- Kino macht Schule

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- Kino macht Schule
THE FOG
OF WAR
FILMHEFT
Ideen und Anregungen
für den Unterricht
Fog of
Fog
War
of War
Seite 2
Impressum
Herausgeber: Kulturfiliale Gillner und Conrad, Vera Conrad,
Schmellerstraße 26, 80337 München
und Movienet Film GmbH,
Rosenheimer Straße 52, 81669 München,
www.movienetfilm.de
ViSdP: Vera Conrad, conrad@kulturfiliale.de
Texte zum Film: Dr. Ulrich Steller, www.textstrategie.de
Texte zur methodisch-didaktischen Unterrichtsgestaltung:
Karin Springer, karin.springer@gmx.net
Gestaltung: Thomas Kamm, www.bruesseler-spitze.de
Druck: www.Basis-Druck.de
Alle Materialien in diesem Heft dürfen für den Unterricht kopiert werden.
Gedruckte Filmhefte können Sie anfordern bei Movienet Film GmbH,
Rosenheimer Str. 52, 81669 München, Tel.: 089-489 530 51, Fax: 089-489 530 56,
Bestellformular siehe Seite 49
Ansprechpartner: Michael Seidel.
Die elektronische Fassung (pdf) steht unter
www.movienetfilm.de zum Herunterladen bereit.
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VORWORT
Der im Jahre 2004 mit dem Oscar® ausgezeichnete Dokumentarfilm THE FOG OF WAR ist ein wichtiges
Zeitdokument über den ehemaligen US-Verteidigungsminister Robert S. McNamara. Offen und selbstkritisch
reflektiert er über Kriege und Krisen, über Entscheidungen, die Hundertausenden von Menschen das Leben
gekostet haben - vom Zweiten Weltkrieg bis hin zu Kuba und Vietnam. Packende historische Einsichten aus
erster Hand und Zeitdokumente verbinden sich mit überlebenswichtigen Fragen zu den Herausforderungen
von heute.
„Wenn es einen Film gibt, den sich die militärischen und zivilen Führer - und die Bürger der
ganzen Welt - in diesen trügerischen historischen Zeiten ganz genau ansehen sollten, ist es
THE FOG OF WAR.“ Stephen Holden, New York Times
Die Kraft und Aussage von THE FOG OF WAR fordert zu einem intensiven Dialog und zum Weiterdenken
heraus. Das Filmheft möchte Sie dabei unterstützen.
Die vielseitigen Anregungen für die pädagogische Arbeit mit dem Film haben Werkstattcharakter. Blättern
Sie, entdecken Sie und finden Sie heraus, was für Ihren Unterricht geeignet ist.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Schülern anregende Stunden im Kino und im Unterricht.
Ihre Kulturfiliale Vera Conrad
und die Autoren Karin Springer und Ulrich Steller
Um eine Schulvorstellung zu buchen, wenden Sie sich bitte an Ihr Kino vor Ort.
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Fakten zum Film
Regie: Errol Morris
Musik: Philip Glass
Kamera: Peter Donahue,
Robert Chappell
Schnitt: Karen Schmeer, Doug Abel,
Chyld King
Produzenten: Errol Morris,
Michael Williams, Julie Ahlberg
Besetzung: Robert S. McNamara,
Errol Morris (Interviews)
USA, 2003
Länge: 106 Minuten
OmU (Originalfassung mit deutschen Untertiteln)
Freigegeben ab 6 Jahren (beantragt)
Auszeichnungen:
Oscar® 2004 als „Bester Dokumentarfilm“
Deutscher Kinostart: 30. September 2004
www.movienetfilm.de
Dokumentarische Grundlage:
THE FOG OF WAR basiert auf neuen Interviews (aufgezeichnet 2001) mit dem früheren US-Verteidigungsminister
Robert S. McNamara. Ungeschnitten hat dieses Material eine Gesamtlänge von etwa 20 Stunden.
Darüber hinaus verwendet THE FOG OF WAR viele historische Film- und Tonaufnahmen, die bisher nur selten
vorgeführt wurden oder gesperrt waren. Zu ihnen gehören die erst kürzlich freigegebenen Telefon-Mitschnitte
aus dem Weißen Haus. Diese einmaligen Quellen lassen McNamaras Rolle im Vietnamkrieg deutlich komplexer erscheinen als früher generell angenommen.
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Inhalt
„Viele der Aspekte, über die McNamara im Film spricht, sind für das,
was heute vor sich geht, von Bedeutung und es entsteht dieses
surreale Gefühl, dass sich nichts geändert hat.“
Regisseur Errol Morris
Teil 1 Filmanalyse und Materialien zum Film
Inhalt des Films auf einen Blick . . . . . . . . . . . . .
Filmische Mittel 1: Die elf Lektionen . . . . . . . . .
Filmische Mittel 2: Das inszenierte Dokument . .
Filmische Mittel 3: Menschen, Bilder, Emotionen
Filmfachbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Film-Memo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Treffen bei Castro: Eine Sequenzanalyse . .
Krieg und Frieden, oder: Was können wir lernen?
Vietnam - ein amerikanisches Trauma . . . . . . . .
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Teil 2 Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Fächerbezogene Anknüpfungspunkte des Films auf einen Blick
Methodisch-didaktische Anregungen (Einleitung) . . . . . . . . . .
Geschichte verstehen
Vorbereitung auf den Filmbesuch . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zentrale historische Ereignisse im Film . . . . . . . . . . . . .
Der Film als historische Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Historische Dokumentarfilme - ein Vergleich . . . . . . . . .
Selbst als Geschichtsforscher aktiv werden . . . . . . . . . .
Aktuelle Bezüge in der Gegenwart entdecken
Die Schlüsselfrage im Film . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Botschaft des Films . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Strategie der Rechtfertigung auf dem Prüfstand . . . .
Aus der Geschichte lernen
Den Film weiterdenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Demokratie gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 39
Teil 3 Materialien
Historischer Abriss: Der Krieg in Vietnam
Historische Fakten und Personen . . . . .
Bestellformular . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zum Weiterlesen - und Weiterschauen . .
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TEIL 1
Filmanalyse und Materialien zum Film
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Inhalt des Films auf einen Blick
THE FOG OF WAR ist der Rückblick eines Mannes mit einer faszinierenden, einzigartigen Lebensgeschichte.
Jahrelang stand Robert S. McNamara im Zentrum der Macht - in dem blutigsten, kriegerischsten und gefährlichsten Jahrhundert, das die Menschheit bislang erlebt hat. Insbesondere war er als Verteidigungsminister
von Anfang an für das Eingreifen der USA in Vietnam mitverantwortlich.
Der Titel des Films verdankt sich einer englischen Redewendung: Im Krieg, so der Kern dieses Ausdrucks,
hüllen sich die tatsächlichen Ereignisse in Nebel. Auch den Befehlshabern bleibt oft Wesentliches verborgen.
Der Krieg zwingt sie ständig, folgenreiche Entscheidungen zu treffen; zugleich entzieht er ihnen die vernünftigen Grundlagen für ein verantwortliches Handeln.
McNamara rechnet engagiert und schonungslos mit anderen und mit sich selbst ab. An keiner Stelle des
Films inszeniert er sich als Held. Er analysiert tragische militärische Entscheidungen und Situationen, bei
denen um Haaresbreite eine nukleare Eskalation abgewendet werden konnte. In detaillierten persönlichen
Erinnerungen und aus der Sicht der Verantwortlichen lässt er die Bombenangriffe auf Japan im Zweiten Weltkrieg, die Kubakrise und den Beginn des Vietnamkriegs Revue passieren.
Gerade weil McNamara eine so herausragende und umstrittene Rolle in so zentralen Konflikten des 20. Jahrhunderts gespielt hat, provozieren seine Thesen: In militärischen Dingen - und sie entscheiden über die
Zukunft der Menschheit - müsse man Böses grundsätzlich in Kauf nehmen. Ob jemand als Kriegsverbrecher
gilt, hänge daher wesentlich davon ab, wer den Krieg gewinnt. Die Menschheit steuere, vielleicht sogar
unausweichlich, in eine Katastrophe. Denn die militärische Macht wächst, und jeder Fehler kann verhängnisvolle Folgen haben. Weltweit.
Regisseur Errol Morris bebildert die Erzählungen, Argumente und Thesen McNamaras filmisch mit weitgehend unbekanntem Archivmaterial. So führt er die historischen Ereignisse in einer unverbrauchten Sichtweise vor, und als Zuschauer erleben wir auch bekannte Fakten noch einmal neu. Das macht uns bereit für
eine Auseinandersetzung mit der harten Kost, die uns Robert S. McNamara zumutet. Wir entdecken in jeder
Tageszeitung brandaktuelle Bezüge zu den gegenwärtigen Konflikten. Und der „Nebel des Krieges“, so
könnte man paradoxerweise meinen, lichtet sich für einen Moment vor unseren privilegierten Augen.
TEIL 1
Filmanalyse und Materialien zum Film
Robert Strange McNamara:
biografische Daten
Seite 7
11 Lektionen aus dem Leben des
Robert S. McNamara - zusammengestellt von Errol
Morris, der seinen Film nach dieser Abfolge aufgebaut hat:
1916 geboren in San Francisco,
Kalifornien
1939 Abschluss und Lehrtätigkeit in
Harvard (Wirtschaftswissenschaften);
Oberstleutnant der US-Luftwaffe,
organisiert B-29-Bomberstaffeln
1946 geht zur Ford Motor Company;
ab 1957 im Vorstand
1960 November: Präsident der Ford Motor
Company,
Dezember: Verteidigungsminister
unter John F. Kennedy
1961 unterstützt mit seinem Präsidenten
die „Invasion in der Schweinebucht“
1962 Kubakrise; bereitet Luftangriffe und
Einmarsch in Kuba vor
1963 nach Kennedys Tod wieder
Verteidigungsminister unter
Lyndon B. Johnson; leitet das stärkere
militärische Eingreifen in Vietnam
1967 will Friedensverhandlungen für
Vietnam einleiten
1968 verlässt das Pentagon und wird
Präsident der Weltbank
1981
zieht sich ins Privatleben zurück,
tritt ab sofort als Rüstungskritiker
hervor
1995 veröffentlicht sein Memoirenbuch
„In Retrospect“ (Vietnam: das
Trauma einer Weltmacht)
2001 gibt Errol Morris Interviews
für den Film THE FOG OF WAR
dich in deinen Feind
1 Versetze
(Empathize with your enemy)
Vernunft wird uns nicht retten
2 (Rationality will not save us)
Es gibt etwas, das über uns steht
3 (There’s
something beyond one’s
self)
deine Wirksamkeit
4 Maximiere
(Maximize efficiency)
Eine Richtlinie im Krieg sollte Ver5 hältnismäßigkeit
sein (Proportionality should be a guideline in
war)
6
Glauben und Sehen sind oft
7 falsch
(Belief and seeing are both
often wrong)
Hol dir die Fakten (Get the data)
8
Sei bereit, deine Argumente nochmals zu überprüfen (Be prepared
to reexamine your reasoning)
Gutes zu tun, kann es not9 Um
wendig sein, sich auf das Böse
einzulassen (In order to do good,
you may have to engage in evil)
niemals nie
10 Sag
(Never say never)
Du kannst die menschliche
11 Natur
nicht verändern (You
can’t change human nature)
TEIL 1
Filmanalyse und Materialien zum Film
Seite 8
Filmische Mittel 1: Die elf Lektionen
Die strukturelle Grundlage von THE FOG OF WAR bilden elf Lektionen, die der Regisseur aus dem Leben
McNamaras zieht. Sie erscheinen, einzeln herausgehoben, als Insert-Texte zwischen den Filmbildern; die
meisten hören wir auch als wörtliche Zitate in den Interviews. Am Ende schließt sich der Kreis mit dem
Gedanken „aus Fehlern lernen“, der den Einstieg bildete.
Die Lektionen gliedern sich in fünf Feststellungen und sechs Aufforderungen. Inhaltlich sind sie recht unterschiedlich, ja sogar widersprüchlich. Die Spannungen treten noch deutlicher zutage, wenn man die Lektionen
nach Feststellungen und Aufforderungen anordnet:
Feststellungen
Aufforderungen
2 Vernunft wird uns nicht retten
1 Versetze dich in deinen Feind
3 Es gibt etwas, das über uns steht
4 Maximiere deine Wirksamkeit
7 Glauben und Sehen sind oft falsch
5 Eine Richtlinie im Krieg sollte Verhältnismäßigkeit sein
9 Um Gutes zu tun, kann es notwendig
6 Hol dir die Fakten
sein, sich auf das Böse einzulassen
11 Du kannst die menschliche
8 Sei bereit, deine Argumente nochmals zu überprüfen
10 Sag niemals nie
Natur nicht verändern
Die elf Sätze mögen uns vage vertraut, einige sogar populär erscheinen („Never Say Never Again“ / „Sag
niemals nie“ ist beispielsweise der Titel eines James-Bond-Films von 1983). Doch die beeindruckende
Lebensgeschichte und die Präsenz von Robert S. McNamara vor der Kamera verleiht den Maximen große
Eindringlichkeit. Bereits seine ersten Worte machen klar, dass er von nichts Geringerem spricht als vom
Überleben der Menschheit.
Um so provozierender wirken die vielen Widersprüche zwischen den Lektionen: Versetze dich in deinen Gegner hinein, aber Rationalität wird uns nicht retten. Im Krieg musst du auch böse Mittel nutzen, aber beachte
die Verhältnismäßigkeit. Du kannst die Natur des Menschen nicht ändern, aber sei bereit umzudenken, und
sag niemals nie ...
TEIL 1
Filmanalyse und Materialien zum Film
Seite 9
Weit davon entfernt, McNamaras Überzeugungskraft zu schmälern, funktionieren diese Spannungen als effizienter Motor des Films. Sie ziehen den Zuschauer ins Geschehen, sie aktivieren Einspruch oder Zustimmung. Gerade dieses Potential an Widerspruch bildet den roten Faden in THE FOG OF WAR. Dieser Film lässt
sich nicht unbeteiligt konsumieren. An den Widersprüchen entlang suchen wir als Zuschauer, durch all die
bewegenden und faszinierenden Bilder und Dokumente hindurch, unsere Orientierung. Nach dem Film nehmen wir das Bedürfnis mit, sie im aktuellen Leben zu finden.
Fragen:
q Lassen sich die elf Lektionen aus dem Leben McNamaras zusammenfassen - zu drei, zwei oder zu einer
einzigen Kernaussage? Wie könnte eine solche Lektion aller Lektionen lauten?
q Mit dem Epilog distanziert sich der Film behutsam von seinem Protagonisten. Welche unausgesprochene
Lektion des Regisseurs steckt in diesem Schluss?
q Was für andere Lösungen wären als Ende des Films denkbar, und welche Akzente würden sie setzen?
TEIL 1
Filmanalyse und Materialien zum Film
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Filmische Mittel 2: Das inszenierte Dokument
McNamaras Persönlichkeit steht für den Kern der starken und komplexen Wirkung, die dieser Film entfaltet.
