkerungsbefragung besonders prägnante Ergebnisse zu einem übersichtlichen Thesenpapier zusammengefasst und versandt worden. Ziel der Experteninterviews war neben einer Validierung der gewonnenen quantitativen empirischen Ergebnisse besonders eine Diskussion möglicher praktischer Umsetzungsperspektiven sowie eine Analyse der sozialen Arbeit von Vereinen und Einrichtungen im Stadtteil. Die Expertengespräche erfolgten als leitfadengestütztes offenes Interview, wurden auf Tonband aufgezeichnet und anschließend protokolliert. Neben der spezifischen Funktion der Einrichtung im Stadtteil wurden eine Stellungnahme zu den Ergebnissen der Bevölkerungsbefragung, die individuelle Sichtweise auf den Stadtteil, seine Probleme, und mögliche Entwicklungsperspektiven erhoben. 25 3. Der Stadtteil Winzerla Winzerla ist eines von drei großen Neubauquartieren der Stadt Jena. Es befindet sich ca. 4 Kilometer südwestlich vom Stadtzentrum zwischen dem Dorf Winzerla und der Siedlung Ringwiese und wurde an einem nach Nordosten geneigtem Hang mit Ausblick ins Saaletal und auf die gegenüberliegenden Muschelkalkhänge errichtet. Im direkten Umfeld des Stadtteils befinden sich schnell erreichbaren Wälder und Täler sowie zahlreichen Quellen. Günstig wirken sich die Nähe zur Oberaue mit ihren zahlreichen Sport- und Freizeitmöglichkeiten sowie einem Badesee und die vielen in der Peripherie und im nahen Umfeld entstandenen Kleingartenanlagen aus. Abbildung 9: Winzerla und die Stadt Jena Zentrum Winzerla 26 Winzerla ist mit dem Stadtzentrum und den anderen Wohngebieten durch Straßenbahn- und Buslinien verbunden. Großräumige Verkehrsachsen sind durch den Autobahnanschluss und den Bahnhof Göschwitz in kurzer Zeit erreichbar. 3.1 Entstehung des Stadtteils In den Jahren 1969 bis 1973 entstand im Süden übergangslos bis unmittelbar an die noch vorhandenen kleinteiligen dörflichen Strukturen des alten Weinbauerndorfs Winzerla ein erstes Wohngebiet in 5-geschossiger Montagebauweise mit Kinderkombination, Schule und Kaufhalle. Das Gebiet war für 1225 Wohnungen konzipiert. Heute wird es das „Altneubaugebiet“ genannt. Nach dem Bauende in den Neubaugebieten Lobeda Ost und Lobeda West im Jahre 1982 konzentrierte sich die weitere Bautätigkeit zwischen Stadtzentrum und Südrand der Stadt. In einem ersten Bauabschnitt von 1981-1986 entstanden auf dem Gebiet zwischen dem Zentrum des Stadtteils und dem Altneubaugebiet insgesamt 2625 Wohnungen in vorrangig 6-geschossigen Häusern mit einem hohen Anteil an 3- und 4-Raum- Wohnungen. Von 1985 bis 1986 wurde in nordwestlicher Richtung der zweite Bauabschnitt mit insgesamt 1302 Wohnungen abgeschlossen. Hier dominieren 2- und 3- Raum- Wohnungen. Durch die Installation von Fahrstühlen konnten die kleinteiligen Wohneinheiten als altersgerechter Wohnraum genutzt werden. Der dritte Bauabschnitt bildet den Abschluss des Gebiets nach Nordwesten und wurde bis 1990 nur noch teilweise realisiert. Hier entstanden 1348 Wohnungen in überwiegend 6-geschossigen Häusern. Wie auch in anderen Städten der ehemaligen DDR entstanden die in Großplattenbauweise errichteten Gebäude mit nahezu identischem Erscheinungsbild und nur wenig gestalterischem Spielraum. Während im so genannten Altneubaugebiet das einzige Unterscheidungsmerkmal die Länge der jeweiligen Gebäude war, eröffnete sich mit der Einführung einer neuen Wohnungsbauserie (WBS 70) ein etwas größerer Gestaltungsspielraum, der zur Ausbildung verschiedener Gebäudetypen und Raumstrukturen beitrug. Ziel der Wohnungsbaukonzeption war es, durch die Unter27 brechung an geeigneten Stellen eine Blickbeziehung in den landschaftlichen Nahraum zu schaffen.5 Die Bautätigkeit nach der politischen Wende 1989 konzentrierte sich nicht mehr vorrangig auf den Wohnungsbau, sondern auf die Errichtung von Handels- und Dienstleistungseinrichtungen wie z.B. zwei größeren Einkaufszentren, einer Bank, Parkhäusern u.ä. Diese Neubauten setzen sich besonders durch ihre bauliche Gestaltung von der Monostruktur des Stadtteils ab. Der Stadtteil Winzerla ist noch weitgehend unsaniert. Erste entsprechende Maßnahmen der Wohnungseigentümer zur Verbesserung der Wohnqualität wie z.B. Isolierung der Außenwände, Reparaturen, Anbau von Fahrstühlen und Balkonen wurden aber an einigen Stellen des Stadtteils bereits durchgeführt. Derzeit gibt es in Winzerla 853 Wohnhäuser mit insgesamt 6273 Wohnungen.6 Die beiden großen Wohnungseigentümer im Stadtteil sind die Städtische Wohnungsbauund Verwaltungsgesellschaft mbH und die Wohnungsgenossenschaft „Carl Zeiss“. Einige der Wohnungen sind inzwischen Mietereigentum. 3.2 Bevölkerungsstruktur von Jena und Winzerla im Vergleich. Derzeit lebt mehr als jeder elfte Jenaer mit Haupt- oder Nebenwohnsitz im Stadtteil Winzerla.7 Wie auch Abbildung 10 zeigt, sind besonders Kinder und Jugendliche bis 5 Architektur- und Stadtplanungsbüro Helk 1995 6 http //www.jena.de/statistiortsteil/index.html 7 Wohnberechtigte Bevölkerung 2001 (HW und NW): 12.822 lt. Statistikstelle des Einwohnermeldeam- tes der Stadt Jena 28 18 Jahre und Erwachsene von 35 bis unter 50 Jahren überdurchschnittlich oft hier zuhause. Die Zahl der Bewohner über 65 Jahren liegt unter dem Stadtdurchschnitt. Abbildung 10: Altersstruktur der Jenaer Gesamtbevölkerung im Vergleich zur Bevölkerung Winzerlas (2001) 35% 30% 32,7% 25% 25,8% 25,1% 20% 20,6% 15% 10% 18,5% 18,1% 19,3% 14,6% 13,6% 11,7% 5% 0% 0 bis unter 18 Jahre 18 bis unter 35 Jahre 35 bis unter 50 Jahre Jenaer Gesamtbevölkerung 50 bis unter 65 Jahre 65 Jahre und älter Winzerla Quelle: Statistikstelle des Jenaer Einwohnermeldeamtes 2001; eigene Berechnungen Die Anzahl der Bewohner mit Nebenwohnsitz in Winzerla hat sich seit 1996 von 3,1% auf 7% im Jahr 2001 mehr als verdoppelt. Die Ursache dafür wird in einer stärkeren Vermietung des preisgünstigen Wohnraums an Studierende vermutet. Trotz dieser Tendenz liegt die Zahl der Einwohner des Stadtteils zwischen 18 und 35 Jahren deutlich unter dem Stadtdurchschnitt, was eine nur geringe Attraktivität Winzerlas für diese Altersgruppe vermuten lässt. Besonders Familien mit Kindern haben im Vergleich zum Stadtdurchschnitt überproportional oft ihren Wohnsitz in Winzerla. Auffällig ist der im Stadtdurchschnitt höchste prozentuale Anteil an allein erziehenden Elternteilen gemessen an der Gesamtbevölkerung des Stadtteils (5,41%). Der Anteil von Ausländern an der Bevölkerung im Stadtteil hat sich in den letzten Jahren auf fast 2% erhöht. 8 Da Winzerla als letztes der drei Neubauquartiere errichtet wurde, weist es aufgrund des so genannten „Durchalterungsprozesses“ den jüngsten Altersdurchschnitt auf. Das heißt, mit der Errichtung der Siedlung zog eine spezifische Altersgruppe in den Stadtteil, die überwiegend auch heute noch dort wohnt und den Altersdurchschnitt (noch) wesentlich prägt.9 Wie auch Abbildung 11 zeigt, ist im Stadtteil Winzerla der Anteil an den Altersgruppen von Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren und der Bewohner zwischen 27 und 45 Jahren im Vergleich höher als in Lobeda oder Löbstedt. Der Anteil der Bewohner über 65 Jahre ist dementsprechend geringer. 8 Morgenstern 2002 9 Analyse und Konzepte: Stadt Jena 2002 29 Abbildung 11: Altersstruktur in Winzerla, Lobeda Ost und Löbstedt im Vergleich (2002) 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 0- unter 3 Jahren 3- unter 6 Jahren Lobeda- Ost 2,1% 1,9% Löbstedt 2,2% 1,4% Winzerla 2,0% 1,8% 6-unter 18 18- unter 27 27-unter 45 45-unter 60 60- unter 65 Jahren Jahren Jahren Jahren Jahren 10,1% 65 Jahre und älter 16,9% 21,9% 24,4% 7,8% 15,1% 8,6% 8,7% 20,8% 13,2% 15,4% 29,7% 13,1% 14,3% 27,0% 21,0% 7,5% 13,4% Lobeda- Ost Löbstedt Winzerla Quelle: Statistikstelle der Stadt Jena; eigene Berechnungen Wie in fast allen Städten der neuen Bundesländer ist auch in Jena die Zahl der Einwohner mit Hauptwohnsitz gesunken. Verantwortlich für diese Entwicklung ist zum einen der massive Geburtenrückgang seit den neunziger Jahren und zum anderen die Abwanderung in die alten Bundesländer. Insgesamt stellt sich die Situation in Jena durch die Ansiedlung verschiedener Institute und Wirtschaftsunternehmen und durch die Zuwanderung von Studierenden noch vergleichsweise positiv dar. Verglichen mit 1990 kam es bis zum Jahr 1997 im gesamten Stadtgebiet zu einem Bevölkerungsverlust von 6,5%10. Seit 1999 steigen die Einwohnerzahlen wieder leicht an. Das ist aber vor allem auf einen melderechtlichen Effekt zurückzuführen: Die Stadt Jena übernimmt seit 1999 für Studierende, die ihren Hauptwohnsitz in Jena anmelden die Semesterbeiträge. Im Jahr 2000 fielen allein 36% der Zuzüge in die Altersgruppe der 18-25jährigen.11 Überproportional stark betroffen vom Bevölkerungsrückgang waren die drei großen Neubauquartiere der Stadt. Allein in den Jahren 1995-2001 verringerte sich die Bevölkerung mit Hauptwohnsitz in Lobeda Ost um 40,6%, in Lobeda West um 19,1% und in Winzerla um 16,2% (vgl. auch Abbildung 12). Eine gewisse Entlastung wird durch den Anstieg der Einwohnerzahlen mit Nebenwohnsitz, vor allem aufgrund der Vermietungen an Studierende erreicht. 10 Aus Politik und Zeitgeschichte B5/99 11 Analyse & Konzepte: Stadt Jena 2002 30 Abbildung 12: Bevölkerungsentwicklung der drei großen Jenaer Neubauquartiere in den Jahren 1995-2001 (Hauptwohnung; Angaben in Prozent) 120% 100% 97,7% 83,8% 80% 80,9% 60% 59,4% 40% 20% 0% 1995 1996 1997 Jena: 1998 Lobeda- Ost 1999 Lobeda- West 2000 2001 Winzerla Quelle: eigene Berechnungen auf der Grundlage der Daten der Statistikstelle im Einwohnermeldeamt der Stadt Jena Eine Folge dieses Bevölkerungsverlusts ist der Leerstand von Wohnraum, der in Winzerla inzwischen ca. 5%12 erreicht hat. Das hat nicht nur finanzielle Einbußen der Eigentümer zur Folge, sondern zeigt auch Auswirkungen auf die Lebensqualität in den Neubauquartieren. „Wenn man durch die Straßen geht und sieht die ganzen Wohnungen leer stehen, da macht man sich schon seine Gedanken.“ (EPG 3) Wie Abbildung 13 zeigt, haben in den Jahren zwischen 1995 und 2001 besonders Eltern mit Kindern den Stadtteil verlassen: die Zahl der Kinder von 6 bis unter 16 Jahren und der Altersgruppe der Elterngeneration (27 bis unter 45 Jahre) sank kontinuierlich. Der Anteil der älteren Bewohner stieg an. Abbildung 13: Bevölkerungsentwicklung in Winzerla zwischen 1995 und 2001 nach Altersgruppen 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 0 bis unter 3 bis unter 6 bis unter 16 bis 3 Jahre 6 Jahre 16 Jahre unter 18 Jahre 1995 1996 18 bis unter 25 Jahre 1997 25 bis unter 27 Jahre 1998 1999 27 bis unter 45 Jahre 2000 45 bis unter 60 Jahre 60 bis unter 65 Jahre 65 Jahre und älter 2001 Quelle: Statistikstelle des Jenaer Einwohnermeldeamtes 2001; eigene Berechnungen 12 Analyse & Konzepte: Stadt Jena 2002 31 4. Grünflächen im Stadtteil Für eine nähere Charakterisierung des Stadtteils eignet sich zunächst ein Blick auf die vorhandenen Grünflächen. 4.1 Grünflächen und Bänke im Wohngebiet Die Ergebnisse unserer Befragung zeigen in dieser Hinsicht einen hohen Grad an Zufriedenheit. Wie Abbildung 14 verdeutlicht, sind vier Fünftel aller Befragten der Ansicht, es gebe im Stadtteil genügend Grünflächen. Abbildung 14: Quantitative Ausstattung des Stadtteils mit Grünflächen aus der Sicht der Bewohner Frage: Gibt es Ihrer Meinung nach genügend Grünflächen in Ihrem Wohngebiet? 80,9% 17,9% 1,2% ja nein interessiert mich nicht Um die Zufriedenheit mit der Gestaltung dieser Flächen differenziert zu erheben, haben wir im Fragebogen zwischen öffentlichen Grünflächen und solchen in Innenhöfen unterschieden. Wie Abbildung 15 zeigt, sind zwei Drittel aller Interviewten mit der Gestaltung der öffentlichen Grünanlagen zufrieden. Die Gestaltung der Grünflächen in den Innenhöfen wird geringfügig schlechter bewertet. 32 Abbildung 15: Beurteilung der Qualität von Grünflächen im Stadtteil Frage: Sind sie mit der Gestaltung der Grünflächen zufrieden? a) in den Innenhöfen (N=325) b) öffentliche Grünflächen (N=329) 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 66,3% 64,9% 31,7% 29,5% 3,4% ja nein in den Innenhöfen 4,2% ist mir egal öffentliche Grünanlagen Ein Kritikpunkt aus Bewohnersicht ist aber vor allem eine mangelnde Pflege und Sauberkeit der Anlagen. Weiterhin mehrfach genannt wurden als Änderungsvorschläge: der Wunsch nach mehr Bäumen und Bänken zum Hinsetzen und Ausruhen sowie der Wunsch nach einer anderen Gestaltung der Flächen. In den Innenhöfen wünschen sich die Befragten außerdem vor allem Spielplätze und mehr Blumen. Abbildung 16: Änderungswünsche bei der Gestaltung von öffentlichen Grünanlagen und Grünanlagen in den Innenhöfen nach Anzahl der Nennungen (Mehrfachnennungen möglich; öffentl. GA N=119 / Innenh. N=124) Parkverbot/ Innenhöfe weniger Bäume Hundetoiletten mehr Grünflächen mehr Parkplätze weniger Zerstörung mehr Bänke mehr Blumen mehr Spielplätze bessere/ andere Gestaltung mehr Bäume mehr Pflege/ Sauberkeit 0% 5% 10% 15% Innenhöfe 20% 25% 30% 35% 40% öffentliche Grünanlagen Die Ergebnisse der Expertengespräche zeigen, dass die Problematik einer mangelnden Pflege der Grünanlagen wahrgenommen wird. Eine Ursache wird in der angespannten Finanzlage gesehen. „wenn ich alleine hier hinter`s Haus schaue, die große Wiese, die wird nie gemäht. Da sind kleine Bäumchen und Sträucher, die mal gepflanzt wurden, vor Jahren, die kommen überhaupt nicht zum Wachsen, weil die förmlich unter dem Unkraut ersticken. Voriges Jahr haben 33 sie ein einziges mal die Wiese gemäht auf Anraten des Ortschaftsrates- weil da hat sich wirklich der Ortschaftsrat drum gekümmert, sonst wär das auch wieder nicht passiert. Aber das liegt wirklich am Geld- weil kein Geld vorhanden ist, für solche Sachen.“ (EPG 2) Diese Haushaltszwänge musste auch ein stadtteilansässiger Verein erleben, der „hier gerne mal ein bisschen Ordnung rein bringen“ würde, aber aufgrund mangelnder Finanzierung das Projekt nicht durchführen konnte: „In die Außenanlagen. Das haben wir der Stadt angeboten; und haben das auch- hätten das sofort machen können. Aber die haben keine Transportkapazität und keine Fachanleiter dazu. Die Transportkapazität habe ich ja. Aber die kostet ja Geld. Ich muss ja Benzin reinfüllen, ich muss Versicherung zahlen, Steuern zahlen, muss die Leute zahlen, die den Dreck zusammen lesen hier. Ich brauche Besen, ich brauche Müllsäcke dazu und, und, und.... und da die Stadt kein Geld hat, bleibt das eben liegen. Da bleibt das eben dreckig. Das kann sich die Stadt wahrscheinlich leisten.“ (EPG 3) Die Grünflächen in den Innenhöfen bzw. im direkten Nahbereich der Häuser werden durch die Wohnungseigentümer gepflegt. Die Kosten werden auf die Betriebskosten umgelegt und müssen von den Mietern getragen werden. Steigen die Kosten, kommt es zu Protesten. Als mögliche Alternative wird eine Müllvermeidung im direkten Wohnumfeld gesehen: „ ...das ist das Eine, was man will und auch die Grünanlagen die man gerne mit mehr Blumen haben möchte. Wir streiten uns jedes Jahr mit der Betriebskostenabrechnung, wenn die Mieter die Grünanlagenpflege bezahlen sollen. Die schmeißen zwar ihre Kippen `raus, wir haben Mülleinhausungen- eine Mülleinhausung kostet 20.000 Mark- wir haben etliche in Winzerla errichtet- die schmeißen ihren Müll nach wie vor daneben. Und diese Einrichtungen haben wir wirklich in erster Linie gemacht, um den Mietern die Möglichkeit der Kostensenkung einzuräumen. Dass sie eben getrennt ihren Müll sortieren können... es wird trotzdem daneben geschmissen. Also Kosten spielen bei manchen gar keine Rolle... nur wenn die Abrechnung kommt, dann wird im Kleinen.. gesucht: hier, wo waren da noch 97 Pfennig, die ich noch bezahlen muss? Also man sagt: ich möchte vieles haben, aber man sagt nicht: das ist natürlich klar, dass das auch was kostet.