Raus Führungskrise - Willigis Jäger Stiftung
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Raus Führungskrise - Willigis Jäger Stiftung
Raus 3 aus der Führungskrise Innovative Konzepte integraler Führung Hans Wielens | Paul J. Kohtes (Hrsg.) Vorwort: Zukunftstrend integrale Führung?: Hans Wielens 6 I. Werte: Neue Aspekte integraler Führung 1. Die zweite kopernikanische Wende: Willigis Jäger 4 18 2. Wert finden, Wert schätzen, Wert schöpfen: Prof. Dr. Barbara Mettler-v.Meibom 24 3. Presencing: Führung oder die Fähigkeit, aus der sich anbahnenden Zukunft zu handeln: Ute Thumm 4. Co-Creative Leadership: Dr. Alexander Schieffer 40 52 5. Ritter des Lichts – Tradierte Wertesysteme und persönliche Glaubensprinzipien als moderne Wegweiser zu authentischer und nachhaltiger Führungsqualität: Christoph Nahrholdt und Lars Ch. Stricker 74 6. Nachhaltiger Geschäftserfolg mit authentischem Management – oder Das Resonanzprinzip und die zentrale Rolle des „Fühlens“: Claude Keller 86 7. Der Kategorienfehler in der Führung: Symptome sind „weich“, Gedanken sind „hart“: Prof. Dr. Wolfgang Berger 96 8. Führungsprinzip Achtsamkeit – Der behutsame Weg zum Erfolg: Dr. Dieter F. Hinze 108 9. STUFEN zum Erfolg – Ein innovatives bildungs- und gesellschaftspolitisches Konzept: Prof. Dr. Hardy Wagner 120 II. Sinn: Integrale Beratungswege 1. Appreciative Inquiry – der positive Weg der Veränderung: Dr. Matthias zur Bonsen 132 2. Authentisch Beraten: Stefan Sedlacek 146 3. Strukturaufstellungen, eine „integrale“ und nützliche Analyse- und Problemlösungsmethode: Rolf Lutterbeck 4. Authentisches Feng Shui – Mehr Erfolg, Harmonie und Achtsamkeit im Geschäftsleben: Nicole Zaremba 170 158 III. Identität: Integrale Coachingkonzepte 1. Integrales Coaching: Guido Fiolka 182 2. Coaching aus dem „Inner Sense“ heraus: Brigitte van Baren 196 3. Samurai-21: Mentales Einzelcoaching für Führungskräfte: Ulrich Nitzschke 214 4. Präsenz in der Führung – und ein Coachingprozess für Achtsamkeit im Geschäftsleben: Ludger Beckmann 5 226 5. Leben wir unser Potenzial! – Der Direktzugang, um eine integral-authentische Führungskraft zu sein: Roland Rausch 240 6. „Do“-ing Leadership – Zen und Aikido für Führungskräfte: Liane Marquardt und Finn Hummel 252 7. Horse Assisted Education: Pferde im Managementtraining: Gerhard J. Krebs 262 8. NIKITA, die Menschenflüsterin – Natürliches Leadership-Coaching mit Pferden – zügellos, ehrlich und unmittelbar: Stephan G. Meyer 272 IV. Change: Begleitung in Veränderungsprozessen 1. Das Kind liegt im Brunnen. Wege hinein und hinaus. Ein Trialog: Dr. Regina Mahlmann 282 2. Der Organisationskompass als holistisches Führungsinstrument – Erfahrungen am Beispiel eines Visionsprozesses: Dr. Isabella Klien 3. Rhythm a System – rhythmische Interventionen in Veränderungsprozessen: Andreas Terhoeven 298 310 4. Aktivierung persönlicher Veränderungskompetenzen – Umsetzung in unternehmerischen Kontexten: Hannelore Schnellbügel 324 5. Werte als Erfolgsfaktor im Veränderungsmanagement: Dr. Dieter Brenken 336 6. Integratives Projektmanagement – Ein Ansatz zur Erhöhung der Effizienz bei der Implementierung von Projekten: Dr. Gerald Gary und Dietmar Simon 350 7. Das große Spiel des Lebens: Adelheid Engst und Inga Walther Zu guter Letzt: Management als die Kunst, Erfolg zuzulassen: Paul J. Kohtes 366 378 „Jedes neue Problem verlangt von uns, nach inneren Ressourcen zu suchen, mit denen wir es meistern können, und neue Strategien des Überlebens und der Weiterentwicklung zu erlernen.“ (Bertrand Piccard) 6 VORWORT: ZUKUNFTSTREND INTEGRALE F ÜHRUNG ? Bei der integralen Führung geht es um eine ganzheitliche Sicht der Wirklichkeit, also um eine Sicht, die nicht nur die äußere Welt mit ihren „facts and figures“ beachtet, sondern auch die innere Welt der Menschen, nämlich Geist, Seele und Gefühle und damit die Identität der Mitarbeiter und die Identität des Unternehmens. Gerade aus dem Umgang mit sich selbst und dem Umgang mit anderen ergeben sich häufig die stärksten destruktiven Ursachen für mangelnden unternehmerischen Erfolg. Die Einbeziehung von Sinn und Werten führt dazu, dass Mitarbeiter so angesprochen und geführt werden, dass sie ihr volles Engagement, ihre Kreativität und Ausdauer zur Entfaltung bringen und dadurch effektiver werden. Integrale Führung umfasst folgende Dimensionen: 1. die innere individuelle Dimension, d. h. die Intentionalität, das innere Potenzial, die persönliche Identität: Werte, Motivation, Selbstvertrauen, Kreativität, Authentizität, Wahrhaftigkeit und Integrität; 2. die innere kollektive Dimension, d. h. die