Seine Ausführungen haben höchsten dokumentarischen Wert. THE FOG OF WAR unterstützt die Überzeugungskraft McNamaras durch ein vielschichtiges Zusammenspiel von Wort und Bild, von Argumenten und
Belegen. Unter den aufwändig zusammengestellten Bildern, Filmen, Tonaufnahmen sind etliche reizvolle
Funde - beispielsweise eine Titelseite der Detroit Times mit Schlagzeilen zu John F. Kennedy (der neue Präsident), McNamara (wird Chef von Ford) und Richard Nixon (in Kalifornien geschlagen).
Dokumente und Montagesequenzen verbinden sich mit den Interviewausschnitten nahtlos zu einer Einheit. In
der Episode um den 27. Oktober 1962 hören wir Kennedy vom Tonband gleichsam „wiederholen“, was
McNamara berichtet. Sorgsam ausgewählte Fotos zeigen die für die Handlung wichtigen Personen so, als
wollten sie im Film „mitspielen“. Der notorische Falke LeMay dreht sich mit finsterem Gesichtsausdruck in
Zeitlupe zur Kamera. Immer entsteht die Illusion, als seien wir im historischen Moment live dabei.
Doch THE FOG OF WAR ist mehr als nur die Fortführung von McNamaras Worten mit filmischen Mitteln. Aus
etwa 20 Stunden Originalinterviews kommen nur etwa 10 % zum Einsatz; Schnitt und Montage entscheiden
außerdem, was der Zuschauer von diesem Material sieht oder nur hört. Die Gewichtung der persönlichen
und historischen Themen sowie der Aufbau des Filmes zeigen die gestalterische Arbeit des Regisseurs und
seines Teams. Auch die Lehrsätze, wenngleich sie großenteils aus Zitaten bestehen, sind in ihrer fertigen
Form, Auswahl und Anordnung sein Werk.
Dass der Film Position bezieht, zeigt sich vielleicht am deutlichsten in der Schluss-Sequenz. McNamara
spricht vom „Nebel des Krieges“ - Vietnam sei zu komplex, und es sei gefährlich, wenn er mehr darüber
sage. Während er sich auf diese Weise weiteren Fragen entzieht, sehen wir ihn nicht mehr im Studio, sondern beim Autofahren; seine Stimme kommt durchs Telefon. Am Ende entfernt er sich in Rückenansicht von
der Kamera: eine behutsame Distanzierung auf Gegenseitigkeit.
Fragen:
q
q
q
q
An welchen Stellen im Film spielt die Suche nach Rechtfertigung für das eigene Handeln eine Rolle?
Hat der Abgeordnete Recht, der McNamara einmal „Mister Ich-habe-alle-Antworten“ nannte?
Was bedeutet es, dass in THE FOG OF WAR ausschließlich McNamara zu Wort kommt?
Welche anderen historischen Persönlichkeiten hätten etwas beizutragen - für oder gegen McNamaras
Version der Geschichte?
TEIL 1
Filmanalyse und Materialien zum Film
Seite 11
Zu den Quellen
THE FOG OF WAR ist kein Kompilationsfilm im engeren Sinn, präsentiert jedoch eine Fülle von unterschiedlichem Material. Hier eine Übersicht über die wichtigsten Kategorien:
1. Historisches Material
Fotos:
Familienfotos und andere historische Aufnahmen von
Robert S. McNamara, aus dem Kabinett Kennedy,
Luftaufnahmen Kuba, Oral-History-Treffen (1990er
Jahre) u.a.
Filmmaterial:
Ende des Ersten Weltkriegs, Depressionszeit (1930er
Jahre) in den USA, Zweiter Weltkrieg, Kubakrise, Vietnamkrieg u.a.
Tondokumente:
Telefongespräche (Kennedy, Johnson), Kennedy-Rede,
Funkverkehr des Zerstörers u.a.
Medien:
Fernsehinterviews (CBS), Titelseiten von Zeitungen
und Magazinen, militärisches Propagandamaterial,
Kriegsberichterstattung, alte Animationssequenzen
Originale:
Lehrbücher, Statistiken (Bombenkrieg gegen Japan,
Ford, Vietnam), Berichte; altes Radio, Tonbandgeräte
u.a.
2. Pseudo-historisches (nachgedrehtes)
Material
Episode im Golf von Tongking, wenige Tage nach dem
Ereignis gedreht: an Bord, Sonarexperten, Torpedo.
3. Neues Material
Interviews mit Robert S. McNamara
Filmaufnahmen:
Autofahrt (Schluss-Sequenz), laufende Tonbänder u.a.
Montage-Sequenzen:
der japanische Bahnhof (Zeitlupe, Zeitraffer)
Animierte Sequenzen:
die Dominosteine auf der Landkarte
Inserts:
11 Lehrsätze, Zwischentitel
TEIL 1
Filmanalyse und Materialien zum Film
Seite 12
Filmische Mittel 3:
Menschen, Bilder, Emotionen
THE FOG OF WAR enthält kreative Elemente, die dem Auftritt McNamaras und historischen Dokumenten neue
Dimensionen hinzufügen. Musik, eigenständige Filmmontagen und Bilder mit Symbolfunktion schaffen ein
Ganzes, das mehr ist als die Summe von historischen Fakten.
Allem voran gibt die Musik den Ton an. Sie verbindet Sequenzen zu kleinen Erzählungen, hebt zentrale Passagen hervor und schafft Stimmungen. So wirken die alten Aufnahmen aus der Rüstungsfabrikation durch die
neue Musik wie ein verfremdeter Stummfilm à la MODERN TIMES. Philip Glass’ kreisende, eindringliche Kompositionen mit ihren Minimal-Variationen führen das Getriebe der Kriegsvorbereitungen als unvermeidlich
ablaufenden Mechanismus vor. Zugleich hebt der elegisch schwebende Charakter dieser Musik das Filmgeschehen in eine schicksalhafte Dimension, sie bewegt und provoziert - ein Verfahren, das der Komponist seit
KOYAANISQATSI (1983; Regie: Godfrey Reggio) mit großem Erfolg einsetzt.
Eine erkennbare Verwandtschaft zu diesem einflussreichen Kultfilm der 1980er Jahre zeigen auch die traumähnlichen Montagen, mit denen Morris McNamaras Erzählungen an einigen Stellen unterbricht und kommentiert. Wir sehen eine Menschenmenge in starkem Zeitraffer durch einen Bahnhof hasten. Überblendet wird
das chaotische Pulsieren mit Bildern von Menschen, die sich in extremer Zeitlupe bewegen. Ergebnis ist eine
surreale Verdichtung, die das zerbrechliche Individuum und die Zeit selbst sichtbar zu machen scheint. Das
Dokumentarische schlägt an diesen Stellen um in reinen künstlerischen Ausdruck.
Die Dominos Ein zentrales Bild des Films sind die Spielsteine. Plakativ über einer Landkarte Südostasiens
aufgereiht, stehen sie sinnbildlich für die im Kalten Krieg entstandene „Dominotheorie“ zur Ausbreitung des
Kommunismus: Wenn ein Stein kippt, fallen alle. Großaufnahmen, Zeitlupe und hallende Aufschlaggeräusche
unterstreichen die sprichwörtliche Notwendigkeit der Ereignisse. Der Blick „zu ebener Erde“ an der Dominoreihe entlang öffnet durch geringe Schärfentiefe dramatisch den Raum, betont die Dimension des Geschehens und spielt auf die Unabsehbarkeit der Folgen an.
Doch das Bild ist noch komplexer. Die Zeitlupe enthält bereits einen gegenläufigen Aspekt: Können wir das
Fallen nicht verlangsamen, möglicherweise stoppen? In einer Sequenz laufen die Bilder dann tatsächlich
rückwärts, wie schon einmal bei dem Torpedo, den es in Wirklichkeit nicht gab. Hier wird die ursächliche
Verknüpfung selbst durchbrochen, der Blick wird frei für andere Möglichkeiten. Wissenschaftlich lässt sich
McNamaras Frage „Was-wäre-geschehen-wenn ...“ nicht untermauern - als moralischer Denkanstoß ist sie
legitim und wirkungsvoll. Die Dominos symbolisieren seinen Appell, über das Wirkliche, das Mögliche und
das Notwendige nachzudenken und verantwortlich zu handeln.
Die Rolle der Zahl Zahlen sind allgegenwärtig in THE FOG OF WAR. In allem, was McNamara tut, stützt er
sich auf Zahlen und ihre Gesetze: bei der Auswahl der Besten für die Luftwaffe, bei der Analyse der Bombereinsätze, bei der Sanierung von Ford, bei den Unfallanalysen, als cleverer Verteidigungsminister und sicher
TEIL 1
Filmanalyse und Materialien zum Film
Seite 13
auch als Chef der Weltbank. McNamara glaubt an die Macht der Zahl. Abstraktion und Logik allein scheinen
ihm optimale Effizienz zu garantieren - unabhängig davon, wie die konkrete Aufgabe lautet.
Lehrsatz Nr. 6 fasst diesen Glauben an die Mathematik zusammen, denn „Fakten holen“ bedeutet in erster
Linie „Daten beschaffen“. Ein Symbol für dieses mathematische Erfassen der Welt ist die Lochkarten-Sortiermaschine, ein mechanischer Vorläufer der elektronischen Datenbanksysteme. Bezeichnend auch die optische Ähnlichkeit der vielen Statistiken, die der Film zeigt - die Methoden sind in allen Bereichen die gleichen.
Besonders eindrucksvoll erscheint die führende Rolle der Mathematik im Bild der wie Bomben abgeworfenen
Ziffern: Was zündet, ist die Zahl, und sie entfaltet vernichtende Sprengkraft.
Der Wert des Individuums Doch Zahlen sind Platzhalter, und die statistische Methode beruht auf Abstraktion und Ersetzbarkeit. Die große Frage ist daher: Was geschieht mit dem Individuum? Fällt es nicht schon
der Betrachtungsweise zum Opfer, bevor die erste Bombe einschlägt? Lehrsatz Nr. 5 will die Moral durch
Verhältnismäßigkeit sichern. Aber McNamara fühlt sich mit dem Problem offensichtlich unwohl. Die Frage
nach den 100.000 Toten von Tokio kontert er mit der fiktiven Gegenfrage des Hardliners LeMay: Hätte er
statt der japanischen Zivilisten seine Soldaten opfern sollen?
In der Tat kreisen die Überlegungen des Pessimisten McNamara um die Warnung, dass der Krieg alle überrollt. Niemand, so zeigt THE FOG OF WAR für ihn, hält das Kriegsgeschehen unter Kontrolle, nicht einmal so
mächtige Individuen wie John F. Kennedy. Von verhängnisvollen Fehlern ganz zu schweigen. Um so eindringlicher gerät McNamaras Appell an Moral und Verantwortung. Ein Widerspruch, aber ein sehr fruchtbarer - und
vielleicht das Einzige, was uns retten kann.
Fragen:
q Welche Szenen sind mit Musik unterlegt? Wie lassen sich die Stimmungen beschreiben, die diese Musik
hervorruft?
q Der Filmbeginn zeigt Marinesoldaten, die Ferngläser aufs Meer richten. Welche Funktion haben diese Einstellungen?
q McNamara verlangt, jede Erkenntnis zu prüfen (Lehrsatz Nr. 7). Bei welchen Themen hat er dies selbst
beherzigt?
Nachgefragt: nachgedreht!
Golf von Tongking, 1964. Der vorgebliche Angriff auf zwei US-Schiffe markiert den Beginn des Vietnamkrieges. THE FOG OF WAR zeigt Material aus dem Nationalarchiv - Szenen, die das US-Militär kurz nach den
Zwischenfällen nachgestellt hat.
Auschwitz, 1945. Russische Soldaten befreien das Konzentrationslager. Tage danach „befreien“ sie es
erneut, vor laufenden Kameras.
Bei Bagdad, 2003. Ein Spezialkommando rettet eine verletzte US-Soldatin. Die als Heldin heimgekehrte
Jessica Lynch gibt wenig später bekannt, die Aktion sei in wesentlichen Teilen inszeniert gewesen.
TEIL 1
Filmanalyse und Materialien zum Film
Seite 14
Film-Fachbegriffe
Animationsfilm
Oberbegriff für Filme, die Gegenstände beleben oder erzeugen (umgangssprachlich „Trickfilm“). Klassische
Grundtechniken wie Zeichentrick, Legetrick und Puppentrick arbeiten mit Einzelbild-Schaltung. Heute spielen
im A., wie bei der D Postproduktion, Computer eine große Rolle, und oft werden mehrere Techniken kombiniert.
Bildausschnitt
Sicht aufs Objekt („Entfernung“) - die Auswahl reicht von Detail- und Naheinstellung über die Großaufnahme
(Close-up) bis zur Totalen und Panoramaeinstellung; vgl. D Kamera-Standpunkt.
Dokumentarfilm
Filmische Darstellung, die Ausschnitte der geschichtlichen oder gegenwärtigen Realität abbildet oder
untersucht. Akteure sind Menschen, Orte, Situationen, die mit der erzählten Geschichte übereinstimmen.
Kritisch diskutiert wird die „Authentizität“ im D.
Einstellung
1. (Gedrehtes Material:) Einzelne Aufnahme, deren Kontinuität nicht unterbrochen ist; Grundeinheit für die
Filmmontage.
2. (Kameraführung:) Oberbegriff für Bildausschnitt, Kamera-Standpunkt und -Bewegung.
Essay-Film
Dialektischer, meist nicht narrativer Film, der ein Thema subjektiv und in unterschiedlichen Ansätzen abhandelt. Der E. verwendet literarische Sprache, primär ist jedoch die Bildebene und die Verbindung Wort-Bild; oft
wird dabei das Medium Film selbst reflektiert.
Insert
In den Film eingeschnittene (D Schnitt) wichtige Information. Realisiert wird das I. als reiner Text (Zwischentitel) oder durch Zeigen eines sinntragenden Gegenstands (meist Schlagzeile, Tagebucheintrag o. Ä.).
Kamera-Standpunkt
Position und Blickrichtung der Kamera, bezogen auf die als normal empfundene Horizontale. Beispiele:
Vogelperspektive, Aufsicht, Augenhöhe, Untersicht, Froschperspektive.
Kompilationsfilm
Aus überwiegend fremdem Originalmaterial montierter Film (auch „Archivfilm“). Der K. dient oft dazu, historische Ereignisse und ihre Darstellung aufzuarbeiten.
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Filmanalyse und Materialien zum Film
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Montage
Die ästhetische Seite des Schnitts - die theoretisch und ästhetisch begründete Anordnung der Einstellungen
im Film. „Schnitt“ und „Montage“ werden auch oft gleich bedeutend verwendet.
Postproduktion
Die Herstellungsphase zwischen dem Ende der Dreharbeiten und dem Ziehen der Kinokopien. Zur P. gehören
beispielsweise der Schnitt und umfangreiche Möglichkeiten der digitalen Nachbearbeitung (auch bei Sequenzen ohne offenkundige Spezialeffekte).
Schärfentiefe
1. (= Schärfenbereich) Räumliche Tiefe des als scharf wahrnehmbaren Bildbereichs einer Einstellung (1),
z. B. vor unscharfem Hintergrund.
2. (= Deep Focus; Stilmittel) Scharfe Darstellung des gesamten Bildbereichs, vom Vordergrund bis zum
Hintergrund.
