Pechstein Frage Steroide Wachstumsfraktoren
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Pechstein Frage Steroide Wachstumsfraktoren
Klinik für Onkologie Hämatologie Internistische Onkologie Akademisches Lehrkrankenhaus St. Marien-Krankenhaus Siegen gem. GmbH · Klinik für Hämatologie Pseudonymisiert Hämatologie/Intern. Onkologie Chefarzt: Prof. Dr. W. Gassmann Kampenstraße 51, 57072 Siegen Bundestag Telefon 0271 Telefax 0271 Mobil 0170 231-1302 231-1309 9035227 Siegen, 3. März 2011 Ihre Frage: Können irgendwelche Dopingverfahren die bei Frau Pechstein beobachteten Blutbildveränderungen verursachen insbesondere die jetzt von Herrn Kistner und Professor Franke im Deutschlandfunk erwähnten. Sehr geehrter Herr pseudonymisiert! Ich habe Herrn Kistners Text gelesen und bin doch (mal wieder) etwas erstaunt. Niemand hat behauptet, alle oder viele Sportler mit erhöhten Retikulozytenzahlen hätten eine Membran-Erkrankung der Erythrozyten. Kistner original: "Neue Überraschung im Fall Claudia Pechstein: Während die gesperrte Eisläuferin weitere Belege für ihre angebliche Blutanomalie ankündigt, gibt die Staatsanwaltschaft München bekannt: "Im Ermittlungskomplex zum Thema Eisschnelllauf gibt es nicht nur Frau Pechstein, die auffällige Retikulozyten-Werte hat. "Das wirft aus Expertensicht neues Licht auf die mysteriösen Blutschwankungen, die schon bei Pechstein die Wissenschaft vor bisher nicht definitiv gelöste Rätsel stellt. Mehrere Sportler, darunter zwei weitere deutsche Eisläuferinnen, mit auffälligen Werten - das passe nicht in die bisherige Einzelfallstudie. Auf die enorme Seltenheit des Pechsteinschen Blutphänomens hatte ja schon der Eislaufweltverband ISU im Urteil 2009 verwiesen. Demnach waren in 10.000 Sportler-Blutprofilen, gemessen über Jahrzehnte, "nur acht Personen mit einer Blutkrankheit" aufgetaucht, und darunter nur ein St. Marien-Krankenhaus Siegen gem. GmbH, 57072 Siegen, Siegen - HRB 3188, USt.-IdNr.: DE176257881, Geschäftsführer: Christoph Rzisnik und Hans-Jürgen Winkelmann, Vorsitzender des Verwaltungsrates: Bruno Sting. Blutprofil, das dem Pechsteins geähnelt habe. Für das gab es aber eine medizinische Erklärung." Antwort Das ist wohl ein journalistischer/argumentativer Trick, anderen eine nicht gemachte Behauptung zu unterstellen und dann die Absurdität dieser angeblich gemachten Behauptung darzustellen. Natürlich ist es absurd, anzunehmen, jeder Mensch mit erhöhten Retikulozytenwerten habe eine Sphärozytose oder eine ihrer Varianten. Normwertstudie In einer Normwertstudie der DGHO hatten 4 von etwa 1000 gesunden Probanden Retikulozytenwerte über 3%. Eisschnell-Lauf In einer Studie von Prof. Dr. H. Kuipers heißt es wörtlich: "The distribution of percent reticulocytes shows ... out of 11 500 samples .... From the 171 samples with a values > 2.4 % in 52 skaters at least two consecutive samples yielded a percent reticulocytes above 2.4%. In 50 individuals with generally normal values but at least in two consecutive samples values above 2.4 % the pattern required additional testing. Kuipers H et al. Blood Testing in Sport … Int J Sports Med 2010. Erhöhte Retikulozyten kommen also nicht nur bei deutschen sondern offenbar bei vielen Sportlern vor. So wäre es richtig: "Alte Überraschung im Fall Claudia Pechstein: Während die gesperrte Eisläuferin weitere Belege für ihre angebliche