(120223 Diversität

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(120223 Diversität
Institut für Volkswirtschaftslehre
Rainer.bartel@jku.at
www.econ.jku.at/Bartel
Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht –
mit Fokus auf sexuelle Ausrichtung
Papier für die Podiums- und Diskussionsveranstaltung von agpro und WKO OÖ
22. Februar 2012 im WIFI Linz
Fassung vom 27. Februar 2012
1.
Diskriminierung ............................................................................................ 1
1.1. Diversität als Normalität – Normalität als Artefakt ............................. 1
1.2. Normen sind effizient – oder auch nicht.............................................. 2
1.3. Wie wir den Menschen und seine Welt sehen ......................................... 2
2. Lose-lose Situation........................................................................................ 3
2.1. Wenn wir einander nicht verstehen können/wollen ........................... 3
2.2. Ausweichens der agents vor ihrer Problemlösung .............................. 4
2.3. Verloren im „Schrank“ der Lesben und Schwulen ............................... 6
2.4. Individuelle und gesellschaftliche Nachteile ........................................ 8
3. Win-win Situation ....................................................................................... 10
3.1. Out zu sein ist allein zu wenig ............................................................ 10
3.2. Wünsche an die Manager_innen und an die Organisation ............... 11
3.3. Zur Lage der homosexuellen Arbeitnehmer_innen ........................... 11
3.4. Die Freiheit, die sie meinen … ............................................................ 13
3.5. Soziale Freiheit: wozu und wie? ......................................................... 13
3.6. „Sexuelle Staatsbürger_innen_schaft“ und Heimat .......................... 15
3.7. Hoffnungsträger_innen: creative class, creative districts .................. 16
3.8. Das Unternehmen: Teilöffentlichkeit und Heimat ............................. 17
3.9. Diversity management ....................................................................... 18
3.10. Außerbetriebliche Einflüsse aufs Arbeitsklima .................................. 19
3.11. Reichtum, die offene Gesellschaft und ihre Feind_inn_e_n .............. 19
Literatur .............................................................................................................. 20
Endnoten ............................................................................................................ 23
© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
„Ich kann nicht länger von irgendeiner
Tradition abhängen, denn die Tradition
hat diese ungeheure Trägheit, Unterwerfung und Abhängigkeit geschaffen.“
(Krishnamurti 1969/1973: 11)
„Nicht der Homosexuelle ist pervers,
sondern die Situation, in der er lebt.“
(Rosa von Praunheim, 1971)
1.
Diskriminierung
1.1. Diversität als Normalität – Normalität als Artefakt
Wirtschaftswissenschaften sind Sozialwissenschaften – sie erforschen vom Menschen
Gestaltetes. Die individuelle und gesellschaftliche Bewältigung des wirtschaftlich geprägten Lebens sind dabei Ausgangspunkt und Zielorientierung, Herausforderung und
Maßstab für Leistungsfähigkeit.
Nun zum Leben: Es ist normal, unterschiedlich zu sein. So ist das Leben.
Normalität – als Uniformität – ist somit eigentlich die Ausnahme; sie muss oft erst
künstlich geschaffen werden: durch politisch gesetztes Recht statt irgendeines Naturrechts (Pechriggl 2008). Dennoch wird sehr viel mit dem Begriff Norm und Normalität
gearbeitet – bewusst oder unbewusst, unzweckmäßig oder konstruktiv, oft manipulativ.
„Die Verschwommenheit des „sexuell Normalen“ ist letztlich darin begründet, dass es sich nur zeigt, sexuell aber nicht spricht, weder über
ein Symptom noch über hypertrophe Wünsche. Weil dem so genannten
sexuell Normalen Sprache und Ausdrucksmöglichkeiten fehlen, ist es
von den vorgeblich nicht normalen Sexualitäten, von denen es sich beständig abzugrenzen versucht, zutiefst abhängig. Das Normale formiert
sich also keineswegs aus sich selbst heraus, sondern über eine an der
Abweichung orientierten Ex-negativo-Bewegung. Als sexuell normal
können sich folglich jene fühlen, die von sich glauben, all das, was sexuell als nicht normal angesehen wird, nicht zu haben. Wenn das so ist,
wäre das sexuell Normale nicht mehr als eine Fiktion, allerdings eine
durchaus wirksame“ (Dannecker 2006: 7).
Die Begriffe Norm und Normalität haben – der Name sagt es schon – einen normativen Charakter; sie transportieren ein Seinsollen. In Bezug auf sexuelle Orientierung
sprechen wir von Heteronormativität (Bartel et al. 2008) oder Heterosexismus (Bartel
2000) oder – wie von Sándor Ferenczy (1914) noch extremer formuliert – von Zwangsheterosexualität in der Gesellschaft.
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© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
1.2. Normen sind effizient – oder auch nicht
Immerhin gibt es freilich viele sinnvolle Nutzanwendungen von Normen – das zeigen
schon die Institutionenökonomik (Priddat 1996), die Wirtschaftsordnungstheorie (Erhard/Müller-Armack 1972) sowie die Wissenschaft öffentlicher Finanzen und Aufgabenerfüllung (Nowotny 1996).
Sowohl einzel- als auch gesamtwirtschaftlich kann eine Norm aber auch unzweckmäßig wirken, von Nachteil sein – dann sprechen wir von Ineffizienz. Die Norm, dass es
okay ist, Menschen wegen ihrer gleichgeschlechtlichen Orientierung abzuwerten, zu
verachten und zu benachteiligen, ist eine Ausprägung ökonomischer Ineffizienz, wenn
Effizienz der Gewinnmaximierung dienen soll (und das ist in einer Marktwirtschaft
legitim).
Ineffizienz können wir uns in einer Marktwirtschaft aber nur leisten, wenn das System
an sich ineffizient ist – etwa weil der Wettbewerbs- und somit der Effizienzdruck so
gering sind, dass man sich ökonomische Ineffizienz – wie nicht zu rechtfertigende Diskriminierung - leisten kann (Weichselbauer/Winterebmer (2007). Nobelpreisträger
Gary Becker (1957) spricht von taste for discrimination (Vorliebe für Diskrimminierung). Über die Motivation ökonomisch unzweckmäßiger Vorlieben für Diskriminierung dilettiert die Wirtschaftswissenschaft tunlichst nicht und überlässt sie besser anderen Disziplinen.
Die Wirtschaftswissenschaft geht vielmehr von Diskriminierung aus. Was die Ökonomik tut, ist, die Konsequenzen von Diskriminierung aufzuzeigen und möglichen Abhilfen nachzuspüren. Ökonomisch relevante Normen und sonstige ökonomische Anreize
sind Handwerkszeuge zur Systemverbesserung.
1.3. Wie wir den Menschen und seine Welt sehen
Um zu wissen, wie ein System funktioniert oder nicht funktioniert, bauen die Ökonom_inn_en Theorien: möglichst einfache Modelle von der Realität.
Aber die individuelle Verfasstheit und gesellschaftliche Wirklichkeit sind nicht zur Gänze ökonomisch geprägt. Daher sollte die Ökonomik eher Inspirationen aus den anderen gesellschaftlich relevanten Disziplinen aufnehmen, statt ihre eigene Analysemethodiken anderen Disziplinen aufzupfropfen (Frey 2002).
Damit sind wir schon beim homo oeconomicus angelangt. Diese Fiktion des wirtschaftenden Menschen gleicht dem Bild des Mr. Spock vom „Raumschiff Enterprise“ – eine
wandelnde Kalkulationsmaschine mit Optimierungsalgorithmus, ohne Fehler, allerdings auch ohne jegliche Emotion.
Menschen sind allerdings nur sehr partiell Rechenmaschinen – und so für Fehler und
Ausfälle anfälliger als Roboter. Menschen entsprechen nicht zuletzt auch dem Bild des
homo sociologicus, dem gemeinschaftsorientierten, aber auch menschelnden Handelnden (Rothschild 1993). Eine der Menschlichkeiten ist die Sehnsucht nach Konformität und Akzeptanz, Integration und Aufgehobenheit (eventuell ein William Shatner,
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der als Captain Kirk auf der „Enterprise“ um seine Schwächen ebenso wie um seine
Verantwortung weiß und sich des Mr. Spock bedient, um seine Entscheidungen, die
ihm letztlich niemand abnehmen kann, zu unterstützen1).