Schnitt
1. (Projektion:) Harter Übergang zwischen zwei Einstellungen (1); das erste Bild von Einstellung B folgt direkt
dem letzten Bild von Einstellung A, D Überblendung.
2. (Filmherstellung:) Arbeitsphase, in der das gedrehte Material ausgewählt und zusammengesetzt wird.
Sequenz
Eine Folge von inhaltlich zusammenhängenden D Einstellungen (1), die einen (mehr oder minder abgrenzbaren) Abschnitt innerhalb des Films bilden.
Überblendung
Kombination von Ab- und Aufblende, durch die ein sanfter Übergang zwischen zwei Einstellungen entsteht;
vgl. D Schnitt.
Voice-over
Gesprochener Kommentar, der nachträglich über den Filmton gelegt wird.
Zeitlupe
Effekt eines langsameren, gedehnten Zeitablaufs. Zeitlupe erreicht man meist durch „Überdrehen“,
d. h. Aufnahme mit mehr als den üblichen 24 Bildern pro Sekunde.
Zeitraffer
Effekt eines rascheren, gerafften Zeitablaufs. Zeitraffer erreicht man meist durch „Unterdrehen“,
d. h. Aufnahme mit weniger als den üblichen 24 Bildern pro Sekunde.
Zwischentitel
Informationstext, der zwischen die Handlung eingeschnitten ist; s. D Insert.
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Filmanalyse und Materialien zum Film
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Film-Memo
GA = Großaufnahme, Ü = Überblendung(en), VO = Voice-over, ZL = Zeitlupe, ZR = Zeitraffer, ZT = Zwischentitel, HF = historische Filmaufnahme(n), HP = historische(s) Foto(s), HT = historische Tonaufnahme(n),
McN = McNamara in historischen Aufnahmen, M = (Aussage von) McNamara heute, im Interview.
Zeitangaben in Minuten:Sekunden.
(00:00) Prolog
McN vor Pressekonferenz, Marinesoldaten vor Einsatz. M: Ich weiß, was ich sagen will ... Wir müssen aus
Fehlern lernen. HF aus dem Flugzeug, Marinetruppen. HF: Kriegsszenen; Flugzeug wird abgeschossen. HF:
CBS-Report „McNamara und das Pentagon“ stellt McN vor. ZT: 1962. Inserts: HP von McN in den Medien,
kontrovers kommentiert. HF: McN erklärt Kennedys Tafel mit den 13 Tagen der Kubakrise.
(06:50) ZT: Lehrsatz Nr. 1: Versetze dich in deinen Feind
Düstere Musik, Luftaufnahmen Kuba, Raketenverstecke. Historische Titelseiten zur Seeblockade. Laut CIA
waren nukleare Sprengköpfe nicht installiert. HF: Mobilisierung. Gewaltiger Luftschlag geplant. HT: Kennedy:
Was ist in den nächsten 24 Stunden zu tun? McN: Einsatzplan; Konsequenzen bedenken. M: Kennedy wollte
Krieg verhindern ... LeMay wollte Kuba ausradieren. HF (ZL): LeMay guckt finster. GA: Telexmaschine; die
zwei Chruschtschow-Nachrichten. Berater Thompson rät, Chruschtschow einen Ausweg anzubieten, HF (ZL):
Chruschtschow wettert. M: Klug handeln, sonst droht Vernichtung. Eine Rakete geht in Position.
(14:35) ZT: Lehrsatz Nr. 2: Vernunft wird uns nicht retten
M: Es war nur Glück. Menschen am Bahnhof, Ü aus ZR- und ZL-Aufnahmen. Erst 1992 erfährt M von den
Sprengköpfen auf Kuba. HF: Jägerstaffel schießt Jet ab. M (VO): Kennedy sagte, wir haben gewonnen. HF:
LeMay bei Flugparade. M: LeMay sagte, ausradieren sollten wir sie, (lacht bitter). HF: Raketenfabrik. HF: Die
100 Megatonnen-Bombe. M (VO): Was wollen wir im 21. Jahrhundert? HF: Feuerball erleuchtet Cockpit. ZT:
1918. HP: McN als Kind, HF: Jubelnde Menge. Wilson und der Krieg, der alle Kriege beendet. HF: Wilson,
Grippeepidemie. HF (Fernsehinterview): McN ein arroganter Besserwisser? HF: Ausschreitungen in den
1930ern. M fasziniert vom Philosophieunterricht.
(25:05) ZT: Lehrsatz Nr. 3: Es gibt etwas, das über uns steht
Logik und Ethik, (Inserts:) Logik- und Ethiklehrbücher, M (VO): Es ging um höhere Werte, Verantwortung. HP:
Studentenbilder, das junge Paar. HF: Rüstungsindustrie. HF: Statistiken, IBM-Sortiermaschine. HF: Angeschossener Bomber, hohe Verlustrate, Piloten hatten Angst. HF: Pilot rettet sich mit Schleudersitz. LeMay
greift durch, HF: LeMay rauchend. Altes Radio, Roosevelt mobilisiert gegen Japan.
(30:40) ZT: Lehrsatz Nr. 4: Maximiere deine Wirksamkeit
HF: B-29-Bomber, die Landebahn in China; LeMay zählt nur die Treffer. HF: Bomben auf Japan - alter Animationsfilm; Bomberstaffeln starten. 100.000 Zivilisten sterben in Tokio. HF: Tokio brennt. M: Ich war Teil eines
Mechanismus. Animation: Zahlen als Bomben. HP: Tokio aus der Luft; HF: Bombereinsatz; animiertes Foto.
Die Brandbomben. HF: LeMay; Tokio brennt.
(39:30) ZT: Lehrsatz Nr. 5: Eine Richtlinie im Krieg sollte Verhältnismäßigkeit sein
Sind Brandbomben unmoralisch? Die 67 zerbombten japanischen Städte. Japanische Straßenszene,
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Filmanalyse und Materialien zum Film
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Montage ZR & ZL. Gibt es Kriegsregeln? HF, ZL: LeMay geht durch die Landschaft. M: Wenn wir verloren hätten, wären wir jetzt Kriegsverbrecher (schaut 20 Sek. stumm in die Kamera). Dominos auf der Landkarte
stürzen um. ZT: 1964. Tonband, Johnson - McN. Dominos fallen. Vietnam, eine schwierige Frage; erst über
Ford sprechen. 1945, HF: Produktion bei Ford.
(48:45) ZT: Lehrsatz Nr. 6: Hol dir die Fakten
Marktforschung. HF: Ford-Werbefilme. Unfallstatistiken. Die Leute verpacken: Fall-Tests, der Sicherheitsgurt.
McN wird Präsident von Ford; kurz darauf Verteidigungsminister. ZT: 1963. HT: McN empfiehlt Rückzug aus
Vietnam. HF: Umsturz in Vietnam; HF (ZL): Kennedy stumm am Tisch, faltet die Hände. M berichtet, den Tränen nahe, wie er Kennedys Grabstätte aussuchte. HF: LBJs Ansprache als neuer Präsident. Tonband, LBJ
bedrängt McN: kein Wort von Rückzug. HF: Goldwater im Wahlkampf: Wir führen Krieg.
(65:17) ZT: Lehrsatz Nr. 7: Glauben und Sehen sind oft falsch
Die Maddox im Golf von Tongking. HF: Torpedo startet, Funkverkehr, Verwirrung; Präsident unter Druck, USBombenangriffe, Resolution. HF: Torpedeo rückwärts - der Angriff fand nicht statt. Dominos fallen (ZL, GA).
Wir sehen, was wir glauben wollen. HP: Luftaufnahmen. HF: Rolling Thunder. LBJ: Amerika gewinnt seine Kriege. Das Missverständnis Kalter Krieg - Unabhängigkeitskrieg. Das Treffen 1995 in Vietnam, HP: Thach,
geballte Faust, mit McN am Tisch.
(80:20:) ZT: Lehrsatz Nr. 8: Sei bereit, deine Argumente nochmals zu überprüfen
Ü aus ZL und ZR: Straßenszene. Amerika sollte keine Alleingänge unternehmen - besser die Sache überdenken. HF: Nachrichtensprecher, Gefallenenstatistik. HP: Statistiken, Fotos von Toten, rasante Schnitte, düstere Musik. HF: McN erklärt Kampfhandlungen, fährt im Panzer. Was ist im Krieg moralisch? Beispiel Agent
Orange.
(85:08) ZT: Lehrsatz Nr. 9: Um Gutes zu tun, kann es notwendig sein, sich auf das Böse einzulassen
Quaker Morrisons Selbstmord. Böses kann notwendig sein - aber nur ein Minimum. Krieg ist grausam. HP:
Demonstrationen 1967, Marsch auf das Pentagon. HF: Demos, Handkamera. HP: McN als Kriegstreiber
gebrandmarkt.
(90:00) ZT: Lehrsatz Nr. 10: Sag niemals nie
Beantworte nie die Frage, die gestellt wird, sondern die, die du dir wünschst. Vietnam wäre mit Kennedy
anders verlaufen. HP: LBJ und McN. McN verlangt Kurswechsel, wird entlassen. HF: Ehrung, McN gerührt.
Gefallenenliste (ZL und ZR), Vietnam-Memorial. Dominos richten sich auf (ZL) - was wäre, wenn ...?
(99:25) ZT: Lehrsatz Nr. 11: Du kannst die menschliche Natur nicht verändern
ZL: M geht, VO: Alle militärischen Führer machen Fehler. HF: Soldaten im Einsatz. Der „Dunst des Kriegs“ wir begreifen den Krieg nicht. HF (ZL): MG-Schütze, VO: Vernunft hat Grenzen. HF: Bombe mit Aufschrift: Das
ist nur der Anfang; Zitat Eliot: Wir kommen zurück und kennen den Platz zum ersten Mal.
(102:10) ZT: Epilog
M im Auto, GA: Ms Gesicht. Morris: Warum haben Sie sich nicht gegen den Krieg ausgesprochen? Empfinden
Sie Schuld? M: Ich werde nichts mehr sagen. ZT: M leitete 1968 bis 1981 die Weltbank. Bis heute setzt er
sich gegen Armut und Krankheit, für wirtschaftliche Entwicklung ein. Abspann.
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Filmanalyse und Materialien zum Film
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Das Treffen bei Castro: Eine Sequenzanalyse
Jeder senkrechte Strich (|) bedeutet einen Schnitt zwischen zwei Einstellungen. Abkürzungen siehe S.16.
Beschreibung
(16:10) ZT: 1992 | Flimmernde Fernsehbilder, ZL: Castro am Rednerpult in den 60ern, dazu M (VO): „Erst im
Januar 1992 erfuhr ich auf einer Konferenz von ...“ | Foto: M und Castro begrüßen sich 1992 in Havanna,
dazu M (VO): „... Castro, dass 162 atomare Raketenköpfe auf der Insel waren“ | M (halbnah, zur Kamera):
„Ich ... (5 Sek. stockend) traute meinen Ohren nicht, und Castro wurde wütend, weil ich sagte, beenden wir
diese Konferenz, ich muss die Übersetzung missverstanden haben“ | (Horizont leicht gekippt, Kamera fährt
weiter heran) „Herr Präsident, ich habe drei Fragen (zählt mit den Fingern): 1. Wussten Sie von den Gefechtsköpfen? 2. Wenn ja, hätten Sie Chruschtschow bei einem amerikanischen Angriff geraten, sie einzusetzen? 3.
Wenn er sie eingesetzt hätte, was wäre aus Kuba geworden?“ | 1 Sek. dunkles Bild | M (nah): „Er sagte ‚1. Ich
wusste davon, 2. Ich hätte nicht - ich habe es ihm geraten | (schnell) 3. Was aus Kuba geworden wäre? Es
wäre komplett zerstört worden’ (Wegwisch-Geste; blickt 5 Sek. stumm in die Kamera; Kamera langsam wieder senkrecht); (zeigt mit den Fingern:) So nah dran waren wir.“ Morris (Off): „Und das hätte er in Kauf
genommen?“ M: „Ja, und (beugt sich vor; Kamera zoomt kontinuierlich näher) er fügte an: | ‚Mr. McNamara,
wenn Sie und Präsident Kennedy in einer ähnlichen Lage gewesen wären, hätten Sie dasselbe getan.’ Ich
sagte (schüttelt den Kopf): ‚Ich bete zu Gott, dass nicht - den Tempel über unseren Köpfen niederreißen?
(GA - Sorgenstirn, Mund geöffnet:) Mein Gott!’“ (17:45)
Analyse
Eine erschütternde Erkenntnis, wie nach dem Ritt über den gefrorenen Bodensee: Die CIA, Kennedy und sein
Verteidigungsminister ahnten im Oktober 1962 nicht, wie knapp ein Atomkrieg tatsächlich bevorstand.
McNamara erlebt sein Entsetzen bei Castros Enthüllung von 1992 im Interview noch einmal nach.
Der souveräne Medienprofi wirkt kontrolliert, aber sehr persönlich. Sprechtempo, Gestik und Ausdrucksweise lassen seine Emotionen erkennen. Am Höhepunkt verwendet er religiöse Sprache und ein biblisches
Bild: Simson im Tempel (Richter 16) - der in einer Art Selbstmord-Anschlag auf die Philister den Tempel einreißt.
Obgleich McNamara im Mittelpunkt steht, dominieren filmische Dramaturgie und Gestaltung. Dabei unterstützt der Film den Erzähler klassisch, aber wirksam. Zwei Originalaufnahmen illustrieren seine Worte wie auf
Knopfdruck; das Foto von 1992 erscheint präzise zum gesprochenen Stichwort „Castro“. McNamaras kleine
Story präsentiert der Regisseur als Montage aus sieben teils recht kurzen Einstellungen. Durch Schnitte,
langsame Fahrt und Zoom strebt die Kamera-Einstellung kontinuierlich von halbnah bis zur Großaufnahme
des Gesichts. Das Bild ist ständig unmerklich in Bewegung. Für besondere Spannung sorgt die optische „Dissonanz“ des kurzzeitig gekippten Horizonts - so wie die Zukunft der Welt in den schicksalhaften Tagen von
1962 buchstäblich auf der Kippe stand. In dieser kleinen Sequenz verdichtet sich die Absicht des ganzen
Films: THE FOG OF WAR setzt uns dem Schock des Wissens aus.
TEIL 1
Filmanalyse und Materialien zum Film
Seite 19
Krieg und Frieden, oder:
Was können wir lernen?
Jeder Mensch macht Fehler. Moderne Massenvernichtungswaffen haben ein Zerstörungspotential, das erstmals mit einem Schlag die Menschheit auslöschen könnte. Wir müssen daher Fehler vermeiden lernen, bevor
es zu spät ist - mit diesem Appell McNamaras beginnt THE FOG OF WAR.
McNamara beruft sich auf seine Erfahrungen aus der Zeit des Kalten Krieges. Seine Einsichten jedoch basieren auf grundsätzlichen Gedanken und Überzeugungen. McNamara, der in mehreren Kriegen und Konflikten
eine wichtige aktive Rolle gespielt hat, betrachtet Krieg als notwendiges Übel. Seine größte Sorge kleidet er
in die Frage: Was wollen wir für das 21. Jahrhundert?
