Luftwaffe – ein teilstreitkräfteübergreifender wie multinational
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Luftwaffe – ein teilstreitkräfteübergreifender wie multinational
Luftwaffe Luftwaffe im weltweiten 24 Stunden im Einsatz 50.000 FlugUnmanned Aerial System HERON 1 bewegungen im Einsatz in Afghanistan. jährlich auf Foto: Rheinmetall dem Flughafen Mazar-e Sharif. Luftwaffe – ein teilstreitkräfteübergreifender wie multinational agierender Dienstleister Ein Bericht über 24 Stunden Luftwaffe im Einsatz Wenn man an Luftwaffe denkt, assoziiert man dies vor allem mit Waffensystemen wie Abfangjägern oder Jagdbombern. Abgesehen von diesen attraktiven und hochmodernen Aushängeschildern hat sich die Luftwaffe aber auch zu einem teilstreitkräfteübergreifenden wie multinational agierenden Dienstleister entwickelt, der quer über den Globus agiert - wie die nachfolgende Geschichte zeigt: 24 Stunden Luftwaffe am Stück. Während sich die ersten 24 Stunden Luftwaffe im Einsatz auf einen nächtlichen MedEvac-Einsatz fokussierten, wird der Faden der Geschichte nun über den gesamten Erdball gespannt und zunächst dort wieder aufgenommen, wo die Luftwaffe eine zentrale Rolle im Einsatz wahrnimmt: Am Airport von Mazar-e Sharif. Mazar-e Sharif, 07.30 Ortszeit Die Flugsicherung des Airports Mazare Sharif – aufgebaut und geführt vor allem durch die Luftwaffe – erspäht auf ihren Monitoren einen gern gesehenen Gast: Eine Antonov AN-124 steuert den Flughafen an. Der Gigant ist ein wichtiger Bestandteil der Versorgung der Bundeswehr wie auch der gesamten NATO, die „den Riesen“ besonders bei außerordentlich großen Frachten in Anspruch nimmt. Der Flughafen Mazar-e Sharif selbst hat sich mit über 50.000 Flugbewegungen jährlich erheblich vergrößert und bewegt sich hinsichtlich des Transportumschlages auf einer Höhe mit nationalen Flugplätzen in Deutschland. Der „Airport MeS“ ist längst eine permanente militärische wie zivile Stütze für die Sicherheit Afghanistans. Außerdem wird durch den Flughafen, der maßgeblich mit 44 Luftwaffenkräften gestaltet und unterstützt wird, ein infrastrukturell wichtiges Tor nach Afghanistan aufgestoßen, das durch den enormen Zuwachs an Frachtkapazität auch zusätzliche operative Möglichkeiten eröffnet. Die Luftwaffe trägt gleichzeitig dafür Sorge, dass der Airport als Drehscheibe des Luftverkehrs über Nordafghanistan die Wirtschaft weiter ankurbelt. Seit 2006 übt sie zusammen mit US Streitkräften die Flugsicherung am Platz aus, während sie zeitgleich die ersten afghanischen Fluglotsen ausgebildet hat. Nicht nur der militärische Teil, sondern auch der zivile Teil des Airports wurde und wird umfangreich ausgebaut. Insgesamt rund 50 Millionen Dollar wurden in den Ausbau der zivilen Seite für Passagier- und Cargoterminals, VerwaltungsFeuerwehr- und Sicherheitsgebäude investiert. Dazu kommt der Bau neuer Abstellflächen, Rollwege und Straßen Fest in deutscher Hand: der Kontrollturm des „Airport MeS“. HHK 2/2012 Luftwaffe Luftwaffe im weltweiten 24 Stunden im Einsatz sowie eines neuen Towers: Arbeitsplätze für die Region. Im Jahr 2013 soll das Gesamtprojekt abgeschlossen sein. Paphos auf Zypern, 6:00 Uhr Ortszeit Obwohl tausende Kilometer entfernt, liegen zwischen Zypern und Afghanistan nur 90 Minuten Zeitunterschied. Hier ist es also gerade erst sechs Uhr morgens und es ist noch dementsprechend dunkel. Auf dem zypriotischen Flugplatz von Paphos wurde erst gestern Nachmittag von drei Luftwaffensoldaten eine Antonov entladen, die Ersatzteile für das deutsche Kontingent UNIFIL an Bord hatte. Die Soldaten bilden das Luftumschlagelement des deutschen Kontingents UNIFIL und müssen flexibel reagieren, wann immer ein Transport „reinkommt“, denn die deutschen Schiffe und Boote, die den knapp 50 Kilometer entfernten Hafens Limassol anlaufen, haben nur ein enges Zeitfenster am Kai. Wenn