Blutanomalie ankündigt, gab der Chef-Dopingkontrolleur der ISU schon vor Monaten bekannt, dass insgesamt 52 Eisschnell-Läufer erhöhte Retikulozytenwerte über der Sperrgrenze des Verbandes hatten. Damit offenbart sich, wie groß das Dopingproblem in dieser Sportart ist. Zusätzlich hatte Professor Kuipers in der Studie bekanntgegeben, dass Frau Pechstein an einer Blutanomalie leidet. Nun ist die Verwirrung komplett." Blutanomalie Zur Pechsteinschen Blutanomalie in der Kuipers-Studie siehe Anlage. Nun zu Ihrer Frage: Kann vielleicht nicht doch irgendein Dopingverfahren, die bei Frau Pechstein beobachteten Laborveränderungen auslösen. Professor Dr. Franke hatte "Steroide" und "Wachstumsfaktoren" als denkbar erwähnt. Das Kistner'sche Zitat kommt mir eher alt vor. Hat Prof. Dr. Franke diese Aussage wirklich aktuell wiederholt? Zum einen geht bei Ihrer Frage sicherlich um die erhöhten Retikulozytenwerte, zum anderen müssen Sie auch die weiteren bei ihr beobachteten Labor-Auffälligkeiten berücksichtigen: 1. Bei 10% aller Messungen erhöhte Retikulozytenwerte 2 Standardparameter 2. Knapp 30% aller sogenannter MCHC-Werte lagen im pathologischen Bereich über 36 g/dl (ISU-Messungen) (siehe Stellungnahme Website Marienkrankenhaus). 3. Es finden sich bei ihr vermehrt sog. hyperchrome Zellen (ISUMessungen). Ist ein Indikator für Sphärozytose und Xerozytose. 4. Bei Messungen im Jahr 2009 nach ihrer Dopingsperre lag der sogenannte Haptoglobinwert immer im Bereich der unteren Normgrenze oder im pathologischen Bereich. Ist ein Indikator für verstärkten Zerfall roter Blutkörperchen. Dies sind nur die hämatologischen Standardparameter. Zu dieser Aufstellung könnte man noch die wissenschaftlich-neuen Befunde von Dr. Weimann und Prof. Dr. Eber hinzufügen. Für das Gesamtbild der Laborveränderungen ist ausgeschlossen, dass es durch irgendein Dopingverfahren ausgelöst ist. Im folgenden habe ich mich nur auf die Retikulozyten konzentriert, also auf die Frage, ob irgendein Dopingverfahren die Pechsteinschen Retikulozytenwerte erklären könnte. Wachstumsfaktoren Wachstumsfaktoren Das ist etwas anderes als "Wachstumshormone", die im GritHartmann-Artikel mit der vergessenen Spur diskutiert sind. Dazu hatte ich Ihnen ja bereits eine Literaturzusammenstellung geschickt. Der Begriff Wachstumsfaktoren ist nicht allgemeingültig definiert. Nach landläufiger Sprache sind Wachstumsfaktoren Meine Antwort • alle Substanzen, die die Bildung von Erythrozyten stimulieren wie Epo aber auch viele andere. Diese Substanzen wirken unterschiedlich, haben aber die gleiche Endstrecke mit Anstieg der Retikulozyten und nachfolgendem Hämoglobinanstieg. • Substanzen, die die Produktion von weißen Blutkörperchen stimulieren. Dies ist eine der Sörgel-Hypothesen. • Substanzen, die die Produktion von Blutplättchen stimulieren. Wachstumsfaktoren für weiße Blutkörperchen und für Blutplättchen (Thrombozyten) kommen bei normaler Zahl dieser Zellen bei Frau Pechstein nicht als Blutdoping-Mittel in Betracht. In der angesprochenen Stellungnahme zu Blut-Dopingverfahren habe ich wie in Anlage 1 zu Wachstumsfaktoren Stellung genommen: 3 Steroide Steroide Des weiteren ist von Steroiden die Rede. Da gibt es ganz verschiedene. Im Dopingkontext können nur anabole Steroide gemeint sein, die nahe verwandt und teils identisch sind mit den männlichen Sexualhormonen oder