„Viele von uns, die das Thema studieren, glauben an zwei Denksysteme, welche eigentlich zwei ganz verschiedene Merkmale besitzen. Man
kann sie als Intuition und logisches Denken bezeichnen, aber manche
von uns nennen sie System 1 und System 2. Es gibt manche Gedanken,
die von alleine kommen – das meiste Denken ist eigentlich so. Das ist
System 1. Es ist nicht, als ob wir ferngesteuert sind, aber wir reagieren
auf die Welt in einer Art und Weise, welche uns nicht bewusst ist, welche wir nicht lenken. Die Funktionen von System 1 sind schnell, mühelos und oft emotional geladen. Weiters sind sie durch Gewohnheit bestimmt und sind daher schwer zu verändern oder zu steuern. Es gibt ein
weiteres System, System 2, das logisch denkende System. Es ist bewusst, es ist beabsichtigt; es ist langsamer, seriell, mühevoll und bewusst gesteuert, aber es kann auch Regeln folgen. Der Unterschied der
Mühe zeigt am deutlichsten, ob ein mentaler Prozess System 1 oder
System 2 angehören soll“ (Kahneman 2004: 19).
Lose-loose Situation
2.
2.1. Wenn wir einander nicht verstehen können/wollen
Die Agency Theory – die Theorie der Organwalterschaft (Leibenstein 1966) – erklärt
uns, dass das Verhältnis zwischen Chef_in und Mitarbeiter_in für beide erfolglos bzw.
unerquicklich sein kann, wenn das Anreizsystem in der Organisation nicht stimmt und
darum die Organisation – wegen Organversagen – nicht funktioniert.
•
Die agents suchen sich unter den für sie unglücklichen Bedingungen andere
Ziele in ihrer und für ihre Arbeit, um nicht ganz unglücklich zu sein.
•
Die Arbeitgeber_innen („Prinzipale“, principals) sind wiederum geschäftlich
glücklos und persönlich unglücklich.
Beide Seiten der Arbeitsbeziehung gehen von unterschiedlichen Welten aus, die sich
so nicht treffen können oder wollen.
•
Die agents wollen leisten, aber können es unter den normierten Arbeitsbedingungen nicht gut und wollen daher entweder etwas Anderes, für die Organisation Kontraproduktives (Bürokratietheorie),
•
oder sie wollen – als Lebsn und Schwule im Kampf um ihren beruflichen und
gesellschaftlichen Status überkompensieren, aber sie überfordern sich damit
und underperformen, was der Organisation ebenfalls ökonomisch abträglich
ist.
•
Der principal will mit seiner Organisation ebenfalls leisten, aber kann unter den
genormten Informations- und Kommunikationsbedingungen nicht (Reding/Dogs 1986). Der legendäre innere Rückzug (Bergner 2011) wird geschürt.
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Und so liegen die faktische und die potenzielle Leistungsfähigkeit der Organisation
ebenso weit auseinander wie es die beiden Welten kulturell, kommunikativ und emotional tun. Das System krankt systematisch – aber die Diagnose und Therapie werden
(noch) nicht gesucht, weil das System (noch) nicht todkrank ist („wird schon gehen“:
satisficing level below optimal level).
Unterschiedlichkeit ist die Grundlage für Diskriminierung – Verschiedenheit erlaubt
uns erst zu diskriminieren: ungleich behandeln können wir nur, wenn es Unterscheidungskriterien und somit Ausschließungsmöglichkeiten gibt.
Viele Ungleichbehandlungen sind (ökonomisch) gerechtfertigt, so z. B. eine unwillkürliche Entlohnung nach Qualifikation oder Leistung anstatt gleicher Entlohnung für alle.
Einige Ungleichbehandlungen sind willkürlich, etwa nach Alter, Ethnie, Geschlecht oder sexueller Orientierung, was eingedenk unserer Argumente zu Normalität, Uniformität und Diversität sachlich nicht zu rechtfertigen ist. Was macht nun die Menschen
gegen solche Willkür wehrhaft; was macht die Willkür hingegen so stabil, wie sie sich
erweist?
2.2. Ausweichen der agents und pricipals vor der Problemlösung
Die strategischen Möglichkeiten sind verschieden, mit einer persönlichen Gegebenheit
umzugehen, wie mit Alter, Geschlecht, Weltanschauung, ethnische Herkunft oder sexuelle Orientierung. Die einen Gegebenheiten sind sichtbar (manifest), die anderen
unsichtbar (tacit). Die einen – die manifesten – bieten keine Ausweichmöglichkeit, die
anderen – die taciten – räumen die Alternative des Verbergens der „inkriminierenden“
persönlichen Voraussetzungen ein.
Die Prädisposition gleichgeschlechtlicher Orientierung wird heute und hier oft noch als
ein krasses „anders als die anderen“ Sein empfunden – mit entsprechend negativen
Konsequenzen für die Deviant_inn_en (Ziegler 2008). Denn dieses Empfinden geht
über die wertfrei nüchterne Feststellung einer Unterschiedlichkeit wesentlich hinaus –
nämlich auf Grund des gesellschaftlich normierten, durch Sozialisation weitergegebenen othering.
„Das Verhältnis der Menschen zueinander basiert darauf, dass man sich von anderen
ein Bild – image – macht und dadurch einen Abwehrmechanismus schafft. In unseren
gegenseitigen Beziehungen erzeugt jeder in sich ein Bild von dem anderen, und diese
Bilder treten zueinander in Beziehung, nicht aber die Menschen selbst“ (Krishnamurti
1969/1973: 52 f.).
Othering ist das Bedeutung zumessende, implizite oder explizite Wertungen vornehmende und stigmatisierende Ausgrenzen aus dem Kreis der Unseren (Engel 2008).
Othering beruht auf der Erfahrung des Selbst und des bzw. der Anderen (Bedorf 2011).
Die Unterschiede in der Erfahrung des Wir und der Anderen wird durch Diskurse (oft
unbedachte Redensweisen und stehsatzartige Lebens“weisheiten“) geprägt.
„Der Mensch kann in der natürlichen Welt nicht leben; er macht sie sich
mit seinen Konstruktionen bewohnbar. Diese menschliche Leistung
gründet auf den Diskursen, die uns mit ihren Darstellungen nahe legen,
wie die Welt der Dinge ‚wirklich’ ist, wie wir sie wahrzunehmen und zu
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© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
denken haben. Die Überzeugungskraft und Macht der Diskurse beruht
auf drei Prinzipien (Foucault 1974): Diskurse arbeiten mit Prozeduren
der Ausschließung und des Verbotes – wir hätten nicht das Recht, bei
jeder Gelegenheit alles zu sagen. Sie arbeiten zweitens mit dem Prinzip
der Grenzziehung und Verwerfung – es gäbe vernünftige und wahnsinnige Redeweisen; was die ‚Verrückten’ uns zu sagen hätten, sei ohne
Bedeutung. Und drittens vermitteln uns die Diskurse Vorstellungen
darüber, was falsch und was richtig ist, oder vielleicht genauer: was wir
als wahr betrachten wollen und welche institutionelle Macht uns verbürgt, dass eine Wahrheit die höchste ist“ (Ziegler 2008: 17).2
Abbildung (Internetquelle nicht mehr eruierbar)
Die Frustration der Deviant_inn_en über die vermeintlich oder faktisch drohende Ausschließung, Marginalisierung und berufliche oder geschäftliche Benachteiligungen
•
wird zur Paranoia,
•
führt zu Selbstverleugnung, Versteckspiel (passing as a heterosexual) und innerer Disharmonie,
•
verursacht psychische und psychosomatische Leiden (Frohn 2007)
•
und endet weit überproportional häufig – wenn das Versteckspiel ausweglos
erscheint oder unerträglich wird – im Suizid/-versuch (Bartel 1999).
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© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
„Der Mensch als Subjekt wird (…) wesentlich als geworfener Entwurf
betrachtet, welcher sich vorweg seiend ständig neu entwirft. Das heißt,
das schwule oder lesbische Individuum antizipiert arbeitsplatzbezogene
Szenarien und setzt seine Handlungen auf Basis der erwarteten Folgen
seines Handelns. Dabei hat der Mensch auf der einen Seite eine SelbstEntwurfsfähigkeit im Sinne des Ergreifens von selbst-konzeptionellen
Möglichkeiten, auf der anderen Seite bewegt sich dieser Entwurf aber
‚stets in den Grenzen und Bahnen der Geworfenheit’ (Gebert: 15)“ (Köllen 2009: 181).