Unternehmens- und Führungskultur; 3. die äußere individuelle Dimension, d. h. die fachlichen Kompetenzen, das sichtbare Verhalten und Verhaltensänderung, die allgemeinen Fähigkeiten und die Erhaltung der körperlichen Gesundheit; 4. die äußere kollektive Dimension, d. h. die Optimierung von Prozessen und Strukturen unter Beachtung von Selbstorganisationsansätzen. Wahrscheinlich sind es zwei Aspekte, die das Thema „Integrale Führung“ in den Fokus der Aufmerksamkeit lenken werden. Auf der einen Seite ist es die Suche der Kapitaleigner und Unternehmensführer nach nachhaltiger wirtschaftlicher Exzellenz, die die Bereitschaft erhöht, sich für neue Konzepte und ganzheitliche Betrachtungen der für die Unternehmen relevanten Wirklichkeit zu öffnen. Auf der anderen Seite sind es die Mitarbeiter und Führungskräfte, die gern ihr gesamtes Potenzial in ihrer Arbeit nutzen möchten, um zu besseren Arbeitsergebnissen zu Vorwort kommen. Integrale Führung strebt nach unternehmerischer Exzellenz unter Beachtung der Verantwortung für die Mit-, Umund Nachwelt, weil nur so nachhaltig gute wirtschaftliche Ergebnisse erreicht werden können. Viele Führungskräfte leiden heute unter dem Zwiespalt, dass sie sich zu integrem und authentischem Verhalten, respektvollem Umgang miteinander, Fairness und Kooperation, Vertrauen und verlässlichen Werten hingezogen fühlen, im beruflichen Umfeld aber von Sachzwängen umgeben sehen, hinter denen sich oft Egoismus und Rücksichtslosigkeit verbergen. Sie können sich dann auch nicht dem weitverbreiteten mechanistischen Steuerungswillen und der Selbstbedienungsmentalität widersetzen. Häufig fehlt es an Kraft und Selbstvertrauen, die innere Sehnsucht in die tägliche Berufswelt einzubringen. Führungskräfte sehen sich der Gefahr ausgesetzt, belächelt und missverstanden zu werden und deswegen nicht erfolgreich sein zu können. Manche flüchten dann in Zynismus und verharren – nicht selten ängstlich – im kräftezehrenden Zwiespalt zwischen privatem Wunsch und beruflichem Leben. Angesichts der permanenten und offensichtlich immer größer werdenden Gefahren für das Erreichen langfristig guter wirtschaftlicher Ergebnisse, werden wir in der Wirtschaft nach Wegen suchen müssen, der Führungs- und Unternehmenskultur wieder die ihr gebührende herausragende Stellung einzuräumen, um auch Zukunftstrend integrale Führung?: Dr. Hans Wielens die inneren, die seelischen Kräfte der Führungskräfte und Mitarbeiter für das Erreichen wirtschaftlicher Exzellenz zu aktivieren. Das wird über ein neues Bewusstsein – ein stärker ganzheitlich orientiertes bewusstes Sein – erreicht werden können, wenn dieses von einer stärkeren Mitverantwortung für die Mit-, Um- und Nachwelt geprägt ist. Die Wirtschaftsgeschichte macht deutlich, dass erfolgreiches Unternehmertum und erfolgreiche Marktwirtschaft mit einem werteorientierten und zuverlässigen Verhalten einhergingen. Der „königliche“ Kaufmann und die Devise „my word is my bond“ waren die existenznotwendigen Grundlagen einer innovativen arbeitsteiligen Wirtschaft. Heute scheinen viele vergessen zu haben, dass Adam Smith der Verfasser zweier Hauptwerke war, nicht nur des bekannten Werkes „Der Wohlstand der Nationen“, sondern auch des für das Funktionieren von Wirtschaft wichtigen Buches „Theorie der ethischen Gefühle“. Eine Rückbesinnung auf den „Sinn“ des Wirtschaftens ist erforderlich. Für Ludwig Erhard war noch klar, dass „dieser Sinn in der Verbesserung der Existenzbedingungen der Menschen liegt, in der Steigerung der Entfaltungsmöglichkeiten des menschlichen Lebens“. In verschiedenen Bereichen ist gegenwärtig deutlich zu spüren, dass sich neue Entwicklungen in der Unternehmensführung anbahnen, die sich zu einem Zukunftstrend ganzheitlich orientierter Führung verdichten können: 7 8 1. Viele Unternehmensleiter und Aufsichtsräte haben sich schon längst auf die Suche nach neuen Werten gemacht, nach – wie es neudeutsch heißt – corporate governance und social corporate responsibility, nach Compliance-Ansätzen, Ethik-Kodices usw. Noch ist kein ganzheitliches Konzept erkennbar und manche Regelwerke erscheinen als Aneinanderreihung von Geboten und Verboten, die zudem die Tendenz haben, immer wieder weitere Vorschriften anstelle eines neuen Bewusstseins zu generieren. Doch es gibt auch Integritätsansätze, die Unternehmen pragmatisch für ein ethisches Verhalten zu sensibilisieren versuchen, um ein Gesamtverhalten der Mitarbeiter zu erreichen, das wenige Prinzipien in den Vordergrund stellt, wie z. B.: Ehrlichkeit, das Einhalten von Versprechen, Fairness, Respekt vor anderen, Mitgefühl, Integrität und persönliche Verantwortung. Bisher wird allerdings nur unzureichend erkannt, dass die Unternehmenskultur vor allem geprägt, also nicht nur gepredigt, sondern gelebt werden muss, und zwar vom Topmanagement, und dass es innerhalb des Topmanagements vor allem die Aufgabe der Vorstandsvorsitzenden und Unternehmenseigentümer ist, sich um eine integrale Führungs- und Unternehmenskultur zu kümmern. 