McNamaras Darstellung historischer Fakten sollte, trotz seiner selbstkritischen Offenheit, geprüft und teilweise ergänzt werden. So erläutert er die Kubakrise, erwähnt aber dabei nicht die amerikanischen Raketen,
die 1962 von der Türkei aus bereits auf die UdSSR gerichtet waren. Kennedy zog diese Raketen auf Verlangen Chruschtschows ab, um die Krise beizulegen. Eine Lehre daraus müsste lauten: Aggression zeugt
Aggressionen. Die Friedensforschung untersucht seit langem, wie dieser Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen ist.
Zu Recht nimmt Robert McNamara die verheerenden Gefahren des nuklearen Overkills ins Visier. Doch wenn
die Natur des Menschen unwandelbar bleibt (Lehrsatz Nr. 11), wenn der Rüstungswettlauf eine unaufhaltsame Mechanik darstellt, bleibt für das Lernen wenig Raum.
Größere Chancen bietet ein Blick auf Faktoren, die McNamara nicht anspricht. Dazu gehört die unheilvolle
Verflechtung von Industrie, Wirtschaft und Krieg. Dazu gehören auch die ideologisch, nationalistisch oder religiös geprägten Weltbilder, die Konflikte schaffen oder schüren. Anders formuliert: Menschen sterben nicht
nur durch militärische Fehler, sondern auch durch planmäßiges militärisches Vorgehen. Militärische Aktionen
wurzeln in ökonomischen und sozialen Realitäten. Bei diesen Konfliktursachen sollte beginnen, was McNamara fordert - das Lernen.
TEIL 1
Filmanalyse und Materialien zum Film
Seite 20
Fragen:
q Wie entstehen nach Auffassung von McNamara Kriege?
q Sind Kriege vermeidbar? Welche Antwort ergibt sich als Resümee aus THE FOG OF WAR? Welche Ansätze
bietet die Friedensforschung?
Nuklearmächte
Die fünf offiziellen Atommächte sind die USA (bisher einziger militärischer Einsatz, 1945), Russland (seit
1949), Großbritannien (1952), Frankreich (1960) und China (1964). Hinzu kommt Indien (1974). Diese Staaten haben in Tests seit 1945 etwa 2.000 Atombomben gezündet. Weitere Länder gelten als „Schwellenmächte“ - darunter Argentinien, Brasilien, Israel, Nordkorea, Pakistan und Südafrika. Auch sie besitzen wahrscheinlich Kernwaffen.
Quelle: http: / / archiv.greenpeace.de
TEIL 1
Filmanalyse und Materialien zum Film
Seite 21
Vietnam - ein amerikanisches Trauma
Der Krieg in Vietnam hat etwa 60.000 amerikanische Soldaten das Leben gekostet - gegenüber 3 Millionen
Toten auf vietnamesischer Seite, Soldaten wie Zivilisten. Auf Vietnam wurden, wie McNamara herausstreicht,
etwa doppelt so viele Bomben abgeworfen wie auf allen Schauplätzen des Zweiten Weltkriegs zusammen.
Diesen Krieg verloren zu haben, versetzte dem amerikanischen Selbstverständnis einen schweren Schlag.
Denn Vietnam steht für die bittere Erkenntnis, dass Amerika seine Kriege nicht mehr „automatisch“ gewinnt,
wie Johnson noch behauptete.
Die Lehren des Vietnamkriegs haben sich seit 1976 vielfach bestätigt: Überlegene technische Mittel garantieren noch keinen militärischen Sieg. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass militärische Siege in der Regel nicht
Konflikte lösen, sondern neue schaffen. Woodrow Wilsons Wort vom „Krieg, der alle Kriege beendet“ könnte
nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts nur noch zynisch verstanden werden - als totale Vernichtung.
Das Thema Vietnam ist in den USA bis heute sehr präsent. Vietnam bleibt ein fester Bezugspunkt der außenpolitischen Debatten. Allerdings haben die Erfahrungen aus dem desaströsen Krieg gegen den Vietcong
nichts daran geändert, dass die einzige verbleibende Supermacht an außenpolitischen Brennpunkten immer
wieder massiv interveniert - wie die jüngsten Beispiele Afghanistan und Irak zeigen.
Fragen:
q In seiner Rede zur Oscar®-Verleihung warnte Errol Morris, der Irak könne zu einem zweiten Vietnam werden. Was spricht für diesen Vergleich, was dagegen?
q Heutige Militäreinsätze werden mit modernster Computertechnologie unterstützt. Sind damit die Lehren
aus Vietnam überholt?
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 22
Fächerbezogene Anknüpfungspunkte des
Films auf einen Blick
Errol Morris fordert den Zuschauer mit seinem Dokumentarfilm THE FOG OF WAR heraus, sich sowohl mit
dem komplexen Ursachengeflecht von Kriegen und der Frage der individuellen Verantwortung als auch mit
den Chancen friedfertiger Konfliktlösungen auseinander zu setzen. Mit der Strukturierung des Films in
11 Lektionen und dem beispielhaften Erzählen in Form des persönlichen Rückblicks des ehemaligen amerikanischen Verteidigungsministers McNamara, knüpft Regisseur Errol Morris sowohl an die Tradition „lehrhafter
Texte“ als auch an den geschichtswissenschaftlichen Ansatz der „Oral History“ an.
Das zutiefst pädagogische Anliegen Errol Morris’ in Verbindung mit der künstlerisch anspruchsvollen
filmischen Gestaltung eröffnet Schülern/innen eine ungewöhnliche Lernerfahrung.
Den Lehrer/innen bietet der Film wegen seines großen Spannungsbogens von Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft vielfältige Angebote und Anknüpfungspunkte für die unterschiedlichsten Fächer in den Jahrgangsstufen 10 bis 13.
übergeordneter
Lernzielbereich
spezielle Lerninhalte
Deutsch
Selbstbestimmter und
kritischer Umgang mit
dem Medium Film
und Fähigkeit, dessen
Angebote und Möglichkeiten sachgerecht und
sinnvoll zu nutzen
u Die Gestaltungsmittel, Intention und Wirkästhetik des Dokumentarfilms
am Beispiel von THE FOG OF WAR
u THE FOG OF WAR ein filmischer Essay?
Verschiedene Formen
des Sprechens und
Kommunizierens kennen
lernen und selbst sach,situations- und adressatengerecht anwenden
u Struktur und Intention von Interviews: Analyse der Interviewsituation
zwischen Morris und McNamara und deren Wirkung auf den Zuschauer
am Beispiel der von Morris neu entwickelten Interviewtechnik (der
Interrotron, siehe S. 35)
u Strategien der Rechtfertigung
u Analyse der Gesprächshaltung McNamaras aus kommunikationspsychologischer Sicht
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 23
Beschäftigung mit
unterschiedlichen literarischen Formen
u Parabolische Formen: historische Wurzeln, literarische Beispiele: ein
Vergleich mit der lehrhaften Absicht von THE FOG OF WAR (Bedeutung
der Lektionen)
u Historische Quellen künstlerisch inszenieren: ein Vergleich zwischen
Dokumentartheater und THE FOG OF WAR
u Das Thema Krieg in unterschiedlichen literarischen Epochen und
Textformen
Auseinandersetzung mit
Sachtexten und ihrer
Argumentationsstruktur
u Kriegsberichterstattung in den Print - Medien und im Fernsehen
Geschichte
Umgang mit unterschiedlichen Formen historischer Quellen und deren
jeweils angemessene
Auswertungsmethoden
u Dokumentarfilm als Quelle: Analyse der unterschiedlichen verwendeten
Quellen in THE FOG OF WAR
Einsicht in die Bedingtheit
und Begrenztheit menschlich-historischer Erfahrungen
u Die subjektive Deutung der historischen Ereignisse durch McNamara im
Vergleich mit geschichtswissenschaftlichen Erklärungsansätzen
Beschäftigung mit
Zusammenhängen
zwischen Vergangenheit
und Gegenwart als
Voraussetzung für die
Mitgestaltung der Zukunft
u Aktuelle politische Ereignisse, z.B. Terrorismus, der Krieg in Afghanistan
und im Irak vor dem Hintergrund der Geschichte des 20. Jahrhunderts
u Die Haltung Deutschlands zur Kuba Krise, zum Vietnam- und Irakkrieg
u Mögliche Zukunftsperspektiven, z.B. die Rolle der UN
Begegnung mit Formen
der öffentlichen
Geschichts- und Erinnerungskultur und die Befähigung, daran teilzuhaben
u Die geschichtliche Bedeutung von Befragungen/ Erzählungen von Zeitzeugen als Erinnerungskultur am Beispiel von McNamara
u Der geschichtswissenschaftliche Ansatz „Oral History“ als Vorbild für
Errol Morris?
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 24
Auseinandersetzung mit
geschichtstheoretischen und
philosophischen Deutungsansätzen
u Mögliche Ursachenerklärungen für die Entstehung von Kriegen
aus der Perspektive des Films im Vergleich zu geschichtswissenschaftlich bedeutsamen Deutungsansätzen
Auseinandersetzung mit der
weltpolitischen Dimension der
Geschichte
u Der Film thematisiert wesentliche Ereignisse der Geschichte
Amerikas im 20. Jahrhundert:
Amerikas Rolle im 2. Weltkrieg
Die Ära Kennedy
Die Ära Johnson
Der Kalte Krieg
Die Kuba-Krise
Der Vietnamkrieg
Sozialkunde
Erziehung zu eigenverantwortlichem Handeln, Urteilsfähigkeit
und zur Übernahme von Verantwortung in der Gesellschaft auf
der Grundlage des Menschenbildes der Demokratie
u Spannungsverhältnis von in Demokratien gefällten Entscheidungen (Gesetzen) und der Bereitschaft, individuelle Verantwortung
zu übernehmen am Beispiel von McNamara: Legitimation einer
im nachhinein fragwürdigen Politik („Ich habe versucht dem
Präsidenten zu dienen“) oder Notwendigkeit, individuelle Verantwortung zu übernehmen („Es war falsch, ich habe es verursacht
und es tut mir leid“)
u Gehorsam oder Befehlsverweigerung am Beispiel der Folter
Fähigkeit, gegenwärtiges
politisches Geschehen im
nationalen wie internationalen
Rahmen auf historische
Entwicklungen zu beziehen
u Beispiel Krieg im Irak und die Diskussion in Deutschland um die
Bündnistreue gegenüber den USA
u Die Entwicklung der Friedens- und Sicherheitspolitik nach dem 2.
Weltkrieg bis heute
u Zukunftschance Weltfrieden
u Die Rolle der UNO
Kenntnis des Grundgesetzes
u Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen im Umgang mit Krieg
u Begriffsklärungen:
Verteidigungskrieg, Angriffskrieg, Präventivkrieg
Die prinzipielle Offenheit der
Zukunft erkennen und Gestaltungsspielräume für die Bewältigung aktueller und künftiger
Probleme entwickeln
u Die politische Lehre aus den elf Lektionen des Films als politischer Lösungsansatz für die Bewältigung künftiger Probleme
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 25
Erdkunde
Regionalgeografische Kenntnisse
über die wichtigsten Teilräume
der Erde und das Zusammenspiel
von Naturraum, Wirtschaft,
Kultur und Politik
u Länderprofile von
Kuba, Vietnam, Japan, USA
u Kriegerische Auseinandersetzungen unter dem Aspekt des
Nord-Südkonflikts
Ethik und Religion
Förderung der ethischen / religiösen Haltung / Entscheidungskompetenz
u Krieg aus der Perspektive der Moralphilosophie und der
Weltreligionen
u Anthropologische Grundlagen:
Der Aggressionstrieb als Grundmuster menschlichen Handelns?
u Menschliches Handeln in Grenzsituationen und die Psychologie
des Krieges - Erklärungsansätze in THE FOG OF WAR
u Die Rolle von Werten und Normen für das menschliche
Zusammenleben
u Die Handlungen McNamaras als Verteidigungsminister - die
Erkenntnisse /Moral des 85jährigen
u Moralisches Handeln und die elf Lektionen des Films
u Die Bedeutung von Toleranz und die Fähigkeit zur Empathie
für ein friedfertiges Zusammenleben: Entwicklung von
Zukunftsszenarien
u Wie Konflikte im Alltag entstehen und wie sie konstruktiv gelöst
werden können: beispielhafte Konfliktgespräche führen
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 26
Biologie, Chemie
und Physik
Naturwissenschaftliche Kenntnisse als Orientierungshilfe in
einer hochtechnisierten Welt
u Die Kernspaltung
u Kampfstoffe und ihre Wirkung
u Naturwissenschaftliche Forschung und Moral: Die Bedrohung
durch einen nuklearen Krieg
u McNamara und sein Forschergeist (seine Zeit bei Ford, seine
militärische Aufgabe unter LeMay)
Kunst
Erkundung der Medienwelt und
Perspektiven des eigenen
Umgangs mit Medien entwickeln
und Medien kompetent nutzen
u Wie die Bilder laufen lernten
u Besonderheiten des Genres Dokumentarfilm
u THE FOG OF WAR ein künstlerisch wertvoller Dokumentarfilm?
Erkennen, dass das Wahrnehmen
der Wirklichkeit subjektiv
geprägt ist
u Unterschiedliche Kameraperspektiven und Einstellungsgrößen in
der Fotografie und im Film und ihre Wirkung auf den Betrachter
u Die besondere Technik „Interrotron“ im Interview zwischen Morris und McNamara und ihre Auswirkung auf den erzählenden
McNamara und den Zuschauer
Bildnerische Praxis in dem
Gestaltungsgebiet Film und Video
u Bildaufbau, Hell-, Dunkelkontrast, Kamerastandpunkt,
Einstellungsgröße
u Video über ein Gespräch mit Zeitzeugen z.B. Eltern und ihre
Erinnerungen an die Kuba-Krise und den Vietnamkrieg und deren
Wirkung auf die deutsche Gesellschaft
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 27
Methodisch-didaktische Anregungen für die
Unterrichtsgestaltung
„Geschichte verstehen - aus der Geschichte lernen“
Die folgenden Anregungen greifen ausgewählte Aspekte des Kapitels „Anknüpfungspunkte für den Unterricht“
heraus. Sie eröffnen die Möglichkeit, THE FOG OF WAR zum Thema von Einzelstunden zu machen oder
fächerübergreifend zusammen zu arbeiten und gemeinsam an einem Projekt zu weben, z.B. unter dem Motto
„Geschichte verstehen - aus der Geschichte lernen“.
Entsprechend der Intention von THE FOG OF WAR erfolgt die inhaltliche Gliederung des Kapitels in drei
Bausteine im Spannungsbogen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
q Geschichte verstehen
q Aktuelle Bezüge in der Gegenwart entdecken
q Aus der Geschichte lernen
Als innere Strukturierung wird eine Orientierung an den folgenden Lernebenen vorgeschlagen, die im Text
durch die entsprechenden Logos wiedergegeben werden.