dann noch so viel Fracht wie in diesem Ausnahmefall umgeschlagen werden muss - der Normalfall wäre hier eher das Frachtaufkommen einer Transall C-160 – dann müsste die schwimmende Einheit ohne die angeforderten Güter längst wieder auf See sein. Damit genau das nicht passiert, stellen sich die Soldaten darauf ein, zu jeder Zeit ausreichend Kraftfahrzeuge und Personal zum Transport von Waren und Ersatzteilen vorzuhalten. So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass noch während der Nacht ein Kran zum Einsatz kommt, um die nur eintägig im Hafen befindliche Fregatte zu beladen: Abfertigung just in time. Djibouti, 7:00 Uhr Ortszeit In der gleichen Zeitzone eine Stunde später, aber mehrere tausend Kilometer südlich, macht gerade ein Luftumschlagszug der Luftwaffe eine ähnliche „Übung“. Zusammen mit einem zweiten Mannschaftskameraden und unter Führung eines gestandenen Portepeefeldwebels bringt Hauptgefreiter Patrick S. die bereits von der Luftwaffe eingeflogenen Güter ins Lager. Der Hauptgefreite ist einer der wenigen Luftwaffenuniformträger im Rahmen des deutschen Kontingents ATALANTA. Außer ihm gibt es hier in der Deutschen Verbindungs- und Unterstützungsgruppe (DVUG) in Djibouti normalerweise kein Luftwaffenpersonal. Doch je nachdem, wie die anderen Teilstreitkräfte Personalersatz leisten können, kann dies von Kontingent zu Kontingent auch verschieden sein. So kann auch mal ein Sanitäter der Luftwaffe in Djibouti tätig sein, ein Kraftfahrer HHK 2/2012 Entladen einer Antonow AN-124. Luftumschlagelement des deutschen Kontingents UNIFIL im Einsatz. Soldaten eines Luftumschlagszugs der Luftwaffe heißen „Luftumschläger“. oder aber Spezialpioniere, die vielleicht gerade die von der DVUG genutzten Arbeitscontainer mit Klimageräten versorgen, respektive, wieder in Gang setzen. Jeder Wohncontainer in einem Bundeswehr-Feldlager beziehungsweise einer Einsatzliegenschaft, ist mit einer KlimaAnlage ausgestattet: Durch die extreme Hitze, Staub und dem Verschleiß im Dauerbetrieb werden die Klima-Anlagen stark belastet, so dass sie beizeiten repariert werden müssen. Die Spezialpioniere erledigen dies übrigens auch in sämtlichen anderen Einsatzgebieten. Sie entstammen als Luftwaffenuniformträger einem Spezialpionierbataillon der Streitkräftebasis und sind im Grundbetrieb am Standort Speyer tätig. 45 Luftwaffe Kunduz, 9:00 Uhr Ortszeit Hptm S., Ausbilder beim Operational Mentoring and Liaison Team (OMLT) der Garrison Kandak, im Grundbetrieb jedoch FlaRak-Einsatzoffizier in einem Flugabwehrraketengeschwader der Luftwaffe, führt die tägliche Lagebesprechung mit seinen afghanischen Luftwaffe im weltweiten 24 Stunden im Einsatz „Schülern“ aus – und zwar in einer Art Schützengraben. Die Ausbildungseinheit OMLT, die den Aufbau der afghanischen Streitkräfte vorantreibt, ist seit ihrer Aufstellung ständig mit außergewöhnlichen Herausforderungen konfrontiert, seien es Bauarbeiten an der Infrastruktur, die täglich schwankenden MedEvac-Transall C-160 in Termez, bereit für einen Verletztentransportflug. Sicherheitszug eines FlaRakG beim deutschen Einsatzkontingent KFOR. Luftwaffe im Einsatz für die European Training Mission Somalia. 46 Stärken und Verfügbarkeiten der afghanischen Soldaten oder die üblichen Übersetzungsschwierigkeiten bei der Umsetzung deutscher Ausbildungstheorie in afghanische Ausbildungspraxis. Sudan, 10:10 Uhr Ortszeit Im süd-sudanesischen Dorf Embedo hält Luftwaffenmajor Marco S. mit seiner dreiköpfigen UNMISS-Patrouille an, um eine lang ersehnte Medikamentenspende in der ortsansässigen Krankenstation abzuliefern. Die VN-Inspektion in einem typisch sudanesischen Dorf zeigt in recht schroffen Zügen auf, woran es den Menschen im Süd-Sudan mangelt und wie die Mitarbeiter der UNMISS verUnmanned System HERON 1 suchen, dasAerial Leben für die Betroffenen im Einsatz Afghanistan.zu