„Das Verfallensein zeigt eine Tendenz bzw. Möglichkeit des Menschen
auf, sich im alltäglichen Leben ‚im Miteinandersein zu verlieren, sofern
dieses durch Gerede, Neugier und Zweideutigkeit geführt wird’ (Heidegger 2006: 175). (…) Das (…) Existenzial der Angst (vor der Nichtigkeit
des eigenen Seins, d.h. vor dem je eigenen Tod) könnte, in operationalisierter Form, hier sicher als relevante Größe identifiziert werden“ (Köllen 2009: 183 f.).
Auf Grund der Unsicherheit über den Ausgang eines outing (Mueller et al. 2012) und
vielfach wegen der übermäßigen Gewichtung schlechter Ausgänge eines outing im
Wahrscheinlichkeitskalkül (Kahneman 2004) wird meist die Strategie des passing (as a
heterosexual) gewählt – bis es eben nicht mehr geht, und es geht sicher nicht unaufhörlich. Daran ändert auch das Fakt nicht viel, dass in Deutschland immerhin neun von
zehn Kolleg_inn_en von Lesben und Schwulen überwiegend positiv auf ein Selbst-Outing reagieren (Frohn 2007: 10).
Als homo oeconomicus – z. B. Mr. Spock – kann man das passing problemlos ebenso
aushalten wie das Kompensieren oder Überkompensieren des persönlichen „Defekts“
durch (selbst auferlegte) Mehrarbeit und Arbeitsverdichtung oder kann man dem Auffliegen des Versteckspiels emotionslos entgegensehen und die Wahrscheinlichkeit
schlechter Ausgänge ganz cool als objektiv gering einschätzen.
2.3. Verloren im „Schrank“ der Lesben und Schwulen
Als homo sociologicus – z. B. Cptn. Kirk – ist ein outing ein gesellschaftliches no go und
ein individuelles Horrorszenario, das am besten mit allen Mitteln zu vermeiden ist. Das
ist vergleichbar
•
mit dem Versagen der Kosten-Nutzen-Analyse bei unvorstellbar hoher (Umwelt-) Schadensfällen (Weitzman 1974, 2009) und
•
mit der „begrenzten Rationalität“ (bounded rationality) bei Unsicherheit über
die Kosten und Nutzen der Fundierung einer Verhaltensentscheidung unter
Einsatz von – wie hohen? – Kosten (Leibenstein 1966, Reding/Dogs 1986): To
pass or not to pass, this is the (insurmountable) question.
So dominiert die subjektive Empfindung eines Möglichkeitsraums, der eben kleiner ist
als der weit größere objektive, und so wohnt dem „Versteckspiel“ gleichgeschlechtlich
orientierter Menschen eine gewisse Rationalität inne. Selbst für Menschen mit großem Hang zum homo oeconomicus ist „Verstecken“ also gar nicht so irrational.
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© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
Selbst auf der Arbeitgeber_innen_seite finden sich mehr oder weniger kurzfristige
ökonomische Argumente dafür, Unterschiedlichkeiten und ihre Konsequenzen ungeregelt und ungenutzt zu lassen.
•
Die Mitarbeiter_innen und die Kund_inn_en sollen nicht verstört, also in ihrer
Leistung bzw. in ihrer Firmentreue nicht gestört werden.
•
Wie viele homosexuelle Mitarbeiter_innen werden wir wohl haben? Es ist wohl
eine zu vernachlässigende Kleinigkeit.
Die lose-lose situation für Arbeitnehmer_innen und Arbeitgeber_innen ist daher oft
stark verankert.
Auf Seiten der Arbeitgeber_innen wird zu einem großen Teil nur schwach auf das
Empfinden der Mitarbeiter_innen fokussiert. Arbeit ist nämlich nicht gleich Arbeit. D e
n Arbeitsmarkt schlecht hin gibt es nicht. Es gibt vielmehr – grob segmentiert –
•
den primären (gute, sichere Jobs für wertvollste Mitarbeiter_innen) und
•
den sekundären Arbeitsmarkt (schlechte, unsichere Jobs für unter/durchschnittliche Mitarbeiter_innen).
Im primären Sektor des Arbeitsmarktes ist das Unternehmen bemüht, die Mitarbeiter_innen ans Unternehmen zu binden; im sekundären Arbeistmarktbereich ist für das
Unternehmen die hire and fire-Strategie reizvoll (Appelbaum 1982, Leontaridi 1998).
Abnormale Arbeitskräfte könnten Kund_inn_en und Kolleg_inn_en verstören – also
fire and hire. Don’t ask, don’t tell ist die Devise der Vorsichtigen, die um ihren Job bangen müssen (Sekundärsektor mit fire and hire-Beschäftigung). So verwundert es nicht,
wenn immer wieder Personalist_inn_en meinen: Bei uns gibt es keine Homosexuellen
(ein wenig ähnlich wie im Iran von Ahmadineschad). Tatsächlich verstecken sich diese
in ihrem „Schrank“. Und selbst die bevorzugten Arbeitnehmer_innen im Primärsektor
der Beschäftigung, wo die wichtigsten Leute nahezu bedingungslos an die Firma zu
binden gesucht werden, stellt sich die Frage, wie das Thema Homosexualität verhandelt und der Umgang damit geregelt wird. Also kann auch jemand im Primärsektor
gefangen sein – allein, er oder sie tut sich dabei freilich leichter als im Sekundärsektor.
Mitgefangen sind ihre jeweiligen Prinzipal_inn_e_n (Vorgesetzten). Mit einem Satz ist
das Wichtigste gesagt:
“Betriebswirte haben in den vergangenen Jahren immer wieder in Experimenten und Feldversuchen nachgewiesen: Im Arbeitsleben werden
Frauen, Behinderte, Alte, Homosexuelle und Angehörige von ethnischen Minderheiten noch immer benachteiligt – nicht nur in den USA,
sondern auch in Europa“ (Müller 2010: 1).
Eine Linzer Ökonomin hat mit diesen Techniken die relativen Chancen von Lesben auf
dem österreichischen Arbeitsmarkt untersucht und ebensolche Ergebnisse erhalten:
“Little research has been done to examine discrimination against gays
and lesbians in the labor market. Badgett (1995) was the first to investigate labor market outcomes of gays and lesbians using a random data
set. (…) Job applications of candidates, who are equivalent in their human capital but differ in their sexual orientation, are sent out in re-
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© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
sponse to job advertisements. Furthermore, to test whether increased
masculinity affects labor market outcomes, the applicants differ in their
perceived gender identity. While results show a strong negative effect
for lesbian orientation, gender identity does not have a significant overall
impact
on
hiring
chances.
(Weichselbaumer
2003:
http://fodok.jku.at/fodok/publikation.xsql?PUB_ID=14159, 17.1.2012)
„Der ökonomische Schaden, den wenig weltoffene Arbeitgeber dabei
anrichten, ist immens. Wenn sie beim Auswählen ihrer Mitarbeiter vor
allem auf deren äußere Merkmale statt auf deren Fähigkeiten achten,
schaden sie damit ihrem eigenen Unternehmen“ (Müller 2010: 1).
Ein gemeinwirtschaftliches Großunternehmen in Oberösterreich war schon immer
dieser Auffassung – bis vor kurzem, als dem Betriebsrat angst und bang wurde vor den
(dienstlichen) E-Mails, welche die vermutete Homosexualität des einen oder der anderen Mitarbeiterin zum Ziel hatten. Daraufhin rüstete sich der Betriebsrat in einem Seminar mit externen Expert_inn_en.
Freilich gibt es in den Unternehmen viele Lesben und Schwule als „U-Boote“, und sie
werden einmal auftauchen (müssen). Der programmierte, potenzielle Konflikt birgt
aber auch die Chance für Fortschritt.
“Even though social identities involve conflict, this conflict is a guideline
towards understanding social identities and the answer to its related
problems
lies
therein.”
(Archangel
1998:
3
http://www.crvp.org/book/Series04/IVA-9//ch4.htm, 17.1.2012)
Generell gilt: Unternehmen und ihre – „versteckten“ – homosexuellen Mitarbeiter_innen verlieren beide.
2.4. Individuelle und gesellschaftliche Nachteile
Es gibt gesellschaftliche Nutzeneinbußen an Individual- und Kollektivgütern i. w. S.