Medikamenten, die zwar eine andere Struktur haben aber vergleichbar wirken. Meine Antwort Ich habe diese Frage schon vor langer Zeit, als sie das erste Mal im Pechstein-Kontext diskutiert wurde, bearbeitet und alles zusammengesucht, was es an Publikationen zu diesem Thema gibt. Den entsprechenden Teil aus dieser Stellungnahme zu den anabolen Steroiden finden Sie in der Anlage. Es gibt Publikationen mit und ohne Anstieg des Hämoglobinwertes unter Anabolika. Ich gehe davon aus, dass dieser Effekt vorhanden aber klein ist, insbesondere bei Menschen mit Testosteronmangel. Dieser liegt bei Frauen ja sicherlich vor. Man kann den Hämoglobinwert unter solchen Bedingungen bei Body-BuilderDosierungen wahrscheinlich um bis zu 1 g/dl steigern. Wundermittel sind Anabolika sicherlich nicht. Ich habe gar nichts zur Wort-Kombination „Anabolika und Retikulozyten“ und „Androgene und Retikulozyten“ in der Datenbank Medline, in der alle Kurzfassungen fast aller medizinischer Zeitschriften der Welt zu finden sind, gefunden. Gefunden habe ich nur etwas zur erfolglosen Therapie bei aplastischer Anämie und etwas zu Rattenhirnen, aber absolut gar nichts, in dem Sinne, dass die Retis steigen. Fazit Entweder nennt mir jemand eine Publikation, in der nachlesbar ist, dass Anabolika die Retikulozytenzahl bei Frauen auf den PechsteinWert von 3.5% heben können oder die oben aufgeführte Behauptung von Prof. Dr. Franke ist offensichtlich an den Haaren herbeigezogen. Nachtrag vom 12.02.2011: Bislang (nach 8 Monaten) hat mir niemand eine solche Studie genannt. Ganz zum Schluss eine persönliche Frage: Was machen die für Sport zuständigen Pseudonymisiert-Bundestagsabgeordneten, wenn sie zur Überzeugung gelangten, der Urteilsspruch gegen Frau Pechstein war unberechtigt oder falsch. Schließen Sie dann die Akten und sagen OK oder würden Sie handeln. Wenn es nur um die konsequenzlose Information geht, wäre das natürlich für mich etwas viel fruchtlose Arbeit. Mit freundlichen Grüßen Winfried Gassmann 4 Anlagen aus der erwähnten Stellungnahme Anlage 1 G-CSF – Wachstumsfaktoren für die Stimulierung der weißen Blutkörperchen nach Chemotherapie Diese Substanzgruppe wurde von Prof. Dr. Sörgel in die Diskussion eingeführt. G-CSF (granulocyte colony stimulating factor) wird eingesetzt, um nach Chemotherapie die Reifung der weißen Blutkörperchen zu beschleunigen. Ein zweites Einsatzgebiet ist bei Spendern für die Blut-Stammzell-Transplantation gegeben. Hier wird die Substanz dazu verwendet, die Stammzellen der Blutbildung vom Knochenmark ins Blut zu treiben. Dort können sie dann mit vergleichsweise einfachen Methoden gewonnen werden. Mir sind keine Daten zum Effekt dieser Substanzgruppe auf die Produktion von roten Blutkörperchen bekannt. Das mag aber ein Defizit meinerseits sein. Als Arzt habe ich mich naturgemäß bislang nicht für diese Frage interessiert. Einen solchen Effekt kann ich mir gut vorstellen, er kann aber nur marginal sein. Bei der speziellen Frage Pechstein-Hamar-2009 ist ein G-CSF-Doping ausgeschlossen, weil die Zahl der weißen Blutkörperchen am 6. Februar 2009 mit 5.300/µl gemessen worden war. Diese Information hätte Prof. Dr. Sörgel sich besorgen können, bevor er die G-CSF-Hypothese veröffentlichte. Anlage 2 Anabolika/(Androgene) Anabolika-These Professor. Dr. Franke glaubt nicht mehr an Epo-Doping bei Frau Pechstein. Er geht davon aus, dass das für erwiesen gehaltene Blutdoping durch Anabolika oder Mischungen verschiedener Substanzen erfolgt ist. Prof. Dr. Sörgel vertritt eine ähnliche Position. FAZ-Interview Interview mit Prof. Dr. Franke geführt am 16. März 2010 nachlesbar im Internet. FAZ: „Die Experten haben Epo-Doping aber völlig ausgeschlossen.