2. Nach der jüngsten Gallup-Studie sind im Durchschnitt nur 13 % der Mitarbeiter in deutschen Unternehmen wirklich engagiert und fühlen sich emotional mit ihrem Unternehmen verbunden, wobei allerdings die Unterschiede von Firma zu Firma recht groß sind. Das ist eine erschreckend niedrige Zahl. Verantwortlich wird dafür häufig das Führungsverhalten gemacht. Beklagt wird die mangelnde Anerkennung für gute Arbeit, das Desinteresse an dem Menschen im Mitarbeiter und an dessen persönlicher Entwicklung. Inzwischen ist jedoch durch vielfältige wissenschaftliche Untersuchungen (u. a. durch die Bertelsmann AG, die Bertelsmann-Stiftung etc.) nachgewiesen worden, dass der unternehmerische Erfolg eng an das wirkliche Engagement der Mitarbeiter gekoppelt ist. Die aus dem geringen emotionalen Engagement für die Unternehmen resultierenden Kosten sind enorm hoch. Sie werden von Gallup auf 260 Mrd. Euro jährlich veranschlagt. Bedeutender sind vielleicht noch die „opportunity costs“, also die nicht genutzten unternehmerischen Chancen, weil sie die „responseability“ der Unternehmen gegenüber den neuen Herausforderungen, also die Anpassungsfähigkeit mindern und damit die Zukunftsfähigkeit gefährden. Deutlich erkennbar ist, dass in diesem Bereich ein großes ungenutztes Potenzial liegt und dass über eine Vorwort verbesserte Führungskultur die unternehmerische Effizienz und Effektivität nachhaltig erhöht werden können. Erstaunlich ist, dass sich in den in Europa häufig geschmähten amerikanischen Unternehmen 29 % der Mitarbeiter voll engagiert und emotional eingebunden fühlen. Das sind mehr als doppelt so viele wie in Deutschland. Daraus ergibt sich ein deutlicher Wettbewerbsvorteil für die amerikanische Wirtschaft. Allerdings ist auch festzustellen, dass in amerikanischen Unternehmen – trotz der spektakulären negativen Auswüchse – dem Aspekt einer langfristig effektiven Führungskultur größere Aufmerksamkeit gewidmet wird als bei uns. So sind z. B. Hunderte von Unternehmen von „Servant Leadership“ geprägt – dem Gedankengut „Führen ist Dienen“, das von Robert Greensleaf (AT&T und später Professor an verschiedenen amerikanischen Universitäten) entwickelt wurde. Viele amerikanische Unternehmensleiter bekennen sich zu der spirituellen Dimension des Menschen und zu der Notwendigkeit, diese Dimension auch in das unternehmerische Leben zu integrieren. Wegweisende Gedankenanstöße an die Wirtschaft gehen auch von amerikanischen Universitäten und Philosophen (z. B. Ken Wilber) aus. Insbesondere die Eliteuniversität MIT in Boston mit den Professoren Peter Senge (Leiter des MIT Center for Organizational Learning, Zukunftstrend integrale Führung?: Dr. Hans Wielens Gründer von SoL – Society for Organizational Learning – und Autor des Buches The Fifth Discipline: the Art and Practice of the Learning), Fred Kofman (Mitarbeiter und Kollege von Peter Senge und später Gründer und Präsident der Beratungsgesellschaft Axialent sowie Autor des Buches Meta-Management) und dem aus Deutschland stammenden Otto C. Scharmer (Autor des Buches Presencing) steht hierbei in vorderster Reihe. 3. Selbst eine so erfolgreiche Unternehmensberatungsgesellschaft wie McKinsey spürt offensichtlich, dass sie ihre Führungsposition im Beratungsbereich nicht halten kann, wenn sie ausschließlich bei ihren bewährten rein rationalen Führungs- und Managementinstrumenten verbleibt. Weltweit ist ein vorsichtiger Wandel erkennbar. Die Themen emotionale und spirituelle Intelligenz sowie Sinnfragen werden nicht mehr außen vor gelassen. Um die auch für McKinsey „relevante“ Wirklichkeit zu sehen, betrachtet man nicht mehr nur die rein rational zugänglichen Bereiche, sondern bedient sich der integralen Theorie und des Vier-Quadranten-Zugangs von Ken Wilber. Offensichtlich ist die Erkenntnis gereift, dass der erarbeitete Wettbewerbsvorsprung sich nur verteidigen lässt, wenn man – bei weiterer Fokussierung auf den rationalen Bereich – ergänzend spirituelle Aspekte 9 10 in die eigene Unternehmensphilosophie und in die Beratung integriert. Hierzu wurde ein „white paper“ von führenden externen und internen Experten entwickelt. Um der Bedeutung des Themas „Achtsamkeit in der Führung“ für eine bessere Bewältigung der Zukunftsentwicklung auf die Spur zu kommen, wurde gemeinsam mit der schon erwähnten SoL ein Forschungsvorhaben „Illuminating the Blind Spot: Leadership in the Context of Emerging Worlds“ betrieben. An dieser Studie wirkten bedeutende Persönlichkeiten mit: W. Brian Arthur, Jonathan Day, Joseph Jaworski, Michael Jung, Ikujiro Nonaka, Otto C. Scharmer und Peter M. Senge. Heute ist es keine Überraschung mehr, anerkannten spirituellen Lehrern bei Ausund Fortbildungsveranstaltungen für McKinsey-Mitarbeiter zu begegnen. Auch McKinsey hat erkannt, dass ohne die Aktivierung der inneren Kräfte und der eigentlichen Identität (sowohl individuell bei den Führungskräften als auch kollektiv bei den Unternehmen) elementar wichtige Ressourcen für die Zukunftsbewältigung unerschlossen bleiben. 4. Der Autor des Führungsklassikers „Die 7 Wege zur Effektivität“, Steven R. Covey, hat inzwischen herausgefunden, dass er seine bisherigen 7 Erfolgswege um die Kraft einer neuen Dimension bereichern kann. In seinem neuesten Werk „Der 8. Weg – Mit Ef- fektivität zu wahrer Größe“, den man seinem Inhalt nach auch mit „Integrale Führung“ hätte betiteln können, empfiehlt er den Führungskräften, ihre innere Stimme zu entdecken und andere dazu zu inspirieren, die ihre zu finden. Covey zeigt einen Weg zur ganzheitlichen Entfaltung der Persönlichkeit. 5. Die Personalberatungsgesellschaft Spencer Stuart stellt in ihrer Studie „Employability und Querdenkertum“, die aufgrund von Tiefeninterviews mit Führungskräften im Jahre 2005 entstanden ist, fest, dass das Thema Spiritualität den Führungskräften auf den Nägeln brennt. Für die Befragten war es in hohem Maße wichtig, dass es mehr gibt als die eigene Ratio. Die Ursachen für die schwache Innovationskraft Deutschlands – so die Untersuchung – lägen weniger am Mangel an gestaltungsfreudigem Personal als vielmehr an der Zementierung der Prozesse in den Unternehmen. Unter „Kompetenz“ verstehe man in den Unternehmen häufig nur Können und formale Qualifikation, während ein moderner Kompetenzbegriff das ganzheitliche Potenzial einer Führungskraft zu beachten habe, wenn die Führungskraft in unerwarteten und komplexen Situationen erfolgreich wirken solle. 6. Der Zukunftsforscher Matthias Horxx hat in einer seiner jüngsten Studien (2005) einen „Selfness-Trend“ diagno- Vorwort stiziert, der seiner Meinung nach den „Wellness-Trend“ ablösen wird. Der künftig geforderte Menschentypus sei selbstwirksam, steuere seine Entwicklung selbst, könne in größeren Zusammenhängen denken, könne gut mit Vielfalt und Andersartigkeit umgehen und verfüge über eine gereifte Persönlichkeit. 7. Die DGFP (Deutsche Gesellschaft für Personalführung e. V.), die sich grundsätzlich stärker mit Führungsinstrumenten befasst, überschreibt ihren 14. Kongress im Jahre 2006 mit dem Titel „Menschen stärken – Wert(e) bilden“. Zwar wird hier noch auf die Darstellung der integralen Theorie verzichtet, aber einige ihrer wichtigen Schlussfolgerungen werden erkannt und umgesetzt: fair führen, Menschen in sich, in ihrer gesamten Persönlichkeit stärken, Fähigkeiten entdecken, Reflexion des eignen Führungsverhaltens, Führung und Werte sind Themen, mit denen sich die Kongressteilnehmer auseinandersetzen. 8. In seiner langjährigen und gründlichen Analyse wirtschaftlicher Exzellenz, veröffentlicht in dem Buch „Der Weg zu den Besten“, hat Jim Collins herausgefunden, dass nachhaltige unternehmerische Erfolge weniger durch dramatische Change-Programme und Restrukturierungsmaßnahmen erreicht werden als vielmehr durch ein sehr beständiges, konsequentes, auf Exzellenz ausgerichtetes Verhalten und Zukunftstrend integrale Führung?: Dr. Hans Wielens Führen. Beim Weg zur Exzellenz von Unternehmen gab es keine durchschlagende Einzelmaßnahme, kein gigantisches Programm, keine großartige Innovation, keinen plötzlichen Umschwung, kein Wunder. Der Prozess ähnelte eher einem riesigen Schwungrad, das sich immer in dieselbe Richtung dreht und mit jeder Umdrehung an Schwung gewinnt. Begleitet wurden nachhaltige Erfolge jedoch in aller Regel von einer Kultur der Wachheit gegenüber den Realitäten und einer Kultur der Disziplin. Bemerkenswert ist auch die phänomenologische Beschreibung der erfolgreichen Führungspersönlichkeiten durch Collins: Sie sind still, leistungswillig bis zur Selbstaufgabe, zurückhaltend, ja fast schüchtern – eine paradoxe Mischung aus Bescheidenheit, was ihre Person angeht, und professioneller Willenskraft in allen Belangen des Geschäftslebens. Sie holen sich die „richtigen“ Mitarbeiter an Bord und geben ihnen die „richtigen“ Positionen. Sie besitzen und fördern eine Kultur der Disziplin, eine unternehmerische Kultur von Freiheit und Verantwortung, in der die Führungskraft extreme Mühen auf sich nimmt, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Geld und Gewinne sind für sie so wichtig wie Blut und Wasser in einem gesunden Körper, aber sie sind nicht das „Wesentliche“ des Unternehmens, sondern entscheidend ist die explizite und über die Zeit konsistente Einbindung 11 12 zentraler Werte, wie z. B. Achtung vor dem Individuum und Verantwortung für das Umfeld, in dem das Unternehmen tätig ist. Die zentralen Werte und Zielsetzungen werden bewahrt, die Strategien und Praktiken den sich verändernden Verhältnissen angepasst. Meine Lebenserfahrung hat mich gelehrt, dass wir sich anbahnende Entwicklungen auch in der unmittelbaren Umgebung entdecken können, wenn wir aufmerksam hinschauen. Gute Erfahrungen habe ich mit dieser Einstellung während meines Berufslebens machen können durch Wettbewerbsausschreibungen für die Gestaltung öffentlicher Plätze (in dem Buch „Projekt Platzgestaltung – ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit im öffentlichen Raum“) und für die Umwidmung alter Gebäude (in dem Buch „Neues Leben in alten Gebäuden“), mit denen wir jeweils vorbildliche Lösungen ausfindig machen wollten. Selbst die kundigsten Experten waren von der Vielfalt großartiger und bereits realisierter Lösungen, die man eher im Ausland als im Inland vermutet hatte, überrascht. Insofern lag der Gedanke nahe, auch für den Bereich der Unternehmensführung nach integralen Konzepten in der Praxis von Unternehmensberatern und Coaches zu forschen. Eine Diskussion im Kuratorium der von mir gegründeten StiftungAuthentischFühren ergab Ermutigung und Unterstützung für ein PersonalSymposium, auf dem wir nicht selbst die Redner bestimmen, sondern über eine Ausschreibung (call for papers) gewinnen wollten. Wir luden daher Unternehmensberater und Coaches ein, zukunftsorientierte Vorschläge bezüglich der von ihnen erprobten integralen Beratungs- und Coachingkonzepte zu unterbreiten. Die Resonanz auf unseren Aufruf war außerordentlich positiv und brachte wesentlich mehr spannende und innovative Vorschläge zum Vorschein, als wir erwartet hatten. Die Beiträge in diesem Buch machen das – bei aller Unterschiedlichkeit – deutlich. Einer Jury aus drei aktiven Unternehmensleitern, zwei ehemaligen Unternehmensleitern und einem Wissenschaftler oblag die Auswahl der besten Vorschläge. Den Mitgliedern der Jury bin ich sehr dankbar für ihre zeitraubende ehrenamtliche Unterstützung. In der Jury mitgewirkt haben: Burkhard Graßmann, Mitglied des Vorstands von T-Online Intern. AG, Paul J. Kohtes, Gründer der Beratungsgesellschaft für PR und Corporate Communications PLEON Kohtes & Klewes und Gründer der Identity Foundation, Dr. Wendelin Küpers, der an der Fernuniversität in Hagen forscht und lehrt und zusätzlich Lehrbeauftragter an den Universitäten St. Gallen und Innsbruck ist, Dr. Dirk Püschel, Mitinhaber der Firma AkuTech und Geschäftsführer des AK Ken Wilber, Vorwort Thomas Terhaar, Mitglied des Vorstands der Deutsche Bank Bauspar AG, Dr. Hans Wielens, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bank Bauspar AG i. R., Honorarprofessor der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Leiter der StiftungAuthentischFühren. Dank für guten Rat und wichtige Hinweise schulde ich vielen weiteren Persönlichkeiten, darunter Herrn Dr. Thomas Altmann. Die Artikel dieses Buches bieten eine Fundgrube für spannende Anregungen, die Führungs- und Unternehmenskultur in den eigenen Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit und Exzellenz zu verändern. Den Autoren des Buches bin ich dafür sehr dankbar. Dabei übersehe ich keineswegs, dass es noch weitere großartige Beiträge von Autoren hätte geben können, die unseren Aufruf nicht erfahren haben oder ihm nicht gefolgt sind. Das Buch gibt somit lediglich einen Ausschnitt aus der im deutschsprachigen Raum vorhandenen Wirklichkeit wieder. Aufgrund der guten Resonanz und der wirklich innovativen Konzepte und aufgrund der rasanten Entwicklung auf diesem Gebiet stellt sich die Frage, ob man nicht künftig alle zwei Jahre ein weiteres Symposium organisieren sollte, um dadurch den Führungskräften aus der Wirtschaft einen jeweils noch repräsentative- Zukunftstrend integrale Führung?: Dr. Hans Wielens ren Überblick über die besten integralen Beratungs- und Coachingkonzepte zu geben. Trotz der steigenden Zahl integral denkender und handelnder