(Nowotny 1996), so genannte soziale Wohlfahrtsverluste, infolge der Ineffizienz durch
Diskriminierung:
•
a
Der Anreiz und die Anstrengungen der Arbeitnehmer_innen, ihren „Defekt“ zu (über-)kompensieren oder ihre sexuelle Orientierung ja zu verbergen (Köllen 2009), bedeuten schlechten statt guten Stress, bedingen
Dauerbelastung und furchtbaren Existenzkampf statt fruchtbare Herausforderung, bedeuten Überlastung statt Optimalbelastung und führen dadurch eher zum Burn-out. Der ohnehin existente Trend der Verdichtung, Intensivierung und Flexibilisierung der Arbeit (Bergner 2011)
mit seinem begleitenden Belastungssyndrom wird dadurch wesentlich
verschärft.a
Die japanischen Großindustrien – einst Vorbild für Europa – sind längst zurück vom Irrweg
des Auspowerns; ihre Nachfolger in Europa sind größtenteils noch im Zug der Lemminge
dorthin.
8
© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
•
„‚Heterogene Teams sind meist einfach kreativer und innovativer’, sagt
Stefan Süß, der an der Universität Düsseldorf BWL lehrt. Und dies sei
eindeutig ein Wettbewerbsvorteil im immer stärker werdenden globalen Wettbewerb“ (Müller 2010: 1).
•
Einbußen an Performance erleiden Unternehmen also sowohl auf der
Kosten- als auch auf der Ertragsseite und komprimieren den Gewinn
somit beidseitig. Umgekehrt gilt:
„Der Erfolg der Vielfalt-Förderung lässt sich belegen, rechnete ein
Forscherteam der Universität Colorado kürzlich vor. Es verglich die
Geschäftszahlen der 50 US-Firmen, die sich nach Angaben der Organisation „Diversity-Inc“ nachweislich am meisten für die innerbetriebliche Vielfalt engagieren. Ihre Gewinnspanne lag im Schnitt drei
Prozent[punkte; Anm. RB] höher als bei Wettbewerbern aus derselben Branche“ (Müller 2010: 2).
•
Selbst die Diskriminierenden leiden: Homophobie ist im Grund eine
Angst bei der Auffassung des Selbst vor Homosexuellen als den „Anderen“ (Archangel 1998)b sowie
•
ihren vermeintlichen Einflüssen auf die Gesellschaft – in Richtung einer
offeneren, eher gleichen, einer weniger männlich autoritären und weniger ideologisch starren Gesellschaft – (Edwards 20074, Smith 2010,
Fisch 2011) sowie
•
auf eventuell verborgene eigene Anteile von Homosexualität am sexuellen Begehren (Dannecker 2006)5.
•
Homophobe suchen ihre Ausflucht in der Verachtung, Ausgrenzung,
Diskriminierung und sogar Aggression (nonverbal, verbal, physisch).
•
Für Marginalisierung von und Ausschreitung gegenüber Homosexuellen
sind die zu kurz Gekommenen – das eine „Drittel“ in einer „Zwei-DrittelGesellschaft“ – besonders anfällig. Gerade ihnen verschafft das Herabschauen auf Lesben (pejorativ: „Lesberln“) und v. a. Schwule (abwertend: „Schwuchteln“ etc.) einen Nutzen, doch es sind die Anfeindungen
und Übergriffe, die hier entscheidend als negativ zu bewerten sind (Engel 2008, Mesquita 2008) und folglich in Einbußen an sozialer Freiheit
münden.
“Poverty is an acute problem for a sustained social freedom.” (Morkuniene
1998:
http://www.crvp.org/book/Series04/IVA-9//ch9.htm,
17.1.2012)
Vgl. http://www.no-burnout.at/ und http://www.xing.com/profile/Ruth_Kropshofer
(17.1.2012)
b
“(…) in spite of this propensity of the Self for the Other, there is stark fear and insecurity of
the self with regard to the Other.” (Archangel 1998:
http://www.crvp.org/book/Series04/IVA-9//ch4.htm, 17.1.2012)
Für einen Überblick über die Theorien zur Entstehung von Homophobie vgl. Adam (1998).
9
© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
•
3.
Ähnliches gilt für Traditionalismus, ausgedrückt durch überkommene
Geschlechterrollen (gender stereotypes) und heterosexuelle Ehen und
Familien mit patriarchalem Gepräge. Die aus ihnen erwachsende Homophobie manifestiert sich insbesondere in Bezirken mit geringem sozialem Zusammenhang, hoher Fluktuation in der Wohnbevölkerung, geringen Anteilen von Wohneigentum und hohen Verbrechensquoten
(McVeigh/Diaz 2009). Eine Kausalität von sozialer Lage über Konservatismus hin zu Intoleranz könnte als eine Ausgangshypothese aufgestellt
werden. Auch hier bedarf es (wie im vorigen Punkt) einer wertenden
Abwägung auf sozial-ökonomischer Ebene zwischen dem Nutzen der Intoleranz und dem Schaden der Diskriminierung.
Win-win Situation
3.1. Out zu sein ist allein zu wenig
Sichtbarkeit ist eine Strategie der Lesben- und Schwulenbewegung. Doch selbst wenn
viele oder gar die meisten Homosexuellen “out in office“ wären (aber die allermeisten
sind es – noch lange – nicht: Köllen 2009), ist das wohl keine hinreichende Bedingung
für beendete Diskriminierung und beginnende soziale Inklusion.
„Ich habe gezeigt, dass eine Steigerung der Sichtbarkeit von Lesben,
Schwulen und transgender-Personen an sich noch nicht unbedingt einen Gewinn, geschweige denn ein Anzeichen für einen Rückgang von
Heteronormativität darstellen muss. Eine gegenteilige Annahme übersieht das komplexe Verhältnis verschiedener Formen von Sichtbarkeit
und Unsichtbarkeit bzw. von Sichtbarkeit und politischer Macht, sondern auch die Koppelung von Sichtbarkeit an normative Konventionen
der Lesbarkeit. Zudem gilt es, neoliberale Integrationsangebote an Einzelne, die u. a. spezifische Sichtbarkeiten von Schwulen und Lesben befördern, mit Argwohn zu betrachten, dienen sie doch nicht selten dazu,
Heteronormativität eher zu bestätigen denn herauszufordern“
(Mesquita 2008: 144).
Strategien für Effektivität und Nachhaltigkeit sind also gefragt (Bartel 2010), zumal der
Drang nach Sicherung der eigenen Situation und Entwürfe – zumindest im Feldexperiment – allgegenwärtig ist (Hehman et al. 2012: 46):
“(…) when a group constituted the majority, its members generally preferred assimilationist policies, and when a group constituted the minority, its members generally preferred pluralistic policies. The results support a functional perspective: Both majority and minority groups seek to
protect and enhance their collective identities.“
Ein solcher Assimilationismus ist nicht zu unterschätzen, sondern zu regeln. Im Fall bestehender Nichtdefinition und -regelung seitens der Organisation bieten sich Möglichkeiten zur
willkürlichen Aus- oder Umgestaltung der jeweils existenten starken oder schwachen Diver-
10
© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
sität nach Maßgabe der dadurch vorgegebenen Voraussetzungen an Meinungen (Unzueta
et al. 2012) und letztlich für Machtausübung.
“(…) diversity is a malleable concept capable of being used either to attenuate or to enhance
racial inequality. (…) without a specific delineation of what the concept means in particular
contexts, people may construe diversity in a manner consistent with their social motivations.” (Unzueta et al. 2012: abstract)
3.2. Wünsche an die Manager_innen und an die Organisation
Es wurden Kriterien erfragt, die aus Sicht der Arbeitnehmer_innen das Unternehmen
als Arbeitgeber in verschiedener Hinsicht attraktiv machen (Bergner 2011) – und auch
Ansatzpunkte zum Abbau von Reibungsverlusten aus falsch gelebter Diversität (Konrad 2011) und latenter bis offener Homophobie zeigen. So berichtet Bergner (2011) zu
einschlägigen Studien und konkretisiert die Erwartungen der Arbeitnehmer_innen im
Allgemeinen:
•
Führungspersonen sollen Sicherheit geben (ehrlich, vertrauenswürdig,
verlässlich, hilfsbereit, fair, respektvoll und beständig sein), unterstützen adäquate Stellenbesetzung nach Kompetenz, suchen Talente, leben
die Unternehmenswerthaltungen vorbildhaft, tragen zu positiven Konfliktlösungen bei und fördern die gemeinsame Anstrengung im Team
und zwischen den Teams.
•
Organisationen sollen ihre Unternehmenskultur konsequent hochhalten und realisieren, Klarheit schaffen sowie Persönlichkeitsentwicklungen vorantreiben; Fortbildungen und mentoring sollen Konfliktmanagement, Motivationstraining, empowerment und wechselseitige
Kommunikation und ein Lernen daraus umfassen.