“ Prof. Dr. Franke: „Das glaube ich sogar.“ FAZ: „Wie bitte?“ Prof. Dr. Franke: „Aus der Vergangenheit, etwa im Radsport, ist längst bekannt, dass niedrig dosierte Anabolika wie zum Beispiel Andriol auch zur Verbesserung der Blutbildung genommen werden können. Man schluckt sie abends – am nächsten Mittag sind sie schon nicht mehr nachweisbar.“ 5 Kommentar dazu: Nach meiner Kenntnis läuft der Stimulationsmechanismus bei anabolen Substanzen über die Epo-Produktion. Anabolika sind somit nichts anderes als Epo-Stimulantien. Erys werden vermehrt gebildet, weil mehr Epo vorhanden ist. Wir haben es also mit dem gleichen Stimulationsprinzip zu tun wie bei direkter Epo-Applikation. Nur dass eine zusätzliche Verzögerung des Hämoglobinanstiegs von drei bis vier Tagen gegeben ist. Der Vorteil bezüglich des Blut-Dopings besteht ausschließlich darin, dass kein nachweisbares Fremd-Epo vorhanden ist. Zweiter Vorteil ist die Stärkung der Muskelkraft. Nachteil ist der Body-Builder-Aspekt, wenn man Body-Builder-Dosen verwendet. Für mich ist die Argumentationslinie des FAZ-Interviews dementsprechend nicht nachvollziehbar. Andriol Prof. Dr. Franke spricht ausdrücklich die Substanz „Andriol“ an. Ich habe deshalb die medizinische Datenbank Medline der amerikanischen Gesundheitsbehörde auf die Stichwörter „andriol and reticulocytes“, „andriol and hemoglobin“ sowie auf „androgenic/anabolic and reticulocytes“ und vielfältige andere Begriffe in diesem Kontext durchsucht. In dieser Datenbank sind Kurzfassungen aller medizinischen Zeitschriftenartikel der Welt (alle wichtigen und sehr viele unwichtige wissenschaftliche Zeitschriften) nachlesbar. Prostata-Carcinom Bei Patienten mit Prostatacarcinom wird oft die Produktion von Sexualhormonen medikamentös „ausgeschaltet“. Bei dieser Ausschaltung der Produktion von Sexualhormonen kommt es zum Rückgang des Hämoglobinwertes. Dabei sind Epo-Spiegel sowie der Wachstumshormon-Spiegel unverändert. Der IGF-1-Spiegel ist erhöht. Trotzdem fällt der Hämoglobinwert unter den klinischen Bedingungen leicht. Hara N, Nishiyama T, Takizawa I, Saito T, Kitamura Y, Takahashi K: Decline of the Red Blood Cell Count in Patients Receiving Androgen Deprivation Therapy for Localized Prostate Cancer: Impact of ADT on Insulin-like Growth Factor-1 and Erythropoiesis. Urology. 2010 Jan 26. [Epub ahead of print] Alexanian Die Probanden erhielten einen Monat lang täglich Fluoxymesterone. Dadurch stieg der Hämatokritwert im Median um 5% (minimal 1%, maximal 8%). Auffällig ist, dass offenbar weniger die Zahl der Erythrozyten gestiegen ist, sondern überwiegend besonders große rote Blutkörperchen gebildet wurden. Denn das mittlere Volumen der Einzelzelle stieg um 15% (Bereich 7 bis 25%). Ob der Hämoglobinwert gestiegen ist, wird in der Arbeit nicht erwähnt. Dies ist aber anzunehmen, wenngleich der Anstieg geringer als der des Hämatokrits sein muss. Bei hypogonadalen Männern (Männer ohne Produktion von Sexualhormonen) war der Effekt deutlich größer. 