“ (EPG 18) Ein weiterer Streitpunkt in Diskussionen und Gesprächen mit Winzerlaern ist die Verschmutzung von Spielplätzen und Grünanlagen durch Hundekot und der damit verbundene Mangel an Hundetoiletten im Stadtteil. Auch mehrere Projekte von Kindern hatten diese Problematik zum Thema. Zum Beispiel wurde eine „Frau vom Ordnungsamt“ von Kindern des Stadtteils zu einer Ortsbegehung eingeladen, die über das Ausmaß der Verschmutzung durch Hundekot im Stadtteil erstaunt war: „Die hat gesagt, so viel Hundehaufen auf so.. kleinem Territorium, das hätte sie nur am Lommerweg dahinten, wo dann ganz viele langgehen... aber hier ist es ja ein reines Wohngebiet. Das ist total extrem. Da muss was dagegen gemacht werden.“ (EPG 8) Ein erster Schritt zur Lösung des Problems ist das Angebot des Stadtteilbüros Winzerla, kleinere Stückzahlen an so genannten „Hundetüten“ kostenlos an Hundebesitzer abzugeben. Anzutreffen sind in Winzerla auch immer wieder demontierte Bänke vor den Häusern. Laut Aussagen der Wohnungseigentümer waren sie auf Wunsch der Mieter entfernt worden, weil sie vor allem Gruppen von Jugendlichen als Treffpunkt gedient hatten. Die Bewohner fühlten sich durch Lärm und zurückgelassene Abfälle gestört. 34 Abgesehen vom optischen Eindruck ist ein weiterer Nachteil, dass dadurch auch für alle anderen Hausbewohner eine Begegnungs- und Kommunikationsmöglichkeit im direkten Wohnumfeld weniger besteht. Das unmittelbare Umfeld des Hauses ist somit weniger einladend für nachbarschaftliche Kontakte und Beziehungen geworden. Bänke vor den Häusern als Treffpunkte für Mieter oder keine Bänke zur Vermeidung von Lärm und Verschmutzung? Auch in den Experteninterviews wird das Thema kontrovers diskutiert. So wird auf der einen Seite das Bedürfnis der Mieter nach Vermeidung von Lärm und Verschmutzung verstanden: „Die Bänke vorm Haus weg haben wollen, das verstehe ich schon- wenn man Parterre wohnt und vor dem Fenster eine Bank hat.“ (EPG 2) 35 Andererseits wird ein Umdenken gefordert, um die Attraktivität des Freiraums im direkten Wohnumfeld nicht zu verschlechtern: „Die Tendenz geht auch immer mehr dahin, was ich überhaupt nicht verstehen kann, keine Bänke mehr unten- da setzen sich nur die Jugendlichen drauf.... da ist wahrscheinlich noch ´ne ganze Menge an Überzeugungsarbeit zu leisten, gerade bei den Wohnungseigentümern, dass das irgendwie dazugehört zu ´ner Wohnung, dass man auch unten mit dem Freiraum was anfangen kann.“ (EPG 15) Einig sind sich allerdings sowohl die Einwohner wie auch die Experten in der Einschätzung, dass Bänke in öffentlichen Grünanlagen fehlen. Besonders ältere oder gehbehinderte Menschen benötigen Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum zum Ausruhen. „Aber die Wege sind ja nicht direkt vor dem Haus. Wenn man alleine schon den Weg von der Steenbeckstr.- nehmen wir das jetzt mal als Beispiel, die Straße- auch die Straße von der Steenbeckstr. `runterwärts zu Rewe zu kommen- da ist überhaupt nichts. Und da wohnen alte Leute. Und da wäre eine Möglichkeit. Und genauso ist es hochwärts in dieses Columbuscenter. Zum Win-Center führt zum Beispiel auch eine Straße, wo ein großer Abstand zu den Wohnhäusern da ist. Entweder lang hoch mit einer Grünanlage oder unten parallel sind auch einige Meter Grünfläche.“ (EPG 2) „Mehr Bänke wird von ganz vielen Leuten gewünscht. Die Leute, die in die Rewe-Kaufhalle einkaufen gehen, gerade die Älteren, die brauchen halt mal eine Bank zwischendrin. Das ist wichtig. (EPG 8) Nach Ansicht der Experten werden durch den Mangel an Ruhepunkten nicht nur der Aktionsradius älterer Menschen eingeschränkt, sondern gleichzeitig deren Selbständigkeit erschwert und Vereinsamungstendenzen gefördert. „wenn man jetzt die Standards sieht: Einkaufsstandort und die Wohnungen. Sowohl Rewe auch hoch in dieses Columbuscenter und Win-Center. Da ist doch für ältere Menschen, die ein bisschen gehbehindert sind, immer mal eine Pause notwendig. Und wenn da immer mal eine Bank stehen würde, wäre es leichter für sie immer mal zwischendurch sich hinzusetzen. Wir wollen ja die Älteren fördern und fordern. Ich meine, es ist eine Leichtigkeit einen Service einzurichten, der einkauft. Manche verdienen sich ja eine goldene Nase damit. Aber indem wir das dem älteren Menschen auch abnehmen, tun wir ihn eigentlich verdammen, in der Wohnung zu bleiben und sich nicht mehr zu bewegen. Und wenn ein Mensch in einer Wohnung bleibt und sich nicht mehr bewegt, nicht nach außen kommt, vereinsamt er, die Leiden werden schlimmer und er wird viel schneller ein Pflegefall als einer, der noch aktiv ist. Und wenn eine gehbehinderte Frau jeden Tag ihre eine Tüte Milch oder was weiß ich, ihr Brötchen, ihr Bonbon jeden Tag holt und noch aktiv ist, dann trifft sie auf dem Weg in dieses Einkaufszentrum zehn Leute.“ (EPG 1) Natürlich benötigen ältere Menschen dringender Bänke. Aber die Diskussion sollte sich nicht darauf beschränken. Bänke sollten wichtige Begegnungs- und Treffpunkte für alle Altersgruppen sein, um ein öffentliches Leben zu ermöglichen und die Kontakte aller zu fördern. 4.2 „Wasserachse“ und Kunst im Wohngebiet Städteplanerisch hebt sich in Winzerla das Gebiet zwischen Rewe-Markt und WinCenter hervor. Diese so genannte „Wasserachse“ durchbricht einen hoch verdichteten Teil des Wohngebiets mit einem künstlich angelegten Wasserlauf und Ruhezonen. Die „Wasserachse“ wird besonders im Sommer durch Eltern mit ihren Kindern stark frequentiert. An ihrem unteren Ende befindet sich ein neu gestalteter Markt mit einem Brunnen („Flößerbrunnen“). 36 Dieses Gebiet ist der einzige Bereich im hoch verdichteten Stadtteilzentrum, der sich zum Ausbau eines Zentrums mit Identifikationscharakter eignen würde. Bisher scheint dieses Ziel mit der Neugestaltung des Marktes noch nicht erreicht worden zu sein. Im Kommunalen Entwicklungskonzept der Stadt Jena wird das Zentrum folgendermaßen beschrieben: „Die Gestaltung des Zentrums wirkt unentschlossen; seine Attraktivität bleibt daher trotz eines beeindruckenden Ausblicks ins Pennickental hinter seinen Möglichkeiten zurück.“(Analyse und Konzepte 2002: 39) Wie Abbildung 17 zeigt, urteilen die Bewohner des Stadtteils anders: insgesamt mehr als vier Fünfteln aller Befragten gefällt das Areal zwischen Win-Center und ReweMarkt; etwas mehr als einem Fünftel gefällt es sogar sehr. Abbildung 17: Einschätzung der "Wasserachse" Frage: Wie gefällt Ihnen der Fußgängerbereich zwischen WinCenter und Rewe-Markt? 64,0% 21,6% 8,4% gefällt mir sehr gefällt mir gefällt mir weniger 1,1% gefällt mir gar nicht 4,8% ist mir egal 37 Bemängelt wurden allerdings die mangelnde Pflege dieses Bereiches, insbesondere das unsaubere Wasser im Brunnen, Begehungsprobleme durch holprige Pflastersteine mit Kinderwagen oder Rollstuhl, bereits wieder zerstörte Anlagen sowie der Leerstand von Geschäftsräumen entlang der Wasserachse. Auch das Fehlen von Bänken zum Ausruhen wurde hier wiederholt thematisiert. „Und auch: es ist doch eigentlich schön diese Grünanlagen- diese Wiese hier vor der Wasserachse. Das ist nun mal die Fußgängerzone. Warum soll es da keine Möglichkeit geben, dass sich die Leute treffen und sich hinsetzen und mal einen Schwatz halten? Das muss nicht am Weg lang sein. Da unten an der Apotheke, in dem Rondell- irgendwas muss da mal werden“ (EPG 8) Im Herbst 2001 fand unter der Leitung des Jenaer Stadtplanungsamtes eine so genannte „Ideenwerkstatt Wasserachse“ statt. Eingeladen waren Künstler und Architekten, um in mehreren Projektgruppen Entwürfe für eine mögliche Umgestaltung des Areals zu entwickeln. Erste Ergebnisse unserer Bevölkerungsbefragung wurden dabei vorgestellt und flossen in die Diskussion einer möglichen Neugestaltung mit ein. Die Ergebnisse der Ideenwerkstatt wurden in einer Ausstellung im damaligen Stadtteilbüro einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt und diskutiert. In der Vorbereitung dieser Veranstaltung interessierte, ob die Bewohner Kunst als Mittel zur Verschönerung des Wohngebiets akzeptieren. Wie Abbildung 18 zeigt, stehen dem drei Fünftel aller Befragten positiv gegenüber. Abbildung 18: Denken Sie, dass man durch Kunst Ihren Stadtteil verschönern kann? ist mir egal 5,5% nein 34,5% ja 60,0% Wichtig für eine weitere künstlerische Gestaltung war auch die Frage nach der Akzeptanz verschiedener Kunstformen. Im Fragebogen vorgegeben waren die Items `Skulpturen, Malerei, Straßentheater, Musik und Sonstiges`. Wie aus Abbildung 19 ersichtlich, nannten die meisten Befragten vor allem Skulpturen und Malerei als künstlerische Gestaltungselemente im Stadtteil. Musik und Straßentheater stehen an dritter und vierter Stelle. 38 Abbildung 19: Denken Sie, dass man durch Kunst Ihr Wohngebiet verschönern kann? Wenn ja: durch welche? (Mehrfachnennungen möglich; Anzahl der Nennungen N=344) künstl. gestaltete Grünanlagen mit Bänken 1,5% Brunnen 2,4% Stadtteilfest/ Gastronomie 2,7% Fassadengestaltung/ Grafitti Straßentheater Musik Malerei Skulpturen 4,3% 12,2% 14,8% 24,4% 33,7% Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass Kunst als Gestaltungselement im Stadtteil nicht nur Befürworter hat. Mehr als ein Drittel aller Befragten lehnte sie ab. Auch in den Experteninterviews wurden darauf hingewiesen, dass andere bauliche Veränderungen wie die Schaffung von Freiräumen gegenüber künstlerischen Elementen möglicherweise vorrangig umgesetzt werden sollten. „Sagen wir mal, vielleicht 5% der Bevölkerung sind künstlerisch-ästhetisch animiert. Und können das bewerten und können das nutzen. Die Masse der Bevölkerung sucht einfach ganz normale Entspannung.... Und da weiß man, was das ist. Das sind offene Räume, das sind Räume, wo ein bisschen mehr Grün ist; das sind Dinge, wo Wasser fließt in der Wasserachse- das gehört alles dazu; wo ein paar Ladengeschäfte da sind; wo sich vielleicht mal eine Kneipenszene entwickeln kann. Aber die kann sich ja nur entwickeln, wenn man überhaupt erst mal die Voraussetzungen schafft, dass sich Leute treffen- wo sich Leute in irgendeiner Form hingezogen fühlen. Wenn ich das nicht schaffe, geht es nicht. Ich brauche Teile für Kinder, ich brauche Teile für Jugendliche und ich brauche Teile für normale Bevölkerung ab, was weiß ich, 25 bis Lebensende, die sich dort dann auch wohl fühlen. Und das ist das, was ich in Winzerla ganz stark vermisse. (EPG 20) Neben künstlerischen verfolgte das Projekt „Steine für die Wasserachse Bildhauerwerkstatt für Kinder“ auch pädagogische Zielsetzungen. Es wurde vom 11.-18.9.2002 durch das Kinderbüro Winzerla der Initiative kinderfreundliche Stadt e.V. durchgeführt. Unter organisatorischer Leitung des Stadtplanungsamtes und fachlicher Leitung der Laasaner Bildhauerin Regina Lange haben Kinder und Jugendliche Sandsteinblöcke künstlerisch gestaltet und an der „Wasserachse“ aufgestellt. Gefördert wurde die Arbeit durch die Stadt Jena unter Verwendung von Städtebaufördermitteln. 39 5. Parkplätze im Stadtteil Die Flächennutzung in einem Wohngebiet beschränkt sich nicht nur auf Grün- und Freizeitflächen. Auch die Frage, wie viel Parkplätze zur Verfügung stehen und wo sich diese befinden, sind entscheidende Kriterien für die Wohn- und Lebensqualität der Bewohner. Der Blick auf die Einschätzung der Parkplatzsituation zeigt allerdings ein deutlich negativeres Bild. Fast vier Fünftel der von uns befragten Personen beurteilen die vorhandenen Parkmöglichkeiten als nicht ausreichend (vgl. Abbildung 20). Abbildung 20: Quantität der Parkmöglichkeiten im Stadtteil Halten Sie die Parkmöglichkeiten in Winzerla für ausreichend? ja 21% nein 79% Die Problematik mangelnder Parkplätze zeigen wohl alle Umfragen in Plattenbauquartieren der ehemaligen DDR. Bereits bei der Planung des Wohngebietes wurde aufgrund des hohen Anteils an Ein- und Zweiraumwohnungen besonders für ältere Mieter die „Komplexrichtlinie für die städtebauliche Planung und Gestaltung von Neubauwohngebieten“ nicht erfüllt, die pro Wohneinheit einen Stellplatz vorsah, der zu 80% in ebenerdiger Aufstellung nachzuweisen war. So wurde der Bedarf im ersten und zweiten Bauabschnitt in Winzerla nur zu 76% abgedeckt.13 Im hoch verdichteten Zentrum Winzerlas sind zugeparkte Gehwege, die Blockierung abgesenkter Bordsteine, zugestellte Innenhofbereiche und Grünflächen keine Seltenheit. Besonders für die Mitarbeiter von sozialen oder Rettungsdiensten ist der Mangel an Parkplätzen problematisch. Sie wünschen sich einzelne, speziell gekennzeichnete Parkplätze. „ Wir haben wirklich große Wege, um erst mal einen Parkplatz zu finden und dann wieder zum Patienten zu kommen, was früher nicht so war, als die Flächen noch frei waren14. Da hat man immer mal noch eine Lücke gefunden... und wenn es nur 1, 2 Parktaschen wären, die speziell für Pflegedienste oder ärztliches Personal- es ist ja auch so, wenn ein Notarzt kommt, der weiß ja gar nicht, wo er sich hinstellen soll.“ (EPG 2) Wir befragten die Bewohner nach möglichen Wegen aus dem Parkplatznotstand 15. Die Antworten sind in Abbildung 21 dargestellt. Die am häufigsten gewählten Alterna13 Architektur- und Stadtplanungsbüro Helk 1995 14 jetzt Parkflächen oft mit Wohnung vermietet und abgesperrt 15 folgende Antwortmöglichkeiten waren vorgegeben: Parkhaus, Tiefgarage, Sonstiges und zwar.... 40 tiven werden im Bau eines Parkhauses und in der Neuschaffung von Stellplätzen in den Innenhöfen gesehen. Ein Viertel der Befragten sieht zur Zeit gar keine Lösung für die Parkplatzproblematik. Abbildung 21: Welche Möglichkeiten der Parkplatzgestaltung sehen Sie? (Mehrfachnennungen möglich; nach Anzahl der Nennungen N=361) sonstiges 1,4% Parkhaus billiger 1,4% Markierung ändern/ kleinere Abstände/ schräg) 1 Parkplatz pro Haushalt 1,7% 2,2% Schaffung neuer Parkflächen 7,5% Tiefgarage 10,0% Neuschaffung von Stellplätzen in den Innenhöfen 19,4% 30,7% Parkhaus keine 0% 25,8% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% Grundsätzlich könnte der Mehrbedarf an Parkplätzen nur noch in der Peripherie des Stadtteils abgedeckt werden. Hier existieren sogar zur Zeit noch freie Parkplatzkapazitäten, die aber kaum genutzt werden. Als Ursachen dafür werden immer wieder Nutzergewohnheiten und die Bequemlichkeit der Autobesitzer angeführt. Viele Autobesitzer würden Wert auf einen kostenfreien Parkplatz in Sichtweite der Wohnung legen. „... drei- bis vierhundert Meter ist schon fast zu weit...Auto....ist das noch wichtig für die meisten. Und die wollen das noch sehen, wenn sie das Fenster aufmachen“. (EPG 20) Die Ergebnisse unserer Befragung zeichnen ein anderes Bild. Etwas mehr als die Hälfte unserer Interviewten ist Autobesitzer. Wir fragten sie, ob sie ihr Fahrzeug auch weiter als 100 m von der Wohnung entfernt parken würden. Zwei Drittel waren dazu zumindest „auf dem Papier“ bereit. Nur ein Fünftel lehnte die Nutzung eines Parkplatzes in dieser Entfernung ab.16 Sehr wahrscheinlich sprechen also auch noch andere Gründe gegen die Nutzung eines vom Wohnhaus relativ weit entfernten Parkplatzes. Ein Parkplatz vor der Tür ist kostenlos - ein weiter entfernter im Parkhaus hingegen oftmals nicht. So scheiterte der geplante Neubau eines Parkhauses am Rande des Wohngebietes aufgrund des zu geringen Interesses bei der Anmietung von Stellflächen. Außerdem bieten Parkhäuser aus er Sicht der Nutzer relativ wenig Komfort und Sicherheit. „Parkhäuser, das kann ich ihnen hundert Prozent sagen, das kann sich der Schnitt nicht leisten und will es sich auch nicht leisten - sechzig oder siebzig Mark für ein Parkhaus auszugeben.... Ein Parkhaus oder ein überdachter Stellplatz nützt mir nur, wenn ich ihn garagenähnlich habe, wo ich dann auch Räder oder Gerätschaften und so abstellen kann. Die verschlossen sind. Offene Zugänge zum Parkhaus - weil da kann ich genauso zerkratzen, da kann ich auch Räder abmontieren. Die kriege ich überall durch die Schranke durch. Überhaupt kein Problem.