Wissenschaftliche Spurensuche:
Fachliche Hintergrundinformationen gewinnen
Unterschiedliche Meinungen im Dialog:
Themen/ Fragen des Films mündlich und schriftlich
diskutieren
Das Medium Film unter der Lupe:
Die Gestaltungsmittel, Intention und Wirkung des
Films analysieren
Kreative Fähigkeiten in Aktion:
An den Film handlungsorientiert anknüpfen
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 28
GESCHICHTE VERSTEHEN
Vorbereitung auf den Filmbesuch
Entwicklung einer Ereignislandkarte des 20. Jahrhunderts in
Fünfergruppen
Arbeitsaufträge für die Kleingruppen:
q Welche geschichtlichen Ereignisse sind aufgrund Ihres Vorwissens für das 20. Jahrhundert
von besonderer Bedeutung?
q Finden Sie ein Motto oder schreiben Sie einen ganz kurzen Informationstext, der dieses
Jahrhundert auf besondere Weise charakterisiert!
q Halten Sie Ihre Ergebnisse auf Kärtchen oder gedritteltem DIN A4 Papier fest!
Auswertung im Plenum:
q Systematisierung der Gruppenergebnisse auf der vorbereiteten Ereignislandkarte an der
Tafel oder auf Paketpapier
Ideenbaustelle Geschichte im Medium Film
mit der Methode „Gegenseitiges Interview“
Gegenseitiges Interview
Jeweils zwei Schüler/innen bilden ein Interviewteam. Der Arbeitsauftrag für die beiden Schüler/innen
besteht darin, jeweils nacheinander zu untenstehenden Fragen ein Interview durchzuführen. So wird der
Interviewte der ersten Runde zum Interviewer in der zweiten Runde. Die Aufgabe des Interviewers besteht
vor allem darin, nach dem die jeweilige Interviewfrage gestellt wurde, aufmerksam und unterstützend
zuzuhören, eventuell das Gehörte kurz zusammenzufassen, und nur wenn nötig, mit offenen Fragen
nachzuhaken. Diskussionen sind auf jeden Fall zu vermeiden.
Die Auswertung in der Klasse erfolgt, indem die Interviewer vorstellen, was sie von ihrem jeweiligen
Interviewpartner erfahren haben. Zu Beginn der Vorstellung der Interviewergebnisse empfiehlt sich eine
kurze motivierende Vorstellung des Interviewpartners.
Diese Arbeitsweise verfolgt insbesondere auch soziale Lernziele wie die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, d.h., die Welt durch die Brille des anderen zu sehen. Praktisch geübt wird diese Fähigkeit durch die Kommunikationstechnik des „aktiven Zuhörens“.
Das gegenseitige Interview ist zudem eine gute Einstimmung auf THE FOG OF WAR als Zeitzeugeninterview zwischen dem Filmemacher Errol Morris und dem ehemaligen Verteidigungsminister Robert
S. McNamara.
Mögliche Interviewfragen für die Schüler/innen:
q Welche Filme kennst du, die historische Ereignisse des 20. Jahrhunderts zum Thema haben
und wie haben sie dir gefallen?
q Stell dir vor, du wärst Filmregisseur! Welches oder welche zentralen Ereignisse des 20.
Jahrhunderts würden dich als Filmstoff interessieren?
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 29
GESCHICHTE VERSTEHEN
q
q
q
q
q
Welches Genre würdest du wählen und warum?
Wie würdest du in der Vorbreitung auf den Film als historischem Stoff vorgehen?
Welchen Titel könnte dein Film haben?
Welche Wirkung sollte er auf das Publikum haben?
Stell dir vor, du stehst einem Produzenten gegenüber! Wie könntest du ihn kurz und
möglichst überzeugend für deine Filmidee begeistern (in der Filmsprache nennt man
das „pitchen“)?
Die Bedeutung des geschichtswissenschaftlichen Ansatzes
„ Oral History“ für das Genre Dokumentarfilm
Oral History
Ein Ansatz der geschichtlichen Forschung, historische Ereignisse zu verstehen, ist die „Oral History“.
Sie sucht unmittelbare und authentische Quellen über das Alltagsleben, in denen der Mensch und damit
eine subjektive Welt im Mittelpunkt stehen. So werden Erinnerungsinterviews von Zeitzeugen zu historischen Quellen, die dann ausgewertet werden. Da die Erlebnisse der Zeitzeugen aus der Gegenwartsperspektive wiedergegeben werden, stark persönlich gefärbt und durch den Interviewer manipulierbar
sind, sieht sich dieser Ansatz mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht wissenschaftlich genug zu sein. Aus
historischer Perspektive ist deshalb ein Vergleich mit anderen Quellenarten unabdingbar.
Leitfragen:
q Welches Anliegen und welche Arbeitsweise liegt der „Oral History“ zugrunde?
q Nennen Sie Ihnen bekannte Beispiele für diese Vorgehensweise! Welche Themen eignen sich
Ihrer Meinung nach für diese Vorgehensweise?
q Welchen Stellenwert würden Sie als Filmemacher/in eines Dokumentarfilms diesem Ansatz
einräumen?
Den Filmbesuch inhaltlich vorbereiten durch (eventuell
arbeitsteilige) Rechercheaufträge an die Schüler/innen
q Sammeln Sie Informationen, Erklärungsansätze
q zum Eintritt Amerikas in den 2. Weltkrieg und das strategische /militärische Vorgehen
gegen Deutschland und seine Verbündeten unter Berücksichtigung der Bombardierung
Japans
q zur Kuba-Krise vor dem Hintergrund des Kalten Krieges zwischen Ost und West
q zum Vietnamkrieg unter Berücksichtigung der kontroversen Diskussion in Amerika und
Europa
q Erstellen Sie Länderprofile von Japan, Kuba, Vietnam und den USA und berücksichtigen Sie
dabei das Zusammenspiel von Naturraum, Wirtschaft und Politik!
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 30
GESCHICHTE VERSTEHEN
Zentrale historische Ereignisse im Film
Die geschichtlichen Ereignisse im Film und ihre Deutung
direkt nach dem Filmbesuch herausarbeiten mit der
Methode Fish-Bowl / Aquarium
Fish-Bowl / Aquarium
Nach dem Film wird die Gruppe in mehrere Kleingruppen aufgeteilt, die die jeweils unten stehende
Arbeitsaufgaben lösen sollen. Für das anschließende Gespräch im Fish-Bowl / Aquarium wählt jede Kleingruppe eine /n Gruppenvertreter/in. Bei diesem Gespräch sitzen die Gruppenvertreter/innen in einem
inneren Kreis (Aquarium), die anderen sitzen um diese Formation herum. Im Aquarium sind jedoch noch
zwei Stühle frei. Das Plenum folgt nun der Diskussion des inneren Kreises. Wenn jemand aus dem Plenum sich mit einer Frage oder einem Statement einbringen will, setzt er sich auf einen der freien Stühle und verlässt ihn dann gleich wieder. So entsteht eine sehr intensive und wahrscheinlich kontroverse
Diskussion.
Arbeitsaufträge für die Kleingruppen:
q Welche Ereignisse der amerikanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts werden in dem
Film in besonderer Weise beleuchtet?
q Welche Akzente und Deutungen erfahren sie? Vergleichen Sie diese mit Ihren Ergebnissen
aus der Recherche? Berücksichtigen Sie in Ihrer Diskussion die drei zentralen Themenkomplexe „Die Bombardierung Japans durch die Alliierten im 2. Weltkrieg“, „Die Kubakrise und
ihre Beendigung“, „Der Vietnamkrieg, sein Verlauf, seine Legitimierung und seine Folgen“.
Das Beispiel „Die Bombardierung Japans“
Morris: „Der 2. Weltkrieg wird einfach als ein Krieg betrachtet. Man glaubte, dass die Alliierten auf der
Seite der Guten gekämpft haben, und dass das, was sie in Kriegszeiten getan haben, durch diese Tatsache gerechtfertigt wird. Was Wenige wissen ist, dass bevor die Vereinigten Staaten die zwei Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abwarfen, LeMays B-29 Bomber schon fast eine Million japanische Zivilisten getötet hatten... Es war McNamaras Aktennotiz als damaliger Offizier des statistischen
Kontrollamts unter General LeMay über die Ineffektivität der bisherigen Bombenangriffe auf Japan, die
zur Entscheidung von General Curtis E. LeMay beitrug, flächendeckend Brandbomben einzusetzen“.
McNamara: „50 bis 90% der Menschen in 67 japanischen Städten töten und sie mit zwei Atombomben
treffen, steht für gewisse Leute in keinem Verhältnis zu den Zielen, die wir zu erreichen trachteten. Ich
gebe nicht Truman die Schuld am Abwurf der Atombombe. Der amerikanisch-japanische Krieg war einer
der brutalsten in der Geschichte. Kamikaze-Piloten, Selbstmord, unglaublich. Kritisieren kann man, dass
vor jener Zeit genauso wie heute die Menschheit noch nicht wirklich kapiert hat, was „Kriegsregeln“ sind.
Besagt eine Regel, man dürfe nicht 100 000 Zivilisten in einer Nacht töten? LeMay sagte: „Hätten wir
verloren, hätte man uns alle zu Kriegsverbrechern verurteilt.“ Ich glaube, er hatte Recht. Er und wohl
auch ich, wir handelten wie Kriegsverbrecher. LeMay war sich bewusst, dass seine Taten als unmoralisch gelten würden, hätte seine Seite verloren. Aber warum ist es moralisch, wenn man siegt?“
q Kann der Film Ihrer Meinung nach für den Zuschauer dazu beitragen, zentrale Ereignisse
des 20. Jahrhunderts zu erforschen und zu verstehen?
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 31
GESCHICHTE VERSTEHEN
Der Film als historische Quelle
Verwendete Quellen im Film kritisch beleuchten
(vgl. auch „Zu den Quellen“ auf S. 11)
Historische Quelle
Als historische Quellen werden im weitesten Sinn alle Zeugnisse (Überlieferungen), die über geschichtliche (= vergangene) Abläufe, Zustände, Denk- und Verhaltensweisen informieren, verstanden, d.h. letztendlich alles, was in der Vergangenheit von Menschen gedacht, geschrieben oder geformt wurde. Zur
„Quelle“ wird dieses Zeugnis erst unter den Händen der Historiker/innen, die daraus Kenntnis über die
Vergangenheit gewinnen wollen. Der Begriff kennzeichnet also nicht das Zeugnis an sich, sondern dessen Funktion für die Geschichtswissenschaft. (vgl. auch den Informationstext „Oral History“)
Das Medium Film als möglicher Vermittler von historischem Wissen verbindet zwei ganz unterschiedliche Aspekte: Es ist Quelle und Material historischer Informationen und Erkenntnisse und gleichzeitig für
den Rezipienten ein besonders attraktives und wirksames Medium der Geschichtsschreibung.
q Welche Arten von Quellen verwendet Errol Morris in THE FOG OF WAR? Wie werden sie in
den filmischen Ablauf eingefügt?
q In welchem Verhältnis stehen sie zueinander?
q Welche nicht historischen Quellen/ Filmelemente spielen ebenfalls eine Rolle?
q Diskutieren Sie die unterschiedlichen Quellen unter dem Aspekt der Authentizität!
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 32
GESCHICHTE VERSTEHEN
Historische Dokumentarfilme - ein Vergleich
Über die Unterschiedlichkeit und Qualität von
Dokumentarfilmen zu historischen Themen an ausgewählten
Beispielen mit der „+ - ? Methode“ diskutieren
+ - ? Methode
An der Tafel (Pin-Wand) werden folgende 4 Spalten vorbereitet:
Filmbeispiele
positiv
negativ
Fragen
Jeder Schüler entscheidet sich für einen möglichst auch anderen Schülern bekannten historischen Dokumentarfilm und notiert den Filmtitel und seine persönliche Beurteilung des Films
nach der „ + - ? Methode“ auf die vorbereiteten vier verschiedenen kleinen Zettel (Moderationskärtchen). Auf jedem Zettel soll immer nur eine Information stehen. Anschließend hängt jeder
Schüler seine Zettel in die an der Tafel entsprechend vorbereiteten Spalten.
In der gemeinsamen Diskussion können einzelne Beispiele vertieft oder aus den unterschiedlichen Filmbeispielen und den entsprechenden Beurteilungskriterien übergeordnete Kriterien für
„gute“ bzw. „weniger gute“ historische Dokumentarfilme entwickelt werden. Die Einbettung von
THE FOG OF WAR in die diskutierten Beurteilungskriterien bildet den Abschluss dieser Einheit.
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 33
GESCHICHTE VERSTEHEN
Selbst als Geschichtsforscher aktiv werden
Zeitzeugeninterviews in Zweier- oder Dreiergruppen vorbereiten, mit
der Videokamera durchführen und als historische Quelle auswerten
Leitfragen zur Durchführung von Zeitzeugeninterviews:
q Welcher Zeitraum soll im Mittelpunkt stehen und welches spezielle Thema?
q Welche Personen sind bereit, über diesen Zeitraum / zu diesem Thema etwas zu erzählen?
(z.B. Eltern, Großeltern, Verwandte)
q Wann und wo soll das Gespräch stattfinden?
q Welches eigene Hintergrundwissen ist für das Interview nötig?
q Wer übernimmt im Interviewteam welche Rolle?
q Wie kann sich der Interviewer auf das Gespräch mit dem Zeitzeugen vorbereiten?
q Welche kommunikativen Fähigkeiten sind dabei besonders wichtig?
q Welche filmischen Gestaltungsmittel sollen gewählt werden (z.B. Kameraperspektive, Einstellungsgrößen)
q Ist eine Bearbeitung des gedrehten Filmmaterials vorgesehen? Sollen zusätzliche historische Quellen eingefügt werden?
q Wie soll der Film nach Fertigstellung als historische Quelle ausgewertet werden?
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 34
AKTUELLE BEZÜGE ENTDECKEN
Die Schlüsselfragen im Film
Errol Morris über seinen Film:
„Was ich an THE FOG OF WAR mag, ist, dass der Film den Beweis erbringt, dass man einen Film über
tatsächliche Begebenheiten machen kann - Ereignisse, die 40, 50, 60 Jahre zurückliegen - aber doch
sehr das Heute betreffen. Viele Aspekte, über die McNamara im Film spricht, sind für das, was heute
vor sich geht, von Bedeutung, und es entsteht dieses surreale Gefühl, dass sich nichts geändert hat.
Ich vermute, es ist der Eindruck, dass wir nichts aus der Vergangenheit gelernt haben, was den 11.
Lehrsatz des Filmes noch bedeutender und ironischer macht.“
Mit der Methode „Spinnennetz“ über die Schlüsselfragen bzw. die
thematische Vielfalt des Films und seinen Gegenwartsbezug
nachdenken
Spinnennetz
Ist es Ziel des Unterrichts, dass alle Schüler/innen zu Wort kommen und selbst bestimmen können, wer
der nächste Gesprächspartner ist, kann mit der Methode Spinnennetz ein motivierender Austausch entstehen. Dazu sind ein großes Wollknäuel und ein Stuhlkreis nötig. Das Gespräch zu der vorgegebenen
Themenstellung entsteht so langsam und ständig sichtbar im Kreis als „Spinnennetz“. Lehrer/innen sind
Teil des Kreises.