machen. Hier ein weniginerträglicher Foto: Rheinmetall in der Nähe der Teamsite Juba, der fast 40.000 Quadratkilometer „Area of Responsibility“ (AOR), sind sie nicht nur extremen klimatischen Bedingungen und einem hohen Infektionsrisiko, sondern auch einer Bedrohung durch marodierende Rebellen ausgesetzt. Der Staat Süd-Sudan ist als 193-zigste in der Weltgemeinschaft angekommen, aber deswegen noch lange nicht stabil, was er in dem unsicheren Umfeld von viel größeren Staaten auch kaum sein kann. Major S., der regulär im Luftwaffenamt in Köln-Wahn eingesetzt ist, hat sich freiwillig für den Einsatz als unbewaffneter Militärbeobachter gemeldet. Er hat selbst fünf Kinder und muss täglich damit umgehen lernen, dass ihm hier immer wieder unterernährte Kinder über den Weg laufen. Termez, 12:30 Uhr Ortszeit Der MedEvac-Airbus der Flugbereitschaft der Luftwaffe hebt in Termez gen Köln ab. Die Maschine war gegen 8 Uhr morgens Ortszeit in Usbekistan gelandet. Vor einer knappen Stunde landete dann außerdem eine MedEvac-Transall in Termez, an Bord zwei schwer verletzte deutsche Soldaten, die schnellstmöglich zurück in die Heimat sollen. Als die verwundeten Soldaten in den MedEvacAirbus umgebettet werden, packen alle verfügbaren Helfer mit an, um die Betroffenen so schnell wie möglich zurück in die Heimat zu bringen, wo man sich bereits organisatorisch auf die Ankunft des MedEvac eingestellt hat. Feldlager Prizren und Hauptquartier Butmir, um die Mittagszeit Oberstleutnant Kai G. ist als Luftwaffenstabsoffizier zum wiederholten Male dabei, als sich das deutsche Einsatzkontingent KFOR um den Gedenkstein im Feldlager Prizren versammelt: Gedenken an die 31 Toten, die im Kosovo seit Beginn des KFOR-Einsatzes ihr Leben verloren haben. Zwar ist der Kosovo HHK 2/2012 Luftwaffe Luftwaffe im weltweiten 24 Stunden im Einsatz offiziell befriedet, doch von Normalität zu reden, wäre eher eine Untertreibung: Der Sicherheitszug eines Flugabwehrraketengeschwaders der Luftwaffe ist ebenfalls im Einsatz, falls die Situation unerwartet eskaliert. Immerhin kommt diese Situation für die Luftwaffensoldaten nicht völlig unerwartet, zumal sie bereits in Form eines Lehrganges (EAKK) in Hammelburg auf derartige Szenarien vorbereitet wurden. Solange die Bundeswehr damit rechnen muss, einer gewalttätigen Demonstration begegnen zu müssen, bleibt der Balkan ein Unruheherd, auch wenn im räumlich nahen Einsatzgebiet von EUFOR eine vielversprechende Stabilisierung bereits gelungen ist: Mittlerweile arbeiten nur noch drei Luftwaffensoldaten im Hauptquartier der EUFOR in Butmir. Bihanga, 13:20 Uhr Ortszeit Die EU-Mission ATALANTA verfügt weder über das Mandat noch über die Mittel, von See aus der Piraterie bereits auf dem somalischen Festland wirkungsvoll begegnen zu können. Weil Somalia zudem weder Trainingsmöglichkeiten, kaum Ausbildungskapazitäten noch zum Vorbild dienende Streitkräfte zur Wahrung seiner an sich schon schwachen Souveränität unterhalten kann, bildet die Europäische Union im Camp Bihanga in Uganda somalische Soldaten aus. Abflug einer Transall C-160 vom Kabuler Flughafen KAIA. Feuerlöschfahrzeug auf dem Flugplatz Mazar-e Sharif in Bereitschaft. Die Ausbildung soll die Somalis zunächst auf einen Ausbildungsstand bringen, der sie dazu befähigt, ein Bataillon im Herzen Mogadischus, der Hauptstadt Somalias, selbst zu führen. Fernziel der multinationalen Truppe EUTM (European Training Mission Somalia), der unter anderem auch Soldaten der Luftwaffe angehören ist es, dass stabile Verhältnisse in Somalia entstehen, gut ausgebildete Sicherheitskräfte die Piraterie an der somalischen Küste von Land aus bekämpfen und Luftwaffe somit die internationalen Handelswege auch am Horn von Afrika schützen. Kabul, 14:35 Uhr Ortszeit Gerade hebt eine Transall auf dem Kabuler Flughafen KAIA (Kabul International Airport) ab. An Bord