“ (EPG 20) 16 13,5% gaben an, sie würden „vielleicht“ ihr Fahrzeug dort abstellen. 41 Wie sehr der Wunsch nach ausreichenden Parkplätzen im Kontrast zu einem begrünten Wohnnahbereich stehen kann, zeigt sich in der Diskussion über eine Umgestaltung von Innenhöfen in Parkflächen. Die unberechtigte Nutzung solcher Flächen findet bereits statt. Experten verweisen auf die Einschränkungen, die eine Umnutzung der Innenhöfe haben würde. „Neuschaffung von Parkplätzen in den Innenhöfen bin ich strikt dagegen. Da ist doch für die Leute gar kein Platz mehr da, wo sie sich überhaupt noch (.) sich bewegen; sich aufhalten können. Da sind sie ja mit Autos total zugestellt. Da stehen ja teilweise schon viele Autos in den Innenhöfen und auf der Wiese haben wir sie fotografiert und auf dem Wäscheplatz zwei Autos. Und dann durch die Räder ist alles zerschlammt und zerfahren. Das ist wirklich für die Kinder eine große Eingrenzung, aber auch für Leute, die sich mal raussetzen wollen... es soll auch ein bisschen Freiflächen noch in den Innenhöfen geben. Es kann nicht sein, dass das einzige Grün noch die Wasserachse ist. Die Leute müssen sich ja auch wohl fühlen.“ (EPG 8) In der Nutzung der Freiflächen drücken sich immer auch Lebensstile und Freizeitpräferenzen aus. Eine Frage ist dabei, ob die Ressourcen des Wohngebietes eine Verwirklichung individueller oder gruppenspezifischer Interessen ermöglichen. Darüber hinaus kann eine hohe Freizeitattraktivität des Wohngebietes die Nachbarschaftsbeziehungen und die Identifikation mit dem Stadtteil stärken. 6. Freizeitverhalten und Freizeitangebote in Winzerla Der Umfang der Freizeit17 an den Arbeitstagen und am Wochenende variiert erwartungsgemäß stark. Kann an normalen Arbeitstagen von einem Freizeitumfang von durchschnittlich 3,5 Stunden ausgegangen werden, genießen mehr als zwei Drittel aller Befragten am Wochenende mehr als 6 Stunden freie Zeit. In der Woche ist der Freizeitumfang erwartungsgemäß stark abhängig vom Alter, dem Familienstand und dem Erwerbsstatus: arbeitslose Befragte hatten deutlich mehr freie Zeit als Erwerbstätige; Väter mit Kindern weniger Zeit als Singles und Menschen über 60 Jahre deutlich mehr Freizeit als die mittleren Altersgruppen. Abbildung 22: Wo verbringen Sie und Ihre Familie größtenteils ihre Freizeit? außerhalb von Winzerla in Winzerla 54,6% 34,6% in beiden gleich 10,8% 17 Freizeit definierten wir als „Zeit, in der Sie machen können, was Sie wollen“ 42 Doch wo verbringen die Befragten mit ihren Familien den größten Teil dieser freien Zeit? Abbildung 22 zeigt, dass mehr als die Hälfte meist Angebote außerhalb des Stadtteils in Anspruch nimmt. Nur etwas mehr als ein Drittel nutzt die Möglichkeiten des Wohngebiets auch für die Freizeitgestaltung. Warum verbringen so viele Befragte mit ihren Familien die Freizeit außerhalb des Stadtteils? Es liegt vor allem an den zu geringen Angeboten im Stadtteil. Nur jeder elfte Interviewte meint, das Angebot an Freizeit- und kulturellen Einrichtungen in Winzerla reiche aus. Befragt nach Wünschen zur Verbesserung wurden folgende Angaben g emacht: • Angebote für Jugendliche wie Clubs, Diskotheken oder Probenräume, • die Öffnung von Cafes, Restaurants oder Biergärten, • Ermöglichung von sportlichen Aktivitäten für alle Altersgruppen (hier wurde neben allgemeinem Wunsch nach mehr Sportmöglichkeiten besonders die Öffnung einer Bowlingbahn gewünscht); • ein Kino, • kulturelle Veranstaltungen wie Theater, Ausstellungen oder Livekonzerte ähnlich der Jenaer Kulturarena, • ein Freizeit- und Kulturzentrum mit vielfältigen Angeboten • und eine Schwimmhalle bzw. ein Bad (ist inzwischen in unmittelbarer Nähe eröffnet). Seltener geäußert wurde der Wunsch nach • einer Diskothek/ Tanz für „Ältere“ (Altersgruppe der über 30-jährigen); • Bildungsangeboten; • Angeboten für Kinder • Angeboten für Senioren, • ein Straßen- bzw. Stadtteilfest sowie • einer Stadtteilbibliothek. Ein Viertel aller, die das Angebot zwar als nicht ausreichend eingeschätzt hatten, konnten dennoch keine Verbesserungswünsche nennen („dazu fällt mir nichts ein“). Die Gründe dafür liegen wahrscheinlich in der guten verkehrstechnischen Erreichbarkeit des nahen Stadtzentrums mit seinen vielfältigen Freizeitangeboten. Darauf wurde auch in den Experteninterviews immer wieder hingewiesen. Doch nicht nur organisierte Angebote sondern auch attraktiv gestaltete Freiflächen könnten Bewohner dazu veranlassen, gemeinsam mit ihren Familien die Freizeit in Winzerla zu gestalten. Leider zeichnen die Ergebnisse unserer Befragung ein anderes Bild: nur etwa jeder Dritte nutzt in seiner Freizeit die Grünanlagen im Stadtteil. Dabei halten sich vor allem jüngere Befragte bis 19 Jahre vergleichsweise häufig hier auf. Winzerlaer zwischen 40 und 60 Jahren trifft man eher selten hier an. Die vorrangigsten Aktivitäten sind Spazieren gehen, Spielen, Erholung, wie z.B. Sonnen, auf Bänken sitzen oder Grillen. Abschließend erfragten wir zum Thema Freizeit im Stadtteil das Interesse an Begegnungsmöglichkeiten und Treffpunkten zur Förderung von Kommunikation und Selbsthilfe. Mehr als die Hälfte aller Befragten äußerte kein Interesse an der Einrichtung solcher Kommunikationsorte. 43 Gleichzeitig muss aber auch festgestellt werden, dass in der Interviewsituation eine deutliche Abgrenzung zur Frage nach Freizeit- und Kulturangeboten nicht immer gelang. Viele Befragte verwiesen auf die Beantwortung der vorangegangenen Frage bzw. benutzten die gleichen Items (gastronomische Einrichtungen, Angebote für Jugendliche, Angebote für Senioren). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Ergebnisse einige problematische Aspekte der Freizeitsituation im Stadtteil widerspiegeln. Für viele der von uns Befragten hat Winzerla als Ort für die Freizeitgestaltung nur eine geringe Relevanz. Das ist einerseits auf einen Mangel an attraktiven organisierten Freizeitangeboten und andererseits auf die nicht zum Verweilen einladende Gestaltung der Grün- und Freiflächen im Stadtteil zurückzuführen. Die Situation verliert durch die Nähe und gute Anbindung zum Stadtzentrum allerdings etwas an Brisanz. Der Mangel an Cafes, Restaurants oder Biergärten, als kommerzielle Orte für Freizeit und Begegnungsmöglichkeiten, ist auffällig. In Experteninterviews wird aber gerade dieser Wunsch nach gastronomischen Einrichtungen im Stadtteil immer wieder sehr skeptisch gesehen. Sie verweisen einerseits auf die zu geringe Zahl von Gästen in vorhandenen gastronomischen Einrichtungen und andererseits auf das relativ hohe Preisniveau in Gaststätten: „wer geht denn in die Gaststätten und kauft für vier, fünf Mark ein Bier?.. Wer trinkt Café und wer isst Kuchen? Wenn man sich die Preise ansieht und die im Supermarkt…“ (EPG 21) Eine Alternative könnte das vom Stadtteilbüro angedachte Stadtteilcafe sein, dessen Realisierung aber bisher noch nicht gelang. 44 7. Situation der Kinder und Jugendlichen im Wohngebiet Die Ausstattung des Stadtteils mit Schulen, Sportstätten und Kindertagestätten wird im Kommunalen Stadtentwicklungskonzept als „gut“ beschrieben. Die Anzahl der Schulen stellt „angesichts stark rückläufiger Kinderzahlen eine Überversorgung dar.“18 Diese gute Ausstattung verbunden mit der räumlichen Begrenzung des Stadtteils bietet gerade für Kinder einige Vorteile. Weite Wege entfallen genauso wie ein Wechsel des Freundeskreises zwischen formellem Bereich der Schule und informeller Freundesgruppe in der Freizeit. „Die Kinder fühlen sich richtig wohl im Stadtteil. Weil sie nämlich folgendes erleben: dass sie also in die Schule gehen... kommen aus der Schule `raus, können mit ihren Freundinnen und Freunden möglichst noch einen gemeinsamen Weg begehen und treffen sich abends- oder nachmittags auf ihrem Spielplatz wieder. Und können also da weiter miteinander umgehen.“ (EPG 17) Für Jugendliche befinden sich im Stadtteil zwei Jugendclubs der Stadt Jena und ein Treffpunkt der evangelischen Kirche. Zusätzlich leisten mehrere Vereine und Initiativen Kinder- und Jugendarbeit. Die Ausstattung des Stadtteils mit organisierten Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche wird von den Experten sogar höher als im Stadtdurchschnitt beschrieben, es mangelte in der Vergangenheit aber an Investitionen. „Hast, denke ich, gut funktionierende Einrichtungen für Kinder und Jugendliche. In die aber auch nicht investiert worden ist... Dann ziemlich viele Projekte, die entstanden sind. Also ich denke, von der infrastrukturellen Ausstattung für Kinder und Jugendliche ist es dort am besten in der Stadt ...“ (EPG 6) Alle Vertreter der Kinder- und Jugendarbeit im Stadtteil haben sich zu einer Vernetzungsgruppe Winzerla zusammengeschlossen und arbeiten regelmäßig stadtteilspezifische Problemlagen auf oder unterstützen sich gegenseitig. 18 Analyse & Konzepte: Stadt Jena, 2002: 39 45 7.1 Umfang von Freizeitflächen für Kinder und Jugendliche In unserer Bevölkerungsbefragung baten wir um eine Einschätzung der Quantität und der Qualität von Freizeitflächen für Kleinkinder, Kinder und Jugendliche. Betrachten wir zunächst die Flächen für Kinder, so zeigt Abbildung 23 folgendes: Die Ausstattung des Stadtteils mit Freizeitflächen für Kleinkinder wird etwas besser bewertet, als die für Kinder. Vor allem mit Blick auf die Kinder zeigt sich aber eher ein negativer Trend. Mehr als zwei Fünftel aller Befragten schätzen die Zahl an Freizeitflächen für Kinder als nicht ausreichend ein. Abbildung 23: Quantität der Freizeitflächen für Kleinkinder und Kinder Frage: Ist Ihrer Meinung nach das Angebot an Freizeitflächen für Kleinkinder und Kinder ausreichend? ich weiß nicht nein ja 26,20% 21,8% 33,90% 45,1% 39,90% 33,1% Kinder Kleinkinder Unsere Befragung zeigte in den verschiedenen Regionen des Stadtteils sehr unterschiedlich Ergebnisse. Mehr als drei Viertel aller Befragten in den westlichen Randgebieten mit direktem Anschluss an den Naturraum und vielen privatisierten Wohnungen meinen, die Anzahl an Freizeitflächen vor allem für Kleinkinder reiche aus. Besonders schlecht wird die Ausstattung an Kleinkindspielplätzen in den Regionen Schrödingerstraße/ Zielinskystraße und nördlich der Winzerlaer Straße beurteilt: e jweils mehr als drei Fünftel dieser Befragten sind der Meinung, die Zahl der Spielflächen sei nicht ausreichend. In den Experteninterviews wird ein anderes Bild gezeichnet. Die Anzahl der Flächen wird immer wieder als ausreichend dargestellt. Handlungsbedarf sehen die Experten vor allem in einer stärkeren Pflege der Anlagen und einer attraktiveren Gestaltung. „Mehr Spielplätze wurden erwähnt. Ich bin der Meinung, in Winzerla gibt es genügend Spielplätze. Aber.. die sollen auf jeden Fall besser gepflegt werden.... dass sie nicht kaputt sind, 46 dass sich die Kinder nicht daran verletzen können und dass sie vielleicht teilweise doch mehr ein bisschen umgebaut werden. Für größere Kinder. Dass es nicht nur Kleinkindspielplätze sind. Sondern dass es eben auch etwas für die 10, 12jährigen gibt, wo die sich austoben können. Nicht nur eine Rutsche und ein kaputtes Klettergerüst.“ (EPG 8) Betrachten wir die Freizeitflächen für Jugendliche, so zeigen die Ergebnisse unserer Befragung einen deutlichen Mangel. Wie Abbildung 24 verdeutlicht, meinen mehr als zwei Drittel aller Interviewten, dass es nicht genügend Freizeitflächen für Jugendliche im Stadtteil gibt. Abbildung 24: Quantität der Freizeitflächen für Jugendliche Frage: Ist Ihrer Meinung nach das Angebot an Freizeitflächen für Jugendliche ausreichend? kann ich nicht einschätzen 21,1% nein ja 68,2% 10,7% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% In Zusammenhang mit dem geringen Angebot an Freizeitflächen für Jugendliche stellt sich die Frage nach der Nutzung freier Räume. Uns interessierte, inwiefern bei den Bewohnern Bereitschaft besteht, Jugendlichen z.B. ungenutzte Kellerräume im Haus zur Verfügung zu stellen. Die Beantwortung der Frage nach Einrichtung von Gemeinschaftsräumen für Kinder und Jugendliche in ungenutzten Räumen des Hauses im Keller oder Eingangsbereich verdeutlicht durch Abbildung 25 ein recht ambivalentes Bild von Befürwortern und Gegnern: Während 47,9% einer Nutzung zustimmten, waren fast genauso viele Befragte (45,8%) dagegen. Die Altersgruppe der bis 40-jährigen war deutlich positiver gegenüber einer solchen Nutzung eingestellt, als ältere Befragte. 47 Abbildung 25: Nutzung freier Räume in den Wohnhäusern durch Kinder und Jugendliche Was halten Sie von folgender Idee: Man könnte in ungenutzten Räumen (z.B. im Keller oder Erdgeschoss) Ihres Hauses für Kinder und Jugendliche Gemeinschaftsräume einrichten? ist mir egal 6,3% finde ich nicht gut 47,9% finde ich gut 45,8% Die Experten für Kinder- und Jugendarbeit stehen einer Nutzung von Räumen durch Kinder und Jugendliche eher skeptisch gegenüber. Gerade unbetreute Räume im direkten Wohnbereich bergen ihrer Meinung nach ein hohes Konfliktpotenzial, das hervorgerufen wird durch die unterschiedlichen Interessenslagen von Jugendlichen und Anwohnern. „ Meine Erfahrung hat gezeigt, dass es nicht funktioniert..... weil in einer Jugendgruppe immer bestimmte Strukturen vorherrschen. Gruppenstrukturen.... Also ich kann nicht sozusagen jeder Gruppe einen Freiraum - einen unbeobachteten Freiraum zugestehen. Das wird zu Konflikten mit den Anwohnern führen. Bestimmte Entwicklungsprozesse, die begleitet werden sollten, sind dann unbeobachtet. Das halte ich aus sozialpädagogischer Sicht nicht immer für glänzend.... Zumal es sich doch wieder um die gleichen Gruppen dreht - also die Platzgruppen, mit denen wir ja versuchen, relativ intensiv versuchen, die Leute irgendwo anzubinden.“ (EPG 11) Auch der Versuch, Jugendlichen Räume selbst verwaltet zu überlassen, musste nach einiger Zeit aufgrund großer Unordnung wieder abgebrochen werden. „... das sie (die Jugendlichen) selbst verantwortlich sein wollen, aber es klappt überhaupt nicht. Ich hab` auch zu zweien mal gesagt: na okay, dann probieren wir es mal `ne Woche mal. Dann passt ihr abends so ein bisschen auf; aber das ist immer irgendwie ausgeartet. Also da (.) kugeln die Flaschen hier rum`, da ging es zu wie (.) Da hab ich auch gemeint, das ist doch nix hier.“ (EPG 19) Mehr als zwei Drittel aller, die einer Nutzung von Räumen im Haus zugestimmt hatten, waren der Meinung, dass die Räume auch offen für Nichthausbewohner sein sollten; ein knappes Drittel möchte die Räume nur von Kindern und Jugendlichen aus dem eigenen Haus genutzt wissen. In letzterem sehen die Experten auch die einzige Nutzungsmöglichkeit. Im sozialen Zusammenhang der Hausgemeinschaften lassen sich Fragen wie Verantwortlichkeit für die Räume oder kleinere Grenzverletzungen möglicherweise leichter lösen. „ich denke mal, die Leute können eher mitgehen, wenn es ihre eigenen Kinder sind, dass sie sich treffen, im Gemeinschaftsraum sind.... ich gehe nur von mir aus: wenn den ganzen Tag `ne Horde fremder Kinder da sind und den ganzen Tag Bambule...und eine Frage, wer reinigt das wieder... es ist auch gar nichts so einfach so irgendwo Jugendliche unbeaufsichtigt hinzulassen. Wer ist verantwortlich? Das ist dann immer wieder die Frage.