Es beginnt ein/ eine Schüler/in mit dem Wollknäuel in der Hand zu den vorgegebenen Fragestellungen
persönlich zu antworten. Ist er/sie fertig, wird das Wollknäuel einem/ einer möglichst weit entfernt
sitzenden Gesprächspartner/in zugeworfen, der/die versucht an das Gehörte anzuknüpfen und es
entsprechend seiner/ihrer Sichtweise weiterzuentwickeln.
Das „Spinnennetz“ ist fertig, wenn alle im Kreis zu Wort gekommen sind!
Am Schluss kann dann „das Gespräch“ symbolisch auf den Boden gelegt oder in der richtigen Reihenfolge wieder aufgelöst werden, indem jeder ein kurzes Feedback zum Gespräch gibt.
Leitfragen:
q Welche wichtigen Fragen wirft der Film auf und welche Antworten gibt er?
q Welche Bedeutung haben dabei Ihrer Meinung nach die von Morris als Inserts eingeführten
11 Lektionen?
q Inwieweit besitzen diese Fragen / Antworten / Lektionen Relevanz für die Gegenwart im
21. Jahrhundert?
q Wie könnte eine über den 11 Lektionen stehende 12. Lektion lauten?
Hausaufgabe:
q Schreiben Sie einen Essay z.B. für die Schülerzeitung, in dem Sie Ihre Leser motivieren
wollen, THE FOG OF WAR im Kino anzusehen!
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 35
AKTUELLE BEZÜGE ENTDECKEN
Die Botschaft des Films
Erarbeitung der „Botschaft“ McNamaras aus
kommunikationspsychologischer Sicht in Anlehnung an das
Nachrichtenquadrat von Schulz von Thun
Interrotron
McNamaras nachdenklicher Rückblick auf wichtige Ereignisse seines Lebens, insbesondere als Offizier
des statistischen Kontrollamts und als Verteidigungsminister unter Johnson und Kennedy, findet im
Gespräch mit Morris statt. Die Gesprächssequenzen, die wir als Zuschauer sehen, stellen die Auswahl
Morris´ aus 20 Stunden Interviewmaterial dar. Morris hat für seine Dokumentarfilme einen einzigartigen
Interviewapparat entwickelt, den „Interrotron“. Er besteht aus einem System umgebauter Teleprompter, die das Bild auf einen Monitor projizieren, der direkt über der Kamera angebracht ist. Dadurch sehen
die Befragten während des Interviews direkt in die Kamera und ermöglichen so dem Publikum und dem
Interviewer Augenkontakt. Die Wirkung ist die, dass die Aufmerksamkeit des Interviewten auf einen Punkt
konzentriert wird und er genau in die Kamera spricht. „Es besteht ein Unterschied zwischen einer vermeintlichen Hauptperson und der wahren Hauptperson“, sagt Morris. „So entsteht eine zusätzliche
Intensität. Der Interrotron leitet die Geburt des wahren Kinos aus erster Hand ein.“
Leitfragen:
Durch die besondere Technik des Interrotrons erschafft Morris eine ganz eigene Kommunikationssituation zwischen Interviewer und Interviewten und zwischen Interviewten und dem
Zuschauer
q Wie haben Sie diese besondere dokumentarische Vorgehensweise von Morris als Zuschauer/in im Kino erlebt?
q Welche Eindrücke hinsichtlich der Körpersprache (Gestik, Mimik, Tonfall) McNamaras sind
Ihnen haften geblieben?
q Worin besteht Ihrer Meinung nach die persönliche „Botschaft“ McNamaras an den
Zuschauer?
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 36
AKTUELLE BEZÜGE ENTDECKEN
Das Nachrichtenquadrat
Der Kommunikationspsychologe Friedmann Schulz von Thun hat ein Modell der zwischenmenschlichen
Kommunikation entwickelt, das dem Bestreben folgt, der Komplexität verbaler und nonverbaler Äußerungen im Wechselspiel von Sender und Empfänger gerecht zu werden. Mit seinem „Nachrichtenquadrat“ und den damit verbundenen „Vier Seiten einer Nachricht“ macht er deutlich, dass ein und dieselbe Nachricht mehrere Botschaften gleichzeitig enthält, d.h. jeder Sender immer gleichzeitig auf allen
vier Seiten sendet.
Die vier
Seiten einer
Nachricht
Sachinhalt:
Worüber ich informiere
Selbstkundgabe:
Was ich über
mich selbst
mitteile
9
t Nachricht q
Appell:
Wozu ich dich
veranlassen
möchte
e
Beziehung:
Was ich von dir halte, und wie wir zueinander stehen
Probleme in der Kommunikation und auch Konflikte entstehen nach diesem Modell insbesondere
dadurch, dass sowohl der Sender wie der Empfänger die vier Seiten einer Nachricht nicht beherrscht,
d.h., dass beide Parteien sich nicht bewusst sind, dass jede Äußerung, egal auf welcher Seite ihr Hauptakzent liegt, immer vier Seiten beinhaltet. So liegt das Augenmerk des Senders vielleicht auf der
Sachseite, weil im Mittelpunkt seiner Wahrnehmung sein Interesse liegt, über einen Sachinhalt zu
informieren. Beim Empfänger dieser Nachricht liegt die Spezialisierung vielleicht auf dem Appellohr, d.h.,
er hört in dem Gesagten nur die Aufforderung.
Leitfragen:
q Versuchen Sie McNamaras persönlichen Rückblick hinsichtlich der „vier Seiten
einer Nachricht“ kommunikationspsychologisch zu analysieren
1. Sachinhalt: Worüber informiert McNamara den Zuschauer?
2. Selbstkundgabe: Was teilt McNamara dem Zuschauer über sich als Person,
seine Werte, Normen, Interessen, aktuelle Befindlichkeit (als bewusste
Selbstdarstellung oder Selbstöffnung) mit?
3. Beziehungshinweis: Wie steht McNamara zum Zuschauer, was hält er von ihm,
wie definiert er diese Beziehung?
4. Appell: Wie versucht McNamara, auf den Zuschauer Einfluss zu nehmen?
Was wünscht / erwartet er vom Zuschauer?
q Wie würden Sie aufgrund dieses Hintergrundwissens McNamara, eine der bedeutendsten
Persönlichkeiten unserer Zeitgeschichte, charakterisieren?
q Wenden Sie das „Nachrichtenquadrat“ auf den Filmemacher Errol Morris an! Berücksichtigen
Sie dabei die Bedeutung der 11 Lektionen (vgl. Filmheft S. 7) und des gewählten Filmtitels.
q Schreiben Sie eine Kurzgeschichte mit dem Titel THE FOG OF WAR! Lassen Sie sich dabei
von Ihren Einsichten über die „Botschaften“ McNamaras und Morris’ als Figurenvorlage
inspirieren!
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 37
AKTUELLE BEZÜGE ENTDECKEN
Die Strategie des Rechtfertigens auf dem Prüfstand
Auseinandersetzung mit der Frage der individuellen Verantwortung
mit der Methode „Stummer, schriftlicher Dialog“
Informationstext:
Im Zusammenhang mit der Verantwortung McNamaras für den Vietnamkrieg steht folgende Gesprächssequenz und Morris’ persönlicher Kommentar zum Film:
Morris: „In welchem Maß fühlten Sie sich als Urheber oder Werkzeug von Dingen, die nicht Sie
kontrollierten?“
McNamara: „Keines von beidem, denke ich. Ich dachte nur, ich stehe im Dienst eines Präsidenten, den
das amerikanische Volk gewählt hatte. Meine Aufgabe war es zu versuchen, ihm zu helfen, sein Amt
auszuüben, sowie er glaubte, es diene dem Interesse des Volkes. Was ist moralisch angemessen in
Kriegszeiten?“
Morris: „Es besteht kein Zweifel daran, dass McNamara jetzt der Meinung ist, dass der Krieg falsch
war. Aber ich wollte seine wahren Gefühle kennen lernen. Es besteht ein großer Unterschied zwischen
der Aussage „Eine Politik ist falsch“ oder „Es ist falsch, ich habe es verursacht und es tut mir leid.“
Diese Feinheiten - diese Fragen der individuellen Verantwortung - bilden das Kernstück des Films.“
Stummer, schriftlicher Dialog:
Auf einer Tafel oder auf einem Packpapier findet ein schriftlicher Dialog zwischen den
Schüler/innen statt. Stellungnahmen, Gefühle, Meinungen, Assoziationen haben hier Raum. Es
kann/soll in Form des eigenen Kommentars auf bereits Geschriebenes eingegangen werden.
Diese Vorgehensweise ist bei Themen, die starke Betroffenheit auslösen, besonders geeignet.
Leitfrage:
q Beziehen Sie Stellung zu der im Informationstext aufgeworfenen Frage der individuellen Verantwortung (z.B. als Kommentar zu McNamara, persönliche moralische Überzeugung, Kommentar zur Aktualität des Themas im 21. Jahrhundert, kleines Gedicht, Gedankenspiel)!
Abschließende Diskussion:
q Diskutieren Sie an historischen und aktuellen Beispielen, wie Kriege gerechtfertigt wurden
und werden? Gehen Sie dabei u.a. auf die Begriffe „Angriffskrieg“, „Verteidigungskrieg“ und
„Präventivkrieg“ und ihre Auslegung in der UN Charta ein!
q Welche pro und contra Argumente bestimmten die Diskussion um die Rechtfertigung des
Irak-Krieges?
q Diskutieren Sie die berühmte Aussage von Clausewitz in seiner Vorrede zum Buch „Vom
Kriege“: „Es muss noch der ebenfalls praktisch notwendige Gesichtspunkt ausdrücklich und
genau festgestellt werden, dass der Krieg nichts ist als die fortgesetzte Staatspolitik mit
anderen Mitteln.“
q Gibt es aus Ihrer Sicht überzeugende Gründe, die einen Krieg rechtfertigen?
q Das eigene Handeln zu rechtfertigen ist auch eine beliebte Kommunikationsstrategie im Alltag. Nennen Sie persönliche Beispiele!
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 38
AUS DER GESCHICHTE LERNEN
Den Film weiterdenken
Einen aktuellen politischen Konflikt des 21. Jahrhunderts in der Klasse
im Rollenspiel darstellen
Rollenspiel: „Ich höre und vergesse, ich sehe und erinnere mich, ich tue und
verstehe.“ (Chinesisches Sprichwort)
Sich in andere Menschen hineinzuversetzen, in ihre „Rolle“ zu schlüpfen stellt eine Fähigkeit dar, die in
Konflikten eine besondere „Rolle“ spielt. Diese Einsicht formuliert THE FOG OF WAR in seinem ersten
Lehrsatz: „Versetze dich in deinen Feind!“ In der Konfliktforschung und in der Psychologie wird diese
Fähigkeit mit dem Begriff „Empathie“ (Einfühlungsvermögen) beschrieben. Jean Paul fasst diese Kompetenz sogar in einen erkenntnistheoretischen Rahmen: „Um zur Wahrheit zu gelangen, sollte jeder die
Meinung seines Gegners zu verteidigen versuchen.“
Das Rollenspiel eröffnet den Schüler/innen die Möglichkeit, sich anhand eines vorgegebenen Konfliktes in augenscheinlich fremde Rollen von Konfliktparteien handelnd hineinzuversetzen. Das Rollenspiel
ist ein ideales Training für vertiefte Einsichten in die Dynamik von Konflikten und für die Entwicklung von
Kriterien für soziales Handeln.
Die Auswertung des Rollenspiels bietet die Chance, neue Wege, die zur Lösung von Konflikten beitragen können zu entdecken und Spielszenen zu erproben.
Demokratie gestalten
„Wie Konflikte konstruktiv gelöst werden können - gemeinsam auf
dem Weg zu einer friedfertigeren Gesellschaft“ mit der Methode
Zukunftswerkstatt
Zukunftswerkstatt
„Die Zukunft geht uns alle an“. So beginnen Robert Jungk und Norbert R. Müller das erste Kapitel in
ihrem Buch „Zukunftswerkstätten“. Ziel ihrer Werkstattarbeit ist es, Menschen zu ermutigen, sich ihrer
Phantasie zu bedienen und selbst Lösungen für Probleme zu entwickeln, die sie betreffen - aus Betroffenen Experten in eigener Sache zu machen. Die Idee für die spezifische Arbeitsweise in Zukunftswerkstätten umschreibt Jungk einmal mit der Feststellung des bekannten Nationalökonomen Fritz
Machlup: Die größte Erfindung ist „die Erfindung, wie man erfindet.“
Die menschliche Kreativität und die Fähigkeit, Probleme zu lösen oder sich Neues auszudenken für den
Bereich des gesellschaftlichen Zusammenlebens fruchtbar zu machen, bilden den Kern der Arbeits- und
Vorgehensweise der Zukunftswerkstatt.
TEIL 2
Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
Seite 39
AUS DER GESCHICHTE LERNEN
Die fünf Schritte einer Zukunftswerkstatt
Vorbereitungsphase:
Ankündigung des Themas „Wie Konflikte konstruktiv gelöst werden können - gemeinsam auf dem Weg zu einer friedfertigeren Gesellschaft“, des „Werkstattortes“, des zur
Verfügung stehenden Zeitrahmens und Einführung in die Arbeitsweise „Zukunftswerkstatt“, Vorbereitung der Arbeitsmaterialien (Packpapier, Filzstifte, Klebeband, Wachsmalstifte).
Kritikphase (gemeinsam mit allen Schülern/innen) - Die
Ursachen/Hintergründe von privaten und gesellschaftlichen
Konflikten:
Arbeitsfrage und Arbeitsschritte
Welche Gewohnheiten, Mechanismen, Strukturen tragen dazu bei, dass private und politische
Konflikte häufig im Streit bzw. im „Krieg der Parteien“ enden?
q Sammeln von Gründen/Ursachen im Brainstorming
q Systematisierung der gefundenen Kritikpunkte nach wichtigen Problembereichen
Fantasiephase (arbeitsteilig in Gruppen):
Arbeitsschritte:
q Die Gruppen entscheiden, mit welchen gefundenen Problembereichen sie sich phantasievoll
und lösungsorientiert auseinandersetzen wollen
q Sie finden eine für sie sinnvolle Vorgehensweise, wie sie ihren oder ihre Problembereiche
bearbeiten und präsentieren wollen, z.B. als Fantasiethemenkreise oder als utopischen
Entwurf
Regeln für die Fantasiephase:
q Für uns spielt die Wirklichkeit jetzt keine Rolle.
q Uns ist im Denken alles erlaubt, alles geht und ist möglich.
q Wir können und sollen ohne Einschränkungen wünschen, spinnen, träumen.
Verwirklichungs- und Praxisphase (gemeinsam mit allen
Schüler/innen):
Arbeitsschritte:
q Kritische Prüfung der Lösungen nach Durchsetzungsmöglichkeit
q Umsetzung der ausgewählten Lösungen in praktische Schritte
Nachbereitungsphase:
q z.B. Schriftliche Dokumentation, Werkstattbericht
q Vorschläge für die Weiterarbeit
TEIL 3
Materialien
Seite 40
Historischer Abriss: Der Krieg in Vietnam
Die „französische Phase“
1945
1946 ff.