Führungskräfte wird es noch geraume Zeit dauern, bis eine hinreichend kritische Menge vorhanden ist, um die Kultur in den Unternehmen durch dieses Gedankengut zu prägen. Viele Hindernisse – insbesondere weil sich bei den Anbietern nur schwer die „Spreu vom Weizen“ trennen lässt – stehen dem noch entgegen. Mit einer „Biennale Integrale Führung“ und einer Vernetzung der an dem Thema interessierten Führungskräfte könnte ein Beitrag geleistet werden, eine Führungskultur zu entwickeln, die in unserer – häufig von chaotischen Zuständen geprägten – Welt die „Lebendigkeit“ von Unternehmen stärkt. In instabilen Zeiten gilt es, die in Unternehmen vorhandenen Selbstorganisationskräfte zu nutzen, um kreative Lösungen für neue Ordnungen zu ermöglichen. Jedes neue Problem verlangt sowohl von Führungskräften selbst als auch von Unternehmen, nach inneren Ressourcen zu suchen, mit denen sie es meistern können, und neue Strategien des Überlebens und der Weiterentwicklung zu erlernen. Führung bedeutet dann weniger, präzise Anweisungen zu erteilen, als vielmehr sinnvolle Impulse für ein Kreativität ermöglichendes Klima zu geben. Die Führungskraft muss sich die Fähigkeit „zum Spielen“ erwerben und sich zum evolutionären Gestalter entwickeln, der die Flexibilität im Unternehmen erhöht, eine Kultur des Vertrauens und des Experimentierens 13 14 schafft, Selbstständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Offenheit für neue Ideen fördert und dadurch für das Unternehmen die Optionen erhöht, verschiedenartigen zukünftigen Herausforderungen besser begegnen zu können. Was heute mehr denn je gebraucht wird, aber in der Unternehmenskultur meist nicht verankert ist, ist eine „irritierende Autorität“, die Gewohntes in Frage stellt, Unsicherheiten wahrnimmt und Aufmerksamkeit bündelt. Solange jedoch Unternehmenskulturen solch irritierende Führung nicht zulassen und unterstützen, ergeben sich unfruchtbare Konflikte – ein solches Verhalten wird dann als Angriff auf bestehende Hierarchien und Strukturen verstanden. Ihnen, verehrte Leser und Leserinnen, wünsche ich nicht nur Freude und Anregungen beim Lesen der spannenden Beiträge. Lassen Sie sich bestärken auf Ihrem Weg, ein besseres Führungsverhalten – allerdings ohne jeglichen missionarischen Eifer – selbst umzusetzen: mit Ausdauer und der durchsetzungsfähigen Geduld des guten Beispiels. Leisten Sie Ihren praktischen Beitrag für eine lebenswertere Wirtschaftswelt, für mehr Kreativität, Offenheit, Selbstverantwortung und für nachhaltige wirtschaftliche Exzellenz. Den im Unternehmen angewandten und bewährten Führungsinstrumenten kann eine neue Dimension der Wirkungskraft verliehen werden, wenn wir die emotionale, soziale und spirituelle Intelligenz voll in das unternehmerische Leben einbeziehen. Darin liegt die größte Herausforderung, um zu wirklicher unternehmerischer Exzellenz zu gelangen. Jede Führungskraft und jedes Unternehmen haben das Potenzial, wahre Größe zu erreichen, wenn sie ihr inneres Feuer entfachen und sich leidenschaftlich engagieren. Bedenkenswert für das eigene Vorgehen ist dabei aber auch der Rat von Thich Nath Than: „Macht euch keine Sorgen, wenn die Menschen um euch herum nicht ihr Bestes tun, sorgt euch nur darum, dass ihr eure Sache gut macht. Wenn ihr euer Bestes tut, dann ist das der sicherste Weg, diejenigen, die um euch sind, daran zu erinnern, ihr Bestes zu tun.“ Gerne und dankbar werden wir Anregungen von Ihnen, verehrte Leserinnen1 und Leser, aufgreifen, um unser Anliegen, die Führungs- und Unternehmenskultur, stärker in Richtung unternehmerische Exzellenz zu entwickeln und voranzutreiben. Nehmen Sie Kontakt zu uns auf und senden Sie uns Ihre Anregungen per E-Mail. Zum Abschluss möchte ich mich herzlich beim Verlag J. Kamphausen für die konstruktive und freundschaftliche Zusammenarbeit bei der Herausgabe dieses Buches und der Schriftenreihe bedanken, insbesondere bei dem Verleger Joachim Kamphausen und bei Annegret Torspecken. Sao Rafael im April 2006 Hans Wielens Vorwort StifungAuthentischFühren Deitersweg 33 / 48159 Münster info@authentisch-fuehren.de www.authentisch-fuehren.de Die Beiträge in diesem Buch geben die Meinung der Autoren wieder und nicht in jedem Fall die Meinung der StiftungAuthentischFühren oder die der Herausgeber. Zukunftstrend integrale Führung?: Dr. Hans Wielens 1 Wir haben in den nachfolgenden Artikeln auf die separate Benennung der beiden unterschiedlichen Geschlechter verzichtet, um der Lesbarkeit nicht den Fluss zu nehmen, möchten jedoch ausdrücklich darauf hinweisen, dass sich sowohl die Damen als auch die Herren angesprochen fühlen mögen. 