“ (EPG 21) 48 7.2 Qualität der Freizeitflächen für Kinder und Jugendliche Neben der Anzahl kommt es wesentlich auch auf die Qualität der Freizeitflächen für Kleinkinder, Kinder und Jugendliche an. Bereits in den Expertengesprächen deutet sich besonders hier ein Handlungsbedarf an. Auch die Ergebnisse unserer Befragung weisen in diese Richtung: Wie Abbildung 26 zeigt, ist mehr als die Hälfte aller Befragten nicht der Meinung, dass die Wünsche von Kindern und Jugendlichen bei der Gestaltung der Freizeitflächen Berücksichtigung fanden. Abbildung 26: Beurteilung der Qualität von Freizeitflächen für Kinder und Jugendliche Entspricht die Gestaltung der Freizeitflächen aus Ihrer Sicht den Wünschen der Kinder und Jugendlichen? kann ich nicht einschätzen 33,9% nein 51,8% ja 14,3% Bei der Frage nach Verbesserungswünschen wurden vor allem die Schaffung von Sportanlagen, Einrichtungen für Jugendliche wie Jugendclub/ Diskothek sowie Treffpunkte oder Aufenthaltsräume genannt. Auf den vorhandenen Spielplätzen für Kinder mangelt es vor allem an Pflege und Sauberkeit, hier wurde immer wieder die Verunreinigung durch Hundekot angesprochen. Auch anderes Spielgerät wird gewünscht bzw. eine Umgestaltung der vorhandenen Spielflächen in z.B. Abenteuerspielplätze und eine Erweiterung des Angebots an Spielflächen insgesamt wird als notwendig erachtet. Des weiteren wurden mehr Angebote mit Betreuung und Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche gewünscht (vgl. Abbildung 27). Abbildung 27: Verbesserungsvorschläge bei der Freiflächengestaltung für Kinder und Jugendliche (Mehrfachnennungen möglich; nach Anzahl der Nennungen; N=184) Sportanlagen 27,6% Club/ Diskothek 17,7% mehr Pflege/ Sauberkeit der Spielplätze 16,6% Treffpunkte/ Aufenthaltsräume 11,0% bessere Ausstattung der Spielplätze 12,2% mehr Spielpätze 7,2% Angebote mit Betreuung Anlaufstellen (auch streetwork) 5,5% 2,2% 49 Als eine der Ursachen für die ungenügende Pflege der vorhandenen Flächen wird die schlechte Finanzlage der Wohnungseigentümer angeführt. Beschädigte Spielgeräte werden nicht mehr repariert oder ausgetauscht. „Für Kleinkinder gibt es viele Sandkästen, wo sie sich aufhalten können, wo sich die Mutti vielleicht mal mit hinsetzt, aber für größere, ja, da gehen die Spielgeräte kaputt. Die Wohnungsgesellschaften sagen, sie haben kein Geld, die Kinder verletzen sich.“ (EPG 8) Im Folgenden eine detaillierte Auflistung der genannten Wünsche: Sportmöglichkeiten: • Plätze für Lagerfeuer; usw. • Tischtennisplatten • • Volleyball-, Basketballfelder; Fußballplätze Plätze mit Betreuung/ betreute Angebote an Freizeitaktivitäten • mehr Plätze und Stellen; besonders im Winter • Nutzung der Containerstellplätze vor dem Haus • Aufenthaltsräume für Jugendliche • Tennisplatz • Skatepark • Nutzung der Schul- und Sportplätze am Nachmittag Spielplätze • statt Kies, Sand in den Sandkästen Sonstiges, Allgemeines: • Erweiterung der Spielplätze; mehr Geräte; außergewöhnliche Spielgeräte; • mehr Kontrolle • mehr Beschäftigung • mehr Spielplätze • • mehr Angebote Scherben verschmutzen Spielplätze • • Feste besser organisieren Einzäunen der Spielplätze, um Hunde fernzuhalten/ Verschmutzung durch Hunde • Clubhaus Ringwiese erhalten • mehr Flächen, auf die Kinder ungestört `rauf können • in Zusammenarbeit mit den Kindern und Jugendlichen • Alternativen außerhalb des Wohngebiets (Stück weg) • Abenteuerspielplätze • Kontrolle der Spielgeräte und bei Bedarf Reparatur • Sauberkeit der Spielplätze • mehr Holzspielplätze • neue Sachen hinbauen • mehr Sandkästen • Jugendclub • mehr Freizeitangebote Treffpunkte, Anlaufstellen, Nutzräume • • Billard Anlaufstelle für Jugendliche • • mehr Geld für Jugendclubs Kellerräume für Jugendliche • • Beschäftigungen Treffpunkte • Vereine • Nutzung der Innenhöfe (auch Fußball spielen dürfen) Der Wunsch nach einem Abenteuerspielplatz als Spiel- und Lernmöglichkeit im uniformen Stadtteil wurde in den Experteninterviews unterstützt. Gleichzeitig wird aber auch auf die Notwendigkeit einer Betreuung für ein solches Projekt verwiesen. 50 „Abenteuerspielplatz; das fehlt total. .. aber so ein richtiger Abenteuerspielplatz der müsste von jemandem betreut werden... wo die Kinder werkeln können, vielleicht ein Baumhaus bauen - so was fehlt total in Winzerla. Das wünschen sich auch die Kinder.... da muss jemand da sein, der Unterstützung gibt. Gerade wenn die was bauen, mit dem Hammer, da muss ein Erwachsener dabei sein. Da müsste es eine Stelle geben. Das muss dann irgendwo auch beaufsichtigt werden.“ (EPG 8) Zusammenfassend kann gesagt werden, dass vor allem sportliche Angebote, eine Verbesserung der Spielflächen für Kinder sowie vielfältige Angebote für Jugendliche bei den Verbesserungsvorschlägen im Vordergrund standen. Auffällig dabei ist der häufig geäußerte Wunsch nach betreuten Angeboten. Wichtig wäre es, in der weiteren Planung den Erfordernissen der Jugendlichen nach kleinflächigen Treffpunkten gerecht zu werden. „...also wir haben hier nicht die zwei großen Strömungen.... sondern ich erlebe einfach, dass wir hier viele, viele kleine Gruppen haben, die alle irgendwo ihren Freiraum suchen. ... Aber die Frage ist halt immer: Wo? Wohin?... Viele kleiner Dinger, wo die sich zurückziehen können und wo sie ihr Ding machen können....es muss ja nicht irgendwo abseits sein, sondern wo auch noch ein Stück soziale Kontrolle durch das Wohngebiet läuft.“ (EPG 4) Die Planer der Ideenwerkstatt Wasserachse haben in ihren Entwürfen zur Neugestaltung des Areals auch Plätze für Jugendliche vorgesehen. So sind z.B. in weniger lärmempfindlichen Abschnitten wie am Flößerbrunnen oder auf dem Gelände in Schulnähe „Jugendecken“ eingeplant.19 Ausgehend von den Bedürfnissen nach Eigenwelten, unbeobachteten Treffs oder nach Selbstdarstellung wurden weitere Flächen um den Komplex Schule, Turnhalle und Kindergarten für Jugendliche vorgesehen.20 Dabei berücksichtigte man auch der Wunsch Jugendlicher aus Winzerla nach einer Skaterbahn. Diese wird von den Experten nicht nur als Freizeitanlage, sondern auch wegen einer möglichen Stärkung anderer Jugendkulturen im Stadtteil begrüßt. „will nur das Beispiel aus Lobeda nennen. Seitdem es diese Skaterbahn in Lobeda gibt, ist mittlerweile die dominante Jugendkultur in Lobeda, die Skaterkultur... und das würde Winzerla gut tun. Einfach mal was entgegenzusetzen zu der Kultur, die momentan hier bestimmend ist. Das ist nämlich die (.) ...das sind die so genannten körperbetonten Jugendkulturen. Die Hooligans, die Skinheads und was weiß ich noch.“ (EPG 17) In der weiteren Gestaltung des Areals sollten aber auch Räume in ihrer Nutzweise offen gelassen werden, um den jungen Bewohnern die Möglichkeit einer eigenen lebensweltlichen Gestaltung ihres Wohnumfeldes zu ermöglichen.21 Eine solche selbständige Aneignungen von Orten als Treffpunkte sind typisch für Jugendkulturen und verlaufen ungeplant. „...wenn sich halt Jugendliche an bestimmten Stellen sammeln, dann haben diese Stellen einen bestimmten Reiz für sie. Den kann man nicht abschaffen, indem man für sie Nischen schafft. Die Nischen... finden sie selbst.“ (EPG 5) Damit sind allerdings oftmals auch Zweckentfremdungen verbunden. Die Ergebnisse unserer Befragung verweisen auf eine Verschmutzung von Spielflächen durch Jugendliche, die sich dort in den Abend- und Nachtstunden treffen. Sie hinterlassen hier Zigarettenstummel oder Glasscherben, über die sich die Mütter am Morgen ärgern. „Ich kann diesen Frust von beiden verstehen. Also die Kiddies wissen nicht wohin - logisch, dass die sich dann auch das Recht nehmen, sich auch irgendwelcher Plätze zu bedienen oder irgendwelche Plätze einzunehmen - also die Mutti, die mit ihrem Kind jeden Tag den Spiel19 Stadt Jena 2001, AG 1: 11 20 ebenda, AG 2: 14 21 vgl. Maier/ Sommerfeld 2001 51 platz nutzt und abends wird der durch Jugendliche (.) vergewaltigt; liegen Scherben `rum, was weiß ich. Und am nächsten Morgen will die mit ihrem Kind halt wieder da hin und das Ding ist total verdreckt. Hundekacke drinne und tralala. Und dann gibt`s halt Frust. Und dann hat das Kind vielleicht noch `ne schlechte Nacht gehabt, weil die Lärm machen vorm Fenster - das kann man alles schon nachvollziehen.“ (EPG 17) Die Pflege und Sauberhaltung der Spielflächen liegt in der Verantwortlichkeit der Wohnungseigentümer bzw. der Stadt. An sie wenden sich die Bewohner mit ihren Beschwerden. Möglicherweise könnte durch die Einrichtung geeigneter Plätze für Jugendliche auch die Verschmutzung der Spielflächen reduziert werden. Zusätzlich könnte darüber nachgedacht werden, die Plätze am Abend abzuschließen, wie es in vielen größeren Städten Deutschlands oder Amerikas bereits üblich ist. Neben der Verschmutzung ist für manche auch der Lärm durch Kinder und Jugendliche auf Freizeitflächen ein Problem. Die Wohnschluchten des Stadtteils verstärken den Schall zusätzlich und werfen ihn vielfach in die offenen Fenster zurück. „Das ist wie so ein siebenfaches Echo, das immer wieder hin und her schallt...es muss dort ein Freiraum geschaffen werden, wo der Schall weg kann. Es ist klar, so ein schrilles Kinderlachen, das bricht sich an den Wänden. Es ist unvermeidbar, dass es sich an den Balkonlodgen drin fängt.“ (EPG 20) Bauliche Veränderungen wie eine bessere Schallisolierung oder die teilweise Entkernung des Stadtteils sind eine Möglichkeit zur Lärmverringerung. Eine andere Möglichkeit wäre die Schaffung von Plätzen am Rand oder außerhalb des Stadtteils. Ein solcher Platz außerhalb der Häuserbereiche wurde in Winzerla oberhalb der Schrödingerstraße gebaut. Er befindet sich ca. 100 m von allen Wohnblöcken entfernt auf einer Anhöhe und ist vom Stadtteil aus wenig einsehbar. Durch den Ausbau des Fußballfeldes soll in den kommenden Jahren die Grundlage für Vereinsfußball im Stadtteil gelegt werden. Auf dem Platz befinden sich neben Angeboten für Kinder wie Rutsche und Spielgeräte, Aufenthaltsplätze für Jugendliche genauso wie Sportflächen zum Skaten, Fußballspielen u.ä. Eine direkte räumliche Trennung in einen Kinder- und Jugendbereich existiert nicht. 52 Das Areal wird vorrangig durch Jugendliche genutzt, da es besonders für kleinere Kinder ohne Begleitung von Erwachsenen oder älteren Kindern zu weit entfernt ist. Hinzu kommt die bereits thematisierte Verschmutzung durch Jugendliche an ihren Treffpunkten, die laut Experten ein Spielen auf den Flächen unmöglich macht. „Und da oben ist - in der Schrödingerstrasse der eine Spielplatz, der nur was ist für Größere....Da oben liegen auch immer ganz viel Scherben auf dem Spielplatz. Ist furchtbar.... wir waren schon mal mit den Kindern da oben, haben gesagt: wir müssen wieder gehen. Waren eine Viertelstunde da oben. Das war nicht tragbar. Obwohl der eigentlich vom Garten und Friedhofsamt betreut wird, der Spielplatz. Einmal in der Woche würden sie sich darum kümmern... aber wenn die abends feten im Sommer, sieht es am nächsten Tag wieder so aus... da lag ein alter Feuerlöscher da oben und die Mülleimer aus den Halterungen gerissen. Die anderen Mülleimer gab`s schon gar nicht mehr; die waren schon weg“. (EPG 8) Doch auch eine Nutzung durch viele Jugendgruppen, wie im Gesamtkonzept angedacht, gestaltet sich laut Expertenmeinung eher schwierig. Der Platz wird vor allem in den Abendstunden und an den Wochenenden von einer sehr dominanten Gruppe Jugendlicher genutzt. „ Aber genutzt wird er von einer Chaotentruppe“ (EPG 4) „...ja und der reicht ja nicht hinten und vorne aus. Wenn da eine Clique drauf ist, an der Ballanlage...Wo auch die Kinder - Jugendliche sagen: da oben sind Rechte. Ja und da wollen dann wieder andere, zum Glück, nichts damit zu tun haben. Und da, ja, die Mehrheit - Frechheit siegt. Wer da ist, ist da. So ist es. Und die anderen haben dann das Nachsehen.“ (EPG 8) So verwundert es nicht, dass die Experten für Kinder- und Jugendarbeit das bisherige Nutzungskonzept eines Nebeneinander von verschiedenen Alters- und Stilgruppen ohne Betreuung in Frage stellen. „Das ist natürlich für mich gegen den Baum gelaufen. Dieser Sportplatz. Der ist schön! Wunderbar angelegt und so.... also ich war nach Ostern dort, das ist ja wirklich erschreckend. Wie es da oben aussieht.... die Rutsche dort für eine Kindergruppe oder für Kleinere. Diese Skaterbahn für eine Clique für sich. Das Fußballgitter auch wieder für eine ganz andere Clique. Der Basketballkorb wieder für andere. Die Tischtennisplatten und die Abhängbänke wieder für andere. Und da sind 5 Gruppen, die ich auf einem Feld von einem Sportplatz haben möchte, und niemand ist mit dabei, der dann sagt: Leute, so geht`s nicht. Oder ihr müsst auch mal die anderen irgendwo mit herkommen lassen. Das kann nicht funktionieren! Das ist also von der Planung her sehr schön gedacht - man hat eine Stelle, wo gleich alles ist: Aber man hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht.“ (EPG 4) Die bisherige geringe Nutzung durch kleinere Kinder bzw. Kinder überhaupt sollte Konsequenzen haben, die auf eine stärkere Spezialisierung der Nutzergruppen hinauslaufen. Möglich wäre auf dem Areal zum einen die Errichtung eines vielfach gewünschten, betreuten Abenteuerspielplatzes. Zum anderen wäre die Änderung des Nutzungskonzepts im Sinne einer ausschließlichen Nutzung durch Jugendliche denkbar. Der Platz bietet sich aufgrund seiner Lage besonders für Gleichaltrigengruppen an, da eine Lärmbelästigung von Anwohnern weitgehend ausgeschlossen ist. In die weitere Gestaltung dieser Freizeitfläche sollten neben baulichen Veränderungen wie einer besseren Aufteilung des Platzes in kleinflächige Treffpunkte für Jugendliche (z.B. Abgrenzung durch Anpflanzung von Grün o.ä.) unbedingt Maßnahmen zur Betreuung einfließen, da eine soziale Kontrolle und Einflussnahme von Bewohnern, wie im direkten Wohnbereich des Stadtteils hier nicht möglich ist. 7.3 Störungen durch Kinder und Jugendliche Die Störungen durch Kinder und Jugendliche sind auf verschiedenen Ebenen bereits thematisiert worden. Betrachtet man die hohen Zahlen von Kindern und Jugendlichen im Stadtteil und den in unserer Befragung eingeschätzten Mangel an Plätzen besonders für junge Menschen, so überraschen allerdings die Ergebnisse unserer Befragung im Hinblick auf eine wahrgenommene Störung durch diese Gruppen. Wie Abbildung 28 zeigt, fühlen sich drei Fünftel aller Befragten nicht durch Kinder und Jugendliche im Stadtteil gestört. Abbildung 28: Störungen durch Kinder und Jugendliche im Stadtteil Gibt es Situationen, in denen Sie sich von Kindern und Jugendlichen im Wohngebiet gestört fühlen? ich weiß nicht 0,9% ja 39,2% nein 59,9% Demgegenüber erleben etwas weniger als zwei Fünftel Situationen, in denen sie sich von Kindern und Jugendlichen gestört fühlen. Woraus bestand nun diese Störung und an welchen Orten fand sie statt? Bei der Frage nach der Art der Störung wird deutlich, welche große Rolle dabei jugendliches (Fehl-)Verhalten bzw. das Treffen in Gruppen spielen. Jugendliche fallen durch Treffpunkte mit Gleichaltrigen auf. Die Gleichaltrigengruppen oder Cliquen bieten einen Schutzraum zum Ausprobieren von Verhalten, geringen Normüberschreitungen, Grenzverletzungen u.