1954
Ho Chi Minh ruft nach Abzug der japanischen Besatzer
eine Demokratische Republik Vietnam aus
Frankreich versucht seinen kolonialen Einfluss militärisch zu sichern
endgültige französische Niederlage in der Schlacht bei Dien Bien Phu
Die „amerikanische Phase“
1954
1956
USA unterstützen Südvietnam als antikommunistischen Vorposten
Senator John F. Kennedy erklärt Solidarität mit Vietnam als „Eckpfeiler der freien Welt“
in Südostasien
1963
die Zahl der US-Militärberater in Vietnam ist auf 16.000 gestiegen
Oktober:
Präsident Kennedy kündigt Truppenabzug bis Ende 1965 an
November: Staatsstreich in Südvietnam, Präsident Ngo Dinh Diem wird ermordet
November: Kennedy wird ermordet, Lyndon B. Johnson wird Präsident
1964
angeblicher nordvietnamesischer Angriff auf US-Schiffe; amerikanische Bombardements
als Vergeltung
1965
die USA beginnen, Nordvietnam systematisch zu bombardieren
1966
die US-Truppen in Vietnam werden drastisch verstärkt
1967
McNamara wird als Verteidigungsminister abgelöst
1968
Januar: nordvietnamesische Großoffensive (Tet-Offensive) im Süden
weltweit wächst die Kritik an der Vietnampolitik der USA
Mai:
Beginn der Friedensverhandlungen in Paris
1969
Richard Nixon wird Präsident; sein Sonderbeauftrager Henry Kissinger nimmt
Geheimverhandlungen auf, um den Rückzug der US-Truppen vorzubereiten
1973
das Waffenstillstandsabkommen sieht vollständigen Abzug der US-Truppen vor
Die „Bürgerkriegsphase“
1973 ff.
1975
1976
Norden und Süden operieren weiter militärisch gegeneinander
der südvietnamesische Präsident Nguyen Van Thieu tritt im April zurück; kommunistische
Truppen besetzen Saigon; dramatische Evakuierung
Wiedervereinigung als Sozialistische Republik Vietnam
TEIL 3
Materialien
Seite 41
Historische Fakten und Personen
Agent Orange: Schädlingsbekämpfungsmittel, das die US-Streitkräfte in Vietnam einsetzten, um Pflanzen
zu vernichten, Bäume zu entlauben und dem Feind die Deckung zu rauben. Der Einsatz von Agent Orange
wurde von McNamara und den Oberbefehlshabern befürwortet und 1961 von Präsident Kennedy genehmigt.
Zwischen 1961 und 1971 versprühten C-123-Flugzeuge in Südvietnam mehr als 19 Millionen Galeonen
Agent Orange und ähnliche Mittel. Nach dem Vietnamkrieg wurde klar, dass Agent Orange Krebs und Missbildungen bei Neugeborenen, bei Tausenden von Zivilisten und Militärangehörigen verursachte.
Weitere Informationen: William A. Buckingham Jr., Operation Ranch Hand: The Air Force and Herbicides in
South-East Asia, 1961-1971.
Armistice Day (Waffenstillstandstag): Die weltweiten Feiern vom 11. November 1918 markierten das
Ende des Ersten Weltkriegs, des bis dahin verheerendsten Krieges der Geschichte. Präsident Woodrow Wilson und viele Amerikaner glaubten, sie hätten durch den Sieg alle künftigen Kriege verhindert. McNamara
erinnert sich, als 2-Jähriger diese Feierlichkeiten miterlebt zu haben.
Weitere Informationen: John Milton Cooper, Breaking the Heart of the World.
Atombomben: Zwischen 1939 und 1945 wurden mehr als 2 Billionen Dollar in das geheime „Manhattan
Project“ zum Bau einer Atombombe gesteckt. Am 6. August 1945 wurde eine Uraniumbombe mit dem
Namen „Little Boy“ auf Hiroshima abgeworfen, die sofort 80.000 Menschen das Leben kostete. Drei Tage
später tötete die Plutoniumbombe „Fat Man“ in Nagasaki auf der Stelle 58.000 Menschen.
Weitere Informationen: Richard Rhodes, The Making of the Atomic Bomb.
B-29 Superfortress: Im Herbst 1943 wurde McNamara von London nach Kansas geschickt, um die Konstruktion der ersten B-29-Flugzeuge zu beschleunigen. Der schwere Langstreckenbomber, der im Herbst
1944 seinen Dienst aufnahm, war die vielseitigste Maschine, die je konstruiert wurde. Die B-29 konnte auf
einer Flughöhe von mehr als 30.000 Fuß mit einer Reichweite von 6.000 Meilen fliegen. Sie wurde für die
verheerenden Brandbombenangriffe und für den Abwurf der beiden Atombomben auf Japan eingesetzt.
Weitere Informationen: Curtis E. LeMay und Bill Yenne, Superfortress: The B-29 and American Air Power,
http:/ /www.nasm.si.edu/ esearch/ arch/ archives.html.
TEIL 3
Materialien
Seite 42
Brandbombenangriffe (auf Japan): Während der ersten drei Jahre des Zweiten Weltkrieges führte die USLuftwaffe ihre Präzisionsbombenangriffe auf Deutschland und Japan bei Tag und aus großer Höhe aus.
Wegen der starken Winde und Wolken über Japan begann die Luftwaffe in der Nacht des 10. März 1945 in
Tokio ihren Feldzug nächtlicher Brandbombenangriffe im Tiefflug. In dieser einzigen Brandnacht haben 334
B-29-Bomber fast 100.000 Zivilisten den Tod gebracht. In den folgenden fünf Monaten planten die Vereinigten Staaten, 66 weitere japanische Städte mit Brandbomben zu überziehen, und verursachten so den Tod
von fast einer Million japanischer Zivilisten; 1,3 Millionen Menschen wurden verletzt, fast ein Viertel der japanischen Bevölkerung musste ihre zerstörten Häuser aufgeben. McNamara war zu dieser Zeit bei der statistischen Kontrollabteilung und Oberstleutnant der 20. US-Luftwaffendivision, die sowohl für die Brandbombenangriffe als auch für den Abwurf der Atombomben auf Japan verantwortlich war. Seine Aktennotiz über die
Wirkungslosigkeit der konventionellen Bombenangriffe trugen zu General LeMays Entscheidung bei, mit
Brandbomben anzugreifen.
Weitere Informationen: The Rise of American Air Power: The Creation of Armageddon, von Michael S. Sherry.
Bundy, McGeorge: Sicherheitsberater der Präsidenten Kennedy und Johnson, 1961-1966.
Castro, Fidel: kubanischer Staatschef, seit 1959.
Chruschtschow, Nikita: Staatsoberhaupt der Sowjetunion 1953-1964, Widersacher der Vereinigten Staaten in der Kuba-Krise im Oktober 1962.
Clifford, Clark: Außenpolitischer Berater von Präsident Johnson, 1965-1967; löste 1968 McNamara als
Verteidigungsminister ab.
(Große) Depression: Der katastrophale, weltweite wirtschaftliche Zusammenbruch der 30er Jahre. Zum
Höhepunkt der Depression waren 25 % der amerikanischen Arbeitskräfte (13 Millionen Menschen) arbeitslos.
Die große Depression, die durch den Börsenkrach 1929 eingeleitet wurde, endete erst 1942 mit dem Eintritt
der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg. Im Studium von 1933 bis 1937 in Berkeley wählte McNamara, wie viele andere auch, Betriebswirtschaft als Hauptfach - eine Reaktion auf die verheerenden wirtschaftlichen Zustände während der Großen Depression.
Weitere Informationen: The Great Depression: America 1929-1941, von Robert McElvaine,
http:/ /www.fdrlibrary.marist.edu.
Diem (Ngo Dinh Diem): Staatsoberhaupt von Südvietnam, 1954-1963; bei dem Staatsstreich im November 1963 ermordet.
TEIL 3
Materialien
Seite 43
Diem-Mord: Am 1. November 1963 wurden der südvietnamesische Präsident Ngo Dinh Diem und sein Bruder während eines von der Kennedy-Regierung eingefädelten und unterstützten Militärstreichs ermordet.
Danach hatte Südvietnam bis zum Ende des Vietnamkrieges keine beständige Regierung mehr. Diese Instabilität führte zu einer Verstärkung der militärischen Kräfte der USA in Vietnam, die alle nachfolgenden südvietnamesischen Regierungen im Kampf gegen die nordvietnamesischen Aufstände unterstützen sollten.
Weitere Informationen: Howard Jones, Death of a Generation: How the Assassination of Diem and JFK
prolonged the Vietnam War.
Domino-Theorie: Die Vorstellung, dass, sobald ein Land kommunistisch wird, seine Nachbarländer folgen
werden. Diese Theorie wurde 1945 zuerst von Präsident Dwight Eisenhower vertreten und von den folgenden Regierungen dazu verwendet, den Krieg in Vietnam zu rechtfertigen. Viele Historiker und auch Robert S.
McNamara sind heute jedoch der Ansicht, dass Asien auch ohne Amerikas Intervention in Vietnam nicht den
Kommunisten in die Hände gefallen und die Sicherheit des Westens nicht gefährdet gewesen wäre.
Weitere Informationen: Robert Mann, A Grand Delusion: America’s Descent into Vietnam,
http:/ /www.eisenhower.utexas.edu/ .
Ford, Henry (II): Präsident der Ford Motor Company, 1945-1969.
Giap (Vo Nguyen Giap): Vier-Sterne-General der nordvietnamesischen Armee während des Vietnamkriegs
und ehemaliger Verteidigungsminister; er bestätigte McNamara 1995, dass der zweite Angriff am Golf von
Tongking nie stattfand.
Goldwater, Barry: Senator in Arizona und Lyndon B. Johnsons republikanischer Gegenkandidat bei den Präsidentschaftswahlen 1964.
Golf von Tongking: Am 2. August 1964 wurde der amerikanische Zerstörer Maddox von nordvietnamesischen Patrouillenbooten angegriffen. Am 4. August berichteten die Zerstörer Maddox und Turner Joy von
erneuten Angriffen nordvietnamesischer Patrouillenboote. Am Ende dieses Tages befahl Präsident Johnson
als Vergeltung die ersten Luftangriffe auf Nordvietnam. Am 7. August verabschiedete der Kongress die Golfvon-Tongking-Resolution, die den Präsidenten autorisierte, das Land in den Krieg zu führen. Fast unmittelbar
nach dem 4. August tauchten Zweifel an dem Angriff auf. Während eines Treffens zwischen Robert McNamara
und dem ehemaligen vietnamesischen General Vo Nguyen Giap 1995 wurde definitiv bestätigt, dass der
Angriff am 4. August nie stattgefunden hat.
Weitere Informationen: Edwin Moise, Tonkin Gulf and the escalation of the Vietnam War,
http:/ /www.history.navy.mil/ .
TEIL 3
Materialien
Seite 44
Ho Chi Minh: Geboren 1890, Gründer und Präsident der Demokratischen Republik Vietnam (Nordvietnam).
Er gründete in den frühen 30er Jahren die indochinesische kommunistische Partei. 1941 bildete er eine Allianz, die unter dem Namen Viet-Minh gegen die französische Besatzung von Vietnam kämpfte. Nach dem
Sieg über die Franzosen in der Schlacht von Dien Bien Phu wurde Vietnam entlang des 17. Breitengrads in
Nord- und Südvietnam geteilt. Ho Chi Minh sah es als seine Aufgabe an, Vietnam unter einer kommunistischen Regierung wieder zu vereinen. Nachdem er jahrelang Aufstände in Südvietnam unterstützt hatte,
schickte er 1964 reguläre Einheiten der Demokratischen Republik Vietnam nach Südvietnam. Die Vereinigten
Staaten reagierten darauf mit „Rolling Thunder“, groß angelegten Bombenangriffen auf Nordvietnam im März
1965, und erhöhten ihre Truppenstärke in Vietnam bis zum Sommer 1965 um ein Vielfaches. Die erste
große Schlacht zwischen US- und DRV-Truppen fand im November 1965 in Ia Drang statt. Ho Chi Minh gab
seinen Kampf für ein vereintes Vietnam und gegen die Vereinigten Staaten bis zu seinem Tod 1969 nicht auf.
1975 wurde Vietnam endlich vereinigt und die südvietnamesische Hauptstadt Saigon wurde in Ho Chi Minh
City umbenannt.
Weitere Informationen: William Duiker, Ho Chi Minh: A Life
Johnson, Lyndon B.: 36. Präsident der Vereinigten Staaten, 1963-1969; forcierte die militärische Einmischung der USA in Vietnam.
Kennedy, John F.: 35. Präsident der Vereinigten Staaten, 1961-1963.
Kennedy, Robert F.: Justizminister, 1961-1964; als demokratischer Senator des Staates New York von
1965-1968 zunehmend Kritiker der Beteiligung der Vereinigten Staaten am Vietnam-Konflikt.
Kennedy-Mord: Präsident John F. Kennedy wurde am 22. November 1963 in Dallas, Texas, ermordet. Nach
ihm wurde der bisherige Vizepräsident Lyndon B. Johnson der 36. Präsident der Vereinigten Staaten. Kennedys Plan, alle Militärberater aus Vietnam abzuziehen, verwarf Johnson sofort. Nur vier Tage nach seiner Amtsübernahme bestätigte er in einer Aktennotiz die amerikanische Verpflichtung gegenüber Südvietnam.
Weitere Informationen: Robert Dallek, An Unfinished Life: John F. Kennedy 1917-1963,
http:/ /www.cs.umb.edu/jfklibrary/ .
Kennedys präsidiale Aufzeichnungen: Im Sommer 1962 installierte John F. Kennedy ein verstecktes Aufzeichnungsgerät im Kabinettsraum des Weißen Hauses. Bis zu seinem Tod hat Kennedy etwa 250 Stunden
Besprechungen und 12 Stunden Telefongespräche mitgeschnitten. Die denkwürdigsten Aufzeichnungen
stammen aus der Zeit der Kuba-Krise im Oktober 1962; sie liefern intime Details über die Arbeitsweise der
Regierung der Vereinigten Staaten in Krisenzeiten.
Weitere Informationen: Philip Zelikow und Ernest May (Hgg.), The Presidential Recordings of John F. Kennedy,
Volumes 1-3, The Great Crisis, http:/ /www.cs.umb.edu/jfklibrary/ .
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Kuba-Krise: Höhepunkt und zugleich Wendepunkt des Kalten Krieges. So nah standen die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion noch nie vor einem Nuklearkrieg. Nachdem US-Aufklärer die von der Sowjetunion
heimlich in Kuba installierten Nuklearraketen entdeckt hatten, verhängten die USA am 16. Oktober 1962 auf
Empfehlung McNamaras eine Seeblockade über Kuba. Man bereitete Luftangriffe und eine Invasion vor. Am
28. Oktober verkündete der sowjetische Premier Nikita Chruschtschow, er werde die Raketen aus Kuba
abziehen und beendete so die Krise. Erst 1992 erfuhr Robert S. McNamara von Fidel Castro, dass 1962
bereits nukleare Sprengköpfe auf Kuba installiert waren - und dass sie im Falle einer US-Invasion gegen die
Truppen und das amerikanische Festland eingesetzt worden wären.