6 Erhöhte Retikulozytenzahlen sind nicht nachgewiesen worden; diese Untersuchung stammt aber noch aus der Zeit, in der die Retikulozytenzahl mit der alten schlecht reproduzierbaren mikroskopischen Methode bestimmt wurde. Der Stimulationsmechanismus läuft über die Verstärkung der EpoSekretion. Die verstärkte Epo-Sekretion wurde in der Arbeit ab Tag 4 nach Beginn der Therapie verzeichnet. An den Tagen 1-3 sind allerdings nur wenige Messungen erfolgt. R. Alexanian: „Erythropoietin and Erythropoiesis in Anemic Man Following Androgens“ Blood 33: 564, 1969. Wintrobe’s Tabelle Siehe nachfolgenden Abschnitt über Wachstumshormone. Bei den Ursachen erhöhter Erythrozytenzahlen sind auch Eierstockstumoren aufgeführt, die männliche Sexualhormone produzieren und zu einer Vermännlichung der betroffenen Frauen führen. Urhausen et al Auch Anabolika haben einen gewissen aber kleinen Einfluss auf das Knochenmark. In einer Studie von Urhausen et al. von der Universität des Saarlandes haben 2003 bei mit anabol-androgenen Substanzen dopenden Bodybuildern um 5% höhere Hämoglobinwerte, um 33% höhere Leukozyten und um 38% höhere Thrombozyten gefunden als bei nicht-dopenden Bodybuildern oder Ex-Dopern. Wenn Frau Pechstein Blut-Doping mit anabol-androgenen Steroiden in Bodybuilder-Dosierung vorgenommen hätte, könnte sie nach diesen Daten ihren Hämoglobinwert um 0.7 g/dl steigern. Allerdings ist anzunehmen, dass solche Substanzen bei Frauen einen stärkeren Effekt haben dürften als bei Männern. Urhausen A, Torsten A, Wilfried K: “Reversibility of the effects on blood cells, lipids, liver function and hormones in former anabolicandrogenic steroid abusers”. J Steroid Biochem Mol Biol. 84:369-75, 2003. Alén M. Androgene Steroide führten bei Kraftsportlern bei kleiner Probandenzahl zu einem Anstieg des Hämatokritwertes von 46 auf 50% aber nicht zu einem des Hämoglobinwertes. Das bedeutet, es gibt hier keinen Hinweis auf gesteigerte Hämoglobinproduktion; es wurden nur besonders große Erythrozyten mit niedriger HämoglobinKonzentration (pro Volumeneinheit Ery) produziert. Die obere Abbildung zeigt den Hämatokritverlauf (hier PCV genannt) bei 26wöchiger Androgenbehandlung (durchgezogene Linien) im Vergleich zu Kontroll-Personen (auch Kraftsportler) (unterbrochene Linien). 7 A. Alén: “Androgenic steroid effects on liver and red cells”. Br J Sports Med. 19: 15-20, 1985. Leistungsfähigkeit Anabol-androgene Steroide (AAS) (Testosterone-Undecanoat versus 19-Norandrostenedion versus Placebo) wurden im Rahmen eines Ausdauer-Trainingsprogramm randomisiert und doppel-blind getestet. „Data from exercise testing on submaximal and maximal level did not reveal any performance differences between the three groups or their response to the treatment. In the present study, no effect of multiple oral doses of AAS on endurance performance or bioserum recovery markers was found.” 8 Baume N, Schumacher YO, Sottas PE, Bagutti C, Cauderay M, Mangin P, Saugy M: Effect of multiple oral doses of androgenic anabolic steroids on endurance performance and serum indices of physical stress in healthy male subjects. Eur J Appl Physiol. 