ä., denen eine wichtige sozialisatorische Funktion im Rahmen des Erwachsenwerdens zukommt. Besonders in Gruppen junger Männer geht es dabei erfahrungsgemäß eher lautstark zu. Wie auch Abbildung 29 zeigt, sind es vor allem Lärmbelästigungen, das Verhalten Jugendlicher in Gruppen sowie deren Benehmen und Unordnung/ Unsauberkeit, die als Ursachen einer erlebten Störung genannt wurden. Einen nur geringen Stellenwert spielen Sachbeschädigung und Graffiti, Gewaltandrohung bzw. eine undifferenzierte Angst vor Gewalt. Abbildung 29: Ursachen einer Störung durch Kinder und Jugendliche im Stadtteil (Mehrfachnennungen möglich; nach Anzahl der Nennungen, N=198) Ruhestörung/ Lärm 40,4% 18,7% Störung durch Gruppen Jugendlicher davon alkoholisierte Jugendliche 7,6% 6,6% davon "rechte" Jugendliche schlechtes Benehmen/ Anpöbeln 10,1% Unordnung/ mangelnde Sauberkeit Sachbeschädigung (auch Graffiti) 8,1% 3,5% Gewaltandrohung/ Angst vor Gewalt 2,5% Sonstiges 2,5% 54 Befragt nach den Orten, an denen die Störung stattfand, gaben die Interviewten vor allem Plätze im direkten Wohnumfeld wie vor der Wohnung, auf den Bänken vor dem Haus, auf dem Fußballplatz bzw. den Fußballflächen im n I nenhof, im Nachbarhaus oder auf dem Wäscheplatz an. Außerdem sind es die Nahbereiche der beiden großen Einkaufszentren Columbus- und Win-Center, der Marktbereich (hier besonders Rewe und am Brunnen), der Jugendclub „Hugo“ sowie Schulen, Kindergärten und Spielplätze, auf denen Störungen durch Jugendliche vorkommen. In unserer Befragung konnte allerdings kein zentraler Ort als Störungsquelle festgestellt werden. Gerade bei kleineren Störungen im direkten Wohnumfeld regten Experten private Problemlösungsstrategien an. Durch ein ruhiges und sachliches Gespräch zwischen Mietern und Jugendlichen sei möglicherweise so manches Problem aus der Welt zu schaffen, bevor Polizei oder Streetworker gerufen werden. Gleichzeitig fördere dies auch das Verständnis zwischen jungen und älteren Bewohnern des Stadtteils. „wenn dann eine Gruppe Jugendlicher vor der Tür `rumhängt, die spucken hin, die werfen ihre Kaugummis hin... und das stört die Leute unheimlich. Also es ist nicht so, dass sie nicht Guten Tag sagen; aber dass sie eben auch Abfall haben und nicht nur ein bisschen, sondern eine ganze Menge. Dann lassen sie eben Flaschen stehen und die Lautstärke und das ist das, was stört.....Aber ich denke mal, da müssen die Leute auch mit den Jugendlichen das Gespräch suchen. Ich denke mal, zum großen Teil bringt es was. Wenn sie sich unterhalten... und dass sich dann auch ein Kontakt aufbaut.“ (EPG 8) Besonders im Umfeld öffentlicher Einrichtungen oder Einkaufszentren wurde der Aufenthalt von Jugendgruppen problematisiert. Zusätzlich zu einer möglichen Lärmbelästigung kommt noch die Befürchtung hinzu, dass sich der Publikumsverkehr aufgrund von Angst vermindere. Hier wird von den Verantwortlichen schnelles Reagieren gefordert, das meist in einem Hausverbot endet, ohne das Problem damit wirklich gelöst zu haben. Die Gruppe zieht weiter und sucht sich einen neuen Platz. „Wir haben Probleme seit ungefähr einem halben Jahr. Die waren erst ... an der ReweKaufhalle, ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat, aber sie hat sie irgendwie - die standen dann hier vorne, bei dem Bäcker, an der Wasserachse. Immer so eine Traube von zwanzig, dreißig. Ich kenne einige davon. .....so, jetzt war bei mir der Fall, dass sie nach der fünften Gallone Bier die Kunden belästigt haben, die Mieter natürlich bei mir vor der Tür standen und gesagt haben: so machen wir das nicht weiter mehr mit; und da musste ich dann auch reagieren. Ich bin jetzt glaube ich bei fünfundzwanzig Hausverboten, die ich ausgesprochen habe. Ich mache immer so 3 Monate Hausverbot und bei Verstoß zeige ich sie an. Ich weiß mir auch nicht mehr anders zu helfen. Ich hab` halt den Sicherheitsdienst hochgeschraubt. Wobei ich das nicht für den richtigen Weg halte.“ (EPG 21) Insgesamt zeigen die Ergebnisse unserer Befragungen, dass die Situation von Kindern und Jugendlichen im Wohngebiet Winzerla nicht ganz unproblematisch ist. Zum Teil gibt es Nutzungskonflikte, die wiederum auf eingeschränkte Freizeitflächen vor allem für die Jugendlichen zurückzuführen sind. Jugendliche eignen sich dann ihrerseits Orte im Stadtteil an, funktionieren sie für ihre Interessen um und lösen damit neue Konflikte aus. Auch Freiraumplanungen für Kinder und Jugendliche erreichen nicht immer ihr Ziel. Insgesamt scheint Winzerla besonders für die Gruppe der Jugendlichen nicht immer günstige Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten. 55 8. Nachbarschaft und Haus In diesem Kapitel geht es vorrangig um die Nachbarschaftsbeziehungen in Winzerla. Sind sie durch Anonymität gekennzeichnet, wie es oft im Zusammenhang mit großen, baulich verdichteten Siedlungen beschrieben wurde? Oder sind sie trotz aller eventuellen Probleme ein echter Gewinn für die Lebensqualität? 8.1 Nachbarschaftsbeziehungen: Bekanntheit und grüßen Gute nachbarschaftliche Beziehungen sind nicht nur wichtig für Kommunikation oder Selbsthilfe, sondern sie ersetzen zum Teil auch Dienstleistungen, die sonst teuer auf dem freien Markt bezahlt werden müssten. Um in einem so hoch verdichteten Stadtgebiet Missverständnisse mit dem Begriff „Nachbarn“ zu vermeiden, definierten wir diese im Interview folgendermaßen: `als Nachbarn sind alle Bewohner des Hauseingangs anzusehen`. Wie die Abbildung 30 zeigt, kennt knapp die Hälfte unserer Befragten alle Nachbarn im Hauseingang mit Namen und kann die Personen den entsprechenden Haushalten zuordnen. Nur 8,6% kennen keinen der Nachbarn namentlich. Der Bekanntheitsgrad ist erwartungsgemäß abhängig von der Wohndauer in der Wohnung: je länger die Befragten bereits hier wohnen, desto mehr Nachbarn kennen sie auch mit Namen. 56 Abbildung 30: Wie viele Nachbarn aus Ihrem Hauseingang kennen Sie mit Namen? (N=336) 46,7% 19,9% 19,0% 8,6% 5,7% keinen einen bis vier fünf bis zehn mehr als zehn alle Außerdem zeigt Abbildung 31, dass deutlich mehr als vier Fünftel der Befragten alle Nachbarn im Haus grüßen; also auch diejenigen, die sie nicht eindeutig den Haushalten zuordnen können. Abbildung 31: Wie viele Nachbarn aus Ihrem Haus grüßen Sie (N=334) 85,3% 6,6% 4,8% 3,0% einen bis vier fünf bis zehn mehr als zehn, aber nicht alle 0,3% keinen alle Nur ein Interviewter gab an, niemanden zu grüßen. Er war erst vor einem Monat in das Haus eingezogen. Doch wie sieht es mit den weitergehenden nachbarschaftlichen Kontakten aus? 57 8.2 Unterhaltungen, Besuche und gegenseitige Hilfe Wie auch Abbildung 32 verdeutlicht, finden nachbarschaftliche Gespräche bei den meisten Befragten statt. Etwas mehr als ein Viertel unterhält sich sogar mit allen Nachbarn. Abbildung 32: Mit wie vielen Nachbarn unterhalten Sie sich? (N=333) 35,7% 27,9% 18,6% 10,8% 6,9% mit keinem mit einem bis vier mit fünf bis zehn mit mehr als zehn, aber nicht allen mit allen Bei etwas mehr als jedem Zehnten unserer Befragung finden keine Gespräche zwischen den Nachbarn statt. Als weitere wichtige Indikatoren nachbarschaftlicher Beziehungen definierten wir gegenseitige Besuche und nachbarschaftliche Hilfspotenziale. Bei der Frage, ob man selbst schon einmal Nachbarn zu sich eingeladen hat und ob man bereits von Nachbarn in deren Wohnung eingeladen wurde, zeichnet unsere Untersuchung ein eher homogenes Bild nachbarschaftlicher Besuche und Gegenbesuche. Abbildung 33: Nachbarschaftliche Besuche Nachbarschaftliche Besuche 48,4% 47,2% 51,6% 52,8% Haben Sie selbst Nachbarn zu sich eingeladen? Wurden Sie von Nachbarn in deren Wohnung eingeladen? ja nein 58 Wie Abbildung 33 zu entnehmen ist, sind mehr als die Hälfte aller Befragten bereits in eine nachbarschaftliche Wohnung eingeladen worden und fast genauso viele haben selbst Nachbarn zu sich nach Hause eingeladen. Auch hier lässt sich wieder eine deutliche Abhängigkeit von der Wohndauer in der Wohnung feststellen. Je länger die Befragten bereits in ihrer Wohnung wohnen, desto häufiger wurden nachbarschaftliche Besuche und Gegenbesuche angegeben. Mit Blick auf die gegenseitigen Besuche konnten deutliche Unterschiede zwischen den eingeteilten Zonen des Wohngebiets festgestellt werden. Abbildung 34 zeigt, dass im so genannten Altneubaugebiet mit über 90% gelegentliche nachbarschaftliche Besuche am häufigsten sind. Am seltensten fanden sie bei Befragten im nördlichen Randquartier, im Wohngebiet an der Wasserachse und im städtebaulich monotonsten Gebiet statt. Abbildung 34: Zonenspezifisch: Wurden Sie von Nachbarn in deren Wohnung eingeladen? städtebaulich monotonstes Gebiet Wohngebiet an der Wasserachse Quartiere an der Siemsenstraße nördliches Randquartier 48,5% 51,5% 40,0% 60,0% 52,3% 47,7% 37,0% Privatisierungsobjekte der SWVG 63,0% 62,0% direkter Bezug zum Landschaftsraum 38,0% 59,3% Altneubaugebiet 40,7% 90,9% 9,1% Um die Kontakte zwischen den Nachbarn noch etwas differenzierter zu betrachten, wurden Befragten, bei denen gegenseitige Besuche und Gegenbesuche stattfanden, um eine Einschätzung der Besuchshäufigkeit gebeten. Wie Abbildung 35 zeigt, wird die Häufigkeit gegenseitiger nachbarschaftlicher Besuche von mehr als drei Fünftel der Befragten als eher selten eingeschätzt. Mehr als ein Fünftel besucht seine Nachbarn häufig. Abbildung 35: Häufigkeit gegenseitiger Besuche kann ich nicht einschätzen häufig eher selten 15,4% 22,9% 61,7% 59 Neben Unterhaltungen und Besuchen bestimmt sich die Qualität von Nachbarschaftsbeziehungen vor allem auch über gegenseitige Hilfe und Unterstützung. Hilfen unter Nachbarn können dabei echte ökonomische Vorteile bringen, wenn die entsprechenden Tätigkeiten sonst am Markt teuer bezahlt werden müssten. Dies gilt beispielsweise für Reparatur- und Sanierungsarbeiten in der Wohnung oder Einkaufsdienste für ältere oder behinderte Mitbewohner. Die Ergebnisse unserer Befragung verweisen auf ein großes Hilfspotenzial im nachbarschaftlichen Gefüge Winzerlas. Wie Abbildung 36 zeigt, unterstützen sich mehr als vier Fünftel aller Befragten gegenseitig mit kleineren nachbarschaftlichen Hilfeleistungen. Abbildung 36: Helfen Sie sich manchmal gegenseitig? nein 17,3% ja 82,7% Befragt nach der Form der Hilfen wurden vor allem folgende genannt (vgl. auch Abbildung 37): • kleine alltägliche Unterstützungen wie das Ausborgen von Sachen oder das Annehmen von Post und Paketen, • das Ausleeren des Briefkastens und die Pflege der Blumen während Urlaubs- oder Krankenhausaufenthalts, • Hilfe für Ältere oder Schwächere wie die Übernahme der Hausordnung, das Hochtragen schwerer Taschen u.ä., • handwerkliche Hilfeleistungen wie Tapezieren oder Hilfe beim Teppichverlegen sowie Ein- und Auszug, • gegenseitige Hilfe bei der Kinderbetreuung 60 Abbildung 37: Helfen Sie sich manchmal unter Nachbarn? Wenn ja: wie? (Mehrfachnennungen möglich; nach Anzahl der Nennungen, N=337) kleine alltägliche Hilfeleistungen 45,8% Hilfe als Urlaubsvertretung Hilfe für Ältere/ Schwächere handwerkliche Hilfeleistungen 28,1% 13,4% 9,8% Hilfe bei 3,0% Kinderbetreuung Insgesamt zeigt sich für Winzerla mit Blick auf relativ oberflächliche aber auch persönlichere Nachbarschaftsbeziehungen ein positives Bild. Zu berücksichtigen ist, dass sich gerade Nachbarschaft oftmals auch durch den Wunsch nach einer gewissen Distanz auszeichnet. Wie bewerten die Befragten selbst die Beziehungen zu ihren Nachbarn? 8.3 Subjektive Zufriedenheit mit nachbarschaftlichen Kontakten Vier Fünftel der Befragten äußerten sich zufrieden über den Umfang nachbarschaftlicher Kontakte, nur 14% wünschten sich mehr Kontakte im nachbarschaftlichen Nahbereich (vgl. auch Abbildung 38). Der Grad der Zufriedenheit ist auch hier abhängig von der Wohndauer in der Wohnung sowie vom Familienstatus. Je länger die Befragten bereits in ihrer Wohnung wohnen, desto zufriedener sind sie mit den Kontakten und desto seltener beurteilen sie diese Form nachbarschaftlicher Beziehungen als „egal“. Singles wünschen sich überproportional oft mehr Kontakt im Haus als Familien mit Kindern und in Ehe oder Lebensgemeinschaft lebende Personen. Befragten in Wohngemeinschaften war der nachbarschaftliche Kontakt überproportional oft gleichgültig, was wahrscheinlich mit der begrenzten Wohndauer im Stadtteil zusammenhängt. 61 Abbildung 38: Wünschen Sie sich mehr Kontakte zu Ihren Nachbarn oder sind Sie zufrieden damit, wie es ist? ist mir egal 5,6% wünsche mir mehr Kontakte 14,3% bin zufrieden 80,1% Die Lebensqualität und Zufriedenheit in einem Haus kann neben der Intensität sozialer Kontakte auch durch äußere Faktoren wie Sauberkeit beeinflusst werden. Gerade Streitigkeiten um die Sauberhaltung von Gemeinschaftsräumen wie Treppen oder Keller lassen manchmal ein großes nachbarschaftliches Konfliktpotenzial vermuten. 8.4 Sauberkeit im Haus Betrachtet man die Einschätzung der Sauberkeit im Haus als einen weiteren Aspekt der Zufriedenheit und Lebensqualität, so zeigt Abbildung 39 folgendes Bild: fast zwei Drittel aller Interviewten äußerten sich sehr zufrieden bzw. zufrieden mit der Haussauberkeit; etwas mehr als ein Drittel ist damit weniger oder gar nicht zufrieden. Abbildung 39: Wie zufrieden sind Sie mit der Sauberkeit im Haus? 44,3% 20,5% 19,6% 14,9% sehr zufrieden zufrieden weniger zufrieden gar nicht zufrieden 62 Betrachtet man diejenigen, die weniger oder gar nicht mit der Sauberkeit im Haus zufrieden sind, so zeigt Abbildung 40 die Gründe dafür. Vor allem die Unzufriedenheit über verschmutzte Wände bzw. insgesamt einen Mangel an Sauberkeit, die Vernachlässigung der Hausordnung durch die Nachbarn, die Notwendigkeit von Sanierung/ Renovierung des Flurbereichs sowie eine mangelnde Pflege durch externe Dienstleister wie Reinigungsfirmen oder Hausmeister wurden als Begründungen genannt. Abbildung 40: Falls weniger oder gar nicht zufrieden: Was stört Sie? (Mehrfachnennungen möglich; nach Anzahl der Nennungen, N=154) mangeldnde Pflege durch externe Dienstleister 11,0% Sanierung/ Renovierung Flurbereich notwendig 20,8% Hausordnung nicht gemacht 33,8% Mangel an Sauberkeit/ verschmutzte Wände 34,4% Diese Ergebnisse deuten auch Konfliktpotenziale unter Nachbarn an, die entweder selbst Verursacher von Verschmutzungen im Haus sein können, oder ihren Pflichten zur Sauberhaltung nicht nachkommen. 8.5 Konflikte unter Nachbarn Abbildung 41 zeigt die Ergebnisse auf die Frage `Gibt es im Haus manchmal Konflikte oder Probleme unter den Nachbarn?`. Fast die Hälfte aller Befragten verneint diese Frage. Ein Fünftel kümmert sich nicht darum und ein gutes Drittel berichtet über entsprechende Konflikte. Abbildung 41: Gibt es im Haus manchmal Konflikte oder Probleme unter Nachbarn? ist mir egal 19,4% ja 36,0% nein 44,6% 63 Wie auch Abbildung 42 zeigt, wurde als häufigster Grund für solche Konflikte unter Nachbarn eine Ruhestörung durch Lärm im Haus genannt. Darunter fielen folgende Einzelangaben: • • • • • • • • Ruhestörung durch Bohrlärm Lärm von Angetrunkenen/ Betrunkenen Besucher sind zu laut Lärm durch Jugendliche im Treppenhaus verursacht Zu laute Jugendliche allgemein Zu laute Musik Lautstarkes Streiten in der Wohnung darüber Häufiges Schreien vom Balkon. Abbildung 42: Welche Anlässe gibt es für Konflikte? (Mehrfachnennungen möglich; nach Anzahl der Nennungen, N=186) 50,5% Lärm im Haus 22,6% Hausordnung 12,9% unfreundliches Verhalten 9,1% Streit unter Nachbarn 4,8% Sonstiges Durch die zum Teil geringe Schallisolierung der Häuser wird die Übertragung von Lärm gefördert. Bauliche Maßnahmen könnten ganz entscheidend zur Minimierung dieses Konfliktpotenzials beitragen. Weitere Anlässe für Konflikte waren die Vernachlässigung der Hausordnung, unfreundliches Verhalten und Streit unter Nachbarn sowie einige andere Detailprobleme (z.B. Haustür nicht abgeschlossen, Ärger wegen Haustieren, Zerstörung des Eigentums anderer). Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse zu den Nachbarschaftsbeziehungen in Winzerla einige Unterschiede im Hinblick auf die Intensität der Kontakte und Kommunikationsformen. Grüßen, gelegentliche Unterhaltungen und kleinere Hilfeleistungen unter Nachbarn sind aber durchaus weit verbreitete Formen der Kontaktaufnahme und -pflege im sozialen Gefüge des Stadtteils. Keineswegs deuten unsere Befragungsergebnisse auf weitreichende Isolationstendenzen hin. Dementsprechend ist deutlich der Großteil der Interviewten mit seinen nachbarschaftlichen Kontakten zufrieden. Die Intensität sowie die subjektive Zufriedenheit sind dabei sehr stark von der Wohndauer in der Wohnung abhängig. In stabilen langjährigen Mietergemeinschaften können sich nachbarschaftliche Kontakte entwickeln und Konfliktpotenziale eher durch Gespräche entschärft werden. Eine zunehmende Fluktuation verhindert allerdings langfristig die Herausbildung solcher stabilen Gemeinschaften. Vor allem 64 allein lebende Befragten wünschen sich relativ häufig gern mehr Kontakte zu Nachbarn. Wie bereits in Kapitel 4 beschrieben, kann die Schaffung von attraktiven Aufenthaltsmöglichkeiten mit Bänken im direkten Nahbereich der Wohnhäuser Begegnungen auch außerhalb der Wohnungen fördern. Bau- und Sanierungsmaßnahmen können insgesamt ganz entscheidend zur Steigerung der Zufriedenheit der Bewohner beitragen. Dabei ist besonderes Augenmerk auf die Renovierung und Sauberhaltung der Flur- und Treppenbereiche und eine bessere Schallisolierung der Wohnungen zur Vermeidung von Konflikten durch Ruhestörung zu legen. Bei Gesprächen im Rahmen unserer Ausstellung im Stadtteilbüro Winzerla wurde mehrfach Verunsicherung wegen einer ungenügenden Informationspolitik der Wohnungsinhaber zu geplanten Bau- und Sanierungsvorhaben geäußert. Dabei stand angesichts des zunehmenden Alters der Mieter auch immer wieder die Frage des nachträglichen Einbaus eines Fahrstuhls im Vordergrund. Sollte es den Wohnungseigentümern in nächster Zeit nicht gelingen, diese Fragen der Mieter zufriedenstellend zu beantworten, werden neben den Familien auch ältere Bewohner den Stadtteil auf der Suche nach altersgerechterem Wohnraum verlassen. 65 9. Selbsthilfepotenziale im Wohngebiet Im vorangegangenen Kapitel ist bereits deutlich geworden, dass die gegenseitige Hilfe unter Nachbarn in Winzerla eine recht hohe Bedeutung hat. So zeigten die Ergebnisse unserer Befragung ein hohes Maß an Engagement für sich und andere im direkten Wohnumfeld. In den alten Bundesländern haben sich aus dieser Tradition oftmals Nachbarschaftsinitiativen und –häuser, Müttertreffs und Stadtteilläden gebildet. In den neuen Bundesländern steht diese Entwicklung erst am Anfang. Das Setzen von Impulsen und der Erfolg bei der Motivierung der Bewohner wird in den nächsten Jahren über Erfolg oder Misserfolg solcher Projekte auch in den ostdeutschen Plattenbauquartieren entscheiden. Dabei lassen sich nicht nur in den neuen Bundesländern und Thüringen generell, sondern auch in unserem Untersuchungsstadtteil Winzerla einige Potenziale feststellen22. Die Ergebnisse unserer Befragung verdeutlichen anhand von Abbildung 43 folgendes Potenzial eines bürgerschaftlichen Engagements: Mehr als jeder vierte Befragte unserer Stichprobe zeigte Interesse, sich mit anderen Bewohnern Winzerlas zusammen zu tun, um gemeinsam für Verbesserungen im Stadtteil einzutreten. Abbildung 43: Haben Sie Interesse, sich mit einigen anderen Bewohnern hier aus Winzerla zusammen zu tun, um gemeinsam etwas in Winzerla zu verbessern? ja 27,3% nein 72,7% Insgesamt verweisen die Ergebnisse unserer Befragung auf ein großes Potenzial an Bürgern, die sich für ihren Stadtteil engagieren möchten. Überproportional oft dazu bereit waren Befragte, die: o o o o o sich mehr nachbarschaftliche Kontakte wünschten, zum Zeitpunkt der Befragung arbeitslos waren, im so genannten Altneubaugebiet in Dorfnähe wohnten, ihre Kinder allein erziehen sowie Befragte, die sich bereits bei Nachbarschaftshilfen aktiv zeigten. 22 Lakemann/ Liebigt/ Beer 2001 66 Die Bereitschaft war hingegen geringer bei älteren Menschen über 65 Jahre und Befragten aus den Mietwohnungen mit direktem Bezug zum Landschaftsraum. Nicht immer mündet die Absicht zu einem Engagement auch in reales Verhalten. Es stellt sich auch für Winzerla somit die Frage, wie und womit sich das ganz beachtliche Potenzial auch wirklich aktivieren lässt. 9.1 Aktivierung des Selbsthilfepotenzials durch soziale Arbeit Wie schwierig es ist, Bewohner für ihren Stadtteil zu interessieren und an einen Tisch zu bringen, wurde bei der Veröffentlichung unserer Forschungsergebnisse im Stadtteilbüro Winzerla deutlich. Im Anschluss an eine 2-wöchige Ausstellung hatten wir sowohl die Winzerlaer Bevölkerung wie auch Experten zur Diskussion der Ergebnisse, möglicher Umsetzungsperspektiven und Anregungen eingeladen. Die Veranstaltung war im Vorfeld über die Stadtteilzeitung, die Tagespresse, eine umfangreiche Plakatierung im Stadtteil und Handzettel angekündigt worden. Alle diese Bemühungen und ein unserer Meinung nach interessantes Thema, lockten außer den Experten nur zwei Winzerlaer ins Stadtteilbüro. Vielen Bewohnern scheint nach wie vor eine Vorstellung davon zu fehlen, dass ihr Wohngebiet oftmals der Ort ist, an dem zum einen auch überregionale Probleme direkt sichtbar werden, an dem man aber zum anderen auch trotz aller struktureller Restriktionen eine Menge dagegen machen kann.23 Soziale Arbeit im Stadtteil hätte hier die Aufgabe, zwischen den unterschiedlichen Akteuren (z.B. Bürger; Stadtverwaltung) zu vermitteln und neue Formen der Integration zu ermöglichen. Wichtig dabei ist es, Spielräume für Planungen offen zu lassen, die Bewohner in eine Planung mit einzubeziehen und so das Interesse an einer aktiven Mitarbeit für eine lebensweltliche Gestaltung des Wohnumfelds langfristig zu wecken. Soziale Arbeit im Stadtteil hat vor diesem Hintergrund die Aufgabe, Kommunikation, gegenseitige Hilfe im Alltag, Konfliktreglungen, Mitbestimmung beim Ausbau des Stadtteils, soziokulturelle Aktivitäten, Aktionen zur Identifikation mit dem Stadtteil u.ä. zu initiieren und sie dann nach und nach in die Hände ehrenamtlicher Mitstreiter zu übergeben. Dabei muss sich Soziale Arbeit im Stadtteil immer der Gefahr bewusst sein, dass die Angebote möglicherweise nur konsumiert werden und nicht zur Aktivierung beitragen können.24 Erst wenn eigene, ganz individuelle Motive zum Engagement, verbunden mit einer hohen Stadtteilidentifikation in Engagement münden und dieses greifbare Erfolge nach sich zieht, ist die Basis für eine längerfristige Selbsthilfestruktur im Wohngebiet geschaffen. 9.2 Aktivierung auch älterer Menschen Die Ergebnisse unserer Befragung zeigen, dass sich auch ältere Menschen für ihren Stadtteil einsetzen wollen. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung mit einem ständig steigenden Anteil an älteren Menschen auch im Stadtteil Winzerla 25, einer steigenden Lebenserwartung sowie abnehmender Erwerbszeiten rückt gerade diese Gruppe verstärkt ins Blickfeld. Viele „neue Alten“ sind durchaus in der Lage, sich aktiv am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Für sie kann eine ehrenamtliche Tätigkeit in der Nacherwerbs- und Nachfamilienphase folgende vielfältige Möglichkeit bieten: 23 Gessenharter 1996 24 Maier/ Sommerfeld 2001 25 vgl. Kapitel 3 67 o o o o Beteiligung an der weiteren aktiven Gestaltung des Stadtteils, Möglichkeit für Austausch und Treffen, Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, sinngebende Tätigkeit und Anerkennung Solche und ähnliche Aktivitäten würden ganz entscheidend dazu beitragen, eine Vereinsamung älterer Menschen zu vermeiden. Bereits existierende Programme auf Bundes- oder Landesebene wie „55 Plus“ oder das „Seniorenbüro“ arbeiten erfolgreich mit dieser Zielgruppe. Ein stadtteilgebundenes Engagement hätte zusätzlich noch den Vorteil, dass verstärkt altersgemischte Projekte initiiert werden können, die Vorurteile und Ängste zwischen den Generationen abzubauen helfen. „Man könnte ja mal auch so Projekte jung und alt initiieren. Gerade solche Jugendlichen, die Erfahrung habe ich gemacht, wenn da irgendwelche Aufgaben dahinter stehen, da kann man die schon kriegen. Die sind gar nicht so... pöbelnd. Die werden ja meistens in so eine Ecke gedrängt. Und dann kommt jemand vorbei und beschimpft die noch mal und dann - ich meine, es müsste ein gegenseitiges Aufeinander - Zugehen sein. Denn wenn die dann wieder Verantwortung kriegen, für irgendwas da sind, benehmen die sich auch ganz anders. Also ich habe z.B. solche Leute mal - gerade wenn ich so Messen gemacht habe für ältere Bürger, die habe ich einfach mal so angesprochen und die haben mit mir solche Sachen aufgebaut. Hab´ ein kleines Honorar zahlen können. Bin gut mit denen ausgekommen.“ (EPG1) Insgesamt sind einige Selbsthilfepotenziale in Winzerla deutlich geworden. Diese gilt es zukünftig in der angedeuteten Richtung zu pflegen, auszubauen und in reales Verhalten zu überführen. Stets werden solche Potenziale von regionalen und überregionalen sozio-ökonomische Rahmenbedingungen beeinflusst. Günstige Bedingungen in ökonomischer, sozialer, zeitlicher und regionaler Hinsicht fördern die Motivation und die Bereitschaft zu entsprechendem Handeln. Dabei ist immer auch die flankierende Unterstützung durch politische Gremien wichtig. 68 10. Politik und Ortschaftsrat Die subjektive Lebensqualität eines Wohngebiets drückt sich auch aus in der Einschätzung der Bewohner zur Politik im Stadtteil. Zunächst wollten wir dazu wissen, ob die Befragten meinen, „...dass sich die Leute im Rathaus um Winzerla kümmern“. Wie Abbildung 44 zeigt, konnte der größte Teil der Interviewten (41,1%) konnte auf diese Frage keine Antwort geben. Ein knappes Drittel (32,7%) ist der Ansicht, dass sich die Leute im Rathaus um den Stadtteil kümmern und etwas mehr als ein Viertel (26,2%) ist nicht dieser Meinung. Abbildung 44: Glauben Sie, dass sich die Leute aus dem Rathaus um Winzerla kümmern? 41,1 45 40 32,7 35 26,2 30 25 20 15 10 5 0 ja nein weiß nicht Diese Ergebnisse lassen die Schlussfolgerung zu, dass die kommunale Politik für viele Bewohner Winzerlas relativ weit entfernt ist, so dass sie sich deren Einschätzung nicht zutrauen. Wahrscheinlich wird von vielen auch der unmittelbare Zusammenhang zum eigenen Stadtteil gar nicht gesehen. Dies müsste anders sein, wenn man den Ortschaftsrat betrachtet. Wie Abbildung 45 zeigt, kann auch der größte Teil der Befragten die Politik direkt vor Ort nicht einschätzen. Knapp die Hälfte (48%) weiß nicht, ob durch die Arbeit des Ortschaftsrates Veränderungen im Stadtteil zu erwarten sind. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Ortschaftsrat zum Zeitpunkt unserer Befragung erst kurze Zeit aktiv war. Grundsätzlich sind die Bewohner aber gegenüber der Arbeit des Ortschaftsrates optimistisch eingestellt. Mehr als zwei Fünftel erwarten dadurch Veränderungen für Winzerla; nur 10% verneinen diese Frage. 69 Abbildung 45: Seit einem Jahr gibt es in Winzerla einen Ortschaftsrat. Wird sich dadurch für Winzerla etwas verändern? nein 10% weiß nicht 48% ja 42% Wie Abbildung 46 zeigt, beziehen sich die meisten Befragten, die vom Ortschaftsrat Veränderungen erwarten, auf dessen Mitwirkung bei der Gestaltung der Wasserachse und des Fußgängerbereichs zwischen Win-Center und Rewe. Häufig genannt wurde auch eine allgemeine Interessenvertretung; mehr Angebote für Jugendliche; die Gestaltung der Grünanlagen bzw. die Verbesserung der Parkplatzsituation. Damit werden einerseits die bisherigen positiven Mitwirkungsaspekte des Ortschaftsrates hervorgehoben und zum anderen die auch in unserer Befragung deutlich gewordenen dringlichen Problemlagen wie Jugendfreizeit und Parkplatzsituation zur Lösung an den Ortschaftsrat verwiesen. Abbildung 46: Wird sich durch den Ortschaftsrat etwas verändern; wenn ja, was? (Mehrfachnennungen möglich; in % nach Anzahl der Nennungen; N= 146) Angebote für Senioren 1% mehr Sicherheit 1% mehr kulturelle Veranstaltungen 6% allgemeine Gestaltung 8% Verbesserung der Parkplatzsituation 10% Grünanlagengestaltung 16% Angebote für Jugendliche 16% allg. Interessenvertretung 21% bereits gezeigt bei Marktgestaltung/ Wasserachse 0% 21% 5% 10% 15% 20% 25% 70 11. Kriminalitätsfurcht im Wohngebiet Im Zusammenhang mit den Lebensbedingungen in hoch verdichteten Neubausiedlungen wird auch immer wieder über das Ausmaß an Kriminalität diskutiert. Vor allem die baulichen und sozialen Strukturen der Stadtteile werden dabei als förderlich für die Entstehung krimineller Handlungen angesehen. Uns interessiert an dieser Stelle vor allem die subjektive stadtteilbezogene Kriminalitätswahrnehmung der Bewohner Winzerlas. Wie Abbildung 47 zeigt, ist der größte Teil der Befragten keineswegs der Auffassung, dass die Kriminalität in Winzerla überdurchschnittlich verbreitet ist. Mehr als ein Drittel aller Befragten meint, die Kriminalität sei in Winzerla genauso hoch wie im Rest der Stadt. Fast 20% betrachtet sie sogar als niedriger. Nur 14,4% sind der Meinung, dass kriminelle Handlungen in Winzerla deutlich häufiger bzw. häufiger vorkämen als in anderen Stadtteilen Jenas. Abbildung 47: Einschätzung der Kriminalität Winzerlas im Vergleich zum Rest der Stadt deutlich höher 2,4% höher 12,2% weiß nicht 31,5% genauso hoch 34,2% niedriger 19,6% Wie sicher fühlen sich die Bewohner vor diesem Hintergrund tagsüber und nachts in ihrem Stadtteil? Abbildung 48 zeigt dazu signifikante tageszeitabhängige Unterschiede. Tagsüber fühlen sich mehr als neun Zehntel aller Interviewten im Stadtteil sicher. Nur 1,5% fühlen sich unsicher und 7,1% teilweise sicher. Ganz anders während der Nachtstunden: hier äußerten insgesamt 45,2% aller Befragten ein Gefühl von teilweiser oder völliger Unsicherheit.26 Etwas mehr als die Hälfte aller Befragten sieht auch in der Nacht keinen Grund für ein unsicheres Gefühl im Stadtteil. 