Weitere Informationen: Laurence Chang und Peter Kornbluh (Hgg.), The Cuban Missile Crisis, 1962,
http:/ /www.gwu.edu/ ~nsarchiv/ .
LeMay, Curtis E.: 1906 in Columbus, Ohio geboren, trat LeMay 1928 dem US-Luftwaffencorps bei. 1942
kommandierte er bereits 305 Bombardementtruppen der 8. Luftwaffendivision in London. Als Oberbefehlshaber einer der ersten Divisionen, die Deutschland bombardierten, erhielt LeMay große Anerkennung für seine
neuartigen Trainingsmaßnahmen und die Entwicklung neuer Bombardierungstechniken. 1944 ging er nach
China, um das Kommando der 20. Bomberdivision zu übernehmen, die begann, Ziele in Japan anzugreifen.
Im Januar 1945 löste er Haywood Hansell als Kommandant der 21. Bomberdivision ab - ein umfangreicheres
Kommando über B-29-Bomber, das auf den Marianen-Inseln stationiert war. Von hier aus plante und kommandierte er die verheerenden Brandbombenangriffe auf Japan. Im März 1945 entwarf LeMay eine neue Taktik
nächtlicher Tiefflug-Angriffe mit Brandbomben, die 67 japanische Städte zerstörten und fast eine Million japanischer Zivilisten das Leben kostete. LeMays Kommando war im August 1945 auch für den Abwurf der beiden Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki verantwortlich. 1948 übernahm LeMay den Posten des strategischen Luftoberbefehlshabers, das Kommando der nationalen strategischen Nuklearverteidigung. Präsident Kennedy ernannte ihn 1961 zum Stabschef der Luftwaffe. In dieser Position geriet er wiederholt in Strategie-, Waffen- und Budgetfragen mit Minister McNamara aneinander. 1965 verabschiedete sich LeMay in
den Ruhestand, ging jedoch 1968 mit Gouverneur George Wallace als Vizepräsident ins Rennen um die Präsidentschaft. George Wallace verlor die Wahl, und LeMay zog sich ins Privatleben zurück.
Weitere Informationen: Thomas M. Coffey, Iron Eagle: The Turbulent Life of General Curtis LeMay.
Lyndon B. Johnsons Telefongespräche: Zwischen dem 22. November 1962 und Januar 1969 hat Präsident Lyndon B. Johnson heimlich Telefongespräche zwischen dem Oval Office und seiner Ranch in Texas mitgeschnitten. Die ersten Aufnahmen wurden 1993 veröffentlicht, in Verbindung mit der Herausgabe der Akten
zur Ermordung John F. Kennedys. Die Aufzeichnungen der letzten drei Jahre sind noch unveröffentlicht.
Weitere Informationen: Michael Beschloss (Hrsg.), Taking Charge: The Johnson White House Tapes, 19631964 sowie Reaching for Glory: Lyndon Johnson’s Secret White House Tapes, 1964-1965,
http:/ /www.lbjlib.utexas.edu/ .
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Marsch auf das Pentagon: Am 21. Oktober 1967 fanden sich 50.000 Menschen in Washington zur bis
dahin größten Demonstration gegen den Vietnamkrieg zusammen. 20.000 von ihnen marschierten weiter,
mit dem Ziel, das Pentagon handlungsunfähig zu machen. McNamara, verantwortlich für die Verteidigung
des Pentagons, konnte die Demonstranten am Eindringen ins Pentagon hindern.
Weitere Informationen: Norman Mailer, Armies of the Night: History as a Novel, the Novel as History.
Marianen-Inseln: Südpazifische Inselgruppe, die die Vereinigten Staaten im Sommer 1944 von den Japanern eroberten. Die 20. US-Luftwaffendivision benutzte die Inseln Guam, Saipan und Tinian als Stützpunkt für
die Luftangriffe auf Japan.
Morrison, Norman: Ein Quäker, der sich aus Protest gegen den Vietnamkrieg am 2. November 1965 vor
McNamaras Büro im Pentagon verbrannte.
Weitere Informationen: Paul Hendrickson, Living and the Dead: Robert McNamara and Five Lives of a Lost War.
Napalm: Hoch entflammbare geleeartige Benzinsubstanz, 1942 von dem Chemiker Louis Fieser entwickelt.
Die US-Luftwaffe verwendete Napalm erstmals 1945, um 67 japanische Städte zu bombardieren. Später
kam Napalm auch während der Kriege in Korea und vor allem in Vietnam zum Einsatz.
Weitere Informationen: Kenneth Werrell, Blankets of Fire: U.S. Bombers over Japan during World War II.
Präsidentschaftswahlen 1960: Senator John F. Kennedy gewann vor Vizepräsident Richard Nixon die Wahlen und wurde der 35. Präsident der Vereinigten Staaten. Obwohl Kennedy in der Abstimmung der Wahlmänner mit 303 zu 219 deutlich vorne lag, erhielt er bei den öffentlichen Wahlen nur 118.000 Stimmen mehr als
Nixon.
Präsidentschaftswahlen 1964: Präsident Johnsons Gegner war der ultra-konservative republikanische
Senator Barry Goldwater. Goldwaters öffentliche Forderung, in Vietnam Nuklearwaffen einzusetzen, bescherte Johnson 65 % der Stimmen - der höchste Sieg, den jemals ein amerikanischer Präsident errungen hat.
Rolling Thunder: Name für die anhaltenden Luftangriffe der US-Luftwaffe ab März 1965 auf Nordvietnam.
Zwischen 1965 und 1968 fielen im Rahmen von „Rolling Thunder“ mehr als 1,5 Millionen Tonnen Bomben auf
Nordvietnam: McNamara und die Johnson-Regierung wollten Ho Chi Minh und die nordvietnamesische Führung zwingen, ihre Unterstützung der Vietcong-Aufstände in Südvietnam aufzugeben und einer Einigung zuzustimmen - was jedoch trotz der verheerenden Schäden und der hohen Anzahl an Opfern, die „Rolling Thunder“ verursachte, misslang.
Weitere Informationen: David Kaiser, American Tragedy: Kennedy, Johnson and the Origins of the Vietnam
War, http:/ /www.vietnam.ttu.edu/ .
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Roosevelt, Franklin D.: 32. Präsident der Vereinigten Staaten, 1933-1945.
Rusk, Dean: Außenminister während der Regierungen Kennedy und Johnson, 1961-1969.
Schweinebucht: Bucht an der Südküste Kubas, span. Bahia de (los) Cochinos. Hier landete am 17. April
1961 eine Gruppe von über 1.000 in den Vereinigten Staaten ausgebildeten Exilkubanern. Sie sollten Kuba
infiltrieren und einen Aufstand anzetteln, der den Sturz Fidel Castros zum Ziel hatte. Binnen 24 Stunden
wurde diese Invasion von der kubanischen Armee niedergeschlagen. Lange Jahre warfen die Angehörigen
gefallener und gefangener Exil-Kubaner den US-Geheimdiensten und Militärs mangelnde Unterstützung und
Falschinformation vor. Alle zivilen und militärischen Berater von Präsident Kennedy - mit Ausnahme des Kongressabgeordneten Richard Fulbright - hatten dieser Invasion zugestimmt. Für Präsident Kennedy, der eine
Unterstützung aus der Luft verweigert hatte, wurde die Mission sowohl militärisch als auch politisch ein totaler Misserfolg.
Weitere Informationen: James Blight und Peter Kornbluh, Politics of Illusion: The Bay of Pigs Invasion Reexamined, http:/ /www.gwu.edu/ ~nsarchiv/ .
Statistische Kontrollabteilung: Unterabteilung der US-Luftwaffe, gegründet 1942. Ihre Mitarbeiter wurden
auf der Harvard Business School ausgebildet und dann den einzelnen Luftwaffenkommandos zugeteilt, wo
sie standardisierte Abläufe anwenden sollten, die dann statistisch ausgewertet und analysiert wurden. Die
Behörde diente der Organisation von Truppen- und Materialbewegungen sowie Flugzeugeinsätzen und dem
Gewinnen von statistischen Daten über Bombenangriffe. Diese Daten wurden von den Befehlshabern der
Luftwaffe als wesentlicher Bestandteil der Planung und der Messung der Effektivität von Einsätzen genutzt.
Robert S. McNamara war eines der Gründungsmitglieder der Statistischen Kontroll-Fakultät in Harvard.
Taylor, Maxwell D.: Militärischer Berater von Präsident Kennedy, 1961-1962, Vorsitzender der Vereinigung
der Generalstabsoffiziere, 1962-1964, US-Botschafter in Südvietnam,1964-1965, Vietnam-Berater von Präsident Johnson, 1965-1968.
Thach (Nguyen Co Thach): Nordvietnamesischer Außenministeriums-Mitarbeiter während des Vietnamkrieges. Leiter der vietnamesischen Delegation während der Konferenz in Hanoi 1997 mit amerikanischen Entscheidungsträgern des Vietnamkrieges.
Thompson, Llewellyn: Führender Sowjetunion-Spezialist der USA, Berater der Regierungen Kennedy und
Johnson während der Kuba-Krise und des Vietnamkrieges.
Truman, Harry S.: 33. Präsident der Vereinigten Staaten, 1945-1953; gab 1945 den Befehl zum Abwurf
der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki.
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Verteidigungsminister: Das Amt des Verteidigungsminsters wurde 1947 nach dem Zweiten Weltkrieg neu
geschaffen, um die Militärabteilungen unter zivile Aufsicht zu stellen. Robert S. McNamara wurde am 20.
Januar 1961 der 8. Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten. Er übte sein Amt unter zwei Präsidenten
aus, Kennedy und Johnson, bevor er am 29. Februar 1968 zurücktrat.
Weitere Informationen: James Roherty, Decisions of Robert S. McNamara: A Study of the Role of the Secretary of Defense http:/ /www.defenselink.mil/ .
Vietcong: Umgangssprachliche Bezeichnung für die von Nordvietnam unterstützten Rebellen in Südvietnam
(offiziell „Nationale Befreiungsfront“).
Westmoreland, William C.: Befehlshaber des U.S. Militär-Unterstützungskommandos in Vietnam, 19641968, Oberkommandierender der US-Streitkräfte, 1968-1972, Leiter der US-Bodentruppen während der
Eskalation des Vietnamkrieges.
Wheeler, Earl G. „Bus“: Vorsitzender der Vereinigung der Generalstabsoffiziere, 1964-1970, beaufsichtigte als militärische Führungsperson in Washington die Maßnahmen im Vietnamkrieg.
Wilson, Woodrow: 28. Präsident der Vereinigten Staaten, 1913-1921; nach dem Ersten Weltkrieg misslang
sein Versuch, eine Liga der Nationen zu bilden, durch die er alle weiteren Kriege verhindern wollte.
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Zum Weiterlesen und Weiterschauen
Filmliteratur
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LEXIKON DES INTERNATIONALEN FILMS: Kino, Fernsehen, Video & DVD. Hrsg.: Katholisches Institut für
Medieninformation / Katholische Filmkommission für Deutschland / Vorwort v. Thomas Koebner. 1. Aufl.
Frankfurt /Main: Zweitausendeins, 2002. - 4.891 S., geb. € 99,00. [Sehr materialreich; inklusive 12 Monate
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Medien; mit einer Einführung in Multimedia. Reinbek: Rowohlt, 2001. - 704 S., kart. € 15,90. [Gut strukturiertes Standardwerk, mit vielen Beispielen und anschaulichen Bildern.]
MONACO, James, Film und Neue Medien: Lexikon der Fachbegriffe / Deutsch von Hans-Michael Bock.
2. Aufl. Reinbek: Rowohlt, 2003. - 189 S., kart. € 8,50. [Nützlich zum Nachschlagen.]
SCHADT, Thomas, Das Gefühl des Augenblicks: zur Dramaturgie des Dokumentarfilms. Bastei Luebbe,
2002. - 318 S., pb. € 14,90.
VINEYARD, Jeremy, Crashkurs Filmauflösung: Kameratechniken und Bildsprache des Kinos / illustriert von
Jose Cruz, aus dem Englischen von Krischan Schulte. 2. Aufl. Frankfurt/Main: Zweitausendeins, 2001. - 128 S.,
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Weitere Sachbücher
Kluge, Alexander, Die Lücke, die der Teufel läßt: Im Umfeld des neuen Jahrhunderts. Frankfurt /Main:
Suhrkamp, 2004. € 29,90. [Zum Thema „Vernunft wird uns nicht retten“ - beispielhaft die anschauliche,
bedrückende Analyse der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl.]
McNamara, Robert S. und VanDeMark, Brian, Vietnam: das Trauma einer Weltmacht. Hamburg, 1996.
[Selbstkritische Memoiren, zurzeit vergriffen. Engl.: „In Retrospect: The Tragedy and Lessons of Vietnam“,
1995.]
Fog of War
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Woodward, Bob, Der Angriff. DVA, angekündigt für 2004. € 24,90. [Engl.: Plan of Attack, 2004. - W., der
1972 den Watergate-Skandal aufdeckte, belegt durch umfangreiche Interviews: Der Irakkrieg war Tage nach
dem 11. 09. 2001 beschlossene Sache.]
Filme zum Thema Krieg und Krise
Thirteen Days. Regie: Roger Donaldson. USA, 2000, 145 Min. Darsteller: Kevin Costner u.a. [Die Kubakrise
als Thriller; Leitfaden: Kennedys Besonnenheit verhindert Katastrophe.]
O.K. Regie: Michael Verhoeven. Deutschland 1970, sw, 80 Min. Darsteller: Gustl Bayrhammer, Eva Matthes
u.a. [Über brutalisierte Soldaten in Vietnam, nach einer wahren Geschichte; der Film wurde sofort zum Skandal und kam erst 2001 ins deutsche Fernsehen.]
Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben. Regie: Stanley Kubrick. England 1963, sw, 95
Min. Darsteller: Peter Sellers u.a. [Über die Weltvernichtungsmaschine, und warum sie ausgelöst wurde - die
unerreicht makabre Persiflage des Kalten Krieges.]
Links
http:/ / errolmorris.com
Die Site des Regisseurs - informativ und nicht ohne Humor.
http:/ /www.choices.edu/ fogofwar
Das Choices-Programm (Watson Institute for International Studies / Brown University) bietet Material zum
Film; unter http:/ /www.watsoninstitute.org / finden sich weitere einschlägige Projekte zur amerikanischen
Geschichte und Politik.
http:/ / cmp1.ucr.edu/ exhibitions/nagasaki/ exploratorium.html
Historische Bilder von Nagasaki, Tage nach dem Abwurf der Atombombe (Ausstellung des California
Museum of Photography).
http:/ /www.defenselink.mil/pubs/pentagon/
Site des US-Verteidigungsministeriums zum Pentagon; mit Zugriff auf eine Informations-Datenbank.
http:/ /www.fogofwarmovie.com
Die offizielle Site von THE FOG OF WAR, enthält eine Liste nützlicher Links zu historischen Themen und Persönlichkeiten.
http:/ /www.uni-karlsruhe.de / ~ afk /
Seiten des AFK (Filmstudio an der Universität Karlsruhe e.V.), geben einen guten Überblick über das Genre
Dokumentarfilm.