dieses besonders geschützten Transportflugzeuges C-160 ESS befinden sich Angehörige Als Sprachmittler der Luftwaffe an Bord einer Fregatte. Luftwaffe im weltweiten 24 Stunden im Einsatz verbündeter Streitkräfte, die im Hauptquartier der ISAF eingesetzt waren. Sie werden nächsten Tag mit dem zwei- bis dreimal pro Woche verkehrenden Airbus der Luftwaffe von Strategischen Luftumschlagspunkt in Termez (Usbekistan) über Köln-Wahn ihre Heimreise antreten. Vier Soldaten der Luftwaffe am KAIA haben die mitgebrachte Fracht der Passagiere gesichtet, sortiert und auf die Transall verladen. Die Passagiere, sie kommen aus dem gesamten Bereich der NATO, werden später nur registrieren, dass ihr Gepäck vollzählig und zeitgleich mit ihnen in Termez angekommen ist, ausgeladen und bereitgestellt wurde für den Flug nach Köln-Wahn. Mazar-e Sharif, 16:45 Uhr Seit Sonnenaufgang steht die Besatzung des Feuerlöschfahrzeuges TLF-8000 auf dem Flugplatz Mazar-e Sharif in Bereitschaft. Im Grundbetrieb sind die Brandschützer – in der Masse Zivilisten – bei der Flughafenfeuerwehr eines inländischen Fliegerhorstes der Luftwaffe eingesetzt. Von ihrem jetzigen Standort aus, nahe dem Aufsetzpunkt auf der Start- und Landebahn, wo gerade eine Transall C-160 Richtung Termez abheben will, beobachten sie die Ankunft einer Patrouille der Objektschutzgruppe des Einsatzgeschwaders Mazar-e Sharif, die außerhalb des Flugplatzes und des Camp Marmals den Anflugsektor sichert, um einen potentiellen feindlichen Beschuss landender Flugzeuge vom Boden aus zu verhindern. Irgendwo im Indischen Ozean, ohne Zeitangabe Die Marine hat nicht immer ausreichend viele Dolmetscher mit arabischen Sprachfertigkeiten. Also ist man bei der Luftwaffe fündig geworden. Luftwaffenuniformträger Hauptfeldwebel H. vom Personalamt Bundeswehr in Köln leistet daher für über fünf Monate Dienst auf einer Fregatte. Als Sprachmittler ist er Unmanned häufig aufAerial der System Brücke HERON tätig, 1er geht im Einsatz Afghanistan. aber auchinselbst mit auf die zu unterFoto: Rheinmetall suchenden Boote und Schiffe, wo ihm als arabisch sprechendem Bundeswehrangehörigen eine Schlüsselrolle zur anderen Sprache und Kultur zukommt – sicherlich eine Ausnahmeerscheinung und durchaus auch gefährlich. Aber gerade mit Hinblick darauf, dass in einer immer kleiner werdenden Welt Soldaten der Luftwaffe häufig notwendige Sprachkenntnisse mitbringen, ist die Luftwaffe beim teilstreitkräfteübergreifenden „Joint“-Ansatz immer eine gern in Anspruch genommene Alternative bei der Personalauswahl für Einsätze. Köln, 19.50 Ortszeit Der MedEvac Airbus ist – aus Termez kommend – auf dem militärischen Anteil des Köln-Bonner Flughafens gelandet. Für die beiden verwundeten Soldaten beginnt nun die letzte Etappe einer langen Reise: Der Transport nach Koblenz und die Aufnahme ins dortige Bundeswehrzentralkrankenhaus. In der Zwischenzeit wurden auch Verwandtenund Bekanntenkreis sowie die Staffel der verwundeten Luftwaffensoldaten informiert. Ankunft des MedEvac Airbus ist aus Termez auf dem militärischen Anteil des Köln-Bonner Flughafens. Die Flugbereitschaft BMVg steuert den weltweiten Einsatz der Maschinen der Luftwaffe. 48 Köln, 20.30 Ortszeit Von ihrem Büro nahe der Parkfläche für die Luftfahrzeuge der Flugbereitschaft BMVg hat Oberfeldwebel G. die Landung des Airbus mit verfolgt. Keine 24 Stunden ist es her, seit sie für dieses Flugzeug den Flugplan aufgestellt hat. Und nun ist der Flieger nach Usbekistan und wieder zurück. Einerseits kann sie mit ihrer Arbeit zufrieden sein, doch viel Zeit hat sie nicht, darüber zu sinnieren, wie klein die Luftwaffe in der Einsatzwelt der Bundeswehr geworden ist: Denn schon arbeitet die Flugberatung am nächsten Flugplan. Autoren: Hauptmann Norbert Thomas, Stv. Chefredakteur Luftwaffe.de und Jürgen K.G. Rosenthal Fotos und Grafik: Luftwaffe HHK 2/2012