26 teilweise: 29%; völlig unsicher: 16,2% 71 Abbildung 48: Vergleich des subjektiven Sicherheitsgefühls im Stadtteil tagsüber und nachts Fühlen Sie sich in Winzerla sicher? a) tagsüber b) nachts tagsüber nachts 100% 80% 60% 40% 20% 0% ja nein teilweise Unsicherheitsgefühle sind ein wichtiger Faktor zur Messung von Kriminalitätsfurcht. Empirische Untersuchungen zeigen, dass diese vielfach höher ist als die amtlich registrierte und durch Dunkelfeldanalysen ergänzte Kriminalitätswirklichkeit.27 Die Mehrheit der Bevölkerung erfährt Kriminalität nicht als Opfer, sondern durch Aussagen und Informationen Dritter. Dabei spielt auch ein durch Massenmedien vermitteltes Kriminalitätsbild aufgrund einer medialen Überrepräsentation von Gewaltverbrechen eine entscheidende Rolle. Dieses verzerrte Bild von Kriminalität hat einen direkten Einfluss auf die subjektive Furcht, selbst Opfer von kriminellen Handlungen zu werden. In der Konsequenz von Kriminalitätsfurcht ergibt sich ein Vermeidungsverhalten, das in einem bestimmten Umfang das Risiko, selbst Opfer einer Straftat zu werden, verringert. Gleichzeitig führt es aber auch zu einer Einschränkung der persönlichen Freiheit und kann als soziale Störung empfunden werden. So wurde zum Beispiel von mehreren besonders älteren weiblichen Befragten unserer Stichprobe geäußert, dass sie aus Angst vor Kriminalität nach Einbruch der Dunkelheit ihre Wohnungen nicht mehr verlassen. Wahrscheinlich ist außerdem eine Vermeidung von Kontakten auf der Straße oder an der Haustür, die eine grundsätzliche Störung informeller sozialer Kommunikation nach sich zieht. Eine sehr hohe Kriminalitätsfurcht kann außerdem sowohl im privaten Bereich durch Einbau von Sicherungsgeräten wie im öffentlichen Rahmen durch Forderung nach verstärkten Präventionsmaßnahmen hohe Kosten nach sich ziehen.28 11.1 Unsicherheitsgefühl nach Geschlecht, Alter und Region Obwohl sie seltener Opfer von kriminellen Handlungen werden, ist die Angst vor Kriminalität bei Frauen und älteren Menschen deutlich höher als bei Männern und jüngeren. Auch die Ergebnisse unserer Befragung bestätigen dies. 27 vgl. Kräupl / Ludwig 1993 und Nachfolgeuntersuchungen 28 vgl. Kaiser 1996 72 Wie Abbildung 49 zeigt, fühlt sich mehr als die Hälfte der weiblichen Befragten im nächtlichen Stadtteil nur teilweise oder gar nicht sicher. Dies gilt nur für etwa ein Drittel der Männer. Abbildung 49: Subjektives Sicherheitsgefühl in Winzerla bei Nacht: Männer und Frauen 31,7% unsicher 24,6% 20,3% teilweise sicher 9,5% 48,0% sicher 65,9% 0% 10% 20% 30% 40% männlich 50% 60% 70% weiblich Weiterhin verdeutlicht Abbildung 50 auch für unsere Untersuchung die typische größere Unsicherheit älterer Befragter. Eine deutliche Abweichung zu anderen Studien zeigt sich aber bei den Jüngeren unter 27 Jahren. Etwas mehr als ein Drittel dieser Altersgruppe gab ein starkes Unsicherheitsgefühl im Stadtteil an. Das sind mehr als bei den über 60-jährigen. Abbildung 50: Subjektives Sicherheitsgefühl in Winzerla bei Nacht nach Alter Sicherheitsgefühl nachts nach Alter 70% 60% 61,0% 60,4% 50% 50,0% 49,5% 40% 36,4% 30% 27,4% 20% 28,0% 26,4% 22,6% 14,1% 10% 11,0% 13,2% 0% sicher 12 bis unter 27 Jahren teilweise sicher 27 bis unter 45 Jahren 45 bis unter 60 Jahren unsicher 60 Jahre und älter Diese Angst unter jüngeren Bewohnern war auch ein Ergebnis einer „Planing for real“- Methode zur Erarbeitung des Jugendhilfeplanes der Stadt Jena in Winzerla. Dabei wurde eine „sehr deutlich ... wachsende Angst vor Gewalt und Rechtsradikalismus im Planungsraum hervorgebracht. Diese Tendenzen wurden auch bei den Befragungen von Kindern und Jugendlichen im Planungsraum durch Student/innen der 73 Friedrich-Schiller-Universität ... deutlich.“29 „Bereits im vergangenen Jahr (2001) haben Erhebungen in Winzerla gezeigt, dass die befragten Kinder und Jugendlichen Angst vor Gewalt auf Straßen und Plätzen äußern, sich abends nicht gern auf die Straße trauen und meinen, dass es in Winzerla zu viel Gewalt gibt. In Beobachtungen vor Ort ... wurde deutlich, dass es im Stadtteil viele Jugendgruppen gibt, die durch Aussehen und Auftreten dominant wirken. Besonders häufig ist in dieser Gruppe Alkoholkonsum bzw. –missbrauch anzutreffen.30 Diese Aussage von überdurchschnittlich vielen dominanten Jugendgruppen im Stadtteil bestätigten die befragten Experten allerdings nicht. Im Gegenteil betonten sie sehr deutlich, dass es sich nur um wenige Gruppen handelt, die durch ihr Auftreten und ihre Treffpunkte im öffentlichen Raum aber von der Bevölkerung des Stadtteils sehr stark wahrgenommen werden. „An den fünf Plätzen, die es hier in Winzerla gibt, die günstig liegen, wo also viele Leute vorbeikommen, wo man viele sieht und also auch schnell gesehen wird, da halten sich durchaus an den Nachmittagsstunden Jugendliche auf. Meist mit `ner Kiste Bier. Und die prägen natürlich dieses Bild von Winzerla. Das heißt also, an den Eingangspforten von Winzerla stehen dann diese Jugendlichen....und dadurch kommt also keiner an den Jugendlichen vorbei; ri gendwie. Und deswegen ist das nachvollziehbar, dass die sagen, wir haben Angst vor diesen Bier trinkenden Massen von Jugendlichen.“ EPG 17) Betrachtet man dieses Ergebnis und das bereits in Abschnitt 7.3 festgestellte geringe Ausmaß an Störungen durch Kinder und Jugendliche im Stadtteil kann davon ausgegangen werden, dass die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen von den Bewohnern Winzerlas als „normal“ erlebt wird. Einzelne Gruppen von auffälligen Jugendlichen im öffentlichen Raum lösen dennoch Ängste bei Bewohnern aus (vgl. dazu näher Abschnitt 11.3). Nicht nur mit Blick auf Geschlecht und Alter, sondern auch in en verschiedenen von uns eingeteilten Zonen des Stadtteils zeigen die Ergebnisse unserer Befragung anhand von Abbildung 51 signifikante Unterschiede des nächtlichen Sicherheitsgefühls. Am sichersten fühlen sich die Befragten im Altneubaugebiet, am nördlichen Randquartier und in den Wohnungen an der Siemsenstraße. Hier sind es jeweils ungefähr zwei Drittel aller Interviewten, die auch nachts keine Angst im Stadtteil haben. Am wenigsten sicher fühlen sich die Bewohner des städtebaulich monotonsten Gebietes. Hier war es nur etwas mehr als jeder Fünfte, der ein subjektives Sicherheitsgefühl äußerte. Auffällig ist außerdem, dass mehr als zwei Fünftel aller Befragten in der Zone mit direktem Bezug zum Landschaftsraum angaben, sich „nicht sicher“ zu fühlen. 29 Jugendamt der Stadt Jena; Jena 2002:89 30 Morgenstern 2001 74 Abbildung 51: Subjektives Sicherheitsgefühl in Winzerla bei Nacht nach Zonen 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% sicher teilweise sicher nicht sicher Altneubaugebiet 68,2% 9,1% 22,7% direkter Bezug zum Landschaftsraum 39,3% 17,9% 42,9% Privatisierungsobjekte der SWVG 36,0% 32,0% 32,0% nördliches Randquartier 66,7% 37,0% 29,6% Quartiere an der Siemsenstr. 60,2% 13,6% 26,1% Wohngebiet an der Wasserachse 51,9% 18,5% 29,6% städtebaulich monotonstes Gebiet 22,3% 21,0% 25,8% Neben diesen Zonen gibt es in Winzerla auch konkrete Bereiche, die für die Bewohner vor allem nachts mit einem erhöhten Unsicherheitsgefühl verbunden sind. Sowohl im Rahmen der Ausstellung unserer Forschungsergebnisse wie auch als Ergebnis der Ideenwerkstatt „Wasserachse“ wird die Fußgängerunterführung an der Rudolstädter Straße als ein solcher Bereich beschrieben. Dieser Tunnel ist schwer einsehbar, verschmutzt und schlecht beleuchtet. Beobachtet werden konnte, dass die meisten Bewohner den Tunnel nicht wie vorgesehen als Unterführung zur Straßen- bzw. Bushaltestelle nutzen, sondern direkt über 75 die Gleise gehen. Da das Gleisbett aber tiefer als der eigentliche Fußweg ist, ist es einmal abgesehen von den grundsätzlichen damit verbundenen Gefahren besonders für ältere Menschen oder Eltern mit Kinderwagen nicht zu benutzen. Sie sind auf den Tunnel angewiesen. Dieser würde seinen beängstigenden Charakter nur durch entsprechende Umgestaltungsmaßnahmen, wie z.B. Renovierung, ausreichende Beleuchtung und den Einbau von Videokameras verlieren. Als ein weiterer, Unsicherheitsgefühle verursachender Bereich wurde von den Bewohnern das Areal um den Flößerbrunnen bzw. Markt genannt. Der leere Platz, besonders gern von Jugendlichen als Treffpunkt genutzt, ist der Verbindungsweg von den Bus- und Bahnhaltestellen in das Wohngebiet. Angeregt wurde ein „Alternativweg“ als Umgehung dieses Platzes mit genügend Beleuchtung durch die Wohnhäuser. In diesem Zusammenhang scheint ein Projekt der Stadt Ludwigshafen im Rahmen des Bund- Länder- Programms „Soziale Stadt“ zur Erstellung eines Sicherheitskonzepts im Stadtteil Erfolg versprechend. Das Ergebnis ist eine Lokalisierung von Angsträumen durch Bewohnergruppen und einen Sicherheitsexperten im Stadtteil sowie eine daraus abgeleitete Vorschlagsliste mit Lösungsansätzen. 31 11.2 Gründe für Angst Doch wovor fürchten sich die Winzerlaer eigentlich? Abbildung 52 zeigt als meistgenannte Gründe für ein Unsicherheitsgefühl im Wohngebiet die Angst vor Überfällen und vor Gruppen von Jugendlichen, wobei insbesondere Gruppen „rechter“ und angetrunkener Jugendlicher hervorzuheben sind. Weiter wurde ein allgemeines Unsicherheitsgefühl auch vor Gewalt genannt. Seltener sind z.B. die Angst vor Diebstählen und Einbrüchen, „älteren“ angetrunkenen Leuten oder sexuellen Belästigungen sowie vor Raub und Sachbeschädigung. Abbildung 52: Gründe für subjektives Unsicherheitsgefühl im Stadtteil Wovor haben Sie Angst? Nach Anzahl der Nennungen/ Mehrfachantworten waren möglich (N=187) vor Überfällen 25,1% allgemeines Unsicherheitsgefühl (auch Gewalt) 19,8% vor Jugendlichen (undefinierte Gruppen) 16,6% vor "Rechten" 14,5% vor angetrunkenen Jugendlichen 7,5% vor Diebstahl 4,3% vor älteren angetrunkenen Leuten 4,3% vor Einbrüchen vor sexuellen Belästigungen/ Übergriffen vor Hunden/ Kampfhunden 3,2% 2,1% 1,6% vor Raub 0,5% vor Sachbeschädigung 0,5% 31 www.sozialestadt.de/praxis Ludwigshafen Westend. Städtebauliche Sicherheitskonzeption 76 Ein Teil der Ängste ist konkret, wenn es z.B. um Überfälle und andere Formen der Gewalt geht. Ein anderer Teil ist eher undifferenziert, wie z.B. ein allgemeines Unsicherheitsgefühl und ein dritter Teil ist auf Jugendgruppen ausgerichtet. Dabei ist es sehr wahrscheinlich, dass nicht strafrechtlich bedeutsames Verhalten der Jugendlichen, sondern eher deren abweichende Nutzung des öffentlichen Raumes das Angstgefühl verursacht. Öffentlicher Raum wird in der Regel zum Durchqueren genutzt. Umso skeptischer betrachtet man dann meist männliche Jugendliche, die sich ohne ersichtlichen Grund oft noch mit alkoholischen Getränken in der Öffentlichkeit aufhalten.32 Dieses Unverständnis und damit einhergehendes erwartetes Verhalten wie Anpöbeln, Rempeln oder starke Verunreinigung wurden auch in einem Experteninterview thematisiert. „...Woche für Woche, Monat für Monat stehen diese Jugendlichen bei Winter und Wetter und Sonne und Regen stundenlang. Also es ist mir... unbegreiflich, wie man immer und immer wieder stundenlang da auf der Straße stehen kann; andere anpöbelt und mal ein bisschen rumrempelt. Die (Pärchen) und was da läuft. Das ist etwas, was ich absolut nicht nachvollziehen kann. Meine Jugend ist eben anders verlaufen.... und wo Jugendliche sind, da ist `ne Müllhalde und wenn es ihnen zu viel wird, dann suchen sie sich was anderes.“ (EPG 9) Besonders ältere Bewohner fühlen sich durch diese Umnutzung des öffentlichen Raums an den Rand gedrängt, in ihrer Mobilität stark eingeschränkt oder müssen nach Umwegen suchen, um eine befürchtete Konfrontationen auf solchen Plätzen zu vermeiden. „.... und alte Leute haben dann einfach Angst. Sie sind dem dann einfach nicht gewachsen. Das ist klar. Sie sind als älterer Mensch dann nicht mehr so beweglich und haben einfach Angst, wenn sie dort vorbeigehen, dass die ihnen ein Bein stellen und sie fliegen drüber.“ Der Aufenthalt von Jugendlichen auf öffentlichen Plätzen muss auch als Reaktion auf die festgestellten Mängel im Freizeitangebot Winzerlas gewertet werden. „für die Jugend müsste mehr gemacht werden. Wo man sagen kann: die Jugend weg von der Straße....“ (EPG 10) Obwohl aus der Sicht der Befragten keine grundsätzliche Störung von Jugendlichen im Stadtteil ausgeht, lenken die Ergebnisse zum Ausmaß und den Gründen für Unsicherheitsgefühle und Kriminalitätsfurcht häufiger den Blick auf bestimmte Jugendgruppen, die abschließend näher betrachtet werden sollen. 11.3 Dominante Jugendgruppen im Stadtteil Die Ergebnisse unserer Bewohnerbefragung, die Untersuchungen zum Jugendhilfeplan und viele von uns durchgeführte Experteninterviews verweisen auf die Problematik einer Anzahl auffälliger Jugendlicher mit scheinbar „rechter“ Orientierung. „Also wir haben zweifellos rechtsorientierte Jugendliche in Winzerla. Wir haben auch rechte Strukturen...Es gibt also durchaus den organisierten Teil der Jugendlichen, die auch politisch aktiv sind.“ (EPG 11) 32 ISIP 2002 77 Während Winzerlaer Jugendliche grundsätzlich nicht überdurchschnittlich rechts orientiert sind, gibt es Gruppierungen, die durch ihr dominantes Auftreten und ihre auch über Medien immer wieder verbreiteten Forderungen nach einem eigenen „rechten“ Jugendzentrum auffallen. „Also ich denke erstens gibt es eine große Gruppe, die nirgendwo auffällt, weil sie nicht da sind. Das heißt, das sind die, die in einem verhältnismäßig abgesicherten Elternhaus leben und die in ihrer Freizeit wissen was sie machen. Sei es, dass sie sich in der Schule zusätzlich engagieren, sei es, dass sie „daheeme“ am Rechner sitzen, sei es, dass sie die Zeit bei den Eltern auf der Datsche verbringen, oder wie auch immer- oder einen Freundeskreis haben, der sich in der Wohnung trifft. Die also für`s Wohngebiet eigentlich nicht auffallen, eigentlich nicht relevant sind....Du hast dann allerdings auch Gruppen, die aber Gott sei Dank immer noch zur Minderheit gehören, die das meiste Aufsehen erregen. Die einfach von ihrer Art und Weise her auffallen. Sei es durch das Aussehen; sei es durch die Sprache oder durch Aktionen, wo sie mit kriminellen Geschichten auf sich aufmerksam machen. Das geht also los bei dem Klauen der täglichen Schnapsration in der Kaufhalle; beim Erpressen von irgendwelchen Vorbeikommenden, wenn man mal `ne Mark abzocken will; durch das Verprügeln von anders aussehenden Leuten.... Ja, das Problem ist, dass sie von sich auch noch sagen, wir sind rechts, auch wenn sie das nicht sind. Jedenfalls nicht in dem Alter von zwölf, dreizehn, vierzehn.“ (EPG 5) Das Augenmerk der Experten für Kinder- und Jugendarbeit ist vor diesem Hintergrund auch auf die Anziehungskraft gerichtet, die solche Gruppen für manche Kinder und Jugendliche, ausüben. „Und die sind da schon irgendwo in ihrer Clique und tendieren wirklich mehr zu diesen Randgruppen. Also auch so Gestalten, wo ich sage, da könnte es einem schon Angst werden: die schwarzen Ledermäntel... also sind Rechte. Und da sind sie auch sehr empfänglich dafür. Also die finden in den Strukturen natürlich auch was, was sie bei uns auf einer anderen Ebene kriegen, und wo wir dann auch mit ihnen im Gespräch sind und das irgendwo aufweichen wollen, aber im ganz normalen Freizeitverhalten sind das natürlich dann auch die Leute, die für sie sagen, wo es lang geht und was wir jetzt machen. Und die Tendenzen sind, wo ich sage, die sind schon gefährlich. ... sie kommen aus Familien, wo sie die Stärke nicht kriegen; das kann man fast durch die Bank weg sagen, also so Selbstbewusstsein, wirklich zu sagen: Mensch, wir sind was und wir ziehen das jetzt hier durch und du kannst was und du schaffst das- sondern es kommen mehr aus den Familien, wo es über Jahre hinweg egal ist und es ist dann erst ein Einsehen da, wenn es schon fast zu spät ist.“ (EPG 4) Soziale Arbeit im Stadtteil soll gerade diesen Kindern und Jugendlichen andere Wege und Problemlösungsstrategien bieten, als sich den rechten Gruppierungen anzu78 schließen. Wenn sie erst in feste Cliquen- oder rechte Parteistrukturen eingebunden sind, wird man diese Jugendlichen kaum noch erreichen. „Das ändert sich meistens dann, wenn sie fest in eine Gruppe ´rein gekommen sind, die an einer rechten Struktur angebunden ist. Ich erlebe hier öfters Jugendliche, die die große Klappe haben: wir sind rechts! Wenn du da nachfragst, kommt eigentlich nichts mehr. Erst wenn die Leute kennen lernen, die seit Jahren schon in irgendwelchen Strukturen hängen und diese ausbauen und natürlich das Ziel haben, jüngere zu rekrutieren. Das ist für mich der Heimatschutz, die NPD und das gesamte Umfeld da herum.“ (EPG 7) Versuche, solche älteren Jugendlichen in Einrichtungen wie Jugendclubs oder ähnliches zu integrieren, wurden von den Experten als gescheitert beschrieben. „Der, der da so ein bisschen den Hut aufhat, mit dem habe ich auch schon zusammen gesessen und hab gesagt: ihr braucht `nen Plan. Wenn ihr `nen Plan habt, dann habt ihr auch `ne Chance auf `nen Raum. Einen Raum zum Saufen kriegt ihr nicht. Ihr müsst irgendwas machen, was auch noch anderen die Möglichkeit gibt, dran teilzunehmen. Ansonsten gibt’s den Hugo, da gibt`s was weiß ich für Clubs, wo ihr hingehen könnt. Bloß da haben sie überall Hausverbot. Dann haben sie Hausverbot an der Shell, dann haben sie Hausverbot im Columbus- die haben überall schon Hausverbot.