Soziale Kompetenz ist gefordert, gerade in sensiblen Bereichen. Doch Theorie und
Praxis klaffen „besorgniserregend“ (Bergner 2011: 80) auseinander. Dem Betriebsrat
würde eine verstärkte Wahrnehmung seiner allgemeinen Schutz- und Gestaltungsfunktion zukommen, um seiner abnehmenden faktischen Bedeutung besser gegenzusteuern (Formann 2011).
3.3. Zur Lage der homosexuellen Arbeitnehmer_innen
In Bezug auf die gegebene Situation von Lesben und Schwulen in der Arbeitswelt
Deutschlands stellte Frohn (2007) eine der seltenen Befragungen an und gelangte zu
folgenden Ergebnissen.
•
Die Mehrheit der Befragten traut sich, am Arbeitsplatz inzwischen offener mit ihrer homosexuellen Orientierung umzugehen als noch vor
zehn Jahren.
11
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•
Ebenfalls eine Mehrheit war schon einmal gezwungen, ihre gleichgeschlechtliche Ausrichtung zu verheimlichen (nur ein Viertel hat in dieser
Hinsicht keine Probleme).
•
Die Hälfte der teilnehmenden homosexuellen Dienstnehmer_innen redet mit Kolleg_inn_en nicht offen über ihre Sexualität, noch mehr nicht
mit Führungspersonen.
•
In traditionellen Wirtschaftsbereichen tun sich Lesben und Schwule mit
Offenheit gegenüber ihrer Sexualität schwerer (besonders beim Heer),
•
in kleinen Unternehmen fällt es ihnen leichter, und
•
in Unternehmen mit einschlägigem diversity management gehen mehr
von ihnen offener mit ihrer Homosexualität um.
•
In den meisten Fällen existiert kein innerbetriebliches Netzwerk für
LGBT (Lesben, Gays, Bisexuelle und Transsexuelle) – die Engagierten
treten zugleich auch offener auf –, und
•
nur die Hälfte der ohnedies geringen Netzwerke ist vom Unternehmen
anerkannt.
•
Mit Vierfünftelmehrheit bzw. Dreiviertelmehrheit beurteilen die Befragten das Klima betreffend gleichgeschlechtliche Lebensweisen im
Team bzw. im Betrieb als gut – allerdings ist der subjektiv empfundene
Möglichkeitsraum für völliges „geoutet“ Sein offenbar weit geringer
(siehe oben).
•
Das Gefühl der Diskriminierung wegen ihrer Sexualität scheint bei Lesben und Schwulen am Arbeitsplatz sehr ambivalent zu sein (je nach
Fragestellung verschieden und nicht sehr kohärent).
•
Jedenfalls steigert die Offenheit über seine oder ihre sexuelle Orientierung (also wenn die Hemmschwelle überwunden ist) die Arbeitszufriedenheit und
•
bewirkt eine stärkere Verbindung ans Unternehmen, ein höheres commitment gegenüber dem Unternehmen.
•
Unternehmen, die sich als gay-friendly deklarieren und dadurch so
wahrgenommen werden, können sich über gesteigerte Bewerbungen
bei ihnen und Kaufentscheidungen ihrer Produkte bei einer weit überwiegenden Mehrheit der befragten Lesben und Schwulen freuen.
•
Ebenfalls sehr hohe Zustimmungsraten erhalten die Thesen von der
Kreativitätssteigerung durch soziale Integration als Lesben und Schwule
am Arbeitsplatz und
•
von einer spezifisch lesbisch/schwulen Sozialkompetenz.
•
Als Fazit stellt Frohn (2007) fest, dass es eine Verbesserung der Situation von Homosexuellen am Arbeitsplatz gegeben hat, aber
12
© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
•
dass diese Situation immer noch schlechter ist, als es unter den verbesserten Bedingungen zu erwarten war.
Immerhin sei darauf hingewiesen, dass Frohn (2007) nur eine deskriptive statistische
Auswertung der erhobenen Befragungsdaten angestellt hat und somit das Fehlen von
Regressionsanalysen das Ausräumen scheinbarer Unstimmigkeiten innerhalb der stilisierten Fakten nicht ausräumt.
3.4. Die Freiheit, die sie meinen …
Freiheit ist ein Begriff, der in Ökonomik und Politik bipolar ausgelegt wird (Bartel
2009):
•
zum einen aus formeller, pozeduraler, absentistischer Sicht, als Freiheit
von korporatistischem Zwang (z. B. als die Freiheit der Homosexuellen
in Arbeitsmarkt und Beschäftigung: quasi „sie sollen tun, was sie wollen“),
•
zum anderen aus inhaltlicher, ergebnisorientierter, gestalterischer Perspektive (etwa die volle Entfaltungsmöglichkeit von Lesben und Schwulen in der Arbeitswelt); Morkuniene (1998) nennt es „soziale Freiheit“
(im Sinn von „gesellschaftliche Freiheit“).
So reicht das Spektrum an Freiheitsinhalten von „Freiheit vor etwas“ bis „Freiheit zur
Zielerreichung“, von disentanglement oder liberation bis empowerment oder capability. Dementsprechend wird entweder die Auffassung vertreten, Homosexualität sei
doch ohnedies nicht mehr verboten und unter Strafe gestellt (wobei noch bestehende
Benachteiligungen sachlich zu rechtfertigen sein sollen). Oder es wird die Meinung
verfolgt, dass als Zielsetzung das Recht und die Möglichkeit auf gesellschaftliche Teilhabe (soziale Inklusion) zu verfolgen seien, was seinerseits positive Diskriminierung
(im Jargon oft affirmative action genannt) begründet.
3.5. Soziale Freiheit: wozu und wie?
Durch effektive und nachhaltige Antidiskriminierung in Gestalt der Schaffung gleicher
Möglichkeiten (ganz im Sinn von Chancengerechtigkeit) ergibt sich eine sozioökonomische Rendite (i. w. S., d. h. ein gesamtgesellschaftlicher Vorteil), und zwar
•
nicht nur für das betroffene Individuum (also Nutzenzuwachs für Lesben und Schwule),
•
sondern selbst für die Allgemeinheit (positive Externalität, sozialer Nutzen).
Ein ungeheures wirtschaftliches und gesellschaftliches Potenzial ist bzw. wäre durch
Unternehmenspolitik und/oder Wirtschaftspolitik zu erschließen.
“(…) it [social freedom] means a search for measures and possibilities to
achieve the goals of social development and improvement. Social free-
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dom implies the creation and preservation of conditions in which each
citizen can develop as an educated, creative and responsible personality.
It is very important to note the difference between the common sense
concept of freedom of choice and the social concept of freedom based
first of all on economic and cultural measures. Social freedom gives priority to national consciousness and intellectual resources. Such comprehension of identity implies the protection of the vitally important interests of the person from threats arising from internal factors. (…) We
must think about the freedom of a society developing under rapidly
changing conditions. At present we can see that the rapid change of social conditions has many negative consequences. Social harmony is in
decline.” (Morkuniene 1998: http://www.crvp.org/book/Series04/IVA9//ch9.htm, 17.1.2012)
Aus den aufgezeigten Gründen ist ein alleiniger bottom-up approach ähnlich ineffektiv
wie es ein isolierter top-down approach einer mandatorisch aufgepfropften Regulierung wäre. Also liegt ein two-handed approach nahe, der dadurch noch effektiver
wird, dass er durch Aufklärungsinitiativen horizontaler Art (peer-group mentoring wie
durch agpro: www.agpro.at, 18.1.2012) oder vertikaler Art (korporatistische Information: Perkins et al. 2011, wie durch die WKO) für good governance eingeleitet und begleitet wird. Staat, Verbände, Zivilgesellschaft und Destinatarinnen/Destinatare (stakeholders, unmittelbar Betroffene) sollen eine gemeinsame, vielschichtige und zentripetal Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik betreiben (z. B. Evans 2009). Angesichts der
Komplexität moderner Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme mit ihren heterogenen
Interessenlagen wäre alles andere unklug.
“The redevelopment of civil society in our times makes participation a
basic and top priority issue, requiring urgent attention. This involves issues of universal human dignity, of the essentially social nature of the
human person, and of the basic right for every person and group to participate in the life of society. Civil participation and basic well-being appear to be so intricately interwoven, that the present trends towards the
exclusion of many groups (in contrast to the inclusion of all) bear the
most
ominous
implications.”