15 Wir bitten um Beachtung der Anzeigen am Ende des Buches. Dr. Hans Wielens (Jg. 1939), verheiratet, vier Kinder, leitende Funktionen im Bankwesen, zuletzt Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bank Bauspar AG, Honorarprofessor an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Autor des Buches „Im Brennpunkt: Geld & Spiritualität – Ist die Krise der materiellen Welt überwindbar?“, Verlag Via Nova, Hrsg. der Bücher „Führen und Meditieren“, Peter Lang-Verlag und „Führen mit Herz und Verstand“, J. Kamphausen, Gründer und Leiter der StiftungAuthentischFühren – Zen-Akademie für Führungskräfte in Münster. 16 I. WERTE: Neue Aspekte integraler Führung Die zweite kopernikanische Wende Willigis Jäger 17 18 W ILLIGIS J ÄGER : DIE ZWEITE KOPERNIKANISCHE W ENDE Die Menschen waren einmal fest davon überzeugt, dass die Erde die Mitte des Weltalls und der Mensch die Krone der Schöpfung sei. Es dauerte lange, bis die Religion zugeben konnte, dass dies nicht der Wahrheit entspricht. Das war eine schlimme Kränkung, welche die Kreationisten und Fundamentalisten auch heute noch nicht verkraftet haben. Der Mensch der Gegenwart meint, sein Ich wäre die Mitte seines Menschseins. Astrophysik, Molekularbiologie, Neuronenforschung belehren uns jedoch eines Besseren und bestätigen, was die Weisen seit Jahrtausenden sagen: Es gibt kein permanentes Ich. Diese Tatsache dem Menschen von heute nahezubringen, ist so schwierig, wie damals die Erde aus dem Mittelpunkt des Kosmos zu heben. Die Neurobiologie bestätigt uns, was die Mystiker des Ostens und des Westens schon lange wussten: Unser Ich ist nur das Instrument, auf dem ein Bewusstsein spielt, das jedoch nicht unser IchBewusstsein ist. Wir entdecken, dass unser Ich-Bewusstsein nur eine interessante Oberfläche ist, unter der kein stabiler IchKern zu finden ist. Wirklichkeit ist nicht das, was wir sehen und hören, denn wir können die Welt nur mit den Modellen wahrnehmen, die unser Gehirn kreiert. Diese Modelle werden von Erregungsmustern der Neuronenverbände hervorgebracht. Die Nervenzellen können sich ein Leben lang neu organisieren und damit immer wieder neue Ich-Konzepte hervorbringen. Versagen diese Neuronenverbände ihren Dienst, verschwindet auch das Ich. Unser Ich gaukelt uns somit eine Welt vor, die es so gar nicht gibt. Wir kreieren sie erst aufgrund unseres Verstandes und unserer Sinne. Dieses Ich ist zweifelsohne eine gewaltige Errungenschaft der Evolution. Wir haben jedoch zu begreifen, dass wir nicht das sind, was uns dieses Ich ständig vorsagt. Wir sind zeitloses Leben, das sich für einige Zeit eingrenzt, das sich im Baum als Baum, im Tier als Tier und im Menschen als Mensch offenbart. Dieses zeitlose Leben, das wir sind, zu erfahren, ist der Sinn aller Religion und aller Spiritualität. Hier und jetzt offenbart sich in dieser unserer Struktur eine hintergründige Wirklichkeit. Ich kann ihr den Namen Gott geben, doch sie ist etwas ganz anderes als dieser personale Gott, der uns in unserer Kindheit nahegebracht wurde. Gott ist das, was sich Augenblick für Augenblick vollzieht. Gott drückt sich in dieser unserer I. WERTE: Neue Aspekte integraler Führung menschlichen Struktur im Hier und Jetzt aus. Wir sind viel mehr, als dieses Ich uns ständig vormacht. Doch wir sind vernarrt in unser Ich, obwohl es der Grund für die Misere darstellt, in die wir uns als Spezies hineinmanövriert haben. Wir mussten als Mensch aus der symbiotischen Einheit eines prähominiden tierischen Daseins in ein personales Bewusstsein treten, um ich und du sagen zu können. Kaum waren wir jedoch draußen, brachte Kain seinen Bruder Abel um. So ist es bis zum heutigen Tag geblieben. Die Geschichte unserer Spezies ist eine mörderische Geschichte und sie wird immer schlimmer. Wir töten nicht nur mit raffinierten Waffen, wir töten mittlerweile mit Wirtschaftssystemen, Finanzordnungen und durch „Ressourcen-Klau“. Der Mord bleibt dann nur auf dem Papier, verbirgt sich hinter abstrakten Zahlen und beunruhigt uns daher nicht. Wir töten, weil wir den anderen den eigenen Wohlstand nicht gönnen. Wir töten, indem wir andere zwingen, unsere Hemden und Anzüge für einen Hungerlohn zu produzieren, um dann den Gewinn in die eigene Tasche zu stecken. Was bringt uns heraus aus dieser Misere? Die Religionen haben es nicht geschafft. Sie waren selbst oft ins Morden verstrickt. Die Moral des „du sollst“ und „du musst“ und „du darfst nicht“ brachte uns nicht wesentlich weiter und wird uns, wie die Erfahrung zeigt, auch nicht weiterbringen. Nur wenn wir begreifen, dass