“ (EPG 21) Bevölkerungsstrukturelle Veränderungen im Stadtteil wie die Konzentration von so genannten „Problemfamilien“ bzw. sozialen Randgruppen durch Belegungsbindung verschärfen die Problematik zusätzlich. Dabei wurde in den Experteninterviews besonders der Anstieg von Alkoholkonsum in der Winzerlaer Bevölkerung genannt. „Gerade Alkohol ist ein ganz großes Problem, ... was wir auch selber mitbekommen. Gerade von den Patienten oder Nachbarn. Damit verbunden die Aggressivität die entsteht, Geruchsbelästigung, Lärmbelästigung. Ist natürlich auch kein schönes Bild. Ältere Menschen, gerade hier aus unserem Hause, die haben dann Angst, wenn`s dunkel wird, auf die Straße zu gehen, was auch schon bei jungen Leuten... anfängt.“ (EPG 2) Die Anziehungskraft von Alkohol als Einstieg in die Erwachsenenwelt wird durch die Vorbildwirkung im Elternhaus noch verstärkt. „Na mein Alter säuft auch zu Hause, wenn er nachhause kommt von der Arbeit. Warum soll ich das nicht auch machen?“ (EPG 11) Verstärkend hinzu kommen die schlechten Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, die gerade für Jugendliche mit relativ niedrigen Schulabschlüssen oftmals Resignation nach sich ziehen. „Und natürlich damit einhergehend die Resignation. Dass sie also, die Erfahrungen, die sie bei ihren Eltern gemacht haben, wegen Arbeitslosigkeit und... dass - dass sich solche Sachen dann auf den Jugendlichen ... auch umlegen. Das ist klar, wenn ich keine Ausbildung habe, keinen ordentlichen Schulabschluss - mich da mehr oder weniger durchgequält habe, ist es natürlich dann schwer, eine entsprechende Lehrausbildung anzufangen. Aber selbst die, die einen einigermaßen vernünftigen Schulabschluss haben, bekommen zum einen nicht den Job, den sie gern hätten, das ist also ´ne Illusion - oder ´ne Seifenblase die relativ schnell platzt bei achtzig oder neunzig Prozent der Leute, und teilweise auch keine Ausbildung bekommen. Wo dann auch irgendwann die Motivation nachlässt, wenn man zwanzig, dreißig, vierzig Bewerbungen losgeschickt hat und es hat sich nichts getan, dann fragen sich teilweise schon die Jugendlichen, ob das überhaupt noch einen Sinn hat, also ob ich dann noch eine einundvierzigste Bewerbung losschicken muss ... in der Hoffnung, dass es dann noch klappt.“ (EPG11) Eine Besserung der Situation wird also auch und gerade von ausreichenden Angeboten an Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Jugendliche abhängig sein. Dabei sollten Möglichkeiten der Beschäftigung im direkten Wohnumfeld, also im Stadtteil, besonders zu prüfen sein. 79 Insgesamt zeigen die Ergebnisse zur Kriminalitätsfurcht in Winzerla ein deutliches Bild. Frauen und ältere Menschen haben relativ häufig Angst, aber überraschenderweise auch Jugendliche. Die Winzerlaer besitzen ein differenziertes Bild von den Gefahrenquellen. Sie liegen in bestimmten Zonen und kleinräumigen Bereichen des Wohngebietes und betreffen bestimmte Jugendcliquen. Keineswegs werden Jugendliche im Stadtteil generell als problematisch betrachtet. Sehr wahrscheinlich wird aber ein weiterer Trend zu sozialstrukturellen und sozio-ökonomischen Problemen auch die Kriminalitätsfurcht erhöhen und mit einer weiteren Abwanderung aus Winzerla verbunden sein. Diesem Thema wenden wir uns im folgenden, letzten Kapitel unserer Untersuchung zu. 12. Identifikation mit Winzerla Abschließend geht es um die Frage, wie stark sich die Bewohner mit Winzerla identifizieren. Zunächst wollten wir dazu aus der Sicht der Befragten wissen, wie Jenaer aus anderen Stadtteilen Winzerla beurteilen. Abbildung 53 zeigt dabei folgendes: Die meisten Interviewten (43%) schätzen, dass Winzerla von Bewohnern anderer Stadtgebiete weder attraktiv noch unattraktiv beurteilt wird. Für eine positive Beurteilung des Stadtteils durch Andere entschied sich ein knappes Fünftel; insgesamt mehr als ein Viertel glaubt demgegenüber, dass das Wohngebiet negativ von anderen eingeschätzt wird. Abbildung 53: Was glauben Sie, wie Einwohner anderer Stadtgebiete Winzerla finden? 43,0 45,0 40,0 35,0 30,0 25,0 22,0 20,0 17,2 15,0 11,3 10,0 4,7 5,0 1,8 0,0 sehr attraktiv attraktiv weder noch unattraktiv sehr unattraktiv weiß nicht Mehr als vier Fünftel unserer Befragten kennen Bewohner anderer Stadtteile, die Winzerla gelegentlich aufsuchen. Wenn solche Besuche stattfinden, so sind sie allerdings selten auf die Angebote des Stadtteils ausgerichtet, sondern dienen in erster Linie dazu, Freunde und Angehörige in Winzerla zu besuchen. Wie Abbildung 54 zeigt, ist dies mit Abstand der dominierende Grund. Deutlich weniger Befragte kennen andere, die zum Einkaufen nach Winzerla kommen (18,8%); noch viel weniger 80 kommen zum Besuch von Gaststätten und Restaurants oder zu kulturellen Angeboten. Abbildung 54: Gründe für Besuche Winzerlas durch Bewohner anderer Stadtteile (nach Anzahl der Nennungen in %; N=389) Kulturelle Angebote nutzen Sonstiges Essen gehen Einkaufen Freunde/ Angehörige 1,0% 8,2% 7,5% 18,8% 64,5% Aus der Perspektive der von uns befragten Winzerlaer wird das Wohngebiet von außen insgesamt also eher neutral bewertet. Es übt mit wenigen Ausnahmen vor allem hinsichtlich der Freizeitaktivitäten keine besondere Anziehungskraft aus; viele werden es nur dann aufsuchen, wenn sie dort Freunde und Angehörige besuchen möchten. Aber wie sehen die Bewohner Winzerlas selbst ihren Stadtteil in der Gesamtperspektive? Hat er für ihre Zukunft eine Bedeutung oder wollen sie lieber woanders wohnen? Um eine Identifikation mit dem Stadtteil zu messen, wurden den Befragten fünf alternative Meinungen zu einem möglichen Umzugswunsch vorgelegt. Abbildung 55 zeigt dazu die folgenden Ergebnisse: Deutlich mehr als die Hälfte aller Befragten (58,5%) will in Winzerla wohnen bleiben; 18,1% ist es egal, ob sie hier oder in einem anderen Stadtteil wohnen und nur knapp ein Viertel (23,2%) will wegziehen. 81 Abbildung 55: Welche der folgenden Aussagen über Winzerla trifft auf Sie zu? Ich möchte lieber in einem anderen Stadtteil wohnen 16,6% ich will so schnell wie möglich weg von hier 6,8% ich möchte immer in Winzerla bleiben 23,2% es ist egal, ob ich hier oder in einem anderen Stadtteil wohne 18,1% Ich ginge eigentlich ungern aus Winzerla weg 35,3% Vergleicht man diese Ergebnisse mit den Studien über die beiden anderen Jenaer Neubaugebiete Lobeda West (1995) und Lobeda Ost (1996)33 so deutet sich eine höhere Attraktivitätseinschätzung des Stadtteils Winzerla durch seine Bewohner an. Nur etwa halb so viele Befragte Winzerlas äußern einen Umzugswunsch. Die Alternative „Ich will so schnell wie möglich weg von hier“ wurde in Winzerla sogar nur von 6,8% der Befragten gewählt, in Lobeda Ost waren es 15% und in Lobeda West sogar 20%. Gerade bei den älteren Menschen ist die Bindung an das Wohngebiet stärker ausgeprägt als bei den jüngeren. Mehr als die Hälfte der über 65jährigen möchte `immer in Winzerla wohnen bleiben`; bei allen jüngeren Altersgruppierungen sind es maximal ein Viertel, bei den 18- 25jährigen nur Einer und bei den 25- 27jährigen niemand. `So schnell wie möglich weg von hier` wollen vor allem junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren. Darüber hinaus zeigt sich, dass Befragte in Ehe bzw. Lebensgemeinschaft ohne im Haushalt lebende Kinder überproportional oft immer hier wohnen bleiben möchten. Für eine der beiden Wegzugsvarianten entscheiden sich vor allem Familien mit Kindern (30,5% davon wollen weg) und Befragte in Wohngemeinschaften. Obwohl die Identifikation mit dem Wohngebiet Winzerla deutlich höher ist, ergeben sich in der Tendenz ähnliche bevölkerungsstrukturelle Zusammenhänge wie in Lobeda. Es sind vor allem die Jüngeren und die Familien, die den Stadtteil am ehesten 33 Lakemann, 1995; 1996 82 verlassen werden, wenn sich ihre Umzugswünsche realisieren lassen. Gründe dafür und für das Wohnen im Stadtteil liefern die beiden folgenden Abbildungen. Abbildung 56: Warum wollen Sie in Winzerla bleiben? (in % nach Anzahl der Nennungen; N=293) Gewohnheit/ Zufriedenheit/ Altersgründe 31,1% gutes Wohnumfeld (auch: viel Grün) 27,0% 8,9% gute Infrastruktur schöne Wohnung/Aussicht/Balkon 8,5% Beziehungen zu Freunde/ Familie 8,2% 6,8% niedriger Mietpreis besser als in Lobeda (noch kein Ghetto) 3,8% gute Nachbarschaft 3,8% Arbeitsplatz 2,0% Abbildung 56 zeigt Gründe dafür, warum die entsprechenden Befragten beabsichtigen, in Winzerla wohnen zu bleiben. Am häufigsten wurden Gewohnheit/ Zufriedenheit und Altersgründe genannt; am zweithäufigsten das gute Wohnumfeld. Beide Gründe gelten vorrangig für ältere Menschen und erklären, warum gerade diese Bewohnergruppe am häufigsten von allen in Winzerla wohnen bleiben möchte. Vorteile sind auch die gute Infrastruktur, die schöne Wohnung und soziale Beziehungen im Stadtteil. Betrachtet man demgegenüber die Gründe für einen Umzugswunsch, so zeigt Abbildung 57 die folgenden Ergebnisse: 83 Abbildung 57: Warum würden/wollen Sie aus Winzerla wegziehen? (in % nach Anzahl der Nennungen; N=93) 37,6% enge Bebauung/hohe Bevölkerungsdichte/ Plattenbauweise 20,4% Verschlechterung des sozialen Gefüges 14,0% Wohnung (zu groß/zu klein/ kein Fahrstuhl) 6,5% zu laut 5,4% Umzug in Eigenheim Mangel an sozialen und kulturellen Einrichtg./Angeboten 4,3% mangelnde Arbeit 4,3% keine Kommunikation 2,2% bessere Möglichkeiten für Kinder 2,2% möchte auf dem Land leben 2,2% Rechtsextremismus 1,1% Entscheidende Gründe für einen Umzug sind bei den entsprechenden Befragten vor allem die enge Bebauung mit hoher Menschendichte in Plattenbauweise oder die wahrgenommene Verschlechterung des sozialen Umfelds. Auch Mängel an der Wohnung veranlassen schließlich zu einem Wegzug aus dem Stadtteil. Die Ergebnisse unserer Befragung verdeutlichen die Stärken und Schwächen des Wohngebiets aus der Sicht seiner Bewohner. Diese hängen immer auch von soziodemografischen Faktoren ab. Für ältere Menschen ist ein Umzug in der Regel eine Belastung. Sie sind eher bereit, ein paar Nachteile in Kauf zu nehmen und möchten bei ihren Gewohnheiten bleiben. Jüngere und Familien streben hingegen oftmals nach materiellen Verbesserungen, die sich z.B. im Wunsch nach einem Eigenheim oder einer größeren Eigentumswohnung ausdrücken und sehen hier in Winzerla deutliche Grenzen. Ein Wegzug der jüngeren und ökonomisch relativ starken Bevölkerungsgruppen wird sich allerdings in jedem Fall nachteilig auf den Stadtteil auswirken und die skizzierten Probleme mittel- bis langfristig verstärken. 84 13. Zusammenfassung Unsere Untersuchung des Stadtteils Winzerla zeigt zahlreiche empirische Ergebnisse, die an dieser Stelle noch einmal zusammengefasst werden sollen. Die Analyse basiert auf einer flächendeckenden, in Alter und Geschlecht mit geringen Einschränkungen repräsentativen Befragung von insgesamt 337 Bewohnern Winzerlas. Diese quantitativen Daten werden ergänzt durch 21 qualitative Expertengespräche. Trotz aller auch zukünftig sicherlich stattfindender sozialstruktureller Veränderungen ist für Winzerla ein großer Vorteil, dass mehr als die Hälfte der Befragten seit mindestens zehn Jahren dort lebt. Die durchschnittliche Wohndauer in der Wohnung beträgt acht Jahre. Solche Kontinuitäten sind eine wichtige Basis z.B. für die Entwicklung von Nachbarschaftskontakten. In Winzerla gibt es kaum Hinweise auf eine Anonymisierung sozialer Beziehungen. Zahlreiche Kontakte in unterschiedlichem Ausmaß von gegenseitigem Grüßen bis vielfältigen Unterstützungen konnten zwischen Nachbarn festgestellt werden. Vor allem im „Altneubaugebiet“ sind diese stark ausgeprägt. Vereinzelte Konflikte liegen im Bereich des Normalen und der weitaus größte Teil unserer Befragten ist mit seinen Nachbarschaftsbeziehungen zufrieden. In dieser Hinsicht zeigt sich eine wichtige Stärke. Eine weitere Stärke wird deutlich im Selbsthilfepotenzial. Immerhin mehr als ein Viertel kann sich vorstellen, gemeinsam mit anderen etwas für Winzerla zu tun. Für die Zukunft gilt es, mittels geeigneter Methoden diese Selbsthilfeabsichten in reale Selbsthilfeaktivitäten zu überführen. Eine dritte grundsätzliche Stärke des Wohngebiets ist die insgesamt hohe Identifikation mit Winzerla. Nur wenige möchten nicht dort leben und wollen umziehen. Im Vergleich zu Lobeda zeigt sich für Winzerla in dieser Hinsicht ein deutlich positiveres Bild. Ein Umzugswunsch ist allerdings schwerpunktmäßig bei jüngeren Bewohnern und Familien festzustellen. Sollten diese ihre Wünsche realisieren, zeichnen sich problematische Tendenzen zu einer bevölkerungsstrukturellen Entmischung ab. Eine vierte Stärke des Wohngebiets liegt in den Potenzialen seiner Freiflächen. Der größte Teil der Bewohner ist der Ansicht, dass Winzerla über genügend Grünflächen verfügt. Auch die „Wasserachse“ wird vom allergrößten Teil der Bevölkerung grundsätzlich angenommen. Probleme bestehen allenfalls in der Nutzung. Verschmutzung und Zweckentfremdung der öffentlichen Anlagen, Spielplätze und Grünflächen wurden in verschiedensten Facetten immer wieder beklagt. Klar geworden ist auch das immense Defizit an Parkplätzen im Stadtteil, wobei echte Lösungen nicht erkennbar sind. Auch mit Blick auf die Freizeitsituation im Stadtteil zeigen unsere Daten eher Schwächen des Wohngebiets, die allerdings von den Bewohnern aufgrund der verkehrstechnisch vorteilhaften Anbindung an das Stadtzentrum nicht grundsätzlich problematisch gesehen werden. Mit Blick auf die Situation von Kindern und Jugendlichen im Stadtteil nennen Bewohner und Experten allerdings klare Probleme. Die Zahl und Qualität von Freizeitflächen für Kinder und Jugendliche reichen nicht aus. Hierzu wurden detaillierte Verbesserungswünsche formuliert. Die Winzerlaer zeigen sich grundsätzlich gegenüber den Kindern und Jugendlichen des Stadtteils aufgeschlossen. Nur wenige Jugendgruppen verursachen Angst. Unsere Untersuchung konnte in diesem Zusammenhang auch die Dimensionen der Furcht vor Kriminalität in Relation zu einzelnen Teilregionen des Stadtteils aufzeigen. Sicherlich sind nicht nur in dieser Hinsicht flankierende politische Entscheidungen erforderlich. Grundsätzlich zeigte sich eine gewisse Unsicherheit in der Einschätzung von Kommunalpolitik und Ortschaftsrat, wobei dem Ortschaftsrat mit der Perspektive auf Winzerla vergleichsweise mehr zugetraut wurde. 85 Insgesamt zeigt unsere Untersuchung Winzerla als einen Stadtteil mit vielen Stärken aber auch Schwächen. Es wird in Zukunft wesentlich von grundsätzlichen kommunalen und gesellschaftlichen Entwicklungen abhängen, ob sich eher die Stärken oder die Schwächen durchsetzen werden. Angesichts der vielen Potenziale, die der Stadtteil hat, können heute noch viele drohende Fehlentwicklungen aufgefangen werden. Hier bewusst gegenzusteuern und mit den Stärken Winzerlas zu arbeiten ist eine wichtige Zukunftsaufgabe. 86 Literatur Affeld, D.: Demokratisierung der Planung durch Einwirkung Betroffener in einem Arbeiterwohngebiet - eine Fallstudie. In: Herlyn, U. (Hrsg.): Stadt und Sozialstruktur. München 1974, S. 259-279. Analyse und Konzepte: Stadt Jena. Kommunales Stadtentwicklungskonzept. Teil Wohnungswirtschaft. Hamburg/ Droyßig 2002 Arbeitspapiere zum Programm Soziale Stadt: Band 5: Impulskongress Quartiermanagement; AG 12 Probleme integrativer Stadtteilentwicklung. www.sozialestadt.de, 2001 Architektur- und Stadtplanungsbüro Helk: Städtebauliche Rahmenplanung zur Wohnumfeldverbesserung. Wohngebiet Jena- Winzerla. Mellingen 1995 Aus Politik und Zeitgeschichte B5/99 Bahrdt, H.P.: Die moderne Großstadt. Soziologische Überlegungen zum Städtebau. Reinbek b. Hamburg 1961. Beer, I.: Bewohnerbeteiligung in Plattenbausiedlungen: Modelle und Strategien für eine neue Urbanität?. In: Rietdorf, W. 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