(Morkuniene
1998:
http://www.crvp.org/book/Series04/IVA-9//ch9.htm, 17.1.2012)
Weiterführend präzisiert Morkuniene die Politik sozialer Freiheit (1998:
http://www.crvp.org/book/Series04/IVA-9//ch9.htm, 17.1.2012) folgendermaßen:
“(…) principal foundations of social freedom, the means that make it
possible not only to mobilize but to form social freedom (…), are:
•
stabilization of living standards and checking unfounded social
differentiation:
•
formation of an equal starting point as regards economic and
social possibilities for all inhabitants of the Republic;
14
© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
•
economic development by applying a technologically modern
principle of "qualitative growth";
•
development of education; (…)
•
cultural foundations (preservation of historical memory and historic consciousness) and rapid cultural progress;
•
development of democratic institutions to ensure civil rights and
freedoms.”
Dabei ist u. a. staatliche Regulierung (d. h. mittels hoheitlichem Zwang) mitunter unabdingbar; je offenbarer und zwingender die Regulierung konstruiert und umgesetzt
wird, desto größer ist nicht nur die Effektivität, sondern auch die Akzeptanz der zu
schaffenden Institution (Laurin et al. 2012). Selbst ein Teil jener, die der neuen Regelung trotz allem anfangs ablehnend gegenüberstehen, gewinnen im Lauf der Zeit neue
Einsicht und Einstellung (am Beispiel der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in
den Niederlanden zeigen dies Badgett 2009 und Lubbers et al. 2009 empirischc).
Bildung ist in diesem Rahmen in ihrer Bedeutung – nämlich Einsicht (in zweierlei Bedeutung) zu ver-/schaffen – besonders hervorzuheben:d
“Lower cognitive ability predicts greater prejudice through right-wing
ideology and low intergroup contact.“ (Hodson/Busseri 2012:
http://pss.sagepub.com/content/early/2012/01/04/09567976114212
06.abstract?rss=1, 17.1.2012)
Hodson und Busseri sagen damit schon vieles in ihrem Titel aus. Perkins et al. (2011)
untermauern empirisch die Wirksamkeit print-medialer Kampagnen an Schulen gegen
bullying.
3.6. „Sexuelle Staatsbürger_innen_schaft“ und Heimat
Lesben und Schwule sind immer noch Staatsbürger_innen zweiter Klasse, obwohl –
wissenschaftlich kaum bis gar nicht haltbar – die Diskriminierungen sachlich nicht
rechtfertigbar sind. Das führte zum Begriff der sexuellen Staatsbürger_innen_schaft.
‘(…) despite more ostensibly “out” politicians and better antidiscrimination measures, strange forms of “passing” are still taking
place in public life. Heterosexual constructions of citzenship are still being privileged.’ (Johnson 2002: 317)
Sexuelle Staatsbürger_innen_schaft ist eben unterschiedlich viel wert: je nach sexueller Orientierung.
c
d
‘Two years after the legalization of same-sex marriages in the Netherlands, 65% of the Dutch
population largely or completely disagrees with the statement “gay marriage should be abolished”.’ (Lubbers et al. 2009: 1714)
Verhaltensänderung durch Zwang wird eher die Vorurteile verstärken, ganz im Vergleich zur
Strategie, die Zielpersonen dafür zu gewinnen, von sich heraus ihre Einstellung zu verändern
(Legault et al. 2011).
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© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
Staatsbürger_innen_schaft bedingt auch das Recht auf Heimat – und zwar Heimat im
soziologischen, nicht staatsbürgerschaftsrechtlichen Sinn (Tucker 1998). Heimat ist für
mich folglich dort, wo ich stolz sein kann auf gewährleistete soziale Freiheit(en), also
auf rechts-, kultur- und wohlfahrtsstaatliche Errungenschaften für die gesamte Gesellschaft: ohne Ansehen des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, des Alters
und nicht zuletzt der sexuellen Orientierung.
3.7. Hoffnungsträger_innen: creative class, creative districts
Die unmittelbarsten Entscheidungen für die Gestaltung des Alltagslebens fallen wohl
in die Kompetenz der Gebietskörperschaft vor Ort: Städte und andere Gemeinden
sowie Bezirke. Die große Herausforderung für Gemeinden im Zuge des Globalisierungs- und Liberalisierungstrends ist die Anpassung der überkommenen Strukturen an
die Erfordernisse sowohl der Weltwirtschaft als auch der Regionalwirtschaft (think
globally, act regionally; Porter 2000).
Eine wesentliche Strategie, die hinfälligen Wirtschaftsstrukturen zu verändern, um die
Region und ihre Wohlfahrt zu sichern und zu stärken, ist die optimale Nutzung von
Humankapital im Hinblick auf Invention und Innovation. Die so ersehnte, umworbene
und gehegte creative class, insbesondere in Städten (Florida 2005: “Cities and the Creative Class“), kann offenbar d e n Unterschied machen und zum Erfolg führen.
„Die Stadt braucht Offenheit in geistiger Hinsicht und geografischer
Mobilität. In einem Klima genussvollen Austauschs über alle erdenklichen gesellschaftlichen Belange von lokaler bis globaler Natur gedeiht
individuelle Selbstverwirklichung zusammen mit sozialer Zufriedenheit,
wächst so etwas wie Lebenszufriedenheit in einem kulturvollen, kreativen Raum (Florida 2005). Schon lange wird in der Volkswirtschaftslehre
das Bildungs- und Kulturniveau als ein sozialer Indikator, ein Wirtschaftsfaktor, ein Klubgut und ein öffentliches Gut sowie folglich als ein
wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Ziel angesehen. Die Stadt als
konzentrierter Lebensraum tut sich hierbei objektiv leichter“ (Bartel
2011: 116).
Allerdings ist diese creative-class strategy nur dann chancenreich, wenn sie wiederum
Element eines wirtschafts- und regionalpolitischen Gesamtkonzepts ist, das freilich die
wirtschaftlich überlebensfähigen Produktionen und die traditionellen Instrumente
nicht ausblendet (Evans 2009).
Die weltwirtschaftliche Integration hat neben ihren Schattenseiten freilich auch ihre
Sonnenseiten (Rodrik 1997, Stiglitz 2004). So erklärt die Neue Wachstumstheorie
(Romer 1994) die erfolgreiche, nachhaltige Entwicklung der Produktivität und des
Wohlstands durch dreierlei (und setzt damit bei Schumpeter 19126 fort):
•
das Volumen des (Welt-)Handels mit der Anzahl der geschäftlichen und
auch privaten Kontakte, um Informationsaustausch in expliziter oder taziter Form (spill-overs) zu fördern und dadurch die Kreativität anzuregen;
16
© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
•
die Varietät der Produkte selbst, nämlich mit ihrem Ausmaß an Verschiedenartigkeit als eine Chance für verbesserte Information und Kreativität;
•
die Optimierung der Kombination von technisch anspruchsvollem Sachkapital – als Ergebnis von F&E – mit dem adäquaten und somit ebenso
anspruchsvollen Humankapital (Blanchard et al. 2010).
V. a. beschränken sich Diversität und Kreativität aus dieser Perspektive nicht auf Humankapital für die Produktion und technische Verfahrens- und Produktinnovation,
sondern sind umfassend zu sehen. Alles was unmittelbar Lebensqualität bringt, also
einfach ein Platz zum Wohlfühlen, charakterisiert durch
•
ein integratives soziales Umfeld
•
mit interessanten Menschen
•
in einer die verschiedensten Möglichkeiten bietenden Umwelt (Infrastruktur)
•
mit attraktiven Bedingungen für gestalterische Partizipation in kommunalen (im doppelten Sinn des Worts) Belangen und
•
angenehmen, befriedigenden Arbeitsbedingungen.
Großstädtische Planer_innen finden Strategien, welche die unterschiedlichen persönlichen Interessen in einem gemeinsamen Konzept unterbringen. Inclusive planning
wird nicht mehr in Frage gestellt (Shaw 2005: 167).7
Dank der guter Telekommunikations- und Verkehrsverbindungen müssen sich die creative districts mit ihrer creative class nicht auf große Städte beschränken, sondern
können auch überall dort aus der Taufe gehoben werden, wo das Leben lebenswert ist
oder gemacht wird. Allerdings können creative districts nach den hier vorliegenden
Studien bislang erst nur in Städten mit über 100.000 Einwohner_inne_n in den USA
(Richard Florida 2005) und Skandinavien (Andersen et al. 2010) identifiziert werden.