wir Die zweite kopernikanische Wende: Willigis Jäger zuerst Gemeinschaft sind und dann Individuen, wird unser Ich den rechten Platz finden. Nur wenn wir verstehen, dass eine einzelne Masche einzig im Netz Sinn macht, wird sich etwas ändern. Nur wenn wir begreifen, dass unser Ich nicht unser wahres Wesen ist, sondern nur das Instrument auf dem ein Größeres spielen möchte, werden wir uns anders verhalten. Nur wenn wir erfahren, dass unser wahres Wesen hinter dem Ich-Schleier verborgen liegt, werden wir diese Einheit mit allen Wesen erfahren und anders handeln. Benediktushof – Zentrum für spirituelle Wege Das Gesagte hat eine tiefe spirituelle Bedeutung, aber es sollte auch eine pragmatische Auswirkung besitzen. Die mystische Erfahrung ist nicht nur die nächste Stufe in der Entfaltung unseres Bewusstseins, sie ist vielleicht auch die letzte Hoffnung für eine menschenwürdige Zukunft unserer Spezies. Nur sie scheint mir in der Lage zu sein, Gier, Angst und Egozentrik zu überwinden, die uns seit Jahrtausenden in grausame Verirrungen und großes 19 20 Leid geführt haben. Unsere Unsicherheit entspringt einem fatalen Bedürfnis nach immer mehr Macht und Besitz. Nie hat der Mensch genug. Im Hintergrund steht die Angst vor Mächtigeren, vor neuen Ideen, Glaubenssystemen und Kulturen. All dies ängstigt und bedroht uns. Wir kapseln uns ab in einer vermeintlichen Sicherheit. Das gilt für den Einzelnen ebenso wie für das Unternehmen. Nur eine tiefere Erfahrung der Wirklichkeit kann diese egoistischen Ängste überwinden und uns zusammenschließen. Wenn diese mystische Erfahrung der Wirklichkeit wirksam wird, ändern sich Motive, Erwartungen, Misstrauen und Feindseligkeit. Es schwindet sen. Es ist die Wahrnehmung, mit allem in fragloser Gegenwart verbunden zu sein. Es ist eine Wachheit ganz anderer Art. Es ist ein Bewusstsein, das als trans-rational oder a-rational bezeichnet werden muss und alle Potenzen in sich trägt. Diese Erfahrung besitzt eine unumstößliche und außerordentliche Qualität. Sie kann verschlossene Tore aufsprengen und für den Lebensweg unerwartete Konsequenzen haben. Alle Skepsis kann ihr keinen Abbruch tun. Die Erfahrung mündet in den Alltag und führt zu unseren Mitmenschen. Benediktushof – Zendo die Angst vor den anderen. Das ist das Fundament für eine bessere Welt. Damit ändert sich auch einiges im Unternehmer und im Unternehmen. Sie erkennen, dass sie ihren Teil zum Ganzen beizutragen und der Allgemeinheit zu dienen haben. Spiritualität ist nicht nur eine individuelle Erfahrung auf dem Sitzkissen, sondern die Grundlage der Begegnung mit allen We- I. WERTE: Neue Aspekte integraler Führung Willigis Jäger wurde 1925 in Hösbach geboren und trat 1946 in die Benediktinerabtei Münsterschwarzach ein. Nach seinem Theologie- und Philosophiestudium erhielt er 1952 die Priesterweihe. Von 1960 bis 1975 war er als Bildungsreferent für die kirchlichen Werke Missio und Misereor tätig. Seine zahlreichen Auslandsaufenthalte führten ihn schließlich nach Kamakura in Japan, wo er 1975 Schüler des Zen-Meisters Yamada Koun Roshi wurde. 1981 beauftragte ihn sein Meister, die Zen-Lehren weiterzugeben, und er kehrte nach seinem 6-jährigen Aufenthalt in Japan nach Deutschland zurück. 21 1996 erhielt er die Beauftragung als Zen-Meister der Sanbo-Kyodan-Schule als 86. Nachfolger von Shakyamuni Buddha. Von 1983 bis 2001 leitete Willigis Jäger das Meditationszentrum St. Benedikt in Würzburg, in dem er Zenund Kontemplationskurse abhielt. Seit Dezember 2003 ist er spiritueller Leiter des Seminar- und Tagungszentrums Benediktushof in Holzkirchen bei Würzburg. Willigis Jäger gilt als einer der bedeutendsten spirituellen Lehrer der Gegenwart und wurde durch seine zahlreichen Publikationen und Vorträge einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Sein großes Anliegen ist es, die vergessene Tradition der Mystik wieder in das menschliche Bewusstsein zu bringen. Benediktushof Zentrum für spirituelle Wege Klosterstraße 10 / 97292 Holzkirchen buero@willigis-jaeger.de www.willigis-jaeger.de Die zweite kopernikanische Wende: Willigis Jäger s. a. Anzeige auf S. 382 Wichtige Veröffentlichungen: Verlag Via Nova: Suche nach dem Sinn des Lebens; - Suche nach der Wahrheit; - Wohin unsere Sehnsucht führt; - Gesang der Stille, - 27 Perlen der Weisheit. Herder Verlag: Die Welle ist das Meer; - Kontemplation; - Die Wiederkehr der Mystik, - Denn auch hier sind Götter; - Aufbruch in ein neues Land. Verlag Kösel: Der Himmel ist in dir; - In jedem Jetzt ist Ewigkeit; - Das Leben ist Religion. Theseus Verlag: Das Leben endet nie.