98: 329340, 2006. Androgene/Impotenz Bei Männern mit Impotenz und erniedrigten Testosteronwerten wurde Testosterone-Undecanoat getestet. Der Hämoglobinwert stieg unter dieser Therapie, blieb aber im normalen Bereich. Einzelheiten, exakte Werte gehen aus dem Abstract nicht hervor. Diese Studie zeigt somit, dass zumindest bei Androgenmangel die Testosterongabe die Produktion roter Blutkörperchen stimuliert. Überhöhte Werte wurde nicht gesehen. Durchaus relevante Hämoglobinanstiege von z.B. 13 auf 16 g/dl kann ich auch nicht ausschließen. Prinzipiell könnte ich meine Sekretärin bitten, mir die Publikation zu besorgen. Aber: Wer bestellt schon gern eine Studie über Impotenz? Wörtlich: „On safety profile, TU (das ist das Testosteronpräparat) significantly elevated Hb, Hct, and PSA at 24 weeks but within normal range. Conclusions. In this prospective multicenter study, TU was effective, safe, and tolerable until 24 weeks in Korean TDS patients.” Moon DG, Park MG, Lee SW, Park K, Park JK, Kim SW, Park NC, Ahn TY, Paick JS, Seo JT, Yang DY, Lee JY, Kim JJ: The Efficacy and Safety of Testosterone Undecanoate (Nebido) in Testosterone Deficiency Syndrome in Korean: A Multicenter Prospective Study. J Sex Med. 2010 Mar 15. [Epub ahead of print] Androgene/Testosteronmangel Morgenthaler Bei Männern mit Testosteronmangel führte die Therapie mit Testosterone-Undecanoat über 24 Wochen zu einem Anstieg des mittleren Hämatokritwertes von 43.3% auf 45.7%. Der mittlere Hämoglobinwert stieg von 14.6 auf 15.5 g/dl. Auch hier bestätigt sich der positive Effekt der androgen-anabolen Substanzen auf die Blutbildung auch hier zumindest, wenn vorher ein Mangel bestanden hatte. Morgentaler A, Dobs AS, Kaufman JM, Miner MM, Shabsigh R, Swerdloff RS, Wang C: Long acting testosterone undecanoate therapy in men with hypogonadism: results of a pharmacokinetic clinical study. J Urol. 180:2307-2313, 2008 Minnemann Siehe Morgenthaler Minnemann T, Schubert M, Freude S, Hübler D, Gouni-Berthold I, Schumann C, Christoph A, Oettel M, Ernst M, Mellinger U, Krone W, Jockenhövel F: Comparison of a new long-acting testosterone 9 undecanoate formulation vs testosterone enanthate for intramuscular androgen therapy in male hypogonadism. Endocrinol Invest. 31:718723, 2008. „Andriol Testcaps“ Alte Männer mit Testosteronmangel erhielten in einer randomisierten Studie sechs Monate lang zweimal täglich zwei Kapseln Andriol oder Placebo. Darunter stieg der mittlere Hämoglobinwert von 14.7 auf 15.2 g/dl und der Mittelwert des Hämatokrits von 45 auf 46%. Publikation frei downloadbar. Emmelot-Vonk MH, Verhaar HJ, Nakhai Pour HR, Aleman A, Lock TM, Bosch JL, Grobbee DE, van der Schouw YT: Effect of testosterone supplementation on functional mobility, cognition, and other parameters in older men: a randomized controlled trial. JAMA 299: 39-52, 2008 Transsexuelle „Testosterone treatment is essential for the induction and maintenance of virilization of female-to-male transsexuals. This study tested the suitability of a novel testosterone preparation for this purpose. METHODS: Parenteral long-acting testosterone undecanoate (TU) was administered to 12 female-to-male transsexuals. Observations were made while subjects received treatment. MAIN OUTCOME MEASURES: Virilization of female-tomale transsexuals and side effects of testosterone administration. RESULTS: The testosterone levels were largely identical to those in hypogonadal men receiving testosterone treatment with TU. There were no side effects. There was a small but significant decrease in plasma cholesterol and low-density lipoprotein, but plasma highdensity lipoprotein did not change significantly. Both levels of hemoglobin and hematocrit rose upon administration but remained within the physiological range. CONCLUSIONS: TU is suited for induction of virilization in female-to-male transsexuals without significant side effects.” Jacobeit JW, Gooren LJ, Schulte HM. Long-acting intramuscular testosterone undecanoate for treatment of female-to-male transgender individuals. J Sex Med. 4:1479-84. 