Der Ort, mit dem die Regionalwissenschaft spricht, ist begrifflich ausdehnbar und inhaltlich übertragbar auf den sozialen Raum, in dem (auch) gleichgeschlechtlich liebende Menschen interagieren und – in Analogie zu ihrem beanspruchten „right to the
city“ (Shaw 2005: 149) – ihr Anrecht auf normale (im Sinn von diskriminierungsfreie)
Arbeits- und sonstige Lebenssphäre wahrnehmen wollen.
3.8. Das Unternehmen: Teilöffentlichkeit und Heimat
Finden und wo finden Lesben und Schwule eine solche Heimat – aus grundrechtlichen
Gerechtigkeitsüberlegungen, aus Gründen der Chancengerechtigkeit und Lebensqualität sowie auch im Interesse der Wirtschaft und Gesellschaft als Ganzes: nun, nicht zuletzt an ihrem Arbeitsplatz, in i h r e m Unternehmen, in einer für sie ganz wesentlichen Teilöffentlichkeit. Am Arbeitsplatz werden die Vorgesetzten, Kolleg_inn_en und
Untergebenen nach Mead als „generalisierter Anderer“ aufgefasst,8 und dieser kann
für lesbische und schwule Mitarbeiter_innen die öffentliche Meinung repräsentieren:
Das ist nach Heidegger die „Diktatur des Man [Über-Ich; Anm.]“ (Köllen 2009: 179).
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© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
Es geht in Wirtschaft und Politik um soziale Wohlfahrt (grob: um ein bestmögliches
Leben) – sollte es zumindest; eben in unser aller Interesse.
3.9. Diversity management
Köllen (2009: 177) hat die Arbeitsplatzsituation von Lesben und Schwulen umfassend
und eingehend analysiert und dem diversity management gleichsam die Gesamtnote
„Wichtig“ erteilt:
„Diversity Management einen signifikanten Einfluss auf das Arbeitsklima für Schwule und Lesben hat und dazu beiträgt, dass Schwule und
Lesben das sie umgebende Arbeitsklima als weniger feindlich bzw. –
positiv ausgedrückt – unterstützend wahrnehmen.
Das zweite wesentliche Ergebnis ist, dass die Wahrnehmung des Arbeitsklimas einen erheblichen Einfluss auf die Art und Weise hat, wie
Lesben und Schwule mit ihrer Homosexualität am Arbeitsplatz umgehen. Je positiver das Klima wahrgenommen wird, desto offener gehen
Schwule und Lesben mit ihrer Sexualität im KollegInnenkreis um und
desto weniger intensiv wird versucht, die eigene Homosexualität zu
verbergen. Eine Ausnahme bilden dabei Handlungen, die von Lesben
und Schwulen gesetzt werden, welche dem Umfeld Deutungsspielraum
zur eigenen Sexualität lassen – solche Handlungen werden scheinbar
unabhängig von der eigenen Klimawahrnehmung in der gleichen Häufigkeit gesetzt.“
„Sowohl die Ergebnisse der Fallstudie als auch der Querschnittserhebung zeigen deutlich, dass ein positiver Zusammenhang zwischen dem
Vorhandensein von Diversity Management zu sexueller Orientierung
und dem von Lesben und Schwulen wahrgenommenen Arbeitsklima
besteht. (…) Die Zuweisung von Bedeutung durch die im Unternehmen
arbeitenden Individuen zum Konstrukt Homosexualität wird durch
Diversity Management somit dahingehend positiv beeinflusst, dass es
mehr in Richtung eines integralen Bestandteiles von Unternehmenswirklichkeit gedeutet wird“ (Köllen 2009: 180).
„Ein als unterstützend wahrgenommenes Arbeitsklima kann auf der individuellen Ebene der schwulen und lesbischen MitarbeiterInnen Ressourcen mobilisieren, die mittelbar durch die eigene Leistungssteigerung dann auch Auswirkungen auf die betriebliche Leistungsfähigkeit
haben können. Die potentiell positive Wirkung eines als unterstützend
wahrgenommenen Arbeitsklimas auf den individuellen und betrieblichen Erfolg wird wiederum noch einmal gesteigert durch den Einfluss,
den das Arbeitsklima auf die Art und Weise hat, wie Lesben und Schwule mit ihrer Homosexualität am Arbeitsplatz umgehen“ (Köllen 2009:
185).
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© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
3.10. Außerbetriebliche Einflüsse aufs Arbeitsklima
Es kommen allerdings auch außerbetriebliche Einflüsse auf das Arbeitsklima für Lesben und Schwule zum Tragen (Köllen 2009: 182):
„Die mit Abstand größte positive Wirkung auf das wahrgenommene Arbeitsklima für Schwule und Lesben geht demnach von der betrieblichen
Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit Ehen aus.“
„Für Unternehmen scheint es vor diesem Hintergrund durchaus lohnend, Diversity Management Maßnahmen zur Dimension ‚sexuelle Orientierung’ zu implementieren. Für Unternehmen, die gerade erst beginnen, Diversity Management-Strategien umzusetzen bzw. für Unternehmen, die bisher den Faktor ‚sexuelle Orientierung’ aus ihrem Diversity-Konzept ausgeklammert haben, kann ein möglicher erster Schritt
zur Integration dieser Dimension die betriebliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und Ehen sein“ (Köllen 2009: 186).
Geht es den Menschen gut, geht es der Wirtschaft gut.
3.11. Reichtum, die offene Gesellschaft und ihre Feind_inn_e_n
Reichtum bedeutet in den Wirtschaftswissenschaften eine Vielzahl an unterschiedlichsten Theorien und Methoden, aus denen gewählt werden mag und die weiter entwickelt werden können.
Reichtum bedeutet in der Wirtschaftspraxis materiellen Wohlstand, in der Gesellschaft
darüber hinaus auch immaterielle Wohlfahrtskomponenten: Etwa schätzen die Menschen Fairness und Gerechtigkeit (Isaksson/Lindskog 2009) und verachten deshalb
eine extreme Polarisierung sozialer Wohlfahrt.
Diversität im Speziellen und die Freiheit, s e i n o d e r i h r Leben leben zu können,
bilden nicht die einzige, aber eine nicht zu missende Grundlage sowohl für unseren
Wohlstand als auch die soziale Wohlfahrt in unserer Gesellschaft.
Sollten einige Menschen trotz aller Bemühungen für eine gemeinsame good governance die Intoleranz gegenüber und die kategorische Ablehnung von Diversität vorziehen,e so spricht Lewis (2002) von – objektiv unbegründbarer – „purer Intoleranz“.
Diese dürfe in einer wahrhaften und lebendigen Demokratie dem sozialökonomischen Fortschritt nicht im Weg stehen. Reine Intoleranz ist nur dort zu tolerieren, wo sie keine Auswirkungen auf andere Menschen nimmt. Andernfalls ist die
sozial-ökonomische Optimierung aus grundlegender staatspolitischer Räson unter Einsatz von Regelung und Zwang abzuschaffen. Niemand ist eine Insel.9
e
Daran ändert das Vorhandensein emotionaler Intelligenz (zweckrationale Beherrschung von
Emotionen) nicht unbedingt etwas zum Besseren (Côté et al. 2011).
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© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
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Endnoten
23
© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
1
„(…) der Grund, warum er berühmt geworden ist, warum er überhaupt eine Autobiografie schreiben kann, die sich tatsächlich verkauft, ist, dass er in einer erst mal gefloppten 1960er-Jahre-Serie Außerirdische anbaggerte und verprügelte: Er war James
Tiberius Kirk, Captain des Raumschiff Enterprise.
William Shatner ist ein wundervoll gescheiterter Mensch. Er tröstet sich mit seinem
Erfolg, und niemand kann ihm sein dickes Ego wirklich übelnehmen. Seine Autobiografie Durch das Universum bis hierher liest sich, wie man es von dem alten
Schaumschläger erwartet: Anekdotenhaft ausschweifend pendelt er zwischen trockener Selbstverarsche und inbrünstiger Selbstüberhöhung“ (Pumhösel, Alois, 2010,
Logbuch des Kapitäns, in: Der Standard, 20. Feb., S. 32).
2
“It is not difference which engenders cultural conflict, but the attitude of refusing to
really interpret another being. In past human history, we already have enough disasters. Is it really so difficult to understand another; is it really so necessary to criticize,
even to destroy a different culture by killing or fighting? Unfortunately, as human beings we have wreaked a lot of destruction. We need to begin to think thus: tolerance
will not come automatically, but will exist only through interpretation based on a desire of a fusion of horizons with another human being. In this desire, people enter the
process
of
forming
and
reforming.”
(Huang
1998:
http://www.crvp.org/book/Series04/IVA-9//ch18.htm, 17.1.2012)
3
’(…) before there can be a conflict there must be "con-flictors", for conflict is not
possible ex-nihilo. Therefore, to talk of a social conflict is to presuppose people who
conflict. In other words, the existence of conflictual parties provides the basis for the
conflict. In this regard social identities do matter or more technically, the conflictual
latency matters. The latent conflict does not imply a specific concrete and active conflict, but it is ever waiting for an opportunity to be active. Therefore it matters. Put
succinctly, do away with the conflictual substratum and the conflict disappears.”
(Archangel 1998: http://www.crvp.org/book/Series04/IVA-9//ch4.htm, 17.1.2012)
4
“Claims about the spectre of gays and lesbians marrying reveal a deeper unease
about the status of heterosexual marriage and the nuclear family. These concerns, in
turn, house a deeper unease about the nature and place of masculinity in contemporary Australian society. This disquiet about masculinity and masculine authority is
isomorphic with concerns about challenges to the notion of an objective epistemological order. Marriage and nature are both sacred in Durkheimian terms because they
must be radically separated from matters profane. By locating heterosexual marriage
within the domain of nature, it is protected from contact with things that threaten its
sacred status. However, Durkheim’s theory of the sacred is simultaneously an account of the exercise of ideological power. Attempts to cast heterosexual marriage as
sacred and, therefore, as inviolate are inextricably linked with attempts to protect an
epistemological order linked to masculine authority.” (Edwards 2007: 247)
5
„Angesichts der erdrückenden klinischen Erfahrung und der sie bestätigenden Forschungsergebnisse muss man wohl davon ausgehen, dass nur ein kleiner Teil der
Männer konflikthaft erlebte gleichgeschlechtliche Phantasien hat. Ein sehr viel größerer Teil der Männer scheint dagegen Konflikte mit Passivitätswünschen zu haben. In
der Vorstellungswelt solcher Männer fungiert die Figur des passiven und unmännlichen Homosexuellen häufig als eine Bestätigung ihrer Ängste, kein richtiger Mann zu
sein. Der amerikanische Psychoanalytiker Richard Friedman hat die Vorstellungswelt
24
© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
solcher Männer einmal auf die Gleichung gebracht: ‚Ich bin ein Versager = Ich bin
kein Mann = Ich bin kastriert = Ich bin ein Homosexueller’ (…)“ (Dannecker 2006:
10).
6
"Capitalism, then, is by nature a form or method of economic change and not only
never is but never can be stationary. And this evolutionary character of the capitalist
process is not merely due to the fact that economic life goes on in a social and natural environment which changes and by its change alters the data of economic action;
this fact is important and these changes (wars, revolutions and so on) often condition
industrial change, but they are not its prime movers. Nor is this evolutionary character due to a quasi-automatic increase in population and capital or to the vagaries of
monetary systems, of which exactly the same thing holds true. The fundamental impulse that sets and keeps the capitalist engine in motion comes from the new consumers’ goods, the new methods of production or transportation, the new markets, the
new forms of industrial organization that capitalist enterprise creates.
(…) the contents of the laborer's budget, say from 1760 to 1940, did not simply grow
on unchanging lines but they underwent a process of qualitative change. Similarly,
the history of the productive apparatus of a typical farm, from the beginnings of the
rationalization of crop rotation, plowing and fattening to the mechanized thing of today – linking up with elevators and railroads – is a history of revolutions. So is the
history of the productive apparatus of the iron and steel industry from the charcoal
furnace to our own type of furnace, or the history of the apparatus of power production from the overshot water wheel to the modern power plant, or the history of
transportation from the mailcoach to the airplane. The opening up of new markets,
foreign or domestic, and the organizational development from the craft shop and factory to such concerns as U.S. Steel illustrate the same process of industrial mutation
– if I may use that biological term – that incessantly revolutionizes the economic
structure from within, incessantly destroying the old one, incessantly creating a new
one. This process of Creative Destruction is the essential fact about capitalism. It is
what capitalism consists in and what every capitalist concern has got to live in. (...)
Every piece of business strategy acquires its true significance only against the background of that process and within the situation created by it. It must be seen in its
role in the perennial gale of creative destruction; it cannot be understood irrespective
of it or, in fact, on the hypothesis that there is a perennial lull. (...)
The first thing to go is the traditional conception of the modus operandi of competition. Economists are at long last emerging from the stage in which price competition
was all they saw. As soon as quality competition and sales effort are admitted into the
sacred precincts of theory, the price variable is ousted from its dominant position.
However, it is still competition within a rigid pattern of invariant conditions, methods
of production and forms of industrial organization in particular, that practically monopolizes attention. But in capitalist reality as distinguished from its textbook picture,
it is not that kind of competition which counts but the competition from the new commodity, the new technology, the new source of supply, the new type of organization
(the largest-scale unit of control for instance) – competition which commands a decisive cost or quality advantage and which strikes not at the margins of the profits and
the outputs of the existing firms but at their foundations and their very lives. This kind
of competition is as much more effective than the other as a bombardment is in comparison with forcing a door, and so much more important that it becomes a matter of
25
© Rainer Bartel, JKU Linz: Diversität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
comparative indifference whether competition in the ordinary sense functions more or
less promptly; the powerful lever that in the long run expands output and brings
down prices is in any case made of other stuff.
It is hardly necessary to point out that competition of the kind we now have in mind
acts not only when in being but also when it is merely an ever-present threat. It disciplines before it attacks. The businessman feels himself to be in a competitive situation
even if he is alone in his field or if, though not alone, he holds a position such that investigating government experts fail to see any effective competition between him and
any other firms in the same or a neighboring field and in consequence conclude that
his talk, under examination, about his competitive sorrows is all make-believe. In
many cases, though not in all, this will in the long run enforce behavior very similar
to the perfectly competitive pattern." (Schumpeter 1943/1975: 82 ff.)
7
‘At the same time as changing global political-economies of land use are displacing
low-income people from inner cities, countering socio-cultural forces are inspiring
marginal communities to resist. (…) Some cities are turning to their planning and
heritage systems to protect the place of alternative culture (…).
(…) the socio-cultural forces that are also reshaping, in a different way, the cities and
regions of the 21st century. These forces require recognition of the people who have
been marginalized in public discourse and practices – indigenous, immigrant, homeless, feminist, gay and lesbian and alternative cultures – and they are creating different understandings of “culture” and diversity. They are inspiring marginal communities to critique (…).
(…) potential of these spaces was realized through the coincidence of interests between cities with strong alternative cultural scenes, and city governments seeking an
edge in the quest to attract the corporate headquarters, tourists and middle class residents whose locational decisions they believe to be so essential to growth in the new
global economy. These cities have found they can capitalize on their alternative
scenes, just as the respective scenes can capitalize on support from the city (and associated capitalists). (…) The next step in this analysis is to pursue the contexts in
which governments are motivated to develop equitable policy responses to other
marginal groups that carry less obvious cultural capital, and have just as great a
claim to a right to the city.’ (Shaw 2005: 149, 167)
8
„Die Instanz des verallgemeinerten Anderen ist jedoch erst dann völlig verstanden,
wenn der Imperativ (dies zu tun oder jenes zu lassen) in eine Norm umgewandelt
wird. Den Unterschied zwischen Imperativ und Norm kann man daran festmachen,
dass nicht mehr (reale oder vermeinte) Sanktionen die Befolgung des Imperativs garantieren, sondern die Norm ihre Autorität durch Zustimmung gewinnt. Der Handelnde muss also die Norm nicht mehr als von außen verhaltensanleitend und verhaltenskontrollierend auffassen, sondern sie als seine eigene verstehen“ (Bedorf 2011: 140).
Das erinnert an Michel Foucaults Konzept der Gouvernmentalität (Fisch 2011).
9
“No man is an island, entire of itself ... any man's death diminishes me, because I am
involved in mankind; and therefore never send to know for whom the bell tolls; it tolls
for thee.” (John Donne, Devotions upon emergent occasions and several steps in my
sickness. Meditation XVII, 1624, http://www.phrases.org.uk/meanings/no-man-is-anisland.html, 18.1.2012)
26