2007 Schluss jetzt Jetzt habe ich genug Studien zum Effekt von Anabolika/Androgenen auf Blutwerte zusammengetragen. Es gibt Publikationen mit und ohne Anstieg des Hämoglobinwertes unter Anabolika. Ich gehe davon aus, dass dieser Effekt vorhanden aber klein ist, insbesondere bei Menschen mit Testosteronmangel. Dieser liegt bei Frauen ja sicherlich in der Regel vor. Man kann den Hämoglobinwert unter solchen Bedingungen bei Body-Builder-Dosierungen wahrscheinlich um bis zu 1 g/dl steigern. Wundermittel sind Anabolika sicherlich nicht. Ich habe gar nichts zur Wort-Kombination „Anabolika und Retikulozyten“ und „Androgene und Retikulozyten“ in der Datenbank Medline, in der alle Kurzfassungen fast aller medizinischer 10 Zeitschriften der Welt zu finden sind, gefunden. Gefunden habe ich nur etwas zur erfolglosen Therapie bei aplastischer Anämie und etwas zu Rattenhirnen, aber absolut gar nichts, in dem Sinne, dass die Retis steigen. Fazit Anabolika/Androgene Entweder nennt mir jemand eine Publikation, in der nachlesbar ist, dass Anabolika die Retikulozytenzahl bei Frauen auf den Pechstein-Wert von 3.5% heben können oder die oben aufgeführte Behauptung von Prof. Dr. Franke ist offensichtlich an den Haaren herbeigezogen. Nachtrag vom 12.02.2011: Bislang hat mir niemand eine solche Studie genannt. Anlage 3: Die Pechsteinsche Blutanomalie in der Kuipers-Studie Kuipers wörtlich: "Percent reticulocytes above 2.4 % were found in 271 out of 11 600 samples (2.3 %). These 271 samples were collected from 116 skaters of whom 64 had only one single value above 2.4 %, whereas 52 did have multiple values outside the normal range. In the 64 skaters with only one value above the upper cut-off limit follow up testing showed values within the normal range. From the 52 skaters with more than one value of percent reticulocytes above the upper cut off limit, two individuals showed systematically elevated percent reticulocytes, while the remaining 50 skaters showed only occasionally two to three consecutive values above 2.4%, with otherwise values within the normal range. In one of the two individuals with consistently high percentreticulocyte count, a blood smear showed Howell Jolly bodies, which may yield a falsely higher reticulocyte count [23] . The elevated values in the second skater are compatible with a blood disease." Interpretation Frau Pechstein muss, obwohl nicht namentlich genannt, der zweite Skater sein. Der Material-und-Methoden-Teil der Arbeit ist akribisch verfasst. Hätte Herr Kuipers doping-verurteilte Skater aus der Auswertung ausgeschlossen, hätte dies dort aufgeführt sein müssen. Da sich keinerlei Hinweis auf den Ausschluss verurteilter Doper findet, muss Frau Pechstein einer der Sportler mit vielen Reti-Werten oberhalb der 2.4%-Grenze sein. Würde Herr Kuipers diesen Sachverhalt bestreiten, müsste er die Arbeit wegen fehlerhafter Darstellung der Methodik zurückziehen. 11